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EIN VOLKSFEIND von Henrik Ibsen Regie: Florian Fiedler 12.1.2018 PREMIERE

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Bratenduft, Musik, Toddy schlürfende Gäste – die Stimmung ist gut im Hause Stockmann.

Doch ein sehnlichst erwarteter Brief aus dem Labor bestätigt den Verdacht des Badearztes Thomas Stockmann: Das Wasser des örtlichen Heilbades ist der Gesundheit nicht zuträglich, es ist verseucht. Die Verunreinigung hat ihren Ursprung in den Gerbereien im oberen Talabschnitt. Es besteht drin-gender Handlungsbedarf: Die komplette Wasserlei-tung muss neu verlegt werden. Die verschiedenen Interessensgruppen des Ortes instrumentalisieren Stockmanns Entdeckung im Namen des Allgemein-wohls für jeweils eigene Zwecke. Thomas‘ Bruder

Der norwegische Dramatiker Henrik Ibsen wird am 20. März 1828 in Skien geboren. Nachdem das Geschäft Ibsens Vaters bankrott geht, muss seine

Familie von der Stadt aufs Land ziehen, was den sozialen Abstieg bedeutet. Als 16-Jähriger beginnt Ibsen eine Ausbildung zum Apotheker. Er bekommt mit dem Dienstmädchen des Apothekers einen Sohn, für den er zwar Unterhalt zahlt, den er aber erst spät kennenlernt. Während seiner Lehre schreibt Ibsen bereits erste Gedichte und Dramen. Er kommt mit der Arbeiterbewegung in Kontakt, weigert sich aber stets, einer Partei beizutreten. 1851 wird Ibsen zum künstlerischen Leiter des Nationaltheaters von Christiania (das heutige Oslo) ernannt. Hier ist er bis 1862 tätig und schreibt auch eigens dafür Stücke. Durch ein Stipendium reist Ibsen erstmals ins europäische Ausland und lernt die dortige Theaterszene kennen. Insgesamt 27 Jahre wird er mit Frau und Sohn in Rom sowie in Dresden und München leben. Seine bedeutendsten Werke entstehen außerhalb Norwegens, wobei Ibsen seine Stücke immer dort ansiedelt und in ihnen die norwegische Gesellschaft analysiert. 1882 entsteht „Ein Volksfeind“ als Reaktion auf die Kritik an seinem vorherigen Stück „Gespenster“. 1891 kehrt er als bereits berühmter Dramatiker nach Norwegen zurück. Ab 1900 leidet Ibsen unter den Folgen mehrerer Schlaganfälle und schreibt bis zu seinem Tod 1906 nichts mehr.

Unsere gewählten Vertreter sind zunehmend ausführende Organe, Getrie-bene von Sachzwängen und Imperativen, die jenseits ihrer Macht stehen.

Entscheidungen müssen unter dem Druck der Märkte, der Ratingagenturen, der Spekulanten, der drohenden Staatspleiten in einem Tempo gefällt werden, das keine demokratischen Verfahren erlaubt. Dabei ist Politik doch eigent-lich dadurch definiert, dass sie Alternativen formuliert, zwischen denen die Bürger oder ihre Repräsentanten wählen können. Heute beschränkt sich die institutionalisierte Politik jedoch immer häufiger auf das Implementieren von Alternativlosem.→ Ingolfur Blühdorn, Professor für Soziale Nachhaltigkeit

Wenn Demokratie einen Sinn haben soll, muss sie demnach tiefer in die Gefüge der Macht vordringen als je zuvor, und wenn sie ehrlich sein

soll, muss sie die Freiheit als ihren Lohn aufgeben. So gesehen lässt sich Demokratie nie verwirklichen, sondern ist immer nur ein (unerreichbares) Ziel, ein fortwährendes politisches Projekt. → Wendy Brown, Politikwissenschaftlerin

Peter weist als Bürgermeister des Ortes die Sanie-rung mit Rücksicht auf die Aktionäre des Bades und die Bürger*innen, die von den Einnahmen des Bades abhängig sind, zurück. Er bringt die öffent-liche Meinung zudem gegen den Badearzt auf, der sich weigert, bei der geplanten Vertuschung mitzu-machen, und nun als „Volksfeind“ einer Hetzjagd ausgesetzt wird. Thomas Stockmann stellt fest, dass nicht nur das Bad, sondern die ganze Gesellschaft in einem vergifteten Sumpf stecke. „Wir sind uns wohl alle einig, auf dem ganzen Erdball bilden die Dummen eine äußerst erschreckende und überwäl-tigende Majorität.“

Wahrheit ist eine Waffe. Wie entschärfen wir sie? […] Vielleicht durch die immer neu gestellte Frage, welches gesellschaftliche Interesse größer

ist: der Wunsch nach Wahrheit oder das Bedürfnis nach Sicherheit? Die Ant-wort bleibt schwierig. Deshalb lohnt es sich, bei einem alten Aufklärer wie Kant nachzuschlagen: „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?“ Kant glaubte ja, dass die Frage nach unseren Erkenntnismöglichkei-ten niemals von der Frage nach unseren Handlungsmaximen losgelöst werden kann. Der Horizont unseres Daseins „kurz: unsere Zukunft“ ist abhängig von hinreichendem Wissen und von richtigem Handeln. → Evelyn Finger, Journalistin

Man nennt den einen Freigeist, welcher anders denkt, als man von ihm aufgrund seiner Her-

kunft, Umgebung, seines Standes und Amtes oder auf Grund der herrschenden Zeitansichten erwartet. Er ist die Ausnahme, die gebundenen Geister sind die Regel; diese werfen ihm vor, dass seine freien Grundsätze ihren Ursprung entweder in der Sucht, aufzufallen, haben oder gar auf freie Handlungen, das heißt auf solche, welche mit der gebundenen Moral unvereinbar sind, schließen lassen. […] Das Zeugnis für die größere Güte und Schärfe seines Intellektes ist dem Freigeist gewöhnlich ins Gesicht geschrieben, so lesbar, dass es die gebundenen Geis-ter gut genug verstehen. […] Deshalb könnten aber die Sätze, zu denen sie auf jenen Wegen gelangten, doch wahrer und zuverlässiger sein als die der ge-

Es gibt keine gute und keine böse Öffentlich-keit, so wenig wie es ein bisschen Öffentlich-

keit gibt. Nur das vollständige Wissen-Können aller Bürger über im Prinzip alles, sagt jedenfalls das Bundesverfassungsgericht, ermöglicht die Bildung einer öffentlichen Meinung. Und die ungehinderte Bildung einer öffentlichen Meinung erlaubt es, das Ergebnis von Wahlen als repräsen-tativ für den Willen des Volkes zu betrachten. Darf der Staat Geheimnisse vor seinen Bürgern haben? Dürfen die Bürger solche Geheimnisse ausplaudern? Die Antwort ist ganz einfach. Sie lautet: ja. Natürlich darf der Staat Geheimnisse haben. Es gehört zum umsichtigen Handeln jedes Staatsdieners, Entscheidungen im Stillen vorzube-reiten, so dass die gewünschten Ergebnisse nicht von Unbefugten vorab vereitelt werden können. Das gilt für die Planung von Außenministerkonfe-renzen nicht anders als für den geplanten Zugriff auf Terroristen. Zum verantwortungsvollen Handeln aller Politiker, Beamten und Richter gehört es darum auch, auf sensible Informationen von Fall zu Fall aufzu-passen. Dies ist umso wichtiger, als der Staat sich

eben nicht darauf verlassen kann, im rechtlich geschützten Dunkeln zu arbeiten. Die Intimsphäre des Staates als solche ist rechtlich nicht geschützt, der Staat hat, anders als seine Bürger, kein Privat-leben. Die Rechte der Bürger verdienen Schutz, die Interna des Staates nicht. […] Dies ist die Antwort auf die zweite Frage: Ebenso, wie es für den Staat legitim ist, Informationen unter dem Deckel zu halten, ist es legitim für die Presse, Informationen, die sie gleichwohl aus dem Bauch des Staates be-kommen hat, öffentlich zu machen. Was die Presse hat, darf sie auch drucken: Diese Regel im Umgang mit Geheimnissen des Staates muss gelten, mit ganz engen Ausnahmen im Bereich des Landes-verrats. […] Um der freien Veröffentlichung von Geheimnissen willen, so sieht es das Grundgesetz, müssen die Journalisten sogar berechtigt sein, die Informanten in den Behörden zu schützen. […] Wenn der Staat seine demokratische Legitimation aus der umfassenden Information der Bürger bezieht, dann wird Information zur Bürgerpflicht. Und der Geheimnisverrat zum Ausweis der Quali-tät einer Demokratie. → Thomas Darnstädt, Jurist und Journalist

bundenen Geister. Bei der Erkenntnis der Wahrheit kommt es darauf an, dass man sie hat, nicht darauf, aus welchem Antrieb man sie gesucht, auf welchem Wege man sie gefunden hat. Haben die Freigeister Recht, so haben die gebundenen Geister Unrecht, gleichgültig, ob die ersteren aus Unmoralität zur Wahrheit gekommen sind, die anderen aus Moralität bisher an der Unwahrheit festgehalten haben. – Übri-gens gehört es nicht zum Wesen des Freigeistes, dass er richtigere Ansichten hat, sondern vielmehr, dass er sich von dem Herkömmlichen gelöst hat, sei es mit Glück oder mit einem Misserfolg. Für gewöhnlich wird er aber doch die Wahrheit oder mindestens den Geist der Wahrheitsforschung auf seiner Seite haben: er fordert Gründe, die anderen Glauben. → Friedrich Nietzsche

Überhaupt erscheint mir in diesen Zeiten die ganze Weltgeschichte wie ein einziger großer Schiffbruch; es gilt, sich selbst zu retten. Von speziellen Reformen verspreche ich mir nichts. Die ganze Menschheit ist auf dem Holzweg, das ist die Sache. Oder bietet unsere jetzige Situation wirklich einen Halt? Unerreichbare Ideale und dergleichen? Ganze Generationen kommen mir vor wie ein junger Mann, der sein Metier aufgegeben hat und zur Bühne gegangen ist. Wir haben in der Liebhaber- und der Heldenrolle Fiasko gemacht; bloß zum Naiv-Komischen haben wir ein bisschen Talent; doch mit einem entwickelteren Selbstbe-wusstsein geht auch das nicht mehr. → Henrik Ibsen

Wir danken Mario Behmer (Küchenstudio Horstmann) für die freundliche Leihgabe der Küchenzeile sowie Mathias Max Hermann für die Überlassung der Videos und Bert Zander für die Neuerstellung der Videos.

Dauer: ca. 2 Stunde 15 Minuten, ohne Pause

Quellen: Wendy Brown: „Wir sind jetzt alle Demokraten“, in: „Demokratie?“, Berlin, 2016; Ingolfur Blühdorn: „Simulative Demo-kratie“, Berlin, 2013; Evelyn Finger: „Wahrheit ist eine Waffe“, in: Die Zeit, Nr. 50, 2010; Friedrich Nietzsche: „Morgenröthe. Idyllen aus Messina. Die fröhliche Wissenschaft“, Berlin, 1988; Thomas Darnstädt: „Verrat als Bürgerpflicht?“, in: Der Spiegel, Nr. 50, 2010.

Herausgeber: Theater Oberhausen, Will-Quadflieg-Platz 1, 46045 Oberhausen Telefon: 0208/85 78 184; [email protected]: Florian Fiedler Redaktion: Meike Sasse Gestaltung, Titelbild: moxie.de Foto: Serkan AkinAuf dem Foto v.l.n.r.: Jürgen Sarkiss und Clemens Dönicke Druck: Druckverlag Kettler

Ein Volksfeind

Dr. Thomas Stockmann, Badearzt Clemens DönickeKatrin Stockmann, seine Frau Susanne BurkhardPedro Stockmann, Sohn von Katrin und Thomas, Lehrer Daniel RothaugFrau Kiil, Pflegemutter von Katrin, Gerbereibesitzerin Anna PolkePeter Stockmann, älterer Bruder von Thomas, Bürgermeister und Vorsitzender im Aufsichtsrat des Bades Jürgen SarkissHovstad, Redakteurin des „Volksboten“ Banafshe HourmazdiBilling, Redakteurin des „Volksboten“ Emilia ReichenbachAslaksen, Buchdruckerin Lise WolleKapitän Horster Torsten Bauer/Patrick O. BeckMusiker Martin Engelbach/Stefan Lammert, Serge Corteyn/Peter EngelhardtBadegäste Johnes Büschken, Peter Gremnitz, Elisabeth Hoffmann, Lydia Peißler, Christiane Schwalm, Jürgen Wohlebe

Regie: Florian Fiedler; Bühne: Maria-Alice Bahra; Kostüme: Lene Schwind; Musik: Martin Engelbach/Peter Engelhardt/Frank Wulff; Dramaturgie: Sibylle Baschung/Meike Sasse

Regieassistenz: Josef Zschornack; Bühnenbildassistenz: Deborah Kötting; Kostümassistenz: Andrea Barba; Dramaturgiepraktikum: Lena Carle; Theaterpädagogik: Anke Weingarte; Technischer Direktor: Bodo von Husen; Licht: Thomas Tarnogorski; Ton/Video: Philipp Schmidt, Christian Janßen, Simon Vieth; Bühnen-meister: Gunther Elsasser; Chefmaskenbildner: Thomas Müller; Maske: Markus Hahn, Ann-Katrien Mai; Werkstätten: Andreas Parker; Gewandmeisterei: Daphne Kitschen; Ankleiderinnen: Ewelina Fischer, Bärbel Klose; Requisite: Judith Bayer, Roman Firgau; Soufflage: Markus Henkel; Inspizienz: Stephanie Simons

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