triz- und szenariobasierte technologiebewertung für eine ... · triz- und szenariobasierte...
TRANSCRIPT
TRIZ- und szenariobasierte Technologie-
bewertung für eine zukunftsorientierte
Produktentwicklung
Masterarbeit
von
Florian Heid
P L A T Z H A L T E R Diese Seite wird durch das
unterzeichnete Exemplar er-setzt.
Vorlage siehe Vorlage Aufga-benstellung.dot
Erklärung
Prüfungsleistung
1. Ich versichere, dass ich die als Prüfungsleistung zu erbrin-
gende Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer
als der angegebenen Quellen angefertigt habe und dass die
Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prü-
fungsbehörde vorgelegen hat und von dieser als Teil einer Prü-
fungsleistung angenommen wurde. Alle Ausführungen, die
wörtlich oder sinngemäß übernommen wurden, sind als solche
gekennzeichnet.
2. Mir ist ferner bekannt, dass die Friedrich-Alexander Universi-
tät Erlangen-Nürnberg aufgrund der prüfungsrechtlichen Vor-
schriften einen Anspruch auf das Original der Arbeit hat. Dieser
Anspruch bezieht sich jedoch nur auf das körperliche Eigentum
an der Arbeit als solches und auf deren Verwendung zu den in
der Prüfungsordnung festgelegten Zwecken.
Ort, Datum Vorname, Nachname
Erklärung
Nutzungsrecht und Geheimhaltung
In Ergänzung zu anderen Erklärungen im Rahmen der Arbeit
erkläre ich Folgendes:
Es entspricht meinem ausdrücklichen Wunsch, dass ich vom
Lehrstuhl für Konstruktionstechnik (im Folgenden Universität
genannt) die als Prüfungsleistung zu erbringende Arbeit zur
Bearbeitung erhalte, für die die nachfolgenden Bedingungen
gelten. Ich wurde darauf hingewiesen, dass ich auch ein ande-
res Thema hätte erhalten können, für das diese Bedingungen
nicht gelten würden. Ich erkläre mich mit folgenden Punkten
einverstanden:
1. Ich räume der Universität für Zwecke der Forschung und
Lehre ein einfaches, kostenloses, zeitlich und örtlich unbe-
schränktes Nutzungsrecht an den Arbeitsergebnissen ein-
schließlich etwaiger Schutzrechte und Urheberrechte ein. Das
Nutzungsrecht der Universität umfasst die Befugnis zur Weiter-
gabe der Arbeit an Dritte zur Nutzung in Forschung und Lehre.
2. Wegen des Praxisbezugs meiner Arbeit werde ich Informati-
onen erhalten und Einblick in Unterlagen nehmen, die vertrau-
lich zu behandeln sind. Da die Ergebnisse meiner Arbeit auf
den vorgenannten Informationen bzw. Unterlagen beruhen wer-
den, werde ich meine Arbeit nur mit Zustimmung des betreuen-
den Hochschullehrers Dritten zugänglich machen bzw. veröf-
fentlichen.
Ort, Datum Vorname, Nachname
Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung ......................................................................................................... 1
1.1 Ausgangssituation ......................................................................................... 1
1.2 Problemstellung ............................................................................................ 3
1.3 Zielsetzung .................................................................................................... 7
1.4 Aufbau der Arbeit .......................................................................................... 8
2 Stand der Forschung ...................................................................................... 11
2.1 Präzisierung des Technologieverständnisses ............................................. 11
2.1.1 Abgrenzung des Technologiebegriffs .................................................... 12
2.1.2 Klassifizierung von Technologien .......................................................... 13
2.2 Grundlagen des Technologiemanagements ............................................... 19
2.2.1 Einführung in das Technologiemanagement ......................................... 19
2.2.2 Instrumente des strategischen Technologiemanagements .................... 24
2.2.2.1 Technologiefrüherkennung.............................................................. 24
2.2.2.2 Technologiebewertung .................................................................... 26
2.3 Überblick über den Produktentstehungsprozess ......................................... 28
2.3.1 Produktplanung...................................................................................... 30
2.3.2 Entwicklung & Konstruktion ................................................................... 33
2.3.3 Arbeitsvorbereitung & Produktherstellung ............................................. 36
2.4 Unterstützung von Technologieentscheidungen in der Produktplanung ..... 37
2.4.1 Technologiefrüherkennung und -bewertung zur Entscheidungs-
unterstützung in der strategischen Produktplanung ............................... 38
2.4.2 Multikriterielle Entscheidungsunterstützung ........................................... 39
2.5 Methodisch gestützte Technologiefrüherkennung und Technologie-
bewertung ................................................................................................... 43
2.5.1 Methoden zur Technologiefrüherkennung ............................................. 43
2.5.1.1 Expertenbefragung .......................................................................... 45
2.5.1.2 Patentanalyse ................................................................................. 46
2.5.1.3 Technologie-Roadmapping ............................................................. 46
2.5.1.4 TRIZ – Theorie des erfinderischen Problemlösens ......................... 48
II Inhaltsverzeichnis
2.5.2 Einzel-Methoden zur Technologiebewertung ........................................ 60
2.5.2.1 Trendextrapolation .......................................................................... 63
2.5.2.2 Nutzwert-Analyse ........................................................................... 63
2.5.2.3 Relevanzbaumanalyse ................................................................... 64
2.5.2.4 Portfolio-Analyse ............................................................................ 65
2.5.2.5 Brainstorming ................................................................................. 67
2.5.2.6 Delphi-Studie .................................................................................. 67
2.5.2.7 Szenario-Analyse ........................................................................... 68
2.5.3 Integrative Ansätze zur Technologiebewertung .................................... 77
2.5.3.1 Ansatz nach HIERONYMUS, TINTELNOT & VON WICHERT-NICK ............ 78
2.5.3.2 Ansatz nach BRANDENBURG ............................................................ 79
2.5.3.3 Ansatz nach HALL ........................................................................... 81
2.5.3.4 Ansatz nach KRÖLL ......................................................................... 82
3 Ableitung des Handlungsbedarfs ................................................................. 84
3.1 Allgemeine Kritik der Methoden zur Technologiebewertung ....................... 84
3.2 Forschungsspezifische Evaluierung der Methoden zur Technologie-
bewertung ................................................................................................... 88
3.3 Konkreter Handlungsbedarf ........................................................................ 93
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung ................................... 94
4.1 Grundkonzept der Bewertungsmethode ..................................................... 95
4.2 Phasen der Bewertungsmethode ............................................................. 102
4.2.1 Phase 1 – Vorbereitungsphase ........................................................... 103
4.2.2 Phase 2 – Systemische Exploration .................................................... 109
4.2.3 Phase 3 – Bestimmung von Technologieoptionen .............................. 125
4.2.4 Phase 4 – Multikriterielle Technologiebewertung ................................ 131
4.3 Excel-Tool für eine rechnergestützte Anwendung .................................... 144
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG ............... 150
5.1 Der Frequenzumrichter als Praxisbeispiel ................................................ 150
5.1.1 Aufbau und Funktionsweise ................................................................ 150
5.1.2 Untersuchungshintergrund .................................................................. 153
5.2 Anwendung der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung ..... 154
5.2.1 Vorbereitungsphase ............................................................................ 155
5.2.2 Systemische Exploration ..................................................................... 159
Inhaltsverzeichnis III
5.2.3 Bestimmung von Technologieoptionen ................................................ 178
5.2.4 Multikriterielle Technologiebewertung .................................................. 185
5.2.5 Fazit ..................................................................................................... 193
6 Diskussion der Ergebnisse .......................................................................... 195
6.1 Methodisches Konzept in der Praxis ......................................................... 195
6.2 Excel-Tool ................................................................................................. 198
7 Zusammenfassung ....................................................................................... 202
8 Ausblick ......................................................................................................... 206
9 Bibliografie .................................................................................................... 208
Anhang A Sammlung der erweiterten TESE ...................................................... 220
Anhang B Verzeichnis Excel-Tool_Praxisbeispiel ............................................ 223
Anhang C Verzeichnis Datenträger .................................................................... 224
Anhang D Datenträger ......................................................................................... 225
Anhang E Lebenslauf .......................................................................................... 226
IV Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Bild 1.1: Umsatzwachstum von Technologieführern im Vergleich zum nominalen
BIP-Wachstum .......................................................................................... 2
Bild 1.2: Defizite bei der integrativen Prognose von technologischen
Entwicklungen und Bedarfsfeldern ............................................................ 4
Bild 1.3: Aufbau der Arbeit ...................................................................................... 9
Bild 2.1: Traditionelles und integratives Begriffsverständnis von Technologie
und Technik ............................................................................................ 13
Bild 2.2: Unterscheidung zwischen Produkt- und Prozesstechnologie am
Beispiel eines Feuermelders ................................................................... 14
Bild 2.3: Technologie-Lebenszyklusmodell ........................................................... 16
Bild 2.4: Darstellung des Doppel-S-Kurven-Konzepts........................................... 17
Bild 2.5: Möglichkeiten zur organisatorischen Verankerung des Technologie-
managements ......................................................................................... 20
Bild 2.6: Prozessmodell des strategischen Technologiemanagements ................ 22
Bild 2.7: Der Technologiefrüherkennungsprozess ................................................ 25
Bild 2.8: Produktentstehungsprozess entlang Produktlebenszyklus ..................... 29
Bild 2.9: Erfolgspotentiale von morgen ................................................................. 31
Bild 2.10: Vorgehensmodell für die Produktplanung ............................................... 32
Bild 2.11: Zyklischer Produktentwicklungsprozess ................................................. 35
Bild 2.12: Ablaufschema einer multikriteriellen Bewertung ..................................... 41
Bild 2.13: Beispielhafte Darstellung einer Technologie-Roadmap .......................... 47
Bild 2.14: Prinzipielles Vorgehen zur Problemlösung mit TRIZ ............................... 49
Bild 2.15: Aufbau des System Operators ................................................................ 51
Bild 2.16: Erweitertes TESE-Modell ........................................................................ 53
Bild 2.17: S-Kurve eines technischen Systems mit ihren spezifischen Phasen ...... 54
Bild 2.18: Ablauf der Directed Evolution™ .............................................................. 58
Bild 2.19: Technologie-Portfolio .............................................................................. 66
Bild 2.20: Grundprinzipen des Denkens in Szenarien ............................................. 69
Bild 2.21: Ablauf der Szenario-Analyse ................................................................... 71
Bild 2.22: Grundgerüst einer Einflussmatrix ............................................................ 72
Bild 2.23: Aufbau eines System-Grids zur Auswahl der Schlüsselfaktoren ............. 73
Bild 2.24: Zukunftsraum-Mapping ........................................................................... 76
Bild 2.25: Prozess der integrativen Technologiebewertung .................................... 78
Abbildungsverzeichnis V
Bild 2.26: Ablaufschema der Methode ..................................................................... 80
Bild 2.27: Vorgehensmodell zur Technologiebewertung ......................................... 83
Bild 3.1: Evaluierung der vorgestellten Methoden zur Technologiebewertung ...... 90
Bild 4.1: Prozessuales Ablaufschema der TRIZ- und szenariobasierten
Technologiebewertung ............................................................................ 99
Bild 4.2: Integration der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung in
die strategische Produktplanung ........................................................... 101
Bild 4.3: Vorgehensweise zur Festlegung des Untersuchungsrahmens .............. 104
Bild 4.4: Systemkomponenten ............................................................................. 105
Bild 4.5: Vorgehensweise zur Systemtechnischen Strukturierung....................... 107
Bild 4.6: Trendmodell auf Basis des modifizierten System Operators ................. 111
Bild 4.7: Vorgehensweise zur Gestaltung des Trendmodells .............................. 113
Bild 4.8: Vorgehensweise zur Erstellung des Szenariofelds ................................ 115
Bild 4.9: Grundaufbau der modifizierten Einflussmatrix ....................................... 116
Bild 4.10: Vorgehensweise zur Einflussanalyse .................................................... 118
Bild 4.11: Vorgehensweise zur Erstellung von Zukunftsprojektionen .................... 121
Bild 4.12: Aufbau der Konsistenzmatrix ................................................................. 122
Bild 4.13: Mustersteckbrief eines suchfeldspezifischen Szenarios ........................ 124
Bild 4.14: Vorgehensweise zur Szenariobildung ................................................... 125
Bild 4.15: Verdichtung von Signalen über neue technologische Potentiale in der
TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung ............................ 127
Bild 4.16: Vorgehensweise zur Technologieidentifikation ...................................... 129
Bild 4.17: Vorgehensweise zur Beschreibung der Technologieoptionen ............... 131
Bild 4.18: Grundgerüst der Bewertungskriterien .................................................... 133
Bild 4.19: Beispiel einer paarweisen Vergleichsmatrix .......................................... 136
Bild 4.20: Vorgehensweise zur Aufbereitung der Bewertungskriterien .................. 137
Bild 4.21: Beispielhafte Darstellung der Bewertungsmatrizen zur Bestimmung der
Gesamtpotentiale .................................................................................. 139
Bild 4.22: Vorgehensweise zur multikriteriellen Bewertung der Technologie-
optionen ................................................................................................. 140
Bild 4.23: Handlungsportfolio der TRIZ- und szenariobasierten Technologie-
bewertung .............................................................................................. 141
Bild 4.24: Vorgehensweise zur Ableitung von Handlungsempfehlungen ............... 143
Bild 4.25: Zentrale Aspekte eines Decision Support Systems ............................... 145
Bild 4.26: Screenshot zum Ablaufmodell im Hauptmenü des Excel-Tools ............ 147
Bild 4.27: Screenshot zur VBA-basierten Darstellung der Arbeitsanweisungen .... 148
Bild 4.28: Screenshot zu den erweiterten Hilfsfunktionen ..................................... 149
Bild 5.1: Standardaufbau eines Frequenzumrichters ........................................... 152
VI Abbildungsverzeichnis
Bild 5.2: Querschnitt durch einen Leistungshalbleiter ......................................... 152
Bild 5.3: Systemtechnische Strukturierung des Frequenzumrichters im Praxis-
beispiel .................................................................................................. 158
Bild 5.4: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Beschreibung der System-
Gegenwart ............................................................................................ 160
Bild 5.5: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Beschreibung der
System-Historie ..................................................................................... 163
Bild 5.6: Historische Entwicklung der Verbindungstechniken zur elektrischen
und mechanischen Anbindung von Leistungshalbleitern in Frequenz-
umrichtern ............................................................................................. 164
Bild 5.7: Screenshot aus dem Excel-Tool zum Ausblick in die Zukunft ............... 165
Bild 5.8: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Bestimmung der System-
deskriptoren .......................................................................................... 167
Bild 5.9: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Bestimmung der Umfeld-
deskriptoren .......................................................................................... 168
Bild 5.10: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Einflussanalyse ........................... 169
Bild 5.11: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Berechnung der charakteristischen
Kennzahlen einer Einflussanalyse ........................................................ 170
Bild 5.12: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Erstellung potentieller Projektionen
für die Schlüsseldeskriptoren ................................................................ 172
Bild 5.13: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Konsistenzanalyse ...................... 174
Bild 5.14: Screenshot aus dem Excel-Tool zur steckbriefartigen Beschreibung
von suchfeldspezifischem Szenario I .................................................... 177
Bild 5.15: Screenshot aus dem Excel-Tool zu den technologiespezifischen
Signalen ................................................................................................ 179
Bild 5.16: Screenshot aus dem Excel-Tool zur datentechnischen Beschreibung
der Technologieoptionen ...................................................................... 182
Bild 5.17: Power Chip Embedding ........................................................................ 184
Bild 5.18: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Gewichtung der Bewertungs-
kriterien des Technologiepotentials ....................................................... 187
Bild 5.19: Screenshot aus dem Excel-Tool mit den fertigen Bewertungsmatrizen
zur Bestimmung der Gesamtpotentiale ................................................. 189
Bild 5.20: Screenshot aus dem Excel-Tool mit den finalen Bewertungs-
ergebnissen .......................................................................................... 190
Bild 5.21: Screenshot aus dem Excel-Tool mit dem finalen Handlungsportfolio ... 191
Bild 6.1: Begrenzte Übersichtlichkeit im Excel-Tool am Beispiel der Trend-
modell-Matrix ........................................................................................ 199
Abbildungsverzeichnis VII
Bild 7.1: Beantwortung der zentralen Fragestellungen im Rahmen der Master-
arbeit ..................................................................................................... 202
VIII Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1: Klassifizierungsmöglichkeiten von Technologien ................................ 18
Tabelle 2.2: Unterschiede zwischen Multi-Attribut- und Multi-Objective-Ansätzen .. 40
Tabelle 2.3: Methoden-Übersicht zur Technologiefrüherkennung ........................... 44
Tabelle 2.4: TRIZ-Werkzeuge ................................................................................. 50
Tabelle 2.5: Auswahl an Indikatoren zur S-Kurven-Analyse ................................... 56
Tabelle 2.6: Methoden-Übersicht zur Technologiebewertung ................................. 62
Tabelle 4.1: Einflusskennzahlen ........................................................................... 117
Tabelle 5.1: Zusammenfassung der Systemkomponenten des Frequenzum
richters............................................................................................... 158
Tabelle 5.2: Zusammenfassung der Schlüsseldeskriptoren mit dem größten
Einfluss auf die Weiterentwicklung des Suchfelds ............................. 170
Tabelle A: Erweiterte TESE ................................................................................ 220
Formeln, Indizes & Abkürzungen IX
Formeln, Indizes & Abkürzungen
Formeln
a Potentialabschätzung (0, 1, 2, …, 10)
g i relativer Gewichtungsfaktor
i Zeilennummer (Kriterium)
j Spaltennummer (Kriterium bzw. Technologieoption)
n Anzahl der Kriterien (1, 2, …, N)
p j i Teilpotential einer Technologieoption je Kriterium
P i Gesamtpotential einer Technologieoption
r Relevanz (-1, 0, 1)
zi relative Gewichtungssumme
Z i Gewichtungssumme bzw. Zeilensumme
Indizes
1, 2, 3, … Zählindex
Abkürzungen
Ag Elementsymbol für Argentum bzw. Silber
AG Aktiengesellschaft
Anm. des Verf. Anmerkung des Verfassers
ARIZ Algorithmus zur Lösung der Erfindungsprobleme
bspw. beispielsweise
bzgl. bezüglich
bzw. beziehungsweise
BIGT Bimodule-Insulated-Gate-Transistor
BIP Bruttoinlandsprodukt
BTR Bipolartransistor
d.h. das heißt
DE Directed Evolution™
DSS Decision Support System
et al. und andere
etc. et cetera
X Formeln, Indizes & Abkürzungen
F&E Forschung und Entwicklung
FET Feldeffekttransistor
GTO Gate-Turn-Off
inkl. inklusive
IGBT Insulated-Gate-Bipolartransistor
IGCT Integrated-Gate-Commutated-Thyristor
Inc Incorporated
MZK Maße, Zeit, Kosten
MOSFET Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor
MPV Main Parameter of Value
Q1…Q4 Quadranten der Einflussmatrix
sog. sogenannt(e)
SiC Siliziumcarbid, chemische Verbindung aus Silizium und Kohlenstoff
SRI Stanford Research Institute
TESE Trends of Engineering System Evolution (dt. Trends der Technikevolution)
TRIZ Theorie des erfinderischen Problemlösens
usw. und so weiter
v.l.n.r. von links nach rechts
vgl. vergleiche
VBA Visual Basic for Applications
VDI Verein Deutscher Ingenieure
WOIS widerspruchsorientierte Innovationsstrategie
z.B. zum Beispiel
1 Einführung 1
1 Einführung
Im Zeichen des globalen Wettbewerbs unterliegen Märkte aktuell einer sehr hohen
Dynamik, die Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen vor große Herausfor-
derungen stellt. Hier sind insbesondere die immer kürzer werdenden Produktlebens-
und Innovationszyklen sowie die wachsenden Anforderungen der Kunden an Quali-
tät, Kosten und Funktionalität der Produkte zu nennen (VDI 2206, 2004, S. 3; BUL-
LINGER, WARSCHAT & FISCHER, 2000, S. 99; IANSITI, 1995, S. 37). Um sich diesen Her-
ausforderungen langfristig stellen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit aufrecht-
erhalten zu können, sind Unternehmen auf überlegene Problemlösungen angewie-
sen, die sich in „zukunftsträchtigen Produkten mit technologischem und qualitativem
Vorsprung“ wiederspiegeln (KRÖLL, 2007, S. 11).
Der technologische Fortschritt spielt dabei eine tragende Rolle. UTTERBACK sieht da-
rin einerseits eine treibende Kraft für unternehmerisches Wachstum, andererseits
aber auch ein potentielles Risiko für Unternehmen, den Puls der Zeit zu verpassen
und die geschäftliche Existenz zu gefährden (UTTERBACK, 2003, S. 81). Der Wettbe-
werb wird immer mehr zu einem Kampf um Technologieführerschaft (KRÖLL, 2007,
S. 11). In der Folge entwickeln sich zukunftsträchtige Technologien zu einem ele-
mentaren Faktor für Unternehmen, um damit die eigene Marktposition zu sichern,
gleichzeitig aber auch neue Potentiale für die künftige Unternehmensentwicklung zu
erschließen (INGERFELD, 2006, S. 1; KLAPPERT, SCHUH & AGHASSI, 2011, S. 6).
1.1 Ausgangssituation
Je rascher und effizienter solch zukunftsträchtige Technologien in marktfähige Pro-
duktlösungen umgesetzt werden, desto deutlicher können sich Unternehmen von
potentiellen Wettbewerbern absetzen und als Technologieführer etablieren (KRÖLL,
2007, S. 12–13). Bild 1.1 verdeutlicht diesen Umstand und zeigt das jährliche Um-
satzwachstum von Technologieführern aus großen Industrienationen im Vergleich zu
Mitläufern und Nachfolgern sowie dem jährlichen Wachstum des nominalen Bruttoin-
landsprodukts. Dabei wird ersichtlich, dass sich Pioniere enorme Vorteile gegenüber
Technologiemitläufern und -nachzüglern verschaffen können, deren Produktivität
oftmals gar hinter der durchschnittlichen Wirtschaftsleistung des eigenen Landes zu-
2 1 Einführung
rück bleibt. Die Beherrschung neuester Technologien vor der Konkurrenz eröffnet
Technologieführern beispielsweise den Zugang zu neuen Märkten und potentiellen
Kunden, was sich letztendlich in einem deutlich höheren Umsatzwachstum nieder-
schlägt. Die intensive und frühzeitige Nutzung neuer, zukunftsträchtiger Technolo-
gien ist folglich ein entscheidendes Merkmal für eine erfolgreiche Geschäftsentwick-
lung und unternehmerisches Wachstum (BCG, 2013, S. 8–10).
Bild 1.1: Umsatzwachstum von Technologieführern im Vergleich zum nominalen BIP-Wachstum
nach BCG, 2013, S. 10
Als Treiber für Erfolg und Wachstum sind Technologien stets differenzierungs- und
kostenrelevant und bergen enorme Optimierungspotentiale (KRÖLL, 2007, S. 11).
Diese manifestieren sich nicht nur in der Schaffung, Sicherung sowie dem Ausbau
von markt- und kundenseitigen Wettbewerbsvorteilen, sondern auch in der Optimie-
rung der unternehmenseigenen Prozesse im Rahmen der Leistungserstellung zur
Förderung der Wirtschaftlichkeit. So lassen sich bestehende Produkte sowie deren
Herstellungsprozesse aus funktionaler und ökonomischer Sicht nicht nur gezielt ver-
bessern, sondern gegebenenfalls auch durch besonders vielversprechende techni-
sche Lösungen vollständig ersetzen (INGERFELD, 2006, S. 3, S. 14).
Zur möglichst effektiven Nutzung der geschilderten Optimierungspotentiale müssen
Unternehmen allerdings schon frühzeitig „Entscheidungen darüber treffen, welche
Technologien wann und wie zum Einsatz kommen“ (HIERONYMUS, TINTELNOT & VON
WICHERT-NICK, 1996, S. 26). Grundlegende Technologieentscheidungen sind des-
halb bereits im Rahmen einer strategischen Produktplanung anzusiedeln, die als
0
5
10
15
20
25
30
30155 10 2520
durchschnittliches, jährliches Umsatzwachstum (2010–2012) in %
durchschnittliches, jährliches Wachstum des nominalen BIP (2010–2012) in %
China
Deutschland
USA
Führer
Nachzügler
Mitläufer
Führer
Nachzügler
Mitläufer
Führer
Mitläufer
Nachzügler
1 Einführung 3
vorgelagerte Phase der eigentlichen Produktentwicklung zur Konkretisierung von
Entwicklungsvorhaben auf Basis zukünftiger Erfolgspotentiale dient (GAUSEMEIER,
EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 43–44; KRÖLL, 2007, S. 19–20). Dazu werden
funktionale, kosten- sowie qualitätstechnische Merkmale des künftigen Produkts
festgelegt und in vorläufige Anforderungen an die Produktentwicklung überführt. Um
zeitlichen, markt- oder kundenseitigen Fehlentwicklungen wie auch kostenintensiven
Änderungsvorhaben im weiteren Verlauf des Produktentstehungsprozesses vorbeu-
gen zu können, sind in dieser Phase immer umfassendere Kenntnisse über verfüg-
bare Technologien sowie potentielle Technologietrends gefordert (KRÖLL, 2007,
S. 17). Demnach hängt die „erfolgreiche Integration neuer Technologie in Produkte
und deren Kommerzialisierung“ erheblich von einem gut koordinierten Zusammen-
spiel zwischen Technologiemanagement und Produktentstehungsprozess ab (ZAHN,
1995, S. 20). Eine gründliche, fortwährende Analyse des Technologiemarkts zur
frühzeitigen Erkennung und Bewertung geeigneter Technologien erfüllt hierbei eine
wichtige Querschnittsfunktion des strategischen Technologiemanagements und dient
als richtungsweisende Grundlage für Technologieentscheidungen im Hinblick auf
eine zukunftsorientierte Produktentwicklung (INGERFELD, 2006, S. 3; KRÖLL, 2007, S.
12; SCHÄPPI, 2005, S. 14).
1.2 Problemstellung
Getrieben durch den intensiven Wettbewerb und die stetig wachsenden Kundenan-
sprüche mündet die permanente Schaffung von technologischem Know-how in be-
trieblichen F&E-Aktivitäten sowie öffentlichen Forschungseinrichtungen oder Univer-
sitäten in einen stetig wachsenden und verflochtenen Bestand an Technologien
(HALL, 2002, S. 1; SCHÄPPI, 2005, S. 5). Entstehungsprozesse von Technologien sind
immer seltener durch lineare Abläufe geprägt, vielmehr sind sie „als wechselseitige
Trial- & Error-Suchprozesse zwischen frühem Technologieangebot und dem Prob-
lemlösungsbedarf in potentiellen Einsatzbereichen zu verstehen“ (SERVATIUS & PEIF-
FER, 1992, S. 75).
Diese Problematik hat sich in den vergangenen Jahren wegen des zunehmenden
Querschnittscharakters von Technologien zusätzlich verschärft (SCHNEIDER, 2002,
S. 8). Speziell technologische Weiterentwicklungen auf Basis interdisziplinären
Know-hows führen dazu, dass Technologien zunehmend „für vielfältige und hetero-
gene technische Einsatzbereiche Relevanz besitzen“ (SERVATIUS & PEIFFER, 1992,
S. 74). In der Folge bieten sich den Unternehmen zwar weitaus mehr technologische
Alternativen als früher, jedoch gestaltet sich die zielgerichtete Auswahl geeigneter
4 1 Einführung
Technologien aus diesem diffusen Technologiebestand als äußerst schwierig (HALL,
2002, S. 1; STECK, 1997, S. 1–2). Für Entscheidungen über den Einsatz von Techno-
logien in Produkten und deren Herstellungsprozessen hat dies letztendlich sichtbar
veränderte Rahmenbedingungen zur Folge (HAAG, SCHUH, KREYSA & SCHMELTER,
2011, S. 311; SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 77):
Die Dynamik und Komplexität im Bereich der Entstehung von Technologien
nimmt zu.
Die eben geschilderte, zunehmende Vernetzung, Multikausalität und Viel-
schichtigkeit von technologischen Entwicklungen führt zu Prognosedefiziten
beim Mapping von verfügbarem Technologieangebot und künftigem Problem-
lösebedarf. Bild 1.2 verdeutlicht in diesem Zusammenhang die Schwierigkeit
bei der Abschätzung, ob das bestehende Technologieangebot genügend Po-
tential aufweist, um auch künftige Bedarfsfelder bzw. den entsprechenden
Problemlösebedarf abdecken zu können.
Es bestehen Prognose- und Wissensdefizite bzgl. der Einschätzung technolo-
gischer Entwicklungen und deren Funktionalität bzw. Leistungsfähigkeit.
Bild 1.2: Defizite bei der integrativen Prognose von technologischen Entwicklungen und Bedarfsfel-
dern nach SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 77
Um die Qualität von Technologieentscheidungen sowie den damit verbundenen
Handlungserfolg als Folge des herbeigeführten Technologieeinsatzes zu erhöhen,
sind Bewertungsmethoden zur Beurteilung von Technologien hinsichtlich spezifischer
Kriterien einzusetzen (HAAG ET AL., 2011, S. 310; SCHNEIDER, 2002, S. 73). Aufgrund
bestehendes
Technologieangebot
künftiger
Problemlösebedarf
???
Technologische
Lösung
Technologie-
potential
Bedarfs-
potential???
1 Einführung 5
der aufgezeigten, veränderten Rahmenbedingungen im Bereich der Technologieent-
stehung und -entwicklung ist der verfügbare Bestand an Methoden zur Technologie-
bewertung aktuell jedoch wesentlichen Schwierigkeiten bzw. Problembereichen aus-
gesetzt (HAAG ET AL., 2011, S. 311).
Einen ersten Problembereich bildet die Informationserfassung als datentechnische
Grundlage einer methodischen Technologiebewertung. Diese erweist sich aufgrund
der hohen Komplexität, Dynamik sowie Verflochtenheit von Technologieentstehung
und -entwicklung häufig als diffus, ungeordnet und unvollständig. Der Grund ist ins-
besondere bei den unterschiedlichen Datentypen zu finden, die aus zahlreichen In-
formationsquellen bezogen werden und innerhalb der Bewertungsmethode trotz di-
vergierender Verlässlichkeitsgrade systematisch zu verarbeiten sind (HAAG ET AL.,
2011, S. 310–311; SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 77–78). Neben technologiespezifi-
schen Informationen, die sich aus der komplexen Beschaffenheit des aktuellen Un-
ternehmensumfelds ergeben, müssen dabei auch unternehmensinterne Faktoren
und Gegebenheiten möglichst vollständig berücksichtigt werden. Äußerst schwierig
gestaltet sich in diesem Zusammenhang vor allem die Beschaffung externer Informa-
tionen, die stark an den Wandel auf dem Technologiemarkt geknüpft sind, kaum zeit-
lichen Regelmäßigkeiten folgen und somit nur bedingt prognostizierbar sind. Sie sol-
len Auskunft über das relative Potential bzw. die künftige Relevanz einer Technologie
im Vergleich zu technologischen Alternativen liefern. Unternehmensinterne Informa-
tionen zielen dagegen auf die positiven wie negativen Auswirkungen einer Technolo-
gie für das Unternehmen ab (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 73; S. 77). Zeitgemäße
Bewertungsmethoden müssen demnach so konzipiert sein, dass sie trotz dieser brei-
ten aber auch lückenhaften sowie unsicheren Informationsbasis ihrem vorausschau-
enden Charakter gerecht werden und aussagekräftige Ergebnisse nach sich ziehen
(HAAG ET AL., 2011, S. 311).
Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Festlegung und Erfassung der Bewertungskri-
terien, die „aufgrund des Fehlens einer umfassenden Theorie für die Entstehung und
Verbreitung technischer Innovationen auf keinem theoretischen Fundament aufbau-
en“ (SCHNEIDER, 2002, S. 78). Bewertungskriterien sind keine absoluten Größen und
hinsichtlich ihrer Gewichtung immer einem subjektiven Einfluss ausgesetzt. Nichts-
destotrotz gelten sie als elementare Wegweiser innerhalb einer jeden Bewertungs-
methode, stecken den Rahmen für die bewertungsrelevanten Informationen ab und
gewährleisten eine adäquate Bewertung in Richtung einer vorgegebenen Zielsetzung
(SCHNEIDER, 2002, S. 78). Unternehmen können dabei zwischen unternehmensinter-
nen und unternehmensexternen Bewertungskriterien unterscheiden. Abgesehen von
klassischen, unternehmenstypischen Kriterien wie Funktionsfähigkeit und Wirtschaft-
6 1 Einführung
lichkeit werden dabei auch ökologische, soziale oder rechtliche Kriterien wie Gesell-
schaftsqualität, Sicherheit oder Umweltqualität immer wichtiger (HAAG ET AL., 2011,
S. 311; SCHNEIDER, 2002, S. 75). Im Rahmen der Technologiebewertung sind also
„neben exakten und quantifizierbaren Bewertungsinformationen (wie z.B. Funktions-
fähigkeit) zusätzlich ‚weiche‘ und qualitative Bewertungsinformationen (wie z.B. Si-
cherheit) zu berücksichtigen“ (SCHNEIDER, 2002, S. 76). Um trotz dieser Vielfalt an
teils insuffizienten Bewertungskriterien vergleichende und objektive Aussagen über
Technologiealternativen tätigen sowie fundierte Entscheidungen herbeiführen zu
können, muss bei der Konzipierung der Methoden dem Leitgedanken einer systema-
tischen „Bewertung hinsichtlich mehrerer, verschiedener Kriterien (multikriterielle
Bewertung)“ Folge geleistet werden (WARTZACK, 2001, S. 62). Jene Kriterien sollten
dabei stets widerspruchsfrei sowie leicht erfassbar sein und sich immer nur auf mitei-
nander vergleichbare Bewertungsobjekte beziehen (BREIING & KNOSALA, 1997, S. 6–
7).
Ferner werden Technologien im Rahmen einer methodisch gestützten Technologie-
bewertung häufig nur isoliert betrachtet, was hinsichtlich ihres zunehmend vernetzten
Charakters nicht zielführend erscheint. Um fundierte Entscheidungen über den Ein-
satz von Technologien in Produkten herbeiführen zu können, sind zwingend die
Wechselwirkungen zwischen Technologien innerhalb einer Bewertung zu berücksich-
tigen (KRÖLL, 2007, S. 52). „Folgt man dem Gedanken, dass jede Produktfunktion
durch eine bestimmte Technologie realisiert wird, die wiederum durch verschiedene
Verfahren unterstützt oder beeinflusst werden kann, so ergeben sich Verbünde von
miteinander in unterschiedlichen Beziehungen stehenden Technologien“ (SPECHT,
BEHRENS & KIRCHHOF, 1999, S. 720). Werden diese Wechselwirkungen vernachläs-
sigt, können neu eingesetzte Technologien bzw. Weiterentwicklungen von Technolo-
gien zu unbemerkten Veränderungen der funktionalen Zusammenhänge im Produkt
führen. Demzufolge dürfen Bewertungsmethoden Technologien nicht ausschließlich
nach ihren Potentialen oder charakteristischen Merkmalen beurteilen, sondern immer
mit engem Bezug zu dem Produkt, in dem sie verwendet werden (SPECHT ET AL.,
1999, S. 720).
Des Weiteren erfordern die zunehmend standardisierten und technisierten Entwick-
lungsprozesse in Unternehmen mittlerweile sehr systematische Bewertungsmetho-
den, die eine objektive Vergleichbarkeit sowie wiederholbare Anwendung ermögli-
chen. Zeitgemäße Methoden sollten sich daher auf einen prozessualen und durch-
gängigen Aufbau stützen, der sich leicht in die organisationalen Strukturen eines Un-
ternehmens integrieren lässt. Damit neben einer effizienten Handhabung auch eine
rasche, situationsspezifische Anpassung bzw. Modifizierbarkeit einer Methode ge-
1 Einführung 7
währleistet werden kann, wird eine rechnergestützte Ausgestaltung des zugrundelie-
genden Methodenkonzepts immer wichtiger (KRÖLL, 2007, S. 18).
1.3 Zielsetzung
Vor diesem Hintergrund wird in dieser Masterarbeit eine systematische und praxis-
taugliche Methode zur Erfassung und Bewertung von Technologiealternativen erar-
beitet, deren Wirkungskreis sich auf eine frühzeitige, technologiebezogene Anpas-
sung bzw. Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts im Hinblick auf eine zu-
kunftsorientierte Produktentwicklung legt. Die Methode hat den in Kapitel 1.2 erläu-
terten Problembereichen einer methodisch gestützten Technologiebewertung stand-
zuhalten und einen wesentlichen Beitrag für Technologieentscheidungen zu leisten,
die auf den Einsatz zukunftssicherer Technologien in künftigen Produktlösungen ab-
zielen. Auf diese Weise erhalten Unternehmen die Möglichkeit, dem technologischen
Wandel schon frühzeitig entgegenzuwirken und sich entscheidende Wettbewerbsvor-
teile gegenüber der Konkurrenz zu sichern.
Um dem Aspekt der Frühzeitigkeit gerecht zu werden und eine systematische Vorbe-
reitung auf die eigentliche Produktentwicklung zu gewährleisten, ist die Methode be-
reits in der strategischen Produktplanung einzusetzen und rechnergestützt auszuge-
stalten. Neben klassischen Elementen der Technologiebewertung müssen auch we-
sentliche Aspekte der Technologiefrüherkennung in das methodische Konzept im-
plementiert werden. Damit soll erreicht werden, dass die Methode nicht nur neuarti-
ge, technologische Entwicklungen innerhalb eines festgelegten Suchfelds bewerten,
sondern auch vorab identifizieren und datentechnisch erfassen kann. In der Folge
sind auf Basis erkennbarer Trends innerhalb der wesentlichen Komponenten des
Produkts sowie dessen Umfeld alternative Entwicklungsrichtungen des Suchfelds
(suchfeldspezifische Szenarien) zu erarbeiten. Dabei ist es wichtig, dass das Such-
feld klar und präzise in die funktionale Struktur des Produkts eingeordnet und somit
eine isolierte Betrachtung vermieden wird. Die erarbeiteten Szenarien stecken
schließlich einen plausiblen und konsistenten Zukunftsraum ab, der zum einen kon-
krete Hinweise für die Suche nach neuen Technologieoptionen liefert und zum ande-
ren auch eine Einstufung bzgl. deren Zukunftspotential erlaubt. Diese Einstufung
fließt schließlich in die abschließende Technologiebewertung ein, die eine systemati-
sche und multikriterielle Beurteilung der Technologieoptionen hinsichtlich Technolo-
giepotential, Zukunftspotential sowie deren Realisierbarkeit durch das Unternehmen
ermöglicht. So kann gezielt bei Technologieentscheidungen unterstützt werden, die
8 1 Einführung
Unternehmen bereits in der strategischen Produktplanung dabei helfen, künftige
Produktlösungen zukunftssicher zu gestalten.
Darauf aufbauend lassen sich folgende Fragestellungen ableiten, deren schrittweise
Beantwortung im weiteren Verlauf dieser Arbeit maßgeblich zur Erreichung der über-
geordneten Zielsetzung beiträgt:
Was sind die Schwierigkeiten und Anforderungen einer methodisch gestützten
Technologiebewertung für eine zukunftsorientierte Produktentwicklung?
Mit welchen Mitteln und prozessualen Strukturen in Verbindung mit Analysee-
lementen bestehender Methoden zur Technologiefrüherkennung und Techno-
logiebewertung lässt sich ein systematisches und rechnergestütztes, methodi-
sches Konzept entwickeln, das diesen Schwierigkeiten und Anforderungen ge-
recht werden kann?
Erweist sich die erarbeitete Methode als tauglich für einen Einsatz in der un-
ternehmerischen Praxis?
1.4 Aufbau der Arbeit
Der Aufbau der Arbeit gliedert sich nach dem Schema, das in Bild 1.3 dargestellt
wird. Im ersten Kapitel wurde bereits durch die Schilderung der Ausgangssituation
sowie der konkreten Problembereiche im Bereich einer methodisch gestützten Tech-
nologiebewertung eine Einführung in die Thematik geliefert und die entsprechende
Zielsetzung der Arbeit herausgearbeitet.
Das zweite Kapitel steckt den theoretischen Bezugsrahmen der Arbeit ab und liefert
einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung. Für ein besseres Verständnis
des Technologiebegriffs wird dieser zunächst inhaltlich abgegrenzt und konkretisiert.
Anschließend folgt eine Abhandlung der Grundlagen des Technologiemanagements,
wobei insbesondere die Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung als
wichtige Instrumente des strategischen Technologiemanagements näher untersucht
werden. Beide Instrumente werden zudem in den Prozess der Produktentstehung
eingeordnet, um das Einsatzfeld der zu entwickelnden Bewertungsmethode klar ab-
stecken und in der Folge gezielt bei Technologieentscheidungen unterstützen zu
können. Ein Einblick in die multikriterielle Entscheidungsunterstützung dient indes
der Vermittlung von Grundkenntnissen für eine zeitgemäße Bewertung verschiede-
ner Alternativen hinsichtlich zahlreicher, unterschiedlicher Kriterien. Abschließend
liefert dieses Kapitel eine Übersicht über gängige Methoden aus Literatur und Praxis,
1 Einführung 9
die im Rahmen der Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung ange-
wandt werden.
Aufbauend auf den Stand der Forschung werden die vorgestellten Methoden zur
Technologiebewertung im dritten Kapitel dieser Arbeit evaluiert. Dafür werden aus-
gehend von den in Kapitel 1.2 geschilderten Problembereichen verschiedene Bewer-
tungsmerkmale hergeleitet, anhand derer die einzelnen Methoden beurteilt werden.
So können gezielt Schwachstellen und Defizite des gegenwärtigen Methoden-
Portfolios aufgedeckt und in konkrete Anforderungen an die zu entwickelnde Bewer-
tungsmethode überführt werden. Dieses Kapitel gibt letztendlich also Aufschluss
über den tatsächlichen Handlungsbedarf als Anstoßpunkt für die weiteren Ausfüh-
rungen innerhalb dieser Arbeit.
Bild 1.3: Aufbau der Arbeit
Der praktische Teil der Arbeit beginnt schließlich im vierten Kapitel. Auf Basis des
abgeleiteten Handlungsbedarfs erfolgt darin die schrittweise Erarbeitung einer sys-
tematischen Methode zur Technologiebewertung für eine zukunftsorientierte Pro-
duktentwicklung. Vor diesem Hintergrund wird zuallererst der Lösungsansatz darge-
stellt und in das Grobkonzept der Methode überführt. Im Anschluss erfolgt die detail-
lierte Konzipierung und Vorstellung der einzelnen Phasen und Ablaufschritte der Be-
wertungsmethode. Dafür werden bewährte Ansätze der TRIZ-Methodik, der Szena-
rio-Analyse sowie der multikriteriellen Bewertung mit eigens entwickelten Analysee-
lementen zu einem durchgängigen methodischen Konzept verknüpft. Für eine rech-
nergestützte Anwendung der Bewertungsmethode in der Praxis wird abschließend
Kapitel 1:Ausgangssituation, Problemdefinition, Zielsetzung
Kapitel 2:Stand der Forschung
Kapitel 3:Ableitung des Handlungsbedarfs
Kapitel 4:Erarbeitung der Technologiebewertungsmethode
Kapitel 5:Anwendung der Methode in der Praxis
Kapitel 7:Zusammenfassung
Kapitel 8:Ausblick
Kapitel 6:Kritische Würdigung der Methode
10 1 Einführung
noch ein strukturiertes sowie nachvollziehbares Software-Tool erarbeitet und dem
Leser vorgestellt.
Das fünfte Kapitel umfasst schließlich die Anwendung der erarbeiteten Methode am
Praxisbeispiel von Frequenzumrichtern der SIEMENS AG. Hierfür werden sowohl
bewährte als auch neue, alternative Technologien zur elektrischen und mechani-
schen Anbindung von Leistungshalbleitern in Frequenzumrichtern identifiziert und
nachfolgend hinsichtlich ihres künftigen Einsatzpotentials bewertet.
Die Bewertungsmethode wird im sechsten Kapitel unter Berücksichtigung der im
Praxisbeispiel gewonnenen Erkenntnisse kritisch beäugt. Dafür erfolgt eine Erläute-
rung von positiven Aspekten aber auch Problembereichen bzw. kritischen Stellen aus
dem methodischen Konzept sowie dem Software-Tool, die sich im Rahmen der prak-
tischen Anwendung herauskristallisiert haben und konkrete Rückschlüsse auf die
Praxistauglichkeit der Methode zulassen.
Das siebte Kapitel fasst die Kernresultate der Arbeit in einem abschließenden
Schlusswort noch einmal zusammen. Einen Ausblick auf weiteren Forschungs- bzw.
Optimierungsbedarf liefert das achte Kapitel.
2 Stand der Forschung 11
2 Stand der Forschung
Gestützt auf eine gründliche Abhandlung des aktuellen Forschungsstands vermittelt
dieses Kapitel die notwendigen Grundkenntnisse rund um den Themenbereich der
Technologiebewertung als Basis für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit.
In diesem Zusammenhang ist zunächst eine Präzisierung des Technologiebegriffs
vorzunehmen, um das diffuse Verständnis von Technologien zu entwirren und sie
einer zweckmäßigen Beschreibung zugänglich zu machen. Ferner erfolgt eine Ein-
führung in die Grundlagen des Technologiemanagements mit Fokus auf die Techno-
logiefrüherkennung und Technologiebewertung als zentrale Elemente dieser Arbeit.
Diese werden anschließend aufgrund ihres Querschnittscharakters in die strategi-
sche Produktplanung zur Vorbereitung auf die eigentliche Produktentwicklung einge-
ordnet. Abgerundet wird das Kapitel durch eine Übersicht über den gegenwärtigen
Bestand an Methoden zur Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung.
2.1 Präzisierung des Technologieverständnisses
Trotz der weiten Verbreitung des Technologiebegriffs im gewöhnlichen Sprachge-
brauch wie auch in fachspezifischen Diskussionen (Managementliteratur, wirt-
schaftspolitische Abhandlungen etc.) sucht man vergebens nach einer einheitlichen
und allgemeingültigen Definition von Technologie (ZAHN, 1995, S. 4). In Kapitel 2.1.1
wird der Technologiebegriff daher inhaltlich von dem eng verwandten Begriff der
Technik abgegrenzt und für ein zweckmäßiges Verständnis innerhalb der weiteren
Ausführungen dieser Arbeit konkretisiert.
Ferner ist eine systematische Klassifizierung von Technologien nach unterschiedli-
chen Merkmalen äußerst hilfreich, um gerade im Hinblick auf eine spätere Bewertung
eine gewisse Ordnung und Vergleichbarkeit im Technologiebestand zu schaffen.
Dies fördert zudem auch das Technologieverständnis an sich und dient einer
zweckmäßigen Beschreibung von Technologien (HALL, 2007, S. 22). Dafür werden in
Kapitel 2.1.2 verschiedene Möglichkeiten zur Klassifizierung von Technologien vor-
gestellt.
12 2 Stand der Forschung
2.1.1 Abgrenzung des Technologiebegriffs
Anknüpfend an die terminologischen Ursprünge des Technologiebegriffs aus dem
achtzehnten Jahrhundert bezeichnet ROPOHL Technologie als die „Wissenschaft von
der Technik“ (ROPOHL, 2009, S. 31). Geprägt durch das Aufkommen der Ingenieurs-
wissenschaften sowie der Verfahrenskunde hat sich der Technologiebegriff zusam-
men mit der Gesellschaft im Laufe der Jahre jedoch stetig weiterentwickelt und ent-
sprechend konkretisiert (BULLINGER, 1994, S. 32–33; WEULE, 2002, S. 24). Zur Ver-
deutlichung werden nachfolgend einige Beispiele für zeitgemäße Erklärungen des
Technologiebegriffes aufgeführt:
Technologie ist „das Wissen um naturwissenschaftlich-technische Zusam-
menhänge […], soweit es Anwendung bei der Lösung technischer Probleme
finden kann […], verbunden mit betriebswirtschaftlichen, organisatorischen,
sozialen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen“ (BULLINGER,
1994, S. 33–34).
Technologie ist die „Umschreibung von natur-, sozial- und ingenieurwissen-
schaftlichem Wissen, welches zur Lösung von praktischen Problemen […]
verwendet wird“ (TSCHIRKY, 1998, S. 226).
„Technologie ist Kunstlehre, ist Lehre von Techniken, umfasst Verfahrensre-
geln und Anleitungen […]. Technologien nennen auf ein Ziel hin gerichtete
Handlungsmöglichkeiten für einen bestimmten Anwendungsbereich, wobei sie
zu generalisieren versuchen“ (BROCKHOFF, 1999, S. 27).
Den Definitionen zufolge steht Technologie also für Anwendungswissen über tech-
nisch-naturwissenschaftliche Phänomene als Grundlage für die Entwicklung von
Produkten und Prozessen (ZAHN, 1995, S. 4; ZAHN, 2004, S. 125).
Der Technologiebegriff findet heutzutage oftmals eine synonyme Verwendung mit
dem Technikbegriff, wobei beiden Begriffen rein inhaltlich unterschiedliche Bedeu-
tungen zukommen (HALL, 2007, S. 7). Technik steht nach TSCHIRKY etwa für den
„Prozess der Technologienutzung sowie dessen materielle und immaterielle Erzeug-
nisse“ (TSCHIRKY, 1998, S. 227). Da Technik nach dieser Auffassung gewissermaßen
eine materialisierte Form von Technologie darstellt, also quasi ein Subsystem von
Technologie bildet, ist eine strikte Trennung der beiden Begriffe letztendlich nur be-
dingt zielführend (BINDER & KANTOWSKY, 1996, S. 89).
Deutlich sinnvoller erscheint in diesem Zusammenhang ein systemorientiertes bzw.
integratives Begriffsverständnis von Technologie und Technik, wie es bspw. BINDER
& KANTOWSKY nahe legen. Bild 2.1 verdeutlicht diese Integration von Technik in das
übergeordnete Technologie-System und zeigt, dass Technologie nun neben sämtli-
2 Stand der Forschung 13
chem Anwendungswissen zur Lösung technischer Probleme auch die Gesamtheit
der Prozesse und Anlagen zur praktischen Nutzung dieses Wissens (Technik) bein-
haltet. Die traditionellen Definitionen von Technologie und Technik bleiben zwar für
sich bestehen, jedoch erfolgt eine Erweiterung des Technologiebegriffs um die Kom-
ponente der Technik. Dadurch wird das Problem der begrifflichen Überschneidungen
zwischen Technologie und Technik auf eine integrative Weise gelöst. Als Systembe-
griff steht Technologie also nicht mehr nur allein für Anwendungswissen, sondern
auch für dessen Umsetzung (BINDER & KANTOWSKY, 1996, S. 91–92).
Bild 2.1: Traditionelles und integratives Begriffsverständnis von Technologie und Technik nach BIN-
DER & KANTOWSKY, 1996, S. 92
Ein fertiges Produkt ist vor diesem Hintergrund jedoch nicht mit Technologie an sich
gleichzusetzen. Vielmehr setzt es sich aus einer Vielzahl von nicht immer direkt er-
kennbaren Technologien bzw. Technologie-Kombinationen zusammen, „welche die
(natur)wissenschaftlichen Grundlagen für die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Pro-
dukten“ darstellen (GERPOTT, 2005, S. 18).
2.1.2 Klassifizierung von Technologien
Eine erste Möglichkeit zur Technologieklassifizierung ist die Unterscheidung von
Technologien nach funktionalen bzw. objektorientierten Gesichtspunkten. Hier lassen
sich in erster Linie Produkt- und Prozesstechnologien voneinander abgrenzen. Dies
untermauert vor allem den eigentlichen Zweck einer Technologie, nämlich als Fun-
dament für eine wirtschaftliche Produkterstellung sowie die Entwicklung der dafür
Technologie Technologie
Technik Technik
Traditionelles
Begriffsverständnis
Integratives
Begriffsverständnis
14 2 Stand der Forschung
benötigten Herstellungsprozesse zu dienen (SPUR, 1998, S. 87; TSCHIRKY, 1998,
S. 228; WEULE, 2002, S. 28; ZAHN, 1995, S. 6). Während Produkttechnologien das
fertige Produkt über entsprechende Funktions- bzw. Wirkweisen und spezifische
Leistungsmerkmale definieren, beruhen Prozesstechnologien auf den Verfahren und
Anlagen zur Erstellung eben dieser Produkte. Prozesstechnologien sind also ent-
scheidende Wegbereiter bei der Realisierung überlegener Produktlösungen und tra-
gen entscheidend zu einer effizienten Produkterstellung bei. Der Bedarf an Prozess-
technologien wird in Unternehmen nicht nur intern, sondern auch extern gedeckt.
Dazu werden Technologien von externen Anbietern beschafft und durch eine ent-
sprechende Anpassung an die unternehmensspezifischen Abläufe intern bereitge-
stellt. Hauptgrund dafür ist die Einsparung von Entwicklungsaufwand und -kosten im
eigenen Unternehmen (WEULE, 2002, S. 28–29).
Bild 2.2: Unterscheidung zwischen Produkt- und Prozesstechnologie am Beispiel eines Feuermel-
ders in Anlehnung an TSCHIRKY, 1998, S. 228
Zum besseren Verständnis liefert Bild 2.2 ein exemplarisches Beispiel zur Unter-
scheidung von Produkt- und Prozesstechnologien bei einem Feuermelder. Produkt-
technologien sind dabei also jene Technologien (z.B. Streulicht-Technologie), die der
Erfüllung der kundenrelevanten Produktfunktionen (z.B. Detektion von Feuer) dienen.
Um die Technologien zur Realisierung der Produktfunktionen allerdings bereitstellen
zu können, sind wiederum verschiedene Prozesstechnologien im Rahmen der Pro-
duktentwicklung (z.B. Nanotechnologie) und -herstellung (z.B. Bonding) erforderlich
(TSCHIRKY, 1998, S. 228). Dadurch wird deutlich, wie sich ein fertiges Produkt letzt-
Produkttechnologien
(z.B. Streulicht-Technologie)
Kundenbedürfnis
Schutz vor Feuerschaden
Neues Produkt
Feuermelder
Detektion von FeuerPro
du
ktf
un
kti
on
en
Prozesstechnologien
(z.B. Bonding)
Prozesstechnologien
(z.B. Nanotechnologie)
EntwicklungHerstellung
2 Stand der Forschung 15
endlich aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Technologien bzw. Technologie-
Kombinationen zusammensetzt, die nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen
sind (vgl. Kapitel 2.1.1).
Eine weitere Möglichkeit zur Klassifizierung von Technologien ist die Differenzierung
bezüglich ihres Grades der Produktintegration. Man differenziert hier zwischen Kern-
und Unterstützungstechnologien. Während Kerntechnologien direkt in das zu erstel-
lende Produkt einfließen, werden Unterstützungstechnologien herangezogen, um
das fertige Produkt letztendlich auch für den Kunden zugänglich und dauerhaft nutz-
bar zu machen (ZAHN, 1995, S. 6–7).
Vergleicht man Technologien nach ihrem Anwendungsspektrum, so stößt man auf
Querschnittstechnologien und anwendungsspezifische Technologien. Querschnitts-
technologien sind durch ihre enorme Anwendungsvielfalt gekennzeichnet und bilden
die Basis für technologischen Fortschritt. Als Beispiel kann hier die Technologie der
Mikroelektronik genannt werden, die als Anstoßpunkt für viele technologische Neue-
rungen auf den Gebieten der Telekommunikation und der Computer gilt. Im Gegen-
satz dazu sind anwendungsspezifische Technologien nur auf ein sehr begrenztes
Anwendungsspektrum reduziert und stehen oftmals für sehr spezielle Arten von
Technologien. Ein Beispiel hierfür wäre die erwähnte Bonding-Technologie, die eine
sehr spezielle Verfahrensweise in der Mikroelektronik zur Herstellung von leitenden
Verbindungen auf kleinstem Raum darstellt (TSCHIRKY, 1998, S. 231, S. 235).
Die wohl geläufigste Möglichkeit zur Klassifizierung von Technologien ist eine Einstu-
fung hinsichtlich des Wettbewerbspotentials bzw. Entwicklungsstadiums (BINDER &
KANTOWSKY, 1996, S. 93; Arthur D. Little, 1988, S. 38; TSCHIRKY, 1998, S. 232;
WOLFRUM, 1991, S. 97; ZAHN, 1995, S. 8). Nach Arthur D. Little lassen sich dabei drei
typische Entwicklungsstufen von Technologien identifizieren (Arthur D. Little, 1988,
S. 38):
Schrittmachertechnologien: Aufgrund ihres frühen Entwicklungsstadiums
sind Schrittmachertechnologien nur begrenzt auf dem Markt verfügbar. Künfti-
ge Einsatzpotentiale lassen sich demzufolge nur schwer konstatieren. Den-
noch verfügen Schrittmachertechnologien über einen beträchtlichen Einfluss
auf die Leistungsmerkmale sowie Kosten der gekoppelten Produkte.
Schlüsseltechnologien: Schlüsseltechnologien bestimmen maßgeblich die
Wettbewerbsfähigkeit, da sie den jeweiligen Akteuren enorme Möglichkeiten
zur Differenzierung ihres Produktportfolios bieten. Zudem verfügen Schlüssel-
technologien über ein beachtliches Weiterentwicklungs- und Einsatzpotential.
16 2 Stand der Forschung
Basistechnologien: Basistechnologien bieten dagegen kaum mehr Spiel-
raum zur Weiterentwicklung bzw. Differenzierung gegenüber den Wettbewer-
bern. Sie werden im Normalfall von allen Akteuren gleichermaßen beherrscht
und sind in einer großen Bandbreite an Produkten und Prozessen etabliert.
Sämtliche Potentiale erweisen sich somit als weitestgehend ausgeschöpft.
Zur Erweiterung der eben erwähnten Entwicklungsstufen von Technologien wird oft-
mals noch zwischen zwei weiteren Entwicklungsstadien unterschieden (WOLFRUM,
1991, S. 5):
Neue Technologien: Neue Technologien finden noch keinen Einsatz in
marktfähigen Produkten und sind mit einem hohen Investitionsrisiko behaftet.
Verdrängte Technologien: Das Potential verdrängter Technologien ist völlig
ausgeschöpft. Sie werden bereits durch andere Technologien ersetzt.
Bild 2.3: Technologie-Lebenszyklusmodell nach BINDER & KANTOWSKY, 1996, S. 94; WOLFRUM,
1991, S. 98
Die verschiedenen Entwicklungsstufen von Technologien lassen sich in einem ideal-
typischen Technologie-Lebenszyklusmodell darstellen, das sich an einem S-förmigen
Kurvenverlauf orientiert. Ein solches Modell beschreibt die Entwicklung einer Tech-
nologie entlang ihrer Lebensdauer über den Ausschöpfungsgrad ihres Wettbe-
werbspotentials. Bild 2.3 zeigt beispielhaft ein solches Technologie-Lebens-
zyklusmodell, in dem die unterschiedlichen Entwicklungsstufen von Technologien
den charakteristischen Phasen des Produktlebenszyklus (Einführung, Wachstum,
Reife, Degeneration) zugeordnet werden. Eine entsprechende Einstufung von Tech-
Ausschöpfung des Wettbewerbspotentials
Zeit
Schrittmacher-
technologien
Schlüssel-
technologien
Basis-
technologien
Verdrängte
Technologien
Einführung Wachstum Reife Degeneration
2 Stand der Forschung 17
nologien anhand solcher Modelle gibt Unternehmen die Möglichkeit, Rückschlüsse
auf „technologiestrategische Optionen“ zu ziehen (Arthur D. Little, 1998, S. 29;
WOLFRUM, 1991, S. 97–99). Einen prinzipiell ähnlichen Kurvenverlauf nutzt die Un-
ternehmensberatung McKinsey & Company in ihrem weit verbreiteten S-Kurven-
Konzept zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit einer Technologie, das in Bild 2.4
dargestellt wird. Darin wird die Leistungsfähigkeit im Verhältnis zum kumulierten
F&E-Aufwand aufgetragen, um Potentiale zur Leistungssteigerung sowie mögliche
Leistungsgrenzen einer Technologie hervorzuheben (BINDER & KANTOWSKY, 1996,
S. 94–95).
Bild 2.4: Darstellung des Doppel-S-Kurven-Konzepts in Anlehnung an BULLINGER, 1994, S. 125;
FOSTER, 1986, S. 110
Der Verlauf der Leistungsfähigkeit einer Technologie wird dabei grundsätzlich über
die F&E-Produktivität bzw. das klassische Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten
ausgedrückt. Zur Quantifizierung der Leistungsfähigkeit können spezifische Leis-
tungsindikatoren einer Technologie (z.B. Leuchtkraft einer Glühbirne in Lumen pro
Watt) herangezogen werden. Im Idealfall ergibt sich aus einem solchen Verlauf die
typische S-Kurve. Kommt eine Technologie an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit
(bspw. durch physikalische Grenzen), so stellt sich die Frage, ob die ausgereifte
Technologie nicht besser durch eine neue, wesentlich leistungsfähigere Technologie
substituiert werden sollte. Ein solcher Technologiesprung lässt sich, wie in Bild 2.4 zu
sehen, über ein sog. Doppel-S-Kurven-Konzept darstellen und verdeutlicht das Po-
tential zur Leistungssteigerung, das durch eine entsprechende Substitution der alten
Leistungsfähigkeit (Nutzen/Kosten)
kumulierter F&E-Aufwand
Sprung auf neue
Technologie
alte
Technologie
neue
Technologie
Leistungsgrenze neue Technologie
Leistungsgrenze alte Technologie
langfristiges
Substitutions-
potential
18 2 Stand der Forschung
Technologie zu erwarten ist (BULLINGER, 1994, S. 124–126). FOSTER bezeichnet die-
sen Übergangspunkt als „Diskontinuität“ (FOSTER, 1986, S. 110). Die in dieser Phase
notwendige Entscheidung zwischen weiteren Investitionen in die alte oder den
Sprung auf eine neue Technologie wird daher auch als Management technologischer
Diskontinuitäten bezeichnet (BULLINGER, 1994, S. 125).
Tabelle 2.1: Klassifizierungsmöglichkeiten von Technologien
Klassifizierungsmerkmal Arten
Funktion bzw. Objekt Produkttechnologie Prozesstechnologie
Produktintegrationsgrad Kerntechnologie Unterstützungstechnologie
Anwendungsspektrum Querschnittstechnologie anwendungsspezifische Technologie
Wettbewerbspotential neue Technologie Schrittmachertechnologie Schlüsseltechnologie Basistechnologie verdrängte Technologie
Neben den eben vorgestellten, gängigen Klassifizierungsmöglichkeiten von Techno-
logien, die in Tabelle 2.1 noch einmal abschließend gegenübergestellt werden, weist
SPUR auf neu entstandene, technologieorientierte Begrifflichkeiten wie z.B. Techno-
logietyp, Technologiemarketing, Technologieablösung, Technologierisiko oder Tech-
nologiepolitik hin. Solche Wortschöpfungen lassen sich nach inhaltlichen, ökonomi-
schen, zeitlichen, qualitativen sowie personellen Kriterien unterteilen und gelten in
Anbetracht des an sich schon äußerst komplexen Technologiebegriffs als äußerst
umstritten (SPUR, 1998, S. 89). Als Basis für eine umfassende Beschreibung von
Technologien entstehen auf diese Weise jedoch zusätzliche Informationsklassen, die
im Hinblick auf eine nachfolgende Technologiebewertung durchaus „der iterativen
Vergrößerung und Verfeinerung des Bestandes an Bewertungsinformationen“ dienen
können (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 80). KRÖLL gibt in diesem Zusammenhang
einige Beispiele zur Beschreibung von Technologien nach besagten Informations-
klassen (KRÖLL, 2007, S. 33):
Inhaltliche Beschreibungsmerkmale: Funktionalität, Anwendungsfall, Um-
setzbarkeit, physikalische Daten & Informationen etc.;
Ökonomische Beschreibungsmerkmale: F&E-Aufwand, Investitionsbedarf,
Ressourcenbedarf, Produktionskosten etc.;
Zeitliche Beschreibungsmerkmale: Trends, Entwicklungsdauer etc.;
2 Stand der Forschung 19
Qualitative Beschreibungsmerkmale: Zuverlässigkeit, Robustheit, Verwert-
barkeit, Flexibilität etc.;
Personelle Beschreibungsmerkmale: Personalbedarf und -qualifikation etc..
2.2 Grundlagen des Technologiemanagements
Das Technologiemanagement bildet den theoretischen Bezugsrahmen der für diese
Arbeit so wichtigen Aufgabenfelder der Technologiefrüherkennung und Technologie-
bewertung. In der Folge wird daher auf die Grundlagen dieser Managementdisziplin
eingegangen sowie die Stellung und Bedeutung der Technologiefrüherkennung und
Technologiebewertung im Rahmen des strategischen Technologiemanagements
herausgearbeitet.
2.2.1 Einführung in das Technologiemanagement
Im heutigen, stark technologiegetriebenen Zeitalter führt das rasante Aufkommen
von Technologien zu einem Umdenken in Unternehmen. Insbesondere für produzie-
rende Unternehmen ist es äußerst wichtig, attraktive Technologien zu entwickeln
bzw. zu adaptieren und im Rahmen der Leistungserstellung effizient einzusetzen.
Über die klassischen, finanz- und marketingtechnischen Aufgabenbereiche hinaus
muss sich das Management heutzutage also auch verstärkt mit technologierelevan-
ten Fragestellungen auseinandersetzen (BULLINGER, 1994, S. 39; TSCHIRKY, 1998,
S. 194). Unter dem Standpunkt, „dass ein gesamtheitlicher Führungsrahmen des
Umgangs mit Technologien für die vertiefte Auseinandersetzung mit dem technologi-
schen Wandel in Lehre und Praxis eine notwendige Voraussetzung darstellt“, ge-
winnt ein systematisches Technologiemanagement immer mehr an Bedeutung
(TSCHIRKY, 1998, S. 194).
Technologiemanagement wird im Allgemeinen als „integrierte Planung, Gestaltung,
Optimierung, Einsatz und Bewertung von technischen Produkten und Prozessen aus
der Perspektive von Mensch, Organisation und Umwelt“ definiert (BULLINGER, 1994,
S. 39). Daraus resultiert folgende übergeordnete Zielsetzung im Technologiema-
nagement: die aus zeitlicher und wirtschaftlicher Perspektive zweckmäßige Bereit-
stellung benötigter Technologien für die Erstellung aktueller oder künftiger Produktlö-
sungen zur nachhaltigen Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens
(BULLINGER, 1994, S. 39; KLAPPERT ET AL., 2011, S. 6). Um dies zu ermöglichen, müs-
sen im Rahmen des Technologiemanagements passende Antworten auf eine Viel-
zahl von komplexen Fragestellungen gefunden werden. Dazu zählen bspw. die In-
tegration von Technologie in die übergeordnete Unternehmensstrategie, die Bewer-
20 2 Stand der Forschung
tung von Technologien, die Wirtschaftlichkeit des Technologieeinsatzes, die Organi-
sation des Technologietransfers oder auch die Weiterbildung des technischen Per-
sonals. Technologiemanagement ist im Grunde also eine interdisziplinäre Manage-
mentaufgabe, die Kompetenzen aus naturwissenschaftlichen, ingenieurwissenschaft-
lichen, betriebswirtschaftlichen aber auch sozialwissenschaftlichen Bereichen zu
bündeln hat. Eine isolierte Betrachtungsweise des Technologiemanagements inner-
halb einer Organisation würde diesem Grundgedanken somit nicht gerecht werden,
gerade weil durch gut abgestimmte Aktivitäten im Rahmen des Technologiemana-
gements verschiedenste Bereiche des Unternehmens effektiv unterstützt werden
können (BULLINGER, 1994, S. 42–43).
Bild 2.5: Möglichkeiten zur organisatorischen Verankerung des Technologiemanagements nach
SCHUH, KLAPPERT & MOLL, 2011, S. 22
Technologiemanagement muss vielmehr „als Querschnittsfunktion im Unternehmen
verstanden werden. Um den ganzheitlichen Blick für den Nutzen des Unternehmens
zu wahren, ist es nötig, die Aktivitäten im Technologiemanagement mit allen relevan-
ten Unternehmensbereichen zu synchronisieren. Daher kommt der organisatorischen
Verankerung des Technologiemanagements im Unternehmen eine besondere Be-
deutung zu“ (SCHUH, KLAPPERT & MOLL, 2011, S. 18). Hier kristallisieren sich ver-
schiedene Verankerungsformen heraus, die in Bild 2.5 der Übersicht halber darge-
stellt sind. In der einfachsten Form wird der Aufgabenbereich des Technologiemana-
gements auf einzelne Mitarbeiter übertragen (implizite Verankerung), ohne dass eine
gesondert dafür zuständige Organisationseinheit gebildet werden muss. Als deutlich
Technologie-
management
Unternehmens-
funktionen
Gremium
Center Stabsorganisation
Linienorganisation Projektgruppe
Implizite Form extern
2 Stand der Forschung 21
systematischer, koordinierter und zielorientierter erweisen sich jedoch explizite Orga-
nisationseinheiten innerhalb des Unternehmens in Form von Gremien, Projektgrup-
pen, Centern, Stabs- oder Linienorganisationen. Zudem besteht die Möglichkeit, be-
stimmte Aufgabenbereiche des Technologiemanagements an externe Unterneh-
mensberatungen auszulagern (SCHUH ET AL., 2011, S. 21–24).
Im Technologiemanagement lässt sich darüber hinaus auch zwischen operativen und
strategischen Tätigkeitsfeldern unterscheiden (BULLINGER, 1994, S. 39–40). Operati-
ves Technologiemanagement befasst sich vorrangig mit der tatsächlichen und effi-
zienten Umsetzung der technologischen Erfolgspotentiale eines Unternehmens in
ökonomischen bzw. monetären Wert (BULLINGER, 1994, S. 41; QIAN, 2002, S. 38).
Technologische Erfolgspotentiale werden im Rahmen des strategischen Technolo-
giemanagements durch eine zielgerichtete Adaption bzw. (Weiter-)Entwicklung neuer
oder bereits bestehender Technologien geschaffen (QIAN, 2002, S. 38). Weitere we-
sentliche Bestandteile sind die damit verbundene Ausrichtung konkreter Technolo-
giestrategien und die Koordination der strategischen Geschäftsfelder eines Unter-
nehmens sowie der beteiligten Funktionsbereiche im Rahmen der Produkterstellung
(WOLFRUM, 1991, S. 69). Strategisches Technologiemanagement bezieht sich dem-
nach auf „den gesamten technologierelevanten Entscheidungsprozess und schließt
Entscheidungen über die Auswahl alternativer, neu zu entwickelnder Technologien,
über Kriterien ihrer Anwendung in Produkten, Prozessen und der Produktion sowie
über die Bereitstellung von Ressourcen zur erfolgreichen Implementierung ein“ (BUL-
LINGER, 1994, S. 40). Die grundlegenden Aufgabenbereiche des strategischen Tech-
nologiemanagements lassen sich wie folgt zusammenfassen (BULLINGER, 1994,
S. 40–41; EWALD, 1989, S. 46; SPUR, 1998, S. 113; WOLFRUM, 1991, S. 118):
Früherkennung und strategische Analysen: Erkennen und Analysieren
neuer, signifikanter Technologien sowie strategisch relevanter Technologiefel-
der;
Strategieformulierung und -ausgestaltung: Zuordnung der strategischen
Technologiefelder zu den strategischen Geschäftsfeldern, Ausformulierung
konkreter Technologiestrategien und Abstimmung mit der strategischen Un-
ternehmensplanung;
Strategieimplementierung: Implementierung und Umsetzung der ausgear-
beiteten Technologiestrategien, Entwicklung von Organisations- und Füh-
rungskonzepten für die zuständigen, operativen Geschäftsbereiche;
Strategische Kontrolle: kontinuierliche Überwachung und Kontrolle der Um-
setzung sowie Wirksamkeit der Strategieimplementierung.
22 2 Stand der Forschung
Strategisches Technologiemanagement darf sich allerdings nicht nur mit der Entwick-
lung neuer und der Weiterentwicklung bestehender Technologien sowie deren Nut-
zung befassen, es muss auch die Ablösung veralteter Technologien unterstützen.
ZAHN überführt daher das strategische Technologiemanagement mit all seinen Auf-
gaben in ein übergreifendes Prozessmodell entlang des gesamten Technologie-
Lebenszyklus, und zwar von der Entstehung einer Technologie bis hin zu deren Ab-
lösung durch eine neue, leistungsfähigere Technologie (ZAHN, 1995, S. 21–22).
Bild 2.6: Prozessmodell des strategischen Technologiemanagements nach SCHNEIDER, 2002, S. 19;
ZAHN, 1995, S. 22
Die einzelnen Phasen dieses Modells, das in Bild 2.6 in seiner zyklischen Form dar-
gestellt ist, werden nun der Reihe nach vorgestellt (SCHNEIDER, 2002, S. 19; ZAHN,
1995, S. 22–25):
Technologie-Entstehung: Schaffung und Nutzung von technologischem
Wissen durch das Management von Innovations- und Lernprozessen;
Technologiefrüherkennung: systematische Beobachtung und Analyse des
Technologiemarkts zur frühzeitigen Bereitstellung von Informationen über
Chancen und Risiken neuer technologischer Entwicklungen;
Technologiebewertung: Spezifizierung der technologierelevanten Informati-
onsbasis durch eine Bewertung der identifizierten Technologien hinsichtlich ih-
res Einsatzpotentials in Produkten und Prozessen unter Berücksichtigung
markt-, kunden- und unternehmensspezifischer Gesichtspunkte;
Technologie-Entstehung
Technologie-Früherkennung
Technologie-Bewertung
Technologie-Transfer
Technologie-Akzeptanz
Technologie-Nutzung
Technologie-Reife
Technologie-Ablösung
2 Stand der Forschung 23
Technologie-Transfer: Zusammenführung von Geschäfts- und Technologie-
planung, Ausarbeitung von Technologiestrategien, Überführung der Techno-
logiestrategien in die operativen Bereiche;
Technologie-Akzeptanz: Beseitigung markt- und unternehmensseitiger Wi-
derstände gegenüber neuen Technologien durch akzeptanzfördernde Maß-
nahmen im Unternehmen, auch in Verbindung mit Wettbewerbern oder Kun-
den;
Technologie-Nutzung: konsequente Technologieanwendung gemäß der
ausgearbeiteten Technologie- und Markteinführungsstrategie;
Technologie-Reife: kontinuierliches Überwachen der Technologiereife an-
hand geeigneter Indikatoren zur Eindämmung ineffizienter und ineffektiver
F&E-Tätigkeiten;
Technologie-Ablösung: rechtzeitige Substitution veralteter Technologien
durch leistungsfähigere Technologie-Generationen.
Die weiteren Ausführungen dieser Arbeit konzentrieren sich in der Folge auf die
Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung (vgl. Bild 2.6). Beiden Instru-
menten ist im Rahmen des strategischen Technologiemanagements eine wichtige
Rolle zuzuschreiben. Sie stehen in enger Verbindung zueinander und sind maßgeb-
lich dafür verantwortlich, aufstrebende Technologien mit reichlich Entwicklungspoten-
tial zu identifizieren und hinsichtlich einer möglichen Anwendung im Rahmen der
Produktentstehung zu bewerten. Sie liefern und verarbeiten dabei grundlegende In-
formationen, die von Unternehmen für die Planung des Technologieeinsatzes benö-
tigt werden (ZAHN, 1995, S. 23–24). Eine systematische Verankerung der beiden In-
strumente innerhalb der Organisation führt folglich zu einer effektiven Unterstützung
von Entscheidungsprozessen über den künftigen Technologieeinsatz, insbesondere
weil die vielfältigen, technologiespezifischen Informationen in der Entscheidungsvor-
bereitung auf diese Weise wesentlich strukturierter verarbeitet werden können. Un-
ternehmen sind also „zunehmend auf derart effiziente und integrierte Instrumente
angewiesen. Eine solche Analyse, Bewertung, Auswahl und bedarfsgerechte Adapti-
on von Technologien als Bestandteil eines umfassenden Technologiemanagements
sowie deren wirtschaftlicher Einsatz fördert die Wettbewerbsfähigkeit von Unterneh-
men und hilft sich von Wettbewerbern zu differenzieren“ (KRÖLL, 2007, S. 12). In die-
sem Zusammenhang sind auch die beiden der Technologiefrüherkennung und Tech-
nologiebewertung vor- bzw. nachgelagerten Phasen der Technologie-Entstehung
und des Technologie-Transfers zu erwähnen. Nur durch die Schaffung und Nutzung
von neuem, technologischem Wissen über Innovations- und Lernprozesse im Rah-
men der Technologie-Entstehung können technologische Entwicklungen im Rahmen
der Technologiefrüherkennung überhaupt erst erkannt werden. Gleichermaßen kön-
24 2 Stand der Forschung
nen die identifizierten sowie bewerteten technologischen Alternativen erst nach ei-
nem erfolgreichen Technologietransfer in die operativen Bereiche des Unternehmens
vollständig genutzt werden (ZAHN, 1995, S. 22, S. 24).
2.2.2 Instrumente des strategischen Technologiemanagements
2.2.2.1 Technologiefrüherkennung
Der technologische Fortschritt, die schnelle Ausbreitung neuer Technologien in un-
terschiedliche Wirtschaftsbranchen sowie deren zunehmender Einfluss auf die Wett-
bewerbsverhältnisse führen dazu, dass Unternehmen immer mehr auf eine systema-
tische Technologiefrüherkennung zur rechtzeitigen Identifikation und Analyse von
Veränderungen im technologischen Unternehmensumfeld angewiesen sind (ZAHN &
BRAUN, 1992, S. 5).
Im Forschungsbetrieb wird der Begriff der Technologiefrüherkennung nicht einheitlich
verwendet. Häufig stößt man dabei auf den Begriff der Technologiefrühaufklärung,
der synonym zu Technologiefrüherkennung verwendet wird (SCHNEIDER, 2002,
S. 45). Auch in der englischsprachigen Literatur kursieren unterschiedliche Begriff-
lichkeiten wie z.B. „Technology Intelligence“, „Technology Monitoring“ oder „Techno-
logy Forecasting“, die allesamt auf das Grundprinzip der Technologiefrüherkennung
abzielen (LICHTENTHALER, 2007, S. 1110). Dieses Grundprinzip charakterisiert Tech-
nologiefrüherkennung als die „Analyse und Prognose der technologischen Potentiale
neuer sowie der Bestimmung technologischer Leistungsgrenzen bestehender Tech-
nologien. Zielsetzung ist die Identifikation von Entwicklungen in relevanten Techno-
logiefeldern als Grundlage für Technologieentscheidungen im Unternehmen“ (WEL-
LENSIEK, SCHUH, HACKER & SAXLER, 2011, S. 89). Technologiefrüherkennung kann
somit als elementarer Eckpfeiler der technologiebezogenen Handlungen eines Un-
ternehmens betrachtet werden (MIEKE, 2005, S. 11).
Bild 2.7 zeigt die Technologiefrüherkennung als Prozess, in dem sich drei typische
Aufgabenbereiche herauskristallisieren (SPECHT, BERNTSEN, NAGEL, BRAUNISCH &
SCHULZ, 2009, S. 154; ZWECK, 2005, S. 174–180):
Informationserfassung: In dieser Phase werden Signale über Veränderun-
gen aus dem technologischen Unternehmensumfeld erfasst. Man konzentriert
sich dabei auf Informationen über mögliche, neue Anwendungsgebiete oder
Entwicklungspotentiale bereits bestehender Technologien, das Aufkommen
vollkommen neuer Technologien sowie gesellschaftliche, politische, wirtschaft-
liche oder rechtliche Veränderungen, die sich auf die technologischen Kompe-
2 Stand der Forschung 25
tenzen des Unternehmens auswirken können. Die Suche nach Informationen
erfolgt dabei entweder ungerichtet (Scanning) oder anhand einer gerichteten
Beobachtung von vorab festgelegten Frühindikatoren (Monitoring) wie bspw.
Kennzahlen aus Publikations- oder Patentanalysen.
Informationsbewertung: Die erfassten Signale müssen im nächsten Schritt
verdichtet und bezüglich ihrer Auswirkungen auf das Unternehmen untersucht
werden. Hierfür bedient man sich qualitativer und quantitativer Instrumente zur
Analyse und Prognose der Veränderungen im technologischen Unter-
nehmensumfeld (vgl. Kapitel 2.5.1). Auf diese Weise können Aussagen bzw.
Einschätzungen über potentielle Einsatzgebiete oder zeitliche Entwicklungsli-
nien von neu identifizierten Technologien sowie über den Aufwand des Unter-
nehmens zur Realisierung dieser Technologien getätigt werden.
Informationszusammenführung und -strukturierung: Abschließend wer-
den die aufbereiteten Informationen hinsichtlich eventueller Gemeinsamkeiten
oder Zusammenhänge so verknüpft und strukturiert, dass eine zielgerechte
und wirkungsvolle (Weiter-)Nutzung im Unternehmen möglich ist.
Bild 2.7: Der Technologiefrüherkennungsprozess nach SPECHT, BERNTSEN, NAGEL, BRAUNISCH &
SCHULZ, 2009, S. 154
Die Technologiefrüherkennung dient insgesamt also einer systematischen, struktu-
rierten sowie möglichst vollständigen Bereitstellung von Informationen über techno-
logierelevante Veränderungen und leistet somit bereits einen wesentlichen Beitrag
zur Vorbereitung auf fundierte Technologieentscheidungen (GERPOTT, 2005, S. 101).
Informationen
erfassen
Informationen
bewerten
Informationen
zusammenführen
und strukturieren
Identifikation
der SignaleDiagnose Evaluation
1 2 3
Wissen über zukünftige Entwicklungen
26 2 Stand der Forschung
2.2.2.2 Technologiebewertung
Zur Vervollständigung der notwendigen Informationen für fundierte Technologieent-
scheidungen im Hinblick auf die Planung des Technologieeinsatzes sind die techno-
logischen Entwicklungen, die im Rahmen der Technologiefrüherkennung identifiziert
und analysiert wurden, einer Bewertung zu unterziehen (HIERONYMUS ET AL., 1996,
S. 26; SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 73; ZAHN, 1995, S. 23–24). Bei einer Technolo-
giebewertung vereint man sowohl unternehmensexterne Bewertungsinformationen
zur Einschätzung der relativen Zukunftsrelevanz einer Technologie als auch unter-
nehmensinterne Informationen, die Aufschluss über die Auswirkung der Technologie
auf das Unternehmen selbst geben. So lassen sich wesentliche Erfolgspotentiale und
Risiken ableiten, die mit der Nutzung und Weiterentwicklung der jeweiligen Techno-
logien verbunden sind (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 73).
Ihren Ursprung findet die Technologiebewertung in einem Konzept, das seit den
1970er Jahren im englischsprachigen Raum unter der Bezeichnung „Technology
Assessment“ „für die systematische und breite Erforschung und Entwicklung von
Technologien, ihren individuellen, organisatorischen und gesellschaftlichen sowie
weiteren technologischen Auswirkungen und Folgen“ verwendet wird (BULLINGER,
1994, S. 49). In diesem Zusammenhang stößt man im deutschsprachigen Raum
häufig auf die Begriffe der Technologie- bzw. Technikfolgenabschätzung. BULLINGER
sieht diese Art der Übersetzung jedoch kritisch, da mit dem Wort „Folgen“ zumeist
negative Assoziationen hervorgerufen werden. „Technology Assessment“ beschreibt
an sich aber ein neutrales Konzept, das sowohl die negativen als auch die positiven
Aspekte einer Technologie bewertet. Demnach wäre Technologiepotentialabschät-
zung im Sinne einer Beurteilung der Gefahren bzw. Risiken (Folgen) sowie der Nut-
zenpotentiale einer Technologie die treffendere Bezeichnung (BULLINGER, 1994,
S. 49–50; KRÖLL, 2007, S. 38).
Das Konzept des „Technology-Assessment“ wurde in der Folge vom Verein Deut-
scher Ingenieure (VDI) weiterentwickelt und in die VDI-Richtlinie 3780 der Technik-
bewertung überführt (BULLINGER, 1994, S. 50; KORNWACHS, 1995, S. 226–227;
SCHNEIDER, 2002, S. 70). Technikbewertung definiert sich demzufolge als „das plan-
mäßige, systematische, organisierte Vorgehen, das
den Stand einer Technik und ihre Entwicklungsmöglichkeiten analysiert,
unmittelbare und mittelbare technische, wirtschaftliche, gesundheitliche, öko-
logische, humane, soziale und andere Folgen dieser Technik und möglicher
Alternativen abschätzt,
aufgrund definierter Ziele und Werte diese Folgen beurteilt oder auch weitere
wünschenswerte Entwicklungen fordert,
2 Stand der Forschung 27
Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten daraus herleitet und ausarbeitet,
so dass begründete Entscheidungen ermöglicht und gegebenenfalls durch geeignete
Institutionen getroffen und verwirklicht werden können“ (VDI 3780, 2000, S. 2–3).
Dadurch soll das übergeordnete Ziel technischen Handelns beherzigt werden, näm-
lich „die menschlichen Lebensmöglichkeiten durch Entwicklung und sinnvolle An-
wendung technischer Mittel zu sichern und zu verbessern. Die fachliche Aufgabe des
Ingenieurs besteht zunächst darin, hierfür geeignete technische Systeme zu entwi-
ckeln und deren Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Darüber hinaus gilt es, einen
möglichst sinnvollen Gebrauch von den stets nur in begrenztem Umfang vorhande-
nen Ressourcen (Rohstoffe, Energie, Arbeit, Kapital usw.) zu machen, so dass die
technische Funktion auf möglichst sparsame und damit wirtschaftliche Weise erreicht
wird“ (VDI 3780, 2000, S. 12). Neben diesen funktionalen und wirtschaftlichen Zielen
hat man sich aber auch an Werten wie Wohlstand, Umweltqualität, Gesundheit, Si-
cherheit, Persönlichkeitsentfaltung oder Gesellschaftsqualität zu orientieren (VDI
3780, 2000, S. 12). Der ursprüngliche Bewertungshorizont aus den Anfängen der
Technologiebewertung wird somit deutlich erweitert und impliziert dabei vor allem
außertechnische bzw. außerwirtschaftliche Ziele und Werte (BULLINGER, 1994, S. 51).
Das Hauptaugenmerk der Technologiebewertung darf aber nicht allein auf der Ab-
schätzung der Folgen einer Technologie für die Gesellschaft liegen, sondern viel-
mehr auf der Beurteilung der komplexen Auswirkungen neuer Technologien für ein
Unternehmen (HAAG ET AL., 2011, S. 311). Technologiebewertung dient somit der
Unterstützung von Entscheidungsprozessen über einen möglichen Technologieein-
satz in Unternehmen. „Beispiele dafür sind Ja-/Nein-Entscheidungen bezüglich der
Erfüllung von Zielkriterien, Auswahlentscheidungen zur Bildung von Rang- und Rei-
henfolgen oder die Auswahl günstigster Alternativen oder Entscheidungen zur Ver-
änderung von Einflussfaktoren auf den Stellenwert von Technologien. Technologie-
bewertung kann daher das Ermitteln der Vor- und Nachteile verschiedener Alternati-
ven aus verschiedenen Perspektiven bedeuten, aber auch das Messen oder Schät-
zen von Parametern des Bewertungsobjektes. Die Bewertung, d. h. der Vergleich
zwischen dem ermittelten Soll- oder Zielzustand mit dem erfassten Ist-Zustand eines
Bewertungsobjektes, erfolgt auf der Grundlage von Bewertungsmaßstäben und mit
Hilfe geeigneter Bewertungsmethoden“ (HAAG ET AL., 2011, S. 310). Jedoch wird der
prinzipielle Ablauf einer Technologiebewertung in der Literatur sehr heterogen be-
trachtet. Entgegen der Technologiefrüherkennung wird hier kein einheitliches Vorge-
hen postuliert. SCHNEIDER hat vor diesem Hintergrund in einer Studie untersucht, ob
den unterschiedlichen Ansätzen zur Technologiebewertung dennoch ein grundle-
gendes Ablaufschema unterliegt (SCHNEIDER, 2002, S. 29). Dabei haben sich zwei
28 2 Stand der Forschung
wesentliche Phasen herauskristallisiert, die sämtlichen Ansätzen gemein sind – die
Datenerhebungsphase und die Bewertungsphase. Während in der ersten Phase die
nötigen Bewertungsinformationen mittels Exploration, Frühaufklärung etc. beschafft
und verdichtet werden, dient die Bewertungsphase letztendlich der eigentlichen Be-
urteilung der Technologien auf Basis der gesammelten Informationen (SCHNEIDER,
2002, S. 35).
2.3 Überblick über den Produktentstehungsprozess
Für eine effektive und effiziente Umsetzung von Technologien im Hinblick auf eine
erfolgreiche Produktentwicklung ist ein gut koordiniertes Zusammenspiel zwischen
Technologiemanagement und Produktentstehungsprozess nötig (ZAHN, 1995, S. 20).
Vor diesem Hintergrund liefert dieses Kapitel einen Überblick über den Produktent-
stehungsprozess mit seinen charakteristischen Phasen als Grundlage für eine nach-
folgende Einordnung der Technologiefrüherkennung und -bewertung in die strategi-
sche Produktplanung zur gezielten Unterstützung von Technologieentscheidungen.
Die industrielle Herstellung eines Produkts ist ein sehr umfangreiches und komplexes
Unterfangen. „Ein Produkt entsteht also nicht in einem einzigen, großen Schritt, viel-
mehr in vielen kleinen Schritten, deren Inhalte genau festgelegt und deren Schnitt-
stellen untereinander genau beschrieben sein müssen“ (FELDHUSEN & GROTE, 2013,
S. 11). Diese Schritte werden in ihrer Gesamtheit als Produktentstehungsprozess
bezeichnet. Darin sind die Eigenschaften eines Produkts zunächst modellhaft zu de-
finieren und anschließend im Rahmen der Produktherstellung entsprechend zu mate-
rialisieren. Besonders zu beachten ist dabei der Leitsatz, dass „alle Produkteigen-
schaften am stärksten durch die Entscheidungen beeinflusst werden, die am Anfang
seines Lebenslaufs liegen, sozusagen bei Zeugung, Geburt und in der Kinderstube“
(EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 162).
Der Produktentstehungsprozess mit seinen charakteristischen Phasen ist somit ein
wesentlicher Bestandteil des übergeordneten Produktlebenszyklus. Bild 2.8 verdeut-
licht diesen Umstand und zeigt die Integration des Produktentstehungsprozesses in
den gesamten Lebenszyklus eines Produkts. Dieser erstreckt sich weit über die ei-
gentliche Produktentstehung hinaus und umfasst auch die Phasen der tatsächlichen
Produktnutzung durch den Anwender bis hin zur Produktentsorgung (PAHL, BEITZ,
FELDHUSEN & GROTE, 2007, S. 3; VDI 2221, 1986, S. 6; WARTZACK, 2000, S. 8). Diese
ganzheitliche Betrachtungsweise eines Produkts gewinnt gerade aufgrund des
wachsenden Verantwortungsbereichs von Unternehmen gegenüber dem Kunden
und der Umwelt immer mehr an Bedeutung. Speziell unternehmenseigene Dienst-
2 Stand der Forschung 29
leistungen zur Unterstützung der Produktnutzung oder -entsorgung lassen sich auf
diese Weise sehr systematisch in den Produktlebenszyklus integrieren (EHRLENSPIEL
& MEERKAMM, 2013, S. 162).
Bild 2.8: Produktentstehungsprozess entlang des Produktlebenszyklus in Anlehnung an PAHL, BEITZ,
FELDHUSEN & GROTE, 2007, S. 3; VDI 2221, 1986, S. 6; WARTZACK, 2000, S. 8
Wie in Bild 2.8 zu sehen ist, umfasst der Produktentstehungsprozess ausgehend von
einer umfassenden Analyse von Markt, Umfeld und Unternehmen die Phasen der
Produktplanung, der Entwicklung und Konstruktion sowie die Schritte zur Arbeitsvor-
bereitung und Produktherstellung (PAHL ET AL., 2007, S. 3; VDI 2221, 1986, S. 6;
WARTZACK, 2000, S. 8). Im Folgenden werden die charakteristischen Phasen des
Produktentstehungsprozesses näher vorgestellt.
Markt, Umfeld, Unternehmen
Produktplanung
Entwicklung &
Konstruktion
Arbeitsvorbereitung &
Produktherstellung
Vertrieb, Beratung &
Verkauf
Nutzung, Verbrauch &
Instandhaltung
Recycling
Umwelt & Deponie
Pro
du
kte
nts
teh
un
gs
pro
zes
s
30 2 Stand der Forschung
2.3.1 Produktplanung
Am Anfang des Produktentstehungsprozesses steht die Produktplanung. In deren
Zentrum steht immer eine Produktidee, die zu „der strategischen Entscheidung eines
Unternehmens (führt, Anm. des Verf.), ein bestimmtes Produkt zu entwickeln, zu
produzieren und am Markt anzubieten“ (SCHINDLER, 2012, S. 400). Dieses Bestreben
wird im weiteren Verlauf der Produktplanung konkretisiert und in eine spezifische
Entwicklungsaufgabe überführt (SCHINDLER, 2012, S. 400).
Produktideen lassen sich auf zwei grundsätzliche Ansätze zurückführen – die Lö-
sungsidee und die Problemidee. Lösungsideen verkörpern neue, technische Lösun-
gen bei bekannten Problemstellungen. Ein typisches Beispiel dafür ist der Versuch
von Unternehmen, neue Technologien in marktfähigen Produkten zu etablieren,
weshalb dieser Ansatz auch als „Technology-Push“ bezeichnet wird. Demgegenüber
stützen sich Problemideen auf neue Problemstellungen oder Anforderungen seitens
Markt und Kunden, die sich durch bereits bekannte Lösungsmöglichkeiten realisieren
lassen. Dieser Ansatz nennt sich „Demand-Pull“. In der Praxis führt allerdings meis-
tens eine Kombination aus „push“- und „pull“-orientierten Ideen zu erfolgreichen Pro-
duktlösungen (PAHL ET AL., 2007, S. 111). Gerade im Hinblick auf eine erfolgreiche
sowie zukunftsorientierte Produktentwicklung müssen vor der Ideenfindung allerdings
zwingend erst „die Anforderungen an die Produkte zur Eroberung der Märkte von
morgen“ ermittelt werden (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 49). Wie in Bild 2.9 zu erken-
nen ist, finden sich diese Anforderungen hauptsächlich an der Schnittstelle zwischen
Markt, Wettbewerbern und Technologie (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 52). Dafür
muss diese Schnittstelle jedoch „systematisch mit geeigneten Mitteln ‚angezapft‘
werden. Als unterstützende Instrumente stehen dafür unter anderem Methoden der
Marktforschung, des Technologiemanagements, der Konkurrenzanalyse und auch
sogenannte Kreativitätstechniken zur Verfügung“ (SCHÄPPI, 2005, S. 14). Der Kon-
kretisierung der Entwicklungsaufgaben im weiteren Verlauf der Produktplanung kann
dadurch eine zukunftssichere Denkrichtung vorgegeben werden (GAUSEMEIER ET AL.,
2001, S. 51).
Entwicklungsaufgaben selbst lassen sich in unterschiedliche Typen unterteilen und
bestimmen in hohem Maße den Umsetzungsaufwand in der späteren Entwicklung &
Konstruktion (PAHL ET AL., 2007, S. 94; SCHINDLER, 2012, S. 398–399):
Neukonstruktion: Bewältigung völlig neuer Aufgabenstellungen bzw. Prob-
leme mit neuen technischen Lösungen oder Neukombinationen bekannter Lö-
sungen; Innovation (neue Lösung für neue Funktionen); Neuentwicklung
2 Stand der Forschung 31
(neue Lösung für bekannte Funktionen); Weiterentwicklung (bekannte Lösung
mit neuen Funktionen);
Anpassungskonstruktion: partielle Anpassung der Konstruktion an neue
Rahmenbedingungen bei bestehender technischer Lösung;
Variantenkonstruktion: Variation der Größe oder Anordnung von Teilen und
Baugruppen bei bestehender technischer Lösung;
Wiederholkonstruktion: erneuter Fertigungsanlauf für ein bereits entwickel-
tes und gefertigtes Produkt.
Bild 2.9: Erfolgspotentiale von morgen nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 52
Mit der Festlegung der unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben kann bereits in der
Produktplanung maßgeblich Einfluss auf eine innovative Ausrichtung des Unterneh-
mens genommen werden. Sie wird deshalb auch oft als Innovationsplanung be-
zeichnet und orientiert sich stark an den übergeordneten Zielen und Strategien der
Organisation. Zusätzlich zur Unternehmensleitung können auch zahlreiche andere
Unternehmensbereiche wie z.B. Vertrieb, F&E oder Marketing in die Produktplanung
involviert sein (PAHL ET AL., 2007, S. 103). Vor diesem Hintergrund sind in den ver-
gangenen Jahren unterschiedliche Ansätze entstanden, die auf einen formalisierten
und strukturierten Prozess der Produktplanung abzielen. PAHL ET AL. haben diesbe-
züglich ein umfassendes Vorgehensmodell entwickelt, das die wesentlichen Phasen
dieser Ansätze vereint und einen systematischen Ablauf der Produktplanung dar-
stellt. Nach dem traditionellen Verständnis der Konstruktionslehre wird die Produkt-
planung in dem Modell, das in Bild 2.10 dargestellt ist, als vorgelagerte Phase der
Markt
Wettbewerber Technologien
Potentiale
neue Bedarfe
wachsende Segmente
ungedeckte Bedarfe
neue Verbrauchergruppen
Ersatzprodukte
Schwächen/Lücken
neue Konkurrenten
Geschäftsausrichtung
neue Werkstoffe
neue Komponenten
neue Prozesse
neue Standards
32 2 Stand der Forschung
Produktentwicklung verstanden und umfasst folgende Schritte inkl. dafür vorgesehe-
ner Handlungsempfehlungen (PAHL ET AL., 2007, S. 104–105):
Analysieren der Situation: umfassende Analyse der aktuellen Situation auf
dem Markt, im Unternehmensumfeld und im Unternehmen selbst; Erkennen
von externen Impulsen;
Aufstellen von Suchstrategien: Finden von strategischen Lücken und Frei-
räumen; Ableiten von Problemideen (neues Problem für bekannte Lösung;
„Demand-Pull“) oder Lösungsideen (neue Lösung für bekanntes Problem;
„Technology-Push“) als Ausgangspunkt für Produktideen; Erkennen sozio-
kultureller Trends; technologieorientierte Analysen;
Finden von Produktideen: Ideenfindung durch Innovations-Workshops, Kun-
denanalysen oder Kreativitätstechniken;
Bild 2.10: Vorgehensmodell für die Produktplanung nach PAHL, BEITZ, FELDHUSEN & GROTE, 2007,
S. 105
1 – Analyse der Situation
2 – Aufstellen von Suchstrategien
3 – Finden von Produktideen
4 – Auswahl von Produktideen
5 – Definieren von Produkten
6 – Umsetzungsplanung
7 – Klären und Präzisieren der Aufgabe
Entwickeln & Konstruieren
Pro
du
ktp
lan
un
g
Situationsanalyse
Suchfeldvorschlag
Produktideen
ausgewählte Produktideen
Produktvorschläge
Umsetzungsplan
Entwicklungsauftrag
Anforderungsliste
Markt, Umfeld, Unternehmen
2 Stand der Forschung 33
Auswahl von Produktideen: Berücksichtigung von strategischen Rahmen-
bedingungen; Durchführung von Marktforschung und Ideenbewertungen;
Auswahl geeigneter Produktideen;
Definieren von Produkten: Konkretisierung der Produktideen zu Produktvor-
schlägen;
Umsetzungsplanung: Erstellung eines Umsetzungsplans; Überführung in ei-
ne konkrete Entwicklungsaufgabe;
Klären und Präzisieren der Aufgabe: fließender Übergang zur eigentlichen
Produktentwicklung.
Das beschriebene Vorgehensmodell ist keinesfalls als starrer Prozess vorgesehen.
Vielmehr wird für eine erfolgreiche Produktplanung ein iteratives Vorgehen mit Vor-
bzw. Rücksprüngen oder Wiederholungen zwischen den einzelnen Schritten empfoh-
len (vgl. Bild 2.10). Zudem sind die im Vorgehensmodell empfohlenen Handlungs-
empfehlungen nur beispielhaft aufgeführt. Unternehmen können in der Praxis auf
eine Vielzahl von unterschiedlichen Hilfsmitteln zur Unterstützung der jeweiligen Pla-
nungsschritte zurückgreifen (PAHL ET AL., 2007, S. 104).
2.3.2 Entwicklung & Konstruktion
Zentrales Element des Produktentstehungsprozesses ist die Entwicklung & Konstruk-
tion und somit die eigentliche Produktentwicklung. Anhand umfassender Überlegun-
gen, Prinzipien, Verfahren und Berechnungen sowie der Erstellung der technischen
Dokumentation wird darin die technische Umsetzung eines Entwicklungsvorhabens
mit all seinen Funktionen bis ins Detail abgesichert (SCHINDLER, 2012, S. 395). Die
Produktentwicklung ist demnach ein sehr komplexes Vorhaben, an dem zahlreiche
Personen und Unternehmensbereiche beteiligt sind. Dies erfordert letztendlich eine
interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
(FELDHUSEN & GROTE, 2013, S. 14; LINDEMANN, 2009, S. 8). Diese erstrecken sich
dabei von völligen Neuentwicklungen bzw. Innovationen bis hin zu weniger aufwän-
digen Anpassungs- oder Wiederholentwicklungen, bei denen die technische Lösung
bereits (größtenteils) existiert (LINDEMANN, 2009, S. 7; SCHINDLER, 2012, S. 398–399).
Prinzipiell stellt die Entwicklung eines Produkts den Entwickler vor ein technisches
Problem, das es schrittweise zu lösen gilt. Dieses Problem muss dafür zunächst voll-
ständig analysiert und verstanden werden. Im weiteren Verlauf erarbeitet der Ent-
wickler unterschiedliche Lösungsansätze, die nach und nach zur vollständigen Lö-
sung verknüpft werden. Durch entsprechende Rückkopplung zwischen den einzelnen
Arbeitsschritten im Lösungsprozess kann das vorläufige Ergebnis immer wieder op-
timiert, angepasst oder ergänzt werden (SCHINDLER, 2012, S. 400–401).
34 2 Stand der Forschung
Die traditionelle Produktentwicklung mit ihren wesentlichen Phasen lässt sich sehr
gut in einem Prozessmodell darstellen. PAHL & BEITZ haben in diesem Zusammen-
hang ein weit verbreitetes Prozessmodell entwickelt, das die Produktentwicklung in
vier grundlegende Arbeitsschritte gliedert (FELDHUSEN & GROTE, 2013, S. 17; PAHL ET
AL., 2007, S. 198). Der VDI hat dieses Prozessmodell konkretisiert und in die VDI-
Richtlinie 2221 überführt. Darin wird die grundlegende Vorgehensweise nach PAHL &
BEITZ durch Zwischenlagerung zusätzlicher Arbeitsschritte erweitert, so dass eine
wesentlich spezifischere Abgrenzung zwischen einzelnen Aufgabenbereichen mög-
lich ist. Die vier klassischen Phasen der Produktentwicklung, die beiden Ansätzen
jedoch gemein sind, lauten wie folgt (PAHL ET AL., 2007, S. 194; SCHINDLER, 2012,
S. 401–402; VDI 2221, 1986, S. 7–9):
Planen und Klären der Aufgabe (informative Festlegung);
Konzipieren (prinzipielle Festlegung);
Entwerfen (gestalterische Festlegung);
Ausarbeiten (produktionstechnische Festlegung).
In der ersten Phase zum Planen und Klären der Aufgabe hat sich der Entwickler voll-
ständige Klarheit über die Entwicklungsaufgabe zu verschaffen, die ihm als Resultat
der vorgelagerten Produktplanung zugetragen wird. Es entstehen konkrete Anforde-
rungen an das zu entwickelnde Produkt. In der Phase des Konzipierens werden zu-
nächst verschiedene Lösungsmöglichkeiten zur Erfüllung der Entwicklungsaufgabe
erarbeitet. Unter Berücksichtigung der Produktanforderungen wählt man aus diesen
Lösungsmöglichkeiten schließlich die bevorzugte, prinzipielle Lösung aus. Hauptauf-
gabe in der Phase des Entwerfens ist in der Folge die sukzessive und iterative Kon-
kretisierung der prinzipiellen Lösung. Das zu realisierende Produkt wird dabei gestal-
terisch festgelegt, wobei man hier neben rein technischen Parametern auch wirt-
schaftliche Randbedingungen berücksichtigen muss. Als Vorbereitung auf die Pro-
duktherstellung sowie zur Unterstützung der späteren Nutzung wird in der Phase des
Ausarbeitens die technische Dokumentation des Produkts vervollständigt und freige-
geben (PAHL ET AL., 2007, S. 195–197; SCHINDLER, 2012, S. 402).
„Produkte werden unter aktuellen Bedingungen für zukünftige Situationen entwickelt.
Kunden ändern jedoch ihre Meinung, Wettbewerber melden Patente an, wichtige
Wissensträger verlassen das Unternehmen, der Umsatz geht zurück. Produktent-
wickler sehen sich also mit einer ständigen Veränderung von Märkten, Werten,
Technologien und vielen anderen Aspekten konfrontiert“ (LINDEMANN, 2009, S. 29).
Des Weiteren identifizieren EHRLENSPIEL & MEERKAMM in der Produktentwicklung drei
wesentliche Problembereiche, die vor allem auf der heutzutage stark arbeitsteiligen
Produktentstehung beruhen: organisatorische Probleme, zeitliche Probleme und
2 Stand der Forschung 35
technisch-wirtschaftliche Probleme. Dies erfordert letzten Endes eine stärkere In-
tegration der arbeitsteiligen Bereiche in den gesamten Entwicklungsprozess (EHR-
LENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 187–193). Denn „offensichtlich ist die Fähigkeit der
Menschen, zielgerichtet und effizient zusammenzuarbeiten, der herausragende Er-
folgsfaktor auf dem Weg zu Produkten von morgen“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001,
S. 46). Dieses neue Verständnis einer integrierten Produktentwicklung ist letztendlich
„eine Abkehr vom traditionellen, rein funktionsorientierten und hierarchischen Denken
und Arbeiten“ (EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 196). Vom Entwickler als Mensch
wird vielmehr eine ganzheitliche Denkweise sowie eine zielgerichtete Verknüpfung
technischer, organisatorischer und methodischer Hilfsmittel gefordert (EHRLENSPIEL &
MEERKAMM, 2013, S. 194).
Bild 2.11: Zyklischer Produktentwicklungsprozess in Anlehnung an GAUSEMEIER, EBBESMEYER &
KALLMEYER, 2001, S. 44
GAUSEMEIER ET AL. haben daher ein praxisnahes Prozessmodell einer integrierten
Produktentwicklung vorgestellt. Das in Bild 2.11 veranschaulichte Modell beruht auf
einer Reihe von Zyklen, die ineinander greifen und einen fließenden Übergang zwi-
schen den einzelnen Prozessphasen gewährleisten. Im ersten Zyklus der strategi-
schen Produktplanung verknüpfen GAUSEMEIER ET AL. die ursprünglich vorgelagerte
Phase der Produktplanung mit den klassischen Phasen zum Planen und Klären der
Aufgabe sowie zum Konzipieren. Letztere leitet schließlich den Zyklus der eigentli-
chen Produktentwicklung ein, in dem die prinzipielle Lösung gestaltet und ausgear-
beitet wird. Der finale Zyklus der Prozessentwicklung begleitet das Produkt schließ-
Produkt-findung
Konzipieren
Geschäfts-planung
Potential-findung
Ausarbeiten
Entwerfen
Fertigungs-planung
Serienanlauf
Strategische Produktplanung
Produktentwicklung
Prozessentwicklung
36 2 Stand der Forschung
lich zum erfolgreichen Markteintritt. Hauptaufgabe ist hier vor allem die Planung der
Fertigung bis hin zur abschließenden Optimierung von Produkt und Fertigungssys-
tem im Serienanlauf (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 43–46). Mit diesem Modell ver-
deutlichen GAUSEMEIER ET AL. besonders den Aspekt einer ganzheitlichen und koope-
rativen Produktentwicklung. Im Gegensatz zum traditionellen Modell der Produktent-
wicklung werden dabei gezielt Elemente der Geschäftsplanung und Potentialfindung
sowie der Prozessentwicklung (erfolgsorientierte Gestaltung der Herstellungsprozes-
se, logistischen Prozesse etc.) in die eigentliche Produktentwicklung integriert (vgl.
Bild 2.11), um einen möglichst durchgängigen Prozess von der Geschäftsidee bis
zum erfolgreichen Markteintritt zu schaffen (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 45). Diese
ganzheitliche Betrachtungsweise der Produktentwicklung erfordert „einerseits ein
geändertes Denkverhalten, umgesetzt in partnerschaftlichem, interdisziplinären Ar-
beiten sowohl innerhalb des Unternehmens als auch mit Kunden und Zulieferanten,
andererseits eine methodische Vorgehensweise mit Betrachtung des gesamten Pro-
duktlebenszyklus und einer verstärkten Beachtung der Wechselwirkung zwischen
Produkt und Prozess“ (EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 195). Nach dem Grund-
satz des „Simultaneous Engineering“, das als Organisationsmodell eine geteilte und
parallele Arbeitsweise vorsieht, ist hier vor allem eine enge Kooperation zwischen
Produkt- und Prozessentwicklung gefordert. Nur so kann der Entwickler letztendlich
unter Einhaltung zeitgemäßer Gestaltungsrichtlinien („Design for X“) eine fertigungs-
und montagegerechte Produktkonzeption gewährleisten (EHRLENSPIEL & MEERKAMM,
2013, S. 354; KLOCKE, EVERSHEIM, FALLBÖHMER & BRANDENBURG, 1999, S. 186; BIRK-
NER, BRAUN, EGELKRAUT, GRAUER, MÄRZ, MEYER, RITTNER & ZELTNER, 2009, S. 5;
WARTZACK, 2000, S. 8).
2.3.3 Arbeitsvorbereitung & Produktherstellung
Am Ende des Produktentstehungsprozesses stehen die Arbeitsvorbereitung (WART-
ZACK, 2000, S. 8) sowie die einzelnen Arbeitsschritte „zur Herstellung der Komponen-
ten wie Bauteile und Baugruppen und deren Montage“ zu einem serientauglichen
Gesamtprodukt (FELDHUSEN & GROTE, 2013, S. 14). Ausgehend von der technischen
Dokumentation, die in der Phase der Ausarbeitung erstellt und freigegeben wird, liegt
der Fokus in der Arbeitsvorbereitung insbesondere auf den Aspekten der Material-
wirtschaft, Logistik, Fertigungs- und Montagevorbereitung zur Festlegung der spezifi-
schen Arbeitsanweisungen sowie zur Bereitstellung sämtlicher Fertigungsmittel für
die nachfolgende Fertigung und Montage (EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 163;
GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 46). Während der Fertigung und Montage werden die in
der technischen Dokumentation festgelegten Produkteigenschaften schließlich mate-
2 Stand der Forschung 37
riell umgesetzt (EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 162). Das Ergebnis der gesam-
ten Produktherstellung ist dann letztendlich ein physisches Produkt, das durch den
gezielten Einsatz der dafür notwendigen, operativen Ressourcen wie Produktionsan-
lagen, Personal, Betriebs- oder Finanzmittel im Rahmen der Fertigung und Montage
realisiert und dem Kunden nach erfolgreichem Serienanlauf sowie Inbetriebnahme
bereitgestellt wird (EIGNER & STELZER, 2009, S. 2; GAUSEMEIER ET AL., 2001,
S. 44; SCHINDLER, 2012, S. 400; WARTZACK, 2000, S. 8).
Im zyklischen Produktentwicklungsprozess von GAUSEMEIER ET AL. (vgl. Bild 2.11)
wurde bereits deutlich, dass die einzelnen Phasen der Produktentstehung im Hinblick
auf eine integrierte Produktentwicklung immer mehr miteinander verschmelzen. Da-
von sind auch wesentliche Elemente der Arbeitsvorbereitung und Produktherstellung
betroffen, die von GAUSEMEIER ET AL. unter dem Aspekt der Prozessentwicklung als
finaler Schritt eines erfolgreichen Markteintritts in ihr Modell eingebunden werden.
Ausgehend von den klassischen Phasen des Entwerfens und Ausarbeitens umfasst
die Prozessentwicklung dabei die Fertigungsplanung zur Bereitstellung von Ferti-
gungsmitteln, Arbeitsplänen und -programmen sowie die Optimierung von Ferti-
gungssystem und Produkt im Rahmen des Serienanlaufs (GAUSEMEIER ET AL., 2001,
S. 44). Eine erfolgreiche Produktherstellung und Markteinführung kann jedoch „nicht
allein Sache der Prozessentwicklung sein, sondern beruht auf dem integrativen Den-
ken und Handeln aller Beteiligten in den vorgestellten Zyklen“ (GAUSEMEIER ET AL.,
2001, S. 46). Die Voraussetzungen dafür werden bereits im Rahmen der eigentlichen
Produktentwicklung durch eine fertigungs-, montage-, prüf- sowie normgerechte
Konstruktion geschaffen (WARTZACK, 2000, S. 8).
2.4 Unterstützung von Technologieentscheidungen in der Produktplanung
Nachfolgend werden die Technologiefrüherkennung und -bewertung als Instrumente
des strategischen Technologiemanagements zur Unterstützung von Technologieent-
scheidungen in die strategische Produktplanung eingeordnet. Zudem muss vor die-
sem Hintergrund auch eine Auseinandersetzung mit dem Thema der multikriteriellen
Entscheidungsunterstützung stattfinden, das aufgrund der zunehmenden Komplexität
in Entscheidungssituationen immer mehr an Bedeutung gewinnt und im Rahmen ei-
ner zeitgemäßen Technologiebewertung zwingend berücksichtigt werden muss.
38 2 Stand der Forschung
2.4.1 Technologiefrüherkennung und -bewertung zur Entschei-dungsunterstützung in der strategischen Produktplanung
Rückblickend auf Kapitel 2.3.1 wird deutlich, dass Technologieentscheidungen schon
sehr früh im Produktentstehungsprozess – d.h. innerhalb der strategischen Produkt-
planung – getroffen werden müssen, um Optimierungspotentiale an der Schnittstelle
zwischen Markt, Wettbewerbern und Technologie möglichst vollständig ausschöpfen
und auf deren Basis Entwicklungsaufgaben für die Produktentwicklung konkretisieren
zu können (KRÖLL, 2007, S. 16). Ferner kann damit auch verhindert werden, dass
Produktkonzepte im weiteren Verlauf des Produktentstehungsprozesses aufgrund
fehlender technischer bzw. technologischer Möglichkeiten nachträglich noch geän-
dert werden müssen. Dies würde einen erheblichen kosten- sowie ressourcentechni-
schen Aufwand für das Unternehmen nach sich ziehen (SCHÄPPI, 2005, S. 14).
Wesentliches Element zur Vorbereitung auf solche Entscheidungen ist eine systema-
tische Identifikation, Bewertung und Auswahl von Technologien als Bestandteil eines
umfassenden Technologiemanagements. Durch einen bedarfsgerechten und wirt-
schaftlichen Einsatz zukunftsträchtiger Technologien können Unternehmen ihre
Wettbewerbsfähigkeit steigern und sich entscheidend von der Konkurrenz abgrenzen
(KRÖLL, 2007, S. 12; TSCHIRKY, 1998, S. 322). Demnach greift man in der Phase der
strategischen Produktplanung, in der Produktideen auf Basis von Markt-, Wettbewer-
ber- und Technologieanalysen generiert und konkretisiert werden, auf die Technolo-
giefrüherkennung und -bewertung als unterstützende Instrumente des strategischen
Technologiemanagements zurück. So lassen sich vor allem neue technologische
Entwicklungen frühzeitig erkennen und hinsichtlich eines möglichen Einsatzes in
künftigen Produktlösungen bewerten (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 43–44; SCHÄPPI,
2005, S. 14). Damit wird grundsätzlich geklärt, mit welchen bereits beherrschten oder
neu verfügbaren Technologien die entsprechenden Produktvorhaben realisiert wer-
den können (SCHÄPPI, 2005, S. 16).
Bei solchen Bewertungsmaßnahmen sind vor allem funktions-, kosten- sowie quali-
tätstechnische Aspekte zu beachten, die sich aus den konkreten Rahmenbedingun-
gen der gegenwärtigen Situation auf dem Markt, im Unternehmensumfeld und im
Unternehmen selbst ergeben (KRÖLL, 2007, S. 17). Um gleichzeitig auch den Anfor-
derungen an die produktspezifischen Herstellungsprozesse gerecht zu werden und
eine fertigungs- sowie montagegerechte Konstruktion sicherstellen zu können, müs-
sen dabei auch neue Entwicklungen im Bereich der Fertigungs- und Montagetechno-
logien berücksichtigt werden (BIRKNER ET AL., 2009, S. 5; SCHÄPPI, 2005, S. 15). Auf-
bauend auf den vorab gesammelten Erkenntnissen haben Entwickler dann schließ-
lich im Rahmen der eigentlichen Produktentwicklung die Möglichkeit, die richtigen
2 Stand der Forschung 39
Technologien nach ihrer erfolgreichen Bereitstellung zur Erfüllung der einzelnen Pro-
duktfunktionen einzusetzen (TSCHIRKY, 1998, S. 251). Zudem wird Entwicklern ent-
scheidend dabei geholfen, „schon bei der konstruktiven Auslegung und Gestaltung
von Produkten die werkstoff- und verfahrensspezifischen Randbedingungen ausrei-
chend zu berücksichtigen. Hierbei können die Faktoren Gestalt, Werkstoff und Tech-
nologie optimal aufeinander abgestimmt werden“ (KLOCKE ET AL., 1999, S. 186).
„Die Weichen für den Produkterfolg werden (somit schon, Anm. des Verf.) in der stra-
tegischen Produktplanung gestellt“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 51). Durch eine im-
mer stärkere Verknüpfung von Produktplanung mit der eigentlichen Produktentwick-
lung im Sinne einer integrativen Produktentwicklung gewinnen somit auch die Tech-
nologiefrüherkennung und -bewertung zur Unterstützung dieses Prozesses immer
mehr an Bedeutung (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 43–44; SCHÄPPI, 2005, S. 14).
2.4.2 Multikriterielle Entscheidungsunterstützung
Die in Kapitel 2.2.2.2 geschilderte, notwendige Ausweitung des Betrachtungshori-
zonts einer Technologiebewertung (Umwelt, Sicherheit, etc.) führt zu einem deutli-
chen Zuwachs an möglichen Bewertungskriterien für eine Technologie. Zudem geht
aus Kapitel 2.4.1 hervor, dass besonders bei Technologieentscheidungen im Rah-
men einer strategischen Produktplanung zahlreiche unternehmensinterne wie auch
-externe Aspekte an der Schnittstelle von Markt, Wettbewerbern und Technologie
berücksichtigt werden müssen, um den komplexen Anforderungen an eine erfolgrei-
che und zukunftsorientierte Produktentwicklung gerecht zu werden. Eine Auseinan-
dersetzung mit dem Thema der multikriteriellen Entscheidungsunterstützung für eine
systematische Beurteilung von Alternativen unter Berücksichtigung einer Vielzahl von
unterschiedlichen Kriterien ist daher zwingend notwendig (WARTZACK, 2000, S. 62).
Diese Notwendigkeit ergibt sich im Einzelnen aus diversen Unzulänglichkeiten, die
mit intuitiv und unsystematisch vorgenommenen Bewertungen einhergehen (VDI
2223, 2004, S. 61–62; WARTZACK, 2000, S. 63):
Subjektiv beeinflusste, sprunghafte Bewertungsprozesse;
Gefahr von latenten Vereinfachungen;
Vernachlässigung gewisser Anforderungen, Rahmenbedingungen und somit
wichtiger Bewertungskriterien;
Unverhältnismäßige Gewichtung von Bewertungskriterien;
Unverhältnismäßige Bewertung von Alternativen aufgrund augenscheinlicher
Stärken bzw. Schwächen.
40 2 Stand der Forschung
Im Allgemeinen sind Ansätze zur multikriteriellen Entscheidungsunterstützung durch
eine Analyse einer diskreten oder kontinuierlichen Menge an Optionen (z.B. Alterna-
tiven, Lösungen, Handlungsmöglichkeiten oder Aktionen) gekennzeichnet, auf deren
Basis nachfolgend eine Auswahl der Optionen getroffen, eine Rangfolge gebildet o-
der eine entsprechende Klassifizierung vorgenommen werden kann (OBERSCHMIDT,
2010, S. 56). Zu diesem Thema sind in den vergangenen Jahrzehnten viele unter-
schiedliche Forschungsansätze aus Theorie und Praxis veröffentlicht worden (BANA
E COSTA, STEWART & VANSNICK, 1997, S. 29; OBERSCHMIDT, 2010, S. 56; STEWART,
1992, S. 569). Diese lassen sich prinzipiell in Multi-Attribut-Ansätze sowie Multi-
Objective-Ansätze unterteilen, deren wesentliche Unterschiede in Tabelle 2.2 zu-
sammengefasst sind. Multi-Objective-Ansätze sind speziell auf Optimierungsvorha-
ben ausgelegt, bei denen aus einer quasi unendlichen Menge an möglichen Optio-
nen unter Berücksichtigung diverser Rahmenbedingungen eine optimale Lösung be-
stimmt werden soll. Dazu greift man hauptsächlich auf mathematische Modelle zur
Vektoroptimierung zurück, um die vektoriellen Zielfunktionen bestmöglich zu lösen.
Der Fokus bei Multi-Attribut-Ansätzen liegt dagegen auf einer simultanen Bewertung
einer bereits bekannten Menge an Optionen anhand mehrerer, unterschiedlich ge-
wichteter Kriterien (multikriterielle Bewertung). Es soll diejenige Option ermittelt wer-
den, die den Zielvorstellungen der Entscheidungsträger am ehesten entspricht. Be-
sagte Zielvorstellungen bzw. Präferenzen spiegeln sich dabei in den unterschiedlich
gewichteten Bewertungskriterien wider (GELDERMANN, 2008, S. 12; OBERSCHMIDT,
2010, S. 56–58).
Tabelle 2.2: Unterschiede zwischen Multi-Attribut- und Multi-Objective-Ansätzen nach GELDERMANN, 2008, S. 12; OBERSCHMIDT, 2010, S. 57
Merkmal Multi-Attribut-Ansätze Multi-Objective-Ansätze
Lösungsraum Menge an bekannten, diskreten Optionen
meist kontinuierliche Menge an Optionen (offene Lösungssuche)
Ziel Klassifizierung bzw. Ordnung von Alternativen
Berechnung der optimalen Lösung aus dem Lösungsraum
Ausgangsbasis Menge entscheidungsrelevanter Kriterien
quantifizierbare Zielfunktionen aus mehreren Vektoren
Formulierung der Problemstellung
Zielerreichungs- bzw. Entscheidungsmatrix
Modelle zur Vektoroptimierung
Bei der multikriteriellen Bewertung unterscheidet man grundsätzlich zwischen Ansät-
zen der amerikanischen und der europäischen Schule. Innerhalb der amerikanischen
Schule werden die Präferenzvorstellungen der Entscheidungsträger über numerische
Nutzenfunktionen abgebildet. Der Gesamtnutzen einer Option lässt sich schließlich
über eine Aggregation der entsprechenden Teilnutzwerte hinsichtlich der einzelnen,
2 Stand der Forschung 41
gewichteten Bewertungskriterien ermitteln. Als bekannte Methoden, die sich auf ein
solches Bewertungsschema stützen, sind vor allem die Nutzwert-Analyse sowie der
Analytisch Hierarchische Prozess zu nennen (GELDERMANN, 2008, S. 13; OBER-
SCHMIDT, 2010, S. 58–59). Demgegenüber unterstellt die europäische Schule den
Entscheidungsträgern eine Unklarheit über ihre Präferenzen und liefert deshalb sog.
Outranking-Verfahren, mit denen man „auch widersprüchliche Informationen verar-
beiten kann, um die Entscheidungssituation zu strukturieren und die Konsequenzen
unterschiedlicher Kriterien-Gewichtungen aufzuzeigen“ (OBERSCHMIDT, 2010, S. 59–
60).
Bild 2.12: Ablaufschema einer multikriteriellen Bewertung in Anlehnung an OBERSCHMIDT, 2010, S. 62
Prinzipiell liegt jedoch allen Ansätzen zur multikriteriellen Bewertung ein einheitliches
Ablaufschema zugrunde, das in Bild 2.12 vorgestellt wird. Zunächst ist darin die
Problemstellung zu klären und eine Festlegung der zu bewertenden Optionen vorzu-
nehmen. Ebenso müssen die Bewertungskriterien in Absprache mit Interessens-
gruppen und Entscheidungsträgern in Diskussionen, Interviews oder Workshops ent-
Klärung der Problemstellung
Festlegung der Optionen
Auswahl der Kriterien
Bestimmung der Kriterien-Ausprägungen
je Option
Gewichtung der Kriterien
Aggregation zur Gesamtbewertung
je Option
Sensitivitätsanalysen
Handlungsempfehlungen
En
tsc
he
idu
ng
su
nte
rstü
tzu
ng
ss
ys
tem
42 2 Stand der Forschung
sprechend ausgewählt werden. In der Folge bestimmt man die jeweiligen Kriterien-
Ausprägungen der betrachteten Optionen und gewichtet darüber hinaus die einzel-
nen Kriterien nach ihrer relativen Bedeutung (OBERSCHMIDT, 2010, S. 61). Zur Struk-
turierung der Bewertungskriterien greift man häufig auf baumähnliche Darstellungs-
weisen zurück, die den relevanten Kriterien eine gewisse hierarchische Ordnung ver-
leihen. Bei der Bestimmung der Kriterien-Ausprägungen können neben quantitativen
auch qualitative Informationen berücksichtigt werden, denen über Ordinal-Skalen
(bspw. von „1“ für gut, „2“ für mittel bis „3“ für schlecht) dann entsprechende Zahlen-
werte beigemessen werden. Einfache Möglichkeiten zur Kriterien-Gewichtung stellen
subjektive Vergaben der Gewichtungsfaktoren über Entscheidungsträger oder nach-
gelagerte Gewichtungen von zunächst gleichbedeutenden Kriterien über Sensitivi-
tätsanalysen dar. Eine weitaus objektivere Alternative bietet dagegen der paarweise
Vergleich, bei dem alle möglichen Kriterien-Paarungen entsprechend eines skalierten
Maßstabs hinsichtlich ihrer Bedeutung gegeneinander abgewogen und darauf auf-
bauend die relativen Gewichtungsfaktoren der einzelnen Kriterien bestimmt werden
(OBERSCHMIDT, 2010, S. 67–70). Zu guter Letzt werden die erarbeiteten Daten zu
einer Gesamtbewertung je Option aggregiert und die Ergebnisse durch Sensitivitäts-
analysen auf ihre Standhaftigkeit überprüft. Das beschriebene Ablaufschema lässt
sich in seiner Gesamtheit gut in ein Entscheidungsunterstützungssystem wie bspw.
eine Bewertungsmethode oder ein Software-Tool integrieren, so dass in der Folge
gezielt Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können (OBERSCHMIDT, 2010,
S. 61–62).
Eine multikriterielle Bewertung übergeht letztendlich die eingangs dieses Abschnitts
erwähnten Unzulänglichkeiten einer intuitiven, unsystematischen Bewertung, indem
sie eine objektive sowie parallele Berücksichtigung verschiedener „Aspekte unter
Einbeziehung qualitativer und quantitativer Informationen“ ermöglicht (OBERSCHMIDT,
2010, S. 56). Ferner lässt sich durch eine multikriterielle Bewertung auch die Multi-
kausalität einer Problemstellung wesentlich strukturierter wie auch wertneutraler dar-
stellen und ein systematisch begründeter Weg zur Entscheidungsfindung aufzeigen.
Dies liegt insbesondere daran, dass jedes der betrachteten Bewertungskriterien ei-
nen gewissen Teilaspekt der ursprünglichen Problemstellung repräsentiert und in der
Gesamtbewertung entsprechend berücksichtigt wird (BANA E COSTA ET AL., 1997,
S. 30). Multikriterielle Bewertungselemente sind somit prädestiniert für einen Einsatz
im Rahmen der Technologiebewertung (OBERSCHMIDT, 2010, S. 57).
2 Stand der Forschung 43
2.5 Methodisch gestützte Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung
Methoden werden grundsätzlich als „Regeln und Anweisungen verstanden, die das
Vorgehen weitgehend festlegen. Den Methoden liegt ein plausibles Konzept zugrun-
de, das eine Beurteilung der Aussagefähigkeit und der Anwendungsgrenzen zulässt;
außerdem sollen sie nachvollziehbar sein“ (GESCHKA, 1995, S. 630). Zur Sicherstel-
lung einer systematischen und strukturierten Technologiefrüherkennung wird Unter-
nehmen daher empfohlen, den Technologiefrüherkennungsprozess methodisch zu
unterstützen (MIEKE, 2005, S. 22). Auch im Rahmen der Technologiebewertung ist
der Einsatz von Methoden dringend notwendig. So kann einer zielgerichteten und
systematischen Arbeitsweise während der Bewertung von Technologien Folge ge-
leistet werden (BULLINGER, 1994, S. 55). Gleichermaßen soll durch den Einsatz von
Bewertungsmethoden die Entscheidungsqualität und somit auch der Erfolg der tech-
nologischen Maßnahmen erhöht werden (HAAG ET AL., 2011, S. 310). Aufgrund der
engen Verbundenheit von Technologiefrüherkennung und -bewertung (vgl. Kapitel
2.2.1) sowie der oftmals unscharfen Methodentrennung zwischen beiden Aufgaben-
bereichen (vgl. Kapitel 2.5.1 & 2.5.2) gewährt dieses Kapitel nachfolgend einen Ein-
blick in den aktuellen Stand der Forschung über Methoden zur Technologiefrüher-
kennung und Technologiebewertung.
2.5.1 Methoden zur Technologiefrüherkennung
Angesichts der unbeständigen Veränderungsraten im Unternehmensumfeld ist das
genaue Festlegen von Zeitspannen für die Beschaffung technologierelevanter Infor-
mationen widersinnig. Dennoch ist Zeit für Unternehmen mittlerweile ein erheblicher
Erfolgsfaktor und aufgrund der Vergänglichkeit eine knappe Ressource. Methoden
zur Technologiefrüherkennung müssen diesen Umstand berücksichtigen und eine
frühzeitige Informationsbeschaffung gewährleisten (MIEKE, 2005, S. 22). Neben dem
Aspekt der Frühzeitigkeit zählen jedoch auch Qualität, Gültigkeit und Exklusivität der
zu verarbeitenden Informationen zu den wesentlichen Anforderungen an die Techno-
logiefrüherkennung und ihre Methoden (WELLENSIEK ET AL., 2011, S. 102).
Grundsätzlich lassen sich Methoden zur Technologiefrüherkennung in quantitative
und qualitative Methoden unterteilen. Während sich quantitative Methoden verstärkt
auf explizites Datenmaterial in Form von Messgrößen oder Modellvorstellungen zur
Beschreibung bzw. Prognose technologischer Entwicklungen stützen, beziehen
quantitative Methoden auch subjektive Einschätzungen und implizites Wissen von
Fachpersonal mit ein (WELLENSIEK ET AL., 2011, S. 133–134). In der Literatur stößt
44 2 Stand der Forschung
man auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Methoden, die im Rahmen der Techno-
logiefrüherkennung eingesetzt werden. Zur Verdeutlichung stellt Tabelle 2.3 ver-
schiedene Methoden-Sammlungen gegenüber. Dabei decken sich die Auflistungen
von LICHTENTHALER und BÜRGEL, REGER & ACKEL-ZAKOUR weitestgehend. FIRAT,
WOON & MADNICK identifizieren dagegen über einhundert verschiedene, oftmals sehr
spezifische Methoden und ordnen diese übergeordneten Methodenklassen zu. Aus
Gründen der Übersichtlichkeit werden nur Letztere in Tabelle 2.3 aufgezeigt. Detail-
lierte Informationen über die einzelnen Methoden sind der weiterführenden Literatur
von FIRAT ET AL. zu entnehmen (FIRAT, WOON & MADNICK, 2008, S. 5–6). Aus der ins-
gesamt sehr umfangreichen Methoden-Übersicht in Tabelle 2.3 erweisen sich insbe-
sondere Patentanalysen, Befragungen von Experten, Technologie-Roadmapping und
die Szenario-Analyse als besonderes verbreitete Methoden (BÜRGEL, REGER & A-
CKEL-ZAKOUR, 2005, S. 40). Aber auch Werkzeuge der TRIZ-Methodik, die ursprüng-
lich nicht dem Themenfeld des Technologiemanagements entstammt, gewinnen in
letzter Zeit immer mehr an Bedeutung (GRAWATSCH, 2005, S. 31).
Tabelle 2.3: Methoden-Übersicht zur Technologiefrüherkennung in Anlehnung an BÜRGEL, REGER &
ACKEL-ZAKOUR, 2005, S. 41; FIRAT, WOON & MADNICK, 2008, S. 5–6; LICHTENTHALER, 2004, S. 130
LICHTENTHALER (2004) BÜRGEL, REGER & ACKEL-ZAKOUR (2005)
FIRAT, WOON & MADNICK
(2008)
Publikationsanalysen Konferenzanalysen Patentanalysen S-Kurven-Analysen Wettbewerbs-Analysen Portfolio-Analyse Delphi-Studien Expertenbefragungen Technologie-Roadmapping Produkt-Roadmapping Erfahrungskurven Simulationen Optionspreismodelle Szenario-Analyse Lead-User-Methode Quality Function Deployment
Patentanalysen Publikationsanalysen Marktanalysen Trendanalysen Trendextrapolation Wettbewerbs-Analysen Competitive Intelligence Kundenbefragungen Co-Word-Analysen Risikoanalysen Competence Gap Analysen Internet-Such-Systeme Technologie-Landkarten Delphi-Studien Relevanzbaum-Analysen Szenario-Analyse Technologie-Roadmapping Produkt-Roadmapping Kreativitätstechniken
Experten-Analysen Trendanalysen Monitoring Statistische Methoden Modelle/Simulationen Szenario-Analyse Bewertungsmethoden Entscheidungsmethoden Wirtschaftliche Methoden Deskriptive Methoden Matrix-Methoden Kreativitätstechniken
Abgesehen von der Szenario-Analyse, die erst in Kapitel 2.5.2 unter den Methoden
zur Technologiebewertung eine entsprechende Würdigung erfährt, werden die er-
wähnten Methoden dem Leser nun näher vorgestellt.
2 Stand der Forschung 45
2.5.1.1 Expertenbefragung
Die Befragung von Experten gilt im Rahmen der Technologiefrüherkennung als viel-
versprechende Quelle zur Beschaffung technologierelevanter Informationen und
Prognose bestimmter Ereignisse (WOLFRUM, 1991, S. 139). Experten sind Fachleute,
die exklusiven und frühzeitigen Zugang zu neuen Erkenntnissen haben. Sie verfügen
durch eine entsprechende Ausbildung, breite Erfahrung, wertvolle Kontakte zu ande-
ren Wissensträgern oder die Beteiligung an zukunftsweisenden Forschungsprojekten
über Insider-Informationen und fachspezifisches Know-how (GESCHKA, 1995, S. 631).
Je nach Anzahl der Experten und Art der Befragung lassen sich unterschiedliche Ty-
pen von Expertenbefragungen ausmachen (MIEKE, 2005, S. 25).
Während einer klassischen Expertenbefragung befragt man mehrere Experten in
Einzelgesprächen (Interviews). Dabei vertieft man die Fragestellungen sukzessive
von Gespräch zu Gespräch, um letztendlich detaillierte und zielführende Informatio-
nen von den Experten zu erhalten. Die einzelnen Interviews werden möglichst voll-
ständig dokumentiert und die Ergebnisse in einem abschließenden Dokument zu-
sammengefasst (GESCHKA, 1995, S. 631).
Bei der Expertenanhörung liefern Experten bestimmter Institutionen im Einzelge-
spräch konkrete Informationen über ein vorab festgelegtes Themenfeld. Durch eine
entsprechende Überprüfung potentieller Experten hinsichtlich ihrer Sachkenntnis und
Denkhaltung versucht man schon im Vorfeld einen geeigneten Expertenkreis zu se-
lektieren. Neben der fachlichen Kompetenz wird von Experten in diesem Zusam-
menhang auch eine zukunftsorientierte und konstruktive Denkweise gefordert. Man
erhofft sich dadurch eine Eindämmung des Risikos zur Selbstüberschätzung und ei-
ne deutlich höhere Ergebnisqualität im Rückschluss auf eine wirksame Technologie-
früherkennung (MIEKE, 2005, S. 25–26).
Experten-Workshops sind dagegen gruppenorientierte Vorhaben. Auch hier speziali-
siert man sich auf ein bestimmtes Themen- bzw. Technologiefeld. Eine kleine Grup-
pe von Experten gibt dabei Auskunft über ihren Kenntnisstand zu potentiellen, tech-
nologischen Entwicklungen. Wissens- und Kompetenzlücken sowie Fehldeutungen
und falsche Tendenzen können durch den Gruppencharakter ausgeglichen bzw. ver-
hindert werden. Dennoch werden auch abweichende Meinungen einzelner Experten
in Betracht gezogen, da die Mehrheitsmeinung nicht zwangsläufig auch den einzig
richtigen Weg weisen muss (GESCHKA, 1995, S. 631; MIEKE, 2005, S. 26–27).
Insgesamt bieten Expertenbefragungen eine effektive Möglichkeit, frühzeitig an rele-
vante Informationen über zukünftige, technologische Entwicklungen zu gelangen.
Entscheidendes Kriterium dafür ist jedoch die Auswahl der richtigen Experten (GE-
46 2 Stand der Forschung
SCHKA, 1995, S. 632). Im Falle von Workshops ist zudem der „Einsatz geschulter und
erfahrender Moderatoren“ notwendig, um eventuelle Konkurrenzgedanken oder do-
minantes Verhalten einzelner Teilnehmer innerhalb der Gruppe zur vermeiden
(WOLFRUM, 1991, S. 141).
2.5.1.2 Patentanalyse
Gefördert durch Staat sowie Industrie- und Handelskammern hat sich die Patentana-
lyse als Methode der Technologiefrüherkennung in den vergangenen Jahrzehnten
etabliert. Da ein Patent zwangsweise die Entwicklung einer technischen bzw. techno-
logischen Neuerung voraussetzt, führt eine Analyse von Patentdaten automatisch zu
Erkenntnissen über neue technologische Entwicklungen (BECKER, 1988, S. 20).
Patente sind amtliche Dokumente mit juristischer Wirkung und entstehen nach vor-
gegeben Richtlinien. Zudem sind Patentinformationen qualitativ äußerst hochwertig
und den üblichen Marktinformationen in der Regel um mehrere Jahre voraus. Neben
Hinweisen auf neue Technologietrends lassen sich damit auch frühzeitig Anzeichen
über mögliche Wettbewerber oder neue Forschungsfelder erkennen. Zahlreiche Pa-
tentdatenbanken aus dem Internet sowie softwaregestützte Recherche-Programme
vereinfachen die Patentanalyse heutzutage beträchtlich (GESCHKA, 1995, S. 634–
635).
Dennoch sind einer Patentanalyse sowohl fachliche als auch technologieseitige
Grenzen gesetzt. „Einerseits schlagen sich neue Entwicklungen erst mit zeitlicher
Verzögerung in Patentstatistiken nieder. Andererseits sind viele Forschungsergeb-
nisse, besonders solche der Grundlagenforschung, nicht patentfähig“ (BECKER, 1988,
S. 22). Aus diesem Grund empfiehlt sich eine zusätzliche Analyse der in den Paten-
ten zitierten Literatur zur Vervollständigung der gesammelten Informationen (Becker,
1988, S. 22). Des Weiteren erfordert eine Patentanalyse auch enormes Geschick
und viel Erfahrung vom jeweiligen Analysten (GESCHKA, 1995, S. 635).
2.5.1.3 Technologie-Roadmapping
Als bewährte Methode im Rahmen der Technologiefrüherkennung erfüllt Technolo-
gie-Roadmapping den Wunsch nach „der Prognose der zeitlichen Entwicklungen von
Technologien samt ihren häufig heterogenen Verknüpfungen sowie der Ableitung
von Maßnahmen, die der Erhaltung bzw. Verbesserung der technologischen Position
eines Unternehmens dienlich sind“ (MÖHRLE & ISENMANN, 2005, S. 1). Seinen Ur-
sprung findet Technologie-Roadmapping in der amerikanischen Automobilindustrie.
Weiterführende Ansätze von Global Playern wie MOTOROLA Inc oder PHILIPS in
2 Stand der Forschung 47
den 1970er und 1980er Jahren förderten die starke Verbreitung der Methode in der
Folge enorm (PHAAL, FARRUKH & PROBERT, 2004, S. 10).
Im Mittelpunkt des Technologie-Roadmappings steht eine Roadmap, wie sie bei-
spielhaft in Bild 2.13 dargestellt ist. Sie dient der Visualisierung von Technologien
sowie deren Verknüpfung bzw. Zusammenführung mit F&E-Aktivitäten, Produkten
und dem Markt entlang eines bestimmten Betrachtungshorizonts. So kann Unter-
nehmen sowohl eine technologische Marschrichtung als auch eine Orientierungshilfe
für eine bessere, bereichsübergreifende Zusammenarbeit vorgegeben werden. Die
Tätigkeiten zur Erstellung und Pflege solcher Roadmaps bezeichnet man schließlich
als Technologie-Roadmapping (MÖHRLE & ISENMANN, 2005, S. 3–4; PETRICK &
ECHOLS, 2004, S. 89). Wichtige Informationen, die Aufschluss über technologischen
Entwicklungen, notwendige Ressourcen für deren Umsetzung und mögliche Anwen-
dungsmöglichkeiten im Produktportfolio geben, werden dabei gesammelt, verknüpft
und in eine konsistente Roadmap überführt (PETRICK & ECHOLS, 2004, S. 89).
Bild 2.13: Beispielhafte Darstellung einer Technologie-Roadmap in Anlehnung an PETRICK & ECHOLS,
2004, S. 89
Beim Technologie-Roadmapping ist jedoch zu beachten, dass man hauptsächlich mit
Prognosen technologischer Entwicklungen und deren wechselseitigen Beziehungen
zu anderen Gegebenheiten arbeitet. Unsicherheit spielt hier also eine große Rolle
und muss in der Anwendung der Methode berücksichtigt werden. Man läuft sonst
schnell Gefahr, durch ein stures Festhalten an einer Roadmap den Zufall durch den
Irrtum zu ersetzen. Dennoch genießt die Methode in der Praxis eine hohe Wert-
Zeit
F&E 1 F&E 2 F&E 3 F&E 4
T 1T 2 T 3
P 1 P 2 P 3
P 4 P 5
M 1 M 2Markt
Produkt
Technologie
F&E-
Aktivitäten
48 2 Stand der Forschung
schätzung, da sie neben einer technologischen und marktbezogenen Orientierung
auch eine effiziente sowie einfache Handhabung ermöglicht (MÖHRLE & ISENMANN,
2005, S. 9–10).
2.5.1.4 TRIZ – Theorie des erfinderischen Problemlösens
TRIZ entstammt ursprünglich nicht der Technologiefrüherkennung, wird aber auf-
grund ihrer Vielseitigkeit und ihres Problemlösecharakters mittlerweile verstärkt auch
in diesem Themenfeld eingesetzt (GRAWATSCH, 2005, S. 31). Die Entstehung von
TRIZ geht auf den Wissenschaftler GENRICH S. ALTSCHULLER zurück. Er verfolgte
„das Ziel, dem Entwickler eine Methode an die Hand zu geben, die ihn bei der Lö-
sung technischer Probleme unterstützen sollte“ (GRAWATSCH, 2005, S. 33). Grundla-
ge bildet dabei die Annahme, dass die Evolution technischer Systeme ihre eigenen
Gesetz- und Regelmäßigkeiten aufweist. Werden solche Regelmäßigkeiten erkannt,
können sie gezielt zur Problemlösung eingesetzt werden. Durch langjährige Pa-
tentanalysen sowie zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und empirische Studien
hat ALTSCHULLER zusammen mit seinen Kollegen diese Annahme gestützt und in ei-
ne Methodik namens TRIZ überführt (ALTSCHULLER, 1996, S. 2–6; ILEVBARE, PROBERT
& PHAAL, 2013, S. 31). TRIZ ist dabei das russische und auch international anerkann-
te Akronym für die „Theorie des erfinderischen Problemlösens“ (KOLTZE & SOUCHKOV,
2011, S. 18). Die umfangreichen Arbeiten und Studien von ALTSCHULLER und seinen
Kollegen führten zu wesentlichen Erkenntnissen, die als Leitsätze einer TRIZ-
gestützten Denkweise gelten (EVERSHEIM, BREUER, GRAWATSCH, HILGERS, KNOCHE,
ROSIER, SCHÖNING & SPIELBERG, 2003, S. 151; GRAWATSCH, 2005, S. 33–34; KOLTZE
& SOUCHKOV, 2011, S. 18):
Systematische Erarbeitung innovativer Problemlösungen durch präzise Prob-
lembeschreibungen sowie die wiederkehrende Nutzung bereits bekannter Lö-
sungsprinzipien aus unterschiedlichen Bereichen oder Branchen;
Überwindung von Widersprüchen für innovative Problemlösungen;
Existenz von Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien in der technischen Evolution.
Aufbauend auf diese Erkenntnisse hat sich im Rahmen der TRIZ ein prinzipielles
Vorgehen zur Problemlösung herauskristallisiert, dessen prinzipieller Ablauf in Bild
2.14 dargestellt ist. Dieser Ablauf erfolgt schrittweise und beruht auf der Verwendung
von Analogien. Im ersten Schritt wird das zugrundeliegende Problem generalisiert,
um entsprechende Analogien zu früheren Problemstellungen aufspüren zu können.
Deren bekannte Lösungsmuster lassen sich schließlich auf die ursprüngliche Prob-
lemstellung übertragen und regen den Entwickler dazu an, eigene problemspezifi-
2 Stand der Forschung 49
sche Lösungsideen zu entwickeln und umzusetzen (EVERSHEIM ET AL., 2003, S. 152;
GRAWATSCH, 2005, S. 34).
Bild 2.14: Prinzipielles Vorgehen zur Problemlösung mit TRIZ nach EVERSHEIM, BREUER, GRAWATSCH,
HILGERS, KNOCHE, ROSIER, SCHÖNING & SPIELBERG, 2003, S. 152
Zur systematischen Unterstützung des Problemlöseprozesses im Sinne der TRIZ
sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Techniken, Methoden und Hilfsmittel
entwickelt worden (GRAWATSCH, 2005, S. 34; ILEVBARE ET AL., 2013, S. 31). Der Groß-
teil dieser TRIZ-Werkzeuge lässt sich unabhängig voneinander in spezifischen Situa-
tionen zur Anwendung bringen. Werkzeuge der klassischen TRIZ wurden bis 1989
noch von ALTSCHULLER und seinem Team selbst entwickelt. In der Folgezeit hat sich
dieses ursprüngliche Portfolio um fortgeschrittene sowie besonders praxis- und soft-
wareorientierte Werkzeuge noch zusätzlich erweitert (KOLTZE & SOUCHKOV, 2011,
S. 20, S. 31). Tabelle 2.4 zeigt in diesem Zusammenhang eine umfassende Auswahl
an klassischen sowie neuartigen TRIZ-Werkzeugen, die in der Literatur vorwiegend
Erwähnung finden. Insbesondere TRIZ-Werkzeuge, die auf die „Antizipation techno-
logischer Entwicklungen“ abzielen, bergen dabei enormes Potential für einen Einsatz
im Rahmen einer systematischen Technologiefrüherkennung und genießen verstärk-
te Aufmerksamkeit im Forschungsbetrieb (GRAWATSCH, 2005, S. 36; KUCHARAVY,
2007, S. 44; LITVIN, 2014, S. 3). Hierbei handelt es sich vor allem um das Prinzip der
Idealität, den System Operator, die Trends der Technikevolution, die S-Kurven-
Analyse, die „Main Parameters of Value Discovery“, das „TRIZ-Forecasting“, die Di-
rected Evolution™ sowie die Ansätze zur TRIZ-basierten Technologiefrüherkennung
Konkretes Problem
Abstraktes Problem Abstrakte Lösung
Konkrete Lösung
Ab
str
ah
iere
n
Ko
nkre
tisie
ren
50 2 Stand der Forschung
und zum TRIZ-basierten Technologie-Roadmapping. Die aufgezählten Werkzeuge
werden im Folgenden näher vorgestellt.
Tabelle 2.4: TRIZ-Werkzeuge in Anlehnung an GRAWATSCH, 2005, S. 138; Innovation Tool Academy, 2011, S. 481; KOLTZE & SOUCHKOV, 2011, S. 31; LITVIN, 2011, S. 4; MÖHRLE, 2005, S. 185; SOUCHKOV, 2008, S. 1–6
Werkzeuge der klassischen TRIZ Neuartige TRIZ-Werkzeuge
Idealität Technische/physikalische Widersprüche Widerspruchsmatrix 40 Innovationsprinzipien 4 Separationsprinzipien Stoff-Feld-Modell 76 Standardlösungen Trends der Technikevolution Evolutionsgesetze, -trends, -linien Zwergemodell Operator MZK System Operator ARIZ
Ressourcen-Checkliste Innovations-Checkliste Funktionsmodell Trimmen Feature-Transfer Funktionsorientierte Suche S-Kurven-Analyse „Main Parameters of Value Discovery“ Innovation Roadmaps „TRIZ Forecasting“ Directed Evolution™ TRIZ-basiertes Technologie-Roadmapping TRIZ-basierte Technologiefrüherkennung
Idealität
Das Prinzip der Idealität ist ein wesentlicher Bestandteil der TRIZ-gestützten Denk-
weise. Manifestiert ist dieses Bestreben in der zentralen Gesetzmäßigkeit der techni-
schen Evolution: Sämtliche technischen Systeme entwickeln sich in Richtung eines
ansteigenden Grads an Idealität (SALAMATOV, 2005, S. 141). Idealität ist dabei ein
Maß für den Erreichungsgrad des idealen technischen Systems und lässt sich ma-
thematisch als der Quotient zwischen Nutzen und Aufwand ausdrücken. TRIZ defi-
niert das ideale technische System über eine Extremwertbetrachtung dieses Quoti-
enten. Dem maximalen Nutzen steht dabei ein Null-Aufwand gegenüber. Hier wird
bewusst der Bogen zu einem idealen aber unrealistischen technischen System ge-
spannt, um gezielt zur Entdeckung und Berücksichtigung bisher ungeahnter, neuarti-
ger Evolutionsstufen anzuregen (ILEVBARE ET AL., 2013, S. 32; KOLTZE & SOUCHKOV,
2011, S. 33). Zum einen kann der Optimierung eines technischen Systems dadurch
ein konkreter Orientierungsrahmen vorgegeben werden, zum anderen wird die Su-
che nach den notwendigen Ressourcen wie bspw. Technologien zur Umsetzung der
jeweiligen Evolutionsstufen deutlich erleichtert (ILEVBARE ET AL., 2013, S. 32; STRAT-
TON, MANN & OTTERSON, 2000, S. 3). Für die Formulierung eines idealen technischen
Systems sind prinzipiell auch keine Kunden- oder Marktanalysen notwendig, da sich
das Prinzip der Idealität an allgemeingütigen sowie zeitunabhängigen Fragen nach
Kosten, Nutzen oder Schäden orientiert (KOLTZE & SOUCHKOV, 2011, S. 38–39).
2 Stand der Forschung 51
System Operator
Der System Operator, auch „Multi-Screen“-Ansatz genannt, ist ein Werkzeug, mit
dem die Evolution eines technischen Systems detailliert und systematisch aufge-
schlüsselt werden kann. Man betrachtet die zeitliche Entwicklung des Systems mit all
seinen Bestandteilen sowie der Umgebung, in der das System zur Anwendung
kommt (ILEVBARE ET AL., 2013, S. 32). Wie in Bild 2.15 zu sehen ist, lässt sich der
System Operator typischerweise als eine Matrix aus neun oder mehr Feldern darstel-
len, die für eine ganzheitliche Beschreibung des technischen Systems entsprechend
befüllt werden muss. Die vertikale Achse veranschaulicht darin die Systemstruktur,
während die horizontale Achse die zeitliche Entwicklung von der Vergangenheit bis
in die Zukunft darstellt. Die Systemstruktur ergibt sich wiederum aus dem System
selbst, dessen Subsystem sowie dem umgebenden Supersystem (KOLTZE & SOUCH-
KOV, 2011, S. 191; LOVEL, SEASTRUNK & CLAPP, 2006, S. 8).
Bild 2.15: Aufbau des System Operators in Anlehnung an ADUNKA, 2014, S. 18, S. 24; KOLTZE &
SOUCHKOV, 2011, S. 192
Die Befüllung der Matrix beginnt im mittleren Feld, in dem das gegenwärtige System
möglichst eindeutig und vollständig zu beschreiben ist. Im nächsten Schritt wird das
System in seine einzelnen Komponenten (Bauteile, Baugruppen) mit deren Ausprä-
gungen (Material, Funktion, Form etc.) zerlegt, die zusammengefasst das Subsystem
repräsentieren. Anschließend ist die Umgebung des Systems zu betrachten. Hier
rücken vor allem die unterschiedlichen Anwendungsbereiche des Systems in den
Vordergrund. Ferner ist dabei zu untersuchen, mit welchen weiteren Systemen das
Vergangenheit Gegenwart Zukunft
System
Supersystem
Subsystem
Schritt 1
Schritt 2
Schritt 3Schritt 4
Schritt 4
Schritt 4 Schritt 5
Schritt 5
Schritt 5
52 2 Stand der Forschung
betrachtete System in Kontakt steht und wie es durch die Umwelt beeinflusst wird. Im
Folgenden muss die Historie bzw. Technikgeschichte von Subsystem, System und
Supersystem erarbeitet und in die vorgesehenen Felder eingetragen werden (ADUN-
KA, 2014, S. 18). Durch den zeitlichen Rückblick sollen mögliche Trends und Entwick-
lungslinien auf den unterschiedlichen Ebenen des technischen Systems verdeutlicht
werden. Diese sollen schließlich dazu anregen, im letzten Schritt auf potentielle Ent-
wicklungsmöglichkeiten in der Zukunft zu schließen (KOLTZE & SOUCHKOV, 2011,
S. 192–193). Die mehrschichtige Denkweise im System Operator erweitert somit ge-
zielt den Lösungshorizont und schafft neue Suchfelder für die Identifikation wichtiger
Ressourcen wie z.B. Technologien (KOLTZE & SOUCHKOV, 2011, S. 191; LOVEL ET AL.,
2006, S. 8).
Trends der Technikevolution
Die Trends der Technikevolution, im englischsprachigen Raum auch „Trends of En-
gineering System Evolution“ (TESE) genannt, stehen für die natürlichen Übergänge
zwischen den einzelnen Evolutionsstufen eines technischen Systems. Sie gelten als
allgemeingültige Entwicklungsgesetze, die sich nach langjährigen und umfangrei-
chen Untersuchungen an einer Vielzahl von unterschiedlichen Systemen herauskris-
tallisiert haben, und liefern wichtige Hinweise zu neuen Lösungsansätzen oder tech-
nologischen Weiterentwicklungen (ADUNKA, 2014, S. 317; SHENG, NAMASIVAYAM &
THONG, 2012, S. 184). ALTSCHULLER beschreibt diese Gesetze nach der klassischen
TRIZ-Lehre wie folgt (ADUNKA, 2014, S. 318; KUCHARAVY, 2007, S. 35):
Gesetz der Vollständigkeit der System-Komponenten: Vorliegen der
Hauptteile und minimalen Funktionsfähigkeit eines Systems;
Gesetz der energetischen Leitfähigkeit eines Systems: Energiefluss durch
alle System-Komponenten;
Gesetz der Harmonisierung der System-Komponenten: Abstimmung der
Rhythmik (Frequenz, Periodizität etc.) zwischen allen System-Komponenten;
Gesetz der zunehmenden Idealität: Entwicklung in Richtung der Erhöhung
des Idealitätsgrades;
Gesetz der ungleichmäßigen Evolution von System-Komponenten: un-
gleichmäßige Entwicklung der einzelnen System-Komponenten;
Gesetz des Übergangs zum Supersystem: Aufnahme des Systems als ein
Teil des Supersystems;
Gesetz des Übergangs von Makro- zu Mikroebene: Entwicklung der Ar-
beitsorgane eines Systems auf Makro- und dann auf Mikroebene;
Gesetz des zunehmenden Anteils von Stoff-Feld-Beziehungen: Erhöhung
des Anteils und der Rolle von Stoff-Feld-Wechselwirkungen.
2 Stand der Forschung 53
In der neueren TRIZ-Literatur stößt man auf modifizierte bzw. erweiterte Darstel-
lungsweisen der TESE, die unabhängig von Zeit, Erfinder oder Branche ihre Geltung
genießen (ADUNKA, 2014, S. 329; GEN3 Partners, 2007, S. 33; SHENG ET AL., 2012,
S. 184). Eine dieser Darstellungsweisen, in der vor allem die hierarchische Struktur
und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Trends betont werden, ist bei-
spielhaft in Bild 2.16 veranschaulicht.
Bild 2.16: Erweitertes TESE-Modell nach ADUNKA, 2014, S. 329
In diesem Modell orientiert man sich an der übergeordneten Entwicklung sämtlicher
technischer Systeme entlang einer charakteristischen S-Kurve, die vor allem durch
den Trend der zunehmenden Idealität aller Technologien geprägt ist. Letztere lässt
sich dabei über das Verhältnis von Funktionalität zu Kosten darstellen, welches sich
während der Lebensdauer eines technischen Systems gemäß dessen Leistungsfä-
higkeit verändert. Die übrigen Trends dieses Modells sind wiederum der Idealität un-
tergeordnet und bestimmen maßgeblich deren Veränderung im Laufe der Zeit
(ADUNKA, 2014, S. 329, S. 336–337). Solche Trends lassen sich als Subtrends be-
zeichnen und beschreiben mögliche Entwicklungsrichtungen eines technischen Sys-
tems. Ihre entsprechende Ausprägung wird jedoch abermals von zahlreichen weite-
ren, untergeordneten Trends entscheidend beeinflusst (Innovation Tool Academy,
2011, S. 153). Eine vollständige Übersicht über sämtliche Trends, Subtrends, Sub-
Subtrends sowie deren spezifische Verläufe innerhalb des erweiterten TESE-Modells
ist dem Anhang dieser Arbeit zu entnehmen (vgl. Anhang A).
Evolution entlang
der S-Kurven
Zunehmende
Idealität
Übergang zum
SupersystemVollständigkeit der
Systemkomponenten
Zunehmender
Trimm-Grad
Zunehmende
Fluss-Optimierung
Zunehmende
Koordination,
Kontrollierbarkeit &
Dynamisierung
Ungleichmäßige
Entwicklung von
Systemkomponenten
Abnehmende
menschliche
Interaktion
54 2 Stand der Forschung
S-Kurven-Analyse & “Main Parameters of Value Discovery”
Wie aus den TESE bereits hervorgeht, ist die S-Kurven-Analyse ein elementares
Hilfsmittel, um die Entwicklung eines Systems mit all seinen Komponenten und
Technologien zu beschreiben (Innovation Tool Academy, 2011, S. 8). Der idealtypi-
sche Verlauf einer solchen Kurve ist in Bild 2.17 dargestellt und lässt sich in die Evo-
lutionsstufen der Einführung, des Übergangs, des Wachstums, der Reife sowie der
Degeneration unterteilen. Letztere leitet dabei immer den Sprung auf eine neue S-
Kurve ein und kennzeichnet somit den baldigen Übergang zu einem neuen techni-
schen System oder einer neuen Technologie (ADUNKA, 2014, S. 333).
Bild 2.17: S-Kurve eines technischen Systems mit ihren spezifischen Phasen in Anlehnung an ADUN-
KA, 2014, S. 332–333
Die einzelnen Evolutionsstufen sind selbst wiederum durch äußerst charakteristische
Merkmale geprägt, die im Folgenden näher vorgestellt werden (Innovation Tool
Academy, 2011, S. 19, S. 42, S. 53, S. 76, S. 116):
Einführungsphase: Entstehung des technischen Systems; Bereitstellung der
Systemfunktion; Verfeinerung des Systemdesigns sowie der Systemkompo-
nenten; Abstimmung der Wirkweisen zwischen den Systemkomponenten und
dem Supersystem; langsamer Anstieg der Leistungsfähigkeit;
Übergangsphase: Versuch der Markteinführung am Ende der Einführungs-
phase; Konfrontation des technischen Systems mit gesellschaftlichen und
marktseitigen Reaktionen sowie konkurrierenden Systemen; Durchsetzung
des technischen Systems; erfolgreiche Markteinführung;
Technisches System/
Technologie
Neues, technisches System/
Technologie
Entwicklungsgrenze
Zeit
Indikator/
MPV
Einführung
Wachstum
Reife
Degeneration
Übergang
2 Stand der Forschung 55
Wachstumsphase: Anstieg der Leistungsfähigkeit und des Produktionsvolu-
mens; Erschließung neuer Anwendungsgebiete;
Reifephase: Erreichung der Leistungsgrenze; Stabilisierung des Produktions-
volumens;
Degenerationsphase: Wertverlust; Rückgang des Produktionsvolumens.
Im Rahmen der TRIZ unterscheidet man im Allgemeinen zwei Varianten der S-
Kurven-Analyse (Innovation Tool Academy, 2011, S. 9–10). Bei der gewöhnlichen S-
Kurven-Analyse liegt das Analyselevel auf der Ebene des technischen Systems. Die-
ses wird anhand unterschiedlicher Indikatoren, die sich bspw. auf Anwendungsgebie-
te, Marktverhalten oder die Interaktion mit dem Supersystem beziehen, in seine spe-
zifische Evolutionsstufe eingeordnet. Dabei wird angenommen, dass sich der Groß-
teil der wesentlichen Komponenten eines Systems in der gleichen Stufe befindet wie
das System selbst. Ferner existieren für jede Stufe entsprechende Handlungsemp-
fehlungen, die dabei helfen sollen, das technische System in seiner Entwicklung vo-
ranzubringen. Tabelle 2.5 zeigt vor diesem Hintergrund eine Auswahl bewährter Indi-
katoren und Handlungsempfehlungen für die einzelnen Evolutionsstufen (Innovation
Tool Academy, 2011, S. 9). Die fortgeschrittene Variante der S-Kurven-Analyse
stützt sich hingegen auf die „Main Parameters of Value Discovery“ (Innovation Tool
Academy, 2011, S. 10). „Main Parameters of Value“ (MPVs) sind Schlüsselattribute
eines technischen Systems und stehen für richtungsweisende Größen innerhalb des
Kaufentscheidungsprozesses (JUNG, 2010, S. 8; LITVIN, 2011, S. 7). Grundsätzlich
unterscheidet man dabei zwischen strategischen und funktionalen MPVs. Während
strategische Parameter eher allgemein formuliert sind und sich direkt auf das Kauf-
verhalten der Kunden auswirken, sind funktionale Parameter sehr spezifisch auf die
charakteristischen Eigenschaften und Merkmale eines Systems ausgerichtet. Sie
können bspw. geometrische, physikalische, chemische oder biologische Attribute
beschreiben und bilden somit die technischen Voraussetzungen für die strategischen
MPVs. Um MPVs systematisch bestimmen zu können, ist oftmals eine strukturierte
und hierarchische Aufschlüsselung des Systems in seine Haupt- und Teilfunktionen
sowie deren technische Voraussetzungen hilfreich (IKOVENKO, 2008, S. 9–11). Ge-
mäß den TESE entwickeln sich letztendlich auch MPVs entlang einer charakteristi-
schen S-Kurve (vgl. Bild 2.17), über deren Analyse sich in der Folge schwach aus-
geprägte Parameter eines technischen Systems identifizieren lassen. Das Auffinden
solch unterentwickelter Parameter erlaubt wiederum konkrete Rückschlüsse auf be-
nötigte Ressourcen wie z.B. neue Technologien, die entscheidende Meilensteine für
die Weiterentwicklung des technischen Systems darstellen können (Innovation Tool
Academy, 2011, S. 10; MALININ, 2014, S. 23).
56 2 Stand der Forschung
Tabelle 2.5: Auswahl an Indikatoren zur S-Kurven-Analyse in Anlehnung an Innovation Tool Academy, 2011, S. 146–147
Evolutionsstufen Indikatoren Handlungsempfehlungen
Einführungsphase neues, nur bedingt marktreifes System
ansteigende Funktionalität lässt Kosten stark sinken
Adaption von Technologien anderer Systeme
Kosten überwiegen im Vergleich zum Umsatz
langsam anwachsende MPVs
Feststellen von Engpässen, die den Markteintritt erschweren
Nutzung vorhandener Ressour-cen und Infrastrukturen
Integration von führenden Sys-temen auf dem Markt
elementare Änderungen am System sind erlaubt
Prognose des Supersystems
Übergangsphase rasch anwachsende MPVs
Marktreife fast erreicht
nur bedingt erfolgreiche Markt-einführung des Systems
rasche Markteinführung
Fokus auf die Spitzenmerkmale
weniger elementare Änderungen am System sind noch erlaubt
Wachstumsphase Übergang zur Massenproduktion
erste Erweiterungen der An-wendungsgebiete
steigender Differenzierungsgrad
vereinzelte Interaktion mit Su-persystem
Verbrauch von systemspezifi-schen Ressourcen
ganzheitliche Optimierung
Erschließung neuer Anwen-dungsgebiete
Beseitigen von Schwachstellen
Adaption neuer Komponenten für höhere Funktionalität
Identifikation von systemspezifi-schen Ressourcen
Reifephase Erreichung von Entwicklungs-grenzen
verstärkte Interaktion mit Super-system
Verbrauch von höchst-spezifischen Ressourcen
Design und Funktion als Diffe-renzierungsmerkmale
Erschließung neuer Anwen-dungsgebiete oder Marktnischen
langsam anwachsende MPVs
Reduktion von Kosten, Verbes-serung von Design und Service
Vorbereitung auf den Übergang zum Supersystem
Änderung des Funktionsprinzips von System oder Komponenten
Fokus auf unterentwickelte MPVs
Degenerationsphase System nur noch in spezifischen Bereichen zweckmäßig
System als Komponente des Supersystems
Reduktion von Kosten, Verbes-serung von Design und Service
Änderung des Funktionsprinzips von System oder Komponenten
Übergang zum Supersystem
Suche nach weiteren Märkten
„TRIZ-Forecasting“
In der TRIZ-Forschung hat sich mit dem „TRIZ-Forecasting“ ein weiterer Ansatz zur
Technologiefrüherkennung hervorgetan, mit dem man zusätzlich zu potentiellen Wei-
terentwicklungen von Technologien auch neue konstruktive Produktlösungen identifi-
zieren kann (Innovation Tool Academy, 2011, S. 481–486). Dafür kombiniert man
2 Stand der Forschung 57
klassische Prognosewerkzeuge wie die TESE sowie die MPV-gestützte S-Kurven-
Analyse mit problemlösenden TRIZ-Werkzeugen wie der Funktionsanalyse, der Ur-
sache-Wirkungsanalyse, dem Trimmen, dem Feature-Transfer oder der funktionsori-
entierten Suche zu einem umfassenden Vorgehensmodell. Neu ist darin auch ein
Benchmarking-Tool, das S-Kurven-Analysen entlang existierender oder prognosti-
zierter MPVs verwendet, um technische Systeme bzw. Technologien mit konkurrie-
renden oder ähnlichen Systemen bzw. Technologien zu vergleichen und somit mög-
liche Schwachstellen, Leistungsgrenzen oder Entwicklungslücken aufzudecken (In-
novation Tool Academy, 2011, S. 3, S. 489–496). Gegenüber einer klassischen Pro-
duktverbesserung sind innerhalb dieses Ansatzes deutliche Unterschiede hinsichtlich
Betrachtungshorizont und technischer Zielsetzung zu erkennen. Der Fokus liegt hier
weniger auf einer zeitnahen Optimierung eines Produkts mit seinen spezifischen,
technischen Eigenschaften und Parametern, sondern vielmehr auf einer zukunftsori-
entierten und weitgefassten Suche nach neuen Technologien und potentiellen Märk-
ten für eine ganze Produktkategorie. Der gestalterische Spielraum ist dementspre-
chend groß und Veränderungen können für sämtliche Produktaspekte herbeigeführt
werden (Innovation Tool Academy, 2011, S. 488).
Directed Evolution™
Im Zentrum der bisher beschriebenen TRIZ-Werkzeuge zur Früherkennung von
Technologien steht vor allem die Frage, mit welchen technologischen Veränderun-
gen das betrachtete System auf seine nächste Evolutionsstufe gebracht werden
kann (KUCHARAVY, 2007, S. 49). ZLOTIN & ZUSMAN erweitern mit ihrem Konzept der
gerichteten Evolution bzw. Directed Evolution™ (DE) diese Fragestellung und führen
ein Verfahren zur Erarbeitung von potentiellen Evolutionsszenarien für Technologien,
Produkte, Unternehmen, Industrien, Märkte oder die Gesellschaft ein. Die vielver-
sprechendsten Szenarien werden in der Folge, gestützt auf einen strategischen Ent-
scheidungsprozess, systematisch in die Organisation eingebunden. Der naturgemä-
ße Prognosecharakter einer Technologiefrüherkennung wird somit durch die konkre-
te Umsetzung einer gerichteten Evolution verdrängt (ZLOTIN & ZUSMAN, 2001, S. 20).
Folgende Axiome liegen dem theoretischen Grundgerüst der DE dabei zugrunde
(ZUSMAN, ZLOTIN & ZAINIEV, 2012, S. 2–6):
Existenz von Evolutionsmustern;
Markt- bzw. kundengesteuerte Evolution von Systemen;
Evolution auf Kosten von Ressourcen;
Abhängigkeit der Langzeitentwicklung vom Gesamtsystem;
Existenz von alternativen Evolutionsrichtungen.
58 2 Stand der Forschung
In ihrem Aufbau orientiert sich die DE sehr stark an bestimmten Evolutionsmustern,
die um weitere Hilfsmittel, Techniken, Werkzeuge und Software-Tools ergänzt und zu
einem systematischen Vorgehen verknüpft werden (ZLOTIN & ZUSMAN, 2001, S. 20–
21).
Bild 2.18: Ablauf der Directed Evolution™ nach ZLOTIN & ZUSMAN, 2001, S. 21
Bild 2.18 zeigt das Vorgehen der DE, das sich in fünf typische Phasen mit spezifi-
schen Aufgabenbereichen unterteilen lässt. Die einzelnen Phasen werden nachfol-
gend näher erläutert (ZLOTIN & ZUSMAN, 2001, S. 22–31):
Sammlung historischer Daten: Historische Betrachtung des Systems in
Verbindung mit Super- und Subsystem zur Verdeutlichung der Systemstruktur;
Ableitung genereller Evolutionstrends im System und Systemumfeld; Unter-
stützung durch Patentanalysen, Expertengespräche oder auch spezielle DE-
Werkzeuge wie z.B. DE-Fragebogen oder DE-Fehleranalyse;
DE-Diagnose: Identifikation potentieller Evolutionsrichtungen des Systems
unter Berücksichtigung künftiger Hindernisse oder Probleme; Abgleich mit
Evolutionsmustern technischer Systeme; Überführung in konkrete, künftige
Evolutionslinien des Systems; Unterstützung durch S-Kurven-Analysen;
Ideensynthese: Generierung und Sammlung spezifischer Ideen zur Weiter-
entwicklung des Systems entlang seiner Evolutionslinien; Unterstützung durch
Kreativitätstechniken;
Entscheidungsfindung: Überführung der erarbeiteten Ideen in konsistente
Evolutionsszenarien; Einbindung von Entwicklern sowie Fachleuten des Ver-
HeuteVergangenheit Zukunft
1 4
5
32
Sammlung historischer Daten Entscheidungsfindung
IdeensyntheseDirected Evolution Diagnose
Unterstützung der
gerichteten Evolution
2 Stand der Forschung 59
triebs, Marketings oder Finanzwesens; Ausarbeitung von konkreten Zielset-
zungen, Strategien, Ressourcen- und Umsetzungsplänen für die einzelnen
Szenarien;
Unterstützung der gerichteten Evolution: systematische Planung und Aus-
gestaltung der Evolutionsszenarien; kontinuierliche Überwachung, Kontrolle
und Anpassung der Szenario-Umsetzung.
Zusammenfassend erweist sich die DE als sehr systematisches, aber auch komple-
xes und äußerst aufwändiges Konzept, das nicht nur auf die Früherkennung von
Technologien abzielt, die für die Weiterentwicklung eines zu untersuchenden Sys-
tems relevant sind, sondern auch eine ganzheitliche Planung und Umsetzung einer
zukunftsweisenden, gerichteten Evolution des entsprechenden Systems gewährleis-
tet. Gerade bei komplexeren Aufgabenstellungen empfehlen ZLOTIN & ZUSMAN daher
den Einsatz von Software-Tools zur Unterstützung der DE (ZLOTIN & ZUSMAN, 2001,
S. 20–22).
TRIZ-basiertes Technologie-Roadmapping
Auch außerhalb der reinen TRIZ-Forschung wurden TRIZ-Bestandteile adaptiert und
in Ansätze zur Technologiefrüherkennung integriert. MÖHRLE bedient sich dabei an
den Entwicklungsgesetzen technischer Systeme und verknüpft diese mit der Metho-
de des Technologie-Roadmappings. Ziel ist es, neben einer zeitlichen und inhaltli-
chen Prognose von Technologien auch dem kreativen Denken bei der Produktfin-
dung eine erfolgversprechende Richtung vorzugeben (MÖHRLE, 2005, S. 185). Dafür
wird ein Vorgehensmodell vorgeschlagen, das auf fünf wesentlichen Schritten auf-
baut. Zunächst muss das Untersuchungsfeld festgelegt und im Anschluss eine funk-
tionale Abstraktion des technischen Systems vorgenommen werden. Im dritten
Schritt erfolgt ausgehend von den TRIZ-Entwicklungsgesetzen eine Prognose sowie
Bewertung der potentiellen Technologien. Die prognostizierten und bewerteten
Technologien werden daraufhin in entsprechende Technologie-Roadmaps überführt,
um ein Entwicklungsmodell für die Zukunft zu schaffen. Der letzte Schritt dient
schlussendlich dazu, aus diesem Entwicklungsmodell konkrete Produkt-, Prozess-
oder Dienstleistungsideen abzuleiten (MÖHRLE, 2005, S. 193–194). MÖHRLE weist
abschließend darauf hin, dass dieses systematische Vorgehen vor allem für eine
funktionsübergreifende bzw. interdisziplinarische Zusammenarbeit ausgelegt ist. So
kann dem zugrundeliegenden Vorhaben eine deutlich höhere Nachvollziehbarkeit
verliehen und entscheidend zur Konsensbildung und homogenen Ausrichtung einer
Organisation beigetragen werden (MÖHRLE, 2005, S. 202).
60 2 Stand der Forschung
TRIZ-basierte Technologiefrüherkennung
GRAWATSCH hat mit seinem Ansatz zur TRIZ-basierten Technologiefrüherkennung
eine Methodik vorgestellt, „mit der das Potential von Produkttechnologien, die diesel-
be primäre Funktion erfüllen, aus der Sicht eines Technologieeigners abgeschätzt
werden kann“ (GRAWATSCH, 2005, S. 43). Er verbindet darin die wesentlichen TRIZ-
Werkzeuge und TRIZ-Philosophien mit bewährten Elementen der Technologiefrüher-
kennung (GRAWATSCH, 2005, S. 43). Für eine solche Potentialabschätzung entlang
des Technologiefrüherkennungsprozesses (vgl. Kapitel 2.2.2.1) ist es wichtig, inner-
halb eines festgelegten Suchfelds zukunftsträchtige Technologien zu identifizieren
sowie deren mögliche Entwicklungsrichtungen und -grenzen zu antizipieren (GRA-
WATSCH, 2005, S. 44). Zur Strukturierung des Suchfelds und der damit verbundenen
Informationsbeschaffung über potentielle Technologien stützt sich GRAWATSCH auf
das Konzept des System Operators. Die Antizipation von Entwicklungsmöglichkeiten
sowie -grenzen der identifizierten Technologien beruht in der Folge auf S-Kurven-
Analysen und den Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien technischer Evolution (GRA-
WATSCH, 2005, S. 65, S. 75, S. 95). Insgesamt ist die TRIZ-basierte Technologiefrüh-
erkennung bewusst auf die aktuell sehr dynamischen sowie komplexen Rahmenbe-
dingungen für Unternehmen ausgelegt und darf deshalb „keinesfalls als starres
Werkzeug verstanden werden, sondern muss flexibel an die individuelle Situation
und an zukünftige Veränderungen des technologischen und unternehmerischen Um-
feldes angepasst werden“ (GRAWATSCH, 2005, S. 138).
Besonders aufgrund der Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten der Evolution technischer
Systeme, die eine zentrale Rolle bei den vorgestellten TRIZ-Werkzeugen spielen,
erweist sich TRIZ als vielversprechende Methode zur Unterstützung einer systemati-
schen Technologiefrüherkennung (GRAWATSCH, 2005, S. 36). Zusätzlich wird durch
die TRIZ-Denkweise eine enge Verknüpfung zum untersuchten Objekt und dessen
technologischem Grundgerüst gewährleistet (LOVEL ET AL., 2006, S. 1). TRIZ-
Werkzeuge zur Technologiefrüherkennung liefern dabei hauptsächlich qualitative
Ergebnisse, die jedoch nur begrenzt quantitativ untermauert werden. Zudem erweist
sich die Reproduzierbarkeit dieser sehr spezifischen Werkzeuge oftmals als Problem.
Vor diesem Hintergrund konzentriert sich der aktuelle Forschungsbetrieb verstärkt
auf die Optimierung einer TRIZ-gestützten Technologiefrüherkennung, um die ge-
nannten Defizite zu beseitigen (KUCHARAVY, 2007, S. 59–61).
2.5.2 Einzel-Methoden zur Technologiebewertung
Methoden zur Technologiebewertung verfolgen aufgrund ihres konzeptuellen Cha-
rakters das Ziel, in komplexen Entscheidungssituationen eine Basis für wohldurch-
2 Stand der Forschung 61
dachtes und zielgerichtetes Handeln zu schaffen und die Entscheidungsqualität auf
diese Weise maßgeblich zu erhöhen. Methoden zur Technologiebewertung müssen
daher klassischen, methodologischen Anforderungen wie Zweckmäßigkeit, Nachvoll-
ziehbarkeit, Zugänglichkeit und Beständigkeit gerecht werden (SCHNEIDER, 2002,
S. 73–74). Ferner besagt das methodische Fundamentalprinzip, dass „Technologie-
bewertungs-Methoden zukunftsgerichtete Methoden sein sollen, die Entscheidungs-
felder konstruieren sollen, anstatt nur zu helfen, vergangene Situationen zu konser-
vieren“ (PFEIFFER & WEIß, 1995, S. 671). Ebenso muss das Variationsprinzip berück-
sichtigt werden, das für „die maximale Vermehrung eines bewährten Informations-
standes die Beobachtung bzw. die Bearbeitung der Natur an möglichst vielen Stellen
und jeweils unter extrem variierten Bedingungen erfordert“ (PFEIFFER & WEIß, 1995,
S. 671). Zur Vermeidung einer verzerrten Bewertung von Technologien verlangt die-
ses Prinzip neben der Verarbeitung von präzisen und begründeten Informationen
auch die Implikation von technologischen Informationen im Frühstadium, die mit Un-
sicherheiten behaftet sind (SCHNEIDER, 2002, S. 74). Ein weiterer, wichtiger Anforde-
rungspunkt an Bewertungsmethoden ist das sog. Entlastungsprinzip. Dabei ist der
Betrachtungshorizont, in dessen Rahmen die Technologiebewertung durchzuführen
ist, möglichst weit zu fassen, so dass zukünftige Entwicklungen frühestmöglich er-
kannt werden können und bei der nachfolgenden Umsetzung der technologischen
Maßnahmen kein Zeitdruck entsteht (PFEIFFER & WEIß, 1995, S. 671–672).
Wie bereits bei den Methoden zur Technologiefrüherkennung lassen sich auch hier
qualitative und quantitative Methoden unterscheiden. Quantitative Methoden stützen
sich vor allem auf aussagekräftiges und stichhaltiges Datenmaterial zur Beschrei-
bung der Leistungs- und Anwendungspotentiale von Technologien (GERPOTT, 1999,
S. 110–112). Dies erfordert jedoch viel Erfahrung und spezifisches Know-how von
den zuständigen Analysten. Zudem ist die Aussagekraft quantitativer Methoden
sichtlich begrenzt, „da regelhafte und gesetzesartige Zustände unterstellt werden, die
zwar eine gewisse Plausibilität aufweisen, aber erfahrungswissenschaftlich nicht
überprüfbar sind bzw. sich nicht bewährt haben“ (SCHNEIDER, 2002, S. 87–88). Quali-
tative Methoden nutzen dagegen den Bestand an quantitativen Informationen und
erweitern diesen um Einschätzungen und Beurteilungen von Fachpersonal. Sie sind
somit deutlich flexibler als quantitative Methoden, an unterschiedliche Bewertungssi-
tuationen anpassbar, aber auch subjektiven Einflüssen ausgesetzt, die die Methoden
in der Folge sehr komplex und schwer nachvollziehbar machen können (GERPOTT,
1999, S. 112; SCHNEIDER, 2002, S. 88). Letzten Endes ist eine Einteilung der Metho-
den in die quantitative oder qualitative Methodenklasse oftmals nicht eindeutig. Viel-
mehr verschwimmen die Grenzen beider Kategorien, da viele Methoden sowohl
quantitative als auch qualitative Analyseelemente für die Technologiebewertung ver-
62 2 Stand der Forschung
wenden (SCHNEIDER, 2002, S. 89). Tabelle 2.6 zeigt abschließend eine Gegenüber-
stellung verschiedener Methoden-Sammlungen zur Technologiebewertung aus der
Literatur.
Tabelle 2.6: Methoden-Übersicht zur Technologiebewertung in Anlehnung an PFEIFFER & WEIß, 1995, S. 669; SCHNEIDER, 2002, S. 87; VDI 3780, 2000, S. 31
VDI 3780 (2000) PFEIFFER & WEIß (1995) SCHNEIDER (2002)
Trendextrapolation Historische Analogiebildung Brainstorming Delphi-Studien Morphologische Analysen Relevanzbaumanalyse Risikoanalyse Verflechtungsmatrix Modellsimulation Szenario-Analyse Kosten-Nutzen-Analyse Nutzwert-Analyse
Technologie-Portfolio S-Kurven-Analyse Technologische Analyse Suchfeld-Analyse Funktionalmarkt-Konzept Kreativitätstechniken Technologieprogramm Morphologischer Kasten Patent-Portfolio F&E-Budget Ökologische Schrauben Technologie-Listen Technologie-Indikatoren
Brainstorming Lebenszyklus-Modelle Relevanzbaumanalyse Cross-Impact-Analyse Patentanalyse Szenario-Analyse Delphi-Studien Portfolio-Analyse Trendextrapolation
In der Richtlinie zur Technikbewertung hat der VDI eine Reihe von bewährten Me-
thoden vorgestellt, die allesamt ihren Ursprung als heuristische Methoden des Prob-
lemlösens haben und in unterschiedlichen Aufgabenfeldern zum Einsatz kommen
(VDI 3780, 2000, S. 31). Aufgrund des „fließenden Übergang(s, Anm. des Verf.) von
Technologie- und Technikentstehung“ können diese Methoden auch im Rahmen der
Technologiebewertung eingesetzt werden (KRÖLL, 2007, S. 39). PFEIFFER & WEIß er-
weitern dieses Portfolio klassischer Methoden des Problemlösens um sehr spezifi-
sche Bewertungsmethoden wie Budgetierungs-Konzepte oder Technologie-Listen,
die an den Kontext der Technologieplanung angelehnt sind (PFEIFFER & WEIß, 1995,
S. 669). Eine aktuellere Auswahl, die „anhand aktueller Tendenzen in Wissenschaft
und Praxis vorgenommen“ wurde, liefert dagegen SCHNEIDER (SCHNEIDER, 2002,
S. 87). Es wird deutlich, dass Methoden wie die Szenario-Analyse, Delphi-Studien
oder Patentanalysen, die bereits unter den Methoden zur Technologiefrüherkennung
zu finden waren, auch im Rahmen der Technologiebewertung zum Einsatz kommen.
Eine eindeutige Zuordnung dieser Methoden in die jeweiligen Aufgabenfelder der
Technologiefrüherkennung oder -bewertung scheint folglich nicht möglich. Ebenso
genießen qualitative Methoden insgesamt eine größere Beliebtheit als quantitative
bzw. mathematische Methoden, die trotz ihrer mutmaßlichen Aussagekraft deutlich
unterrepräsentiert sind (SCHNEIDER, 2002, S. 86–87). Bei der folgenden Vorstellung
einzelner Methoden zur Technologiebewertung wird sich grob an den Sammlungen
2 Stand der Forschung 63
von SCHNEIDER sowie des VDI orientiert, die sich größtenteils überdecken und so-
wohl wissenschaftlich als auch praktisch eine hohe Relevanz genießen.
2.5.2.1 Trendextrapolation
Die Trendextrapolation ist eine Methode, die ausgehend von bekannten Entwicklun-
gen aus der Vergangenheit eine Analyse und Prognose zukünftiger Entwicklungen
vornimmt (KRÖLL, 2007, S. 40; SCHNEIDER, 2002, S. 100).
Hintergrund ist die mathematisch-statistische Analyse einer vergangenen Zeitreihe
sowie deren näherungsweise Überführung in eine mathematische Funktion der Zeit.
Es wird angenommen, dass sich die bekannte Zeitreihe als beständig erweist und
immer wiederkehrt. Die Einflussfaktoren auf diese Zeitreihe sind dabei in ihrer Anzahl
begrenzt und werden als statisch betrachtet (GESCHKA, 1995, S. 635–636; KRÖLL,
2007, S. 40).
Der Stand der prognostizierten Entwicklung für künftige Zeitpunkte lässt sich auf die-
se Weise durch eine Extrapolation der Funktion in die Zukunft ermitteln. Man erhält
somit auf relativ einfachem Weg Prognosewerte zu bestimmten Untersuchungs-
merkmalen, die wiederum schnelle Aussagen über Trends zulassen. Innerhalb der
Technologiebewertung können auf diesem Weg bspw. die Entwicklungen technologi-
scher Leistungsindikatoren vorausschauend beschrieben und beurteilt werden
(SCHNEIDER, 2002, S. 100–101).
2.5.2.2 Nutzwert-Analyse
Die Nutzwert-Analyse basiert auf einem entscheidungstheoretischen, multikriteriellen
Modell und vereint sowohl quantitative als auch qualitative Analyseelemente. Sie
dient der Bestimmung von Nutzwerten für unterschiedliche, technologische Hand-
lungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung vorab festgelegter sowie gewichteter Be-
wertungskriterien (KRÖLL, 2007, S. 43; ZWECK, 2005, S. 191).
Zur Gegenüberstellung der zu untersuchenden Handlungsalternativen und Bewer-
tungskriterien bedient man sich einer Matrix. Dabei wird jede Handlungsalternative
auf Basis der einzelnen Bewertungskriterien beurteilt und dafür ein entsprechend
skalierter Zahlenwert in die vorgesehene Zelle eingetragen. Durch Multiplikation der
Gewichtungsfaktoren der Bewertungskriterien mit den entsprechend skalierten Zah-
lenwerten lassen sich sog. Teilnutzwerte für die jeweiligen Handlungsalternativen
bestimmen. Diese werden daraufhin zu einem Gesamtnutzwert aufsummiert, der
schlussendlich einen Vergleich und eine Abwägung zwischen Handlungsalternativen
zulässt (KRÖLL, 2007, S. 43; ZWECK, 2005, S. 191).
64 2 Stand der Forschung
Mit der Nutzwert-Analyse können komplexe Bewertungsvorgänge sichtbar verein-
facht und strukturiert werden. Zudem wird eine rational begründete Priorisierung von
Handlungsalternativen ermöglicht, die Diskussionen im Rahmen der Entscheidungs-
findung deutlich erleichtert (KRÖLL, 2007, S. 43).
2.5.2.3 Relevanzbaumanalyse
Die Relevanzbaumanalyse, die ursprünglich aus dem militärischen Sektor stammt
und deren Anwendung im Laufe der Zeit auch auf ökonomische Problemstellungen
erweitert wurde, ist ein Verfahren zur multikriteriellen Entscheidungsunterstützung.
Die zugrunde liegende Problemstellung wird dabei nach und nach in einzelne Teilbe-
reiche zergliedert, was letztendlich zur Strukturierung und vereinfachten Analyse ei-
ner verflochtenen Problemstruktur führt (SCHNEIDER, 2002, S. 142).
Prinzipiell basiert die Relevanzbaumanalyse auf einer „grafentheoretischen Baum-
struktur und dient dazu, komplexe mehrstufige Bedingungsgefüge oder Folgenbündel
eines angestrebten oder erwarteten Ereignisses transparent zu machen“ (KRÖLL,
2007, S. 41). Für die Aufstellung der Baumstruktur kann zwischen zwei Vorgehens-
weisen unterschieden werden. Beim „Bottom-Up“-Ansatz ist das übergeordnete Ziel
zunächst unklar. Man arbeitet sich ausgehend von bekannten, potentiellen Hand-
lungsalternativen schrittweise voran und strebt danach, durch deren sinnvolle Kom-
bination eine konkrete Zielsetzung abzuleiten. Im Rahmen der Technologiebewer-
tung ermöglicht diese Vorgehensweise eine relativ offene Suche nach Technologie-
bereichen, in denen drastische Veränderungen zu erwarten sind. Beim „Top-Down“-
Ansatz ist die Zielsetzung dagegen von vornherein klar. Man sucht in der Folge nach
Handlungswegen, die die Erreichung der Zielsetzung möglich machen. So lassen
sich unter Berücksichtigung der übergeordneten Unternehmensziele bspw. zukünfti-
ge technologische Entwicklungen identifizieren, die dringend vom Unternehmen be-
herrscht werden müssen (SCHNEIDER, 2002, S. 143–144). Um die Relevanz der je-
weiligen Handlungswege zu quantifizieren, bedient man sich numerischer Verfahren.
Damit können den Knoten und Ästen des Relevanzbaums Zahlenwerte und Wahr-
scheinlichkeiten zugeordnet werden, über deren mathematische Verknüpfung sich
schließlich die Relevanz der Handlungswege bestimmen lässt. Eine solche Quantifi-
zierung der Relevanzen ist aber nur dann sinnvoll, wenn man auf empirisch gültige
Schätzwerte zurückgreifen kann (KRÖLL, 2007, S. 41; ZWECK, 2005, S. 189).
Mit der Relevanzbaumanalyse lassen sich letztendlich auf simple sowie übersichtli-
che Weise komplexe Problemstellungen systematisieren und strukturieren. Die Me-
thode kann außerdem Zusammenhänge zwischen Handlungsalternativen visualisie-
ren und entsprechend quantifizieren (SCHNEIDER, 2002, S. 144).
2 Stand der Forschung 65
2.5.2.4 Portfolio-Analyse
Ein Portfolio beschreibt eine Matrix entlang einer horizontalen und vertikalen Achse,
mit der sowohl aktuelle als auch zukünftige Zustände von strategischen Geschäfts-
feldern untersucht werden können. Auf diese Weise lässt sich die Position eines stra-
tegischen Geschäftsfelds in Bezug auf bestimmte unternehmensinterne Kriterien (di-
rekt beeinflussbar) sowie unternehmensexterne Kriterien (nicht direkt beeinflussbar)
ermitteln. Die Selektion der jeweiligen Bewertungskriterien hängt letztendlich davon
ab, welche grundlegende Aussage mit dem Portfolio getätigt werden soll (PFEIFFER,
METZE, SCHNEIDER & AMLER, 1989, S. 65; SCHNEIDER, 2002, S. 131).
Anfänglich wurden Portfolio-Analysen hauptsächlich für marktorientierte Untersu-
chungen verwendet. Dabei hat man „lediglich die Marktzyklen von Produkten – und
der dahinterstehenden Technologien – , nicht jedoch die vorgelagerten Entstehungs-
und Beobachtungszyklen der inkorpierten Technologien, in denen sich schwache
Signale aus dem technisch-naturwissenschaftlichen Umfeld andeuten“, berücksich-
tigt (WOLFRUM, 1991, S. 198–199). Vor diesem Hintergrund wurden in den 1980er
Jahren Portfolio-Ansätze entwickelt, die ihren Fokus verstärkt auf die Technologiedi-
mension richten (SCHNEIDER, 2002, S. 132–133). Anstelle der strategischen Ge-
schäftsfelder lassen sich in den sog. Technologie-Portfolios unterschiedliche Pro-
zess- und Produkttechnologien strategisch positionieren (HAHN, 2006, S. 226–227).
Unternehmen können dadurch einerseits ihre aktuelle Technologieposition bestim-
men, andererseits aber auch „Konstellationen über zukünftige Technologieentwick-
lungen in der jeweiligen Branche ableiten“ (SCHNEIDER, 2002, S. 133).
Das Technologie-Portfolio nach PFEIFFER ET AL. stellt in diesem Zusammenhang ein
sehr weit verbreitetes Konzept dar. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 2.19 ein solches
Portfolio in seiner typischen Form. Darin wird eine 9-Felder-Matrix anhand zweier,
unabhängiger Dimensionen aufgestellt, die eine differenzierte Einstufung der be-
trachteten Technologien ermöglichen. Die erste Dimension nennt sich Technologieat-
traktivität und dient der potential- und bedarfsseitigen Beurteilung von Technologien.
Sie steht folglich für die Betrachtung der Umweltsituation und ist vom Unternehmen
kaum zu beeinflussen. Die zweite Dimension ist die Ressourcenstärke, die sich aus
der Fähigkeit des Unternehmens zur (Weiter-)Entwicklung von Technologien ergibt
(PFEIFFER ET AL., 1989, S. 79–80). Für die Erstellung und Analyse eines solchen
Technologie-Portfolios werden folgende Schritte durchlaufen (HAHN, 2006, S. 227–
228; WOLFRUM, 1991, S. 200–201):
Umfeldanalyse: Im ersten Schritt werden die Rahmenbedingungen für die
Technologiebewertung und anschließende Strategieformulierung festgelegt.
66 2 Stand der Forschung
Identifikation der Technologien: Dieser Schritt beinhaltet die Erfassung der
relevanten Produkt- und Prozesstechnologien sowie deren strategischer Be-
deutung für das Unternehmen.
Bewertung der Technologien: Die identifizierten Technologien sind nun hin-
sichtlich der beiden Bewertungsdimensionen, also der Technologieattraktivität
und Ressourcenstärke, zu bewerten. Als mögliche Bewertungskriterien der
Technologieattraktivität sind bspw. die Anwendungsbreite, das Weiterentwick-
lungspotential, die Akzeptanz oder die Kompatibilität einer Technologie zu
nennen. Beispiele für Bewertungskriterien der Ressourcenstärke sind dage-
gen der Beherrschungsgrad, die Reaktionsgeschwindigkeit oder ressourcen-
bezogene Potentiale eines Unternehmens im Hinblick auf die Umsetzung der
zu bewertenden Technologie. Dies beschreibt letztendlich die technologische
Ist-Situation des Unternehmens.
Transformation der Ist-Situation in die Zukunft: Abschließend werden die
bewerteten Technologien mit potentiellen, zukünftigen Substitutionstechnolo-
gien oder sich ergänzenden Technologien verglichen, um einer vorausschau-
enden und dynamischen Betrachtungsweise gerecht zu werden.
Bild 2.19: Technologie-Portfolio nach PFEIFFER, METZE, SCHNEIDER & AMLER , 1989, S. 93
Insgesamt liefert ein Technologie-Portfolio umfassende Erkenntnisse, die für grund-
legende Entscheidungen über den künftigen Technologieeinsatz herangezogen wer-
den können (HAHN, 2006, S. 228). Dabei lässt sich die aktuelle Position des Unter-
nehmens hinsichtlich der betrachteten Technologien ermitteln und bspw. in Norm-
niedrig hoch
Ressourcenstärke
ho
ch
nie
dri
g
Tech
no
log
ieatt
rakti
vit
ät
Produkttechnologie
Prozesstechnologie
XY1
X1
X3
X2
Y2
Y3
Y
2 Stand der Forschung 67
strategien bzw. Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Technologien in ent-
sprechenden Entwicklungsprojekten überführen (SCHNEIDER, 2002, S. 138).
2.5.2.5 Brainstorming
Brainstorming als Kreativitätstechnik regt zur intuitiven, unstrukturierten Ideenfindung
an. Dies dient der raschen und unvoreingenommenen Sammlung von unterschiedli-
chen Lösungsvorschlägen für eine bestimmte Problemstellung (SCHNEIDER, 2002,
S. 92).
Die Methode wird in einem möglichst kleinen und heterogenen Teilnehmerkreis
durchgeführt. Dabei fordert man die Teilnehmer auf, sich offen und spontan zu einer
konkreten Frage- bzw. Problemstellung zu äußern. Vorgebrachte Ideen können indes
von anderen Teilnehmern aufgegriffen und weitergedacht werden (KRÖLL, 2007,
S. 40; ZWECK, 2005, S. 188). „Dadurch wird versucht, die Qualität und Quantität der
Ideengenerierung zu erhöhen und die Identifikation der Teilnehmer mit der Ideen-
durchsetzung zu stärken“ (SCHNEIDER, 2002, S. 93). Die gesammelten Ideen und Lö-
sungsvorschläge sind entsprechend zu protokollieren und abschließend einer Ord-
nung und Bewertung zu unterziehen (KRÖLL, 2007, S. 40).
Die Trennung der beiden Phasen zur Ideenfindung und Ideenbewertung ermöglicht
dabei eine unvoreingenommene und vorurteilsfreie Atmosphäre, die häufig zu völlig
neuen und unkonventionellen Herangehensweisen und Ansichten führt. Bspw. las-
sen sich dadurch völlig neue Konzeptionen oder Folgen eines geplanten Technolo-
gieeinsatzes skizzieren. Die Bewertung der Ergebnisse findet jedoch nicht im Kollek-
tiv statt, sondern wird vom Moderator übernommen (SCHNEIDER, 2002, S. 93–94;
ZWECK, 2005, S. 188).
2.5.2.6 Delphi-Studie
Die Delphi-Studie stellt eine erweiterte Form der Expertenbefragung dar. Durch die
mehrstufige Erhebung sowie Auswertung von Einschätzungen und Prognosen aus-
gewählter Experten können Ideen generiert und Zukunftsprognosen aufgestellt wer-
den (KRÖLL, 2007, S. 40; SCHNEIDER, 2002, S. 95; ZWECK, 2005, S. 189).
Da Einzelmeinungen von Experten meist von subjektiven Einflüssen bzw. persönli-
chem Interesse beeinflusst sind, ist es sinnvoll, sich im Sinne einer höheren Aussa-
gekraft auf mehrere Expertenmeinungen zu stützen. Die Delphi-Studie verfolgt die-
sen Gedanken und beinhaltet folgende Grundregeln (GESCHKA, 1995, S. 637–638):
Schriftliche Befragung mehrerer Experten in mehreren Befragungsrunden;
Verdichtende Auswertung der Ergebnisse nach jeder Befragungsrunde;
68 2 Stand der Forschung
Rückmeldung der ausgewerteten Zwischenergebnisse an die Experten vor der
nächsten Befragungsrunde;
Ergebnisse der letzten Befragungsrunde stellen endgültige Prognosewerte
dar;
Wahrung der Anonymität der Experten untereinander und gegenüber der Öf-
fentlichkeit.
Letztendlich liegt der Sinn der Delphi-Studie darin, „dass gegenwärtige Entwicklun-
gen eingeschätzt, kollektiv überprüft und diskutiert werden, um hieraus Maßnahmen
ableiten zu können, die diesen Entwicklungen dienlich sind bzw. sie verhindern“
(SCHNEIDER, 2002, S. 96). Dadurch werden jedoch nicht nur zukünftige technologi-
sche Entwicklungen identifiziert und analysiert, sondern auch gleichermaßen Infor-
mationen über Veränderungen im gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Kontext
verarbeitet und bewertet (SCHNEIDER, 2002, S. 96).
Auf anonyme Weise können mittels einer Delphi-Studie durch Rückkopplung und
Selbstreflexion fundierte, kollektive Expertenmeinungen gesammelt werden. Dabei
lassen sich Gruppendynamiken, Vorurteile sowie weitere sozio-psychologische Ef-
fekte ausschließen und auch durchschnittliche oder abweichende Denkhaltungen
gleichwertig berücksichtigen (SCHNEIDER, 2002, S. 97).
2.5.2.7 Szenario-Analyse
Die Szenario-Analyse ist ein strategisches Planungsinstrument, das bei der Ent-
scheidungsfindung unterstützt (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 16). Im Rahmen techno-
logieorientierter Analysen lässt sich die Szenario-Analyse sowohl im Bereich der
Technologiefrüherkennung als auch der Technologiebewertung einsetzen. Man
schreibt ihr demzufolge einen phasenübergreifenden Charakter zu (SCHNEIDER,
2002, S. 156). Mit der Szenario-Analyse können technologische Entwicklungen und
Wechselwirkungen erfasst, prognostiziert und systematisch zu konsistenten Szenari-
en verknüpft werden (MIEKE, 2005, S. 32; ZERNIAL, 2007, S. 106). „Die für technologi-
sche Entwicklungen typischen Sprünge und Durchbrüche, Unsicherheiten, alternati-
ven Entfaltungs- und Anwendungsmöglichkeiten sowie die zum Teil nur qualitativ
beschreibbaren Wirkungszusammenhänge lassen sich mit dieser Methodik problem-
los behandeln“ (Geschka, 1995, S. 640). Darüber hinaus ermöglicht die Szenario-
Analyse den Vergleich der erarbeiteten Szenarien und somit auch eine Bewertung
alternativer Handlungsoptionen im Rahmen der Entscheidungsfindung (KOSOW &
GAßNER, 2008, S. 16).
Die Leitidee der Szenario-Analyse ist das „Denken in Szenarien“ (GAUSEMEIER ET AL.,
2001, S. 79). Szenarien stehen für Darstellungen einer möglichen Situation in der
2 Stand der Forschung 69
Zukunft (Zukunftsbild) sowie konsistenter Entwicklungspfade, die zu dieser Situation
führen. Letztere orientieren sich dabei an bestimmten Schlüsselfaktoren, die den
Weg in die Zukunft entscheidend beeinflussen (HAMBACH & ALBRECHT, 2014, S. 117;
KOSOW & GAßNER, 2008, S. 9–10). Die Grundprinzipien dieser Denkweise sind in Bild
2.20 dargestellt und lauten wie folgt (GAUSEMEIER, FINK & SCHLAKE, 1998, S. 114;
GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 79):
Das Prinzip des vernetzten Denkens: Aufgrund der Annahme, dass das Un-
ternehmensumfeld mit all seinen Einflussgrößen ein vernetztes und vielschich-
tiges System darstellt, wird die Zukunft in komplexen Bildern beschrieben.
Das Prinzip der multiplen Zukunft: Die Zukunft kann sich in mehrere Rich-
tungen entwickeln. Sie ist multipel und somit nicht exakt prognostizierbar.
Bild 2.20: Grundprinzipen des Denkens in Szenarien nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER,
2001, S. 79
Dabei verdeutlicht besonders das Grundprinzip des vernetzten Denkens, dass zu-
künftige Situationen entscheidend von den wechselwirkenden Einflussgrößen im Un-
ternehmen und dessen Umfeld abhängen (GESCHKA, 1994, S. 162). Die Darstellung
der multiplen Zukunft im sog. Trichter-Modell zeigt zudem, dass sich der Zukunfts-
raum mit steigendem Betrachtungshorizont immer weiter aufspannt und die Unsi-
cherheit bzgl. des Eintreffens von Szenarien dadurch deutlich zunimmt. Dieser Unsi-
cherheit muss beim Aufstellen der Entwicklungspfade hin zu einem Zukunftsbild
durch die Berücksichtigung von Ereignisketten, Verzweigungspunkten und Wahr-
vernetztes Denken
Wettbewerbs-
fähigkeit
Wirtschafts-
wachstum
Produktivität
Mitarbeiter-
motivationLohnniveau
Arbeits-
organisation
multiple ZukunftZeit
heute
Zukunft
70 2 Stand der Forschung
scheinlichkeiten entsprechend Rechnung getragen werden (KOSOW & GAßNER, 2008,
S. 12; ZERNIAL, 2007, S. 106).
Militärische Organisationen, staatliche Institutionen sowie Forschungs- und Bil-
dungseinrichtungen nutzen die Szenario-Analyse schon seit geraumer Zeit zur Un-
terstützung strategischer Entscheidungen (BRADFIELD, WRIGHT, BURNS, CAIRNS & VAN
DER HEIJDEN, 2005, S. 797). Nach und nach gewinnt die Szenario-Analyse auch in
der Unternehmenswelt immer mehr an Bedeutung. Einer der Pioniere der szena-
riobasierten Zukunftsforschung war PIERRE WACK von ROYAL DUTCH SHELL in Ko-
operation mit SRI International (MIETZNER & REGER, 2005, S. 222). Ihr Konzept der
„Intui-tive Logics“ hat sich erfolgreich in den Ölkrisen der 1970er Jahre bewährt.
Hauptmerkmal ist dabei die Erstellung flexibler, konsistenter Szenarien, fernab jegli-
cher mathematischer Werkzeuge und ausschließlich gestützt auf Intuition und Logik.
WACK hat dieses Konzept schließlich für die Wissenschaft formuliert und dabei ein
grundlegendes Prinzip festgestellt. Unsicherheit muss akzeptiert, verstanden und
somit ein Teil unseres Denkens werden (HUSS & HONTON, 1987, S. 21–22; WACK,
1985, S. 73–74). In der Folge haben sich zahlreiche neue Ansätze zur weiteren Sys-
tematisierung und Optimierung der Szenario-Analyse als strategisches Werkzeug für
Unternehmen entwickelt (MIETZNER & REGER, 2005, S. 220). Besonders verbreitet
sind dabei die Ansätze von VON REIBNITZ & GESCHKA, SCHWARTZ, GODET & REBOULAT
oder auch GAUSEMEIER ET AL. (MIETZNER & REGER, 2005, S. 228–229; GAUSEMEIER ET
AL., 1998, S. 116; GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 78). Trotz vereinzelter Unterschiede
hinsichtlich des zugrundeliegenden Prozessmodells steckt hinter sämtlichen Ansät-
zen ein sehr ähnliches Grundkonzept (ZERNIAL, 2007, S. 107). Dieses Grundkonzept
wird nachfolgend am Beispiel des Ansatzes von GAUSEMEIER ET AL. näher vorgestellt.
GAUSEMEIER ET AL. verfolgen mit ihrem Konzept das Ziel, „Chancen/Erfolgspotentiale
und Gefahren zu erkennen und dementsprechend strategische Entscheidungen zu
unterstützen. Die zu unterstützenden Entscheidungen beziehen sich immer auf einen
bestimmten Gegenstand – beispielsweise ein Unternehmen oder eine Geschäftsein-
heit […], ein Produkt […] oder eine Technologie […]“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001,
S. 82). Der Untersuchungsgegenstand wird sinnbildlich Gestaltungsfeld genannt, da
dessen Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb eines bestimmten Betrachtungshori-
zonts, dem sog. Szenariofeld, beschrieben werden sollen. Das Szenariofeld kann
dabei rein externe, nicht steuerbare Umfeldgrößen beinhalten, die bspw. die Markt-
entwicklung eines bestimmten Systems beeinflussen. Man spricht in diesem Fall von
Umfeld-Szenarien. Demgegenüber stehen Gestaltungsfeld-Szenarien, die sich aus-
schließlich auf interne und direkt steuerbare Größen wie bspw. Produktmerkmale
stützen. System-Szenarien stehen dagegen für eine Kombination aus Umfeld- und
Gestaltungsfeld-Szenarien und verknüpfen demnach sowohl externe als auch interne
2 Stand der Forschung 71
Einflussgrößen. Die Szenario-Analyse als Ganzes orientiert sich letztendlich an dem
in Bild 2.21 dargestellten Prozessmodell, das sich in fünf Phasen untergliedern lässt
(GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 118; GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 82–84; ZERNIAL,
2007, S. 107).
Bild 2.21: Ablauf der Szenario-Analyse nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 84
Szenario-Vorbereitung
Die erste Phase dient der Vorbereitung einer Szenario-Analyse. Dort werden die
grundlegenden Ziele sowie die Organisation der Untersuchung festgelegt (ZERNIAL,
2007, S. 107). Die Ziele stehen dabei eng mit dem Gestaltungsfeld in Verbindung,
das im Rahmen der Szenario-Analyse untersucht werden soll. Aufgabe ist es daher,
dieses Gestaltungsfeld zunächst entsprechend festzulegen und zu konkretisieren.
Dabei muss vor allem die aktuelle Situation beschrieben werden, die das Gestal-
tungsfeld gegenwärtig umschließt. Hierfür stehen unterschiedliche Methoden und
Verfahren (Marktanalysen, Portfolio-Analysen etc.) zur Verfügung, die Aufschluss
über die momentane Situation im Unternehmen bzw. Unternehmensumfeld geben.
Am Ende einer solchen Gestaltungsfeld-Analyse stehen schlussendlich die Heraus-
forderungen, die sich aus der gegenwärtigen Situation ergeben und in Zukunft gelöst
werden sollen (GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 116; GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 86).
Szenariofeld-Analyse
Die wesentliche Aufgabe der zweiten Phase ist die Analyse des Szenariofelds, um
sog. Schlüsselfaktoren zu bestimmen (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 21; ZERNIAL, 2007,
Szenario-Vorbereitung
Szenariofeld-Analyse
Szenario-Prognostik
Szenario-Bildung
Szenario-Transfer
Szen
ari
o-E
rste
llu
ng
Szenario-Plattform
Projektdefinition
Ausgangssituation
Schlüsselfaktoren
Zukunftsprojektionen
Szenarien
Strategien
Handlungsoptionen
72 2 Stand der Forschung
S. 107–108). Schlüsselfaktoren stehen in diesem Zusammenhang für besonders
markante Einflussgrößen, die sich maßgeblich auf die zukünftige Entwicklung des
Gestaltungsfelds auswirken. Für deren Identifikation ist es notwendig, dass zunächst
die relevanten Einflussbereiche festgelegt werden, von denen das Gestaltungsfeld
umgeben wird. Die Einflussbereiche selbst beruhen wiederum auf mehreren oppor-
tunen Einflussgrößen (auch Einflussfaktoren oder Deskriptoren genannt), die in der
Folge bestimmt sowie verständlich beschrieben werden müssen (GAUSEMEIER ET AL.,
2001, S. 86–88). Während dieses Schrittes ergeben sich in der Regel viele unter-
schiedliche Einflussgrößen, die untereinander Wirkungsbeziehungen aufweisen kön-
nen, jedoch nicht gleichermaßen für die weiteren Schritte der Szenario-Analyse rele-
vant sind. Zur Ermittlung der relevanten Einflussgrößen (Schlüsselfaktoren) sowie
deren Bedeutung für das Szenariofeld bedient man sich demzufolge einer Einfluss-
analyse auf Basis einer sog. Einflussmatrix (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 88; ZERNIAL,
2007, S. 107–108).
Bild 2.22: Grundgerüst einer Einflussmatrix nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001,
S. 89
Wie Bild 2.22 zeigt, setzt sich eine Einflussmatrix prinzipiell aus vier Quadranten (Q1
bis Q4) zusammen, in denen die skalierten Wirkungsbeziehungen zwischen den be-
trachteten Einflussgrößen in die dafür vorgesehenen Zellen eingetragen werden. Die
Unterteilung in vier Quadranten hat eine entsprechende Trennung von externen und
internen Einflussgrößen auf den beiden Achsen der Matrix zur Ursache (GAUSEMEIER
ET AL., 2001, S. 88–89). Die Einflussanalyse selbst erfolgt dann schließlich nach fol-
Bewertungsmaßstab:
0: kein Einfluss
1: schwacher Einfluss
2: mittlerer Einfluss
3: starker Einfluss
Ein
flu
ssg
röß
e A
Ein
flu
ssg
röß
e B
… … Ein
flu
ssg
röß
e E
Ein
flu
ssg
röß
e V
Ein
flu
ssg
röß
e W
… … Ein
flu
ssg
röß
eZ
Ak
tivs
um
me
Wir
ku
ng
ss
um
me
Ex
tern
e
Ein
flu
ss
grö
ße
n Einflussgröße A 1 2 3 1 14 6
Einflussgröße B 2 1 1 3 2 16 7
…
…
Einflussgröße E 1 2 1 1 12 4
Inte
rne
Ein
flu
ss
grö
ße
n Einflussgröße V 2 3 1 15 8
Einflussgröße W 1 2 3 3 18 9
…
…
Einflussgröße Z 1 1 2 2 14 4
Passivsumme 16 17 18 17 14 13 487
Q1
Q3 Q4
Q2
2 Stand der Forschung 73
gendem Muster (GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 119–120; GAUSEMEIER ET AL., 2001,
S. 89–91):
Direkte Einflussanalyse: Hier erfolgt zunächst eine paarweise Bewertung der
direkten Beziehungen zwischen den betrachteten Einflussgrößen anhand ei-
nes skalierten Maßstabes. Die grundlegende Frage ist, wie schnell, stark oder
in welchem Ausmaß sich Einflussgröße A auf Einflussgröße B auswirkt. Auf
Basis dieser paarweisen Bewertung lassen sich signifikante Kennzahlen (Ak-
tivsumme, Passivsumme, Wirkungssumme, Impuls-Index, Dynamik-Index)
ermitteln, die Aussagen über die Relevanz der Einflussgrößen nach unter-
schiedlichen Betrachtungsmaßstäben zulassen und eine Datenbasis für die
Auswahl der Schlüsselfaktoren schaffen.
Indirekte Einflussanalyse: Neben direkten Beziehungen zwischen Einfluss-
größen herrschen in einem komplexen und vernetzten System auch indirekte
Beziehungen. Diese können bei Bedarf entsprechend identifiziert und in die
Analyse einbezogen werden.
Bild 2.23: Aufbau eines System-Grids zur Auswahl der Schlüsselfaktoren nach GAUSEMEIER, FINK &
SCHLAKE, 1998, S. 120
Bestimmung der Schlüsselfaktoren: Unter Berücksichtigung der ermittelten
Kennzahlen und Wirkungsbeziehungen aus der Einflussmatrix lassen sich
sog. System-Grids erstellen, mit deren Hilfe markante Schlüsselfaktoren ent-
sprechend ihres Systemverhaltens identifiziert werden können. Der Aufbau ei-
nes System-Grids ist beispielhaft in Bild 2.23 dargestellt und ermöglicht eine
Passivsumme
Aktivsumme
100
50
50 1000
impulsive Größen
reaktive Größen
dynamische Größen
Einflussgröße
74 2 Stand der Forschung
Kategorisierung der Einflussgrößen bzgl. ihres charakteristischen Systemver-
haltens. Impulsive Größen sind durch einen starken Einfluss auf das Gesamt-
system gekennzeichnet, ohne selbst dadurch großartig beeinflusst zu werden.
Sie wirken wie Stellhebel. Dynamische Größen weisen dagegen sowohl ein
hohes Einflussmaß als auch eine hohe Beeinflussbarkeit durch andere Grö-
ßen auf. Sie können folglich destabilisierend auf die Entwicklung des Gesamt-
systems wirken. Zu guter Letzt existieren noch reaktive Größen, die sich auf-
grund ihrer Reaktionsfreudigkeit vor allem bei kurzfristigen Betrachtungshori-
zonten als geeignete Schlüsselfaktoren erweisen.
Szenario-Prognostik
Die dritte Phase der Szenario-Analyse, die Szenario-Prognostik, umfasst schließlich
den eigentlichen Ausblick in die Zukunft, in dem die einzelnen Schlüsselfaktoren zu
Zukunftsprojektionen fortgeschrieben werden. Dies hat zur Folge, dass sich der Sze-
nario-Trichter in seiner charakteristischen Weise aufspannt (GAUSEMEIER ET AL.,
1998, S. 120–121; KOSOW & GAßNER, 2008, S. 21; ZERNIAL, 2007, S. 108). Dafür
muss zunächst jedoch ein geeigneter Zeithorizont festgelegt werden. Weiterhin soll-
ten die Zukunftsprojektionen nicht nur die wahrscheinlichsten, sondern auch extreme
und dennoch vorstellbare Entwicklungsmöglichkeiten darstellen. So kann zum einen
der Kreativität und zum anderen dem Aspekt Rechnung getragen werden, dass in
der Vergangenheit oftmals auch das Undenkbare bzw. Unwahrscheinliche zur Reali-
tät geworden ist (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 91–92). Bei der Erstellung der Zu-
kunftsprojektionen müssen letztendlich folgende Schritte durchlaufen werden (GAU-
SEMEIER ET AL., 2001, S. 92–94):
Ermittlung möglicher Zukunftsprojektionen: Auf analytische und kreative
Weise sind in diesem Schritt zunächst potentielle Projektionen der Schlüssel-
faktoren zu generieren. Der analytische Weg stützt sich dabei auf bestimmte
Merkmale, die zahlentechnisch erfasst werden können. Der kreative Weg ver-
läuft dagegen auf qualitativer und narrativer Basis. Insgesamt schreiben GAU-
SEMEIER ET AL. für diesen Schritt kein exaktes Handlungsschema vor, geben
aber einige, alternative Hilfestellungen für die Prognostik: Entwicklungen fort-
schreiben oder simulieren, Entwicklungen und ihre Merkmale überzeichnen,
Entwicklungen bewusst beschleunigen, Entwicklungen aus dem Umfeld be-
wusst berücksichtigen, Zukunftsprojektionen aus Prozessen ableiten.
Auswahl geeigneter Zukunftsprojektionen: Die ermittelten Zukunftsprojek-
tionen müssen anschließend gebündelt und vorselektiert werden. Bei der Vor-
selektion sind für die einzelnen Schlüsselfaktoren diejenigen Projektionen
2 Stand der Forschung 75
auszuwählen, die deren zukünftige Entwicklung besonders deutlich charakte-
risieren.
Formulierung und Begründung der Zukunftsprojektionen: Pro Schlüssel-
faktor werden die charakteristischen Zukunftsprojektionen abschließend aus-
formuliert und begründet. Den Projektionen ist dabei eine Kurzbezeichnung
zuzuordnen und die dazugehörige Begründung präzise sowie ausführlich zu
formulieren. Die Textelemente bilden später eine wichtige Basis für die Be-
schreibung der Szenarien.
Szenario-Bildung
„In der Szenario-Bildung werden konsistente und plausible Szenarien herausgearbei-
tet“ (ZERNIAL, 2007, S. 108). Diese ergeben sich meist aus Projektionsbündeln bzw.
Projektionsketten verschiedener, konsistenter Schlüsselfaktoren. Die Konsistenz,
also Widerspruchsfreiheit, ist eine elementare Notwendigkeit und entscheidend für
die Glaubwürdigkeit der Szenarien (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 96). Die Anzahl der
gebildeten Szenarien sollte so gewählt werden, dass damit einerseits die Komplexität
der Analyse in Grenzen gehalten werden kann, gleichzeitig aber auch ein möglichst
vielfältiges Bild der Zukunft entsteht (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 21–22). Die einzel-
nen Schritte der Szenario-Bildung nach GAUSEMEIER ET AL. lauten wie folgt (GAUSE-
MEIER ET AL., 1998, S. 121–123; GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 97–102):
Konsistenzanalyse: Anfänglich müssen die Zukunftsprojektionen paarweise
auf Konsistenz geprüft werden. Wie auch bei der Einflussanalyse stützt man
sich dabei auf eine Bewertungsmatrix. Der Aufbau der sog. Konsistenzmatrix
ähnelt stark dem Aufbau der Einflussmatrix. Jedoch überprüft man hier die
Verträglichkeit der einzelnen Projektionspaare anhand entsprechend skalierter
Konsistenzwerte. Es genügt zudem nur eine einseitige Beurteilung der Projek-
tionspaare, da innerhalb einer Konsistenzbewertung keine gerichteten Auswir-
kungen untersucht werden. Nach der paarweisen Konsistenzbewertung las-
sen sich über Sichtprüfungen des Anwenders sowie rechnergestützte Verfah-
ren auf Basis der Kombinatorik konsistente Projektionsbündel bzw. -ketten (je
eine Projektion pro Schlüsselfaktor) bilden.
Rohszenario-Bildung: Einzelne Projektionsbündel werden in diesem Schritt
aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu sog. Rohszenarien zusammengefasst. Die ver-
schiedenen Rohszenarien sollen untereinander möglichst heterogen sein,
selbst aber aus homogenen Projektionsbündeln bestehen.
Zukunftsraum-Mapping: Im sog. Zukunftsraum-Mapping wird die Bildung der
Rohszenarien visualisiert. Bild 2.24 zeigt eine solche „Zukunfts-Landkarte“, die
der Positionierung der einzelnen Projektionsbündel nach deren Ähnlichkeit
76 2 Stand der Forschung
dient. Ähnliche Bündel liegen darin sehr dicht beieinander und repräsentieren
somit ein Rohszenario, während unähnliche Bündel relativ weit voneinander
entfernt liegen. Zur Unterstützung des Zukunftsraum-Mappings wird häufig auf
eine rechnergestützte, multidimensionale Skalierung zurückgegriffen, so dass
den einzelnen Projektionsbündeln entsprechende Koordinatenwerte zugeord-
net werden können. Über die Größe des Durchmessers der dargestellten Pro-
jektionsbündel lassen sich auch Aussagen über deren Konsistenz verbildli-
chen. Eine weitere Darstellungsmöglichkeit bieten spezielle Pfeile, mit deren
Hilfe sich grundlegende Unterscheidungsmerkmale zwischen Rohszenarien in
Form von ausgewählten Schlüsselfaktoren und deren Projektionen veran-
schaulichen lassen.
Szenario-Beschreibung: Anhand von Ausprägungslisten wird hier zunächst
ermittelt, wie häufig die einzelnen Projektionen der Schlüsselfaktoren in den
Projektionsbündeln der Rohszenarien auftreten. Man unterscheidet dabei zwi-
schen eindeutiger, dominanter und alternativer Ausprägung. Die für die
Rohszenarien markanten Projektionen werden anschließend über die vorab
formulierten Textelemente (vgl. Schritt zur Szenario-Prognostik) ausführlich
beschrieben und zu den endgültigen Szenarien verknüpft.
Bild 2.24: Zukunftsraum-Mapping nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 100
Szenario-Transfer
Die letzte Phase der Szenario-Analyse dient der Nutzung der Szenarien im Hinblick
auf strategische Entscheidungen und wird als Szenario-Transfer bezeichnet (KOSOW
Rohszenario I
1 2 3-1-2-3-4
Projektionsbündel
1
2
-1
-2Rohszenario II
Rohszenario III
2 Stand der Forschung 77
& GAßNER, 2008, S. 23; ZERNIAL, 2007, S. 108). Die Szenarien müssen diesbezüglich
auf künftige Erfolgs- bzw. Gefahrenpotentiale „für das etablierte Geschäft“ untersucht
und bewertet werden (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 105). Hierfür steht Unternehmen
eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung, die von simplen Wahrscheinlichkeits-
rechnungen oder Trendextrapolationen bis hin zu beliebig gestaltbaren Matrix- und
Portfoliodarstellungen reichen (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 109–116; KOSOW &
GAßNER, 2008, S. 58). GAUSEMEIER ET AL. liefern zusätzlich noch einige grundlegende
Orientierungshilfen im Rahmen der szenariobasierten Entscheidungsfindung bzw.
Strategieausrichtung (GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 124–126):
Orientierung der Entscheidung bzw. Strategie am wahrscheinlichsten Szena-
rio;
Orientierung der Entscheidung bzw. Strategie am Szenario mit den größten
Erfolgspotentialen;
Orientierung der Entscheidung bzw. Strategie am Szenario mit den größten
Gefahrenpotentialen;
Entscheidung bzw. Strategie mit Fokus auf die Minimierung möglicher Gefah-
renpotentiale;
Entscheidung bzw. Strategie mit Fokus auf die Erweiterung der Flexibilität;
Entscheidung bzw. Strategie mit Fokus auf die ideale Zukunftsvorstellung.
Letztendlich ist die Szenario-Analyse eine aufwändige und komplexe Methode, die
sich jedoch aufgrund ihrer Flexibilität, der zugrundeliegenden Systematik sowie ihrer
guten methodischen Unterstützbarkeit besonders für die Erstellung und Beurteilung
von Technologieszenarien eignet (GESCHKA, 1994, S. 162; GESCHKA, 1995, S. 640;
ZERNIAL, 2007, S. 111). Vor allem der Unsicherheit und Dynamik im heutigen, tech-
nologiegetriebenen Unternehmensumfeld kann dadurch angemessen entgegenge-
wirkt werden (GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 129).
2.5.3 Integrative Ansätze zur Technologiebewertung
Ergänzend zu den bisher vorgestellten, eigenständigen Bewertungsmethoden wurde
in den vergangenen Jahren eine Reihe an integrativen Ansätzen entwickelt, die ver-
schiedene Elemente bewährter Methoden zu neuen Bewertungsansätzen verknüpfen
und eine möglichst systematische sowie ganzheitliche Technologiebewertung ge-
währleisten sollen (SCHNEIDER, 2002, S. 29). Eine Auswahl von themenverwandten
Ansätzen wird nachfolgend vorgestellt.
78 2 Stand der Forschung
2.5.3.1 Ansatz nach HIERONYMUS, TINTELNOT & VON WICHERT-NICK
HIERONYMUS ET AL. setzen in ihrem Ansatz auf einen „Prozess der technologiestrate-
gischen Entscheidungsfindung und damit auch der Technologiebewertung“ (HIERO-
NYMUS ET AL., 1996, S. 26). Der in Bild 2.25 visualisierte Prozess setzt sich aus aufei-
nander aufbauenden, jedoch in Wechselwirkung miteinander stehenden Phasen zu-
sammen (HIERONYMUS ET AL., 1996, S. 27–28):
Ableitung des Handlungsbedarfs durch Technologiefrüherkennung und eigene
Visionen;
Analyse und Prognose durch technologische Konkurrenzanalysen, Bedarfsa-
nalysen und -prognosen sowie Technologieprognosen;
Ableitung von technologischen Entscheidungsalternativen;
Bewertung der technologischen Entscheidungsalternativen anhand von Ist-
und Soll-Positionierungen;
Treffen der Technologieentscheidung.
Bild 2.25: Prozess der integrativen Technologiebewertung nach HIERONYMUS, TINTELNOT & VON WI-
CHERT-NICK, 1996, S. 27
Die ersten drei Schritte dieses integrativen Bewertungsprozesses dienen offenkundig
der Vorbereitung auf die eigentliche Technologiebewertung und gehen immer aus
einem konkreten Handlungsbedarf hervor. Dabei werden notwendige, entschei-
dungsrelevante Informationen gesammelt und zu technologischen Entscheidungsal-
ternativen verdichtet. Zudem unterteilt man den gesammelten Informationsbestand in
verschiedene Klassen, die im Rahmen der Bewertung als Entscheidungskriterien
PrognoseAnalyse
Ableitung des
Handlungsbedarfs
Technologieentscheidung
technologische
Entscheidungs-
alternativen
Bewertung
2 Stand der Forschung 79
herangezogen werden. Die technologischen Alternativen werden nachfolgend an-
hand dieser Entscheidungskriterien mittels Soll- und Ist-Positionierungen gegenüber-
gestellt. Für solche Gegenüberstellungen empfehlen HIERONYMUS ET AL. bspw. die
Verwendung von Technologie-Portfolios oder Stärken-/Schwächen-Profilen. Letzten
Endes lassen sich so alternative Wege zur Ausrichtung der Technologiestrategie er-
mitteln und entsprechende Technologieentscheidungen ableiten (HIERONYMUS ET AL.,
1996, S. 28).
Durch den prozessualen Charakter ist der vorgestellte Bewertungsansatz insgesamt
sehr systematisch und leistet einen gezielten Beitrag zur strategischen Planung des
Technologieeinsatzes. Des Weiteren werden bei der Bewertung neben technologie-
spezifischen Informationen auch Markt- und Wettbewerbsinformationen berücksich-
tigt (SCHNEIDER, 2002, S. 32).
2.5.3.2 Ansatz nach BRANDENBURG
BRANDENBURG entwickelt in seinem Forschungsbeitrag eine Methode zur Planung
und Bewertung von technologischen Produktinnovationen, indem er sowohl bewährte
Ansätze aus der Literatur als auch eigens entwickelte Methodenelemente in sein
Konzept integriert (BRANDENBURG, 2002, S. 36). Dieses „soll den Problemlösungs-
prozess in den frühen Phasen der Produktinnovationsplanung durchgängig umfas-
sen“ und die Lösungsentwicklung auf operativer Ebene gezielt unterstützen (BRAN-
DENBURG, 2002, S. 4).
Das methodische Grundgerüst setzt sich aus einem Vorgehens-, Zukunfts-, Informa-
tions-, Bewertungs- sowie Umsetzungsmodell zusammen. Die einzelnen Modelle
weisen dabei folgende charakteristische Inhalte auf (BRANDENBURG, 2002, S. 46–49,
S. 125–127):
Vorgehensmodell: Abbildung des Planungsprozesses; ganzheitliche und in-
tegrierte Modellierung der frühen Phasen des Produktinnovationsprozesses;
Zukunftsmodell: systematische Analyse der Gestaltungsbereiche des Unter-
nehmens; Identifikation und Modellierung zukünftiger Chancen, Anforderun-
gen und Potentiale;
Informationsmodell: Strukturierung der planungs- und bewertungsrelevanten
Informationen in Form einer Wissensbasis; Bereitstellung der Informationen
bei der Planung der Zukunftsprojekte (Produktideen, Innovationsvorhaben);
Bewertungsmodell: Bewertungssystem auf Basis entscheidungstheoreti-
scher Algorithmen zur Verbesserung der Entscheidungsqualität; adäquate und
effektive Priorisierung und Terminierung von Innovationsvorhaben;
80 2 Stand der Forschung
Umsetzungsmodell: Zusammenführung der Planungs- und Bewertungser-
gebnisse in Innovations-Roadmaps; Handlungsorientierung für die Umsetzung
der Produktideen im weiteren Verlauf des Innovationsprozesses.
Bild 2.26 zeigt die Verknüpfung der einzelnen Modelle zum generellen Ablaufschema
der Methode (BRANDENBURG, 2002, S. 48). Das Zukunftsmodell stützt sich dabei auf
ein eigens konzipiertes Matrizensystem zur Analyse der Gestaltungsbereiche eines
Unternehmens. Der Aufbau des Matrizensystems ist dabei an ein „House of Quality“
gemäß der Quality-Function-Deployment-Methode angelehnt (BRANDENBURG, 2002,
S. 70). Das Bewertungsmodell orientiert sich dagegen an einem System aus ent-
scheidungstheoretischen Ansätzen einer multikriteriellen Bewertung sowie der
„Fuzzy-Set“-Theorie zur präzisen Herleitung von Normstrategien für Produktideen,
die mittels Innovations-Roadmaps letzten Endes einer konkreten Umsetzung zu-
gänglich gemacht werden (BRANDENBURG, 2002, S. 104, S. 126–127).
Bild 2.26: Ablaufschema der Methode nach BRANDENBURG, 2002, S. 48
Die Praxistauglichkeit der Methode hat sich in unterschiedlichen industriellen An-
wendungen erwiesen. Der Einsatz der Methode führt zwar nicht zu einem quantitati-
ven Zuwachs von Produktideen, jedoch kann die Qualität der Produktideen sowie der
Planungserfolg im Rahmen von Innovationsprozessen entscheidend erhöht werden.
Die von Brandenburg entwickelte Methode leistet somit einen elementaren Beitrag
zur Erhöhung der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Innerhalb des Unter-
nehmens sind dafür aber Kreativität, Engagement, Akzeptanz sowie Innovationsbe-
reitschaft gefordert (BRANDENBURG, 2002, S. 127).
Vorgehensmodell
Umsetzungsmodell
Bewertungsmodell InformationsmodellZukunftsmodell
Anstoß
der Aktivitäten
Planungsrelevante
Informationen
Zukünftige Potentiale
und Anforderungen
Informationsbasis
Produktideen
Entscheidungsgrundlage
Anstoß der Aktivitäten
Bew
ert
un
gs
rah
men
Info
rma
tion
en
2 Stand der Forschung 81
2.5.3.3 Ansatz nach HALL
HALL verfolgt mit seinem Ansatz das Ziel einer ganzheitlichen Technologiebewertung.
Ganzheitlichkeit bedeutet dabei die Betrachtung von Technologie als Sach- und
Handlungssystem entlang des gesamten Produktlebenszyklus, die Berücksichtigung
des Markts sowie einen hinreichend ausgedehnten Betrachtungshorizont, der über
technische und wirtschaftliche Ziele hinausreicht (HALL, 2002, S. 9; SCHNEIDER, 2002,
S. 29).
Das Bewertungsmodell von HALL stützt sich auf zwei übergeordnete Phasen. Die
erste Phase nennt sich Exploration. Hier werden wichtige Daten über neue Kunden-
anforderungen oder potentielle Konkurrenzaktivitäten gesammelt. Ebenso erfasst
man dabei die notwendigen Informationen über die zu bewertende Technologie
durch eine technologieorientierte Analyse von Wettbewerbern. Die zweite und ab-
schließende Phase dient der Bewertung. Dort werden die gewonnenen Informationen
aus der Explorationsphase verarbeitet und in eine visuelle Form für entsprechende
Interpretationen überführt. Wesentliches Element bildet dabei eine simple Matrix, in
der die Kundenanforderungen den charakterisierenden Merkmalen der zu betrach-
tenden Technologie gegenübergestellt werden (HALL, 2002, S. 63–64, SCHNEIDER,
2002, S. 29–30).
Die notwendigen Merkmale zur Charakterisierung der Technologie setzen sich wie
folgt zusammen (SCHNEIDER, 2002, S. 29):
Prozessdimension: Flexibilität, Produktivität, Verfügbarkeit, etc. einer Tech-
nologie;
Strukturaspekt: technische und physikalische Aspekte einer Technologie;
Wirtschaftlichkeit: Auswirkung einer Technologie auf die Kosten- und Ge-
winnstruktur des Unternehmens;
Gesellschaft: Auswirkungen einer Technologie auf soziale Systeme;
Umwelt: Auswirkung einer Technologie auf die Umwelt und ihre Ressourcen.
Die Überführung der technologieseitigen sowie kundenbezogenen Informationen in
die Matrix schafft einen qualitativen Zusammenhang zwischen den beiden Größen
und wird als der eigentliche Bewertungsschritt betrachtet. So lassen sich Einschät-
zungen entsprechend eines skalierten Maßstabs treffen, wie die einzelnen Techno-
logiemerkmale zum Gesamtnutzen der Technologie beitragen und wie stark die be-
trachtete Technologie insgesamt die Anforderungen des Markts erfüllt (HALL, 2002,
S. 63–64).
Insgesamt erweist sich der Ansatz von HALL als sehr übersichtliche und systemati-
sche Möglichkeit, um Technologien aus einer ganzheitlichen Sichtweise zu beurtei-
82 2 Stand der Forschung
len. Aufgrund seines zweiphasigen Aufbaus ist das methodische Konzept zudem
durch eine hohe Transparenz und begrenzte Komplexität gekennzeichnet (SCHNEI-
DER, 2002, S. 30).
2.5.3.4 Ansatz nach KRÖLL
KRÖLL dagegen stellt einen Ansatz zur Technologiebewertung vor, der schon frühzei-
tig in der Produktentstehung im Rahmen einer „durchgängigen und ganzheitlichen
Planung des Technologieeinsatzes“ eingesetzt werden kann (KRÖLL, 2007, S. 19).
Dieser Ansatz stützt sich auf eine Bewertung des Reifegrades von Technologien im
Hinblick auf einen erfolgreichen Einsatz in der späteren Serienentwicklung. Dabei
wird der Nutzen der Technologien sowohl für das Unternehmen selbst als auch für
die Kunden gleichermaßen berücksichtigt (KRÖLL, 2007, S. 22).
Das Vorgehensmodell, das hinter dem Bewertungsansatz von KRÖLL steckt und in
Bild 2.27 dargestellt ist, baut auf fünf charakteristischen Phasen mit spezifischen In-
halten auf (KRÖLL, 2007, S. 69–71):
Analyse und Abbildung von Produktfunktionen: systematische Analyse,
Erfassung und Beschreibung der umzusetzenden Funktionen eines Produkts;
Modell zur Technologiebeschreibung: Überführung der Funktionen in ein
Funktionsmodell, Auswahl von Technologieelementen zur Erfüllung der Funk-
tionen, Vernetzung der Technologieelemente, Spezifikation der Technologie-
elemente;
Abbildung alternativer Technologiemodelle: Darstellung verschiedener
Technologiealternativen in entsprechenden Technologiemodellen;
Modell zur Technologiebewertung: Definition der Bewertungskriterien,
Durchführung der Bewertung, Zusammenführung der Bewertungsergebnisse
zu einer multikausalen Aussage, Interpretation der Aussage;
Umsetzung einer Technologiealternative: Einsatz der Technologiealter-
native im Produkt.
KRÖLL setzt im Rahmen seiner Bewertung auf Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur
Beschreibung der Kriterien-Ausprägungen, die über Transformationsfunktionen nor-
miert werden. Die gesammelten Daten werden anschließend anhand einer Aggrega-
tion verdichtet. Zur Gegenüberstellung der einzelnen Alternativen dient letztendlich
eine multikriterielle Bewertung der Technologien bzgl. Qualität, Flexibilität, Kosten
und technologischem Reifegrad (KRÖLL, 2007, S. 70–71). Aufgrund der eben er-
wähnten Normierung durch Transformationsfunktionen können sowohl quantitative
als auch qualitative Bewertungsgrößen berücksichtigt werden (KRÖLL, 2007, S. 141).
„So lässt sich aus einer Vielzahl von technologischen Möglichkeiten der Funktion-
2 Stand der Forschung 83
sumsetzung eine Erfolg versprechende, zu realisierende Technologiealternative de-
terminieren“ (KRÖLL, 2007, S. 71).
Bild 2.27: Vorgehensmodell zur Technologiebewertung nach KRÖLL, 2007, S. 69
Letztendlich hat KRÖLL mit seinem methodischen Konzept eine Möglichkeit entwi-
ckelt, wie Entscheidungen zur Auswahl von Technologiealternativen im Hinblick auf
eine ergebnisorientierte Produktentwicklung systematisch unterstützt werden kön-
nen. Das Konzept wurde zwar im Rahmen der Elektronik-Industrie erarbeitet, ist aber
aufgrund seines abstrakten Aufbaus auch auf andere Branchen übertragbar (KRÖLL,
2007, S. 140–141).
Analyse und Abbildung von Produktfunktionen
Abbildung alternativer Technologiemodelle
Umsetzung einer Technologiealternative
Modell zur
Technologiebeschreibung
Modell zur
Technologiebewertung
Funktionsmodell
Auswahl der Technologieelemente
Vernetzung & Spezifikation der Technologieelemente
Kriterienbewertung
Aggregation
Bewertungsergebnisse
84 3 Ableitung des Handlungsbedarfs
3 Ableitung des Handlungsbedarfs
In diesem Kapitel wird der konkrete Handlungsbedarf für die weiteren Ausführungen
dieser Arbeit abgeleitet. Dafür erfolgt zunächst eine allgemeine Kritik der vorgestell-
ten Methoden zur Technologiebewertung (vgl. Kapitel 2.5.2 & 2.5.3) gemäß grundle-
gender Erkenntnisse aus der Literatur. Im Anschluss werden jene Methoden noch
einer forschungsspezifischen Evaluierung hinsichtlich der anfangs der Arbeit darge-
legten Problemstellung und Zielsetzung (vgl. Kapitel 1.2 & 1.3) unterzogen. Dadurch
lassen sich konkrete Schwachstellen und Defizite im Methodenportfolio aufdecken,
die letztendlich zur Aufstellung von signifikanten Anforderungen an die zu entwi-
ckelnden Bewertungsmethoden führen.
3.1 Allgemeine Kritik der Methoden zur Technologiebewer-tung
Die einzelnen Methoden zur Technologiebewertung aus Kapitel 2.5.2 & 2.5.3, die
anhand gegenwärtiger Tendenzen in Wissenschaft und Praxis ausgewählt wurden,
sind allesamt durch charakteristische Stärken und Schwächen gekennzeichnet, die in
der forschenden Literatur bereits mehr oder weniger umfassend aufgearbeitet wur-
den. Diese charakteristischen Stärken und Schwächen werden dem Leser nachfol-
gend näher gebracht. Den integrativen Ansätzen zur Technologiebewertung mangelt
es dabei teilweise noch an handfesten Studien bzw. Untersuchungen über ihr Eig-
nungspotential, weshalb in diesem Zusammenhang vor allem auf die Hinweise der
Verfasser auf weiteren Optimierungsbedarf eingegangen wird.
Brainstorming & Trendextrapolation
Es wird deutlich, dass Methoden wie die Trendextrapolation oder das Brainstorming,
die sehr simpel konzipiert und nach ihrem methodischen Grundprinzip nur bedingt für
Bewertungszwecke ausgelegt sind, den komplexen Rahmenbedingungen und Anfor-
derungen einer zeitgemäßen Technologiebewertung nicht standhalten können (vgl.
Kapitel 2.5.2.1 & 2.5.2.5). Das Brainstorming als qualitative Methode beinhaltet dabei
weder methodische Operationalisierungselemente noch eine strukturierte Bewer-
tungssystematik. Ferner ist der Bewertungsprozess, da er allein dem Moderator ob-
liegt, sehr stark dessen Fähigkeiten und subjektiven Einschätzungen ausgesetzt
3 Ableitung des Handlungsbedarfs 85
(SCHNEIDER, 2002, S. 93–94). Die Trendextrapolation verarbeitet dagegen nur quanti-
tative Daten und ist demnach sehr einseitig konzipiert. Zudem unterliegen die Ergeb-
nisse der Trendprognosen aufgrund der Extrapolation von Vergangenheitswerten
sowie der statischen Randbedingungen oft einer gewissen Fehlerhaftigkeit, was eine
nachfolgende Bewertung auf Grundlage der verfälschten Prognosedaten nutzlos er-
scheinen lässt. Den sich stark verändernden Rahmenbedingungen im aktuell sehr
dynamischen Unternehmensumfeld kann die Trendextrapolation vor diesem Hinter-
grund nicht gerecht werden. Für komplexe und vielschichtige Fragestellungen im
Rahmen der Technologiebewertung ist die Methode heutzutage somit kaum noch
geeignet (KRÖLL, 2007, S. 40; LUDWIG, 1995, S. 59).
Nutzwert-Analyse & Relevanzbaumanalyse
Entscheidungs- oder grafentheoretische Instrumente wie die Nutzwert- oder Rele-
vanzbaumanalyse können Problemsituationen klar strukturieren und dabei helfen,
Handlungsalternativen gegeneinander abzuwägen. Ferner beinhalten sie auch we-
sentliche Elemente einer multikriteriellen Bewertung (vgl. Kapitel 2.5.2.2 & 2.5.2.3).
Die quantitativen Analyseelemente beider Methoden erweisen sich aus mathemati-
schen, mess- sowie entscheidungstheoretischen aber auch datentechnischen Grün-
den jedoch nicht immer als verlässlich (KRÖLL, 2007, S. 41, S. 43–44; LUDWIG, 1995,
S. 59, S. 61–62; SCHNEIDER, 2002, S. 144–145). Bei der Nutzwert-Analyse liegt die
Schwierigkeit insbesondere bei der objektiven Gewichtung der Bewertungskriterien
(LUDWIG, 1995, S. 61). Bei der Relevanzbaumanalyse ist dagegen problematisch,
„dass die Methode keine Operationalisierungsvorschläge bietet, wie die zur Baum-
konstruktion notwendigen Wissenselemente zu gewinnen sind“ (SCHNEIDER, 2002,
S. 145). Zudem ist die Auswahl der Handlungsalternativen subjektiven Einflüssen
ausgesetzt und die Prognose von zukünftigen, technologischen Entwicklungen nur
unzureichend in das methodische Konzept integriert (SCHNEIDER, 2002, S. 144–145).
Delphi-Studie
Mit Hilfe der Delphi-Studie lassen sich fachlich hochwertige, kollektive Expertenmei-
nungen über zukünftige technologische Entwicklungen bilden, indem Informationen
über Veränderungen im gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Kontext verarbei-
tet und bewertet werden (vgl. Kapitel 2.5.2.6). Die Qualität der Bewertung ist hier al-
lerdings durch einen möglichen Zweckoptimismus der Befragungsteilnehmer einge-
schränkt, da oftmals gesellschaftliche sowie marktseitige Widerstände aber auch ge-
nerelle Schwierigkeiten bei der Implementierung der technologischen Entwicklungen
in das Unternehmen unberücksichtigt bleiben. Auch kritische Meinungen einzelner
Experten können aufgrund der Konsensorientierung der Methode leicht vernachläs-
86 3 Ableitung des Handlungsbedarfs
sigt werden (SCHNEIDER, 2002, S. 97). Darüber hinaus ist es für eine hohe Ergebnis-
qualität von großer Bedeutung, die richtigen Experten mit dem notwendigen Fach-
wissen gezielt auszuwählen. In der Praxis erweist sich die Einschätzung von Exper-
ten im Voraus jedoch häufig als problematisch (LUDWIG, 1995, S. 58; SCHNEIDER,
2002, S. 98).
Portfolio-Analyse & Szenario-Analyse
Die beiden Methoden der Portfolio- und Szenario-Analyse bestechen durch ihre stra-
tegische Ausrichtung sowie stringenten Analyseschritte und schaffen somit eine gute
Grundlage zur Entscheidungsunterstützung (vgl. Kapitel 2.5.2.4 & 2.5.2.7). Aufgrund
der zweidimensionalen Bewertungskriterien ist die Portfolio-Analyse hinsichtlich der
Bewertungsqualität jedoch nur durchschnittlich ausgeprägt. Es besteht das Risiko,
dass relevante Daten bei der Verdichtung der Bewertungsinformationen auf nur zwei
Dimensionen verloren gehen. Dies wirkt sich vor allem auf die Aussagekraft der
Normstrategien aus, die auf Basis der zweidimensionalen Portfolios ausgerichtet
werden. Als nachteilig bzgl. der Bewertungsqualität erweisen sich auch die teils ab-
hängigen Bewertungskriterien, wie z.B. finanzieller Aufwand und Technologieattrakti-
vität (SCHNEIDER, 2002, S. 136–142). Die Szenario-Analyse ist dagegen wesentlich
flexibler ausgerichtet und ermöglicht eine sehr gute Unterstützbarkeit durch weitere
Methoden, Hilfsmittel oder Software-Tools. Besonders die systematische Integration
und Verarbeitung von qualitativen sowie quantitativen Daten aus unterschiedlichen
Einflussbereichen zu plausiblen und konsistenten Zukunftsannahmen schaffen eine
hervorragende Bewertungsgrundlage. Außerdem können vernetzte Zusammenhänge
zwischen den verschiedenen Einflussbereichen angemessen berücksichtigt werden
(SCHNEIDER, 2002, S. 153; ZERNIAL, 2007, S. 111). Für die endgültige Beurteilung der
erarbeiteten Szenarien im Hinblick auf die Entscheidungsfindung existiert allerdings
kein spezifisches bzw. fest vorgegebenes Bewertungsschema. Vielmehr erhält der
Anwender die Möglichkeit, auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Methoden und
Hilfsmittel zurückzugreifen und somit den Bewertungsprozess situationsspezifisch
anzupassen (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Anwender müssen sich jedoch des teils spekulati-
ven Charakters der Szenario-Analyse bewusst sein und auf das „Denken in Alternati-
ven“ einlassen (ZERNIAL, 2007, S. 111).
Ansatz nach HIERONYMUS, TINTELNOT & VON WICHERT-NICK
HIERONYMUS ET AL. legen ihr Bewertungsmodell anhand einer sukzessiven Einbin-
dung von Technologiefrüherkennung, -analyse und -prognose sehr zukunftsorientiert
aus (vgl. Kapitel 2.5.3.1). Die Ergebnisse der Bewertung, die über Technologie-
Portfolios ausgedrückt werden, fließen dabei direkt in die strategische Planung des
3 Ableitung des Handlungsbedarfs 87
Technologieeinsatzes ein. Derart wichtige Entscheidungen im Rahmen einer strate-
gischen Technologieplanung jedoch allein auf Elemente der Portfolio-Analyse zu
stützen, erscheint in Anbetracht der erwähnten Schwachstellen von Portfolio-
Darstellungen als fragwürdig. Hinweise zur weiteren, methodischen Ausgestaltung
und Operationalisierung der einzelnen Bewertungsschritte sind nach Angaben der
Verfasser dringend erforderlich (HIERONYMUS ET AL., 1996, S. 28; SCHNEIDER, 2002,
S. 32–33).
Ansatz nach BRANDENBURG
Der Ansatz von BRANDENBURG leistet einen Beitrag zur Problemlösung in den frühen
Phasen der Innovationsplanung von Produkten. Der Ansatz beinhaltet ein systemati-
sches Bewertungsmodell auf Basis entscheidungstheoretischer Algorithmen unter
dem Leitgedanken einer multikriteriellen Bewertung, so dass eine gute Bewertungs-
qualität und plausible Entscheidungsunterstützung bei der Auswahl von Produktideen
gewährleistet werden kann. Die Orientierung an künftigen Chancen und Potentialen
wird außerdem durch ein Zukunftsmodell ermöglicht, das die Gestaltungsbereiche
des Unternehmens analysiert (vgl. Kapitel 2.5.3.2). Die Methode unterstützt letztend-
lich eine offene Suche sowie systematische Umsetzung von neuen, aussichtsreichen
Produktideen in verschiedenen Gestaltungsbereichen des Unternehmens und fördert
gezielt die Erschließung technologischer Potentiale. Es wird allerdings deutlich, dass
der Fokus der Methode nicht auf einer klassischen Technologiebewertung liegt
(BRANDENBURG, 2002, S. 127).
Ansatz nach HALL
HALL rückt in seinem Ansatz den Aspekt der Ganzheitlichkeit in den Mittelpunkt.
Technologien werden dabei nicht nur einer kunden- bzw. marktseitigen Bewertung
unterzogen, sondern auch entsprechend ihrer charakteristischen Merkmale, ihres
Systemcharakters sowie ihrer Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft beurteilt
(vgl. Kapitel 2.5.3.3). Dem Ansatz mangelt es jedoch an Anhaltspunkten zur Gewich-
tung der einzelnen Bewertungskriterien. So muss dem Ansatz eine gleichgestellte
Betrachtung der Kriterien unterstellt werden, was die Eignung der Methode für eine
flexible Anwendung bei Bewertungsprojekten mit dynamischen Rahmenbedingungen
deutlich einschränkt. Auch wird einer zukunftsorientierten bzw. langfristigen Techno-
logiebetrachtung sowie einer konkreten Ausrichtung entlang eines geplanten Tech-
nologieeinsatzes innerhalb des methodischen Konzepts kaum Beachtung geschenkt.
Eine angemessene Unterstützung von Technologieentscheidungen kann somit nicht
gewährleistet werden (SCHNEIDER, 2002, S. 30–31).
88 3 Ableitung des Handlungsbedarfs
Ansatz nach KRÖLL
Der Ansatz von KRÖLL umfasst eine Methode zur Technologiebewertung für eine er-
gebnisorientierte Produktentwicklung. Die zu bewertenden Technologiealternativen
werden dabei als Technologiemodelle innerhalb eines geplanten Produkts hinsicht-
lich Qualität, Flexibilität, Kosten und technologischem Reifegrad systematisch beur-
teilt. Das Produkt wird dazu in ein Funktionsmodell überführt, das die Analyse von
Technologiealternativen unter Einhaltung der funktionalen Anforderungen des Pro-
dukts ermöglicht. Dieser enge Bezug zu einem geplanten Produkt und dessen Funk-
tionen führt zu einer deutlich verbesserten Entscheidungsunterstützung (vgl. Kapitel
2.5.3.4). Nichtsdestotrotz offenbart auch dieser Ansatz diverse Schwachstellen. Ver-
besserungspotential existiert insbesondere bzgl. einer verstärkten Systematisierung
der Methode durch ein entsprechendes Software-Tool sowie einer Verfeinerung des
Bewertungsprozesses. Auch die gezielte Erweiterung von Bewertungskriterien und
Beschreibungsmerkmalen der betrachteten Technologiealternativen ist in diesem
Zusammenhang zu nennen (KRÖLL, 2007, S. 141–143).
3.2 Forschungsspezifische Evaluierung der Methoden zur Technologiebewertung
Nachdem die vorgestellten Methoden zur Technologiebewertung zunächst einer all-
gemeinen Methodenkritik unterzogen wurden, folgt nun eine spezifische Evaluierung
im Sinne dieser Forschungsarbeit. Die konsultierten Bewertungsmerkmale sind dabei
so auszuwählen, dass einem Methodeneinsatz in der strategischen Produktplanung
unter Berücksichtigung der eingangs der Arbeit geschilderten Problemstellung (vgl.
Kapitel 1.2) und Zielsetzung (vgl. Kapitel 1.3) entsprechend Rechnung getragen wer-
den kann. Die Bewertungsmerkmale setzen sich daher wie folgt zusammen:
Technologieerfassung: Früherkennung, Datenintegration;
Objektbezug;
Bewertungsqualität: qualitative Analyse, quantitative Analyse, multikriterielle
Analyse;
Systematik: strukturiertes Konzept, Toolunterstützung.
Mit dem Merkmal der Technologieerfassung wird untersucht, inwieweit die einzelnen
Bewertungsmethoden eine frühzeitige Erfassung von Signalen über künftige techno-
logische Entwicklungen inkl. der dazugehörigen Daten und Informationen in ihr me-
thodisches Konzept integrieren. So lassen sich die Methoden hinsichtlich einer zu-
kunftsorientierten Ausrichtung sowie einer zweckmäßigen Datenerfassung und
3 Ableitung des Handlungsbedarfs 89
-integration beurteilen (vgl. Kapitel 1.2). Das Merkmal umfasst demnach die beiden
untergeordneten Eigenschaften der Früherkennung und Datenintegration. Mit der
Eigenschaft der Früherkennung soll gezeigt werden, ob die Bewertungsmethoden
entsprechende Analyseelemente beinhalten, die für eine systematische Technologie-
früherkennung (vgl. Kapitel 2.2.2.1 & 2.5.1) ausgelegt sind. Die Datenintegration be-
schreibt dagegen, inwiefern die Methoden eine zielgerichtete Verarbeitung (Zusam-
menführung von Bewertungsinformationen) der gesammelten, technologiespezifi-
schen Daten ermöglichen.
Das Merkmal des Objektbezugs liefert eine Aussage über die Ausrichtung der ein-
zelnen Methoden an einem konkreten Untersuchungsobjekt wie bspw. einem Pro-
dukt, in dessen Rahmen die alternativen Technologien hinsichtlich ihres Einsatzpo-
tentials bewertet werden sollen. Gerade für eine Technologiebewertung in der strate-
gischen Produktplanung ist dies entscheidend, da Technologien auf diese Weise
gemäß ihres zunehmend vernetzten Charakters und der Wechselwirkungen mit an-
deren Komponenten des betrachteten Produkts angemessen beurteilt werden kön-
nen. So lässt sich vermeiden, dass der Einsatz neuer Technologien als Folge einer
isolierten Technologiebewertung zu unbemerkten Unstimmigkeiten in der funktiona-
len Struktur des Produkts und somit zum Verlust der Funktionsfähigkeit führt (vgl.
Kapitel 1.2).
Die Untersuchung der Bewertungsqualität gibt Aufschluss darüber, inwiefern die Me-
thoden einerseits quantitative sowie qualitative Analyseelemente in ihren Bewer-
tungsablauf integrieren und andererseits den Anforderungen einer multikriteriellen
Bewertung gerecht werden. Beides sind wichtige Voraussetzungen für stichhaltige
und schlüssige Ergebnisse einer Technologiebewertung. Die Verknüpfung von quan-
titativen mit qualitativen Analyseelementen bei der Verarbeitung der Bewertungsin-
formationen führt dazu, dass die Schwachstellen einer einseitig ausgelegten Bewer-
tung entsprechend übergangen werden können (vgl. Kapitel 1.2). Ferner beseitigt die
Berücksichtigung von multikriteriellen Bewertungselementen die Schwierigkeiten ei-
ner intuitiven, unsystematischen Bewertung (vgl. Kapitel 2.4.2) anhand einer struktu-
rierten und objektiven Beurteilung von Alternativen hinsichtlich einer Vielzahl von
gewichteten Kriterien.
Abschließend zeigt das Merkmal der Systematik, ob den vorgestellten Methoden ein
strukturiertes sowie toolgestütztes Konzept zugrunde liegt, das eine praktikable An-
wendung im Unternehmen ermöglicht und evtl. auch rechnergestützt umsetzbar ist
(vgl. Kapitel 1.2). Die Eigenschaft des strukturierten Konzepts beschreibt dabei, in-
wieweit die Methoden durch einen systematischen und durchgängigen Ablauf ge-
kennzeichnet sind, der eine nachvollziehbare Handhabung durch den Anwender ge-
90 3 Ableitung des Handlungsbedarfs
währleistet. Mit der Eigenschaft der Toolunterstützung wird dagegen ausgedrückt, in
welchem Maß die Vorgehensweise der einzelnen Methoden durch den Einsatz weite-
rer Methoden, Hilfsmittel oder Software-Tools unterstützt bzw. modifiziert werden
kann.
Bild 3.1 liefert vor diesem Hintergrund eine Übersicht über die entsprechenden
Merkmalsausprägungen für die betrachteten Methoden zur Technologiebewertung.
Nachfolgend wird noch einmal im Detail auf die Stärken und Schwächen der Metho-
den hinsichtlich der einzelnen Bewertungsmerkmale eingegangen.
Bild 3.1: Evaluierung der vorgestellten Methoden zur Technologiebewertung
Hinsichtlich einer zweckmäßigen Technologieerfassung existieren erkennbare
Schwachstellen im Methoden-Portfolio. Während die Erfassung und Verarbeitung der
technologiespezifischen Daten mit dem Großteil der Methoden noch angemessen
umgesetzt werden kann, wird einem frühzeitigen Erkennen von zukunftsrelevanten
technologischen Entwicklungen nur spärlich Folge geleistet. Die Gründe liegen hier
Ausprägungen:
Tech
no
log
ieerf
assu
ng
Ob
jektb
ezu
g
Bew
ert
un
gsq
ualitä
t
Syste
mati
k
Frü
herk
ennung
Da
tenin
tegra
tion
Qualit
ative A
naly
se
Quantita
tive A
naly
se
Multik
rite
rielle
Analy
se
Str
uktu
rie
rtes K
onzept
Toolu
nte
rstü
tzung
Trendextrapolation
Nutzwert-Analyse
Relevanzbaumanalyse
Portfolio-Analyse
Brainstorming
Delphi-Studie
Szenario-Analyse
Ansatz nach HIERONYMUS ET AL.
Ansatz nach BRANDENBURG
Ansatz nach HALL
Ansatz nach KRÖLL
nicht bis kaum ausgeprägt
moderat ausgeprägt
stark ausgeprägt
3 Ableitung des Handlungsbedarfs 91
zum einen bei einer mangelnden Einbindung von Elementen der Technologiefrüher-
kennung in die methodischen Abläufe, zum anderen bei Problemen einer „zeitlich
und inhaltlich flexible(n, Anm. des Verf.) Zuordnung von bewertungsrelevanten Da-
ten, und unterschiedliche(n, Anm. des Verf.) Sicherheits- und Genauigkeitsgrade(n,
Anm. des Verf.) bei der Informationsbeschaffung und -auswertung“ (KRÖLL, 2007,
S. 50). Die Szenario-Analyse sowie der Ansatz nach BRANDENBURG erfüllen dieses
Kriterium noch am ehesten. Die Szenario-Analyse, die generell auch im Rahmen der
Technologiefrüherkennung eingesetzt werden kann, trägt diesem Umstand vor allem
aufgrund ihrer zukunftsorientierten Auslegung Rechnung (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Man
zielt dabei aber weniger auf die gezielte Suche nach neuen Technologien ab, son-
dern vielmehr auf die Erfassung und Verarbeitung von Trends zu konsistenten Sze-
narien, die „plausible Annahmen über zukünftige Entwicklungen“ von Technologien
liefern können (SCHNEIDER, 2002, S. 153). Die Methode von BRANDENBURG erlaubt
durch die Integration eines Zukunfts- und Informationsmodells eine ausgesprochen
gute Beschaffung und Verarbeitung von Informationen über zukünftige Chancen und
Potentiale. Jedoch liegt der Fokus dabei nicht konkret auf technologiespezifischen
Informationen für eine nachfolgende Technologiebewertung (vgl. Kapitel 2.5.3.2).
Insgesamt besteht also dringender Handlungsbedarf hinsichtlich einer verstärkten
Integration von Elementen der Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel 2.5.1) in zeit-
gemäße Bewertungskonzepte.
In Bezug auf die Bewertungsqualität sind deutliche Unterschiede im Methoden-
Portfolio zu erkennen. Als positiv ist zu erwähnen, dass – abgesehen von den Me-
thoden der Trendextrapolation und des Brainstormings – sämtliche Methoden sowohl
quantitative als auch qualitative Analyseelemente beinhalten. Diese werden vom
Großteil der Methoden jedoch in vereinfachte Bewertungsmodelle integriert, um so-
mit eine scheinbare Vergleichbarkeit zwischen den bewertungsrelevanten Größen zu
schaffen und den Bewertungsvorgang deutlich zu vereinfachen. Dadurch geht ein
wesentliches Maß an Bewertungsqualität verloren (KRÖLL, 2007, S. 51–52; LUDWIG,
1995, S. 31–32). Lediglich die Szenario-Analyse sowie die Ansätze nach BRANDEN-
BURG und KRÖLL (vgl. Kapitel 2.5.2.7, 2.5.3.2 & 2.5.3.4) verfügen über sehr ausgefeil-
te Analyseschritte, die eine systematische und wesensgerechte Verarbeitung der
Bewertungsinformationen gewährleisten. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die
Szenario-Analyse für die endgültige Bewertung keinen spezifischen Bewertungsan-
satz vorgibt, sondern eher Möglichkeiten liefert, den Bewertungsprozess durch den
Einsatz unterschiedlicher Methoden und Hilfsmittel situationsspezifisch anzupassen.
Ferner liegt bei BRANDENBURG der Fokus, wie bereits erwähnt, nicht konkret auf der
Bewertung von Technologien, weshalb diesem Ansatz trotz seines hohen Potentials
nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Neben Methoden wie der Nutzwert-
92 3 Ableitung des Handlungsbedarfs
Analyse (vgl. Kapitel 2.5.2.2) und bedingt auch der Relevanzbaumanalyse (vgl. Kapi-
tel 2.5.2.3) sowie Portfolio-Analyse (vgl. Kapitel 2.5.2.4) schenken besonders die in-
tegrativen Methoden zur Technologiebewertung dem Leitgedanken einer multikriteri-
ellen Bewertung Beachtung. Dieser Umstand verdeutlicht, dass eine multikriterielle
Bewertung gerade aufgrund der Vielzahl von aktuell zu berücksichtigenden Kriterien
aus dem Unternehmensumfeld sowie dem Unternehmen selbst immer mehr an Be-
deutung gewinnt und in zeitgemäßen Bewertungsmethoden zwingend eingebunden
werden muss (vgl. Kapitel 2.4.2).
Gerade vor dem Hintergrund, dass die Technologiebewertung im Rahmen der stra-
tegischen Produktplanung als Vorbereitung für eine zukunftsorientierte Produktent-
wicklung immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird deutlich, dass die Ausrichtung der
Methoden an konkreten Objekten bzw. Produkten nur unzureichend ausgeprägt ist.
Lediglich die Szenario-Analyse und der Ansatz nach KRÖLL ermöglichen eine Be-
rücksichtigung der funktionalen Verknüpfung von Technologien mit dem umgeben-
den System bzw. Produkt und umgehen somit eine isolierte Betrachtung von Tech-
nologien. Bei der Szenario-Analyse lassen sich solche Wirkungsbeziehungen bspw.
anhand der Einflussanalyse untersuchen und darstellen (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Noch
präziser geht dagegen KRÖLL vor, der die Vernetzung sämtlicher Technologien eines
Produkts über ein Funktionsmodell abbildet (vgl. Kapitel 2.5.3.4). Den übrigen Me-
thoden mangelt es aber an einer solch produktbezogenen Betrachtung, die gerade
für eine Bewertungsmethode zur Unterstützung von Technologieentscheidungen in
der strategischen Produktplanung eine wichtige Voraussetzung darstellt.
Die vorgestellten Methoden sind allesamt durch eine strukturierte Vorgehensweise
gekennzeichnet. Dennoch kann eine angemessene tool- bzw. rechnergestützten
Ausgestaltung der Methoden nur bedingt als erfüllt betrachtet werden. Insbesondere
die Methode des Brainstormings, die qualitativ ausgerichtet ist und sich hauptsäch-
lich auf eine interaktive Vorgehensweise stützt, wird diesem Kriterium nicht gerecht
(vgl. Kapitel 2.5.2.5). Die übrigen Methoden, die auch quantitative Analyseelemente
beinhalten, sind in ihrer Anwendung dagegen leichter durch diverse, rechnergestütz-
te Tools zu untermauern und entsprechend der heutzutage stark technisierten und
standardisierten Arbeitsabläufe in Unternehmen zu systematisieren. Bis auf die Sze-
nario-Analyse gibt allerdings kaum eine Methode ausreichend Hinweise auf eine
phasenspezifische Unterstützung oder Modifizierbarkeit durch weitere Methoden
bzw. Hilfsmittel. Dementsprechend flexibel erweist sich die Szenario-Analyse in ihrer
Anwendbarkeit gegenüber den anderen Methoden, gerade was den Detailgrad oder
den Zweck des Untersuchungsvorhabens betrifft (ZERNIAL, 2007, S. 111). Letzten
Endes existiert aber auch hier sichtlicher Handlungsbedarf, wie einzelne Methoden
3 Ableitung des Handlungsbedarfs 93
etwa durch den Einsatz weiterer Methoden, Hilfsmittel oder Software-Tools unter-
stützt bzw. modifiziert werden können.
3.3 Konkreter Handlungsbedarf
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nicht die „ideale“ Methode zur Technolo-
giebewertung existiert. Vielmehr ist unter diesen Umständen eine Kombination von
unterschiedlichen Bewertungsansätzen gemäß ihrer Stärken und Zweckmäßigkeiten
zu empfehlen, um letztendlich technologische Entwicklungen systematisch erschlie-
ßen sowie bewerten zu können und damit eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu
schaffen (SCHNEIDER, 2002, S. 166–167). Vor diesem Hintergrund ergeben sich für
die anschließende Erarbeitung der Methode zur Technologiebewertung für eine zu-
kunftsorientierte Produktentwicklung folgende, signifikante Anforderungen:
Erarbeitung eines strukturierten, toolgestützten Vorgehensmodells für eine
einfache praktische Umsetzung in Unternehmen durch Verknüpfung eigens
entwickelter Analyseelemente mit geeigneten Analyseelementen aus dem
vorgestellten Methoden-Portfolio (vgl. Kapitel 2.5.2 & 2.5.3);
Integration von Elementen der Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel 2.5.1)
in das methodische Konzept zur Gewährleistung einer umfassenden Beschaf-
fung und Verarbeitung von Informationen über zukunftsrelevante technologi-
sche Entwicklungen;
Produktspezifische Auslegung der Methode für eine zielgerichtete Analyse
und Bewertung von Technologien unter Berücksichtigung ihrer funktionalen
Wechselwirkungen im betrachteten Produkt;
Systematische und multikriterielle Bewertung der Technologiealternativen
über quantitative sowie qualitative Analyseelemente zur Sicherstellung aussa-
gekräftiger Bewertungsergebnisse.
94 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewer-tung
Die Erarbeitung der Bewertungsmethode in diesem Kapitel orientiert sich strikt an
den hergeleiteten Anforderungen aus Kapitel 3.3, so dass den eingangs der Arbeit
geschilderten Problembereichen im Rahmen einer methodisch gestützten Technolo-
giebewertung (vgl. Kapitel 1.2) Rechnung getragen sowie die übergeordnete Zielset-
zung (vgl. Kapitel 1.3) erreicht werden kann. Die Bewertungsmethode ist auf einen
Einsatz in der strategischen Produktplanung ausgelegt und ermöglicht somit eine
frühzeitige, technologiebezogene Anpassung bzw. Weiterentwicklung eines beste-
henden Produkts im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Produktentwicklung. Mit
ihrer Anwendung sollen systematisch Technologieentscheidungen unterstützt wer-
den, die auf den Einsatz zukunftssicherer Technologien aus einem spezifischen
Suchfeld in künftigen Produktlösungen abzielen. Die gewonnenen, technologischen
Erkenntnisse liefern dem Unternehmen dabei wichtige Indizien für mögliche Varian-
ten- bzw. Änderungskonstruktionen oder sogar Neukonstruktionen (vgl. Kapitel
2.3.1). Das Konzept der Bewertungsmethode stützt sich in der Folge auf drei wesent-
liche Leitmotive:
Systemische Exploration zur Erforschung der Produkthistorie als Ausgangs-
punkt für die Ableitung von Systemtrends sowie die darauf aufbauende Erstel-
lung suchfeldspezifischer Szenarien zur Erfassung technologiespezifischer
Signale;
Bestimmung von potentiellen Technologieoptionen unter Berücksichtigung der
technologiespezifischen Signale;
Multikriterielle Bewertung der Technologieoptionen hinsichtlich Technologie-
potential, Zukunftspotential sowie deren Realisierbarkeit durch das Unterneh-
men.
Um diesen Leitmotiven gleichzukommen, beinhaltet die Bewertungsmethode ausge-
wählte Elemente einer methodisch gestützten Technologiefrüherkennung (vgl. Kapi-
tel 2.5.1) sowie einzelne Bausteine der vorgestellten Methoden zur Technologiebe-
wertung (vgl. Kapitel 2.5.2 & 2.5.3), die der kritischen Beurteilung aus Kapitel 3.1 &
3.2 standhalten. Diese werden zusammen mit eigens entwickelten Analyseelemen-
ten zu einem systematischen, methodischen Grundkonzept verknüpft, das im Fol-
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 95
genden mit seinen wesentlichen Analyseelementen vorgestellt und schematisch in
den Ablauf der strategischen Produktplanung integriert wird. Anschließend erfolgen
eine detaillierte Schilderung von Aufbau, Inhalt und Vorgehen in den einzelnen Pha-
sen und Ablaufschritten der Methode sowie die Vorstellung des Software-Tools zur
phasenspezifischen Unterstützung.
4.1 Grundkonzept der Bewertungsmethode
Das Grundkonzept der Bewertungsmethode orientiert sich an den eben erwähnten
Leitmotiven, die schließlich mit eigenen Methodenbausteinen sowie passenden Ana-
lyseelementen bewährter Methoden zur Technologiefrüherkennung und -bewertung
zu einem durchgängigen, methodischen Grundkonzept auszugestalten sind. Die auf-
einander aufbauenden Leitmotive werden mit samt ihrer methodischen Ausgestal-
tung nachfolgend erläutert.
Leitmotiv I - Systemische Exploration
Das Leitmotiv der systemischen Exploration dient dazu, den Systemcharakter des
betrachteten Produkts herauszuarbeiten und die Grundvoraussetzung zu schaffen,
um potentielle Technologieoptionen in einem festgelegten, produktspezifischen
Suchfeld unter Berücksichtigung ihrer funktionalen Wechselwirkungen zu den übri-
gen Komponenten des Produkts zielgerichtet identifizieren und nachfolgend bewer-
ten zu können. In einem Trendmodell ist dafür zunächst eine Analyse der histori-
schen Entwicklung der Systemkomponenten – bestehend aus dem Suchfeld, den
übrigen Komponenten eines Produkts sowie technischen Systemen, mit denen das
Produkt in Kontakt steht – vorzunehmen, um darauf aufbauend Entwicklungstrends
im Produkt und dessen Umfeld (Systemtrends) identifizieren zu können. Aufbauend
auf das Trendmodell werden in der Folge schlüssige Entwicklungsszenarien für das
Suchfeld erarbeitet. Dadurch soll ein nachvollziehbarer und möglichst konsistenter
Zukunftsraum beschrieben werden, der Aufschluss über signifikante Evolutionslinien
bzw. neue technologische Trends im Suchfeld gibt und eine plausible Basis für die
Einstufung des Zukunftspotentials von Technologieoptionen schafft.
Methodisch unterstützt wird dieses Leitmotiv insbesondere durch ausgewählte, modi-
fizierte Bestandteile der TRIZ-Methodik und der Szenario-Analyse, die ähnlich der
Vorgehensweise einer Directed Evolution™ miteinander verknüpft werden (vgl. Kapi-
tel 2.5.1.4). Aufbauend auf eine retrospektive Systemanalyse sowie wissenschaftlich
nachgewiesene Entwicklungstrends eines technischen Systems lassen sich dadurch
potentielle Entwicklungsrichtungen von Produkt und Suchfeld in der Zukunft aufzei-
96 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
gen. Besonders TRIZ-Werkzeuge eignen sich aufgrund ihrer Orientierung an den
Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten der technischen Evolution sowie der systemi-
schen Betrachtungsweise sehr gut dazu, Trends in einem technischen System auf-
zuzeigen und neue technologische Erkenntnisse unter Berücksichtigung der funktio-
nalen Zusammenhänge im Produkt zu sammeln (vgl. Kapitel 2.5.1.4). Anhand einer
systematischen und konsistenten Verarbeitung von qualitativen sowie quantitativen
Daten zu plausiblen Zukunftsbildern können mit der Szenario-Analyse anschließend
Wege aufgezeigt werden, wie sich das betrachtete Suchfeld unter dem Einfluss der
verschiedenen Systemtrends künftig gestalten könnte (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Neben
der Forderung nach einer Einbindung von Elementen der Technologiefrüherkennung
kann somit auch einer produktspezifischen Auslegung der Methode sowie einer sys-
tematischen und wesensgerechten Aufbereitung von Daten und Informationen als
Fundament für eine aussagekräftige Technologiebewertung Rechnung getragen
werden.
Als notwendige Vorbereitungsmaßnahme der systemischen Exploration ist allerdings
erst eine systemtechnische Strukturierung des betrachteten Produkts notwendig, bei
der das Suchfeld als Systemkomponente festgelegt und die übrigen Systemkompo-
nenten im Produkt sowie dessen Umfeld bestimmt werden. Dabei wird sich am klas-
sischen TESE-Gesetz zur Vollständigkeit der Systemkomponenten (vgl. Kapitel
2.5.1.4) orientiert, das jedem technischen System vier grundlegende Komponenten-
typen (Ausführungsteil, Übertragungsteil, Energiequelle, Kontrollteil) zuschreibt, die
sowohl Bestandteil des Systems selbst als auch Teil dessen Umfeld sein können und
das funktionale Fundament für die Lebensfähigkeit des Systems schaffen. Wird im
Übertragungsteil ferner noch zwischen Energie-, Stoff- und Informationsfluss diffe-
renziert, so erhält man eine zusätzliche Möglichkeit zur Spezifizierung der System-
komponenten (GRAWATSCH, 2005, S. 68–69).
Mit dem Grundgerüst des System Operators lässt sich in der Folge ein produktspezi-
fisches Trendmodell gestalten, das auf systematische Weise eine übersichtliche Ana-
lyse der historischen Entwicklung der identifizierten Systemkomponenten mit Folge-
rung auf Trends (Systemtrends) bzw. künftige Weiterentwicklungen zulässt (vgl. Ka-
pitel 2.5.1.4). Unterstützt wird die Ermittlung der Systemtrends und potentiellen Wei-
terentwicklungen durch eine produktspezifische Analyse bzw. Projektion der erwei-
terten TESE (vgl. Anhang A).
Die Erstellung der suchfeldspezifischen Szenarien auf Basis des Trendmodells orien-
tiert sich in der Folge an den wesentlichen Ablaufschritten der Szenario-Analyse
nach GAUSEMEIER ET AL. (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Das Trendmodell fungiert dabei als
Datengrundlage für das Szenariofeld, in dem die aufbereiteten Systemtrends zu po-
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 97
tentiellen Einflussgrößen (Deskriptoren) für die Weiterentwicklung des Produkts über-
führt werden. Auch externe Trends mit potentiellem Einfluss auf das Produkt (Markt,
Politik, Gesellschaft, Umwelt) sind dabei zu berücksichtigen und über einschlägige
Trendliteratur zu erfassen. Aus diesem Pool an Deskriptoren werden markante
Schlüsseldeskriptoren identifiziert, die die künftige Entwicklung des Suchfelds am
stärksten beeinflussen, und zu möglichen Zukunftsprojektionen fortgeschrieben. Ab-
schließend werden konsistente Zukunftsprojektionen gebündelt und zu plausiblen
Szenarien verarbeitet. Zur Gewährleistung einer fundierten Datenbasis für die weite-
ren Untersuchungen sind die Szenarien präzise, nachvollziehbar und vollständig zu
beschreiben. Besonderer Fokus liegt dabei auf den Forderungen, die die einzelnen
Szenarien an die Technologieentwicklung im Suchfeld stellen. Diese liefern wichtige
Signale über signifikante Evolutionslinien bzw. technologische Trends als Vorberei-
tung auf die nachfolgende Suche nach Technologieoptionen.
Leitmotiv II – Bestimmung von Technologieoptionen
Die Basis des zweiten Leitmotivs zur Bestimmung von Technologieoptionen bildet
die Technologieentwicklung im Suchfeld, die anhand der retrospektiven Systemana-
lyse im Trendmodell bereits erfasst und über die erweiterten TESE sowie die Erstel-
lung der suchfeldspezifischen Szenarien in die Zukunft fortgeschrieben wurde. Ange-
lehnt an den typischen Zweck und Ablauf der Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel
2.2.2.1) sind hier die erfassten Signale über technologische Trends bzw. signifikante
Evolutionslinien entsprechend zu verdichten, so dass gezielt auf neue technologi-
sche Potentiale geschlossen werden kann. Neben neu identifizierten Technologieop-
tionen im Suchfeld sind in der Folge auch die gegenwärtig eingesetzten Technolo-
gieoptionen zu berücksichtigen und datentechnisch zu beschreiben. So kann bei der
nachfolgenden Bewertung beurteilt werden, ob sich ein radikaler Sprung von bewähr-
ten auf neue Technologien für das Unternehmen überhaupt lohnen würde.
Die nach diesem Leitmotiv geforderte Verdichtung der technologiespezifischen Sig-
nale im Suchfeld und die gezielte Suche nach neuen Technologieoptionen stützen
sich methodisch auf zwei aufeinander aufbauende Lösungswege. Der kreative Weg
kommt bereits bei der Erstellung der suchfeldspezifischen Szenarien zum Tragen, in
denen die signifikanten Evolutionslinien bzw. technologischen Trends wichtige Hin-
weise für die Suche nach neuen Technologieoptionen liefern. Der in diesem Leitmo-
tiv manifestierte, analytische Weg impliziert darauf aufbauend die Verwendung von
klassischen Methoden zur Technologiefrüherkennung wie Patentanalysen (vgl. Kapi-
tel 2.5.1.2), Expertengespräche (vgl. Kapitel 2.5.1.1) oder die Analyse forschungs-
spezifischer Literatur. Auf diese Weise können die technologiespezifischen Signale
durch die Sammlung „greifbarer“ Informationen über neue Technologien verdichtet
98 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
und einer Bewertung zugänglich gemacht werden. Um ferner auch eine gewisse
Ordnung und Vergleichbarkeit zwischen den identifizierten Technologieoptionen her-
zustellen, das Technologieverständnis zu fördern und eine ausreichende Informati-
onsgrundlage zu schaffen, ist abschließend eine umfassende Beschreibung der
Technologien hinsichtlich Funktionsweise sowie inhaltlichen, qualitativen, zeitlichen,
ökonomischen und personellen Merkmalen zu tätigen (vgl. Kapitel 2.1.2).
Leitmotiv III – Multikriterielle Technologiebewertung
Nach dem dritten Leitmotiv ist abschließend eine multikriterielle Bewertung durchzu-
führen, die eine kombinierte Potentialbestimmung für die im Suchfeld bestimmten
Technologieoptionen hinsichtlich der Dimensionen Technologiepotential, Zukunftspo-
tential und Unternehmenspotential erlaubt. Die Beurteilung des Technologiepotenti-
als ermöglicht dabei eine Aussage, inwieweit die einzelnen Technologieoptionen die
grundlegenden Anforderungen an das Suchfeld erfüllen können, die sich wiederum
aus funktionalen Anforderungen des Produkts, kunden- sowie unternehmensspezifi-
schen Anforderungen zusammensetzen. Demgegenüber beschreibt die Dimension
des Unternehmenspotentials, inwieweit das Unternehmen über das Potential verfügt,
die entsprechenden Technologieoptionen tatsächlich auch umsetzen zu können. Das
Zukunftspotential wird letzten Endes an ausgewählten Zukunftskriterien sowie dem
Erfüllungspotential hinsichtlich der erarbeiteten Szenarien gemessen.
Die Bewertung der relevanten Technologieoptionen stützt sich methodisch auf den
Kernaspekt einer multikriteriellen Bewertung, so dass entsprechend der Anforderun-
gen an eine zeitgemäße Technologiebewertung mehrere Alternativen unter Berück-
sichtigung einer Vielzahl von Kriterien möglichst objektiv beurteilt werden können
(vgl. Kapitel 2.4.2). Dafür ist es wichtig, dass das Grundgerüst der produkt-, kunden-
sowie unternehmensspezifischen Bewertungskriterien zur Bestimmung des Techno-
logiepotentials in enger Absprache mit Interessensgruppen des Unternehmens (Ent-
wicklung, Fertigung etc.) festgelegt wird. Die Kriterien zur Bestimmung von Unter-
nehmens- und Zukunftspotential werden dagegen fest vorgegeben. Das Bewer-
tungsmodell selbst besteht in der Folge aus Bewertungsmatrizen, in denen die jewei-
ligen Teilpotentiale der einzelnen Technologieoptionen hinsichtlich der gewichteten
Bewertungskriterien bestimmt werden. Hierbei wird sich am Prinzip der Nutzwert-
Analyse orientiert, so dass sich Technologie-, Zukunfts- und Unternehmenspotential
der jeweiligen Technologieoptionen letztendlich über eine Aggregation der entspre-
chenden Teilpotentiale ermitteln lassen (vgl. Kapitel 2.5.2.2). Die relative Gewichtung
der Kriterien wird über einen paarweisen Vergleich ermittelt (vgl. Kapitel 2.4.2) und
orientiert sich an den vermittelten Wertvorstellungen bzw. Präferenzen der Interes-
sensgruppen. Anhand der aggregierten Potentiale lassen sich die einzelnen Techno-
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 99
logieoptionen zusammenfassend in einer modifizierten, dreidimensionalen Portfolio-
Matrix darstellen, um eine entsprechende Ableitung von konkreten Handlungsemp-
fehlungen vornehmen und gezielt auf Technologieentscheidungen vorbereiten zu
können.
Vor dem Hintergrund, dass sich die wesentlichen Eckpfeiler der Bewertungsmethode
auf Elemente der TRIZ-Methodik, Szenario-Analyse sowie multikriteriellen Bewertung
stützen, wird die Methode als TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung be-
titelt. Deren prozessuales Ablaufschema, das die vorgestellten und methodisch aus-
gestalteten Leitmotive miteinander verknüpft, wird in Bild 4.1 veranschaulicht und
umfasst vier Phasen mit spezifischen Ablaufschritten. Für eine praktikable und re-
produzierbare Anwendung der Bewertungsmethode wird mit der Software Microsoft
Office Excel außerdem ein strukturiertes und nachvollziehbares Tool erstellt, das den
Anwender bei der Ausführung der Methode phasenspezifisch unterstützt.
Bild 4.1: Prozessuales Ablaufschema der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung
Technologieidentifikation
Beschreibung der Technologieoptionen
Bestimmung von
Technologieoptionen
Ableitung von Handlungsempfehlungen
Multikriterielle Bewertung
Aufbereitung der BewertungskriterienMultikriterielle
Technologiebewertung
Untersuchungsrahmen
Systemtechnische Strukturierung
Vorbereitungsphase
Gestaltung des Trendmodells
Erstellung des Szenariofelds
Einflussanalyse
Erstellung von Zukunftsprojektionen
Szenariobildung
Systemische
Exploration
100 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Die erste Phase bildet die Vorbereitungsphase, in der zunächst der Untersuchungs-
rahmen festgelegt wird. Dabei wird die Problemstellung geklärt, die Zielsetzung ab-
geleitet sowie das zu untersuchende Produkt und Suchfeld festgelegt. Abschließend
erfolgt die systemtechnische Strukturierung des Produkts für eine funktionale Einord-
nung des Suchfelds als Systemkomponente sowie zur Bestimmung der übrigen Sys-
temkomponenten gestützt durch das klassische TESE-Gesetz zur Vollständigkeit der
Systemkomponenten.
Die zweite Phase umfasst die systemische Exploration. Aufbauend auf das Prinzip
des System Operators erfolgt hier die Gestaltung eines Trendmodells über eine sys-
tematische, retrospektive Analyse der historischen Evolution der Systemkomponen-
ten mit Schlussfolgerung auf signifikante Systemtrends. Begünstigt wird die Identifi-
kation der Systemtrends durch eine produktspezifische Analyse bzw. Projektion der
erweiterten TESE. Angelehnt an die Szenario-Analyse wird nachfolgend das Szena-
riofeld erstellt. Dafür werden die Systemtrends in produktspezifische Deskriptoren
überführt und um externe Deskriptoren aus den Bereichen Markt, Politik, Gesell-
schaft sowie Umwelt mit potentiellem Einfluss auf die Weiterentwicklung des Pro-
dukts ergänzt. Es folgt eine Einflussanalyse zur Identifikation der markanten Schlüs-
seldeskriptoren, die Erstellung von Zukunftsprojektionen sowie deren Bündelung zu
konsistenten, suchfeldspezifischen Szenarien.
Die dritte Phase dient der Bestimmung der zu bewertenden Technologieoptionen im
Suchfeld. Neben den bereits eingesetzten Technologieoptionen sind dabei gezielt
auch neue technologische Lösungen zu identifizieren, die den technologiespezifi-
schen Signalen aus der systemischen Exploration folgen. Methodisch zu unterstüt-
zen ist die Suche nach neuen Technologieoptionen durch kreative Anreize aus den
erarbeiten Szenarien sowie durch klassische Recherche- bzw. Früherkennungsin-
strumente wie Patentanalyse, Expertengespräche oder forschungsspezifische Litera-
tur. Abschließend sind die für die weitere Untersuchung relevanten Technologieopti-
onen im Hinblick auf die nachfolgende Bewertung datentechnisch zu beschreiben.
Die finale Phase bildet die multikriterielle Bewertung der identifizierten Technologie-
optionen zur Bestimmung von Technologie-, Zukunfts- und Unternehmenspotential.
Eine systematische Aufbereitung des Grundgerüsts an Bewertungskriterien zur voll-
ständigen Festlegung sowie anschließenden Gewichtung erweist sich an dieser Stel-
le als unabdingbar. Schlussendlich runden die Durchführung der multikriteriellen Be-
wertung sowie die Ableitung der Handlungsempfehlungen auf Basis der gewonnenen
Bewertungsergebnisse das methodische Konzept ab.
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 101
Um den Anwendungsbereich der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewer-
tung klar abzustecken, ist die Methode abschließend in den Ablauf der strategischen
Produktplanung einzuordnen (vgl. Kapitel 2.3.1). Wie in Bild 4.2 dargestellt, ist der
Ausgangspunkt einer Anwendung in der Phase zur Aufstellung der Suchstrategien zu
finden. Hier wird auf Basis einer umfassenden Analyse der aktuellen Situation auf
dem Markt, im Unternehmensumfeld und im Unternehmen selbst ein konkreter Hand-
lungsbedarf aufgedeckt, der auf eine frühzeitige, technologiebezogene Anpassung
bzw. Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts zur Eroberung zukünftiger
Märkte abzielt. Die zukunftsorientierte Auslegung der Methode ermöglicht in der Fol-
ge neben der Analyse von technologischen Entwicklungen im Suchfeld auch die Be-
rücksichtigung von potentiellen Entwicklungsrichtungen der übrigen Komponenten
des Produkts. Zusätzlich zur Identifikation und Bewertung von bestehenden sowie
neuen technologischen Lösungen innerhalb eines spezifischen Suchfelds kann durch
die Erarbeitung der suchfeldspezifischen Szenarien unter dem Einfluss der wesentli-
chen Systemtrends im Produkt also auch zu völlig neuen Produktlösungen angeregt
werden, die als wesentliche Grundlagen für mögliche Varianten- bzw. Änderungs-
konstruktionen oder gar Neukonstruktionen dienen. Die Anwendung der Methode
kann demnach als paralleler bzw. stellvertretender Schritt zum Finden und Auswäh-
len von Produktideen betrachtet werden.
Bild 4.2: Integration der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung in die strategische
Produktplanung
1 – Analyse der Situation
2 – Aufstellen von Suchstrategien
3 – Finden von Produktideen
4 – Auswahl von Produktideen
5 – Definieren von Produkten
6 – Umsetzungsplanung
7 – Klären und Präzisieren der Aufgabe
Entwickeln & Konstruieren
Pro
du
ktp
lan
un
g
Situationsanalyse
Suchfeldvorschlag
Produktideen
ausgewählte Produktideen
Produktvorschläge
Umsetzungsplan
Entwicklungsauftrag
Anforderungsliste
Markt, Umfeld, Unternehmen
TRIZ-basierte Szenario-Bewertung
Handlungsbedarf
Technologieentscheidung
Output
Input
102 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Die der Methodenanwendung nachgelagerte Technologieentscheidung mündet somit
direkt in die Phase zur Definition von Produkten, in der auf Basis der gewonnenen,
technologischen Erkenntnisse modifizierte oder gar neue Produktvorschläge erarbei-
tet werden können. Spätestens hier sind verstärkt auch andere Unternehmensabtei-
lungen wie die F&E, das Marketing, der Vertrieb und speziell die Konstruktion einzu-
binden, damit möglichst neutrale und auch realisierbare Produktvorschläge entste-
hen können (PAHL ET AL., 2007, S. 119). In der nachfolgenden Phase der Umset-
zungsplanung muss letztendlich ein dynamischer Plan erstellt werden, in dem man
kurz-, mittel- bis langfristige Entwicklungsziele und notwendige Maßnahmen für die
Umsetzung der erfolgversprechenden Produktvorschläge festlegt (PAHL ET AL., 2007,
S. 120). Hierbei ist insbesondere die Planung und Umsetzung eines erfolgreichen
Technologietransfers zu nennen, der die Überführung der benötigten technologi-
schen Lösungen aus externen oder internen Forschungseinrichtungen in die operati-
ven Bereiche sicherstellt (ZAHN, 1995, S. 24).
4.2 Phasen der Bewertungsmethode
„Das Erfassen und Sammeln von Daten bzw. Impulsen von außen, also aus dem
Markt und dem sonstigen Umfeld, als auch aus dem Unternehmen selbst ist die we-
sentliche Voraussetzung für eine zielgerichtete Produktplanung“ und somit auch der
Auslöser für eine zukunftsorientierte Produktentwicklung (PAHL ET AL., 2007, S. 105).
Die Erfassung solcher Daten und Impulse im Rahmen einer umfassenden Situati-
onsanalyse von Markt, Umfeld und Unternehmen zu Beginn der strategischen Pro-
duktplanung eröffnet dem Unternehmen strategische Lücken und Suchräume hin-
sichtlich neuer Märkte, Produktideen und vor allem dem Einsatz neuer Technologien
in bestehenden Produkten (vgl. Bild 4.2).
Ein wesentliches Ziel ist hier die Identifikation von Erfolgspotentialen der Zukunft so-
wie die Herleitung entsprechender Handlungsempfehlungen als Vorbereitung für
Technologieentscheidungen (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 43). Dabei gilt es, „aus der
Menge aller Technologien nach der Festlegung eines Suchraums die als möglicher-
weise relevant erkannten Technologien mit geeigneten Hilfsmitteln […] zu analysie-
ren“ (PAHL ET AL., 2007, S. 112). Dies ist letztendlich der entscheidende Anstoßpunkt
zur Anwendung der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung, die exakt
dieses Ziel verfolgt und deren vier wesentliche Phasen hinsichtlich Aufbau, Inhalt und
der konkreten Ablaufschritte nachfolgend im Detail vorgestellt werden.
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 103
4.2.1 Phase 1 – Vorbereitungsphase
Zu Beginn der Methode steht die Vorbereitungsphase. Der konkrete Handlungsbe-
darf zur Identifikation und Bewertung von zukunftsweisenden Technologieoptionen
innerhalb eines produktspezifischen Suchfelds ist als Output der Phase zum Aufstel-
len der Suchstrategien (vgl. Bild 4.2) zunächst in einen festen Untersuchungsrahmen
zu fassen. Im Anschluss erfolgt die systemtechnische Strukturierung, bei der das be-
trachtete Produkt in seine wesentlichen Systemkomponenten zerlegt und das Such-
feld als solche eingeordnet wird. Hauptzweck der Vorbereitungsphase ist also die
zweckmäßige Auffächerung eines Forschungsvorhabens als Vorbereitung für die
nachfolgenden Untersuchungen. Wie bei klassischen Analysemethoden sind dabei
insbesondere Themenbereich und Untersuchungsgegenstand festzulegen und ent-
sprechend zu konkretisieren (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 20).
Untersuchungsrahmen
Der Untersuchungsrahmen dient dazu, die konkrete Richtung für die weiteren Unter-
suchungen im Rahmen der vorgestellten Methode vorzugeben. Für dessen Festle-
gung sind vor diesem Hintergrund folgende Fragen zu klären:
Wie lautet die genaue Problemstellung?
Wie lautet das genaue Untersuchungsziel?
Welches Produkt wird untersucht?
Wie lautet das Suchfeld innerhalb des Produkts?
Die exakte Vorgehensweise zur Festlegung des Untersuchungsrahmens, bei der die
vorgestellten Fragen der Reihe nach geklärt werden, wird in Bild 4.3 veranschaulicht.
Der aus der Situationsanalyse abgeleitete Handlungsbedarf beruht dabei auf einer
konkreten Problemstellung, die die Anwendung der Methode in die Wege leitet. Die-
se Problemstellung ist in der Folge präzise zu beschreiben, da daraus bereits erste
Erkenntnisse hinsichtlich wichtiger Kriterien für die abschließende Technologiebe-
wertung gezogen werden können. Analog ist auch das konkrete Untersuchungsziel
festzulegen. Da sich der Wirkungskreis der TRIZ- und szenariobasierten Technolo-
giebewertung auf die frühzeitige, technologiebezogene Anpassung bzw. Weiterent-
wicklung eines bestehenden Produkts in einem spezifischen Suchfeld konzentriert,
sind besagtes Produkt und Suchfeld explizit zu benennen (vgl. Kapitel 1.3). Unter
Suchfeld wird hier ein vorab festgelegter Suchraum verstanden, der eine Komponen-
te des betrachteten Produkts repräsentiert und für den im Rahmen der weiteren Un-
tersuchung neben bestehenden auch neue technologische Lösungen identifiziert und
bewertet werden sollen. Letztendlich dient der Untersuchungsrahmen also der
Sammlung der konkreten Rahmendaten und fördert – gerade im Hinblick auf eine
104 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
rechnergestützte Anwendung – auch die Nachvollziehbarkeit bei möglichen Durch-
sichten bzw. Anpassungen durch Dritte.
Bild 4.3: Vorgehensweise zur Festlegung des Untersuchungsrahmens
Systemtechnische Strukturierung
Die systemtechnische Strukturierung dient der funktionalen Aufschlüsselung des
Produkts in seine wesentlichen Systemkomponenten sowie der Einordnung des fest-
gelegten Suchfelds als solche. Der Hintergedanke dabei ist die Vermittlung einer sys-
temischen Betrachtungsweise der zugrundeliegenden Problemstellung. Diese „bietet
die Möglichkeit, Probleme im komplexen, interdisziplinären Umfeld zu systematisie-
ren und so den Lösungsweg gravierend zu vereinfachen“ (GRAWATSCH, 2005, S. 65).
Auch der Forderung nach einer produktspezifischen Auslegung der Methode für eine
zielgerichtete Analyse und Bewertung von Technologien unter Berücksichtigung ihrer
funktionalen Wechselwirkungen im betrachteten Produkt kann dadurch Rechnung
getragen werden (vgl. Kapitel 3.3).
Die TRIZ-Methodik nutzt bspw. eine systemische Betrachtungsweise zur Analyse
komplexer Sachverhalte, die gezielt bei der Entwicklung technischer Systeme unter-
stützen soll (vgl. Kapitel 2.5.1.4). ALTSCHULLER hat diesen Systemgedanken gefestigt
und nennt den Mensch als Ur-Beispiel für ein komplexes System, bestehend aus vie-
len einzelnen Zellen (ALTSCHULLER, 1996, S. 31). Ein technisches System beschreibt
vor diesem Hintergrund also eine dynamische Einheit, die durch charakteristische
Eigenschaften und ein bestimmtes Verhalten geprägt ist. Es setzt sich aus verschie-
Handlungsbedarf
Beschreibung der Problemstellung
Produkt, Suchfeld
Bestimmung des Untersuchungsziels
Festlegung des Produkts
Festlegung des Suchfelds
Untersuchungsrahmen
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 105
denen, voneinander abhängigen Komponenten zusammen, deren Zusammenwirken
das Systemverhalten bestimmt und einen speziellen Zweck verfolgt (GRAWATSCH,
2005, S. 66). Nach dem klassischen TRIZ-Verständnis wird dieser Zweck als Haupt-
funktion eines technischen Systems betrachtet, die sich jeweils aus einem Prädikat
(z.B. reinigt) sowie einer Zielkomponente (z.B. Geschirr) zusammensetzt. Die Haupt-
funktion „ist nur dann gültig, wenn sie einen Parameter der Zielkomponente verän-
dert oder aufrecht erhält“ (ADUNKA, 2014, S. 58).
Für eine präzise Bestimmung der vollständigen Systemstruktur sind darüber hinaus
auch die übrigen Systemkomponenten mit ihren jeweiligen Funktionen zu bestim-
men, deren Interaktion die Dynamik des technischen Systems bestimmt (GRA-
WATSCH, 2005, S. 66). Solche Systemkomponenten sind dabei entweder relevante
Komponenten aus dem Systeminneren (Subsystemebene), die den Aufbau des
technischen Systems bestimmen, oder relevante Komponenten aus dem Systemum-
feld (Supersystemebene), mit denen das technische System in Kontakt steht (z.B.
die Zielkomponente). Wie Bild 4.4 zeigt, bezeichnet die TRIZ-Lehre die relevanten
Komponenten aus dem Systeminneren als Komponenten des technischen Systems,
die relevanten Komponenten aus dem Systemumfeld als Komponenten des Super-
systems (ADUNKA, 2014, S. 65; ALTSCHULLER, 1996, S. 31–32).
Bild 4.4: Systemkomponenten in Anlehnung an ADUNKA, 2014, S. 63; GRAWATSCH, 2005, S. 66
Die vorgestellte Sichtweise lässt sich letztendlich auch auf das untersuchte Produkt
übertragen, das sich über verschiedene Systemkomponenten auf Sub- sowie Super-
systemebene definiert, die wiederum maßgeblich das Verhalten (Ausführung der
Komponenten des
Supersystems
(Supersystemebene)
System Komponenten des
technischen Systems
(Subsystemebene)
106 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Produktfunktion) sowie die künftige Weiterentwicklung des Produkts bestimmen. Die
Funktionen dieser Komponenten werden als Teilfunktionen bezeichnet und dienen
der Erfüllung der übergeordneten Hauptfunktion (Produktfunktion). In diesem Fall ist
eine abstrakte Beschreibung einer Teilfunktion zur Bestimmung einer Systemkompo-
nente wesentlich sinnvoller als komponentenorientierte Beschreibungen über Prädi-
kat und Zielkomponente bzw. nützliche und schädliche Funktionen, wie sie bei der
Funktions- bzw. Objektmodellierung im Rahmen der TRIZ-Methodik verwendet wer-
den (GRAWATSCH, 2005, S. 67–68). Diese Ansätze sind weniger präzise und teilweise
irreführend, „da verschiedenste Objekte gemischt werden und nicht zwischen den
Systemebenen unterschieden wird“ (GRAWATSCH, 2005, S. 68). Mit einer abstrakten
und losgelösten Formulierung einer Teilfunktion gemäß ihrer elementaren Aufgabe
ohne Einbindung anderer Komponenten kann dagegen „das Blickfeld in Richtung
alternativer Lösungen“ erweitert sowie eine gedanklich strukturierte Realisierung der
Hauptfunktion gewährleistet werden (GRAWATSCH, 2005, S. 68).
Damit bei der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung eine möglichst
vollständige, aber auch im Aufwand beherrschbare Zusammenstellung der System-
komponenten gewährleistet werden kann, muss dem Anwender eine entsprechende
Abstraktionsmöglichkeit bzw. Orientierungshilfe für eine methodisch nachvollziehbare
und reproduzierbare Bestimmung der Systemkomponenten vorgegeben werden.
Hierfür eignet sich das klassische TESE-Gesetz zur Vollständigkeit der Systemkom-
ponenten, das das funktionale Fundament zur Lebensfähigkeit eines technischen
Systems auf vier Hauptteile zurückführt, die wiederum durch einzelne oder mehrere
Komponenten auf Sub- oder Supersystemebene erfüllt werden müssen (ADUNKA,
2014, S. 318; GRAWATSCH, 2005, S. 68–69; KUCHARAVY, 2007, S. 35). Diese vier
Hauptteile lauten dabei wie folgt (Innovation Tool Academy, 2011, S. 168):
Ausführungsteil: Komponenten im System zur Ausführung der Haupt-
funktion;
Übertragungsteil: Komponenten im System oder Systemumfeld zur Übertra-
gung der notwendigen Energie;
Energiequelle: Komponenten im System oder Systemumfeld zur Bereitstel-
lung der notwendigen Energie;
Kontrollteil: Komponenten im System oder Systemumfeld zur Steuerung des
Systemverhaltens.
Differenziert man im Übertragungsteil ferner noch zwischen Energie-, Stoff- und In-
formationsfluss erhält man eine zusätzliche und weitaus präzisere Möglichkeit zur
Bestimmung sowie funktionalen Klassifizierung von Systemkomponenten (GRA-
WATSCH, 2005, S. 69). Zur Verdeutlichung der Bestimmung bzw. Klassifizierung von
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 107
Systemkomponenten nach der vorgegebenen Orientierungshilfe lässt sich die Batte-
rie einer Taschenlampe als Beispiel heranziehen. Diese kann als Systemkomponen-
te auf der Subsystemebene des technischen Systems „Taschenlampe“ aufgefasst
werden und erfüllt darin den Hauptteil der Energiequelle durch die Bereitstellung der
benötigten, elektrischen Energie. Auf Basis des vorgestellten Systemverständnisses
sowie der Abstraktionsmöglichkeit durch das verfeinerte TESE-Gesetz zur Vollstän-
digkeit der Systemkomponenten hat der Anwender nun die Möglichkeit, die wesentli-
chen Systemkomponenten des betrachteten Produkts festzulegen. Wichtig ist je-
doch, die Komponenten dabei auf einer möglichst einheitlichen sowie beherrschba-
ren hierarchischen Ebene zu bestimmen und in ihrer Anzahl zu begrenzen (z.B.
durch die Zusammenfassung von ähnlichen und sehr spezifischen Komponenten wie
einzelnen Schrauben oder Muttern zur übergeordneten Komponente der Verbin-
dungselemente). So kann die Komplexität der Untersuchung in Grenzen gehalten
werden (ADUNKA, 2014, S. 54; GRAWATSCH, 2005, S. 69).
Bild 4.5: Vorgehensweise zur Systemtechnischen Strukturierung
Bild 4.5 zeigt abschließend die genaue Vorgehensweise der systemtechnischen
Strukturierung mit ihren grundlegenden Schritten. Als Eingangsgrößen fungieren hier
Produkt und Suchfeld, die im Untersuchungsrahmen bereits benannt wurden. Als
Bestandteil des Produkts wird das Suchfeld automatisch als Komponente auf dessen
Subsystemebene und somit als wesentliche Systemkomponente eingeordnet, die nur
noch in ihrer Teilfunktion definiert werden muss. Die genaue Festlegung des Such-
Produkt, Suchfeld
Festlegung des Suchfelds als
Systemkomponente
Systemkomponenten
Systemtechnische
Strukurierung
Bestimmung der übrigen
Systemkomponenten
108 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
felds als Systemkomponente lässt sich vor diesem Hintergrund wie folgt zusammen-
fassen:
Suchfeldfunktion (Teilfunktion des Suchfelds): elementare Aufgabe + opti-
onaler Zusatz (z.B. Speicherung von Energie);
Funktionsbeschreibung: detaillierte Beschreibung der Suchfeldfunktion.
Im Anschluss sind die übrigen Systemkomponenten zu ergänzen. Dafür ist es not-
wendig, dass zunächst das betrachtete Produkt als zentrales technisches System
spezifiziert wird, um bereits erste Hinweise auf weitere Systemkomponenten zu er-
halten:
Produktbeschreibung: definitorische Beschreibung des Produkts für erste
Erkenntnisse hinsichtlich weiterer Systemkomponenten;
Produktfunktion (Hauptfunktion des technischen Systems): Prädikat +
Zielkomponente + optionaler Zusatz (z.B. versorgt einen Motor mit Energie);
Funktionsbeschreibung: detaillierte Beschreibung der Produktfunktion.
Daraufhin ist sowohl im Produkt selbst als auch in dessen Umfeld nach weiteren
Komponenten zu suchen, die das funktionale Fundament eines technischen Systems
gemäß der vier Hauptteile komplettieren. Entsprechend des Gesetzes zur Vollstän-
digkeit der Systemkomponenten muss dabei jeder der vier Hauptteile durch mindes-
tens eine Komponente repräsentiert werden. Für eine endgültige Festlegung als Sys-
temkomponente sind die identifizierten Komponenten nachfolgend noch hinsichtlich
Teilfunktion und Systemebene zu präzisieren:
Bezeichnung: allgemeine Bezeichnung der Komponente auf einheitlicher
hierarchischer Ebene (z.B. Steuerelektronik);
Teilfunktion: elementare Aufgabe + optionaler Zusatz (z.B. Übertragung von
Daten);
Systemebene: Einordnung auf Sub- oder Supersystemebene.
Da die Zielkomponente aus der Formulierung der Produktfunktion in direktem Kon-
takt mit dem Produkt steht, ist sie als zusätzliche Systemkomponente auf Supersys-
temebene festzulegen und auf gleiche Weise in ihrer Teilfunktion zu determinieren.
Für weitere optionale Komponenten, die für die nachfolgenden Untersuchungen als
wichtig erachtet werden, ist in gleicher Weise zu verfahren. Auch hier ist jedoch da-
rauf zu achten, die Anzahl der optionalen Komponenten aus Komplexitätsgründen
begrenzt zu halten. Man hat nun sowohl Suchfeld als auch die weiteren, relevanten
Systemkomponenten bestimmt und in ihrer Systemebene sowie Funktion festgelegt.
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 109
Die notwendigen Vorarbeiten für die weiteren Untersuchungen, insbesondere für die
anschließende systemische Exploration, sind somit erfolgreich abgeschlossen.
4.2.2 Phase 2 – Systemische Exploration
Die zweite Phase der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung nennt sich
systemische Exploration. Wie der Name bereits andeutet, geht es dabei um die Er-
forschung der erarbeiteten Systemstruktur mit dem Ziel der Erstellung von suchfeld-
spezifischen Szenarien innerhalb des Produkts. Ähnlich der Directed Evolution™
(vgl. Kapitel 2.5.1.4) verknüpft die systemische Exploration dazu eine retro- sowie
prospektive Sichtweise. Jedoch steht hier nicht die Umsetzung einer gerichteten Evo-
lution entlang eines strategischen Entscheidungsprozesses im Vordergrund (ZLOTIN
& ZUSMAN, 2001, S. 20). Die erarbeiteten Szenarien in der TRIZ- und szenariobasier-
ten Technologiebewertung sollen dem Anwender lediglich einen möglichst nachvoll-
ziehbaren Zukunftsraum des Suchfelds sowie Hinweise über neue technologische
Entwicklungen aufzeigen.
Das Fundament der systemischen Exploration bildet ein produktspezifisches Trend-
modell, das die Identifikation von Systemtrends auf Basis einer systematischen und
retrospektiven Analyse der historischen Evolution der Systemkomponenten ermög-
licht. In Anlehnung an das Grundprinzip der Szenario-Analyse (vgl. Kapitel 2.5.2.7)
wird anschließend ein Szenariofeld erstellt, in dem die Systemtrends in allgemeine
Deskriptoren überführt und durch externe Deskriptoren aus den Bereichen Markt,
Politik, Gesellschaft sowie Umwelt mit potentiellem Einfluss auf die Weiterentwick-
lung des Produkts ergänzt werden. Die nachfolgende Einflussanalyse dient der Iden-
tifikation von relevanten Schlüsseldeskriptoren, die zu plausiblen Zukunftsprojektio-
nen fortgeschrieben werden. Abschließend werden konsistente Zukunftsprojektionen
zu drei suchfeldspezifischen Szenarien verknüpft.
Gestaltung des Trendmodells
Die Gestaltung des produktspezifischen Trendmodells steht stellvertretend für die
vorbereitenden Schritte zu Beginn eines Szenario-Projektes, in denen das Gestal-
tungsfeld – in diesem Fall das betrachtete Produkt inklusive Suchfeld – zunächst in
seinem gegenwärtig vorherrschenden Zustand charakterisiert und spezifiziert werden
muss. Dabei sind Deskriptoren aus verschiedenen Einflussbereichen zu bestimmen,
die die künftige Weiterentwicklung des Gestaltungsfeldes beeinflussen und maßgeb-
lich zur Zielerreichung des Untersuchungsvorhabens beitragen (vgl. Kapitel 2.5.2.7).
Neben Einflussbereichen innerhalb des Untersuchungsgegenstands werden dabei
auch „Einflussbereiche identifiziert, die den Untersuchungsgegenstand umgeben“
110 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
(GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 86). Die Identifikation der Deskriptoren, die nach Defini-
tion bestimmte Ereignisse, Variablen, Parameter und insbesondere auch konkrete
Trends in besagten Bereichen repräsentieren können, verläuft im Rahmen von Sze-
nario-Projekten oftmals sehr unterschiedlich und ungeordnet. Mögliche Vorgehens-
weisen reichen von analytischen, empirisch-gestützten bis hin zu völlig intuitiven
Konzepten. Sämtlichen Vorgehensweisen gemein ist jedoch die Voraussetzung,
dass wesentliche Fakten über die Bedeutung sowie die systemischen Zusammen-
hänge der einzelnen Einflussbereiche herausgearbeitet werden müssen (KOSOW &
GAßNER, 2008, S. 21).
Vor diesem Hintergrund erweist sich das TRIZ-Werkzeug des System Operators (vgl.
Kapitel 2.5.1.4) als hilfreiches Instrument für eine geordnete und systemische Aufbe-
reitung von Einflussbereichen sowie die Identifikation von Deskriptoren. Der System
Operator erlaubt es dem Anwender, den in seine wesentlichen Komponenten zerleg-
ten Untersuchungsgegenstand aus unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Per-
spektiven zu analysieren (GRAWATSCH, 2005, S. 65). Diese mehrdimensionale Sicht-
weise ermöglicht einen „ganzheitlichen Überblick über das System und damit ein
ganzheitliches Verständnis über die Funktionalität und die Entwicklung des Systems“
(KOLTZE & SOUCHKOV, 2011, S. 192). Begünstigt wird dies vor allem durch den klassi-
schen Aufbau des System Operators, der eine matrixförmige Untergliederung des
Untersuchungsgegenstands nach Systemebenen (System, Subsystem, Supersys-
tem) und Zeitebenen (Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit) erlaubt (ADUNKA, 2014,
S. 17). Die Verwendung dieses Aufbaus als Grundgerüst des produktspezifischen
Trendmodells führt zu entscheidenden Vorteilen. Die in der Vorbereitungsphase
identifizierten Systemkomponenten, die gemäß eines Szenario-Projekts allesamt
wichtige Einflussbereiche für die Weiterentwicklung des betrachteten Produkts dar-
stellen, können auf diese Weise spezifiziert und einer retrospektiven Analyse hin-
sichtlich ihrer historischen Evolution unterzogen werden. Ausgehend von den erar-
beiteten Entwicklungsverläufen gilt es schließlich, den Blick in die Zukunft zu richten.
Durch diesen Perspektivwechsel kann der Anwender auf mögliche Weiterentwicklun-
gen in der Zukunft sowie signifikante Trends bei Komponentenmerkmalen schließen,
die das Trendmodell letztendlich vollenden und als Rohfassung der Deskriptoren für
die nachfolgende Erstellung der suchfeldspezifischen Szenarien dienen. Denn
„Trends sind Ausdruck von Entwicklungen, die das Geschäft von morgen prägen“
(GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 197).
Zur vollständigen Ausnutzung der erwähnten Vorteile ist der klassische Aufbau des
System Operators für eine Verwendung als Grundgerüst des Trendmodells entspre-
chend anzupassen. Für eine übersichtlichere Darstellung komplexer Systemstruktu-
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 111
ren sowie des zeitlichen Verlaufs werden die beiden Achsen der System- und Zeit-
ebene zunächst vertauscht. Die Achsen werden außerdem gezielt erweitert, so dass
in der Folge jeder Systemkomponente und Evolutionsstufe des Produkts eine sepa-
rate Spalte bzw. Zeile zugeteilt werden kann. Bild 4.6 zeigt letztendlich den fertigen
Aufbau des produktspezifischen Trendmodells mit dem modifizierten System Opera-
tor als Grundgerüst sowie seinen wesentlichen Inhalten. Mit diesem Aufbau lässt sich
eine vollständige, detaillierte Analyse der einzelnen Systemkomponenten sicherstel-
len. Um gezielt auf künftige Weiterentwicklungen der technologischen Lösungen wie
auch signifikante Trends bei Komponentenmerkmalen schließen zu können, muss in
den einzelnen Feldern des Trendmodells eine entsprechende Wissensbasis vorlie-
gen. Hierfür ist es wichtig, dass für die Zeitebene der Gegenwart zunächst folgende
Informationen gesammelt und in die entsprechenden Felder eingetragen werden:
Produkt: definitorische Beschreibung des Produkts (analog zur systemtechni-
schen Strukturierung);
Systemkomponenten: Benennung der gegenwärtig eingesetzten technologi-
schen Lösungen (z.B. Elektrolytkondensator für die Komponente „Kondensa-
tor“); definitorische Beschreibung der Systemkomponenten.
Bild 4.6: Trendmodell auf Basis des modifizierten System Operators
Komponente 1-m: Trends
Mögliche
Weiterentwicklungen
Komponente 1-n: Trends
Mögliche
Weiterentwicklungen
… … …
Ausblick
Gegenwart
Historie
Subsystem System Supersystem
Komponente 1-m: Technologische
Lösungen
Beschreibung
Komponente 1-m: Technologische
Lösungen
Fortschritt
Produkt: mögliche
Weiterentwicklungen
Produkt: Beschreibung
Produkt: Fortschritt
Komponente 1-n: Technologische
Lösungen
Beschreibung
Komponente 1-n: Technologische
Lösungen
Fortschritt
112 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Im Anschluss sind charakteristische Evolutionsstufen in der Historie bzw. Technikge-
schichte des Produkts zu ermitteln. Solch charakteristische Evolutionsstufen sind als
zeitliche Abschnitte oder auch Meilensteine im vergangenen Entwicklungsverlauf zu
verstehen und durch einschneidende bzw. grundlegende Veränderungen gekenn-
zeichnet, die das technische System auf einen neuen Standard gehoben haben. Zur
Präzisierung der identifizierten Evolutionsstufen in der Historie des Produkts sind
wiederum spezifische Informationen zu sammeln und in die dafür vorgesehenen Fel-
der des Trendmodells einzutragen:
Produkt: Beschreibung des Produktfortschritts anhand charakteristischer
Merkmale (z.B. Erschließung neuer Anwendungsgebiete durch kompaktere
und leistungsstärkere Produkte);
Systemkomponenten: Benennung der damalig verfügbaren technologischen
Lösungen; Beschreibung des Komponentenfortschritts anhand charakteristi-
scher Merkmale, die sich durch verbesserte bzw. neue technologische Lösun-
gen weiterentwickelt haben (z.B. Reduktion von ohmschen Verlusten).
Zur Sammlung historischer Informationen wird die Verwendung klassischer Recher-
chemöglichkeiten wie fachspezifische Literatur, das Internet, Museen, Ausstellungen
oder die unternehmensinterne Untersuchung alter Produkte bzw. Exponate empfoh-
len. Es folgt schließlich der Ausblick in die Zukunft zur Vervollständigung des Trend-
modells. Hier sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen und in den entsprechen-
den Feldern des Trendmodells zu vermerken:
Produkt: Beschreibung möglicher künftiger Weiterentwicklungen des Pro-
dukts;
Systemkomponenten: Beschreibung möglicher künftiger Weiterentwicklun-
gen; Verdichtung der Fortschritte von Komponentenmerkmalen zu signifikan-
ten Trends (Systemtrends).
Bei der Verdichtung der Fortschritte von Komponentenmerkmalen zu den System-
trends ist das Prinzip der Evidenz das entscheidende Kriterium. „Die Evidenz ist die
Gewissheit für das Vorliegen einer strategisch relevanten Veränderung […]. Be-
stimmt wird die Evidenz durch die Klarheit und Schlüssigkeit der vorliegenden Infor-
mationen“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 199). Der Forderung nach Klarheit und
Schlüssigkeit der Informationen wird mit der strukturierten und systematischen Vor-
gehensweise bei der Gestaltung des Trendmodells nachgekommen. Evidente bzw.
signifikante Trends lassen sich dabei über mehrfach genannte Fortschritte bestimm-
ter Komponentenmerkmale in unterschiedlichen Evolutionsstufen identifizieren. Nach
dem Prinzip der Evidenz ist nämlich davon auszugehen, dass Veränderungen dieser
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 113
Merkmale auch zukünftig einen wesentlichen Einfluss auf die Weiterentwicklung des
technischen Systems haben werden. Darüber hinaus liefert die TRIZ-Methodik mit
der Sammlung der erweiterten TESE ein zusätzliches Hilfsmittel zur Erfassung von
evidenten Trends innerhalb eines technischen Systems (vgl. Kapitel 2.5.1.4 & An-
hang A). Die Sammlung der erweiterten TESE umfasst dabei allgemeine, empirisch
erwiesene Entwicklungstrends, die sich auf sämtliche Arten von technischen Syste-
men projizieren lassen (ADUNKA, 2014, S. 317; Innovation Tool Academy, 2011,
S. 153). Demnach erhält man im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Techno-
logiebewertung durch eine entsprechende Projektion dieser Trends auf das betrach-
tete Produkt inkl. seiner wesentlichen Systemkomponenten die Möglichkeit, die be-
reits identifizierten Systemtrends um weitere evidente Trends zu ergänzen und die
Folgerung auf zukünftige Weiterentwicklungen kreativ anzuregen. In der Summe ste-
hen die Systemtrends letztendlich für Rohfassungen von Deskriptoren einer Szena-
rio-Analyse und schaffen eine wichtige Datenbasis für die nachfolgende Erarbeitung
der suchfeldspezifischen Szenarien.
Bild 4.7: Vorgehensweise zur Gestaltung des Trendmodells
Bild 4.7 liefert einen abschließenden Überblick über die Vorgehensweise zur Gestal-
tung des Trendmodells. Die Ausgangsbasis bilden die identifizierten Systemkompo-
nenten sowie das untersuchte Produkt. Diese wesentlichen Elemente spannen das
Grundgerüst des Trendmodells auf. Im ersten Schritt ist die System-Gegenwart zu
analysieren. Es folgt die retrospektive Analyse der System-Historie, um grundlegen-
de Fortschritte hinsichtlich technologischer Lösungen sowie charakteristischer Kom-
Systemkomponenten
Analyse der System-Gegenwart
Systemtrends
Gestaltung des
Trendmodells
Retrospektive Analyse der System-Historie
Folgerung auf signifikante Trends und
potentielle Weiterentwicklungen
114 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
ponentenmerkmale aufzudecken. Der Perspektivwechsel in die Zukunft führt letzt-
endlich zur Herleitung der Systemtrends sowie potentiellen Weiterentwicklungen in-
nerhalb der Systemkomponenten und wird unterstützt durch eine produktspezifische
Analyse bzw. Projektion der erweiterten TESE. Die unmittelbaren Einflussbereiche
auf die Weiterentwicklung des technischen Systems sind somit hinreichend unter-
sucht und die notwendigen Vorarbeiten für die Erstellung des Szenariofelds erledigt.
Die Systemtrends als Rohfassung von Deskriptoren bilden hier den zentralen Output
des Trendmodells als Basis für die nachfolgende Erstellung des Szenariofelds.
Gleichzeitig liefert der Ausblick auf mögliche Weiterentwicklungen der Systemkom-
ponenten bereits kreative Anreize für die spätere Erstellung der Zukunftsprojektio-
nen.
Erstellung des Szenariofelds
Die Summe aller Deskriptoren, unter deren potentiellem Einfluss der Zukunftsraum
des Untersuchungsgegenstands beschrieben wird, nennt sich Szenariofeld. Neben
Systemdeskriptoren, die sich direkt aus der Beschaffenheit des Untersuchungsge-
genstands ableiten lassen, kann ein Szenariofeld auch externe Umfelddeskriptoren
beinhalten, die mögliche Einflussgrößen aus nicht direkt beeinflussbaren Bereichen
wie z.B. Markt, Politik, Gesellschaft oder Umwelt repräsentieren (vgl. Kapitel 2.5.2.7).
Dieser Pool an Deskriptoren muss in der Folge entsprechend festgelegt werden.
Durch die Identifikation der Systemtrends im Trendmodell ist das Rohmaterial der
Systemdeskriptoren bereits geschaffen. Für eine zweckmäßige Überführung zu ech-
ten Deskriptoren müssen sämtliche Systemtrends jedoch erst noch abstrahiert wer-
den. Dies hat zum einen formale Gründe, da präzise und allgemein formulierte De-
skriptoren die Nachvollziehbarkeit und Übersichtlichkeit während der weiteren Unter-
suchungen deutlich erleichtern (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 88). Der andere Grund
für die Notwendigkeit einer Abstraktion liegt in der Natur der Trends begraben.
Trends beschreiben immer eine speziell ausgeprägte Entwicklungsrichtung eines
bestimmten Aspekts und sind durch Diskontinuitäten geprägt. Die historische Be-
trachtung eines Trends vom Ursprung bis in die Gegenwart – als wesentlicher Teil
der Gestaltung des Trendmodells – ist durchaus wichtig, um bestimmte Regelmäßig-
keiten bzw. Gesetzmäßigkeiten für die Zukunft abzuleiten. Jedoch dürfen unerwarte-
te oder gegenläufige Entwicklungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden
(GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 198-199).
Im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung muss ein Sys-
temtrend daher auf seinen Kernaspekt reduziert bzw. abstrahiert werden, so dass
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 115
eine spätere Fortschreibung in die Zukunft so offen wie möglich gestaltet werden
kann. Es folgt ein entsprechendes Beispiel für die Abstraktion eines Systemtrends:
Systemtrend: Verbesserung der Rechenleistung von Prozessoren;
Abstraktion des Deskriptors auf seinen Kernaspekt: Rechenleistung.
Schließlich ist noch eine gezielte Berücksichtigung von Einflussgrößen aus nicht di-
rekt steuerbaren Bereichen wie Markt, Politik, Gesellschaft oder Umwelt notwendig,
die einen möglichen Einfluss auf die künftige Weiterentwicklung des Untersuchungs-
gegenstands nehmen. Diese Einflussgrößen sind aus einschlägiger Trendliteratur zu
beziehen und ebenfalls in abstrahierter Form als Umfelddeskriptoren festzulegen.
Beispiele für einschlägige Trendliteratur sind Publikationen des WOIS-Institut oder
von ZINNER zum Thema „trenDNA“, die vor allem das Verständnis hinsichtlich der
Gesellschaft sowie des Verhaltens von Markt und Kunden fördern (ADUNKA, 2012,
S. 65–66; MANN & ZINNER, 2010, S. 2; PERSEKE, 1996, S. 332).
Bild 4.8: Vorgehensweise zur Erstellung des Szenariofelds
Das in Bild 4.8 abschließend dargestellte Vorgehen zur Erstellung des Szenariofelds
findet seinen Ursprung also in den Systemtrends aus dem Trendmodell. Diese sind
aus den eben erwähnten, formalen sowie inhaltlichen Gründen gemäß der aufgeführ-
ten Hinweise zu Systemdeskriptoren zu abstrahieren. Ferner sind untersuchungsre-
levante externe Einflussgrößen aus einschlägiger Trendliteratur zu beziehen und als
Umfelddeskriptoren festzulegen. Das Szenariofeld ist damit vollständig erstellt und
kann einer Einflussanalyse unterzogen werden.
Systemtrends
Abstraktion der Systemtrends zu
Systemdeskriptoren
Deskriptoren
Erstellung des
Szenariofelds
Identifikation von Umfelddeskriptoren
116 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Einflussanalyse
Die Einflussanalyse dient in der Folge dazu, die Bedeutung der einzelnen Deskripto-
ren für die Weiterentwicklung des Untersuchungsgegenstands zu bestimmen und
dadurch ihre Eignung als Schlüsseldeskriptoren zu überprüfen. Nur die wichtigsten
Deskriptoren werden bei der anschließenden Erstellung der Zukunftsprojektionen
sowie suchfeldspezifischen Szenarien berücksichtigt. Gerade bei einer sehr großen
Anzahl an Deskriptoren lassen sich Aufwand und Komplexität im Hinblick auf die
nachfolgenden Untersuchungen anhand einer Einflussanalyse gezielt reduzieren
(vgl. Kapitel 2.5.2.7).
Das Grundgerüst der Einflussanalyse bildet die Einflussmatrix, in der die einzelnen
Deskriptoren in Zeilen und Spalten gegenübergestellt werden. Die zusätzliche Unter-
teilung zwischen System- und Umfelddeskriptoren führt darüber hinaus zu den klas-
sischen vier Quadranten einer Einflussmatrix (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 88). Für
eine zweckmäßige Einflussanalyse im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten
Technologiebewertung muss die Einflussmatrix zusätzlich auch eine Zuordnung der
System- bzw. Umfelddeskriptoren zu den korrespondierenden Systemkomponenten
bzw. Einflussbereichen erlauben und dementsprechend angepasst werden. Der
Grundaufbau der modifizierten Einflussmatrix ist Bild 4.9 zu entnehmen.
Bild 4.9: Grundaufbau der modifizierten Einflussmatrix
Bewertungsmaßstab:
0: kein Einfluss
1: schwacher Einfluss
2: mittlerer Einfluss
3: starker Einfluss
Syste
mdeskrip
tor
1
Syste
mdeskrip
tor
2
… … … … … … Syste
mdeskrip
tor
x
Um
feld
deskrip
tor
1
Um
feld
deskrip
tor
2
… Um
feld
deskrip
tor
y
Akti
vsu
mm
e
Wir
ku
ng
ssu
mm
e
Syste
m Ko
mp
on
en
te 1
(Su
ch
feld
) Systemdeskriptor 1 1 3 2 0 1 21 3
Systemdeskriptor 2 2 1 0 1 3 16 8
...
…
… …
Ko
mp
on
en
te n …
…
…
Systemdeskriptor x 3 2 1 1 2 31 8
Um
feld
Umfelddeskriptor 1 2 1 0 1 3 24 6
Umfelddeskriptor 2 2 2 3 0 26 4
…
Umfelddeskriptor y 1 1 2 1 0 14 2
Passivsumme 15 16 21 24 19 15
Q1 Q2
Q3 Q4
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 117
Die eigentliche Einflussbewertung stützt sich in der Folge auf ein paarweises Bewer-
tungsschema zur Ermittlung der direkten Beziehungen zwischen allen möglichen De-
skriptoren-Paaren. Dabei ist anhand des in Bild 4.9 aufgezeigten Bewertungsmaß-
stabs abzuschätzen, wie stark sich eine Veränderung von Deskriptor A auf De-
skriptor B auswirkt (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Eine solche Abschätzung mag sich für den
Anwender gerade bei sehr spezifischen Untersuchungen durchaus als schwierig er-
weisen, weshalb im Zweifelsfall diverse Fachmeinungen heranzuziehen sind. Auf die
Option einer indirekten Einflussanalyse zur Bestimmung von indirekten Beziehungen
zwischen den Deskriptoren wird im Rahmen der vorgestellten Methode aus auf-
wandstechnischen Gründen verzichtet.
Nach der fertigen Einflussbewertung lassen sich die charakteristischen Kennzahlen
einer Einflussanalyse (Aktivsumme, Passivsumme, Wirkungssumme, Impuls-Index,
Dynamik-Index) ermitteln, die eine Klassifizierung der Deskriptoren hinsichtlich ihrer
Relevanz für die Untersuchung ermöglichen und ferner auch wichtige Hinweise für
die nachfolgende Erstellung von Zukunftsprojektionen liefern (vgl. Kapitel 2.5.2.7).
Was die Kennzahlen im Einzelnen bedeuten und wie sie entsprechend zu berechnen
sind, zeigt Tabelle 4.1 (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 90).
Tabelle 4.1: Einflusskennzahlen in Anlehnung an GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 90
Kennzahl Beschreibung Berechnung
Aktivsumme Wirkung eines Deskriptors auf die übrigen Deskriptoren
Zeilensumme der Beziehungswer-te eines Deskriptors
Passivsumme Beeinflussung eines Deskriptors durch die übrigen Deskriptoren
Spaltensumme der Beziehungs-werte eines Deskriptors
Wirkungssumme Wirkung eines Deskriptors auf die Deskriptoren des Suchfelds
Zeilensumme der Beziehungswer-te eines Deskriptors bzgl. der De-skriptoren des Suchfelds
Impuls-Index Maß für die Wirkung eines De-skriptors ohne selbst dadurch Ver-änderungen zu erfahren
Division von Aktiv- und Passiv-summe
Dynamik-Index Maß für die Dynamik eines De-skriptors innerhalb des Szenario-felds
Multiplikation von Aktiv- und Pas-sivsumme
Mit dem Ziel der Erstellung suchfeldspezifischer Szenarien zum Abschluss der sys-
temischen Exploration wird die klassische Kennzahl der Wirkungssumme (Wirkung
eines Deskriptors auf das Gestaltungsfeld bzw. in diesem Fall die Systemkomponen-
ten) dabei entsprechend umfunktioniert. Nach dieser Anpassung steht die Wirkungs-
summe im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung für den
Einfluss eines Deskriptors auf diejenigen Deskriptoren, die das Suchfeld repräsentie-
118 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
ren, und bildet somit das grundlegende Kriterium für die Auswahl der Schlüssel-
deskriptoren. Der Pool an Deskriptoren aus dem Szenariofeld lässt sich dadurch auf
diejenigen Deskriptoren reduzieren, die durch den stärksten Einfluss auf die künftige
Weiterentwicklung des Suchfelds gekennzeichnet sind. Sie bilden letztendlich die
wesentlichen Stellhebel für die Erstellung der suchfeldspezifischen Szenarien. Um
auch hier ein akzeptables Maß an Komplexität und Aufwand für die nachfolgenden
Untersuchungen zu bewahren, ist die Anzahl der Schlüsseldeskriptoren auf insge-
samt zehn zu beschränken.
Bild 4.10: Vorgehensweise zur Einflussanalyse
Zusammenfassend zeigt Bild 4.10 noch einmal den prinzipiellen Ablauf der Einfluss-
analyse. Die im Szenariofeld festgelegten Deskriptoren sind zunächst in die modifi-
zierte Einflussmatrix zu überführen und anhand einer paarweisen Bewertung ent-
sprechend des Bewertungsmaßstabs auf ihre direkten Beziehungen zu untersuchen.
Anschließend sind die charakteristischen Einflusskennzahlen unter Berücksichtigung
der umfunktionierten Wirkungssumme zu bestimmen. Diese dient letztendlich als
Auswahlkriterium für die zehn Schlüsseldeskriptoren mit dem stärksten Einfluss auf
die künftige Weiterentwicklung des Suchfelds, welche nachfolgend als wesentliche
Stellhebel für die Bildung der suchfeldspezifischen Szenarien dienen.
Erstellung von Zukunftsprojektionen
Die Erstellung der Zukunftsprojektionen für die zehn Schlüsseldeskriptoren ist
schließlich der entscheidende Schritt hin zum eigentlichen Ausblick in die Zukunft.
Deskriptoren
Einflussbewertung in der Einflussmatrix
Schlüsseldeskriptoren
Einflussanalyse
Bestimmung der Einflusskennzahlen
Auswahl der Schlüsseldeskriptoren
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 119
Qualität sowie Inhalt der Szenarien hängen entscheidend davon ab. Zukunftsprojek-
tionen beschreiben der Definition nach mögliche Entwicklungsrichtungen der Schlüs-
seldeskriptoren in der Zukunft. Dabei ist es wichtig, dass nicht nur äußerst wahr-
scheinliche, sondern auch extreme, aber dennoch vorstellbare Entwicklungsmöglich-
keiten berücksichtigt werden. So kann ein möglichst weit gefasster Zukunftsraum
abgesteckt werden, der auch auf unerwartete Eventualitäten vorbereitet (vgl. Kapitel
2.5.2.7). Hier sind neben analytischen Fähigkeiten vor allem auch intuitive und krea-
tive Fähigkeiten gefragt, die die Vorstellungskraft über zukünftige Entwicklungen an-
regen (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 21). Es ist zudem wichtig, dass ein grober Zeitho-
rizont für die Zukunftsprojektionen festgelegt wird. Dieser erstreckt sich normaler-
weise über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren. Da die Erarbeitung der Szenarien
im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung jedoch in der
strategischen Produktplanung angesiedelt und die Methode auf eine relativ zeitnahe
Umsetzung von Technologien ausgerichtet ist, wird ein deutlich engerer Zeithorizont
empfohlen. Die endgültige Festlegung des Zeithorizonts hängt dementsprechend
auch von der Dynamik des Marktsegments ab, in dem der spezielle Anwendungsfall
angesiedelt ist, und liegt schlussendlich im Ermessen des Unternehmens (GAUSE-
MEIER ET AL., 2001, S. 91).
Die Erarbeitung möglicher Projektionen für die identifizierten Schlüsseldeskriptoren
verläuft in der Szenario-Analyse nach keinem fest vorgegebenen Schema. GAUSE-
MEIER ET AL. geben allerdings einige Hilfestellungen bzw. Hinweise für diesen Ar-
beitsschritt: Entwicklungen fortschreiben oder simulieren, Entwicklungen und ihre
Merkmale überzeichnen, Entwicklungen bewusst beschleunigen, Entwicklungen aus
dem Umfeld bewusst berücksichtigen, Zukunftsprojektionen aus Prozessen (vgl. Ka-
pitel 2.5.2.7). Für die Prognostik der Schlüsseldeskriptoren im Rahmen dieser Me-
thode wird vor diesem Hintergrund eine leicht abgewandelte Sammlung dieser Hilfe-
stellungen vorgestellt, die des Weiteren durch die im Trendmodell abgeleiteten, mög-
lichen Weiterentwicklungen der Systemkomponenten sowie den Erkenntnissen der
Einflussanalyse anzureichern sind:
Fortschreibung der aktuellen Entwicklung: geradlinige Projektion der aktu-
ellen Entwicklung (entspricht dem Schlüsseldeskriptor zugrundeliegenden
Systemtrend) in die Zukunft (z.B. schrittweise Verbesserung der Rechenleis-
tung von Prozessoren);
Beschleunigung der aktuellen Entwicklung: beschleunigte Projektion der
aktuellen Entwicklung in die Zukunft (z.B. Revolutionierung der Rechenleis-
tung von Prozessoren);
120 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Positive Überzeichnung der aktuellen Entwicklung: positiv überzeichnete
Projektion der Entwicklung in die Zukunft anhand konkreter Aspekte (z.B. Re-
volutionierung der Rechenleistung von Prozessoren durch neuartigen Pro-
zessoraufbau);
Negative Überzeichnung der aktuellen Entwicklung: negativ überzeichnete
Projektion der Entwicklung in die Zukunft anhand konkreter Aspekte (z.B.
Stagnieren der Rechenleistung durch das Erreichen von physikalischen Gren-
zen);
Gezielte Einbeziehung von Umgebungseinflüssen: Projektion der Entwick-
lung in die Zukunft anhand der gezielten Einbeziehung von Beeinflussungen
durch andere Deskriptoren gemäß der Einflussanalyse (z.B. die Erreichung
von Materialgrenzen beim Prozessorbau führt zu einer Stagnierung der Re-
chenleistung von Prozessoren).
Anhand dieser Hilfestellungen lässt sich eine Reihe möglicher Projektionen für die
einzelnen Schlüsseldeskriptoren erstellen. Viele der Projektionen eines Schlüssel-
deskriptors ähneln sich jedoch oftmals und sind daher zu zwei bis drei geeigneten
Zukunftsprojektionen zu bündeln, „mit denen die wirklich charakteristischen Entwick-
lungsmöglichkeiten beschrieben werden“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 93). Die in
den jeweiligen Hilfestellungen aufgeführten Projektionsbeispiele sollen diesen Um-
stand verdeutlichen. Es wird deutlich, dass sich die ersten drei sowie die letzten bei-
den Projektionsbeispiele ähneln und durch zwei charakteristische Tendenzen ge-
kennzeichnet sind:
Anwachsen der Rechenleistung durch verbesserte bzw. revolutionäre techno-
logische Lösungen;
Stagnierung der Rechenleistung durch Erreichung physikalischer bzw. materi-
alspezifischer Grenzen beim Prozessorbau.
Die einzelnen Projektionen können demzufolge zu zwei konkreten Zukunftsprojektio-
nen zusammengefasst werden, die die wesentlichen Entwicklungsmöglichkeiten des
Schlüsseldeskriptors repräsentieren. Als zentrale Grundlage der zu erstellenden
Szenarien sind die charakteristischen Zukunftsprojektionen eines Schlüssel-
deskriptors anschließend noch so zu beschreiben, dass sie für Dritte einfach und
schnell zu verstehen sind und als elementare Textbausteine für die Szenarien ver-
wendet werden können. Den Zukunftsprojektionen sind dabei prägnante Kurzbe-
zeichnungen zuzuweisen, die ein eindeutiges Verständnis gewährleisten. Obendrein
bedarf es einer präzisen und ausführlichen Formulierung und Begründung der jewei-
ligen Zukunftsprojektionen (vgl. Kapitel 2.5.2.7).
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 121
Bild 4.11: Vorgehensweise zur Erstellung von Zukunftsprojektionen
Bild 4.11 zeigt die finale Übersicht der Vorgehensweise zur Erstellung von Zu-
kunftsprojektionen. Für die einzelnen Schlüsseldeskriptoren sind gemäß der vorge-
stellten Hilfestellungen mögliche Projektionen in die Zukunft zu ermitteln. Ähnliche
Projektionen sind anschließend zu je zwei konkreten Zukunftsprojektionen zu bün-
deln. Dadurch soll der Aufwand für die nachfolgende Szenariobildung entsprechend
begrenzt werden. Die einzelnen Zukunftsprojektionen der Schlüsseldeskriptoren sind
abschließend mit einer prägnanten Kurzbezeichnung zu versehen und klar, präzise
sowie für Dritte nachvollziehbar zu beschreiben.
Szenariobildung
Die abschließende Aufgabe der systemischen Exploration ist die Bildung der such-
feldspezifischen Szenarien, die den Zukunftsraum des Suchfelds aufspannen. Ein
Szenario beschreibt in seiner elementaren Form ein Bündel aus Zukunftsprojektio-
nen, wobei darin pro Schlüsseldeskriptor allerdings nur genau eine Projektion vor-
kommt. Zu beachten ist, dass trotz einer Vielzahl von möglichen Projektionsbündeln
nur begrenzt viele Szenarien ausgearbeitet werden, die klar voneinander unterschie-
den und interpretiert werden können (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Vor diesem Hintergrund
existiert folgende Faustregel: „So viele wie nötig, um ausreichend viele Perspektiven
und mögliche Zukünfte abzudecken und so wenige wie möglich, um Ermüdung zu
vermeiden und den Prozess handhabbar zu halten“ (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 22).
Das Hauptkriterium für die Glaubwürdigkeit der Szenarien ist die „Konsistenz, d.h.
die Widerspruchsfreiheit der einzelnen Projektionen zueinander“ (GAUSEMEIER ET AL.,
Schlüsseldeskriptoren
Ermittlung potentieller Projektionen der
Schlüsseldeskriptoren
Zukunftsprojektionen
Erstellung von
Zukunftsprojektionen
Bündelung ähnlicher Projektionen zu
konkreten Zukunftsprojektionen
Beschreibung der Zukunftsprojektionen
122 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
2001, S. 96). Aus diesem Grund müssen die erstellten Zukunftsprojektionen zu-
nächst einer Konsistenzanalyse in einer Konsistenzmatrix unterzogen werden, wie
sie beispielhaft in Bild 4.12 zu sehen ist.
Bild 4.12: Aufbau der Konsistenzmatrix in Anlehnung an GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER,
2001, S. 97
Darin werden die einzelnen Zukunftsprojektionen mit den dazugehörigen Schlüssel-
deskriptoren sowie Systemkomponenten in Zeilen und Spalten gegenübergestellt.
Wie bei der Einflussanalyse stützt man sich auch hier auf ein paarweises Bewer-
tungsschema, bei dem in diesem Fall allerdings sämtliche Projektionspaare entspre-
chend des vorgegebenen Bewertungsmaßstabs auf ihre gegenseitige Verträglichkeit
überprüft werden. Hier genügt eine einseitige Prüfung der Projektionspaare, da im
Rahmen der Konsistenzanalyse keine gerichteten Beziehungen untersucht werden.
Konsistente Projektionspaare sind in Bild 4.12 in grüner Farbe unterlegt, inkonsisten-
te Bündel dagegen in roter Farbe. Ein Beispiel für ein konsistentes Projektionspaar
ist das Anwachsen der Rechenleistung von Prozessoren bei gleichzeitiger Forderung
der Gesellschaft nach zunehmendem Funktionsumfang von Computern. Dagegen
wäre die Stagnierung der Rechenleistung von Prozessoren bei gleichzeitiger Forde-
rung des Markts nach leistungsfähigeren Computern für neuartige Anwendungsfälle
ein inkonsistentes Projektionspaar.
Bewertungsmaßstab:
1: absolut inkonsistent
2: teilweise inkonsistent
3: voneinander unabhängig
4: teilweise begünstigend
5: stark begünstigend
Pro
jektio
n 1
Pro
jektio
n 2
Pro
jektio
n 3
Pro
jektio
n 4
Pro
jektio
n 5
Pro
jektio
n 6
… … Pro
jektion 1
9
Pro
jektio
n 2
0
KomponenteSchlüssel-
deskriptor 1
Projektion 1
Projektion 2
KomponenteSchlüssel-
deskriptor 2
Projektion 3 3 3
Projektion 4 4 5
KomponenteSchlüssel-
deskriptor 3
Projektion 5 1 5 5 3
Projektion 6 2 4 4 3
… …
…
…
KomponenteSchlüssel-
deskriptor 10
Projektion 19 3 4 4 5 5 3
Projektion 20 3 2 4 4 4 3
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 123
Im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung sind durch den
Anwender in der Folge drei Szenarien aus konsistenten Zukunftsprojektionen zu er-
stellen, die einen möglichst breiten Querschnitt im Zukunftsraum des Suchfelds auf-
spannen. Folgende Ausprägungsmöglichkeiten sind bei der Auswahl der Zukunfts-
projektionen als Orientierungshilfe heranzuziehen:
Nüchterne Ausprägung: gezielte Auswahl von Zukunftsprojektionen, die ge-
meinhin die gegenwärtige Entwicklung fortschreiben und somit ein sehr nüch-
ternes Zukunftsbild liefern;
Positive Ausprägung: gezielte Auswahl von Zukunftsprojektionen, die zu äu-
ßerst positiven Entwicklungen führen und dem Unternehmen neue Hand-
lungsmöglichkeiten aufzeigen;
Negative Ausprägung: gezielte Auswahl von Zukunftsprojektionen, die zu
äußerst negativen Entwicklungen führen und dem Unternehmen mögliche Ge-
fahren und Hinweise für Gegenmaßnahmen aufzeigen.
Auf die in Kapitel 2.5.2.7 erwähnten Tools (rechnergestützte Auswertung der Konsis-
tenzanalyse über kombinatorische Verfahren, Rohszenario-Bildung, Zukunftsraum-
Mapping oder Ausprägungslisten) für die Auswahl von Zukunftsprojektionen wird in
diesem Fall verzichtet. Dies liegt einerseits am überschaubaren Aufwand, der mit der
Szenariobildung auf Basis von nur zehn Schlüsseldeskriptoren mit jeweils zwei Zu-
kunftsprojektionen verbunden ist. Andererseits werden keine direkten, strategischen
Entscheidungen entlang der Szenarien ausgerichtet. Sie dienen lediglich als Weg-
weiser für die Suche nach neuen technologischen Lösungen sowie als Teilkriterium
für die abschließende Technologiebewertung. Die Auswahl konsistenter Projektions-
bündel über eine simple Sichtprüfung der Konsistenzmatrix durch den Anwender er-
weist sich demnach als völlig ausreichend.
Die suchfeldspezifischen Szenarien müssen abschließend noch einer gründlichen
Aufbereitung unterzogen werden, um ihren Nutzen als Wegweiser zur Technologiei-
dentifikation sowie als Teilkriterium zur Technologiebewertung vollständig abgreifen
zu können. Dazu dient der in Bild 4.13 dargestellte Steckbrief, der sämtlichen Infor-
mationsgehalt eines Szenarios zusammenfasst und somit eine vollständige, über-
sichtliche und gleichzeitig auch kompakte Beschreibung der suchfeldspezifischen
Szenarien gewährleistet. Die Szenarien sind darin zunächst präzise und leicht nach-
vollziehbar zu beschreiben. Die Textelemente der Zukunftsprojektionen dienen dabei
als wichtige Bausteine (vgl. Kapitel 2.5.2.7). In Anlehnung an GAUSEMEIER ET AL. sind
aus den suchfeldspezifischen Szenarien des Weiteren auch wesentliche Chancen
und Risiken, die sich durch deren Eintreten für das Unternehmen ergeben würden,
abzuleiten (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 109) sowie konkrete Forderungen hinsicht-
124 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
lich der Entwicklung von technologischen Lösungen im Suchfeld herauszuarbeiten.
Abschließend ist für jedes Szenario eine triviale Abschätzung deren prozentualer
Eintrittswahrscheinlichkeiten durchzuführen, die eine spätere Gewichtung der Szena-
rien im Rahmen der Technologiebewertung erlaubt.
Bild 4.13: Mustersteckbrief eines suchfeldspezifischen Szenarios
Insgesamt ergibt sich am Ende der systemischen Exploration die in Bild 4.14 darge-
stellte Vorgehensweise zur Szenariobildung. Die erarbeiteten Zukunftsprojektionen
sind zunächst in einer Konsistenzmatrix auf ihre gegenseitige Verträglichkeit zu prü-
fen. Im Anschluss sind durch Sichtprüfung der Konsistenzmatrix drei in sich konsis-
tente, suchfeldspezifische Szenarien gemäß der aufgezeigten Orientierungshilfen zu
erstellen. Die Szenarien sind daraufhin in den vorgestellten Steckbriefen präzise und
verständlich zu beschreiben. Sie stecken letztendlich den Zukunftsraum ab, der ei-
nerseits Signale über signifikante Evolutionslinien bzw. technologische Trends im
Suchfeld liefert und andererseits als Teilkriterium in den Bewertungsprozess einfließt.
Mustersteckbrief eines suchfeldspezifischen Szenarios
Projektionsbündel: Forderung an das Suchfeld:
[Komponente] [Schlüsseldeskriptor 1] [Projektion 1]
[Forderung hinsichtlich der Entwicklung von
technologischen Lösungen im Suchfeld]… … …
… … …
… … … Chancen:
… … …[Chancen für das Unternehmen]
… … …
… … … Risiken:
… … …[Risiken für das Unternehmen]
… … …
[Komponente] [Schlüsseldeskriptor 10] [Projektion 19] Wahrscheinlichkeit: [in %]
Beschreibung:
[Beschreibung des suchfeldspezifischen Szenarios]
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 125
Bild 4.14: Vorgehensweise zur Szenariobildung
4.2.3 Phase 3 – Bestimmung von Technologieoptionen
In der dritten Phase der TRIZ- und szenariobastierten Technologiebewertung werden
die für die Bewertung relevanten Technologieoptionen im Suchfeld bestimmt. Die
dafür notwendigen Vorbereitungen fallen bereits in die Phase der systemischen Ex-
ploration, in der die Technologieentwicklung im Suchfeld anhand der retrospektiven
Systemanalyse im Trendmodell erfasst und über die erweiterten TESE sowie die Er-
stellung der suchfeldspezifischen Szenarien in die Zukunft fortgeschrieben wird.
Letztendlich mündet dies in einen Zukunftsraum des Suchfelds mit konkreten Signa-
len über signifikante Evolutionslinien bzw. technologische Trends. Nach dem klassi-
schen Verständnis einer Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel 2.2.2.1) sind diese
technologiespezifischen Signale anhand geeigneter Maßnahmen systematisch zu
verdichten, so dass zusätzlich zu den bereits eingesetzten Technologieoptionen ge-
zielt auch auf neue Technologieoptionen geschlossen werden kann. Zur Vervollstän-
digung dieser Phase müssen sämtliche Technologieoptionen noch hinsichtlich ihrer
Funktionsweise sowie weiteren ausgewählten Merkmalen beschrieben werden.
Dadurch wird das Technologieverständnis an sich gefördert, eine gewisse Ordnung
und Vergleichbarkeit hergestellt sowie eine ausreichende Informationsgrundlage für
die abschließende Technologiebewertung geschaffen. Ferner kann mit dieser Phase
auch der in Kapitel 3.3 aufgestellten Forderung nach einer Integration von Elementen
der Technologiefrüherkennung in das methodische Konzept Rechnung getragen
werden. Diese Integration schafft die notwendige Grundlage für eine umfassende
Zukunftsprojektionen
Konsistenzanalyse in der Konsistenzmatrix
technologiespezifische
Signale
Szenariobildung
Bildung konsistenter, suchfeldspezifischer
Szenarien
Beschreibung der suchfeldspezifischen
Szenarien in Steckbriefen
126 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Beschaffung und Verarbeitung von Informationen über zukunftsrelevante technologi-
sche Entwicklungen.
Technologieidentifikation
Ausgehend von den Erkenntnissen der systemischen Exploration sind im Ablauf-
schritt zur Technologieidentifikation neben den bereits genutzten Technologien im
Suchfeld auch neue technologische Lösungen zu identifizieren. Dabei orientiert man
sich am Grundprinzip der Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel 2.2.2.1), das sich
neben einer systematischen Beschaffung auch mit einer systematischen Verdichtung
„von Informationen über künftige Chancen und Risiken befasst, welche technologi-
sche oder technologierelevante Veränderungen […] mit sich bringen“ (SPECHT ET AL.,
2009, S. 153). Entscheidend ist es dabei, Trends zu erkennen und gezielt auf die
Auswahl der richtigen Technologien hinzuführen. Eine grundlegende Systematik hin-
ter Informationsbeschaffung und -verdichtung dämmt dabei den Unsicherheitsgrad
ein, der mit der prospektiven Sichtweise verbunden ist, und bildet somit einen we-
sentlichen Faktor für eine erfolgreiche Technologiefrüherkennung (SPECHT ET AL.,
2009, S. 153–154). Diese führt letztendlich zu konkreten Erkenntnissen über neue
technologische Potentiale, die es den Unternehmen auf vielfältige Weise ermögli-
chen, entscheidende Wettbewerbsvorteile zu erzielen (GRAWATSCH, 2005, S. 13;
ZAHN & BRAUN, 1992, S. 5).
Die systematische Erfassung von Signalen über technologische bzw. technologiere-
levante Veränderungen im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologie-
bewertung findet ihren Ursprung bereits in der Phase der systemischen Exploration.
Besonders die Verknüpfung von TRIZ-Werkzeugen wie dem System Operator oder
den erweiterten TESE mit einer klassischen Methode wie der Szenario-Analyse, die
sowohl in der Technologiefrüherkennung als auch -bewertung zum Einsatz kommen
kann, erweist sich hier als „sehr vielversprechend, da abgeschätzte Trendentwick-
lungen so mit konkreten Ideen für Technologieentwicklungen untermauert werden
können“ (GRAWATSCH, 2005, S. 36). Dabei stützt sich die Erfassung von Signalen
nicht nur auf rein analytische Elemente, sondern wird durch kreative Assoziationen
zusätzlich angeregt. Insbesondere in den einzelnen Szenarien können neben eher
allgemeinen technologiespezifischen Signalen auch konkretere Ansätze über neue
technologische Lösungen ermittelt werden. Nichtsdestotrotz müssen diese Erkennt-
nisse gerade im Hinblick auf die abschließende Bewertung verdichtet werden. Denn
was sich nicht in irgendeiner Form in verfügbaren Informationen niederschlägt, kann
im Grunde auch nicht als Bewertungsobjekt einer zweckmäßigen Technologiebewer-
tung herangezogen werden. Es ist daher notwendig, „sich im Sinne einer Kombinato-
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 127
rik-Aufgabe“ wesentliche Informationsbausteine über konkrete technologische Poten-
tiale systematisch zu erschließen (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 78).
Für den Fall der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung bedeutet dies,
dass gestützt durch die jeweiligen Erkenntnisse aus der systemischen Exploration
nach „greifbaren“ Informationen über vorstellbare, geplante oder bereits verfolgte
technologische Ansätze gesucht werden muss, so dass diese dann letztendlich auch
einer zweckmäßigen Bewertung unterzogen werden können. Bild 4.15 zeigt vor die-
sem Hintergrund das Grundprinzip der Technologieidentifikation im Rahmen der
TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung. Zur Verdichtung der suchfeld-
spezifischen Signale sowie der damit verbundenen Suche nach neuen Technologie-
optionen sind demnach klassische Instrumente einer Technologiefrüherkennung als
Hilfsmittel heranzuziehen. Neben Patentanalysen und Expertengesprächen ist in die-
sem Zusammenhang vor allem auch die Analyse forschungsspezifischer Literatur in
gedruckter Form oder im Internet zu nennen (GRAWATSCH, 2005, S. 80–81).
Bild 4.15: Verdichtung von Signalen über neue technologische Potentiale in der TRIZ- und szena-
riobasierten Technologiebewertung
Letztere Optionen eignen sich eher für eine allgemeine Suche nach technologischen
Erkenntnissen, wie sie bspw. in Fachbüchern, in Suchmaschinen oder in Produktbe-
schreibungen bzw. Werbekatalogen von wichtigen Konkurrenten zu finden sind.
Dennoch kann dabei bereits eine grundlegende Weichenstellung für tiefergehende,
detailliertere Recherchen geschaffen werden (GRAWATSCH, 2005, S. 81). An dieser
Stelle liefern Expertenbefragungen (vgl. Kapitel 2.5.1.1) einen möglichen Anschluss-
Tech
no
log
ieid
en
tifi
kati
on
neue
Technologie-
optionen
Zukunftsraum des Suchfelds mit Signalen über
technologische Potentiale
Verdichtung der Signale
Patente Experten Literatur
128 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
punkt. Experten setzen sich aus fortschrittlich denkenden Kunden, Zulieferern sowie
Fachpersonal aus wissenschaftlichen Institutionen wie auch dem eigenen Unterneh-
men zusammen und „verfügen über das am besten verarbeitete bzw. verknüpfte
Wissen“ (GRAWATSCH, 2005, S. 81). Expertenbefragungen bieten somit eine effektive
Möglichkeit, frühzeitig an konkrete Informationen über zukunftsrelevante technologi-
sche Lösungen zu gelangen. Selbigen Zweck erfüllen auch Patentanalysen (vgl. Ka-
pitel 2.5.1.2). Patente stellen aufgrund ihrer Objektivität, leichten Zugänglichkeit so-
wie des implizierten technischen Wissens eine sehr mächtige Informationsquelle dar.
Sie setzen automatisch die Entwicklung neuer technologischer Lösungen voraus. Die
Analyse von Patentdaten führt somit automatisch zu stichhaltigen Erkenntnissen
über neue Technologieoptionen. Abschließend muss jedoch erwähnt werden, dass
die vorgestellten Hilfsmittel zur Technologieidentifikation nicht isoliert anzuwenden
sind. Vielmehr wird eine kombinierte Anwendung der Instrumente empfohlen (GRA-
WATSCH, 2005, S. 80–81).
Die anhand der aufgezeigten Hilfsmittel identifizierten Ansätze über technologische
Lösungen sind in der Folge entsprechend zu benennen und als Technologieoption im
Suchfeld festzulegen. Sie bilden den einen wesentlichen Teil der zu bewertenden
Technologien. Den anderen Teil bilden die vom Unternehmen gegenwärtig einge-
setzten Technologien im Suchfeld, die während der Gestaltung des Trendmodells
bereits ermittelt wurden. Diese gleichzeitige Berücksichtigung von bewährten als
auch neuen Technologieoptionen im Rahmen der multikriteriellen Bewertung erlaubt
dem Unternehmen eine entsprechende Beurteilung, ob sich ein möglicherweise kos-
ten- sowie ressourcenaufwändiger Wechsel von einer bewährten auf eine neue
Technologie überhaupt als notwendig erweist.
Bild 4.16 fasst zum Abschluss die Vorgehensweise zur Technologieidentifikation
noch einmal zusammen. Die technologiespezifischen Signale aus der systemischen
Exploration sind anhand der vorgestellten Hilfsmittel einer klassischen Technologie-
früherkennung so zu verdichten, dass neue technologische Lösungen im Suchfeld
identifiziert werden können. Diese sind konkret zu benennen und um die gegenwärtig
vom Unternehmen eingesetzten Technologien zu ergänzen. Der Pool an Technolo-
gieoptionen für die abschließende Technologiebewertung steht nun fest. Die einzel-
nen Technologieoptionen müssen nachfolgend jedoch noch einer umfassenden Be-
schreibung unterzogen werden.
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 129
Bild 4.16: Vorgehensweise zur Technologieidentifikation
Beschreibung der Technologieoptionen
Die spezifische Beschreibung der einzelnen Technologieoptionen hinsichtlich charak-
teristischer Merkmale stellt eine notwendige Voraussetzung für eine aussagekräftige
Technologiebewertung dar. So kann einerseits eine ausreichende Informationsbasis
für die Bewertung geschaffen, andererseits aber auch das Technologieverständnis
an sich sowie die Vergleichbarkeit bzw. Klassifizierbarkeit der einzelnen Technolo-
gieoptionen gefördert werden (vgl. Kapitel 2.1.2).
Besonders vor dem Hintergrund der eingangs der Arbeit geschilderten Problematik
bzgl. einer oftmals lückenhaften und unsicheren Informationslage, die sich aus der
hohen Komplexität, Dynamik sowie Verflochtenheit von Technologieentstehung und
-entwicklung ergibt (vgl. Kapitel 1.2), ist es äußerst wichtig, dass durch das gezielte
Zusammenführen bzw. Verknüpfen von Bewertungsinformationen aus verschiedenen
Informationsklassen dennoch eine möglichst vollständige und durchgängige Daten-
basis geschaffen wird (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 79). KRÖLL liefert vor diesem
Hintergrund eine Reihe von Informationsklassen, die eine Technologiebeschreibung
aus allgemeingültigen Blickwinkeln ermöglicht (vgl. Kapitel 2.1.2). Aus den dadurch
„verfügbaren Informationsbausteinen wird zum einen schrittweise eine genauere Be-
schreibung und Abgrenzung der betreffenden Technologie zusammengeführt. Zum
anderen dienen die Informationsklassen der iterativen Vergrößerung und Verfeine-
rung des Bestandes an Bewertungsinformationen“ (SERVATIUS & PEIFFER, 1992,
S. 80). Die von KRÖLL vorgeschlagenen Informationsklassen zur Beschreibung von
technologiespezifische
Signale
Suche nach neuen technologischen
Lösungen
Technologieoptionen
Technologie-
identifikation
Festlegung der zu bewertenden
Technologieoptionen
130 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Technologien bilden somit den Rahmen der Merkmalsklassen zur Technologiebe-
schreibung im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung und
werden im Hinblick auf den nachfolgenden Bewertungsschritt entsprechend ange-
passt bzw. erweitert. Diese angepassten bzw. erweiterten Merkmalsklassen mit ihren
wesentlichen Anhalts- bzw. Orientierungspunkten werden im Folgenden näher vor-
gestellt:
Funktionale Merkmale: Funktionsprinzip, Anwendungshinweise;
Inhaltliche Merkmale: Entwicklungsstand, Forschungsschwerpunkte, An-
wendungsgebiete, Materialien, Bauformen;
Qualitative Merkmale: Umsetzbarkeit, charakteristische Eigenschaften, Zu-
verlässigkeit, Flexibilität, Automatisierbarkeit, Instandhaltbarkeit, Umweltbeein-
flussung;
Zeitliche Merkmale: Beschaffungsdauer, Entwicklungsdauer, Wettbewerbs-
druck durch Konkurrenz;
Wirtschaftliche Merkmale: rechtlicher Schutz, Investitionsbedarf, Entwick-
lungsaufwand, Energieverbrauch;
Personelle Merkmale: Mitarbeiterqualifikation, Personalbedarf.
Wie bei der Technologieidentifikation sind auch zur Technologiebeschreibung die
klassischen Informationsquellen wie Patentanalysen, Expertengesprächen sowie die
Analyse forschungsspezifischer Literatur in gedruckter Form oder im Internet zu ver-
wenden (GRAWATSCH, 2005, S. 84). Speziell zur Einschätzung des Entwicklungs-
stands einer Technologie sowie der damit verbundenen Forschungsschwerpunkte
hilft auch eine Orientierung an den in Kapitel 2.5.1.4 vorgestellten Indikatoren der
gewöhnlichen S-Kurven-Analyse nach TRIZ. Zudem können auch gezielte Nachfor-
schungen bzw. Recherchen im eigenen Unternehmen wichtige Informationen liefern,
da fachspezifisches Wissen dort oftmals direkt zugänglich ist. Die mittels der aufge-
zeigten Recherchemethoden gesammelten Informationen zu den jeweiligen Merk-
malsklassen sind abschließend zu einer durchgängigen und möglichst vollständigen
Datenbasis zu verknüpfen.
Bild 4.17 liefert nochmals eine Zusammenfassung der Vorgehensweise zur Be-
schreibung der zu bewertenden Technologieoptionen. Über die vorgestellten Infor-
mationsquellen sind dafür zunächst technologiespezifische Informationen gemäß der
vorgegebenen Merkmalsklassen zu recherchieren. Im Anschluss sind die Technolo-
gieoptionen anhand der gesammelten Informationen datentechnisch zu beschreiben.
Auf diese Weise lassen sich die einzelnen Technologieoptionen der nachfolgenden
Bewertung zugänglich machen.
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 131
Bild 4.17: Vorgehensweise zur Beschreibung der Technologieoptionen
4.2.4 Phase 4 – Multikriterielle Technologiebewertung
Die finale Phase der vorgestellten Methode stützt sich auf den Kernaspekt einer mul-
tikriteriellen Technologiebewertung. Damit soll eine kombinierte Potentialbestimmung
für die im Suchfeld bestimmten Technologieoptionen hinsichtlich der Dimensionen
Technologiepotential, Zukunftspotential und Unternehmenspotential erreicht werden,
die wiederum eine Auswahl von zukunftssicheren Technologieoptionen erlaubt. Die
drei Bewertungsdimensionen sind nach unterschiedlich gewichteten Bewertungskri-
terien aufgeschlüsselt und gezielt so gewählt, dass neben differenzierten Aussagen
über das Potential der einzelnen Technologieoptionen auch Aussagen über das
grundsätzliche Potential des Unternehmens zur Technologieumsetzung getätigt wer-
den können. Das Bewertungsschema orientiert sich dabei am Prinzip der Multi-
Attribut-Ansätze einer multikriteriellen Entscheidungsunterstützung, das sich auf die
simultane Bewertung einer bereits bekannten Menge an Alternativen anhand mehre-
rer, unterschiedlich gewichteter Kriterien stützt (vgl. Kapitel 2.4.2). „Das Ziel […] be-
steht in der Regel darin, diejenigen Alternativen zu identifizieren, die den Präferen-
zen der (des) Entscheidungsträger(s) am besten gerecht werden“ (OBERSCHMIDT,
2010, S. 58). Dafür ist es wichtig, dass das Grundgerüst der Bewertungskriterien zu-
nächst systematisch aufbereitet und in einen leicht nachvollziehbaren sowie wider-
spruchsfreien Bewertungsrahmen gefasst wird. Anschließend erfolgt die eigentliche
Durchführung der multikriteriellen Bewertung, bei der die Teilpotentiale je Technolo-
gieoptionen bestimmt und zu den Gesamtpotentialen aggregiert werden. Auf Basis
Technologieoptionen
Recherche technologiespezifischer
Informationen
bewertbare
Technologieoptionen
Beschreibung der
Technologieoptionen
Datentechnische Beschreibung der
Technologieoptionen
132 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
der gewonnenen Bewertungsergebnisse lassen sich über ein Handlungsportfolio
letztendlich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten, die gezielt bei der Entschei-
dungsfindung unterstützen sollen. Mit der Konzipierung dieser Phase wird letztend-
lich auch sichergestellt, dass entsprechend der Anforderungen an eine zeitgemäße
Technologiebewertung mehrere Technologieoptionen unter Berücksichtigung einer
Vielzahl von Kriterien systematisch und möglichst objektiv beurteilt werden können.
Der aus dem aktuellen Forschungsstand abgeleiteten Forderung nach einem syste-
matischen und multikriteriellen Bewertungsschema zur Sicherstellung aussagekräfti-
ger Bewertungsergebnisse kann somit Folge geleistet werden (vgl. Kapitel 3.3).
Aufbereitung der Bewertungskriterien
Wie bereits eingangs der Arbeit geschildert, stehen Bewertungskriterien an sich zwar
nicht für absolute sowie völlig objektive Größen, schaffen aber den wesentlichen
Rahmen einer Bewertung und lenken deren Ergebnisse in Richtung der vorgegebe-
nen Zielsetzung. Unternehmen müssen neben klassischen unternehmensinternen
Kriterien, die vorrangig auf Funktionalität oder Wirtschaftlichkeit abzielen, heutzutage
verstärkt auch unternehmensexterne Kriterien aus Bereichen wie Markt, Politik, Ge-
sellschaft oder Umwelt berücksichtigen, was zu einem großen und teils insuffizienten
Pool an möglichen Bewertungskriterien führt. Um trotz dieser Problematik vergleich-
bare und objektive Aussagen über die einzelnen Technologieoptionen tätigen sowie
eine fundierte Entscheidung herbeiführen zu können, sind die für die Untersuchung
relevanten Bewertungskriterien so festzulegen und zu gewichten, dass in der Folge
eine widerspruchsfreie und nachvollziehbare Bewertung gewährleistet werden kann
(vgl. Kapitel 1.2). Bei der Festlegung von Bewertungskriterien müssen demnach ge-
wisse Grundregeln beachtet werden. BREIING & KNOSALA nennen vor diesem Hinter-
grund folgende Grundsätze, die verzerrten bzw. verfälschten Bewertungsergebnis-
sen vorbeugen (BREIING & KNOSALA, 1997, S. 42–43):
Vermeidung von sich inhaltlich überschneidenden Bewertungskriterien;
Vermeidung von widersprüchlichen Bewertungskriterien;
Vermeidung von gegenläufigen Bewertungskriterien.
Im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung ist diesen
Grundsätzen durch eine eindeutige und gleichläufige Formulierung sowie präzise
Beschreibung der gewünschten Kriterien entsprechend Folge zu leisten. So lässt
sich ein widerspruchsfreies und nachvollziehbares Grundgerüst an Bewertungskrite-
rien erarbeiten, das zur Bestimmung der einzelnen Potentialwerte herangezogen
werden. Dieses Grundgerüst umfasst die drei übergeordneten Bewertungsdimensio-
nen des Technologie-, Zukunfts- sowie Unternehmenspotentials, die wiederum durch
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 133
spezifische Bewertungskriterien untergliedert sind. Zur Verdeutlichung der Zusam-
mensetzung bzw. hierarchischen Struktur der Kriterien zeigt Bild 4.18 das Grundge-
rüst in einer baumähnlichen Struktur (vgl. Kapitel 2.4.2).
Bild 4.18: Grundgerüst der Bewertungskriterien
Die Bewertungsdimension des Technologiepotentials liefert Erkenntnisse, inwieweit
die einzelnen Technologieoptionen die grundlegenden Anforderungen an das Such-
feld erfüllen, die sich im Einzelnen aus funktionalen Anforderungen des Produkts,
kunden- sowie unternehmensspezifischen Anforderungen zusammensetzen. Unter
funktionalen Anforderungen des Produkts werden in diesem Zusammenhang die
notwendigen Kriterien verstanden, die das Suchfeld zu erfüllen hat, um die Funkti-
onsfähigkeit des Produkts aufrecht zu erhalten (z.B. das Kriterium „elektrische Leitfä-
higkeit“ des Suchfelds „elektrischer Leiter“ als notwendige Voraussetzung für ein
funktionierendes Produkt „Stromkabel“). Demgegenüber stehen unternehmens- und
kundenspezifische Anforderungen für wesentliche Entscheidungskriterien seitens
Interessensbereichen des Unternehmens sowie wichtiger Kunden (z.B. „Montagesi-
Multikriterielle
Technologiebewertung
Kriterien zur Bestimmung des
Technologiepotentials sind vom Anwender in
Absprache mit Interessensgruppen
festzulegen und geben Auskunft über die
Erfüllung von produkt-, unternehmens- und
kundenspezifischen Anforderungen
Technologiepotential
Erfüllungspotential hinsichtlich
suchfeldspezifischem
Szenario I
suchfeldspezifischem
Szenario II
suchfeldspezifischem
Szenario III
Weiterentwicklungspotential
Diversifikationspotential
Reifegrad
Zukunftspotential
technologische Reife
Ressourcenverfügbarkeit
Reaktionsgeschwindigkeit
rechtliche Lage
Unternehmenspotential
134 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
cherheit“ und „Instandhaltbarkeit“). Diese äquivalente Berücksichtigung von funktio-
nalen, unternehmens- sowie kundenspezifischen Kriterien orientiert sich stark an der
prinzipiellen Denkweise der „Main Parameters of Value Discovery“ im Rahmen der
TRIZ-Methodik (vgl. Kapitel 2.5.1.4), die grundsätzlich zwischen strategischen und
funktionalen Schlüsselattributen eines technischen Systems bzw. einer Komponente
unterscheidet (Ikovenko, 2008, S. 9). Während strategische Attribute dabei eher all-
gemein formuliert sind und sich zumeist unmittelbar auf das Kaufverhalten der Kun-
den oder das Entscheidungsverhalten des Unternehmens auswirken, sind funktiona-
le Parameter eher auf spezifische Merkmale wie z.B. die geometrischen, physikali-
schen, chemischen oder biologischen Eigenschaften ausgerichtet, die das charakte-
ristische Verhalten des technischen Systems bzw. der Komponente bestimmen. Auf-
grund dieser offenkundigen Abhängigkeit zwischen Schlüsselattributen und Betrach-
tungsobjekt muss der Anwender der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewer-
tung die funktionalen, unternehmens- sowie kundenspezifischen Kriterien zur Be-
stimmung des Technologiepotentials in enger Absprache mit wichtigen Stakeholdern
bzw. Interessensgruppen (z.B. wichtige Kunden, Einkaufsabteilungen, F&E, Ferti-
gung und Montage, etc.) je nach Anwendungsfall festlegen (OBERSCHMIDT, 2010, S.
67).
Die zweite Bewertungsdimension beurteilt das künftige Eignungspotential der einzel-
nen Technologieoptionen anhand ausgewählter Zukunftskriterien sowie deren Erfül-
lungspotential hinsichtlich des über die suchfeldspezifischen Szenarien aufgespann-
ten Zukunftsraums. Im Gegensatz zu den Kriterien zur Bestimmung des Technolo-
giepotentials werden die Zukunftskriterien für eine einheitliche Verwendbarkeit fest
vorgegeben und dabei so ausgewählt, dass neben einer Beurteilung der gegenwärti-
gen Reife einer Technologieoption hinsichtlich eines serientauglichen Einsatzes in
neuen Produktlösungen ferner auch abgeschätzt werden kann, inwieweit diese sich
künftig noch verbessern lassen und Unternehmen dabei Möglichkeiten zur Diversifi-
kation bieten. Im Detail setzen sich die einzelnen Kriterien wie folgt zusammen:
Erfüllungspotential: Potential einer Technologieoption zur Erfüllung des Zu-
kunftsraums, aufgespannt durch die suchfeldspezifischen Szenarien;
Weiterentwicklungspotential: Potential einer Technologieoption zur künfti-
gen Weiterentwicklung ihres Leistungsstands;
Diversifikationspotential: Potential einer Technologieoption zur Ausweitung
des Sortiments, z.B. zur Erweiterung des Produktsortiments, zur Erweiterung
des Produktionsprogramms oder zur Erschließung neuer Märkte bzw. Anwen-
dungsgebiete;
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 135
Reifegrad: Reife einer Technologieoption für einen serienfähigen Einsatz in
künftigen Produktlösungen.
Mit der Bewertungsdimension des Unternehmenspotentials wird abschließend beur-
teilt, inwieweit das Unternehmen überhaupt über das Potential verfügt, die einzelnen
Technologieoptionen tatsächlich auch umsetzen zu können. Wie beim Zukunftspo-
tential werden die Bewertungskriterien auch hier fest vorgegeben. Diese orientieren
sich im Grunde an möglichen Kriterien zur Abschätzung der Ressourcenstärke in
einem klassischen Technologie-Portfolio (vgl. Kapitel 2.5.2.4) und repräsentieren
demzufolge unternehmensinterne Faktoren zur Beurteilung der technischen, wirt-
schaftlichen und rechtlichen Realisierbarkeit der Technologieoptionen durch das Un-
ternehmen. Auch diese Kriterien werden nachfolgend im Einzelnen näher erläutert:
Know-how: Verfügbarkeit des technologischen Know-hows im Unternehmen
zur (Weiter-)Entwicklung bzw. Adaption einer Technologieoption;
Ressourcenverfügbarkeit: Verfügbarkeit von finanziellen, sachlichen und
personellen Ressourcen im Unternehmen zur (Weiter-)Entwicklung bzw.
Adaption einer Technologieoption;
Reaktionsgeschwindigkeit: Reaktionsgeschwindigkeit des Unternehmens
zur (Weiter-)Entwicklung bzw. Adaption einer Technologieoption;
rechtliche Lage: Möglichkeiten des Unternehmens, den Wettbewerbsvor-
sprung durch eine Technologieoption rechtlich zu schützen.
Die Bewertungskriterien sind nun vollständig festgelegt. Im nächsten Schritt ist es
notwendig, den Kriterien die vermittelten, subjektiven Wertvorstellungen bzw. Präfe-
renzen der Interessensgruppen unter Berücksichtigung der wesentlichen Zielsetzung
beizumessen. Diese Wertvorstellungen lassen sich in unterschiedlich gewichteten
Bewertungskriterien ausdrücken. Als intuitive, leicht nachvollziehbare und dennoch
systematische Möglichkeit zur Gewichtung der Bewertungskriterien bietet sich das
Prinzip des paarweisen Vergleichs an (OBERSCHMIDT, 2010, S. 69–70). Dieses Prin-
zip sieht zunächst eine Gegenüberstellung aller Bewertungskriterien einer Bewer-
tungsdimension in einer symmetrischen Matrix vor, wie sie beispielhaft in Bild 4.19
dargestellt ist. Es folgt ein paarweises Vergleichsschema, bei dem die Kriterien in
den Zeilen der Reihe nach mit sämtlichen Kriterien in den Spalten anhand eines vor-
gegeben Maßstabs verglichen werden. Dieser Maßstab stützt sich auf eine intuitive
Einschätzung, die dem Zeilenkriterium je nach Relevanz gegenüber dem Spaltenkri-
terium eine „1“, „0“ oder „-1“ zuweist. Wie Bild 4.19 zeigt, ist insgesamt nur eine Hälf-
te der Matrix zu befüllen. Die andere Hälfte lässt sich über eine Spiegelung der Zel-
lenwerte an der Hauptdiagonalen ermitteln. Dabei muss folgende Bedingung erfüllt
werden (EVERSHEIM, LIESTMANN & WINKELMANN, 2006, S. 438):
136 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
ij jir + r = 0 4.1
r Relevanz (-1, 0, 1)
i Zeilennummer (Kriterium)
j Spaltennummer (Kriterium)
Über eine Relativierung der Gewichtungssummen (Zeilensummen) lassen sich nun
die relativen Gewichtungsfaktoren der einzelnen Bewertungskriterien ermitteln. Hier-
für sind folgende Rechenschritte notwendig (EVERSHEIM ET AL., 2006, S. 438–439):
1
n
i ij
j
Z r
4.2
1
n
i ij
j
z r n
4.3
1
ii n
ii
zg
z
4.4
r Relevanz (-1, 0, 1)
i Zeilennummer (Kriterium)
j Spaltennummer (Kriterium)
n Anzahl der Kriterien (1, 2, …, N)
Zi Gewichtungssumme bzw. Zeilensumme
zi relative Gewichtungssumme
gi relativer Gewichtungsfaktor
Bild 4.19: Beispiel einer paarweisen Vergleichsmatrix in Anlehnung an EVERSHEIM, LIESTMANN & WIN-
KELMANN, 2006, S. 438
Vergleichsmaßstab:
1: Zeilenkriterium wichtiger als Spaltenkriterium
0: Kriterien gleichbedeutend
-1: Zeilenkriterium weniger wichtig als Spaltenkriterium
Krite
rium
1
Krite
rium
2
Krite
rium
3
Krite
rium
4
Krite
rium
5
Gew
ich
tun
gssu
mm
e
Rela
tive
Gew
ich
tun
gssu
mm
e
Rela
tiver
Gew
ich
tun
gsfa
kto
r
Kriterium 1 -1 0 -1 -1 -3 1 0,05
Kriterium 2 1 1 0 -1 1 5 0,25
Kriterium 3 0 -1 1 0 0 4 0,20
Kriterium 4 1 0 -1 1 1 5 0,25
Kriterium 5 1 1 0 -1 1 5 0,25
Gewichtung der Bewertungskriterien über paarweisen Vergleich
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 137
Die Vorgehensweise zur Aufbereitung der Bewertungskriterien wird in Bild 4.20 noch
einmal abschließend zusammengefasst. Dabei ist es zunächst notwendig, dass pro-
dukt-, kunden- sowie unternehmensspezifische Bewertungskriterien zur Bestimmung
des Technologiepotentials in enger Absprache mit Interessensgruppen des Unter-
nehmens (Entwicklung, Fertigung, Einkauf etc.) festgelegt werden. Dabei ist beson-
ders auf die erwähnten Grundregeln von BREIING & KNOSALA für eine wesensgerechte
Festlegung der Bewertungskriterien zu achten. Die Kriterien zur Bestimmung von
Unternehmens- und Zukunftspotential sind demgegenüber fest vorgegeben. An-
schließend sind die Bewertungskriterien der drei Bewertungsdimensionen nach dem
Schema des paarweisen Vergleichs zu gewichten, so dass der Bewertungsrahmen
für die nachfolgende Bestimmung der Potentiale entsprechend vervollständigt wer-
den kann.
Bild 4.20: Vorgehensweise zur Aufbereitung der Bewertungskriterien
Multikriterielle Bewertung
Auf Basis des vollständigen Bewertungsrahmens erfolgt nun die eigentliche multikri-
terielle Bewertung, bei der die Teilpotentiale je Technologieoption bestimmt und zu
den drei Gesamtpotentialen aggregiert werden. Die Vorteile eines multikriteriellen
Bewertungsmodells liegen in der parallelen Berücksichtigung und systematischen
Verarbeitung von qualitativen sowie quantitativen Informationen aus unterschiedli-
chen Blickwinkeln. Dadurch können deutlich aussagekräftigere Bewertungsergebnis-
se realisiert werden als bei klassischen Bewertungsmodellen, die sich oftmals auf
eine reine Monetarisierung von Bewertungsgrößen stützen (OBERSCHMIDT, 2010,
bewertbare
Technologieoptionen
Festlegung der Bewertungskriterien
zur Potentialbestimmung
Bewertungsrahmen
Aufbereitung der
Bewertungskriterien
Gewichtung der Bewertungskriterien
über paarweisen Vergleich
138 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
S. 55–56) oder durch vereinfachte, unsystematische Bewertungsschritte gekenn-
zeichnet sind (vgl. Kapitel 3.2).
Im Rahmen der multikriteriellen Bewertung wird grundsätzlich zwischen der amerika-
nischen und der europäischen Schule unterschieden. Die amerikanische Schule
stützt sich auf die Annahme, dass Entscheidungsträger sich ihrer Präferenzen be-
wusst sind, und verfolgt das Ziel, diese Präferenzvorstellungen „in transparenter
Weise offenzulegen“ und über eine Nutzenfunktion zu einem Gesamtnutzen zu ag-
gregieren (OBERSCHMIDT, 2010, S. 59). Die europäische Schule widerspricht dieser
Sichtweise und will insbesondere die möglichen Konsequenzen von unklaren bzw.
widersprüchlichen Präferenzvorstellungen aufzeigen (vgl. Kapitel 2.4.2). Die Methode
zur TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung nutzt vor diesem Hinter-
grund den Ansatz der amerikanischen Schule, da auf diese Weise die Präferenzen
der Interessensgruppen entsprechend ihrer konkreten Erwartungshaltungen bzw.
Zielvorstellungen eindeutig zum Ausdruck gebracht und in der Bewertung berück-
sichtigt werden können. Demzufolge werden die Gesamtpotentiale der jeweiligen
Technologieoptionen über eine Aggregation der Teilpotentiale hinsichtlich der unter-
schiedlich gewichteten Bewertungskriterien ermittelt (vgl. Kapitel 2.4.2).
Das Konzept zur Zuweisung und Aggregation der besagten Teilpotentiale ist dabei
an das klassische Schema einer Nutzwert-Analyse angelehnt (vgl. Kapitel 2.5.2.2).
Die Gegenüberstellung der zu bewertenden Technologieoptionen mit den jeweiligen
Bewertungskriterien der drei Bewertungsdimensionen zusammen mit deren Gewich-
tungsfaktoren erfolgt in drei einheitlich aufgebauten Bewertungsmatrizen, die in Bild
4.21 beispielhaft dargestellt sind. In diesen Matrizen muss schließlich für jede Tech-
nologieoption eine Potentialabschätzung hinsichtlich der aufgeführten Bewertungskri-
terien durchgeführt werden. Dafür trägt man in die vorgesehen Zellen einen entspre-
chenden Potentialwert anhand eines vorgegebenen Maßstabs ein. Im Wesentlichen
stützt sich diese Potentialabschätzung auf die umfassenden Informationen, die im
Rahmen der Beschreibung der Technologieoptionen gesammelt wurden. Über eine
Multiplikation der kriterienspezifischen Gewichtungsfaktoren mit den kriterienspezifi-
schen Potentialwerten lassen sich in der Folge die Teilpotentiale der Technologieop-
tionen ermitteln. Diese werden abschließend zu den Gesamtpotentialen aufsummiert,
so dass ein Vergleich bzw. eine Priorisierung der einzelnen Technologieoptionen er-
möglicht werden kann. Für eine korrekte Durchführung der multikriteriellen Bewer-
tung sind jedoch noch letzte Details zu klären. Für die Skalierung des Bewertungs-
maßstabs wird vor diesem Hintergrund die typische Aufschlüsselung von „0“ (nicht
vorhanden) bis „10“ (sehr hoch) verwendet (EVERSHEIM ET AL., 2006, S. 437). Außer-
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 139
dem werden nachfolgend noch die notwendigen Berechnungsschritte zur Bestim-
mung von Teil- sowie Gesamtpotential aufgeführt:
* ji i jip g a 4.5
1
n
j ji
i
P p
4.6
a Potentialabschätzung (0, 1, 2, …, 10)
gi relativer Gewichtungsfaktor
i Zeilennummer (Kriterium)
j Spaltennummer (Technologieoption)
n Anzahl der Kriterien
pji Teilpotential einer Technologieoption je Kriterium
Pj Gesamtpotential einer Technologieoption
Bild 4.21: Beispielhafte Darstellung der Bewertungsmatrizen zur Bestimmung der Gesamtpotentiale
Gesondert zu betrachten ist die Bestimmung des Zukunftspotentials. Dabei ist das
Kriterium des Erfüllungspotentials zusätzlich in drei Subkriterien untergliedert, die
durch die suchfeldspezifischen Szenarien repräsentiert werden. Diese Subkriterien
werden über die abgeschätzten Eintrittswahrscheinlichkeiten der suchfeldspezifi-
schen Szenarien gewichtet. Das Erfüllungspotential wird daher zunächst wie ein Ge-
Bewertungsmatrix zur Bestimmung des Unternehmenspotentials
Bewertungsmaßstab:
0: nicht ausgeprägt
1-3: schlecht ausgeprägt
4-6: moderat ausgeprägt
7-9: gut ausgeprägt
10: sehr gut ausgeprägt
Re
lati
ve G
ew
ich
tun
g
Technolo
gie
option 1
Technolo
gie
option 2
Technolo
gie
option 3
… … … … … … Technolo
gie
option
10
Kriterium 1 0,05 3 7 2 3
Kriterium 2 0,25 5 9 5 9
Kriterium 3 0,20 6 4 5 8
…
Kriterium N 0,25 1 8 7 1
Technologiepotential 4,2 7,8 5,9 6,7
Bewertungsmatrix zur Bestimmung des Zukunftspotentials
Bewertungsmaßstab:
0: nicht ausgeprägt
1-3: schlecht ausgeprägt
4-6: moderat ausgeprägt
7-9: gut ausgeprägt
10: sehr gut ausgeprägt
Re
lati
ve G
ew
ich
tun
g
Technolo
gie
option 1
Technolo
gie
option 2
Technolo
gie
option 3
… … … … … … Technolo
gie
option
10
Kriterium 1 0,05 3 7 2 3
Kriterium 2 0,25 5 9 5 9
Kriterium 3 0,20 6 4 5 8
…
Kriterium N 0,25 1 8 7 1
Technologiepotential 4,2 7,8 5,9 6,7
Bewertungsmatrix zur Bestimmung des Technologiepotentials
Bewertungsmaßstab:
0: nicht vorhanden
1-3: gering
4-6: moderat
7-9: hoch
10: sehr hoch
Re
lati
ve G
ew
ich
tun
g
Technolo
gie
option 1
Technolo
gie
option 2
Technolo
gie
option 3
… … … … … … Technolo
gie
option
10
Zuverlässigkeit 0,05 3 7 2 3
Montagefähigkeit 0,25 5 9 5 9
Umweltverträglichkeit 0,20 6 4 5 8
…
Flexibilität 0,25 1 8 7 1
Gesamtpotential 4,2 7,8 5,9 6,7
140 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
samtpotential über Formel 4.6 berechnet. Im Anschluss fließt der berechnete Ge-
samtwert des Erfüllungspotentials dann gemäß seines kriterienspezifischen Gewich-
tungsfaktors als Teilpotential in die Berechnung des Zukunftspotentials ein. Insge-
samt bietet die TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung also ein struktu-
riertes und systematisches Bewertungsmodell zur Bestimmung von Technologie-,
Zukunfts- sowie Unternehmenspotential, das in der Folge eine Einordnung der Tech-
nologieoptionen in ein spezifisches Handlungsportfolio ermöglicht und maßgeblich
bei der Entscheidungsfindung unterstützt.
Bild 4.22: Vorgehensweise zur multikriteriellen Bewertung der Technologieoptionen
Eine abschließende Zusammenfassung der Vorgehensweise zur multikriteriellen
Technologiebewertung im Rahmen der vorgestellten Methode liefert Bild 4.22. Im
ersten Schritt werden dabei zunächst die entsprechenden Potentialabschätzungen je
Technologieoption gemäß der im Bewertungsrahmen fest verankerten Bewertungs-
kriterien getroffen. Über die vorgegebenen Bewertungsschritte werden daraus die
jeweiligen Teilpotentiale ermittelt und zu den drei Gesamtwerten des Technologie-,
Zukunfts- sowie Unternehmenspotentials aggregiert. Man erhält somit die finalen
Bewertungsergebnisse für die einzelnen Technologieoptionen als Ausgangspunkt für
die nachfolgende Ableitung von Handlungsempfehlungen.
Ableitung von Handlungsempfehlungen
Die Bewertungsergebnisse eignen sich aufgrund der Aufschlüsselung in drei Bewer-
tungsdimensionen sehr gut für eine Überführung in ein Handlungsportfolio, das „zur
Bewertungsrahmen
Bestimmung der Teilpotentiale
je Technologieoption
Bewertungsergebnis
Multikriterielle
Bewertung
Aggregation der Teilpotentiale
je Technologieoption zu Gesamtpotentialen
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 141
gedanklichen Strukturierung des Entscheidungsfeldes […] und damit zur Verbesse-
rung der Handhabbarkeit der Probleme der strategischen Planung“ dient (PFEIFFER
ET AL., 1989, S. 77). Speziell technologiebezogene Portfolio-Konzepte erlauben Un-
ternehmen die Gegenüberstellung von technologiespezifischen Potentialen mit den
spezifischen Unternehmenspotentialen zur Umsetzung der betrachteten Technolo-
gien, so dass im Anschluss Handlungsempfehlungen zur gezielten Unterstützung
von Technologieentscheidungen abgeleitet werden können (WOLFRUM, 1991,
S. 199).
Das im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung eingeführte
Handlungsportfolio zur Visualisierung der Bewertungsergebnisse und simultanen
Klassifizierung der einzelnen Technologieoptionen orientiert sich am Grundaufbau
des Technologie-Portfolios nach PFEIFFER ET AL. (vgl. Kapitel 2.5.2.4), wird aber auf
die spezifischen Rahmenbedingungen der vorgestellten Methode angepasst. Wie in
Bild 4.23 zu sehen ist, umfasst das Portfolio neben der klassischen Darstellung der
Dimensionen des Technologie- und Unternehmenspotentials in der Vertikalen bzw.
Horizontalen demzufolge auch eine Visualisierung des Zukunftspotentials über die
Größe des Kreisdurchmessers der korrespondierenden Technologieoptionen (großer
Durchmesser = hohes Zukunftspotential).
Bild 4.23: Handlungsportfolio der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung
J
L
?
?
Technologieoption 1
Technologieoption 2
Technologieoption 3
Kreisdurchmesser
=
Zukunftspotential
0,0
5,0
10,0
0,0 5,0 10,0
Tech
no
log
iep
ote
nti
al
Unternehmenspotential
142 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
Des Weiteren ist das Portfolio in drei wesentliche Bereiche untergliedert, die eine
Zuordnung der Technologieoptionen zu bestimmten Normstrategien ermöglichen.
Diese sind an die klassischen Normstrategien zur Investition, Selektion und Desin-
vestition nach PFEIFFFER ET AL. angelehnt und gestalten sich im Einzelnen wie folgt
(PFEIFFER ET AL., 1989, S. 99–102; WOLFRUM, 1991, S. 202):
Abstoßen: Technologien in diesem Bereich erweisen sich für das Unterneh-
men als unattraktiv, da weder die Technologien das nötige Potential zur Erfül-
lung der produkt-, unternehmens- sowie kundenspezifischen Anforderungen
im Suchfeld aufweisen, noch das Unternehmen so aufgestellt ist, dass die
Technologien entsprechend umgesetzt werden können. Verfügen die Techno-
logien in diesem Bereich nicht über ein bemerkenswertes Zukunftspotential,
das bspw. eine querschnittliche Anwendung auch in anderen Einsatzberei-
chen ermöglicht, sind sie vom Unternehmen nicht weiter zu berücksichtigen.
Ein solches Beispiel wäre Technologieoption 3 (vgl. Bild 4.23).
Abwägen: Dieser Bereich unterscheidet grundsätzlich zwei Fälle. Im Fall ei-
nes geringen Technologie- sowie hohen Unternehmenspotentials ist abzuwä-
gen, ob die Technologie aufgrund ihres Zukunftspotentials weiter berücksich-
tigt und gegebenenfalls durch gezielte F&E-Aktivitäten im Unternehmen zeit-
nah auf ein angemessenes Leistungsniveau gebracht werden kann. Im Fall
eines hohen Technologie- sowie geringen Unternehmenspotentials ist dage-
gen abzuwägen, ob das Unternehmen dazu bereit ist, den technologischen
Rückstand in absehbarer Zeit durch Zukauf oder eigene F&E-Aktivitäten auf-
zuholen. Bei dieser Abwägung spielt das Zukunftspotential eine wesentliche
Rolle. Beispielsweise ist Technologieoption 1 durch ein so hohes Zukunftspo-
tential gekennzeichnet, dass der notwendige Ressourcenaufwand zur Be-
schaffung oder Entwicklung der Technologieoption durchaus lohnenswert er-
scheint (vgl. Bild 4.23).
Auswählen: Technologien in diesem Bereich erweisen sich aufgrund der ho-
hen Technologieattraktivität sowie des hohen Unternehmenspotentials als be-
sonders vielversprechende Option für die technologische Lösung im Suchfeld.
Dennoch ist letztendlich das Zukunftspotential der Technologien als aus-
schlaggebendes Entscheidungskriterium hinsichtlich eines Einsatzes in künfti-
gen Produktlösungen heranzuziehen. Technologieoption 2 wäre in diesem Fall
nur vergleichsweise durchschnittlich ausgeprägt (vgl. Bild 4.23), weshalb sich
die Frage stellt, ob nicht etwa Technologieoption 1 trotz des damit verbunde-
nen Ressourcenaufwands die bessere Wahl wäre.
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 143
Die aufgezeigten Normstrategien sind jedoch keineswegs als feste Vorgaben zu ver-
stehen. Sie sollen vielmehr richtungsweisend sein und müssen immer unter Berück-
sichtigung des konkreten Untersuchungsrahmens an die spezifischen Gegebenhei-
ten des Unternehmens angepasst sowie in konkrete Handlungsempfehlungen über-
führt werden. So kann sichergestellt werden, „ob es nicht zum Zwecke der Optimie-
rung des Gesamtsystems, nötig wird, andere Systemteile uno actu mit zu verbes-
sern“ (PFEIFFER ET AL., 1989, S. 102–103). Das vorgestellte Portfolio-Konzept liefert
letztendlich also wichtige Wegweiser und technologiespezifische Erkenntnisse, die
den Entscheidungsträgern aus dem Management bzw. den zuständigen Unterneh-
mensbereichen als elementare Grundlage für deren endgültige Technologieent-
scheidung dienen (HAAG ET AL., 2011, S. 311). Auch für die der Methodenanwendung
und anschließenden Technologieentscheidung nachgelagerten Phasen der strategi-
schen Produktplanung (vgl. Kapitel 4.1), in denen die gewonnenen, technologischen
Erkenntnisse dann zur Erarbeitung konkreter Produktvorschläge und Umsetzungs-
pläne herangezogen werden, kann damit ein wesentlicher Beitrag geleistet (PAHL ET
AL., 2007, S. 119–120).
Bild 4.24: Vorgehensweise zur Ableitung von Handlungsempfehlungen
Die Vorgehensweise zur Ableitung von Handlungsempfehlungen ist abschließend in
Bild 4.24 dargestellt und wird nachfolgend noch einmal zusammengefasst. Die Be-
wertungsergebnisse der einzelnen Technologieoptionen werden dabei zunächst in
das vorgestellte Handlungsportfolio überführt, das durch die drei Bewertungsdimen-
sionen aufgespannt wird und eine Zuordnung der Technologieoptionen zu drei we-
Bewertungsergebnis
Erstellung des Handlungsportfolios
Technologie-
entscheidung
Ableitung von
Handlungsempfehlungen
Handlungsempfehlungen
144 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
sentlichen Normstrategien ermöglicht. Angeregt durch die Normstrategien sind
schließlich Handlungsempfehlungen für die einzelnen Technologieoptionen abzulei-
ten, die als konkrete Wegweiser und wichtige Informationsgrundlage für die Ent-
scheidungsträger aus dem Management bzw. den zuständigen Unternehmensberei-
chen dienen. Ferner kann auch ein entscheidender Input für die Phase zur Definition
von Produkten geliefert werden, in der auf Basis der gewonnenen, technologischen
Erkenntnisse letztendlich modifizierte oder gar neue Produktvorschläge erarbeitet
werden können.
4.3 Excel-Tool für eine rechnergestützte Anwendung
Unternehmen verfügen heute „über stark formalisierte und technisierte Entwick-
lungsprozesse bei immer kürzer werdenden Entwicklungszeiten, wodurch ein syste-
matischer, durchgängiger Prozess benötigt wird, um Technologiealternativen abzu-
bilden und anschließend zu bewerten“ (KRÖLL, 2007, S. 18). Neben der Erarbeitung
eines schlüssigen methodischen Konzepts, das soeben ausführlich vorgestellt wur-
de, ist dafür auch der Entwurf eines Software-Tools für eine rechnergestützte An-
wendung in der Praxis notwendig. Solche Tools lassen sich sehr leicht in die stark
computergestützten Abläufe bzw. Prozesse eines Unternehmens integrieren und för-
dern somit eine praktikable, reproduzierbare sowie effiziente Handhabung der Be-
wertungsmethode (KRÖLL, 2007, S. 18; GLUCHOWSKI, GABRIEL & DITTMAR, 2008, S. 1).
Diesen Umständen wird im Rahmen dieser Arbeit entsprechend Beachtung ge-
schenkt und mit der Software Microsoft Office Excel ein strukturiertes sowie nach-
vollziehbares Tool entworfen, das den Anwender bei der Ausführung der Methode
phasenspezifisch unterstützt. Microsoft Office Excel ist als Software allgemein be-
kannt und bietet umfassende Berechnungs- sowie Visualisierungsmöglichkeiten. Zu-
dem kann der Funktionsumfang der Software über die Programmiersprache Visual
Basic for Applications (VBA) entscheidend erweitert werden, was insgesamt zu einer
deutlichen Verbesserung der anwenderseitigen Darstellung sowie Verknüpfung von
Inhalten führt.
Die Methode zur TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung dient der Un-
terstützung bzw. Vorbereitung von Technologieentscheidungen in der strategischen
Produktplanung. Aus diesem Grund orientiert sich das Konzept des Excel-Tools am
Grundgedanken eines klassischen Decision Support Systems (DSS), das Entschei-
dungsträger bzw. Interessensgruppen „mit Modellen, Methoden und problembezoge-
nen Daten in ihrem Entscheidungsprozess“ assistiert (GLUCHOWSKI ET AL., 2008,
S. 63). In Bild 4.25 sind zentrale Bestandteile abgebildet, die ein effektives DSS ent-
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 145
halten muss. Diese setzen sich aus Daten, Methoden, Modellen sowie einem Dialog-
system für die Kommunikation mit dem Anwender zusammen (GLUCHOWSKI ET AL.,
2008, S. 66–67). GLUCHOWSKI ET AL. nennen zudem auch Berichte als wichtige Be-
standteile eines DSS, jedoch sind diese „im Zeitalter des Desktop-Publishing kaum
noch diskussionswürdig (GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 71). Somit bestimmen lediglich
die Bestandteile Daten, Methoden & Modelle sowie Dialoge den Grundaufbau des
Excel-Tools zur TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung, welcher nach-
folgend anhand der genannten Bestandteile entsprechend erläutert wird.
Bild 4.25: Zentrale Aspekte eines Decision Support Systems in Anlehnung an GLUCHOWSKI, GABRIEL
& DITTMAR, 2008, S. 67
Daten
„Durch die Fokussierung auf abgegrenzte Entscheidungssituationen wird die volle
Breite einer operativen Datenbasis“ im Rahmen dieses Excel-Tools nicht benötigt
(GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 70). Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass spezifische
Daten und Informationen, die für die Untersuchung notwendig sind, mithilfe des Tools
erfasst bzw. bereitgestellt und über einen durchgängigen Datenaustausch zwischen
den einzelnen Ablaufschritten der Bewertungsmethode zielgerecht verarbeitet wer-
den (GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 70).
Das Excel-Tool ist daher so aufgebaut, dass dem Anwender über Arbeitsanweisun-
gen oder Hinweistabellen gezielt Anhalts- bzw. Orientierungspunkte zur Erfassung
der notwendigen, untersuchungsspezifischen Daten und Informationen in den einzel-
nen Ablaufschritten der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung gege-
Decision Support
System
Methoden Modelle
Daten Dialoge
146 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
ben werden. Allgemein verwendbare Daten und Informationen wie z.B. die erweiterte
Sammlung der TESE (vgl. Anhang A) oder die vorgegebenen Bewertungskriterien
zur Bestimmung von Zukunfts- sowie Unternehmenspotential (vgl. Kapitel 4.2.4) wer-
den dagegen über VBA-basierte Buttonfelder und Fenster bereitgestellt bzw. direkt in
die dazugehörigen Ablaufschritte im Excel-Tool implementiert. Eine durchgängige
Sammlung und Verarbeitung der untersuchungsrelevanten Daten und Informationen
wird abschließend über vorgefertigte Tabellen, Matrizen und Steckbriefe sowie eine
gezielte Verknüpfung zwischen den einzelnen Tabellenblättern des Excel-Tools si-
chergestellt. So kann ferner auch einem möglichen Daten- und Informationsverlust
während der Anwendung vorgebeugt werden.
Methoden und Modelle
Eine weitere Voraussetzung für ein effektives Tool ist ein ausgeprägter Methoden-
und Modellcharakter, der sich aus einer logischen und funktional zusammenhängen-
den Struktur (Modellcharakter) sowie der entsprechenden Ausgestaltung durch spe-
zifische Methoden- und Analyseelemente (Methodencharakter) ergibt (GLUCHOWSKI
ET AL., 2008, S. 68–70). Dies erlaubt letztendlich „die Definition und Manipulation […]
von Daten, Entscheidungsvariablen und deren funktionaler Zusammenhänge“ inner-
halb eines durchgängigen, methodischen Konzepts zur gezielten Förderung der Her-
leitung von Handlungsempfehlungen (GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 69).
Vor diesem Hintergrund ergibt sich für jeden Ablaufschritt aus den vier Phasen der
TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung (vgl. Kapitel 4.2.1 - 4.2.4) ein
spezifisches Tabellenblatt, das die dazugehörigen Methoden- sowie Analyseelemen-
te integriert (Trendmodell, Einflussanalyse, Konsistenzanalyse, paarweiser Vergleich,
multikriterielle Bewertung, Handlungsportfolio etc.). Die einzelnen Tabellenblätter
sind wiederum gemäß der charakteristischen Zusammenhänge zwischen den einzel-
nen Ablaufschritten miteinander verknüpft und bilden schlussendlich das in Bild 4.26
dargestellte Modell des Excel-Tools.
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 147
Bild 4.26: Screenshot zum Ablaufmodell im Hauptmenü des Excel-Tools
Dialogsystem
Abschließend muss ein effektives Software-Tool noch mit einem durchdachten Dia-
logsystem ausgestattet sein, das dem Anwender neben wirksamen Steuerungsmög-
lichkeiten auch wichtige Hilfsfunktionen zur Verfügung stellt und eine einfache Inter-
aktion ermöglicht. Gute Benutzeroberflächen bringen einerseits eine gewisse Syste-
matik in die Arbeitsweise des Anwenders und verhindern somit den Rückfall in ein
oftmals unstrukturiertes und sprunghaftes Problemlösungsverhalten. Andererseits
wird auch die generelle Vertrautheit und Akzeptanz des Anwenders bzgl. des Soft-
ware-Tools gefördert (GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 68).
Ein wesentlicher Teil des Dialogsystems im Excel-Tool zur TRIZ- und szenariobasier-
ten Technologiebewertung stützt sich daher auf eine durchgängige Steuerung über
148 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
eine standardisierte Navigationsleiste in sämtlichen Tabellenblättern. Diese ermög-
licht das Vor- und Zurückspringen zwischen den jeweiligen Ablaufschritten und die
dauerhafte Möglichkeit zum Rücksprung in das Hauptmenü mit den nötigen Basisin-
formationen sowie der Übersicht über das grundlegende Ablaufmodell. Darüber hin-
aus stellt die Navigationsleiste auch ein VBA-basiertes Buttonfeld zur Verfügung, mit
dem der Anwender die entsprechenden Arbeitsanweisungen für die einzelnen Ab-
laufschritte in einem separaten Fenster öffnen und einsehen kann. Eine solche VBA-
basierte Darstellung der Arbeitsanweisungen ist beispielhaft in Bild 4.27 abgebildet.
Zur Verdeutlichung sind sowohl Buttonfeld als auch Fenster rot gekennzeichnet.
Bild 4.27: Screenshot zur VBA-basierten Darstellung der Arbeitsanweisungen
Neben dieser grundlegenden Hilfestellung zur Visualisierung der Arbeitsanweisun-
gen sind in den einzelnen Tabellenblättern des Excel-Tools zudem noch erweiterte
Hilfsfunktionen hinterlegt, die sich in Form von generellen Hinweisen zur Erleichte-
rung der Anwendung, unterstützenden Kommentarfunktionen sowie einer entspre-
chenden Kennzeichnung der zu befüllenden Zellen niederschlagen. Einen Überblick
über diese zusätzlichen Hilfsfunktionen (rote Kennzeichnung) liefert Bild 4.28. Im ge-
samten Excel-Tool wird zudem auch auf eine einheitliche und signalhafte Farbge-
bung geachtet, die die Orientierung des Anwenders zusätzlich erleichtert. Aus auf-
wandstechnischen Gründen wird allerdings empfohlen, die konkrete Befüllung des
4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 149
Tools auf möglichst einen Hauptanwender zu beschränken und gemäß der spezifi-
schen Hinweise in den einzelnen Ablaufschritten durch fachliche Meinungen von In-
teressensgruppen zu unterstützen. Durch die benutzerfreundliche Gestaltung des
Tools wird jedoch sichergestellt, dass mögliche Anpassungen bzw. Durchsichten
durch Dritte möglichst einfach und nachvollziehbar umgesetzt werden können. Einer
interdisziplinären Anwendung der Bewertungsmethode im Rahmen von Projektgrup-
pen steht daher nichts entgegen.
Bild 4.28: Screenshot zu den erweiterten Hilfsfunktionen
Abschließend kann gesagt werden, dass das vorgestellte Excel-Tool aufgrund der
gezielten Berücksichtigung von zentralen Bestandteilen eines DSS nicht nur auf eine
praktikable, reproduzierbare sowie effiziente Anwendung der TRIZ- und szenarioba-
sierten Technologiebewertung in der Praxis abzielt, sondern vor allem auch auf eine
zusätzliche Vereinfachung von Problemstrukturierung, Problemlösung und Entschei-
dungsprozess im Hinblick auf Technologieentscheidungen in der strategischen Pro-
duktplanung.
150 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
In diesem Kapitel wird die Methode zur TRIZ- und szenariobasierten Technologiebe-
wertung am Beispiel von Frequenzumrichtern der SIEMENS AG angewandt. Vor die-
sem Hintergrund muss zunächst der konkrete Untersuchungshintergrund geklärt
werden. Für ein besseres Verständnis folgt weiterhin auch ein Überblick über den
Aufbau und die prinzipielle Funktionsweise eines Frequenzumrichters. Im Anschluss
werden mit dem erarbeiteten methodischen Konzept neben bewährten insbesondere
neue, alternative Technologien zur elektrischen und mechanischen Anbindung von
Leistungshalbleitern in Frequenzumrichtern identifiziert und bzgl. ihres künftigen Ein-
satzpotentials bewertet.
5.1 Der Frequenzumrichter als Praxisbeispiel
5.1.1 Aufbau und Funktionsweise
Im Hinblick auf eine effektive und effiziente Nutzung von Maschinen setzt das indust-
rielle Gewerbe schon seit etwa einem Jahrhundert auf Antriebslösungen mit variabler
Drehzahl (ZVEI, 2013, S. 4). Genügte anfänglich noch eine triviale, grobe Stufenre-
gelung der Drehzahl über einfache Getriebe, erfordern die zunehmende Automatisie-
rung in sämtlichen Bereichen der Industrie sowie die steigenden Energiepreise mitt-
lerweile jedoch deutlich leistungsfähigere und energie- bzw. kostensparendere Lö-
sungen. Frequenzumrichter erfüllen diese Anforderungen, indem sie eine stufenlose
Anpassung von Drehzahl sowie Drehmoment eines gekoppelten Elektromotors er-
möglichen und damit die Antriebsdynamik deutlich erhöhen. Besonders geeignet für
die Koppelung mit einem Frequenzumrichter sind Drehstrommotoren, bei denen die
elektrische Energie direkt vom statischen Teil (Ständer) auf den rotierenden Teil
(Läufer) übertragen werden kann. Im Gegensatz zu Gleichstrommotoren ist bei
Drehstrommotoren kein Stromwenderapparat zur Leistungsübertragung notwendig,
wodurch neben einem hohen Wirkungsgrad auch ein deutlich reduzierter Wartungs-
bzw. Serviceaufwand gewährleistet werden kann. Der Frequenzumrichter, der dem
Motor als elektronisches Stellelement vorgeschaltet ist, dient dann letztendlich der
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 151
Speisung und verlustarmen Drehzahlregelung des Motors durch die Erzeugung eines
frequenzvariablen Drehspannungsnetzes (BROSCH, 2008, S. 4–6).
Die Kombination aus Frequenzumrichter und Drehstrommotor als vielversprechende
Antriebslösung ist mittlerweile in die unterschiedlichsten Einsatzgebiete vorgedrun-
gen (WEIDAUER, 2011, S. 109). Diese reichen von Anwendungen in Pumpen, Lüftern,
Transportsystemen oder Bearbeitungsmaschinen bis hin zu Extrudern, Mischern,
Kränen, Aufzügen oder Textilmaschinen. Für die genannten Einsatzgebiete deckt der
Leistungsbereich von Frequenzumrichtern die Bandbreite zwischen einigen Hundert
Watt bis über 600 Kilowatt nahezu vollständig ab. Frequenzumrichter sind durch die
Einhaltung von Schutz-, Netz-, Bedien- und Service-Standards für einen weltweiten
Einsatz ausgelegt und lassen sich sowohl am Wechsel- als auch Drehspannungssys-
tem betreiben (BROSCH, 2008, S. 14–15). Ferner verfügen sie „über eine große An-
zahl an optionalen Hardwareerweiterungen und Softwarefunktionen. Durch die an-
wendungsspezifische Kombination der verschiedenen Optionen lassen sich Fre-
quenzumrichter an fast alle Anforderungen anpassen“ (WEIDAUER, 2011, S. 109).
Den Frequenzumrichtern liegen grundsätzlich jedoch die gleiche Funktionsweise so-
wie der gleiche Aufbau zugrunde. Bild 5.1 veranschaulicht diesen Aufbau und zeigt,
wie die einzelnen Komponenten eines Umrichter-Systems zusammenwirken. Die
über den Netzanschluss bereitgestellte Dreh-/Wechselspannung wird dabei zunächst
durch einen Gleichrichter in einen Gleichspannungszwischenkreis eingespeist, wo
Kondensatoren die elektrische Energie zwischenspeichern. Leistungshalbleiter wan-
deln in ihrer Funktion als Wechselrichter die Gleichspannung aus dem Zwischenkreis
abschließend in ein in Frequenz und Spannung variables Drehspannungssystem zur
Speisung des Elektromotors. Steuerung und Regelung des Frequenzumrichter-
Betriebs sowie Systemüberwachung erfolgen über eine leistungsunabhängige Steu-
erelektronik, die sich aus digitalen Mikroprozessoren, Signalprozessoren und inte-
grierten Schaltkreisen zusammensetzt und über softwaregestützte Steuereinheiten
betreiben lässt. Je nach Leistungsbereich des Frequenzumrichters müssen die Leis-
tungshalbleiter jedoch entsprechend ihrer charakteristischen Schalteigenschaften
ausgewählt werden (BROSCH, 2008, S. 16–17). In heutigen Frequenzumrichtern
kommen vor diesem Hintergrund neben einfachen Dioden auch wesentlich leistungs-
fähigere Leistungshalbleiter wie Thyristoren oder Leistungstransistoren zum Einsatz.
Bei Leistungstransistoren unterscheidet man zusätzlich noch zwischen Bipolartran-
sistoren (BTRs), Feldeffekttransistoren (FETs) und Insulated-Gate-Bipolar-
transistoren (IGBTs), wobei letztere in heutigen Frequenzumrichtern die gängigste
Lösung darstellen (BROSCH, 2008, S. 18–21; HEUMANN, 1991, S. 17).
152 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Bild 5.1: Standardaufbau eines Frequenzumrichters in Anlehnung an BROSCH, 2008, S. 16;
DÜRRSCHMIDT, 2007, S. 16–17
Die Leistungshalbleiter werden dabei in Modulform verbaut und sind durch Last- und
Steueranschlüsse mit der Außenwelt verbunden (BROSCH, 2008, S. 21). Zum besse-
ren Verständnis zeigt Bild 5.2 den Aufbau eines solchen Moduls mit besagten Last-
und Steueranschlüssen sowie den weiteren Bestandteilen im Querschnitt (MOGLES-
TUE, 2013, S. 77).
Bild 5.2: Querschnitt durch einen Leistungshalbleiter nach MOGLESTUE, 2013, S. 77
Frequenzumrichter
Netz Motor
Steuereinheit
Steuerelektronik
Gleich-
richter(Leistungs-
elektronik)
Wechsel-
richter(Leistungs-
elektronik)
Zwischenkreis(Kondensatoren)
Verbindungstechniken
Kühlsystem
Kühlkörper
Bodenplatte
Keramik
Ge
hä
us
e
Halbleiter-ChipsHalbleiter-Chips
Last- und Steueranschlüsse
elektrische Ankontaktierung innerhalb des Moduls
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 153
Die hohe Wärmeentwicklung führt jedoch dazu, dass Leistungshalbleiter entspre-
chend gekühlt werden müssen. Zu diesem Zwecke werden heutzutage hauptsächlich
metallische Kühlkörper oder Lüfter verwendet (DÜRRSCHMIDT, 2007, S. 16, BROSIUS,
DAHL, EGELKRAUT, GROß, MÄRZ, PFEFFER, REINHARDT, SCHMAUCH & ZEUß, 2009, S. 83–
84). Abschließend sind noch Verbindungstechniken als wesentliche Bestandteile ei-
nes Frequenzumrichters zu nennen. Sie dienen der durchgängigen, elektrischen wie
auch mechanischen Anbindung der einzelnen, elektronischen Komponenten im Um-
richter-System und sind wesentliche Voraussetzungen für eine hohe Lebensdauer
und Zuverlässigkeit des Frequenzumrichters (BEYER, IANCU & MERKEL, 1992, S. 9).
Um diese Zuverlässigkeit sicherzustellen, müssen Verbindungstechniken grundle-
gende, funktionale Anforderungen erfüllen (BEYER ET AL., 1992, S. 36):
elektrische Kontaktgabe bei unterschiedlichen mechanischen und thermi-
schen Belastungen;
mechanische Eigenschaften für sichere Verbindungen;
Robustheit bei unterschiedlichen Einsatzbedingungen.
Im Frequenzumrichter sind typischerweise vier Stellen zu finden, an denen Verbin-
dungstechniken zum Einsatz kommen: Motoranschluss, Netzanschluss, strukturge-
bende Verbindungstechniken im Bauteil (z.B. Leiterplatte) sowie die spezifische An-
bindung der Leistungshalbleiter. Letztere nehmen in diesem Praxisbeispiel die zent-
rale Rolle ein.
5.1.2 Untersuchungshintergrund
Die Umrichtertechnik wird heutzutage durch drei wesentliche Trends geprägt: Steige-
rung der Energieeffizienz, Leistungsdichte und Usability (KRÄUßLICH, 2011, S. 21).
Die SIEMENS AG als einer der führenden Hersteller von Frequenzumrichtern bietet
vor diesem Hintergrund mittlerweile komplette Antriebsfamilien wie bspw. die SINA-
MICS-Familie im Niederspannungs- sowie Mittelspannungsbereich, die ein breites
Leistungsspektrum abdeckt und durch „ein Höchstmaß an Flexibilität, Funktionalität
und Effizienz“ gekennzeichnet ist (SIEMENS AG, 2014, S. 4). Insbesondere die ra-
sante Weiterentwicklung der Leistungselektronik schafft dabei die Basis für flexible
und effiziente Antriebslösungen. Die immer leistungsfähigeren Leistungshalbleiter
ermöglichen in Verbindung „mit der Verkleinerung der Komponenten und der Redu-
zierung der Verlustleistungen“ eine deutliche Erhöhung der Leistungsdichten, Wir-
kungsgrade und somit auch der Energieeffizienz von Frequenzumrichtern (BROSIUS
ET AL., 2009, S. 138).
154 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Speziell die Verbindungstechniken zwischen den Lastanschlüssen der Leistungs-
halbleiter und strukturgebenden Verbindungstechniken wie z.B. der Leiterplatte müs-
sen sich diesen neuen Rahmenbedingungen anpassen und in den vielfältigen Ein-
satzbereichen der Frequenzumrichter eine zuverlässige mechanische wie auch elekt-
rische Verbindung an der Schnittstelle gewährleisten. Neben den hohen elektrischen
und mechanischen Belastungen müssen Verbindungstechniken dabei auch den un-
terschiedlichen Umgebungsbedingungen (Schmutz, Wasser, etc.) sowie der thermi-
schen Belastung standhalten können (HÖRTH & RUHNAU, 2014, S. 1; SCHRÖDER,
2006, S. 772). Gleichzeitig spielt auch das Montageverhalten der Verbindungstechni-
ken eine wichtige Rolle, da es die notwendigen Arbeitsschritte zur Umsetzung einer
zuverlässigen sowie langlebigen Verbindung vorgibt und maßgeblich den Kosten-
und Ressourcenaufwand des Unternehmens für die Produktherstellung bestimmt.
Die klassischen technologischen Lösungen zur spezifischen Anbindung der Leis-
tungshalbleiter wie Schrauben, Löten oder Federkontaktierung sehen sich also mit
großen Herausforderungen konfrontiert und müssen entsprechend weiterentwickelt
oder um neue Alternativen ergänzt werden (BEYER ET AL., 1992, S. 9; SCHRÖDER,
2006, S. 772).
Diese Umstände veranlassen die SIEMENS AG dazu, neben klassischen vor allem
nach neuen, alternativen Technologien zur elektrischen und mechanischen Anbin-
dung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern zu suchen und diese bzgl. ihres
künftigen Einsatzpotentials zu bewerten. Damit soll auf Technologieentscheidungen
hingeführt werden, die es dem Unternehmen bereits frühzeitig ermöglichen, künftige
Umrichterlösungen zukunftssicher zu gestalten.
5.2 Anwendung der TRIZ- und szenariobasierten Techno-logiebewertung
Vor dem geschilderten Untersuchungshintergrund erfolgt eine Anwendung der TRIZ-
und szenariobasierten Technologiebewertung am Praxisbeispiel von Frequenzum-
richtern der SIEMENS AG. Die hierfür verwendeten, produktspezifischen Informatio-
nen beziehen sich auf Frequenzumrichter aus dem Niederspannungsbereich sowie
einem Leistungsbereich zwischen 250 W und 100 kW innerhalb der SINAMICS-
Familie (SIEMENS AG, 2014, S. 4–5). Der Großteil der Informationen ist auf eine
Eigenrecherche im Unternehmen zurückzuführen, bei der neben den aktuellen Pro-
dukten auch frühere Produktgenerationen inspiziert und zum Teil auch bildlich doku-
mentiert wurden. Um dabei jedoch den Aufwand der Untersuchung in Grenzen zu
halten und gleichzeitig einen einheitlichen Vergleichsmaßstab für die Suche und Be-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 155
wertung von Technologieoptionen innerhalb eines relativ breiten Leistungsbereichs
sicherzustellen, müssen gewisse Verallgemeinerungen hinsichtlich der Betrach-
tungsweise von Technologien getätigt werden. So werden bspw. die je nach Leis-
tungsklasse verschiedenen Schraubentypen zur übergeordneten Technologie
„Schraubverbindung“ zusammengefasst.
Die Anwendung der Methode wird ferner auch durch das in Kapitel 4.3 vorgestellte
Excel-Tool unterstützt. Im Rahmen dieses Praxisbeispiels werden daher immer wie-
der Auszüge aus dem Excel-Tool präsentiert, damit der Untersuchungshergang
leichter nachvollzogen werden kann. Um parallel eine Einsicht der vollständigen Er-
gebnisse zu erhalten, werden gezielte Verweise auf Anhang B dieser Arbeit gege-
ben, der als Orientierungshilfe innerhalb des beigefügten Excel-Tools dient. Neben
spezifischen, technologischen Erkenntnissen im Hinblick auf eine zukunftssichere
Gestaltung künftiger Produktlösungen für Frequenzumrichter der SIEMENS AG las-
sen sich somit auch erste Erkenntnisse über die Praxistauglichkeit der vorgestellten
Methode erlangen. Darüber hinaus kann durch den konkreten Praxisbezug auch das
Methodenverständnis an sich gefördert werden. Die einzelnen Phasen der TRIZ- und
szenariobasierten Technologiebewertung mit ihren jeweiligen Ablaufschritten werden
nachfolgend für dieses Praxisbeispiel durchlaufen und anhand ihrer spezifischen In-
halte beschrieben.
5.2.1 Vorbereitungsphase
In der Vorbereitungsphase zur Festlegung sowie Konkretisierung von Themenbe-
reich und Untersuchungsgegenstand wird anfänglich der konkrete Rahmen für die
nachfolgende Untersuchung festgelegt. Es folgt die systemtechnische Strukturierung
zur Zerlegung des betrachteten Produkts in seine wesentlichen Systemkomponenten
und der Einordnung des spezifischen Suchfelds als solche.
Untersuchungsrahmen
Bereits in Kapitel 5.1 wurde der Frequenzumrichter als Praxisbeispiel vorgestellt und
für ein besseres Verständnis hinsichtlich Aufbau und prinzipieller Funktionsweise nä-
her beschrieben. Auch der konkrete Anlass der SIEMENS AG zur Anwendung der
TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung fand in diesem Kapitel Erwäh-
nung. Somit sind die notwendigen Hintergrundinformationen erfasst und der Unter-
suchungsrahmen kann wie folgt festgelegt werden:
Problemstellung: Verbindungstechniken zur Anbindung der Leistungshalblei-
ter in Frequenzumrichtern müssen sich zukünftig den immer leistungsfähige-
ren Leistungshalbleitern anpassen und sind zudem ein wesentlicher Kosten-
156 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
faktor im Rahmen der industriellen Fertigung bzw. Montage von Frequenzum-
richtern;
Untersuchungsziel: Suche und Bewertung von alternativen Technologien zur
elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in Fre-
quenzumrichtern im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Produktentwicklung.
Produkt: Frequenzumrichter;
Produktspezifisches Suchfeld: Verbindungstechniken zur spezifischen An-
bindung der Leistungshalbleiter.
Nachdem Problemstellung und Zielsetzung sowie Produkt und Suchfeld entspre-
chend festgelegt sind, kann mit der systemtechnischen Strukturierung fortgefahren
werden.
Systemtechnische Strukturierung
Der Frequenzumrichter gilt aufgrund seines in Kapitel 5.1.1 geschilderten Aufbaus
als sehr komplexes Produkt. Diesem Umstand kann mit der systemtechnischen
Strukturierung Rechnung getragen werden, da sie den Untersuchungsgegenstand in
seine wesentlichen Komponenten zerlegt und eine systemische Betrachtungsweise
schafft. Diese ermöglicht es, Problemstellungen innerhalb eines komplexen Umfelds
zu systematisieren und den Lösungsweg wesentlich zu erleichtern. Gleichzeitig kön-
nen damit auch die funktionalen Zusammenhänge innerhalb des Frequenzumrichters
verdeutlicht werden, die im Hinblick auf die nachfolgenden Untersuchungen nicht
unberücksichtigt bleiben dürfen.
Als produktspezifisches Suchfeld werden die Verbindungstechniken zur Anbindung
der Leistungshalbleiter zu Beginn der systemtechnischen Strukturierung automatisch
als Systemkomponente des Frequenzumrichters auf Subsystemebene eingeordnet
und sind anschließend in ihrer Funktion zu definieren:
Suchfeldfunktion: elektrische und mechanische Verbindung;
Funktionsbeschreibung: elektrische und mechanische Anbindung der Leis-
tungshalbleiter an die strukturgebenden Verbindungstechniken im Bauteil (z.B.
Leiterplatte).
Der Frequenzumrichter, der nach dem in Kapitel 4.2.1 vorgestellten Systemver-
ständnis als das zentrale technische System zu betrachten ist, wird daraufhin be-
schrieben und ebenso hinsichtlich seiner Funktion spezifiziert:
Produktbeschreibung: Frequenzumrichter sind elektronische Geräte ohne
mechanisch bewegte Komponenten. Sie sind einem Elektromotor als elektro-
nisches Stellelement vorgeschaltet und erzeugen ein frequenzvariables Dreh-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 157
spannungsnetz zur stufenlosen und verlustarmen Drehzahlregelung des Mo-
tors. Damit tragen sie entscheidend zur Erhöhung der Antriebsdynamik bei.
Die Kombination aus Frequenzumrichter und Elektromotor ist mittlerweile in
vielen verschiedenen Anwendungsbereichen etabliert;
Produktfunktion: versorgt einen Elektromotor mit variabler Drehspannung;
Funktionsbeschreibung: Die über den Netzanschluss zugeführte Dreh- bzw.
Wechselspannung wird zunächst durch einen Gleichrichter in einen Gleich-
spannungszwischenkreis eingespeist, wo Kondensatoren die elektrische
Energie zwischenspeichern. Die Leistungshalbleiter wandeln in ihrer Funktion
als Wechselrichter die Gleichspannung aus dem Zwischenkreis abschließend
in ein in Frequenz und Spannung variables Drehspannungssystem zur Spei-
sung des Elektromotors um. Die Steuerung und Regelung des Frequenzum-
richter-Betriebs sowie die Systemüberwachung erfolgen über eine leistungs-
unabhängige Steuerelektronik, die sich aus digitalen Mikroprozessoren, Sig-
nalprozessoren wie auch integrierten Schaltkreisen zusammensetzt und über
softwaregestützte Steuereinheiten betreiben lässt.
Mit Hilfe des verfeinerten TESE-Gesetzes zur Vollständigkeit der Systemkomponen-
ten (vgl. Kapitel 4.2.1) werden in der Folge sowohl im Frequenzumrichter selbst als
auch in dessen Umfeld die wesentlichen Komponenten bestimmt, die das funktionale
Fundament eines technischen Systems gemäß der vier Hauptteile (Ausführungsteil,
Übertragungsteil, Energiequelle und Kontrollteil) erfüllen. Jeder dieser Hauptteile
muss dabei durch mindestens eine Komponente repräsentiert werden. Dabei ist zu
beachten, dass die Systemkomponenten auf einer möglichst einheitlichen hierarchi-
schen Ebene bestimmt und somit in ihrer Anzahl entsprechend beherrschbar gehal-
ten werden. Der in Kapitel 5.1.1 beschriebene, prinzipielle Aufbau eines Frequenzu-
mrichters mit seinen wesentlichen Bestandteilen liefert hier bereits konkrete Anhalts-
punkte zur Identifikation der Systemkomponenten. Diese sind lediglich noch hinsicht-
lich Bezeichnung, Teilfunktion und Systemebene zu präzisieren. Analog ist auch der
Elektromotor als zusätzliche Systemkomponente auf Supersystemebene festzule-
gen, da dieser als Zielkomponente des Frequenzumrichters direkt aus der Formulie-
rung der Produktfunktion hervorgeht. Der Vollständigkeit halber werden das festge-
legte Suchfeld und die übrigen identifizierten Systemkomponenten inkl. Bezeichnung,
Hauptteil, Teilfunktion und Systemebene in Tabelle 5.1 zusammengefasst. Der Fre-
quenzumrichter ist somit in seine wesentlichen Systemkomponenten samt Funktio-
nen auf den jeweiligen Systemebenen zerlegt, was Bild 5.3 entsprechend verdeut-
licht. Darunter befindet sich auch das Suchfeld der Verbindungstechniken zur elektri-
schen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter als zentrales Element
der weiteren Untersuchungen. Die Vorbereitungsphase ist demnach abgeschlossen.
158 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Tabelle 5.1: Zusammenfassung der Systemkomponenten des Frequenzumrichters
Bezeichnung Hauptteil Teilfunktion Systemebene
Leistungshalbleiter Ausführungsteil Umformung elektrischer Energie
Subsystem
Kühlsystem Übertragungsteil Abfuhr von Wärme Subsystem
Steuerelektronik Übertragungsteil Übertragung von Daten und Informationen
Subsystem
Motoranschluss Übertragungsteil elektrische und mechani-sche Verbindung
Subsystem
Netzanschluss Übertragungsteil elektrische und mechani-sche Verbindung
Subsystem
Verbindungstechniken Bauteil
Übertragungsteil elektrische und mechani-sche Verbindung
Subsystem
Verbindungstechniken Leistungshalbleiter
Übertragungsteil elektrische und mechani-sche Verbindung
Subsystem
Kondensator Übertragungsteil Speicherung elektrischer Energie
Subsystem
Stromnetz Energiequelle Bereitstellung elektrischer Energie
Supersystem
Steuereinheit Kontrollteil Steuerung und Regelung des Systemverhaltens
Supersystem
Elektromotor Zielkomponente Umwandlung elektrischer Energie
Supersystem
Bild 5.3: Systemtechnische Strukturierung des Frequenzumrichters im Praxisbeispiel
Steuereinheit
Frequenzumrichter
Komponenten des
Supersystems
Frequenz-
umrichter
Komponenten im
Frequenzumrichter
Stromnetz
Elektromotor
NetzanschlussMotoranschluss
Verbindungstechniken
Bauteil
Kühlsystem
Leistungshalbleiter
Steuerelektronik
Kondensator
Verbindungstechniken
Leistungshalbleiter
Suchfeld im
Frequenzumrichter
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 159
5.2.2 Systemische Exploration
Aufbauend auf die erarbeitete Systemstruktur verbindet die Phase der systemischen
Exploration retro- sowie prospektive Analyseelemente der TRIZ-Methodik und Sze-
nario-Analyse mit dem übergeordneten Ziel, spezifische Entwicklungsszenarien für
das Suchfeld der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbin-
dung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern unter dem Einfluss signifikanter
Trends bei Systemkomponenten zu erarbeiten. Mit den Szenarien wird dabei einer-
seits ein möglichst breiter Zukunftsraum für die Weiterentwicklung des Suchfelds
aufgezeigt, der konkrete Signale über signifikante Evolutionslinien bzw. Trends für
Verbindungstechnologien zur Anbindung der Leistungshalbleiter liefert. Andererseits
fließen die Szenarien, die über eine Abschätzung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit
entsprechend gewichtet werden, auch als Teilkriterien zur Bestimmung des Zu-
kunftspotentials in den abschließenden Bewertungsprozess ein.
Gestaltung des Trendmodells
Bei der Gestaltung des Trendmodells werden Produkt, Suchfeld und die weiteren
Systemkomponenten in der in Kapitel 4.2.2 modifizierten Matrix des System Opera-
tors aus unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Perspektiven (Untergliederung
nach Systemebenen sowie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) analysiert und
spezifiziert, so dass letztendlich ein ganzheitliches sowie zukunftsorientiertes Ver-
ständnis von Funktionalität und Entwicklung des Frequenzumrichters mit seinen we-
sentlichen Komponenten geschaffen werden kann. Über das Excel-Tool wird dem
Anwender dabei die vorgefertigte Trendmodell-Matrix bereitgestellt, so dass dieser
nur noch die entsprechenden Felder zu befüllen hat.
Um die Trendmodell-Matrix gemäß der Vorgaben aus Kapitel 4.2.2 befüllen zu kön-
nen, müssen charakteristische Informationen über die Gegenwart und Vergangenheit
von Produkt, Suchfeld sowie den weiteren Systemkomponenten gesammelt werden.
Der Fokus liegt hier vor allem auf Informationen über die historische Evolution der für
die wesentlichen Komponenten des Frequenzumrichters eingesetzten technologi-
schen Lösungen. Die Informationsbeschaffung stützt sich dabei hauptsächlich auf
eine unternehmensinterne Erforschung der Produkthistorie (Analyse aktueller Fre-
quenzumrichter der SINAMICS-Familie, Exponate, Produktdokumentationen etc.),
die wiederum um eine gezielte Recherche in fachspezifischer Literatur oder dem In-
ternet ergänzt wird. Gerade letztgenannte Quellen liefern über Fachbücher, Patente
oder Produktwerbung von Wettbewerbern wichtige Informationen jenseits der eige-
nen Unternehmensgrenzen und ermöglichen dadurch einen Blick über den Teller-
rand hinaus.
160 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Ist eine ausreichende Informationsgrundlage geschaffen, kann mit der Beschreibung
von Produkt, Suchfeld und den übrigen Systemkomponenten in der Zeitebene der
Gegenwart begonnen werden. Der Frequenzumrichter ist hier anfänglich einer defini-
torischen Beschreibung zu unterziehen, die im Grunde der Produktbeschreibung aus
der systemtechnischen Strukturierung entspricht. Eine analoge Beschreibung ist in
der Folge auch für das Suchfeld sowie die weiteren Systemkomponenten aus Tabel-
le 5.1 zu tätigen. Darüber hinaus sind die technologischen Lösungen zu benennen,
die gegenwärtig für die einzelnen Systemkomponenten eingesetzt werden. Bild 5.4
zeigt dazu einen Screenshot aus dem Excel-Tool mit einem Ausschnitt der Ergebnis-
se für die Beschreibung der System-Gegenwart. Das Suchfeld wird dabei bspw. als
die elektrische und mechanische Anbindung der Leistungshalbleiter an die struktur-
gebenden Verbindungstechniken im Bauteil definiert. In den untersuchten Produkten
der SIEMENS AG wird dies aktuell mittels Schraubverbindung, Selektiv-Löten oder
Federkontaktierung gelöst. Für eine Einsicht der weiteren Ergebnisse hat man sich
an Anhang B.2.1 zu orientieren.
Bild 5.4: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Beschreibung der System-Gegenwart
Nun folgt der Blick in die Vergangenheit, bei dem charakteristische Evolutionsstufen
des Frequenzumrichters in dessen Historie zu ermitteln sind. Diese gelten als ein-
schneidende, zeitliche Abschnitte bzw. Meilensteine im Entwicklungsverlauf des Pro-
dukts, die durch grundlegende Veränderungen bei den Systemkomponenten ge-
kennzeichnet sind und das technische System letzten Endes auf einen neuen Stan-
dard gehoben haben. Für eine erleichterte Bestimmung der charakteristischen Evolu-
tionsstufen und ein besseres Verständnis der weiteren Untersuchungen erweist sich
nachfolgend eine kurze Abhandlung der Technikgeschichte des Frequenzumrichters
als sinnvoll.
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 161
Schon in den Anfängen der kommerziellen Nutzung von Elektrizität suchte man nach
Möglichkeiten, elektrischen Strom zu wandeln oder hinsichtlich Spannung und Fre-
quenz zu variieren. Als Vorreiter der Stromrichtertechnik wurden zu diesem Zwecke
zunächst rotierende, mechanische Umformer – bestehend aus einem Motor, einem
Generator und einer Welle – eingesetzt, die aufgrund der hohen mechanischen Be-
lastungen sowie des nicht unerheblichen Wartungsaufwands mit erheblichen Nach-
teilen behaftet waren (MOGLESTUE, 2013, S. 71).
Bedingt durch den weltweiten Vormarsch von großflächigen Energieversorgungsnet-
zen und Elektromotoren in Gewerbe und Industrie führte der Weg zu Beginn des 20.
Jahrhunderts schnell weg von mechanischen Antriebslösungen hin zu elektrischen
Stellgeräten auf Basis von Quecksilberdampfröhren (WEIDAUER, 2011, S. 15). Mit
diesen Dampfröhren konnten Gasentladungsventile realisiert werden, die periodi-
sches Schalten über die elektrische Entladung eines Lichtbogens ermöglichten und
insbesondere zur Umformung von Wechsel- bzw. Drehstrom in regelbaren Gleich-
strom eingesetzt wurden. Dies war quasi die Geburtsstunde der Leistungselektronik
(HEUMANN, 1991, S. 19–20).
In der Folge wurden Quecksilberdampfventile noch bis Mitte der 1960er Jahre in An-
triebslösungen verbaut, bis sie sich letztendlich dem Vormarsch der Leistungshalblei-
ter auf Basis von Silizium-Bauelementen geschlagen geben mussten. Letztere hatten
sich innerhalb weniger Jahre als betriebssichere Lösungen in der elektrischen An-
triebstechnik etabliert und bieten zahlreiche Vorteile. Als solche sind insbesondere
der Verzicht auf giftiges Quecksilber, die höheren Leistungsdichten, die geringeren
Verluste sowie die deutlich kleineren bzw. leichteren Bauformen zu nennen (JÄGER &
STEIN, 2011, S. 13–14; MOGLESTUE, 2013, S. 74).
Durch die 1968 von DANFOSS ersten in Serie gefertigten, leistungselektronischen
Frequenzumrichter auf Basis solcher Leistungshalbleiter begann schließlich das
Zeitalter der stufenlosen sowie verlustarmen Drehzahlregelung von Drehstrommoto-
ren. Die ersten Frequenzumrichter nutzten Thyristoren als Leistungshalbleiter, waren
äußerst sperrig und wurden in Ölbädern gekühlt. Die Steuerung erfolgte über Draht-
brücken (BROSCH, 2009, S. 209; DÜRRSCHMIDT, 2007, S. 16).
Mit dem Verbau von FETs als Leistungshalbleiter mit verbesserten Eigenschaften,
der Kühlung über Kühlkörper und Lüfter sowie dem Einsatz von speicherprogram-
mierbaren Steuerungen konnte Mitte der 1970er Jahre eine neue Generation von
Frequenzumrichtern eingeleitet werden (HEUMANN, 1991, S. 18; DÜRRSCHMIDT, 2007,
S. 16).
162 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Im Laufe der 1980er Jahre ging man vollends zur digitalen Steuerung über integrierte
Schaltkreise, Mikroprozessoren und umfangreiche Software über. In Verbindung mit
neu entwickelten und wesentlich leistungsfähigeren Leistungshalbleitern (GTO-
Thyristoren, IGCTs, IGBTs) konnten außerdem die Bauformen der Frequenzumrich-
ter weiter verkleinert und eine Vielzahl von neuen Anwendungsgebieten erschlossen
werden (DÜRRSCHMIDT, 2007, S. 16–17; HEUMANN, 1991, S. 18–20; MOGLESTUE,
2013, S. 75–78).
Die aktuelle Generation der Frequenzumrichter im 21. Jahrhundert ist vor allem
durch kompakte und modulare Lösungen geprägt, die aufgrund der Fortschritte im
Bereich der Mikroelektronik sowie Steuerungs- und Regelungstechnik immer intelli-
genter werden und sich auch dezentral steuern lassen. Darüber hinaus ist der Fort-
schritt im Bereich der Leistungshalbleiter durch die Schlagworte Leistungsdichte,
System-Integration, Zuverlässigkeit und Energieeffizienz geprägt (DÜRRSCHMIDT,
2007, S. 17; MERTENS, 2006, S. 6–10).
Lässt man die Vorstufen der leistungselektronischen Frequenzumrichter (rotierende
Umformer, Quecksilberdampfventile) außer Acht, ergeben sich aus der Abhandlung
der Technikgeschichte letztendlich vier charakteristische Evolutionsstufen zur Be-
schreibung der System-Historie in der Trendmodell-Matrix. Diese Evolutionsstufen
müssen jedoch noch entsprechend spezifiziert werden. Angelehnt an die Technikge-
schichte ist dabei der Produktfortschritt in den einzelnen Evolutionsstufen des Fre-
quenzumrichters anhand charakteristischer Merkmale zu beschreiben. Anschließend
werden für das Suchfeld der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechani-
schen Anbindung der Leistungshalbleiter sowie für die weiteren Systemkomponenten
die konkreten technologischen Lösungen benannt, die in den einzelnen Evolutions-
stufen eingesetzt wurden. Weiterhin ist der Komponentenfortschritt anhand charakte-
ristischer Merkmale zu beschreiben, die sich durch verbesserte bzw. neue technolo-
gische Lösungen weiterentwickelt haben. Bild 5.5 liefert vor diesem Hintergrund ei-
nen Auszug der Ergebnisse zur Beschreibung der System-Historie im Rahmen die-
ses Praxisbeispiels.
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 163
Bild 5.5: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Beschreibung der System-Historie
Insgesamt wird deutlich, dass die Verbindungstechniken zur elektrischen und me-
chanischen Anbindung der Leistungshalbleiter im Suchfeld mit dem stetigen Fort-
schritt im Bereich der Leistungselektronik Schritt halten und sich den veränderten
Anforderungen entsprechend anpassen mussten. Genügten neben klassischen
Schraub- anfänglich auch konventionelle Löt- oder Kabelverbindungen zur Anbin-
dung der Thyristoren und FETs, mussten die technologischen Lösungen – bedingt
durch die Einführung von immer leistungsfähigeren Leistungshalbleitern mit kompak-
teren Bauformen ab Mitte der 1980er Jahre – in der Folge gezielt weiterentwickelt
und um neue Alternativen wie bspw. das Selektiv-Löten oder die Federkontaktierung
ergänzt werden. Neben einer Erhöhung der Zuverlässigkeit und Lebensdauer der
Verbindungen rückte dabei auch verstärkt die Reduktion von Montageaufwand, -
kosten und -zeit in den Vordergrund (BEYER ET AL., 1992, S. 9). Der beschriebene
Fortschritt im Bereich der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen
Anbindung von Leistungshalbleitern entlang der Historie der Frequenzumrichter wird
anhand bildlich dokumentierter Beispiele aus der Eigenrecherche bei der SIEMENS
AG in Bild 5.6 abschließend noch einmal verdeutlicht. Die vollständigen Ergebnisse
zur Historie der übrigen Systemkomponenten sind wiederum dem beigefügten Excel-
Tool über eine entsprechende Orientierung an Anhang B.2.1 zu entnehmen.
164 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Bild 5.6: Historische Entwicklung der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen
Anbindung von Leistungshalbleitern in Frequenzumrichtern (Bildquellen: FLORIAN HEID)
Nachdem nun Gegenwart und Historie des Frequenzumrichters nach dem implemen-
tierten Systemverständnis umfassend beschrieben sind, folgt der Ausblick in die Zu-
kunft zur Vervollständigung der Trendmodell-Matrix. Gestützt durch erste Hinweise
über künftige Entwicklungsrichtungen in der Umrichtertechnik, die sich in Kapitel
5.1.2 und im Rahmen der Informationsbeschaffung in diesem Kapitel bereits heraus-
kristallisiert haben, sowie den erarbeiteten Entwicklungsverläufen von Produkt und
Systemkomponenten ist zunächst auf mögliche Weiterentwicklungen der technologi-
schen Lösungen in der Zukunft zu schließen. Nach dem Prinzip der Evidenz (vgl.
Kapitel 4.2.2) werden die identifizierten Fortschritte von Komponentenmerkmalen aus
den einzelnen Evolutionsstufen anschließend zu signifikanten Trends (Systemtrends)
innerhalb der einzelnen Systemkomponenten verdichtet. In beiden Fällen unterstützt
eine produktspezifische Analyse bzw. Projektion der erweiterten TESE (vgl. An-
hang A). Gestützt auf den TESE-Trend „zunehmende Kontrollierbarkeit“ (verbesserte
Steuerbarkeit der Systemkomponenten im Lauf der Zeit) kann für die Systemkompo-
1970er Jahre:
Anbindung der Leistungshalbleiter über Kabel- sowie
Schraubverbindungen und konventionelles Löten
Heute:
Anbindung der Leistungshalbleiter über Selektiv-Löten,
Schraubverbindungen und Federkontaktierung (v. l. n. r.)
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 165
nente der Leistungshalbleiter bspw. auf den Systemtrend „Verbesserung des Steue-
rungsverhaltens“ geschlossen werden. Analog hierzu lassen sich noch weitere evi-
dente Trends im System aufdecken und zusätzliche Ideen für künftige Weiterentwick-
lungen ableiten. Schließlich ist in Bild 5.7 ein Ausschnitt der wesentlichen Erkennt-
nisse zum Ausblick in die Zukunft abgebildet. Die übrigen Erkenntnisse können über
eine entsprechende Orientierung an Anhang B.2.1 im beigefügten Excel-Tool nach-
vollzogen werden.
Bild 5.7: Screenshot aus dem Excel-Tool zum Ausblick in die Zukunft
Aus dem nun vollständigen Trendmodell geht letzten Endes hervor, dass die Zukunft
des Frequenzumrichters durch einschneidende Entwicklungen gekennzeichnet ist.
Neben der fortwährenden Optimierung von Leistungsdichte und Energieeffizienz
durch immer kompaktere, leistungsfähigere sowie verlustarme Leistungskomponen-
ten sind hier insbesondere auch drastische Fortschritte im Bereich der System-
Integration (verstärkte Integration der Systemkomponenten) zu erwarten, die hochin-
telligente, dezentrale Antriebslösungen ermöglicht und somit den Weg in attraktive,
neue Anwendungsgebiete wie bspw. die Automobilindustrie oder die Energieversor-
gung durch erneuerbare Energien ebnet. Speziell für das Suchfeld der Verbindungs-
techniken zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter als
Dreh- und Angelpunkt dieses Praxisbeispiels lassen sich für die Zukunft folgende
Schlüsse ziehen:
Signifikante Trends: Verbesserung der elektrischen Verbindung, Verbesse-
rung der mechanischen Verbindung, Verbesserung der thermischen Bestän-
digkeit, Verbesserung der Stromfestigkeit, Optimierung der Materialien;
Mögliche Weiterentwicklungen: Integration der Leistungshalbleiter in die
Leiterplatte.
166 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Zusätzlich zu den fünf im Suchfeld identifizierten Trends zeichnen sich innerhalb der
übrigen Systemkomponenten 52 weitere Systemtrends ab, die letztendlich die Roh-
fassungen der Systemdeskriptoren bei der anschließenden Erstellung des Szenario-
felds bilden. Darüber hinaus liefern die gewonnenen Erkenntnisse über mögliche
Weiterentwicklungen von Produkt und Systemkomponenten bereits potentielle Anre-
gungen für die spätere Erstellung von Zukunftsprojektionen sowie erste Hinweise auf
neue technologische Lösungen.
Erstellung des Szenariofelds
Mit den im Trendmodell identifizierten Systemtrends ist ein Großteil der möglichen
Einflussgrößen im Szenariofeld bereits abgedeckt. Die Systemtrends liefern dabei
Hinweise über sich verändernde Parameter im technischen System des Frequenz-
umrichters, die wesentlichen Einfluss auf dessen zukünftige Entwicklung nehmen.
Sie werden daher zu Systemdeskriptoren abstrahiert. Zur Vervollständigung des
Szenariofelds müssen jedoch auch potentielle Einflussgrößen aus nicht direkt beein-
flussbaren Bereichen wie Markt, Politik, Gesellschaft oder Umwelt in die Untersu-
chung miteinbezogen werden. Diese Einflussgrößen werden nachfolgend als Um-
felddeskriptoren festgelegt.
Um der diskontinuierlichen Natur von Trends (vgl. Kapitel 4.2.2) nachzukommen und
gleichzeitig auch die Nachvollziehbarkeit bzw. Übersichtlichkeit während der weiteren
Untersuchungen zu wahren, werden die 57 identifizierten Systemtrends des Fre-
quenzumrichters auf ihren Kernaspekt reduziert und zu präzisen, allgemein formulier-
ten Systemdeskriptoren der einzelnen Systemkomponenten abstrahiert. Bild 5.8 zeigt
vor diesem Hintergrund einen Auszug der abstrahierten Systemdeskriptoren aus
dem Excel-Tool. Der Systemtrend „Verbesserung der elektrischen Verbindung“ wird
hier z.B. zum allgemeinen Systemdeskriptor „elektrische Verbindung“. Als Orientie-
rungshilfe für den Anwender bei den weiteren Untersuchungen werden jedem Sys-
temdeskriptor ferner auch ein spezifisches Kürzel sowie die entsprechende System-
komponente zugeordnet, der der Deskriptor entstammt.
Schließlich sind noch Umfelddeskriptoren aus den Einflussbereichen Markt, Politik,
Gesellschaft und Umwelt festzulegen, die durch einen potentiellen Einfluss auf die
künftige Weiterentwicklung des Frequenzumrichters gekennzeichnet sind. Wie in Ka-
pitel 4.2.2 bereits erwähnt, bietet sich insbesondere einschlägige Trendliteratur als
fundierte Quelle zur Bestimmung solcher Umfelddeskriptoren an. Speziell für die Be-
reiche Gesellschaft & Umwelt liefert das WOIS-Institut wichtige Hinweise – insbeson-
dere über Trends gesellschaftlicher Bedürfnisse, Werte und Ressourcen (ADUNKA,
2012, S. 65–66). Wesentliche Trends aus den Bereichen Markt & Politik konnten da-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 167
gegen bereits bei der Schilderung des Untersuchungshintergrunds sowie der Tech-
nikgeschichte des Frequenzumrichters aufgedeckt werden (vgl. Kapitel 5.1.2 &
5.2.2). Diese spezifischen Trends sind wiederum den dazugehörigen Einflussberei-
chen zuzuordnen und in allgemeine Deskriptoren zu überführen, die Bild 5.9 zusam-
menfassend darstellt. Beispiele für relevante Deskriptoren aus den Bereichen Markt
& Politik sind Energieeffizienz, Usability oder Modularität, während für die Bereiche
Gesellschaft & Umwelt eher Aspekte wie Sicherheit, Komfort oder Umweltbewusst-
sein von Bedeutung sind.
Bild 5.8: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Bestimmung der Systemdeskriptoren
Nachdem die System- und Umfelddeskriptoren entsprechend festgelegt sind, ist das
Szenariofeld als Grundlage für die weiteren Analyseschritte in der Phase der syste-
mischen Exploration fertiggestellt. Insgesamt fließen dabei 66 Deskriptoren in die
nachfolgende Einflussanalyse ein. Die vollständige Auflistung aller Deskriptoren mit
den jeweiligen Kürzeln und dazugehörigen Einflussbereichen bzw. Systemkompo-
nenten ist über eine Orientierung an Anhang B.2.2 dem beigefügten Excel-Tool zu
entnehmen.
168 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Bild 5.9: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Bestimmung der Umfelddeskriptoren
Einflussanalyse
Mit Hilfe der Einflussanalyse werden aus dem Pool an 66 Deskriptoren nun diejeni-
gen Schlüsseldeskriptoren identifiziert, die sich am stärksten auf die künftige Weiter-
entwicklung der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbin-
dung der Leistungshalbleiter auswirken. Diese Schlüsseldeskriptoren bilden die Ba-
sis für die anschließende Erstellung der Zukunftsprojektionen sowie die Bildung der
suchfeldspezifischen Szenarien zum Abschluss der systemischen Exploration.
In einer nach den Vorgaben aus Kapitel 4.2.2 aufgebauten Einflussmatrix, die das
Excel-Tool zur Befüllung bereitstellt, werden die festgelegten System- und Umfeld-
deskriptoren zusammen mit den korrespondierenden Systemkomponenten bzw. Ein-
flussbereichen gegenübergestellt und einer paarweisen Einflussbewertung unterzo-
gen. Anhand eines vorgegeben Bewertungsmaßstabs (von „0“ für keinen Einfluss bis
„3“ für starken Einfluss) erfolgt für jedes mögliche Deskriptoren-Paar eine Abschät-
zung, wie stark sich eine Veränderung des Deskriptors der Zeile auf den Deskriptor
der Spalte auswirkt. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 5.10 einen Teil der fertigen Ein-
flussmatrix aus dem Excel-Tool. Darin wird z.B. der Einfluss des Steuerungsverhal-
tens eines Leistungshalbleiters auf das Material der Verbindungstechniken zur
elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter als nicht existent
(„0“) eingestuft, da die Steueranschlüsse eines Leistungshalbleiters separat und un-
abhängig zu dessen elektrischer sowie mechanischer Anbindung verlaufen. Aufgrund
des begrenzten Zeitumfangs im Rahmen dieser Masterarbeit muss in dem vorgestell-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 169
ten Praxisbeispiel jedoch auf diverse Fachmeinungen zur Unterstützung der Ein-
flussbewertung verzichtet werden. Die entsprechenden Bewertungen basieren dem-
zufolge auf den subjektiven Einschätzungen des Anwenders nach bestmöglichem
Sachverstand.
Bild 5.10: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Einflussanalyse
Nach vollständiger Befüllung der Einflussmatrix werden die in Kapitel 4.2.2 ange-
passten Kennzahlen einer Einflussanalyse (Aktivsumme, Passivsumme, Wirkungs-
summe, Impuls-Index, Dynamik-Index) automatisch durch das Excel-Tool berechnet.
Die Kennzahlen ermöglichen nun eine Klassifizierung sämtlicher Deskriptoren hin-
sichtlich ihrer Bedeutung für die Untersuchung und liefern zudem wichtige Hinweise
für die anschließende Erstellung von Zukunftsprojektionen. Das relevante Kriterium
für die Auswahl der Schlüsseldeskriptoren ist die Wirkungssumme, die das Einfluss-
maß eines Deskriptors auf die Weiterentwicklung des Suchfelds beschreibt. Auf Ba-
sis der Ergebnisse aus der Kennzahlenberechnung sind demzufolge die zehn
Schlüsseldeskriptoren mit den höchsten Wirkungssummen auszuwählen. Diese wer-
den für eine erleichterte Auswahl automatisch vom Excel-Tool farblich unterlegt. Bild
5.11 liefert hierzu einen Auszug der berechneten Kennzahlen für die Deskriptoren in
diesem Praxisbeispiel. Die Schlüsseldeskriptoren sind dementsprechend farblich ge-
kennzeichnet.
170 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Bild 5.11: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Berechnung der charakteristischen Kennzahlen einer
Einflussanalyse
Die vollständige Einflussmatrix, die sich aufgrund der Vielzahl von berücksichtigten
Deskriptoren als äußerst umfangreich erweist, kann zusammen mit den berechneten
Kennzahlen gemäß Anhang B.2.3 im beigefügten Excel-Tool nachvollzogen werden.
Die zehn finalen Schlüsseldeskriptoren mit dem größten Einfluss auf die Weiterent-
wicklung des Suchfelds werden jedoch abschließend in Tabelle 5.2 zusammenge-
fasst und den entsprechenden Systemkomponenten bzw. Einflussbereichen zuge-
ordnet.
Tabelle 5.2: Zusammenfassung der Schlüsseldeskriptoren mit dem größten Einfluss auf die Weiter-entwicklung des Suchfelds
Rang Deskriptor Systemkomponente bzw. Einflussbereich
1 Zuverlässigkeit Markt & Politik
2 Material Verbindungstechniken Leistungshalbleiter
3 Stromfestigkeit Verbindungstechniken Leistungshalbleiter
4 mechanische Verbindung Verbindungstechniken Bauteil
5 Material Verbindungstechniken Bauteil
6 elektrische Verbindung Verbindungstechniken Leistungshalbleiter
7 elektrische Leitfähigkeit Leistungshalbleiter
8 thermische Leitfähigkeit Leistungshalbleiter
9 Wärmeleitfähigkeit Kühlsystem
10 elektrische Verbindung Verbindungstechniken Bauteil
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 171
Die Grundbausteine zur Erstellung der Zukunftsprojektionen und zur Bildung der
suchfeldspezifischen Szenarien sind damit bestimmt. Hier wird deutlich, dass die
künftige Weiterentwicklung der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechani-
schen Anbindung der Leistungshalbleiter hauptsächlich durch Systemdeskriptoren
geprägt wird. Diese beziehen sich entweder auf den Fortschritt von suchfeldinternen
Komponentenmerkmalen wie bspw. Stromfestigkeit, Materialien und die elektrische
Verbindung oder auf Merkmale von Systemkomponenten, die mit den Verbindungs-
techniken in engem Kontakt stehen (Verbindungstechniken Bauteil, Leistungshalblei-
ter, Kühlsystem). Lediglich die Forderung nach Zuverlässigkeit seitens Markt & Politik
ist durch einen noch stärkeren Einfluss auf das Suchfeld gekennzeichnet.
Erstellung von Zukunftsprojektionen
Der Blick richtet sich nun konkret in die Zukunft. Für die zehn Schlüsseldeskriptoren
werden zunächst verschiedenartige Entwicklungsrichtungen erarbeitet und anschlie-
ßend zu konkreten Zukunftsprojektionen gebündelt. Da mit den fertigen Szenarien
ein möglichst weit gefasster Zukunftsraum abgesteckt werden soll, sind neben nahe-
liegenden auch extremere Entwicklungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Auf kreati-
vem Weg wird die Erarbeitung der Entwicklungsrichtungen dabei durch die mögli-
chen Weiterentwicklungen der Systemkomponenten aus dem Trendmodell angeregt.
Eine eher analytische Hilfe liefern dagegen die berechneten Kennzahlen aus der Ein-
flussanalyse. Eine hohe Passivsumme bei einem Schlüsseldeskriptor signalisiert
bspw. eine hohe Beeinflussung durch andere Deskriptoren, die dann gegebenenfalls
gezielt als Umgebungseinflüsse in die Zukunftsprojektion einbezogen werden kön-
nen. Ferner muss für die Erstellung von Zukunftsprojektionen auch ein einheitlicher
und dem Untersuchungsrahmen entsprechender Zeithorizont festgelegt werden, auf
den die potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten ausgerichtet sind. Speziell für dieses
Praxisbeispiel beschränkt sich dieser Zeithorizont grob auf die nächsten drei Jahre,
damit einerseits der hohen Dynamik in der Umrichtertechnik (rascher Wandel durch
wachsende globale Märkte, neue potentielle Anwendungsgebiete und veränderte
Anforderungen) und andererseits auch einer möglichst zeitnahen Umsetzung zu-
kunftssicherer Technologien in künftigen Produktlösungen Rechnung getragen wer-
den kann (KRÄUßLICH, 2011, S. 21).
Die Prognostik der zehn Schlüsseldeskriptoren in diesem Praxisbeispiel stützt sich in
der Folge auf die in Kapitel 4.2.2 aufgezeigten Hilfestellungen bzw. Projektionshin-
weise. Es muss dabei jedoch nicht zwangsweise für jeden Projektionshinweis auch
eine spezifische Projektion erarbeitet werden. Dennoch erhöhen viele verschiedene
Projektionen pro Schlüsseldeskriptor die Chancen, einen möglichst universellen Zu-
kunftsraum zu beschreiben. Bild 5.12 zeigt dazu einen Ausschnitt der erarbeiteten,
172 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
potentiellen Projektionen für die Schlüsseldeskriptoren aus dem Excel-Tool. Darin ist
die Zukunft des Schlüsseldeskriptors „Zuverlässigkeit“ aus dem Einflussbereich
„Markt & Politik“ bspw. durch drei potentielle Projektionen beschrieben:
Fortschreibung der aktuellen Entwicklung: Der Markt fordert weiterhin im-
mer zuverlässigere Frequenzumrichter mit höheren Lebensdauern.
Beschleunigung der aktuellen Entwicklung: Die Forderung nach immer zu-
verlässigeren Frequenzumrichtern wird durch die Erschließung neuer Anwen-
dungsgebiete bzw. Märkte forciert.
Gezielte Einbeziehung von Umgebungseinflüssen: Das zunehmende Be-
dürfnis der Gesellschaft nach Sicherheit führt zu strengen, gesetzlichen Regu-
larien für Zuverlässigkeitsgrößen in Frequenzumrichtern (gezielte Einbezie-
hung des Deskriptors „Sicherheit“ aus dem Bereich „Gesellschaft & Umwelt“,
der ein hohes Einflussmaß auf den Schlüsseldeskriptor „Zuverlässigkeit“ hat).
Bild 5.12: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Erstellung potentieller Projektionen für die Schlüssel-
deskriptoren
Bei diesem Schritt entstehen häufig ähnliche Projektionen, die im Sinne einer strin-
genten und im Aufwand beherrschbaren Untersuchung zu je zwei charakteristischen
Zukunftsprojektionen zu bündeln sind. Dieser Umstand lässt sich sehr gut an dem
eben genannten Beispiel verdeutlichen. Dabei ähneln sich insbesondere die ersten
beiden Projektionen, bei denen Zuverlässigkeit immer mehr zu einem wichtigen
Wettbewerbsfaktor wird. Die letzte Projektion beschreibt dagegen eine völlig andere
Entwicklungsrichtung. Somit können die potentiellen Projektionen letztendlich zu
zwei konkreten Zukunftsprojektionen gebündelt werden, die aus Gründen der Nach-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 173
vollziehbarkeit bzw. eines besseren Verständnisses schließlich mit einer prägnanten
Kurzbezeichnung zu versehen und präzise sowie ausführlich zu beschreiben sind:
Zuverlässigkeit als wesentlicher Wettbewerbsfaktor: Zuverlässigkeit, die
sich bspw. über die Lebensdauer, Funktionserfüllung, Sicherheit, Instandhalt-
barkeit eines technischen Systems definiert, wird ein immer wichtigerer Wett-
bewerbsfaktor auf den Märkten. Unternehmen sind demnach dazu angehal-
ten, die Beschaffenheit der Produktkomponenten so zu verbessern, dass eine
hohe Lebensdauer, zuverlässige Funktionserfüllung sowie sichere Anwen-
dung bzw. Instandhaltung gewährleistet werden kann.
Strenge, gesetzliche Regularien für Zuverlässigkeitsgrößen: Das Bedürf-
nis der Gesellschaft nach Sicherheit steigt stetig an und rückt auch rechtlich
immer mehr in den Vordergrund. Staatliche Institutionen bestimmen daher
strenge, rechtlich festgelegte Grenzwerte für Zuverlässigkeitsgrößen, die Un-
ternehmen im Rahmen der Produktentwicklung strikt einhalten müssen.
Dadurch verschärfen sich einerseits der Wettbewerb auf dem Markt und ande-
rerseits auch der Druck auf die Forschung und Entwicklung zur Findung neuer
Lösungen.
Für die übrigen Schlüsseldeskriptoren in diesem Praxisbeispiel ist analog zu verfah-
ren. Als Orientierungshilfe weist das Excel-Tool auch hier den jeweiligen Zu-
kunftsprojektionen ein spezifisches Kürzel und den entsprechenden Deskriptor sowie
Systemkomponente bzw. Einflussbereich zu. Die ausführliche sowie vollständige Er-
stellung der insgesamt 20 charakteristischen Zukunftsprojektionen für die zehn
Schlüsseldeskriptoren dieses Praxisbeispiels kann über Anhang B.2.4 im beigefüg-
ten Excel-Tool eingesehen und nachempfunden werden. Die erarbeiteten Zu-
kunftsprojektionen bilden in der Folge die wesentlichen Eckpfeiler bei der Bildung der
suchfeldspezifischen Szenarien.
Szenariobildung
Am Ende der systemischen Exploration steht die Bildung der drei suchfeldspezifi-
schen Szenarien, die den Zukunftsraum der Verbindungstechniken zur elektrischen
und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter aufspannen. Mittels einer
Konsistenzanalyse werden dabei konsistente Bündel aus je einer Zukunftsprojektion
pro Schlüsseldeskriptor gebildet und über eine steckbriefartige Beschreibung zu
schlüssigen Szenarien ausgearbeitet.
In einer über das Excel-Tool bereitgestellten Konsistenzmatrix, deren Aufbau der
Schilderung aus Kapitel 4.2.2 entspricht, ist zunächst die Verträglichkeit der Zu-
kunftsprojektionen untereinander zu analysieren. Dabei werden die Zukunftsprojekti-
174 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
onen der einzelnen Schlüsseldeskriptoren zusammen mit den dazugehörigen Sys-
temkomponenten bzw. Einflussbereichen in den Zeilen und Spalten der Matrix ge-
genübergestellt. Es folgt eine paarweise Konsistenzbewertung sämtlicher Projekti-
onspaare, die sich auf eine subjektive Abschätzung der gegenseitigen Verträglichkeit
anhand eines vorgegebenen Maßstabs stützt (von „1“ für absolut inkonsistent bis „5“
für stark begünstigend). Das Excel-Tool ermöglicht hier eine automatische Kenn-
zeichnung von konsistenten und inkonsistenten Projektionspaaren mit grüner bzw.
roter Farbe, so dass dem Anwender die nachfolgende Sichtprüfung für die Auswahl
konsistenter Projektionsbündel erleichtert wird. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 5.13
einen Ausschnitt der fertig befüllten Konsistenzmatrix aus dem Excel-Tool, in der die
Schlüsseldeskriptoren dieses Praxisbeispiels auf Konsistenz geprüft werden.
Bild 5.13: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Konsistenzanalyse
Während sich darin z.B. die Zukunftsprojektionen „Fokus auf Materialforschung“ bei
den Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leis-
tungshalbleiter sowie „Fokus auf Materialforschung“ bei den strukturgebende Verbin-
dungstechniken im Bauteil stark begünstigen, sind die Zukunftsprojektionen „Errei-
chung der Materialgrenzen“ bei den strukturgebenden Verbindungstechniken im Bau-
teil und „Fokus auf Materialforschung“ bei den Verbindungstechniken zur elektri-
schen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter absolut inkonsistent.
Dies liegt daran, dass sich Erkenntnisse bzw. Grenzen im Bereich der Materialfor-
schung grundsätzlich auf beide Systemkomponenten zugleich auswirken. Die letzt-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 175
genannten Zukunftsprojektionen dürfen demnach nicht zusammen in einem Projekti-
onsbündel vorkommen.
Über eine Sichtprüfung der Konsistenzmatrix und unterstützt durch die automatische
Kennzeichnung von konsistenten Projektionspaaren müssen nun drei konsistente
Projektionsbündel mit je einer Zukunftsprojektion pro Schlüsseldeskriptor als Rohfas-
sungen der suchfeldspezifischen Szenarien gebildet werden. Damit dabei auch ein
möglichst breiter Zukunftsraum für die Verbindungstechniken zur elektrischen und
mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter aufgespannt werden kann, wird
sich an die in Kapitel 4.2.2 vorgestellten Ausprägungsmöglichkeiten bzw. Orientie-
rungshilfen zur Szenariobildung gehalten, die die Ausarbeitung eines nüchternen,
eines positiven sowie eines negativen Szenarios empfehlen. Gerade durch beson-
ders positiv oder negativ ausgeprägte Szenarien kann auf Eventualitäten bzw. Bege-
benheiten aufmerksam gemacht werden, die Unternehmen im Tagesgeschäft norma-
lerweise nicht auf dem Radar haben. Die in diesem Praxisbeispiel ausgewählten Pro-
jektionsbündel als Rohfassungen der suchfeldspezifischen Szenarien decken genau
diese drei geschilderten Ausprägungsmöglichkeiten ab:
Ausprägung von suchfeldspezifischem Szenario I: Das erste Projektions-
bündel setzt sich verstärkt aus denjenigen Zukunftsprojektionen zusammen,
die zu äußerst positiven Entwicklungen führen und der SIEMENS AG neue
Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Hier steht vor allem die Entwicklung einer
hybridartigen Leiterplatte im Vordergrund, die eine direkte Integration der Leis-
tungshalbleiter im Rahmen der Leiterplattenherstellung ermöglicht.
Ausprägung von suchfeldspezifischem Szenario II: Das zweite Projekti-
onsbündel ist dagegen nüchtern ausgeprägt und hält sich gemeinhin an Zu-
kunftsprojektionen, die die aktuelle Entwicklung der Schlüsseldeskriptoren
fortschreiben. Der Fokus liegt hier weiterhin auf einer schrittweisen Optimie-
rung der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbin-
dung der Leistungshalbleiter durch neue bzw. verbesserte Materialien oder
Wirkprinzipien.
Ausprägung von suchfeldspezifischem Szenario III: Aus eher negativ aus-
geprägten Zukunftsprojektionen setzt sich dagegen das letzte Projektionsbün-
del zusammen, das der SIEMENS AG mögliche Gefahren aufzeigen und zu
entsprechenden Gegenmaßnahmen anregen soll. Darin werden die Leis-
tungsgrenzen von Materialien in naher Zukunft weitestgehend ausgeschöpft
sein, weshalb man sich bei der Optimierung der Verbindungstechniken ver-
stärkt auf neue Wirkprinzipien konzentrieren muss, die gezielt auch aus auf-
176 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
strebenden oder auf den ersten Blick zweckfremden Wissenschaftsgebieten
entstammen können.
Zur Fertigstellung der suchfeldspezifischen Szenarien sind die vorgestellten Ausprä-
gungen abschließend noch in den in Kapitel 4.2.2 vorgestellten Steckbriefen zu be-
schreiben. Diese werden dem Anwender automatisch über das Excel-Tool bereitge-
stellt und sind nur noch hinsichtlich der geforderten Informationsbausteine zu befül-
len. Die Informationsbausteine setzen sich dabei aus einer präzisen, nachvollziehba-
ren Szenariobeschreibung auf Basis der Textbausteine aus den Zukunftsprojektio-
nen, einer konkreten Forderung an die Technologieentwicklung im Suchfeld, einer
Zusammenfassung von damit verbundenen Chancen und Risiken für die SIEMENS
AG sowie einer subjektiven Einschätzung der prozentualen Eintrittswahrscheinlich-
keit des Szenarios zusammen. Bild 5.14 zeigt vor diesem Hintergrund beispielhaft
den fertigen Steckbrief zur Beschreibung von suchfeldspezifischem Szenario I aus
dem Excel-Tool.
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 177
Bild 5.14: Screenshot aus dem Excel-Tool zur steckbriefartigen Beschreibung von suchfeldspezifi-
schem Szenario I
178 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Die vollständigen Ergebnisse zur Konsistenzanalyse sowie zur Zusammensetzung
und Beschreibung der übrigen suchfeldspezifischen Szenarien können über An-
hang B.2.5 im beigefügten Excel-Tool nachvollzogen werden. Das vermittelte Sys-
temverständnis sowie die erarbeiteten Entwicklungsszenarien für die Verbindungs-
techniken zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter im
Rahmen der systemischen Exploration liefern letztendlich wesentliche Erkenntnisse
für die beiden letzten Phasen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewer-
tung. Neben dem Zukunftsraum, der sich aus den drei über die Eintrittswahrschein-
lichkeiten gewichteten Szenarien zusammensetzt und dessen Erfüllungsgrad als
Teilkriterium für die Bestimmung des Zukunftspotentials in die abschließende Tech-
nologiebewertung einfließt, sind hier vor allem technologiespezifische Entwicklungs-
richtungen zu nennen, die sich aus den szenariospezifischen Forderungen an die
Technologieentwicklung im Suchfeld ergeben und wichtige Hinweise für die Identifi-
kation von neuen technologischen Lösungen liefern. Diese Entwicklungsrichtungen
lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Entwicklungsrichtungen aus suchfeldspezifischem Szenario I: Szenario I
fordert Konzepte zur Entwicklung eines Systems zur Einbettung der Leis-
tungshalbleiter in die Leiterplatte sowie zur Sicherstellung einer zuverlässigen
und leistungsfähigen elektrischen Verbindung mit dem nötigen Wärmema-
nagement.
Entwicklungsrichtungen aus suchfeldspezifischem Szenario II: Szenario
II fordert Verbindungstechnologien auf Basis neuer bzw. verbesserter Materia-
lien oder Wirkprinzipien zur Optimierung der elektrischen Verbindung, Strom-
festigkeit und thermischen Beständigkeit.
Entwicklungsrichtungen aus suchfeldspezifischem Szenario III: Szenario
III fordert Verbindungstechnologien auf Basis neuer bzw. verbesserter Wirk-
prinzipien zur Optimierung der elektrischen Verbindung, Stromfestigkeit und
thermischen Beständigkeit. Bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten sind
dabei gezielt auch aufstrebende oder auf den ersten Blick zweckfremde Wis-
senschaftsgebiete zu berücksichtigen.
5.2.3 Bestimmung von Technologieoptionen
Diese Phase dient dazu, die für die multikriterielle Bewertung relevanten Technolo-
gieoptionen zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in
Frequenzumrichtern zu bestimmen. Gestützt durch die Erkenntnisse aus der syste-
mischen Exploration werden dabei neue, alternative technologische Lösungen identi-
fiziert, die im Hinblick auf eine aussagekräftige Technologiebewertung zusätzlich zu
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 179
den aktuell von der SIEMENS AG eingesetzten Technologien noch umfassend zu
beschreiben sind.
Technologieidentifikation
Angelehnt an das Grundprinzip einer Technologiefrüherkennung sind die technolo-
giespezifischen Signale aus der Phase der systemischen Exploration in diesem
Schritt systematisch zu neuen technologischen Ansätzen für die elektrische und me-
chanische Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern zu verdichten.
Anhand klassischer Methoden zur Technologiefrüherkennung werden dazu „greifba-
re“ Informationen über neue, alternative Technologieoptionen gesammelt, die dann
letztendlich der finalen Bewertung zugänglich gemacht werden können.
Die besagten technologiespezifischen Signale aus der systemischen Exploration um-
fassen dabei zum einen die im Trendmodell identifizierten Trends und potentiellen
Weiterentwicklungen im Suchfeld und zum anderen die soeben aufgelisteten, deut-
lich konkreteren Entwicklungsrichtungen aus den suchfeldspezifischen Szenarien
(vgl. Kapitel 5.2.2). Diese Signale werden im Excel-Tool automatisch in einer Tabelle
zusammengefasst und bilden den wesentlichen Input für diesen Ablaufschritt. Diese
Tabelle ist entsprechend in Bild 5.15 abgebildet.
Bild 5.15: Screenshot aus dem Excel-Tool zu den technologiespezifischen Signalen
Geleitet von diesen Signalen wird in der Folge über eine kombinierte Anwendung
klassischer Recherche- bzw. Früherkennungsinstrumente nach neuen Technologie-
optionen zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in
Frequenzumrichtern gesucht. Aufgrund des nur begrenzten Zeitumfangs im Rahmen
dieser Masterarbeit konzentriert sich die Suche im Praxisbeispiel ausschließlich auf
180 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
eine internetgestützte Technologierecherche in zukunftsorientierter, forschungsspezi-
fischer Literatur wie Publikationen, Konferenzen, Produktbeschreibungen oder Wer-
bekataloge, die aber dennoch brauchbare Quellen für grundlegende Informationen
über neue technologische Entwicklungen darstellen (vgl. Kapitel 4.2.3). Nichtsdestot-
rotz ist der Einsatz von klassischen Patentanalysen (vgl. Kapitel 2.5.1.2) und Exper-
tenbefragungen (vgl. Kapitel 2.5.1.1) für weitaus umfangreichere und detailliertere
Recherchen in zukünftigen Anwendungsfällen der Bewertungsmethode sehr zu emp-
fehlen.
Die Ergebnisse der in diesem Praxisbeispiel durchgeführten Technologierecherche
werden nachfolgend kurz vorgestellt. Hierbei wird deutlich, dass gerade die im such-
feldspezifischen Szenario I geforderte Einbettung der Leistungshalbleiter in die Lei-
terplatte auch in der Realität immer mehr in den Fokus von Forschungsabteilungen
rückt. Das sog. Power Chip Embedding ermöglicht dabei die direkte Integration bzw.
Kontaktierung von Halbleiter-Chips im Rahmen der typischen Leiterplattenherstellung
und führt zu exzellenten elektrischen Eigenschaften sowie hoher Zuverlässigkeit.
Hier entsteht also eine neue Technologieoption zur elektrischen und mechanischen
Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern mit hohem Optimierungs-
potential hinsichtlich elektrischer Eigenschaften, System-Integration und Montage-
kosten (BÖTTCHER, 2012, S. 1; LANG, 2012, S. 14–17; OSTMANN, 2013, S. 4; VOCKEN-
BERGER, 2014, S. 5; WILDE, 2014, S. 19–20). Aus der Recherche geht zudem noch
eine weitere, nicht zu vernachlässigende Technologieoption – die Pressverbindung –
hervor, die bei der SIEMENS AG bereits erprobt, jedoch noch nicht serienmäßig in
den hier untersuchten Frequenzumrichtern der SINAMICS-Familie eingesetzt wird.
Über eine Kaltverschweißung von stiftförmigen Lastanschlüssen der Leistungshalb-
leiter mit metallisierten Löchern in der Leiterplatte liefert eine Pressverbindung ein
alternatives Wirkprinzip zur Optimierung der elektrischen Verbindung, Stromfestigkeit
und thermischen Beständigkeit bei der Anbindung der Leistungshalbleiter und folgt
damit den Signalen aus den suchfeldspezifischen Szenarien I und II (STOLZE, THO-
BEN, KOCH, SEVERIN & KUCERA, 2009, S. 1–2; TSCHAN, 2008, S. 1; VEIGEL, 2009, S. 1–
3).
Neben den gegenwärtig eingesetzten technologischen Lösungen der Schraubverbin-
dung, des Selektiv-Lötens und der Federkontaktierung bieten sich der SIEMENS AG
letztendlich also zwei neue, alternative Technologieoptionen zur elektrischen und
mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern, die alle-
samt im finalen Bewertungsprozess berücksichtigt werden. Mit dieser simultanen
Bewertung von bewährten als auch neuen Technologieoptionen kann abschließend
besser beurteilt werden, ob ein möglicherweise kosten- sowie ressourcenaufwändi-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 181
ger Wechsel von einer bewährten auf eine neue Technologie überhaupt lohnenswert
ist. Zur vollständigen Bestimmung sowie als notwendige Voraussetzung für eine aus-
sagekräftige Technologiebewertung sind die fünf Technologieoptionen anschließend
noch einer ausführlichen datentechnischen Beschreibung zu unterziehen.
Beschreibung der Technologieoptionen
Mit der datentechnischen Beschreibung der fünf Technologieoptionen nach den in
Kapitel 4.2.3 vorgestellten funktionalen, inhaltlichen, qualitativen, zeitlichen, wirt-
schaftlichen sowie personellen Merkmalen wird einerseits eine angemessene Infor-
mations- sowie Vergleichsbasis für die nachfolgende Technologiebewertung ge-
schaffen und andererseits auch das Technologieverständnis an sich gefördert. Das
Excel-Tool bietet diesbezüglich eine vorgefertigte Matrix, in der die datentechnische
Beschreibung der fünf Technologieoptionen aus diesem Praxisbeispiel nach den
eben erwähnten Merkmalsklassen durchgeführt wird.
Die Suche nach Informationen stützt sich hier ebenso auf eine internetgestützte Re-
cherche in forschungsspezifischer Literatur. Unterstützt wird diese Informationsbe-
schaffung durch eine Orientierung an den in Kapitel 2.5.1.4 vorgestellten S-Kurven-
Indikatoren zur Einschätzung des Entwicklungsstands einer Technologie sowie durch
eine gezielte Recherche innerhalb der SIEMENS AG, da dort insbesondere Informa-
tionen über die bereits eingesetzten Technologien direkt zugänglich sind. Wichtig ist,
dass die erfassten Informationsbausteine auf einem vergleichbaren Detailgrad beru-
hen und letztendlich zu einer durchgängigen und möglichst vollständigen Datenbasis
verknüpft werden. Aufgrund der eingangs von Kapitel 5.2 geschilderten Verallgemei-
nerung hinsichtlich der Betrachtungsweise von Technologien müssen in diesem Pra-
xisbeispiel jedoch gewisse Abstriche hinsichtlich des Detailgrads gemacht werden.
Speziell quantitative Daten zu geometrischen, physikalischen, chemischen, biologi-
schen oder monetären Attributen der Technologieoptionen bleiben demnach größ-
tenteils unberücksichtigt. Für künftige und wesentlich spezifischer ausgerichtete An-
wendungsfälle der vorgestellten Bewertungsmethode ist eine Berücksichtigung sol-
cher Größen im Rahmen der Technologiebeschreibung aber durchaus zu empfehlen,
da insbesondere die Potentialabschätzung im Rahmen der Bewertung dadurch deut-
lich einfacher von der Hand geht. Bild 5.16 zeigt abschließend einen Auszug aus der
datentechnischen Beschreibung der Technologieoptionen aus diesem Praxisbeispiel
nach den vorgegeben Merkmalsklassen. Da sich die dafür bereitgestellte Matrix aus
dem Excel-Tool als sehr umfangreich erweist, sind die vollständigen Ergebnisse zur
datentechnischen Beschreibung der einzelnen Technologieoptionen über An-
hang B.3.2 dem beigefügten Excel-Tool zu entnehmen. Für eine bessere Nachvoll-
182 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
ziehbarkeit der finalen Technologiebewertung erfolgt hier dennoch eine kompakte
Beschreibung der einzelnen Technologieoptionen.
Bild 5.16: Screenshot aus dem Excel-Tool zur datentechnischen Beschreibung der Technologieoptio-
nen
Die Schraubverbindung wird bei der SIEMENS AG schon seit langer Zeit für eine
zuverlässige Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern – vor allem
für die Übertragung hoher elektrischer Leistungen – eingesetzt (BEYER ET AL., 1992,
S. 226). Sie ermöglicht eine form- und kraftschlüssige Verbindung zwischen den
Lastanschlüssen der Leistungshalbleiter sowie den strukturgebenden Verbindungs-
techniken im Bauteil (RUSCHE, 2012, S. 20–23; SEMIKRON GmbH, 2010, S. 427–
428). Aufgrund der hohen, querschnittsunabhängigen Kontaktkraft und des Selbstlo-
ckerungs- sowie Korrosionsschutzes können durch gut ausgeführte Schraubverbin-
dungen neben sehr guten mechanischen Eigenschaften auch gute thermische und
elektrische Eigenschaften an der Verbindungsstelle realisiert werden (BEYER ET AL.,
1992, S. 226; Deutsches Kupfer-Institut, 2000, S. 14).
Auch das Selektiv-Löten ist bei der SIEMENS AG schon seit langer Zeit für die An-
bindung der Leistungshalbleiter im Einsatz. In einem automatisierten Verfahren wer-
den die Lastanschlüsse von Leistungshalbleitern in Form von einzelnen, selektiven
Lötpins dabei mittels einer Miniatur-Welle über eine intermetallische Verbindung zwi-
schen den Grundwerkstoffen und dem Lot an die Leiterplatte angebunden (VEIGEL,
2009, S. 3; WEGE & SCHIMANSKI, 2011, S. 6–7). Das Lot bildet dabei ein geschmolze-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 183
nes Zusatzmetall, das die zu verbindenden Grundwerkstoffe nur benetzt und nicht
aufschmilzt. Nach Abkühlung bzw. Erstarrung des Lots sind die Grundwerkstoffe
schließlich stoffschlüssig miteinander verbunden (BEYER ET AL., 1992, S. 105;
SCHEUERMANN, 2014, S. 133). Gerade im Rahmen einer automatisierten Bestückung
von elektronischen Baugruppen bzw. Leiterplatten hat sich das Selektiv-Löten in der
Industrie weit verbreitet, ist jedoch gewissen, verfahrenstechnischen Grenzen aus-
gesetzt. Speziell die rein stoffschlüssige Verbindung zwischen zwei spröden, inter-
metallischen Phasen schränkt die mechanischen Eigenschaften einer Lötverbindung
deutlich ein. Ferner besteht die Gefahr von kalten bzw. porösen Lötstellen, die zum
Versagen der Verbindung führen können. Lötverbindungen sind des Weiteren durch
einen vergleichsweise geringen elektrischen Leitwert gekennzeichnet und nicht hoch-
temperaturfest (VEIGEL, 2009, S. 3; WEGE & SCHIMANSKI, 2011, S. 3).
Seit Beginn der 1990er Jahre stellt die Federkontaktierung bei der SIEMENS AG ei-
ne alternative Lösung zur Anbindung von Leistungshalbleitern in Frequenzumrichtern
dar. Die Lastanschlüsse der Leistungshalbleiter in Form von speziellen Federkontak-
ten werden dabei auf vorgesehene Kontaktstellen der Leiterplatte gedrückt. Der nöti-
ge Kontaktdruck für eine zuverlässige, formschlüssige Verbindung entsteht hier au-
tomatisch bei der Montage bzw. Verschraubung der Leistungshalbleiter auf die Lei-
terplatte oder den Kühlkörper (KUCERA, 2006, S. 1–3; SCHEUERMANN, 2014, S. 182;
SEMIKORN GmbH, 2010, S. 428). Der direkte, punktuelle Kontaktandruck eines Fe-
derkontakts sowie dessen Fähigkeit, sich relativ zum Kontaktpartner zu bewegen,
ermöglichen eine stabile mechanische und temperaturfeste Verbindung (auch bei
starken Vibrationen oder Erschütterungen), die ferner durch eine gute elektrische
Leitfähigkeit gekennzeichnet ist. In ihrer Strombelastbarkeit sind die feinen Federkon-
takte jedoch begrenzt (KUCERA, 2006, S. 2–4; SCHEUERMANN, 2014, S. 183).
Die Pressverbindung stellt eine aufstrebende Technologieoption zur elektrischen und
mechanischen Anbindung von Leistungshalbleitern mit reichlich Entwicklungspoten-
tial dar. Hierbei werden die Lastanschlüsse der Leistungshalbleiter in Form von Ein-
pressstiften (ohne thermische Einwirkung wie bspw. beim Selektiv-Löten) über eine
Kaltverschweißung durch Druck, Reibung, Temperatur und Zeit mit vorgefertigten,
metallisierten Löchern in der Leiterplatte verbunden. Der Einpressvorgang selbst er-
folgt über separate Pressvorrichtungen oder eine Verschraubung der Leistungshalb-
leiter auf die Leiterplatte bzw. den Kühlkörper (SEVERIN, 2011, S. 4–7; STOLZE ET AL.,
2009, S. 1–2; VEIGEL, 2009, S. 2–3). Dabei entsteht eine gasdichte, elastische Ver-
bindung mit kleinem Übergangswiderstand, der wiederum eine hohe elektrische Leit-
fähigkeit und sichere Tragfähigkeit hoher Ströme gewährleistet. Des Weiteren er-
weist sich eine Pressverbindung als temperaturfest und mechanisch äußerst stabil
184 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
(STOLZE ET AL., 2009, S. 3–5; VEIGEL, 2009, S. 2–3). Bei starken Erschütterungen
besteht dennoch die Gefahr, dass sich der Einpressstift relativ zur Metallhülse des
Lochs bewegt und dabei die Kaltverschweißung versagt. Zudem muss das Layout
der Leiterplatte speziell an die Einpressstifte der Leistungshalbleiter angepasst wer-
den (TSCHAN, 2008, S. 1; VEIGEL, 2009, S. 9).
Als neue, vielversprechende Technologieoption zur Anbindung der Leistungshalblei-
ter in Frequenzumrichtern ist letztendlich noch das Power Chip Embedding zu nen-
nen. Die Technologie steht am Anfang ihrer Entwicklung und zielt auf die Einbettung
von Leistungshalbleitern in die Leiterplatte ab. Diese System-Integration beruht, wie
in Bild 5.17 zu sehen ist, auf der direkten, elektrisch leitenden Ankontaktierung der
Halbleiter-Chips auf ein Kupfer-Substrat im Inneren der Leiterplatte und lässt sich
demnach sehr gut in die klassische Leiterplattenherstellung integrieren (BÖTTCHER,
2012, S. 1; LANG, 2012, S. 14). Diese Einbettung schützt die Leistungshalbleiter vor
Umwelteinflüssen und schafft eine wichtige Voraussetzung für eine zuverlässige so-
wie mechanisch stabile Verbindung. Gleichzeitig ermöglicht die großflächige, stoff-
schlüssige Verbindung zwischen Halbleiter-Chips und Kupfer-Substrat exzellente
elektrische Eigenschaften mit niedrigen Induktivitäten und eine verbesserte Entwär-
mung. Letztere gelingt jedoch nur in Verbindung mit einem ausgeklügelten Wär-
memanagement innerhalb der kompletten Leiterplatte bzw. beim Kühlkörper, was
aktuell noch eine große Herausforderung auf dem Weg zur Serientauglichkeit dar-
stellt (BÖTTCHER, 2012, S. 6–7; OSTMANN, 2013, S. 4; VOCKENBERGER, 2014, S. 5;
WILDE, 2014, S. 20).
Bild 5.17: Power Chip Embedding in Anlehnung an OSTMANN, 2013, S. 14
Kupfer-Substrat der Leiterplatte
Halbleiter-ChipsHalbleiter-Chips
elektrische Ankontaktierung der Halbleiter-Chips
Isoliertstoff
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 185
Mit der spezifischen Technologiebeschreibung ist die Phase zur Bestimmung der
Technologieoptionen erfolgreich abgeschlossen. Die vorgestellten Technologieoptio-
nen zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in Fre-
quenzumrichtern können somit der finalen, multikriteriellen Bewertung unterzogen
werden.
5.2.4 Multikriterielle Technologiebewertung
Im Rahmen der multikriteriellen Technologiebewertung erfolgt eine kombinierte Po-
tentialbestimmung für die in Kapitel 5.2.3 identifizierten Technologieoptionen hin-
sichtlich der drei Bewertungsdimensionen des Technologiepotentials, Zukunftspoten-
tials sowie Unternehmenspotentials. Dafür müssen zunächst noch die produkt-, kun-
den- sowie unternehmensspezifischen Bewertungskriterien zur Bestimmung des
Technologiepotentials festgelegt und zusammen mit den bereits vorgegebenen Krite-
rien gewichtet werden. Im Anschluss folgt die eigentliche Bewertung, bei der die
Teilpotentiale je Technologieoptionen bestimmt und zu den Gesamtpotentialen ag-
gregiert werden. Auf Basis der gewonnenen Bewertungsergebnisse werden mit Hilfe
eines Handlungsportfolios letztendlich konkrete Handlungsempfehlungen für die
Technologieoptionen abgeleitet, die gezielt bei Technologieentscheidungen unter-
stützen.
Aufbereitung der Bewertungskriterien
Mit einer systematischen Aufbereitung der Bewertungskriterien im Rahmen der TRIZ-
und szenariobasierten Technologiebewertung wird ein nachvollziehbarer sowie wi-
derspruchsfreier Rahmen für die nachfolgende Bewertung geschaffen. Dafür ist zu-
nächst eine eindeutige, widerspruchsfreie und gleichläufige Festlegung von produkt-,
kunden- sowie unternehmensspezifischen Bewertungskriterien zur Bestimmung des
Technologiepotentials nach den in Kapitel 4.2.4 vorgestellten Grundsätzen von BREI-
ING & KNOSALA notwendig. Ferner müssen sämtliche Bewertungskriterien unter Be-
rücksichtigung der vermittelten Wertvorstellungen bzw. Präferenzen von Interes-
sensgruppen der SIEMENS AG abschließend noch gewichtet werden.
Die Festlegung der produkt-, kunden- sowie unternehmensspezifischen Anforderun-
gen an die Technologieoptionen zur elektrischen und mechanischen Anbindung der
Leistungshalbleiter orientiert sich an der prinzipiellen Denkweise einer „Main Para-
meters of Value Discovery“ im Rahmen der TRIZ-Methodik (vgl. Kapitel 4.2.4). So
können neben rein funktionalen auch strategisch relevante Aspekte für das Unter-
nehmen bzw. die Kunden bei der Bewertung der Technologieoptionen berücksichtigt
werden. Die Auswahl der spezifischen Kriterien für dieses Praxisbeispiel erfolgt zu-
186 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
dem in enger Absprache mit Fachpersonal der SIEMENS AG – vorrangig aus den
Unternehmensbereichen der Fertigung und Entwicklung, die eng mit dieser Untersu-
chung in Verbindung stehen – und wird angeregt durch Hinweise über funktionale
und montagespezifische Anforderungen an die Verbindungstechniken aus den bei-
den einführenden Kapiteln 5.1.1 & 5.1.2 sowie der konkreten Problemstellung. Eine
Berücksichtigung von Kunden erweist sich in diesem Fall nicht als notwendig, da sich
die verwendeten Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbin-
dung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern nicht direkt auf deren Kaufver-
halten auswirken. Die für dieses Praxisbeispiel ausgewählten Bewertungskriterien
zur Bestimmung des Technologiepotentials setzen sich in der Summe schließlich wie
folgt zusammen:
Elektrische Verbindung: elektrische Leitfähigkeit der Verbindung;
Mechanische Verbindung: mechanische Belastbarkeit der Verbindung;
Thermische Beständigkeit: Beständigkeit der Verbindung gegenüber thermi-
scher Beanspruchung;
Stromfestigkeit: dauerhafte Strombelastbarkeit der Verbindung;
Robustheit: Beständigkeit der Verbindung gegenüber Umgebungseinflüssen
(Wasser, Schmutz etc.);
Montagefähigkeit: Automatisierbarkeit der Montage;
Montagesicherheit: Sicherheit der Montage;
Montagegeschwindigkeit: Geschwindigkeit der Montage;
Umweltverträglichkeit: Verträglichkeit gegenüber der Umwelt;
Instandhaltbarkeit: Fähigkeit zur einfachen und sicheren Demontage, Repa-
ratur bzw. Wartung.
Alle Bewertungskriterien sind nun vollständig festgelegt und beschrieben. Über einen
paarweisen Vergleich werden die Kriterien der einzelnen Bewertungsdimensionen
nach den – allerdings nicht immer eindeutigen – Präferenzvorstellungen der Interes-
sensgruppen, die sich in den Gesprächen mit dem Fachpersonal angedeutet haben,
systematisch gewichtet. Dabei müssen sämtliche Kriterien einer Bewertungsdimensi-
on in separaten Vergleichsmatrizen, die das Excel-Tool bereitgestellt und gemäß der
Vorlage aus Kapitel 4.2.4 aufgebaut sind, paarweise miteinander verglichen werden.
Bei diesem Vergleich ist die Relevanz der Kriterien in den Zeilen gegenüber den Kri-
terien in den Spalten anhand eines vorgegeben Maßstabs (von „1“ für wichtiger über
„0“ für gleichbedeutend bis „-1“ für weniger wichtig) in den entsprechenden Zellen der
Matrizen einzustufen. Unter Berücksichtigung der Bedingung 4.1 für eine einseitige
Befüllung der Matrizen berechnet das Excel-Tool in der Folge automatisch die relati-
ven Gewichtungsfaktoren der Bewertungskriterien über die Formeln 4.2, 4.3 und 4.4
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 187
(vgl. Kapitel 4.2.4). Für ein besseres Verständnis ist in Bild 5.18 beispielhaft die ferti-
ge, paarweise Vergleichsmatrix zur Gewichtung der Bewertungskriterien des Techno-
logiepotentials zu sehen. Die beiden weiteren Matrizen zur Gewichtung der übrigen
Bewertungskriterien in diesem Praxisbeispiel gestalten sich analog und können über
Anhang B.4.1 im beigefügten Excel-Tool eingesehen werden.
Bild 5.18: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Gewichtung der Bewertungskriterien des Technologie-
potentials
Mit der Berechnung der relativen Gewichtungsfaktoren für sämtliche Kriterien aus
den Bewertungsdimensionen des Technologie-, Zukunfts-, sowie Unternehmenspo-
tentials ist die Aufbereitung der Bewertungskriterien abgeschlossen und ein durch-
gängiger sowie widerspruchsfreier Rahmen für die nachfolgende Bewertung der
Technologieoptionen geschaffen.
Multikriterielle Bewertung
Innerhalb dieses Bewertungsrahmens folgt schließlich der Schritt der eigentlichen
Technologiebewertung, bei dem die Teilpotentiale zur Erfüllung der Kriterien für die
einzelnen Technologieoptionen bestimmt und zu den jeweiligen Gesamtpotentialen
188 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
aggregiert werden. Die Zuweisung und Aggregation der Teilpotentiale orientiert sich
hier am klassischen Schema der Nutzwert-Analyse und befolgt somit das Grundprin-
zip einer multikriteriellen Bewertung. So können die Präferenzen der Interessens-
gruppen entsprechend ihrer konkreten Erwartungshaltungen bzw. Zielvorstellungen
letztendlich in der Bewertung berücksichtigt und die fünf identifizierten Technologie-
optionen angesichts einer Vielzahl von Kriterien zweckmäßig beurteilt werden.
Für die Bewertung stellt das Excel-Tool die in Kapitel 4.2.4 vorgestellten Bewer-
tungsmatrizen zur Bestimmung von Technologie-, Zukunfts- und Unternehmenspo-
tential automatisch zur Verfügung. Darin werden die zu bewertenden Technologieop-
tionen mit den jeweiligen Bewertungskriterien aus den drei Bewertungsdimensionen
sowie deren relativen Gewichtungsfaktoren gegenübergestellt. Für die einzelnen
Technologieoptionen folgt nun der Reihe nach eine subjektive Potentialabschätzung
für die Erfüllung der aufgeführten Bewertungskriterien gemäß eines vorgegebenen
Maßstabs (von „0“ für nicht vorhanden bis „10“ für sehr hoch). Die Abschätzung stützt
sich auf die technologiespezifischen Informationen, die zur Beschreibung der Tech-
nologieoptionen gesammelt wurden. Aus dieser Beschreibung geht bspw. hervor,
dass eine Schraubverbindung aufgrund der Kombination aus Form- und Kraftschluss
sehr gute mechanische Eigenschaften ermöglicht, wogegen eine Lötverbindung auf-
grund der rein stoffschlüssigen Verbindung zweier spröder, intermetallischer Phasen
verhältnismäßig schwache mechanische Eigenschaften aufweist (vgl. Kapitel 5.2.3).
Das Potential der Schraubverbindung zur mechanischen Verbindung wird daher ent-
sprechend mit „10“ eingestuft, während für das Selektiv-Löten nur eine „2“ vergeben
wird. Gesondert zu betrachten ist vor diesem Hintergrund die Abschätzung des Erfül-
lungspotentials als Teilkriterium des Zukunftspotentials. Das Erfüllungspotential ist in
drei Subkriterien untergliedert, die wiederum durch die drei suchfeldspezifischen
Szenarien repräsentiert und entsprechend derer Eintrittswahrscheinlichkeiten ge-
wichtet sind. Hier ist gezielt abzuschätzen, inwieweit die einzelnen Technologieoptio-
nen über das Potential verfügen, den Zukunftsraum der jeweiligen Szenarien zu er-
füllen. Bspw. wird das Potential des Power Chip Embedding zur Erfüllung von such-
feldspezifischem Szenario I mit „10“ eingestuft, da besagtes Szenario eben genau
diese Einbettung der Leistungshalbleiter in die Leiterplatte fordert.
Nach Vollendung der Potentialabschätzungen für die fünf Technologieoptionen be-
rechnet das Excel-Tool automatisch die Teilpotentiale und aggregiert diese zu den
jeweiligen Gesamtpotentialen über die Formeln 4.5 bzw. 4.6 (vgl. Kapitel 4.2.4). Die
vollständigen Bewertungsmatrizen aus diesem Praxisbeispiel sind abschließend in
Bild 5.19 dargestellt und können zudem über Anhang B.4.2 im beigefügten Excel-
Tool nachvollzogen werden. Die ermittelten Gesamtpotentiale für die drei Bewer-
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 189
tungsdimensionen ermöglichen nun eine Klassifizierung der fünf bewerteten Techno-
logieoptionen in einem dreidimensionalen Handlungsportfolio zur gezielten Ableitung
von Handlungsempfehlungen.
Bild 5.19: Screenshot aus dem Excel-Tool mit den fertigen Bewertungsmatrizen zur Bestimmung der
Gesamtpotentiale
190 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Ableitung von Handlungsempfehlungen
Zentrales Element des finalen Ablaufschrittes der TRIZ- und szenariobasierten
Technologiebewertung ist das in Kapitel 4.2.4 vorgestellte Handlungsportfolio zur
gezielten Strukturierung des Entscheidungsfelds. Anhand dieses Portfolios werden
Handlungsempfehlungen für die SIEMENS AG abgeleitet, die als richtungsweisende
Grundlage für Technologieentscheidungen dienen und auf den Einsatz zukunftssi-
cherer Technologien zur elektrischen sowie mechanischen Anbindung von Leis-
tungshalbleitern in künftigen Frequenzumrichtern abzielen. Vor diesem Hintergrund
ermöglicht das Handlungsportfolio neben der klassischen Gegenüberstellung von
Technologie- und Unternehmenspotential auch eine Visualisierung des Zukunftspo-
tentials. Die finalen Potentialwerte der einzelnen Technologieoptionen aus dem
Schritt der multikriteriellen Bewertung bilden in der Folge die nötige Datengrundlage
für die Erstellung des Portfolios und werden in Bild 5.20 noch einmal zusammenge-
fasst.
Bild 5.20: Screenshot aus dem Excel-Tool mit den finalen Bewertungsergebnissen
Zur Visualisierung der Technologieoptionen als kreisförmige Objekte im Handlungs-
portfolio nutzt das Excel-Tool die entsprechenden Potentialwerte als Koordinaten.
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 191
Während Technologie- und Unternehmenspotential die Positionierung einer Techno-
logieoption auf der Y- und X-Achse bestimmen, beschreibt die Größe des Kreis-
durchmessers die Ausprägung des Zukunftspotentials. Bild 5.21 zeigt letztendlich
das fertige Handlungsportfolio mit den fünf untersuchten Technologieoptionen aus
diesem Praxisbeispiel (vgl. Anhang B.4.3). Darin ist zu erkennen, dass lediglich die
Schraubverbindung dem Bereich der Normstrategie „Auswählen“ zugeordnet ist. Die
übrigen Technologieoptionen fallen allesamt in den Bereich der Normstrategie „Ab-
wägen“. Angeregt durch diese Zuordnung der Technologieoptionen zu den in Kapitel
4.2.4 beschriebenen Normstrategien werden die gewonnenen Erkenntnisse in kon-
krete Handlungsempfehlungen für die SIEMENS AG überführt, die nachfolgend vor-
gestellt werden.
Bild 5.21: Screenshot aus dem Excel-Tool mit dem finalen Handlungsportfolio
Schraubverbindungen sind aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften bei der
SIEMENS AG seit langer Zeit etabliert und bestechen demnach durch ein hohes
Technologie- sowie Unternehmenspotential (vgl. Bild 5.21). Trotz der eher aufwändi-
192 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
gen Montage sowie der Tatsache, dass die Weiterentwicklungspotentiale der Tech-
nologie weitestgehend ausgeschöpft sind, erweisen sich Schraubverbindungen vor
allem in Frequenzumrichtern höherer Leistungsklassen weiterhin als sichere und zu-
verlässige Alternative für die elektrische und mechanische Anbindung von Leis-
tungshalbleitern (vgl. Kapitel 5.2.3 & Anhang B.3.2).
Selektiv-Löten als weitere etablierte Verbindungstechnologie bei der SIEMENS AG
ist hingegen durch ein unterdurchschnittliches Technologie- und kaum vorhandenes
Zukunftspotential gekennzeichnet (vgl. Bild 5.21). Dies liegt insbesondere an den
vergleichsweise schwachen elektrischen und mechanischen Eigenschaften, verfah-
renstechnischen Restriktionen (Entstehung von Schadstoffen, Verbrauch von Lotma-
terial bzw. Flussmittel, schwierige Demontage etc.) sowie dem ausgeschöpften Wei-
terentwicklungspotential (vgl. Kapitel 5.2.3 & Anhang B.3.2). Der Trend geht offen-
kundig weg vom Löten, weshalb hier verstärkt auf andere Technologieoptionen zur
Anbindung von Leistungshalbleitern gesetzt werden sollte.
Hier erweisen sich vor allem die Technologien der Federkontaktierung sowie der auf-
strebenden Pressverbindung als gute Alternativen, die wie die Schraubverbindung
durch wesentlich höhere Technologiepotentiale als das Selektiv-Löten gekennzeich-
net sind (vgl. Bild 5.21). Dies liegt in den weitaus besseren elektrischen, mechani-
schen sowie verfahrenstechnischen Eigenschaften (einfachere Demontage, Umwelt-
verträglichkeit etc.) der Technologien begründet. Während die Federkontaktierung
bei der SIEMENS AG schon seit geraumer Zeit als Verbindungstechnologie in den
hier berücksichtigten Frequenzumrichtern der SINAMICS-Familie eingesetzt wird,
steckt die Pressverbindung dort erst noch in ihren Anfängen. Dieser Umstand macht
sich letztendlich in dem verhältnismäßig geringen Unternehmenspotential bemerk-
bar. Als aufstrebende Technologie ist die Pressverbindung jedoch durch ein ver-
gleichsweise hohes Zukunftspotential gekennzeichnet, was insbesondere auf das
Weiterentwicklungspotential (Bauformen und Materialien der Pressstifte) der Techno-
logie zurückzuführen ist, das dem Unternehmen künftig Möglichkeiten zur Optimie-
rung der Anbindung der Leistungshalbleiter sowie zur Diversifikation bieten kann (vgl.
Kapitel 5.2.3 & Anhang B.3.2).
Durch das höchste Technologie- und Zukunftspotential aller Technologieoptionen ist
schließlich das Power Chip Embedding gekennzeichnet (vgl. Bild 5.21). Die Techno-
logie befindet sich am Anfang ihres Lebenszyklus und stellt für die SIEMENS AG ei-
ne völlig neue Alternative zur Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrich-
tern dar. Im Vergleich zu den anderen Technologieoptionen ist das Unternehmens-
potential daher noch relativ gering ausgeprägt. Die direkte Einbettung der Halbleiter-
Chips in das Gesamtsystem der Leiterplatte birgt jedoch enormes Potential für eine
5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 193
zuverlässige Anbindung von Leistungshalbleitern mit hervorragenden elektrischen
und mechanischen Eigenschaften. Aufgrund ihres hohen Erfüllungspotentials hin-
sichtlich des aufgespannten Zukunftsraums und des enormen Weiterentwicklungs-
sowie Diversifikationspotentials (Erweiterung des Produktsortiments und der Ferti-
gungstiefe, Möglichkeiten zur Erschließung neuer Märkte) kann die Technologie zu-
dem als zukunftsweisend betrachtet werden. Eine Investition in die Entwicklung bzw.
Adaption dieser Technologie erweist sich demzufolge also als äußerst attraktiv, ge-
rade weil die Umsetzung der Technologie größtenteils auf bereits bekannten Ferti-
gungsprozessen beruht und sich sehr gut in den klassischen Herstellungsprozess
von Leiterplatten integrieren lässt. Dies bietet den Vorteil einer automatisierten Her-
stellung von eingebetteten Systemen für Frequenzumrichter verschiedener Leis-
tungsklassen in ein und derselben Fertigungslinie (vgl. Kapitel 5.2.3 & An-
hang B.3.2). Eine finale Entscheidung ist jedoch erst nach Klärung wichtiger verfah-
renstechnischer Fragen (Wärmemanagement, Verfahren zur Ankontaktierung der
Halbleiter-Chips, Halbleiter-Herstellung etc.) sowie strategischer Aspekte (technolo-
gisches Know-how, Personalbedarf, Ressourcenaufwand, Kosten, Umsetzungsdau-
er, rechtliche Lage etc.) durch Entscheidungsträger aus den zuständigen Abteilungen
bzw. dem Management zu treffen und in einen konkreten Umsetzungsplan für die
Zukunft zu überführen.
5.2.5 Fazit
Für ein abschließendes Fazit werden die Ergebnisse des Praxisbeispiels noch ein-
mal konkret zusammengefasst. Der Trend bei den Verbindungstechniken zur elektri-
schen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern
geht eindeutig weg von anfälligen Lötverbindungen. Neben den bei der SIEMENS
AG bereits bewährten Technologien der Schraubverbindung sowie Federkontaktie-
rung gewinnt vor diesem Hintergrund insbesondere die aufstrebende Technologie
der Pressverbindung immer mehr an Bedeutung und sorgt „insbesondere in Anwen-
dungen der rauen Industrieumgebung für eine höhere Zuverlässigkeit des Gesamt-
systems“ (STOLZE ET AL., 2009, S. 1).
Einen potentiellen Meilenstein in Richtung verstärkter System-Integration mit Blick
auf die Optimierung von Energieeffizienz, Leistungsdichte und Usability (vgl. Kapitel
5.1.2) sowie zur weiteren Optimierung der Anbindung von Leistungshalbleitern in
Frequenzumrichtern stellt dagegen das Power Chip Embedding dar. Für einen se-
rientauglichen Einsatz der Technologie in Leistungsanwendungen bei Frequenzum-
richtern sind allerdings noch letzte wichtige, verfahrenstechnische Fragen zu klären.
Ein Aspekt ist dabei zunächst die Realisierung einer adäquaten „Wärmeableitung in
194 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG
Verbindung mit der notwendigen elektrischen Isolation der Leistungshalbleiter“
(BÖTTCHER, 2012, S. 6). Für eine qualitativ hochwertige Einbettung der Leistungs-
halbleiter sind ferner auch Modifikationen hinsichtlich der Materialien, Herstellungs-
prozesse und Geometrien von Halbleiter-Chips sowie Verfahren zu deren direkter
Ankontaktierung notwendig. Vor diesem Hintergrund treten neben den konventionel-
len Verfahren des Lötens, Drahtbondens, Diffusionssinterns oder Leitklebens ver-
stärkt auch neue Trends wie Ag-Sintern, Transient Liquid Phase Bonding oder eine
elektrochemische Ankontaktierung in den Vordergrund. Welches Verfahren hier
letztendlich die beste Alternative darstellt, entwickelt sich aktuell zu einer immer be-
deutenderen Frage der Forschung im Bereich der Mikroelektronik bzw. Mikrosystem-
technik (POECH, 2009, S. 26; SCHEUERMANN, 2014, S. 132, S. 405–411; WILDE, 2014,
S. 31).
6 Diskussion der Ergebnisse 195
6 Diskussion der Ergebnisse
Aufbauend auf die in Kapitel 5 gewonnenen Erkenntnisse liefert dieses Kapitel eine
Diskussion der Praxistauglichkeit des methodischen Konzepts an sich sowie des un-
terstützenden Excel-Tools. Der erzielte Nutzen aus der Anwendung der TRIZ- und
szenariobasierten Technologiebewertung wird dafür zunächst gewissen Problembe-
reichen gegenübergestellt, die sich im Rahmen des Praxisbeispiels herauskristalli-
siert haben und Anlass zur Optimierung bieten. Zudem erfolgt ein Resümee über die
praktische Eignung des Excel-Tools zur phasenspezifischen Unterstützung des An-
wenders. Hier fließen auch die Ergebnisse einer kleinen Pilotstudie ein, bei der die
Tauglichkeit des Tools durch die Anwendung und Erprobung anhand der Meinung,
Wertung sowie des Geschmacks einer neutralen, jedoch fachlich geschulten Person
evaluiert wurde.
6.1 Methodisches Konzept in der Praxis
Durch die produktspezifische Auslegung der Methode, die sich größtenteils auf eine
systemische Betrachtungsweise nach klassischer TRIZ-Denkweise stützt, konnte im
vorgestellten Praxisbeispiel zunächst ein ganzheitliches sowie funktionales System-
verständnis des Frequenzumrichters mit dem spezifischen Suchfeld der Verbin-
dungstechniken zur Anbindung der Leistungshalbleiter und seinen weiteren System-
komponenten vermittelt werden (vgl. Kapitel 5.2.1). Dies hat die zielgerichtete Analy-
se und Bewertung von Technologien unter Berücksichtigung der funktionalen Zu-
sammenhänge im Gesamtsystem des Frequenzumrichters im Laufe der weiteren
Untersuchungen deutlich erleichtert. Ferner konnte damit auch der komplexe Unter-
suchungshintergrund aus der durch enormen Fortschritt geprägten Umrichtertechnik
(vgl. Kapitel 5.1.2) systematisiert und der anschließende Lösungsprozess entschei-
dend vereinfacht werden.
Mit dem angestrebten Perspektivwechsel von der Produkthistorie in die Zukunft, der
auf die gezielte Synthese von System Operator und Szenario-Analyse in der Phase
der systemischen Exploration aufbaut, wurden in der Folge wesentliche Trends bei
den Systemkomponenten des Frequenzumrichters aufgedeckt und darauf aufbauend
suchfeldspezifische Szenarien entwickelt. Damit konnte erfolgreich auf generelle
196 6 Diskussion der Ergebnisse
Entwicklungsmöglichkeiten des Frequenzumrichters sowie signifikante, technologie-
spezifische Signale über die Weiterentwicklung der Verbindungstechniken zur An-
bindung der Leistungselektronik hingewiesen werden (vgl. Kapitel 5.2.2).
Die Integration klassischer Elemente einer Technologiefrüherkennung – in diesem
Fall vorrangig die simple Analyse forschungsspezifischer Literatur – zur Verdichtung
der technologiespezifischen Signale aus der systemischen Exploration ermöglichte
schließlich eine umfassende Beschaffung und Verarbeitung von greifbaren Informati-
onen über zukunftsrelevante, technologische Entwicklungen im Suchfeld. Unter dem
Strich konnten dabei systematisch zwei neue bzw. alternative Technologieoptionen
zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter für die unter-
suchten Frequenzumrichter (Pressverbindung, Power Chip Embedding) identifiziert
und abschließend im Verbund mit den gegenwärtig eingesetzten Technologien
(Schraubverbindung, Selektiv-Löten, Federkontaktierung) bewertet werden (vgl. Ka-
pitel 5.2.3).
Anhand der gezielten Ausrichtung der finalen Technologiebewertung am Kernaspekt
einer multikriteriellen Bewertung konnte letzten Endes eine systematische und objek-
tive Beurteilung der verschiedenen Technologieoptionen zur elektrischen und me-
chanischen Anbindung der Leistungshalbleiter unter Berücksichtigung einer Vielzahl
von Kriterien sichergestellt werden. Ein wesentliches Element war dabei die Überfüh-
rung bzw. Visualisierung der Bewertungsergebnisse in ein spezifisches Handlungs-
portfolio, mit dem das Entscheidungsfeld für die SIEMENS AG strukturiert und kon-
krete Handlungsempfehlungen bzgl. der einzelnen Technologieoptionen abgeleitet
werden konnten (vgl. Kapitel 5.2.4 & 5.2.5).
Gestützt auf wesentliche Elemente der TRIZ-Methodik, Szenario-Analyse sowie An-
sätzen zur multikriteriellen Bewertung, die in Verbindung mit eigenen Methodenbau-
steinen zu einem systematischen und durchgängigen methodischen Konzept ver-
knüpft wurden, schafft die praktische Anwendung der TRIZ- und szenariobasierten
Technologiebewertung insgesamt also eine fundierte Basis für Technologieentschei-
dungen im Rahmen der strategischen Produktplanung, die auf den Einsatz zukunfts-
sicherer Technologien aus einem spezifischen Suchfeld in künftigen Produktlösun-
gen abzielen. Nichtsdestotrotz muss in diesem Zusammenhang allerdings auch auf
einzelne Problembereiche hingewiesen werden, die sich im Rahmen des Praxisbei-
spiels aufgetan haben und offenkundig Anlass zur Optimierung der Methode geben.
Zum einen ist hier der Aufwand der Einflussanalyse in der Phase der systemischen
Exploration (vgl. Kapitel 4.2.2 & 5.2.2) zu nennen, der sich sowohl aus fachlichen als
auch zeitlichen Gründen als sehr hoch erweist. Die Einflussanalyse erfordert teils
6 Diskussion der Ergebnisse 197
sehr spezifisches Fachwissen vom Anwender, das jedoch nicht immer von Grund auf
vorausgesetzt werden kann. Die gezielte Unterstützung durch fachliche Meinungen
von Experten oder Interessensgruppen erscheint hier zwar sinnvoll, würde aber den
ohnehin schon enormen Zeitaufwand für die Analyse der vielen Deskriptoren durch
mögliche Diskussionen bzw. Meinungsverschiedenheiten noch zusätzlich erhöhen.
Des Weiteren konnten trotz der eher subjektiv geführten Einflussanalyse im Rahmen
des vorgestellten Praxisbeispiels dennoch brauchbare Ergebnisse für die charakte-
ristischen Einflusskennzahlen erzielt werden, die wiederum wichtige Erkenntnisse für
die Auswahl der Schlüsseldeskriptoren sowie die nachfolgende Erstellung der Zu-
kunftsprojektionen und Szenarien lieferten. Letztendlich ist also gezielt abzuwägen,
ob man den notwendigen Aufwand für die Einflussanalyse in Anbetracht des erreich-
baren Nutzens gezielt in Kauf nehmen will oder nicht. Für letzteren Fall wäre die
Entwicklung eines vereinfachten, aber dennoch zweckmäßigen Modells zur Auswahl
der Schlüsseldeskriptoren ein möglicher Ansatzpunkt zur Optimierung der Methode.
Als schwierig hat sich auch die Informationsbeschaffung zur Beschreibung der Tech-
nologieoptionen hinsichtlich der vorgegebenen Merkmalsklassen erwiesen (vgl. Kapi-
tel 4.2.3 & 5.2.3). Dies ist vor allem auf die notwendigen Verallgemeinerungen hin-
sichtlich der Betrachtungsweise von Technologien innerhalb des vorgestellten Pra-
xisbeispiels zurückzuführen, wodurch sich die Beschreibungen der Technologieopti-
onen auf eher allgemeine und unspezifische Informationen stützen. Für künftige,
präziser ausgerichtete Anwendungsfälle der TRIZ- und szenariobasierten Technolo-
giebewertung wird demnach ausdrücklich dazu geraten, auch wesentlich spezifische-
re Informationen wie z.B. quantitative Daten zu geometrischen, physikalischen, che-
mischen, biologischen oder monetären Attribute der Technologieoptionen zu berück-
sichtigen. Insbesondere die Potentialabschätzung im Rahmen der finalen Technolo-
giebewertung kann durch eine Orientierung an konkreten Zahlenwerten nämlich
deutlich erleichtert werden. Für eine insgesamt strukturiertere und geradlinigere In-
formationsbeschaffung wären ferner auch Untersuchungen ratsam, welche der ge-
nutzten Recherchemethoden für welche Merkmalsklassen am besten geeignet sind.
Das Bewertungsmodell der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung
stützt sich auf die amerikanische Schule der Multi-Attribut-Ansätze und setzt damit
voraus, dass sich Entscheidungsträger bzw. Interessensgruppen ihrer Präferenzen
bewusst sind und diese entsprechend transparent gemacht werden können (vgl. Ka-
pitel 4.2.4 & 5.2.4). Nach der Erfahrung aus dem Praxisbeispiel ist jedoch speziell bei
der Gewichtung der Bewertungskriterien eine klare Offenlegung der Präferenzen
nicht immer möglich, was wiederum dazu führen kann, dass „sich gute und schlechte
Kriterien vollständig gegeneinander kompensieren“ (OBERSCHMIDT, 2010, S. 59). Vor
198 6 Diskussion der Ergebnisse
diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, sog. Outranking-Verfahren der europäi-
schen Schule in das Bewertungsmodell zu integrieren, um auch widersprüchliche
Informationen verarbeiten und die Folgen unterschiedlicher Kriterien-Gewichtungen
aufzeigen zu können (vgl. Kapitel 2.4.2). Zudem lassen sich im Zuge einer spezifi-
scheren und strukturierteren Informationsbeschaffung zur Beschreibung der Techno-
logieoptionen möglicherweise auch die fest vorgegebenen Bewertungskriterien zur
Bestimmung von Zukunfts- sowie Unternehmenspotential anpassen bzw. verfeinern,
um noch aussagekräftigere Bewertungsergebnisse erzielen zu können. In diesem
Zusammenhang ist insbesondere die sehr triviale Abschätzung des Erfüllungspoten-
tials der suchfeldspezifischen Szenarien auf Basis der gewichteten Eintrittswahr-
scheinlichkeit zu nennen, die durchaus Potential zur weiteren Verfeinerung bietet.
6.2 Excel-Tool
Bei der phasenspezifischen Unterstützung der TRIZ- und szenariobasierten Techno-
logiebewertung im Rahmen des vorgestellten Praxisbeispiels haben sich einige posi-
tive sowie negative Diskussionspunkte innerhalb des Excel-Tools herauskristallisiert.
Als positiv ist hier zunächst die durchgängige Erfassung bzw. Bereitstellung, Verar-
beitung und Sicherung der operativen, für die Untersuchung notwendigen Daten- und
Informationsbasis während des kompletten Methodendurchlaufs zu erwähnen. Ent-
scheidend sind dabei die gezielt über die Arbeitsanweisungen, Hinweise oder
Hilfstabellen bereitgestellten Anhalts- bzw. Orientierungspunkte (z.B. Hinweise auf
Recherchemethoden oder die automatische Bereitstellung der TESE, der Bewer-
tungskriterien zur Bestimmung von Zukunfts- und Unternehmenspotential sowie der
Normstrategien zur Analyse des Handlungsportfolios) zur Erfassung bzw. Bereitstel-
lung von untersuchungsspezifischen Daten und Informationen in den einzelnen Ab-
laufschritten.
Durch die Einbindung der charakteristischen Methoden- sowie Analyseelemente
(Trendmodell, Einflussanalyse, Konsistenzanalyse, paarweiser Vergleich, multikrite-
rielle Bewertung, Handlungsportfolio etc.) aus den einzelnen Ablaufschritten der
TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung in separate Tabellenblätter so-
wie deren logische Verknüpfung zu einem durchgängigen Ablaufmodell werden fer-
ner auch die untersuchungsspezifischen Daten und Informationen zweckmäßig ge-
sammelt und zu einem aussagekräftigen Endergebnis verarbeitet. Somit kann ein
ausgeprägter Methoden- und Modellcharakter des Excel-Tools sichergestellt werden.
Darüber hinaus sind auch die simple Navigation durch das Ablaufmodell über das
Hauptmenü und die standardisierte Navigationsleiste sowie die zahlreichen Hilfsfunk-
6 Diskussion der Ergebnisse 199
tionen für eine korrekte Befüllung der Tabellenblätter (Hinweise, Kommentarfunktio-
nen und die VBA-basierte Darstellung der Arbeitsanweisungen über separate Fens-
ter) als positive Aspekte des Excel-Tools zu erwähnen. All dies ist auf ein durchdach-
tes Dialogsystem zurückzuführen, das eine übersichtliche Benutzeroberfläche
schafft, eine einfache sowie strukturierte Interaktion bzw. Arbeitsweise des Anwen-
ders ermöglicht und die Fehleranfälligkeit während des Methodendurchlaufs mini-
miert. Aus den geschilderten, positiven Erscheinungen geht letztendlich hervor, dass
alle wesentlichen Bestandteile eines DSS (vgl. Kapitel 4.3) erfolgreich in das Excel-
Tool integriert werden konnten.
Dennoch haben sich auch Schwachstellen im Excel-Tool gezeigt, die Anlass zur
Verbesserung bieten. Die teils sehr umfangreichen Tabellen und Matrizen zu den
einzelnen Methoden- bzw. Analyseelementen, die vorrangig in der Phase der syste-
mischen Exploration (Trendmodell, Szenariofeld, Einflussanalyse etc.) zu finden sind,
schränken die Übersichtlichkeit in den entsprechenden Tabellenblättern deutlich ein
und können dazu führen, wichtige Details für die weiteren Untersuchungen bzw. zu
befüllende Zellen zu übersehen. Bei der Gestaltung des Excel-Tools wurde daher der
bestmögliche Kompromiss zwischen Übersichtlichkeit der Tabellen bzw. Matrizen
und Leserlichkeit des Texts gewählt, was aber jedoch nicht immer zu zufriedenstel-
lenden Ergebnissen führt. Bild 6.1 verdeutlicht diesen Umstand anhand einer Dar-
stellung der Trendmodell-Matrix, bei der die Systemkomponenten auf Supersyste-
mebene außerhalb des Sichtbereichs liegen und gezielt über einen Hinweis kenntlich
gemacht werden müssen.
Bild 6.1: Begrenzte Übersichtlichkeit im Excel-Tool am Beispiel der Trendmodell-Matrix
Für eine verfeinerte und objektivere Beurteilung der Benutzerfreundlichkeit des
Excel-Tools ist es zudem wichtig, dass auch Meinungen von neutralen bzw. nicht
durch die Untersuchung beeinflussten Personen berücksichtigt werden, die jedoch
200 6 Diskussion der Ergebnisse
die nötigen Fachkenntnisse sowie eine gewisse Grunderfahrung im Umgang mit
Microsoft Office Excel mitbringen. Vor diesem Hintergrund wurde mit einem neutralen
Anwender eine kleine Pilotstudie zum Test der Tauglichkeit des Excel-Tools durch-
geführt. Der Testanwender ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und verfügt über
fundierte Excel-Kenntnisse, die aus einer jahrelangen Berufserfahrung in der Tele-
kommunikationsbranche hervorgehen. Die Ergebnisse dieser Pilotstudie werden
nachfolgend vorgestellt. Generell bestätigt der Testanwender nach einer musterhaf-
ten Befüllung die Eindrücke einer stringenten wie auch korrekten Erfassung bzw. Be-
reitstellung, Verarbeitung und Sicherung der operativen Daten- und Informationsba-
sis sowie eines logisch verknüpften Ablaufmodells. Hinsichtlich der Benutzerfreund-
lichkeit lobt der Testanwender insbesondre die einfache Steuerung bzw. Navigation
innerhalb des Excel-Tools über die standardisierte Navigationsleiste sowie das
Hauptmenü mit der Übersicht des generellen Ablaufmodells. Auch die einheitliche
und durchgängige farbliche Gestaltung zusammenhängender Inhalte im gesamten
Excel-Tool hilft enorm bei der Orientierung. Als besonders benutzerfreundlich erwei-
sen sich laut Testanwender vor allem die implementierten Hilfsfunktionen über die
generellen Hinweise, Kommentarfunktionen sowie VBA-basierten Arbeitsanweisun-
gen in den einzelnen Tabellenblättern, die wenig Spielraum für anwenderseitige Feh-
ler lassen und somit eine wichtige Voraussetzung für eine korrekte Befüllung des
Excel-Tools schaffen. Jedoch wird deutlich darauf hingewiesen, dass die genaue Be-
folgung der spezifischen Hinweise in den Tabellenblättern essentiell ist. Nur so kann
der Anwender im Sinne der Übersichtlichkeit gezielte Empfehlungen zur Ausblen-
dung irrelevanter Spalten bzw. Zeilen sowie zur Navigation zu relevanten Inhalten
außerhalb des Sichtbereichs berücksichtigen und eine vollständige sowie fehlerlose
Befüllung des Tools sicherstellen.
Als Fazit zur Tauglichkeit des Excel-Tools für eine phasenspezifische Unterstützung
der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung werden sämtliche Diskussi-
onspunkte dieses Kapitels abschließend noch einmal zusammengefasst und nach
den wesentlichen positiven sowie negativen Aspekten aufgeschlüsselt:
Positive Aspekte: durchgängige Erfassung bzw. Bereitstellung, Verarbeitung
und Sicherung der operativen Daten- und Informationsbasis sowie ausgepräg-
ter Methoden- und Modellcharakter als Grundlage für aussagekräftige Ergeb-
nisse; durchdachtes Dialogsystem für eine übersichtliche Benutzeroberfläche,
vereinfachte und strukturierte Interaktion bzw. Arbeitsweise sowie geringe
Fehleranfälligkeit;
Negative Aspekte: mangelnde Übersichtlichkeit in umfangreichen Tabellen-
blättern als potentielle Gefahrenquelle zur Vernachlässigung wichtiger Details.
6 Diskussion der Ergebnisse 201
Es wird deutlich, dass die positiven Aspekte klar überwiegen, weshalb das Excel-
Tool insgesamt eine effiziente und effektive Möglichkeit zur phasenspezifischen Un-
terstützung der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung bietet. Gerade in
Verbindung mit den möglichen Optimierungen bzw. Verfeinerungen des methodi-
schen Konzepts (vgl. Kapitel 6.1) ist der Entwurf eines Tools fern von der Software
Microsoft Office Excel, welches insgesamt ein noch strukturierteres Interface zur Ver-
fügung stellt und gleichzeitig auch komplexe Rechenschritte – z.B. im Hinblick auf
mögliche Outranking-Verfahren im Rahmen der multikriteriellen Bewertung – be-
werkstelligen kann, durchaus in Erwägung zu ziehen.
202 7 Zusammenfassung
7 Zusammenfassung
Angesichts des globalen Wettbewerbs, der immer kürzer werdenden Produktlebens-
und Innovationszyklen sowie der wachsenden Anforderungen der Kunden an Quali-
tät, Kosten und Funktionalität, sind Unternehmen verstärkt auf zukunftsträchtige Pro-
dukte mit technologischem Vorsprung angewiesen. Eine gründliche Analyse des
Technologiemarkts zur frühzeitigen Identifikation sowie Bewertung geeigneter Tech-
nologien als richtungsweisende Grundlage für Technologieentscheidungen in der
strategischen Produktplanung und dem Ziel einer zukunftsorientierten Produktent-
wicklung gewinnt vor diesem Hintergrund immer mehr an Bedeutung (vgl. Kapitel
1.1). Zur Unterstützung solcher Technologieentscheidungen stehen den Unterneh-
men unterschiedliche Bewertungsmethoden zur Verfügung, die sich aktuell jedoch
aufgrund veränderter Rahmenbedingungen im Bereich der Technologieentstehung
sowie -entwicklung wesentlichen Problembereichen ausgesetzt sehen (vgl. Kapitel
1.2). Um der daraus resultierenden Forderung zur Erarbeitung einer zeitgemäßen
Bewertungsmethode entsprechend nachzukommen, wurden in Kapitel 1.3 drei we-
sentliche Fragestellungen abgeleitet, die – wie Bild 7.1 zeigt – im Laufe dieser Arbeit
schrittweise beantwortet wurden.
Bild 7.1: Beantwortung der zentralen Fragestellungen im Rahmen der Masterarbeit
?Fragestellungen
!Beantwortung
Was sind die Schwierigkeiten und Anforderungen einer
methodisch gestützten Technologiebewertung für eine
zukunftsorientierte Produktentwicklung?
Kapitel 2 & 3
Mit welchen Mitteln und prozessualen Strukturen in Verbindung
mit Analyseelementen bestehender Methoden zur
Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung lässt sich ein
systematisches und rechnergestütztes, methodisches Konzept
entwickeln, das diesen Schwierigkeiten und Anforderungen gerecht
werden kann?
Kapitel 4
Erweist sich die erarbeitete Methode als tauglich für einen Einsatz
in der unternehmerischen Praxis?Kapitel 5 & 6
7 Zusammenfassung 203
Mit den Kapiteln 2 & 3 dieser Arbeit konnte zunächst ein theoretisches Fundament
geschaffen werden, das einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung lieferte
und im Anschluss die Herleitung von Schwierigkeiten bzw. Anforderungen einer me-
thodisch gestützten Technologiebewertung im Hinblick auf eine zukunftsorientierte
Produktentwicklung erlaubte. Dafür wurde vorab ein grundlegendes Verständnis zum
Technologiebegriff an sich sowie zur Unternehmensaufgabe des Technologie-
managements mit Fokus auf die beiden Instrumente der Technologiefrüherkennung
und -bewertung vermittelt. Durch die Einordnung der beiden Instrumente in die Pha-
se der strategischen Produktplanung zur gezielten Unterstützung von Technologie-
entscheidungen konnte zudem der Wirkungskreis der geforderten Methode abge-
steckt werden. Ein Einblick in die Thematik der multikriteriellen Bewertung sowie die
Vorstellung von Methoden aus Literatur und Praxis, die im Rahmen der Technologie-
früherkennung und Technologiebewertung verbreitet zum Einsatz kommen, komplet-
tierten schließlich den Stand der Forschung. Gemessen an den Anforderungen einer
multikriteriellen Bewertung wie auch den in der Einleitung geschilderten Problembe-
reichen einer Technologiebewertung konnten in der Folge gezielt Schwachstellen im
gegenwärtigen Methoden-Portfolio aufgedeckt und in konkrete Anforderungen an die
geforderte Bewertungsmethode überführt werden:
Strukturiertes und tool- bzw. rechnergestütztes Vorgehensmodell;
Integration von Elementen der Technologiefrüherkennung;
Produktspezifische Auslegung;
Systematisches und multikriterielles Bewertungsmodell.
Die Frage, mit welchen Mitteln, prozessualen Strukturen und Analyseelementen sich
die genannten Anforderungen in einem systematischen sowie rechnergestützten me-
thodischen Konzept vereinen lassen, wurde in Kapitel 4 beantwortet. Auf Basis der
Erkenntnisse aus den vorangegangenen Kapiteln wurden dazu bewährte Ansätze
der TRIZ-Methodik, der Szenario-Analyse sowie der multikriteriellen Bewertung mit
eigens entwickelten Analyseelementen zu einem durchgängigen methodischen Kon-
zept namens TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung verknüpft. Die Me-
thode umfasst dabei vier grundlegende Phasen mit insgesamt 12 Ablaufschritten und
orientiert sich an drei wesentlichen Leitmotiven:
Systemische Exploration zur Erforschung der Produkthistorie als Ausgangs-
punkt für die Ableitung von Systemtrends sowie die darauf aufbauende Erstel-
lung suchfeldspezifischer Szenarien zur Erfassung technologiespezifischer
Signale;
Bestimmung von potentiellen Technologieoptionen unter Berücksichtigung der
technologiespezifischen Signale;
204 7 Zusammenfassung
Multikriterielle Bewertung der Technologieoptionen hinsichtlich Technologie-
potential, Zukunftspotential sowie deren Realisierbarkeit durch das Unterneh-
men.
Mit dieser Ausrichtung wurde die TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung
gezielt auf die systematische Unterstützung bei Technologieentscheidungen in der
strategischen Produktplanung ausgelegt, die auf eine frühzeitige, technologiebezo-
gene Anpassung bzw. Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts im Hinblick
auf eine zukunftsorientierte Produktentwicklung abzielen. Die gewonnenen, techno-
logischen Erkenntnisse sollen Unternehmen in der Folge konkrete Anreize für mögli-
che Varianten- bzw. Änderungskonstruktionen oder sogar Neukonstruktionen liefern.
Mit dem Ziel darüber hinaus auch eine praktikable und reproduzierbare Anwendung
der Methode in der Praxis sicherzustellen, wurde mit der Software Microsoft Office
Excel abschließend ein strukturiertes und nachvollziehbares Tool erstellt, das den
Anwender bei der Ausführung der Methode phasenspezifisch unterstützt. Dieses
Tool verbindet dabei gezielt die wesentlichen Bestandteile eines DSS (Daten, Me-
thoden, Modelle und Dialogsystem) zu einem durchgängigen Ablaufmodell, das
letztendlich den kompletten Prozess der TRIZ- und szenariobasierten Technologie-
bewertung abdeckt.
Der geforderte Nachweis der Praxistauglichkeit der Methode in Verbindung mit dem
entwickelten Excel-Tool erfolgte schließlich in den Kapiteln 5 & 6 anhand eines kon-
kreten Praxisbeispiels bei der SIEMENS AG sowie einer abschließenden Diskussion
der gewonnenen Erkenntnisse. Das Praxisbeispiel hatte zur Aufgabe, nach zu-
kunftsweisenden Technologien zur elektrischen und mechanischen Anbindung von
Leistungshalbleitern für Frequenzumrichter aus dem Niederspannungsbereich und
einem Leistungsbereich von 250 W bis 100 kW innerhalb der SINAMICS-Familie zu
suchen und diese abschließend hinsichtlich ihres Einsatzpotentials zu bewerten. Vor
diesem Hintergrund konnten mit Hilfe der TRIZ- und szenariobasierten Technologie-
bewertung neben den gegenwärtig eingesetzten Technologien (Schraubverbindung,
Selektiv-Löten, Federkontaktierung) auch zwei neue, alternative Technologieoptio-
nen (Pressverbindung, Power Chip Embedding) identifiziert und hinsichtlich Techno-
logie-, Zukunfts- sowie Unternehmenspotential bewertet werden. Auf Basis der Be-
wertungsergebnisse wurden letztendlich Handlungsempfehlungen für die einzelnen
Technologieoptionen abgeleitet, die der SIEMENS AG als richtungsweisende Grund-
lage für Entscheidungen über den Einsatz in künftigen Produktlösungen dienen. Als
potentieller Meilenstein in Richtung verstärkter System-Integration, Optimierung von
Energieeffizienz, Leistungsdichte und Usability sowie zur generellen Verbesserung
der Verbindungstechniken ist hier insbesondere das Power Chip Embedding zu nen-
7 Zusammenfassung 205
nen, für das im Hinblick auf einen serientauglichen Einsatz in Leistungsanwendun-
gen bei Frequenzumrichtern jedoch noch letzte verfahrenstechnische Fragen zu klä-
ren sind. Eine abschließende Diskussion der praktischen Eignung des methodischen
Konzepts sowie des Excel-Tools (inkl. Pilotstudie) erfolgte schließlich in Kapitel 6, in
dem gezielt auf positive und negative Erfahrungswerte sowie konkrete Verbesse-
rungsvorschläge hingewiesen wurde.
Mit der Erarbeitung des systematischen, methodischen Konzepts zur TRIZ- und sze-
nariobasierten Technologiebewertung unter Berücksichtigung der spezifischen Prob-
lembereiche bzw. Anforderungen im Rahmen einer zeitgemäßen Technologiebewer-
tung sowie der erfolgreichen Anwendung der Methode an einem konkreten Praxis-
beispiel aus der Industrie kann die übergeordnete Zielsetzung dieser Arbeit ab-
schließend als erfüllt betrachtet werden. Die TRIZ- und szenariobasierte Technolo-
giebewertung erweist sich dabei als nützliches Instrument zur Vorbereitung bzw. Un-
terstützung von Technologieentscheidungen in der strategischen Produktplanung mit
dem Ziel einer frühzeitigen und zukunftsorientierten Anpassung bzw. Weiterentwick-
lung eines bestehenden Produkts. Durch das implizierte Systemverständnis bietet sie
vor allem die Möglichkeit der gezielten Strukturierung bzw. Vereinfachung komplexer
Problemstellungen. Die bewusste Verknüpfung einer retro- und prospektiven Sys-
temanalyse liefert anschließend wichtige, technologiespezifische Signale innerhalb
eines Suchfelds, die wiederum entscheidend zur Identifikation neuer Technologieal-
ternativen anregen. Schließlich kann mit dem finalen, multikriteriellen Bewertungs-
modell eine objektive Beurteilung der identifizierten Technologiealternativen aus un-
terschiedlichen Perspektiven (Bewertungsdimensionen) umgesetzt werden, das die
gezielte Ableitung von Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger ermöglicht.
Ferner gewährleistet das entworfene Excel-Tool eine effektive und effiziente, rech-
nergestützte Anwendung der Methode in der Unternehmenspraxis.
206 8 Ausblick
8 Ausblick
Zum Abschluss dieser Arbeit wird noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass die „ideale“ Methode zur Technologiebewertung nicht existiert. Es ist vielmehr
notwendig, bestehende Methoden zur Technologiebewertung entsprechend ihrer
charakteristischen Stärken, Schwächen und Einsatzbereiche zu optimieren und in
ihrem Anwendungsaufwand beherrschbar zu gestalten (SCHNEIDER, 2002, S. 166).
Dies gilt folglich auch für die im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Methode zur TRIZ-
und szenariobasierten Technologiebewertung. Die aus Kapitel 6 gewonnenen Er-
kenntnisse über diverse Problembereiche innerhalb des methodischen Konzepts so-
wie des Excel-Tools werden vor diesem Hintergrund noch einmal zusammengefasst
und liefern in der Summe einen richtungsweisenden Ausblick auf künftigen Optimie-
rungsbedarf:
Entwicklung eines zweckmäßigen, aber im Aufwand minimierten Modells zur
Auswahl der Schlüsseldeskriptoren im Rahmen der systemischen Exploration;
Untersuchungen bzgl. der Eignung von Recherchemethoden für die einzelnen
Merkmalsklassen mit dem Ziel einer insgesamt strukturierteren und geradlini-
geren Informationsbeschaffung im Rahmen der Beschreibung von Technolo-
gieoptionen;
Verstärkte Berücksichtigung von quantitativen Daten bei der Beschreibung
von Technologieoptionen im Hinblick auf eine erleichterte Potentialabschät-
zung bei der multikriteriellen Bewertung;
Verfeinerung des Bewertungsmodells durch Integration von Outranking-
Verfahren sowie die Modifikation bzw. Erweiterung der vorgegebenen Bewer-
tungskriterien;
Entwurf eines rechnergestützten Tools auf neuer Software-Basis mit verbes-
sertem Interface und den notwendigen softwaretechnischen Kapazitäten für
mögliche Modifizierungen am methodischen Konzept.
Die erwähnten Verbesserungsvorschläge zur TRIZ- und szenariobasierten Techno-
logiebewertung stützen sich aktuell nur auf die Erkenntnisse aus einer einzelnen An-
wendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG sowie einer simplen Pi-
lotstudie durch nur einen Testanwender. Demzufolge sind weiterführende, quantitati-
ve sowie qualitative Untersuchungen (Pilotstudie in größerem Umfang, Anwendung
8 Ausblick 207
der Methode in weiteren Projekten) für die Absicherung bzw. Vertiefung der Erkennt-
nisse zur Praxistauglichkeit – vor allem hinsichtlich des Nutzen-Aufwand-Verhält-
nisses sowie weiterer Verbesserungsvorschläge – dringlich zu empfehlen.
208 9 Bibliografie
9 Bibliografie
VDI 2206: Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme. Berlin: Beuth, 2004.
VDI 2221: Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und
Produkte. Berlin: Beuth, 1986.
VDI 2223: Methodisches Entwerfen technischer Produkte. Berlin: Beuth, 2004.
VDI 3780: Technikbewertung. Begriffe und Grundlagen. Berlin: Beuth, 2000.
ADUNKA, R.: Einführung in TRIZ. Projektrelevante Methoden der TRIZ. Unveröffent-
lichte Präsentation, 2012.
ADUNKA, R.: Innovationsmethoden I. TRIZ-Basiskurs. Skript, Friedrich-Alexander-
Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Konstruktionstechnik, 2014.
ALTSCHULLER, G.: And Suddenly the Inventor Appeared. TRIZ, the Theory of In-
ventive Problem Solving. 2. Auflage. Worcester: Technical Innovation Center,
1996.
Arthur D. Little (Hrsg.): Innovation als Führungsaufgabe. 1. Auflage. Frankfurt am
Main: Campus Verlag, 1988.
BANA E COSTA, C. A.; STEWART, T. J.; VANSNICK, J.-C.: Multicriteria decision analysis.
Some thoughts based on the tutorial and discussion sessions of the ESIGMA
meetings. European Journal of Operational Research Bd. 99 (1997) Nr. 1,
S. 28–37.
BCG (Hrsg.): Der Zeit voraus. Der Einfluss neuer Technologien auf den Erfolg füh-
render KMUs. URL: http://www.bcg.de/documents/file151682.pdf. Abgerufen
am 08.11.2014.
BECKER, T.: Das frühzeitige Erkennen von Technologietrends. Patentanalyse, Biblio-
metrie, Technometrie. Technologie & Management Bd. 37 (1988) Nr. 4, S. 20–
26.
BEYER, W.; IANCU, P.; MERKEL, M.: Verbindungen und Anschlüsse in der Elektrotech-
nik. 1. Auflage. Berlin-München: Verlag Technik GmbH, 1992.
9 Bibliografie 209
BINDER, V.; KANTOWSKY, J.: Technologiepotentiale. Neuausrichtung der Gestaltungs-
felder des Strategischen Technologiemanagements. 1. Auflage. Wiesbaden:
Deutscher Universitäts-Verlag, 1996.
BIRKNER, K.; BRAUN, S.; EGELKRAUT, S.; GRAUER, M.; MÄRZ, M.; MEYER, A.; RITTNER,
M.; ZELTNER, S.: Methodisches Vorgehen zur integralen Auslegung von Produkt
und Montage. In: FELDMANN, K. (Hrsg.): Montage in der Leistungselektronik für
globale Märkte. Design, Konzepte, Strategien. 1. Auflage. Berlin-Heidelberg:
Springer, 2009, S. 5–82;
BÖTTCHER, L.: Leistungselektronik in Leiterplatten einbetten. URL: http://www.elektro
niknet.de/halbleiter/leistungshalbleiter/artikel/87558/. Abgerufen am 09.02.2015.
BRADFIELD, R.; WRIGHT, G.; BURT, G.; CAIRNS, G.; VAN DER HEIJDEN, K.: The origins
and evolution of scenario techniques in long range business planning. Futures
Bd. 37 (2005) Nr. 8, S. 795–812.
BRANDENBURG, F.: Methodik zur Planung technologischer Produktinnovationen. Be-
richte aus der Produktionstechnik Nr. 7. 1. Auflage. Aachen: Shaker Verlag,
2002.
BREIING, A.; KNOSALA, R.: Bewerten technischer System. Theoretische und methodi-
sche Grundlagen bewertungstechnischer Entscheidungshilfen. 1. Auflage. Ber-
lin-Heidelberg: Springer, 1997.
BROCKHOFF, K.: Forschung und Entwicklung. Planung und Kontrolle. 5. Auflage.
München-Wien: Oldenbourg, 1999.
BROSCH, P. F.: Frequenzumrichter. Technologie und wirtschaftlicher Einsatz. 5. Auf-
lage. München: Süddeutscher Verlag onpact GmbH, 2008.
BROSCH, P. F.: 75 Jahre Frequenzumrichter. Energiesparpotenzial der Technologie
steht heute im Vordergrund. Energy 2.0-Kompendium (2009), S. 209–213.
BROSIUS, N.; DAHL, B.; EGELKRAUT, S.; GROß, R.; MÄRZ, M.; PFEFFER, M; REINHARDT,
A.; SCHMAUCH, E.; ZEUß, H.: Auswahlleitfaden für Montagelösungen in der Leis-
tungselektronik. In: FELDMANN, K. (Hrsg.): Montage in der Leistungselektronik
für globale Märkte. Design, Konzepte, Strategien. 1. Auflage. Berlin-Heidelberg:
Springer, 2009, S. 83–170.
BULLINGER, H.-J.: Einführung in das Technologiemanagement. Modelle, Methoden,
Praxisbeispiele. 1. Auflage. Stuttgart: Teubner, 1994.
210 9 Bibliografie
BULLINGER, H.-J.; WARSCHAT, J.; FISCHER, D.: Rapid product development – an over-
view. Computers in Industry Bd. 42 (2000) Nr. 2/3, S. 99–108.
BÜRGEL, H. D.; REGER, G.; ACKEL-ZAKOUR, R.: Technologie-Früherkennung in multina-
tionalen Unternehmen. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. In: MÖHR-
LE, M. G.; ISENMANN, R. (Hrsg.): Technologie-Roadmapping. Zukunftsstrategien
für Technologieunternehmen. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2005,
S. 27–54.
Deutsches Kupfer-Institut (Hrsg.): Kupfer in der Elektrotechnik. Kabel und Leitungen.
1. Auflage. Düsseldorf: Breuerdruck, 2000.
DÜRRSCHMIDT, R.: Siegeszug der Frequenzumrichter. Konstruktion & Engineering
(2007) Nr. 12, S. 16–17.
EIGNER, M.; STELZER, R.: Product Lifecycle Management. Ein Leitfaden für Product
Development und Life Cycle Management. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Sprin-
ger, 2009.
EHRLENSPIEL, K.; MEERKAMM, H.: Integrierte Produktentwicklung. Denkabläufe, Me-
thodeneinsatz, Zusammenarbeit. 5. Auflage. München-Wien: Carl Hanser Ver-
lag, 2013.
EVERSHEIM, W.; BREUER, T.; GRAWATSCH, M.; HILGERS, M.; KNOCHE, M.; ROSIER, C.;
SCHÖNING, S.; SPIELBERG, D. E.: Methodenbeschreibung. In: EVERSHEIM, W.
(Hrsg.). Innovationsmanagement für technische Produkte. 1. Auflage. Berlin-
Heidelberg: Springer, 2003, S. 133–231.
EVERSHEIM, W.; LIESTMANN, V.; WINKELMANN, K.: Anwendungspotenziale ingenieurwis-
senschaftlicher Methoden für das Service Engineering. In: BULLINGER, H.-J.;
SCHEER, A.-W.: Service Engineering. Entwicklung und Gestaltung innovativer
Dienstleistungen. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2006, S. 423–442.
EWALD, A.: Organisation des strategischen Technologie-Managements. Stufenkon-
zept zur Implementierung einer integrierten Technologie- und Marktplanung.
Technological Economics Nr. 31. 1. Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag,
1989.
FELDHUSEN, J.; GROTE, K.-H.: Der Produktentstehungsprozess (PEP). In: FELDHUSEN,
J.; GROTE, K.-H. (Hrsg.): Pahl/Beitz Konstruktionslehre. Methoden und Anwen-
dung erfolgreicher Produktentwicklung. 8. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer,
2013, S. 11–24.
9 Bibliografie 211
FIRAT, A. K.; WOON, W. L.; MADNICK, S.: Technological Forecasting. A Review. Work-
ing Paper CISL (2008) Nr. 15, S. 1–19.
FOSTER, R. N.: Innovation. Die technologische Offensive. 1. Auflage. Wiesbaden:
Gabler, 1986.
GAUSEMEIER, J.; FINK, A.; SCHLAKE, O.: Scenario Management. An approach to devel-
op future potentials. Technological Forecasting and Social Change Bd. 59
(1998) Nr. 2, S. 111–130.
GAUSEMEIER, J.; EBBESMEYER, P.; KALLMEYER, F.: Produktinnovation. Strategische
Planung und Entwicklung von morgen. 1. Auflage. München-Wien: Carl Hanser
Verlag, 2001.
GELDERMANN, J.: Multikriterielle Entscheidungsunterstützung für Automatisierungs-
projekte. In: Fraunhofer IPA Workshop (Hrsg.): Effiziente Planung und Entwick-
lung von Automatisierungslösungen. 18.11.2008, Stuttgart.
GEN3 Partners (Hrsg.): G3:ID – Innovation Discipline Approach. URL: http://www.
tqmnet.com/download/gen3_triz_pt_2.pdf. Abgerufen am 23.10.2014.
GERPOTT, T. J.: Strategisches Technologie- und Innovationsmanagement. 2. Auflage.
Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 2005.
GESCHKA, H.: Technologieszenarien. Ein Analyse- und Planungsinstrument des
Technologiemanagements. In: ZAHN, E. (Hrsg.): Technologiemanagement und
Technologien für das Management. 1. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel
Verlag, 1994, S. 153–171.
GESCHKA, H.: Methoden der Technologiefrühaufklärung und der Technologievorher-
sage. In: ZAHN, E. (Hrsg.): Handbuch Technologiemanagement. 1. Auflage.
Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 1995, S. 623–644.
GLUCHOWSKI, P.; GABRIEL, R.; DITTMAR, C.: Management Support Systeme und Busi-
ness Intelligence. Computergestützte Informationssysteme für Fach- und Füh-
rungskräfte. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2008.
GRAWATSCH, M.: TRIZ-basierte Technologiefrüherkennung. Berichte aus der Produk-
tionstechnik Nr. 19. 1. Auflage. Aachen: Shaker Verlag, 2005.
HAAG, C.; SCHUH, G.; KREYSA, J.; SCHMELTER, K.: Technologiebewertung. In: SCHUH,
G.; KLAPPERT, S. (Hrsg.): Technologiemanagement. Handbuch Produktion und
Management 2. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2011, S. 309–366.
212 9 Bibliografie
HAHN, D.: Zweck und Entwicklung der Portfolio-Konzepte in der strategischen Unter-
nehmensplanung. In: HAHN, T.; TYLOR, B. (Hrsg.): Strategische Unternehmens-
planung – Strategische Unternehmensführung. Stand und Entwicklungstenden-
zen. 9. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2006, S. 215–248.
HALL, K.: Ganzheitliche Technologiebewertung. Ein Modell zur Bewertung unter-
schiedlicher Produktionstechnologien. 1. Auflage. Wiesbaden: Deutscher Uni-
versitäts-Verlag, 2002.
HAMBACH, J.; ALBRECHT, F.: Methoden der Szenariotechnik in der Fabrikplanung. Vor-
schlag für einen Gliederungsansatz zur Auswahl der passenden Technik. ZWF
Bd. 109 (2014) Nr. 3, S. 117–120.
HEUMANN, K.: Grundlagen der Leistungselektronik. 5. Auflage. Stuttgart: Teubner,
1991.
HIERONYMUS, S.; TINTELNOT, C.; VON WICHERT-NICK, D.: Technologiebewertung für
Unternehmen. Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dres-
den Bd. 45 (1996) Nr. 4, S. 26–31.
HÖRTH, S.; RUHNAU, S.: Leiterplatten- und Anschlusstechnik für die Leistungselektro-
nik. URL: http://www.elektronikpraxis.vogel.de/leiterplattenfertigung/articles/
466462/. Abgerufen am 06.02.2015.
HUSS, W. R.; HONTON, E. J.: Scenario Planning. What style should you use. Long
Range Planning Bd. 20 (1987) Nr. 4, S. 21–29.
IANSITI, M.: Shooting the Rapids. Managing Product Development in Turbulent Envi-
ronments. California Management Review Bd. 38 (1995) Nr. 1, S. 37–58.
IKOVENKO, S.: Directions for Future TRIZ Development and Applications. In: GEN3
Partners (Hrsg.): Japan TRIZ Symposium. 10.09.–12.09.2008, Kyoto.
ILEVBARE, I. M.; PROBERT, D.; PHAAL, R.: A review of TRIZ, and its benefits and chal-
lenges in practice. Technovation Bd. 33 (2013) Nr. 2–3, S. 30–37.
INGERFELD, M.: Technologieerwerb. Alternativen – Ziele – Entscheidungsverfahren.
Dissertation, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2006.
Innovation Tool Academy (Hrsg.): Advanced Topic 1. Strategic Product Innovation.
Unveröffentlichte Präsentation, 2011.
JÄGER, R.; STEIN, E.: Leistungselektronik. Grundlagen und Anwendungen. 6. Auflage.
Berlin-Offenbach: VDE Verlag GmbH, 2011.
9 Bibliografie 213
JUNG, K. J.: G3:ID Methodology & Case Study. URL: http://www.koreatrizcon.kr/files/
P-15(Full).pdf. Abgerufen am 23.10.2014.
KLAPPERT, S.; SCHUH, G.; AGHASSI, S.: Einleitung und Abgrenzung. In: SCHUH, G.;
KLAPPERT, S. (Hrsg.): Technologiemanagement. Handbuch Produktion und Ma-
nagement 2. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2011, S. 5–10.
KLOCKE, F.; EVERSHEIM, W.; FALLBÖHMER, M.; BRANDENBURG, F.: Einsatzplanung von
Fertigungstechnologien. Hilfsmittel für die Technologieplanung in frühen Pha-
sen der Produktentwicklung. ZWF Bd. 94 (1999) Nr. 4, S. 186–190.
KOLTZE, K.; SOUCHKOV, V.: Systematische Innovation. TRIZ-Anwendung in der Pro-
dukt- und Prozessentwicklung. 1. Auflage. München-Wien: Carl Hanser Verlag,
2011.
KORNWACHS, K.: Identifikation, Analyse und Bewertung technologischer Entwicklun-
gen. In: ZAHN, E. (Hrsg.): Handbuch Technologiemanagement. 1. Auflage.
Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 1995, S. 219–242.
KOSOW, H.; GAßNER, R.: Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse. Überblick,
Bewertung und Auswahlkriterien. IZT WerkstattBericht (2008) Nr. 103.
KRÄUßLICH, W.: Kompaktes Kraftpaket. Neue Frequenzumrichter-Reihe von Siemens.
Antriebspraxis (2011) Nr. 2, S. 20–23.
KRÖLL, M.: Methode zur Technologiebewertung für eine ergebnisorientierte Produkt-
entwicklung. Dissertation, Universität Stuttgart, 2007.
KUCERA, G.: Federkontakte als Ersatz für anfällige Lötverbindungen. URL:
http://www.elektronikpraxis.vogel.de/leistungselektronik/articles/45716/. Abgeru-
fen am 07.02.2015.
KUCHARAVY, D.: TRIZ Instruments for Forecasting. Past, Present and Future. In: Eu-
ropean TRIZ Association (Hrsg.): TRIZ Future Conference. 06.11.2007, Frank-
furt.
LANG, K.-D.: Zukünftige Systemintegration. Aufbau- und Verbindungstechnologien
für Hochtemperatur und Leistung. In: Fraunhofer IZM (Hrsg.): SMT Pressekon-
ferenz. 08.05.2012.
LICHTENTHALER, E.: Technology intelligence processes in leading European and North
American multinationals. R&D Management Bd. 34 (2004) Nr. 2, S. 121–135.
214 9 Bibliografie
LICHTENTHALER, E.: Managing technology intelligence processes in situations of radi-
cal technological change. Technological Forecasting & Social Change Bd. 74
(2007) Nr. 8, S. 1109–1136.
LINDEMANN, U.: Methodische Entwicklung technischer Produkte. Methoden flexibel
und situationsgerecht anwenden. 3. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2009.
LITVIN, S. S.: Main Parameters of Value. TRIZ-based Tool Connecting Business Chal-
lenges to Technical Problems in Product/Process Innovation. In: GEN3 Partners
(Hrsg.): Japan TRIZ Symposium. 08.09.–10.09.2011, Yokohama.
LITVIN, S. S.: New Business-oriented Applications of Advanced TRIZ. In: GEN3 Part-
ners (Hrsg.): TRIZfest-2014. 04.09.–06.09.2014, Prag.
LOVEL, K.; SEASTRUNK, C.; CLAPP, T.: The Application of TRIZ to Technology Fore-
casting. A Case Study: Brassiere Strap Technology. The TRIZ Journal (2006).
LUDWIG, B.: Methoden zur Modellbildung in der Technikbewertung. CUTEC-
Schriftenreihe Nr. 18. 1. Auflage. Clausthal-Zellerfeld: Papierflieger, 1995.
MALININ, L.: On Application of Main Parameters of Value and Fuzzy Logic to Technol-
ogy Selection. Open Journal of Industrial and Business Management Bd. 2
(2014) Nr. 2, S. 23–27.
MANN, D.; ZINNER, V.: trenDNA. Trends von morgen – für Innovationen von heute.
URL: http://www.zinner.cc/pages/downloads.php. Abgerufen am 04.02.2015.
MERTENS, A.: Innovationen und Trend der Leistungselektronik. In: Energietechnische
Gesellschaft im VDE (ETG): Proceedings der ETG-Fachtagung über Bauele-
mente der Leistungselektronik und ihre Anwendungen. 10.10.–11.10.2006, Bad
Nauheim.
MIEKE, C.: Kooperative Technologiefrühaufklärung mittels szenariobasiertem Techno-
logie-Roadmapping. Entscheidungsmodelle, Organisation, Methodik. Dissertati-
on, Brandenburgische Technische Universität Cottbus, 2005.
MIETZNER, D.; REGER, G.: Advantages and disadvantages of scenario approaches for
strategic foresight. International Journal of Technology Intelligence and Plan-
ning Bd. 1 (2005) Nr. 2, S. 220–239.
MÖHRLE, M. G.: TRIZ-basiertes Technologie-Roadmapping. In: MÖHRLE, M. G.; ISEN-
MANN, R. (Hrsg.): Technologie-Roadmapping. Zukunftsstrategien für Technolo-
gieunternehmen. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2005, S. 185–204.
9 Bibliografie 215
MÖHRLE, M. G.; ISENMANN, R.: Grundlagen des Technologie-Roadmappings. In:
MÖHRLE, M. G.; ISENMANN, R. (Hrsg.): Technologie-Roadmapping. Zukunftsstra-
tegien für Technologieunternehmen. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer,
2005, S. 1–12.
MOGLESTUE, A.: Vom Quecksilberdampf zum Hybridleistungsschalter. ABB Review
(2013) Nr. 2, S. 70–78.
OBERSCHMIDT, J.: Multikriterielle Bewertung von Technologien zur Bereitstellung von
Strom und Wärme. Dissertation, Universität Göttingen, 2010.
OSTMANN, A.: Leistungselektronik in der Leiterplatte. In: AT&S ECP (Hrsg.): 10. AT&S
Technologieforum. 09.10.–10.10.2013, Graz.
PAHL, G.; BEITZ, W.; FELDHUSEN, J.; GROTE, K.-H.: Pahl/Beitz Konstruktionslehre.
Grundlagen erfolgreicher Produktentwicklung. 7. Auflage. Berlin-Heidelberg:
Springer, 2007.
PERSEKE, W.: Innovationsmethodik in der Konstruktion. Konstruktion Bd. 48 (1996),
S. 319–335.
PETRICK, I. J.; ECHOLS, A. E.: Technology roadmapping in a review. A tool for making
sustainable new product development decisions. Technological Forecasting &
Social Change Bd. 71 (2004) Nr. 1–2, S. 81–100.
PFEIFFER, W.; METZE, G.; SCHNEIDER, W.; AMLER, R.: Technologie-Portfolio zum Ma-
nagement strategischer Zukunftsgeschäftsfelder. Innovative Unternehmensfüh-
rung Nr. 7. 5. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1999.
PFEIFFER, W.; WEIß, E.: Methoden zur Analyse und Bewertung technologischer Alter-
nativen. In: ZAHN, E. (Hrsg.): Handbuch Technologiemanagement. 1. Auflage.
Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 1995, S. 663–680.
PHAAL, R.; FARRUKH, C. J. P.; PROBERT, D. R.: Technology Roadmapping. A planning
framework for evolution and revolution. Technological Forecasting & Social
Change Bd. 71 (2004) Nr. 1–2, S. 5–26.
POECH, M. H.: Verbindungstechnologien, Materialien und Fehlermechanismen in leis-
tungselektronischen Aufbauten. Unveröffentlichte Präsentation, 2009.
QIAN, Y.: Strategisches Technologiemanagement im Maschinenbau. Erfolgsfaktoren
chinesischer Maschinenbauunternehmen im kompetenzbasierten Wettbewerb.
Dissertation, Universität Stuttgart, 2002.
216 9 Bibliografie
ROPOHL, G.: Allgemeine Technologie. Eine Systemtheorie der Technik. 3. Auflage.
Karlsruhe: Universitätsverlag Karlsruhe, 2009.
RUSCHE, W.: AN201205 – 62mm Module. Anwendungs- und Montagehinweise. 1.
Auflage. Warstein: Infineon Technologies AG, 2012.
SALAMATOV, Y.: TRIZ – The Right Solution at the Right Time. A Guide to Innovative
Problem Solving. 2. Auflage. Krasnoyarsk: Institute of Innovative Design, 2005.
SCHÄPPI, B.: Integrierte Produktentwicklung. Entwicklungsprozesse zielorientiert und
effizient gestalten. In: SCHÄPPI, B.; ANDREASEN, M. M.; KIRCHGEORG, M.; RADER-
MACHER, F.-J. (Hrsg.): Handbuch Produktentwicklung. 1. Auflage. München-
Wien: Carl Hanser Verlag, 2005, S. 3–27.
SCHEUERMANN, U.: Aufbau- und Verbindungstechnik in der Leistungselektronik.
Skript, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für elektri-
sche Antriebe und Maschinen, 2014.
SCHINDLER, C.: Der allgemeine Konstruktionsprozess. Grundlagen des methodischen
Konstruierens. In: RIEG, F.; STEINHILPER, R. (Hrsg.): Handbuch Konstruktion. 1.
Auflage. München-Wien: Carl Hanser Verlag, 2012, S. 393–442.
SCHNEIDER, E.: Integrative Ansätze der Technologiebewertung. Diplomarbeit, Techni-
sche Universität Dresden, 2002.
SCHRÖDER, D.: Leistungselektronische Bauelemente. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg:
Springer, 2006.
SCHUH, G.; KLAPPERT, S.; MOLL, T.: Ordnungsrahmen Technologiemanagement. In:
SCHUH, G.; KLAPPERT, S. (Hrsg.): Technologiemanagement. Handbuch Produk-
tion und Management 2. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2011, S. 11–
32.
SEMIKRON GmbH (Hrsg.): Applikationshandbuch Leistungshalbleiter. 1. Auflage.
Ilmenau: ISLE Verlag, 2010.
SERVATIUS, H.-G.; PEIFFER, S.: Ganzheitliche und Evolutionäre Technologiebewer-
tung. In: VDI Technologiezentrum (Hrsg.): Technologiefrühaufklärung. 1. Aufla-
ge. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 1992, S. 71–92.
SEVERIN, R.: Montagehinweise für PressFIT Module mit Gabelpin. 1. Auflage. War-
stein: Infineon Technologies AG, 2011.
9 Bibliografie 217
SHENG, I. L. S.; NAMASIVAYAM, S. N.; THONG, K. T. B.: Analyzing the Trends of Engi-
neering Education Using TRIZ. International Proceedings of Economics Devel-
opment and Research Bd. 30 (2012), S. 183–188.
SIEMENS AG (Hrsg.): Für jedes Ziel gibt es einen Antrieb. SINAMICS – die durch-
gängige Antriebsfamilie für jedes Anwendungsgebiet. URL: http://w3app.sie
mens.com/mcms/infocenter/dokumentencenter/mc/Documentsu20Brochures/E
20001-A200-M112-V2.pdf. Abgerufen am 06.02.2015.
SOUCHKOV, V.: A Brief History of TRIZ. URL: http://www.xtriz.com/BriefHistory
OfTRIZ.pdf. Abgerufen am 14.10.2014.
SPECHT, D.; BEHRENS, S.; KIRCHHOF, R.: Komplexität beim strategischen Technolo-
giemanagement. ZWF Bd. 94 (1999) Nr. 12, S. 720–724.
SPECHT, D.; BERNTSEN, G.; BRAUNISCH, D.; BAGEL, J.; SCHULZ, T.: Technologiefrühauf-
klärung am Beispiel einer „Technologie- und Produktvorausschau für die Blech-
bearbeitung und -verarbeitung“. Forum der Forschung (2009) Nr. 22, S. 153–
160.
SPUR, G.: Technologie und Management. Zum Selbstverständnis der Technikwissen-
schaften. 1. Auflage. München-Wien: Carl Hanser Verlag, 1998.
STECK, D.: Methode zur Technologiewahl bei der Produktentwicklung in der Elektro-
nikindustrie. Dissertation, Technische Hochschule Zürich, 1997.
STEWART, T. J.: A Critical Survey on the Status of Multiple Criteria Decision Making.
Theory and Practice. Omega Bd. 20 (1992) Nr. 5–6, S. 569–586.
STOLZE, T.; THOBEN, M.; KOCH, M.; SEVERIN, R.; KUCERA, G.: PressFIT-Technologie
verbessert Zuverlässigkeit und Energieeffizienz von Leistungskomponenten.
URL: http://www.elektronikpraxis.vogel.de/leistungselektronik/articles/175498/.
Abgerufen am 20.02.2015.
STRATTON, R.; MANN, D.; OTTERSON, P.: The Theory of Inventive Problem Solving
(TRIZ) and Systematic Innovation. A Missing Link in Engineering Education.
The TRIZ Journal (2000).
TSCHAN, M.: Einpresstechnik – Worauf man achten muss. URL: http://www.elektronik
net.de/e-mechanik-passive/verbindungstechnik/artikel/1201/0/. Abgerufen am
09.02.2015.
218 9 Bibliografie
TSCHIRKY, H.: Konzept und Aufgaben des Integrierten Technologie-Managements. In:
TSCHIRKY, H.; KORUNA, S. (Hrsg.): Technologie-Management. Idee und Praxis.
1. Auflage. Zürich: Orell Füssli Verlag, 1998, S. 193–394.
UTTERBACK, J.: The Dynamics of Innovation. In: DEVLIN, M.; LARSON, R.; MEYERSON, J.
(Hrsg.): The Internet and the University: Forum 2002. 1. Auflage. Boulder (Colo-
rado): EDUCAUSE and the Forum for the Future of Higher Education, 2003,
S. 81–102.
VEIGEL, A.: Hochstrom-Einpresstechnik in der Leistungselektronik. In: Elektronikpra-
xis (Hrsg.): 3. Anwenderkongress Steckverbinder. 30.06–01.07.2009, Würz-
burg.
VOCKENBERGER, C.: Embedded Component Packaging. Integration von Bauelemen-
ten in die Leiterplatte. In: AT&S ECP (Hrsg.): 11. AT&S Technologieforum.
08.10.–09.10.2014, Salzburg.
WACK, P.: Scenarios. Unchartered Waters Ahead. Harvard Business Review (1985)
Nr. 85516, S. 73–89.
WARTZACK, S.: Predictive Engineering. Assistenzsystem zur multikriteriellen Analyse
alternativer Produktkonzepte. VDI Reihe 1 Nr. 336. 1. Auflage. Düsseldorf: VDI
Verlag, 2001.
WEGE, S.; SCHIMANSKI, H.: Prozessoptimierung beim Selektivlöten für Anwendungen
in der Leistungselektronik. URL: http://www.zve-kurse.de/Berichte.html?file=tl_
files/pdf/Schlussbericht_Selektivloeten.pdf. Abgerufen am 22.02.2015.
WEIDAUER, J.: Elektrische Antriebstechnik. Grundlagen, Auslegung, Anwendungen,
Lösungen. 2. Auflage. Erlangen: Publicis Publishing, 2011.
WELLENSIEK, M.; SCHUH, G.; HACKER, P. A.; SAXLER, J.: Technologiefrüherkennung. In:
SCHUH, G.; KLAPPERT, S. (Hrsg.): Technologiemanagement. Handbuch Produk-
tion und Management 2. 2. Auflage. Berlin-Heidelberg: Springer, 2011, S. 89–
170.
WEULE, H.: Integriertes Forschungs- und Entwicklungsmanagement. Grundlagen –
Strategien – Umsetzung. 1. Auflage. München-Wien: Carl Hanser Verlag, 2002.
WILDE, J.: More Than Moore. Die Trends 2020 der Aufbau- und Verbindungstechnik.
In: IMTEK Albert-Ludwig-Universität Freiburg (Hrsg.): Konferenz zum 25-
jährigen Firmenjubiläum der APL Oberflächentechnik GmbH. 25.09.2014,
Lörrach.
9 Bibliografie 219
WOLFRUM, B.: Strategisches Technologiemanagement. Neue betriebswirtschaftliche
Forschung Nr. 77. 1. Auflage. Wiesbaden: Gabler, 1991.
ZAHN, E.: Gegenstand und Zweck des Technologiemanagements. In: ZAHN, E.
(Hrsg.): Handbuch Technologiemanagement. 1. Auflage. Stuttgart: Schäffer-
Poeschel Verlag, 1995, S. 3–32.
ZAHN, E.: Strategisches Technologiemanagement. In: SPATH, D. (Hrsg.): Forschungs-
und Technologiemanagement. Potenziale nutzen – Zukunft gestalten. 1. Aufla-
ge. München-Wien: Carl Hanser Verlag, 2004, S. 125–131.
ZAHN, E.; BRAUN, F.: Identifikation und Bewertung zukünftiger Techniktrends. Er-
kenntnisstand im Rahmen der strategischen Unternehmensführung. In: VDI
Technologiezentrum (Hrsg.): Technologiefrühaufklärung. 1. Auflage. Stuttgart:
Schäffer-Poeschel Verlag, 1992, S. 3–15.
ZERNIAL, P.: Technology Roadmap Deployment. Eine Methodik zur Unterstützung der
integrierten strategischen Planung technologischer Innovationen. Dissertation,
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2007.
ZLOTIN, B.; ZUSMAN, A.: Directed Evolution. Philosophy, theory and practice. 1.
Auflage. Farmington Hills: Ideation International Inc., 2001.
ZUSMAN, A.; Zlotin, B.; Zainiev, G.: An Application of Directed Evolution. URL:
http://www.ideationtriz.com/endoscopic_case_study.asp#ApplyingthePatternsof
Evolution - Example. Abgerufen am 14.10.2014.
ZVEI (Hrsg.): Vom Frequenzumrichter zum Drive Controller. URL: http://www.
zvei.org/Publikationen/Vom-Frequenzumrichter-zum-Drive-Controller.pdf. Abge-
rufen am 22.11.2014.
ZWECK, A.: Technologiemanagement. Technologiefrüherkennung und Technikbewer-
tung. In: SCHÄPPI, B.; ANDREASEN, M. M.; KIRCHGEORG, M.; RADERMACHER, F.-J.
(Hrsg.): Handbuch Produktentwicklung. 1. Auflage. München-Wien: Carl Hanser
Verlag, 2005, S. 169–193.
220 Anhang A Sammlung der erweiterten TESE
Anhang A Sammlung der erweiterten TESE
Tabelle A: Erweiterte TESE in Anlehnung an ADUNKA, 2014, S. 319; Innovation Tool Academy, 2011, S. 154–441
Trend Bedeutung Subtrends, Sub-Subtrends, Verläufe
Evolution entlang der S-Kurve
alle technischen Systeme durchlaufen die Phasen Einführung, Übergang, Wachstum, Reife, Degeneration
Einführung Übergang Wachstum Reife Degeneration
zunehmende Idealität
technische Systeme entwickeln sich in Richtung zunehmender Idealität
Verlauf der Idealität (Verhältnis zwischen Funktionalität und Kosten) entlang der S-Kurve
Übergang zum Supersystem
technische Systeme gehen im Lauf der Zeit zum Supersystem über
1: zunehmende Parameterunterschiede homogene Parameter vereinzelte Unterschiede totale Verschiedenheit 2: zunehmende Funktionsunterschiede gleiche Hauptfunktionen verschiedene Hauptfunktionen gegensätzliche Hauptfunktionen 3: zunehmende Integrationstiefe unverbunden teils verbunden teils getrimmt vollständig getrimmt 4: zunehmende Integrationsanzahl Mono-System Bi-System Poly-System
Vollständigkeit der Systemkomponenten
sukzessive Zusammenführung von Aus-führungsteil, Übertragungsteil, Energie-quelle und Kontrollteil zu einem vollstän-digen technischen System
Integration von Ausführungsteil Integration von Übertragungsteil Integration von Energiequelle Integration von Kontrollteil
abnehmende menschliche Interaktion
technische Systeme entwickeln sich so, dass immer weniger menschliche Inter-aktionen notwendig sind
Wegfall von übertragenden Tätigkeiten Wegfall von versorgenden Tätigkeiten Wegfall von kontrollierenden Tätigkeiten Wegfall von Entscheidungen
Anhang A Sammlung der erweiterten TESE 221
Trend Bedeutung Subtrends, Sub-Subtrends, Verläufe
zunehmende Koordination
verbesserte Abstimmung zwischen den Systemkomponenten im Lauf der Zeit
1: Koordination der Form A: identische Formen B: selbst-kompatible Formen C: kompatible Formen D: spezifische Formen 2: Koordination der Rhythmik A: identische Rhythmen B: ergänzende Rhythmen C: spezifische Rhythmen 3: Koordination der Materialien A: identische Materialien B: ähnliche Materialien C: inerte bzw. neutrale Materialien D: Materialkombinationen E: gegenläufige Materialien 4: Koordination der Arbeitsschritte A: von 3D zu 0D B: von 0D zu 3D 5: Koordination der Parameter A: Parameterart AA: identische Parameter AB: verschiedene Parameter AC: interne Parameter AD: interne und externe Parameter B: Koordinationsart eingeschränkte Koordination vermittelte Koordination Selbst-Koordination
zunehmende Kontrollierbarkeit
verbesserte Steuerbarkeit der System-komponenten im Lauf der Zeit
1: zunehmender Kontrollgrad unkontrollierter Zustand starre Kontrolle Kontrolle mit Eingriffsmöglichkeit externe Systemkontrolle Selbst-Kontrolle 2: zunehmende Anzahl an Kontrollstufen einstufig mehrstufig dynamisch instabil
222 Anhang A Sammlung der erweiterten TESE
Trend Bedeutung Subtrends, Sub-Subtrends, Verläufe
zunehmende Dynamisierung
verbesserte Dynamik der Systemkompo-nenten im Lauf der Zeit
1: Dynamisierung des Designs A: Dynamisierung von Stoffen Monolith-System zusammengesetztes System eingelenkiges System mehrgelenkiges System elastisches System pulverförmiges System flüssiges System gasförmiges System feldförmiges System B: Dynamisierung von Feldern konstantes Feld Gradienten-Feld variables Feld pulsierendes Feld Resonanz-Feld Interferenz-Feld 2: Dynamisierung des Aufbaus Monolith-Aufbau Platten-Aufbau Borsten-Aufbau beweglicher Aufbau durchlässiger Aufbau 3: Dynamisierung der internen Struktur A: linear zu nicht-linear B: einschichtig zu vielschichtig 4: Dynamisierung der Funktionen
ungleichmäßige Entwicklung von
Systemkomponenten
ungleichmäßige Weiterentwicklung der Systemkomponenten im Lauf der Zeit
Fokus auf ausführende Komponenten Fokus auf unterstützende Komponenten Fokus auf unwichtige Komponenten
zunehmender Trimm-Grad
die Anzahl an Bestandteilen technischer Systeme nimmt bei gleichbleibender oder gar verbesserter Funktionalität im Lauf der Zeit ab
1: Eliminieren von Subsystemen aus Übertragungsteil aus Energiequelle aus Kontrollteil aus Ausführungsteil 2: Eliminieren von Arbeitsschritten korrigierende Arbeitsschritte unterstützende Arbeitsschritte ausführende Arbeitsschritte 3: Eliminieren von unwichtigen Teilen
zunehmende Fluss-Optimierung
verbesserte Flussraten/-eigenschaften von Energie, Stoffen und Informationen
1: Verbesserung nützlicher Flüsse A: Erhöhung der Leitfähigkeit B: Verbesserung der Nutzung 2: Milderung negativer Flüsse A: Reduktion der Leitfähigkeit B: Reduktion der Wirkung
Anhang B Verzeichnis Excel-Tool_Praxisbeispiel 223
Anhang B Verzeichnis Excel-Tool_Praxisbeispiel
B.1 Vorbereitungsphase
B.1.1 Untersuchungsrahmen
B.1.2 Systemtechnische Strukturierung
B.2 Systemische Exploration
B.2.1 Gestaltung des Trendmodells
B.2.2 Erstellung des Szenariofelds
B.2.3 Einflussanalyse
B.2.4 Erstellung von Zukunftsprojektionen
B.2.5 Szenariobildung
B.3 Bestimmung von Technologieoptionen
B.3.1 Technologieidentifikation
B.3.2 Beschreibung der Technologieoptionen
B.4 Multikriterielle Technologiebewertung
B.4.1 Aufbereitung der Bewertungskriterien
B.4.2 Multikriterielle Bewertung
B.4.3 Ableitung von Handlungsempfehlungen
224 Anhang C Verzeichnis Datenträger
Anhang C Verzeichnis Datenträger
01_Masterarbeit (Abgabeversionen)
02_Abbildungen_Masterarbeit
03_Literatur_Masterarbeit
01_Einführung
02_Stand_der_Forschung
03_Ableitung_Handlungsbedarf
04_Methodisches_Vorgehen
05_Praxisbeispiel
06_Diskussion
07_Zusammenfassung
08_Ausblick
Hinweise
04_Excel-Tool
01_Arbeitsanweisungen
Excel-Tool
Excel-Tool_Praxisbeispiel
Passwort_Excel-Tool
05_Recherche_Praxisbeispiel
01_Eigenrecherche
02_Literatur_Praxisbeispiel
226 Anhang E Lebenslauf
Anhang E Lebenslauf
Persönliches: Florian Heid
geboren in Neustadt an der Aisch
am 16.02.1989
ledig
Berufserfahrung: 03/2009 – heute Werkstudent der Rudolf Wöhrl AG,
Buying Support, Nürnberg
08/2014 – 01/2015 Masterand der Siemens AG,
Drive Technologies, Erlangen
11/2011 – 11/2011 Praktikant der Bühler Motor GmbH,
Metrology, Nürnberg
09/2008 – 09/2008 Praktikant der Jacob Composite GmbH,
Forschung & Entwicklung, Wilhelmsdorf
07/2008 – 08/2008 Praktikant der Rudolf Wöhrl AG,
Controlling, Nürnberg
Studium: 10/2012 – heute Master-Studium im Fach Wirtschafts-
ingenieurwesen,
Friedrich-Alexander-Universität,
Erlangen-Nürnberg
10/2008 – 10/2012 Bachelor-Studium im Fach Wirtschafts-
ingenieurwesen,
Friedrich-Alexander-Universität,
Erlangen-Nürnberg
Anhang E Lebenslauf 227
Schulbildung: 09/1999 – 07/2008 Friedrich-Alexander-Gymnasium,
Neustadt an der Aisch,
Abschluss: Abitur
09/1995 – 07/1999 Grundschule,
Emskirchen
Kenntnisse: Sprachen Deutsch (Muttersprache)
Englisch (fließend)
EDV Java, HTML, XHTML,
Eclipse, Pro/ENGINEER, Solid Edge,
MS Office