tsvasman orientierung
DESCRIPTION
Konzept "Orientierung" aus konstruktivistischer Sicht von Dr. Leon TsvasmanTRANSCRIPT
292
Orientierung [orientation]
Im Gegensatz zu der alltagssprachl. Kon-notation des Begriffs (im Sinne des topo-grafi schen „Sich-Zurechtfi ndens“ oder als Ausdruck des menschlichen Bedürfnisses, sich nach jmd. oder etw. wie Leit- oder Vorbildern auszurichten, s. Duden 2001), konzeptualisiert der interdisziplinäre kom-munikationswissenschaftl. Entwurf „O.“ als kognitiv-intersubjektive Leistung , die einem bewussten Wesen hilft, sich im „Koordinatensystem“ seiner Wirklichkeit mit ihren dynamischen Gegebenheiten, intersubjektiven Geltungen (s. auch ↑ In-tersubjektivität ) und gesellschaftl. Kon-strukten (soziale O.) interagierend zu ent-falten. Diese Bedeutung ist einerseits an das verhaltensbiol. „O.sverhalten“ ange-lehnt und fasst Mechanismen zusammen, mit deren Hilfe sich Organismen (auto-poietische Systeme , vgl. ↑ Maturana /Varela 1987) mit ihrer Umwelt auseinanderset-zen. Andererseits meint sie das kommu-nikative Handeln, das sich auf Selektion stützt und in die Wirklichkeitskonstruk-tion involviert ist. Konsequent system-theoret. betrachtet, erfolgt O. im Zuge der Selbstorganisation kognitiv-sozialer Pro-zesse und ist bei vielfältigen Ereignissen beobachtbar.
Anthropologisch angelegt (den Men-schen eigen) ist die O. über Zeichen (Appräsentationsverweisungen, bei de-nen die wahrnehmbare Gegebenheit auf Bewusstseinsakte verweist, vgl. KO-LOSS, online), die als Stellvertreter für sinnhafte Zusammenhänge agieren (s. Alfred Schütz 1932). Damit wird die „ori-entierende Funktion“ der Massenmedien – insbesondere der Leitmedien wie dem ↑ Fernsehen im Bezug auf das mehr oder weniger „passiv“ orientierte/zu orientie-rende Publikum – begründet und ange-wendet. Dieser Ansatz versteht „Massen-medien“ als eine gesellschaftl. Institution, welche die intersubjektive Wirklichkeit strukturiert.
Die o.g. holistische Auffassung der O. impliziert die zuletzt erwähnte Me-dienfunktion als einen Faktor jener O.swirklichkeit, die als die Gesamtheit der o.srelevanten Entitäten (wie sämtliche ontologische Gegebenheiten, intersubjek-tive Konstrukte oder auch Medien im weitesten Sinne) defi niert werden kann.
Leon Tsvasman
>> Intersubjektivität; Objektivität; Wissen; Me-dienwirkungen; Aufmerksamkeit; Öffentlich-keit; Mediengesellschaft; Medienpsychologie; Kom munikationspsychologie; Manipulation.
Literatur: DUDEN (2001): Das Stilwörterbuch. 8., völlig
neu bearb. Aufl . Band 2. Mannheim, Leipzig, Wien,
Zürich. MATURANA, H., VARELA, F. (1980): Autopoi-
esis and Cognition: The Realization of the Living, Bos-
ton. MATURANA, H., VARELA, F. (1987): Der Baum
der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln mensch-
lichen Erkennens. Bern und München. SCHMIDT,
S. J. (1994): Kognitive Autonomie und soziale Ori-
entierung. Frankfurt a. M. SCHÜTZ, A. (1932): Der
Sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Frankfurt a. M.
[Internetquelle] KOLOSS (Kommunikationswissen-
schaftliches Lern-Online-Software-System), Glossar:
http://www.kowi.uni-essen.de/koloss/mainframe01.
htm. (Stand: 25.07.2006).
Pädagogik und Medien [pedagogics, education science]
Pädagog. Handeln ist notwendig auf Me-dien angewiesen, weil die Interaktion zw. Personen ebenso eines Gemeinsamen, Mittleren oder Mittlers bedarf wie die In-teraktion der sich bildenden Person mit Natur und Geschichte. Dieses Vermitteln-de kann sich als Geste , Schall oder zei-chenhafter Gegenstand oder (nunmehr techn. betrachtet) als Schrift , ↑ Buch , Bild, Radio , ↑ Fernsehen, Computer manifes-
Orientierung
LEXIKONSATZ.indd 292 13.10.2006 10:14:13