tuberkulinÜberempfindlichkeit und anaphylaxie

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780 KLIN!SCHE WOCHENSCHRIFT. 2. JAHRGANG. Nr. 17 23. APRIL 1923 die Blutdruckregulierung 1/ihmend zu treffen. Allerdings teilt I~APPIS mit, dab er bei seinen Splanchnicnsangsthesien nur sehr minimale Blutdrucksenknngen, bisweilen sogar Blutdrucksteigernngen gesehen babe. Da es sich dabei ja aber nur um verhgltnism/iBig kurzdauernde Unterbrechungen der Splanchnici handelt, istes m6glich, dab sich in dieser kurzen Zeit der Einflul3 anf den allgemeinen Blutdruck noeh nicht answirken konnte. Die Beobachtungen an meinem Fall lassen ]eden/alls den Versuch, den lcranlcha]t gesteigerten Blutdruclc operativ anzu- grei]en, als aussiehtsreich erscheinen, ich ho/# hieri~ber bald weitem Mitteilungen machen zu lc6nnen. Recht bemerkenswerte Feststellungen konnten wir such fiber die Umgestaltung der Ge]iiflarbeit am rechten Arm machen. Ich begnfige reich zu diesem Punkt mit kurzen Hinweisel~. Bezfiglich yon Einzelheiten muB ich auf die demn/ichst erscheinende ausffihrliche Publikation verweisen, hier wfirden sie zu weft ffihren. Im allgemeinen w/ire da zu sagen, dab die beobachteten /~nderungen in der Gef/il3arbeit sich fast genau mit dem decken, was wir nach Ausffihrung der periarteriellen Sympathektomie zu sehen gewohnt sind. Es ist dies ein weiterer Beweis daffir, dab dnrch letztere Operation wirklieh ein Ausfall sympathi- scher Funktionen erzielt wird. Als ich w/~hrend der Operation am Ganglion stellatum zerrte, trat pl6tzlich eine bl/iuliehe Verf/irbung des linken Armes auf, /ihnlich, wie wir sie an den H/inden bei der Ray- naudschen Krankheit kennen. Mit Beendigung der Exstir- pation des Ganglion verschwand diese cyaanotische Ver- f/irbung, f fir deren Auftreten eine andere Ursache als die Zerrnng am Ganglion bestimmt ausgeschlossen werden konnte. In den Tagen nach der Operation bestand ein Unterschied yon schwankender Breite zwischen der Hautt6mperatur der rechten und der linken Hand, die der letzteren war stets w/irmer, also besser durchblutet, der Unterschied betrug im Maximum bis zu 5 ~ Auch die plethysmographische Kurve beider Arme zeigt wesentliche Unterschiede. Der Dermographismus zeigte an beiden Armen keinen Unterschied, ebenso verl/inft die l%aktion auf entzfindliche Reize an beiden Armen im wesentlichen gleich, vielleicht ist sie links etwas kr/iftiger, jedenfalls klingt sie hier schneller ab. Die SchweiBsekretion ist links stark herabgesetzt. Augemymptome. Schon w/ihrend der Operation bildete sich der sog. Hornersche Symptomenkomplex in typischer Weise aus. Da das Ganglion cervicale supremum bis auf seinen untersten Pol erhalten geblieben ist, so beweist diese Beobachtung erneut die bekannte Tatsache, dab die sympathischen Bahnen ffir das Auge z. T., ja zum wesentlichen Teil ihren Ursprung an den tiefer gelegenen Ganglien nehmen mfissen. Die Augenerscheinungen, besonders die conjunctivale Gef/iBinjektion gingen in den ersten Tagen nach der Operation etwas zurfick, seither sind sie jedoch station/it geblieben. Subjektiv werden sie yon der Patientin nicht empfunden. Die Beobachtung und Untersuchung fiber den dutch die Exstirpation der Ganglien bedingten Funktionsausfall ist noch nicht beendet, es wird dariiber sp/iter Mittei!ung ge- macht werden. SchlieBlich will ich noch fiber den mikroskopischen Be- fund an den exstirpierten Ganglien berichten, den ich der Liebenswfirdigkeit des Herrn Privatdozenten Dr. STAEMML?ER vom Pathologischen Institnt in G6ttingen verdanke, der sich seit Jahren speziell mit der Untersuchnng der sympa- thisehen Ganglien besch/iftigt : Sts ver/indert ist das Ganglion stellatum. Es zeigt eine Vermehrung des Bindegewebes, das besonders an den das Ganglion durchziehenden Nerven oft hyalin ist. Die Nerven sind iirmer an Henleschen t(ernen als normal, die Venen zeigen eine oft schon recht deutliche hyaline Umwandlung und Verdickung ihrer Wand (aber ohne Verengerung des Lumens) und eine yon der Adventitia ausgehende Bindegewebsvermehrung. Ferner finden sich lympho- cyt/ire Infiltrate. Sie liegen z. T. perivascul/ir, z. T. mehr im Paren- chym zwischen den Ganglienzellen, an einzelnen Stellen sieht man neuronophagie/ihnliche Bilder. Daneben fallen akute Ganglienver/~nderungen auf. Ganglienzellen star]~ vergr613ert (bis zum 4--6fachen der Norm), homogen, kernlos. Sie sin4 nicht sehr zahlreich, deuten aber doch auf einen fortschreitenden Unter- gang yon Ganglienzellen him Das Gauze ist also als eine progrediente, chronische, mit ent- ziindlicher Reaktion und Bindegewebsvermehrung einhergehende Degeneration der Ganglien anzusehen. Im Ganglion cerv. inf. fehlen die akuten Prozesse v611ig, auch entzfindliche Infiltrationen finden sich nicht. Im Ganglion cerv. supremum und anschlieBendem Grenzstrang linden sich perivascul/ire Infiltrate yon Lymphocyten, akute Prozesse an den Ganglien fehlen aueh hier. Es erhebt sich nun die Frage, ob wir aus dem pathologisch- histologischen Befunde an den Ganglien einen SehluB dariiber ziehen k6nnen, ob die krankhafte Ver/inderung an den Gang- lien das prim/ire und die klinischen Erscheinungen der Angina pectoris-vasomotorica die Folge dieser Ganglienvergnderungen sind. Die M6gliehkeit liegt gewiB vor, besonders wenn wir hbren, dab STAEMMLER auf Grund seiner Untersuchungen sympathischer Ganglien bei Arteriosklerose zu dem Schhll3 kommt, dab chronisch entzfindliche Ver/inderungen in den Ganglien die Ursache der Arteriosklerose sein k6nnen. In unserem Falle ist jedenfalls der pathologische Befund an den Ganglien mit der Annahme eines durch ihn bedingten funktionellen Reizzustandes im sympathischen System fraglos vereinbar. Die Frage ist jedoch zu kompliziert, als dab man sich schon heute ein bestimmtes Urteil darfiber bilden kbnnte, einstweilen mfissen wir also die angedeutete M6glichkeit im Ange behalten, uns damit begnfigen, die Befunde zu registrieren und alles andere weiterer l%rschung fiberlassen. Unser Fall beweist uns #den falls, daft wit dutch Exstir- pation der Hals-Brustganglien des Sympathicus die Angina pectoris klinisch zur Heilung bringen ]c6nnen, ein Er]olg der gegeni~ber den mit der Erlcranl~ung verbundenen Qualen und Ge- ]ahren nicht hoch genug gewertet werden kann. L i t e r a t u r: 1) JONNESClJ, Bull. de l'acad, de m6d. Paris 84, Nr. 3o, S. 93. 192o; 86, Nr. 29, S. 67 u. Nr. 34, S. 2o8. I921; Presse m6d. Nr. 2o. 1921 u. Nr. 33. 1922- -- 2) TuFI~I~R, Diskus- sionsbemerkung ref. Bull. de l'acad, de m6d. Paris 86, Nr. 29, S. 67~ i921 . __ a) FRANgOIS FRANK, zit. nach VAQUEZ, Bull. de l'aead. de m6d. Paris 86, Nr. 29, S. 67. 1921 . __ 4) L. R. ~-V~0LLER, ])aS vegetative Nervensystem. Berlin, J. Springer I92O. -- 5) v. BERG- MANN, Verhandl. d. dtsch. Ges. f. Chir. 1922. -- s) BRONING U. GOHRBANDT, Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 33. -- ~) MACKENZIE, JAMES, Krankheitszeichen und ihre Auslegung. 4. Aufl. Kabitsch. Leipzig 1921. -- s) FR. M~3LLER, Mfinch. reed. Wochenschr. 1923, Nr. i. - - 9) THANNHAUSER u. WEISS, Klin. Wochenschr.I923, Nr. 9, S. 388. -- 10) iKApPIS, Beitr. z. klin. Chir. 115. -- 11) STAEMMLEE. Therap. d. Gegenw. 1922, S. 364 . TUBERKULINUBEREMPFINDLICHKEIT UND ANAPHYLAXIE. Von Dr. W. DIETRICH, Oberstabsarzt, kommand, z. Institut, und Dr. F. KLOPSTOCK. Aus dem Kaiser Wilhehn-Illstitut tiir experimentelleTherapie (Direktor: Geheinlrat VON WASSERMANN). Uber die Natur der Tuberkuliniiberempfindlichkeit liegen eine groBe Reihe experimenteller und klinischer Arbeiten vor. Handelt es sich bier doch nicht nur um eine Frage yon theo- rethischer Bedeutung, sondern, bei den engen Beziehungen von Uberempfindlichkeit und Tuberkuloseimmunit/it, auch um eine Frage yon weittragender praktischer Wichtigkeit. Insbesondere ist das Verh/iltnis der Tuberkulinfiberempfind- lichkeit zur AnaphyIaxie wiederholt Gegenstand experimen- teller Forschung gewesen. Die Versnehe, die KLOPSTOCK gemeinsam mit S~LmMANN 1) angestellt hat, zeigten, dab es gelingt, durch intensive, vielfach wiederholte, Vorbehand- lung mit Alttuberkulin gesunde Meerschweinchen, wenn auch nicht regelmSBig, gegen Tuberknlin zu sensibilisieren. Der Zustand dieser spezifischen Uberempfindlichkeit ~uBerte sich durch anaphylaktischen Schock nach intraven6ser 1Rein- jektion, in der Steigerung der intracutanen Empfindlichkeit, im Aufflammen alter Intracutanstellen nach subcutaner Reinjektion und im gelegentlichen Auftreten des Arthus-

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Page 1: TuberkulinÜberempfindlichkeit und Anaphylaxie

780 K L I N ! S C H E W O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . N r . 17 23. APRIL 1923

die B l u t d r u c k r e g u l i e r u n g 1/ihmend zu t ref fen. Al lerd ings t e i l t I~APPIS mit , d a b er bei se inen S p l a n c h n i c n s a n g s t h e s i e n n u r sehr m i n i m a l e B l u t d r u c k s e n k n n g e n , b iswei len sogar B l u t d r u c k s t e i g e r n n g e n gesehen babe . Da es s ich d a b e i ja abe r n u r u m ve rhg l tn i sm/ iB ig k u r z d a u e r n d e U n t e r b r e c h u n g e n der Sp l anchn i c i h a n d e l t , i s t e s m6glich, d a b s ich in dieser k u r z e n Ze i t de r Einflul3 an f den a l l geme inen B l u t d r u c k noeh n i c h t a n s w i r k e n k o n n t e .

Die Beobachtungen an meinem Fall lassen ]eden/alls den Versuch, den lcranlcha]t gesteigerten Blutdruclc operativ anzu- grei]en, als aussiehtsreich erscheinen, ich ho/# hieri~ber bald weitem Mitteilungen machen zu lc6nnen.

R e c h t b e m e r k e n s w e r t e F e s t s t e l l u n g e n k o n n t e n wir s u c h fiber die Umgestaltung der Ge]iiflarbeit am rechten A r m machen . I ch begnf ige reich zu d iesem P u n k t m i t k u r z e n Hinweisel~. Bezfigl ich yon E i n z e l h e i t e n muB ich au f die d e m n / i c h s t e r s che inende ausf f ihr l iche P u b l i k a t i o n ve rwe i sen , h ie r wf i rden sie zu wef t f f ihren.

I m a l l g e m e i n e n w/ire da zu sagen, d a b die b e o b a c h t e t e n /~nderungen in der Gef/il3arbeit s ich f a s t genau m i t d e m decken , was wir n a c h Aus f f ih rung der pe r i a r t e r i e l l en S y m p a t h e k t o m i e zu sehen g e w o h n t sind. Es i s t dies ein wei te re r Beweis daffir, d a b d n r c h l e t z t e r e O p e r a t i o n wi rk l ieh e in Ausfa l l s y m p a t h i - scher F u n k t i o n e n e rz ie l t wird.

Als ich w/~hrend de r O p e r a t i o n a m Gang l ion s t e l l a t u m zerr te , t r a t p l6 tz l i ch eine bl / iu l iehe Ver f / i rbung des l i nken Armes auf, / ihnlich, wie wir sie a n den H / i nden bei der R a y - n a u d s c h e n K r a n k h e i t kennen . Mi t B e e n d i g u n g der E x s t i r - p a t i o n des Gang l ion v e r s c h w a n d diese c y a a n o t i s c h e Ver- f / i rbung, f fir d e r e n A u f t r e t e n eine a n d e r e U r s a c h e als die Z e r r n n g a m Gang l ion b e s t i m m t ausgesch lossen w e r d e n k o n n t e .

I n d e n T a g e n n a c h der O p e r a t i o n b e s t a n d ein U n t e r s c h i e d yon s c h w a n k e n d e r Bre i t e zwischen de r H a u t t 6 m p e r a t u r der r e c h t e n u n d der l i nken H a n d , die de r l e t z t e r e n war s t e t s w/irmer, also besser d u r c h b l u t e t , de r U n t e r s c h i e d b e t r u g i m M a x i m u m bis zu 5 ~

A u c h die p l e t h y s m o g r a p h i s c h e K u r v e be ide r A r m e zeigt wesen t l i che Un te r sch iede .

Der D e r m o g r a p h i s m u s zeigte a n b e i d e n A r m e n k e i n e n Un te r s ch i ed , ebenso ver l / in f t die l % a k t i o n au f en tz f ind l i che Reize a n b e i d e n A r m e n i m wesen t l i chen gleich, v ie l l e ich t i s t sie l inks e t w a s kr/ i f t iger , j edenfa l l s k l i n g t sie h ie r schne l le r ab. Die SchweiBsekre t ion i s t l inks s t a r k h e r a b g e s e t z t .

Augemymptome. Schon w/ ih rend der O p e r a t i o n b i l de t e sich de r sog. H o r n e r s c h e S y m p t o m e n k o m p l e x in t y p i s c h e r Weise aus. Da das Gang l ion cerv ica le s u p r e m u m bis au f se inen u n t e r s t e n Po l e r h a l t e n geb l ieben ist, so bewe i s t diese B e o b a c h t u n g e r n e u t die b e k a n n t e Ta t s ache , d a b die s y m p a t h i s c h e n B a h n e n ffir das Auge z. T., ja z u m wesen t l i chen Tei l i h ren U r s p r u n g a n den t iefer ge legenen Gang l i en n e h m e n mfissen.

Die A u g e n e r s c h e i n u n g e n , be sonde r s die c o n j u n c t i v a l e Gef / iBin jekt ion g ingen in den e r s t en T a g e n n a c h der O p e r a t i o n e twas zurfick, se i the r sind sie jedoch s t a t ion / i t gebl ieben. S u b j e k t i v w e r d e n sie yon der P a t i e n t i n n i c h t e m p f u n d e n .

Die B e o b a c h t u n g u n d U n t e r s u c h u n g fiber d en d u t c h die E x s t i r p a t i o n de r Gang l i en b e d i n g t e n F u n k t i o n s a u s f a l l i s t n o c h n i c h t beende t , es wi rd da r i ibe r sp/ i ter Mi t t e i !ung ge- m a c h t werden .

Schl ieBlich will ich noch fiber den m i k r o s k o p i s c h e n Be- f u n d a n den e x s t i r p i e r t e n Gang l i en b e r i c h t e n , den ich der L iebenswf i rd igke i t des H e r r n P r i v a t d o z e n t e n Dr. STAEMML?ER v o m P a t h o l o g i s c h e n I n s t i t n t in G 6 t t i n g e n v e r d a n k e , der sich se i t J a h r e n speziel l m i t de r U n t e r s u c h n n g der s y m p a - t h i s e h e n Gang l i en besch / i f t ig t :

Sts ver/indert ist das Ganglion stellatum. Es zeigt eine Vermehrung des Bindegewebes, das besonders an den das Ganglion durchziehenden Nerven oft hyalin ist. Die Nerven sind iirmer an Henleschen t (ernen als normal, die Venen zeigen eine oft schon recht deutliche hyaline Umwandlung und Verdickung ihrer Wand (aber ohne Verengerung des Lumens) und eine yon der Advent i t ia ausgehende Bindegewebsvermehrung. Ferner finden sich lympho- cyt/ire Infil trate. Sie liegen z. T. perivascul/ir, z. T. mehr im Paren- chym zwischen den Ganglienzellen, an einzelnen Stellen sieht man neuronophagie/ihnliche Bilder. Daneben fallen akute

Ganglienver/~nderungen auf. Ganglienzellen star]~ vergr613ert (bis zum 4- -6 fachen der Norm), homogen, kernlos. Sie sin4 n icht sehr zahlreich, deuten aber doch auf einen fortschreitenden Unter - gang yon Ganglienzellen him

Das Gauze ist also als eine progrediente, chronische, mit ent- ziindlicher Reaktion und Bindegewebsvermehrung einhergehende Degeneration der Ganglien anzusehen.

Im Ganglion cerv. inf. fehlen die akuten Prozesse v611ig, auch entzfindliche Infi l t rat ionen finden sich nicht.

Im Ganglion cerv. supremum und anschlieBendem Grenzst rang linden sich perivascul/ire Inf i l t ra te yon Lymphocyten, akute Prozesse an den Ganglien fehlen aueh hier.

Es e r h e b t s ich n u n die Frage , ob wir aus d e m pa tho log i s ch - h i s to log i schen B e f u n d e a n den Gang l i en e inen SehluB da r i i be r z iehen k6nnen , ob die k r a n k h a f t e V e r / i n d e r u n g a n den G a n g - l ien das pr im/ i re u n d die k l in i schen E r s c h e i n u n g e n de r A n g i n a p e c t o r i s - v a s o m o t o r i c a die Folge dieser G a n g l i e n v e r g n d e r u n g e n sind. Die M6gl iehke i t l iegt gewiB vor, be sonde r s w e n n wir hbren , d a b STAEMMLER auf G r u n d se iner U n t e r s u c h u n g e n s y m p a t h i s c h e r Gang l i en bei Ar te r iosk le rose zu d e m Schhll3 k o m m t , d a b ch ron i sch en tz f ind l i che V e r / i n d e r u n g e n in den Gang l i en die Ur sache der Ar te r iosk le rose sein k6nnen .

I n u n s e r e m Fal le i s t j edenfa l l s de r pa tho log i sche B e f u n d a n den Gang l i en m i t der A n n a h m e eines d u r c h i h n b e d i n g t e n f u n k t i o n e l l e n R e i z z u s t a n d e s i m s y m p a t h i s c h e n S y s t e m f raglos ve re inba r .

Die F r a g e i s t j edoch zu kompl iz ie r t , als d a b m a n s ich s chon h e u t e e in b e s t i m m t e s Ur t e i l da r f ibe r b i lden k b n n t e , e ins twe i len mfissen wir also die a n g e d e u t e t e M6gl i chke i t i m Ange b e h a l t e n , uns d a m i t begnfigen, die B e f u n d e zu reg i s t r i e ren u n d alles a n d e r e we i t e r e r l % r s c h u n g f iber lassen.

Unser Fall beweist uns #den falls, daft wi t dutch Exstir- pation der Hals-Brustganglien des Sympathicus die Angina pectoris klinisch zur Heilung bringen ]c6nnen, ein Er]olg der gegeni~ber den mit der Erlcranl~ung verbundenen Qualen und Ge- ]ahren nicht hoch genug gewertet werden kann.

L i t e r a t u r: 1) JONNESClJ, Bull. de l'acad, de m6d. Paris 84, Nr. 3o, S. 93. 192o; 86, Nr. 29, S. 67 u. Nr. 34, S. 2o8. I921; Presse m6d. Nr. 2o. 1921 u. Nr. 33. 1922- - - 2) TuFI~I~R, Diskus- sionsbemerkung ref. Bull. de l 'acad, de m6d. Paris 86, Nr. 29, S. 67~ i921 . __ a) FRANgOIS FRANK, zit. nach VAQUEZ, Bull. de l 'aead. de m6d. Paris 86, Nr. 29, S. 67. 1921 . _ _ 4) L. R. ~-V~0LLER, ])aS vegetat ive Nervensystem. Berlin, J. Springer I92O. - - 5) v. BERG- MANN, Verhandl. d. dtsch. Ges. f. Chir. 1922. - - s) BRONING U. GOHRBANDT, Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 33. - - ~) MACKENZIE, JAMES, Krankheitszeichen und ihre Auslegung. 4. Aufl. Kabitsch. Leipzig 1921. - - s) FR. M~3LLER, Mfinch. reed. Wochenschr. 1923, Nr. i. - - 9) THANNHAUSER u. WEISS, Klin. Wochenschr .I923, Nr. 9, S. 388. - - 10) iKApPIS, Beitr. z. klin. Chir. 115. - - 11) STAEMMLEE. Therap. d. Gegenw. 1922, S. 364 .

TUBERKULINUBEREMPFINDLICHKEIT UND ANAPHYLAXIE.

Von Dr . W . DIETRICH, O b e r s t a b s a r z t , k o m m a n d , z. I n s t i t u t ,

u n d Dr . F. KLOPSTOCK. Aus dem Kaiser Wilhehn-Illstitut tiir experimentelle Therapie

(Direktor: Geheinlrat VON WASSERMANN).

Uber die N a t u r der T u b e r k u l i n i i b e r e m p f i n d l i c h k e i t l iegen eine groBe Re ihe expe r imen te l l e r u n d k l in i scher A r b e i t e n vor . H a n d e l t es sich b ie r doch n i c h t n u r u m eine F r a g e yon t h e o - r e t h i s c h e r B e d e u t u n g , sondern , be i den engen B e z i e h u n g e n von U b e r e m p f i n d l i c h k e i t u n d T u b e r k u l o s e i m m u n i t / i t , a u c h u m eine F rage yon w e i t t r a g e n d e r p r a k t i s c h e r Wich t igke i t . I n s b e s o n d e r e i s t das Verh / i l tn i s der T u b e r k u l i n f i b e r e m p f i n d - l i chke i t zur A n a p h y I a x i e w iede rho l t G e g e n s t a n d e x p e r i m e n - te l ler F o r s c h u n g g e w e s e n . Die Versnehe , die KLOPSTOCK g e m e i n s a m m i t S~LmMANN 1) anges te l l t ha t , zeigten, d a b es gel ingt , d u r c h in tens ive , v ie l fach wiederhol te , V o r b e h a n d - lung m i t A l t t u b e r k u l i n gesunde Meer schwe inchen , w e n n a u c h n i c h t regelmSBig, gegen T u b e r k n l i n zu sensibi l is ieren. De r Z u s t a n d dieser spezi f i schen U b e r e m p f i n d l i c h k e i t ~uBerte sich d u r c h a n a p h y l a k t i s c h e n Schock n a c h i n t r a v e n 6 s e r 1Rein- j ek t ion , in der S te ige rung de r i n t r a c u t a n e n E m p f i n d l i c h k e i t , i m A u f f l a m m e n a l t e r I n t r a c u t a n s t e l l e n n a c h s u b c u t a n e r R e i n j e k t i o n u n d im ge legen t l i chen A u f t r e t e n des A r t h u s -

Page 2: TuberkulinÜberempfindlichkeit und Anaphylaxie

23. APRIL 1923 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

schen Phgnomens . Dagegen gelang es nicht , durch subcutane oder in t racu tane Vorbehand lung die Tiere so zu sensibili- sieren, dab sie bei i n t r acu tane r Re in jek t ion mi t typischer Dre i fa rbenreakt ion an twor te ten .

Wei tere Versuche in dieser R ich tung sollten nun Klarhe i t darfiber bringen, welche Rolle die Anaphy lax ie bei der Tuber- kul inreakt ion tuberkul6ser Ind iv iduen spielt. Es muBten dabei neue Wege eingeschlagen werden, da alle bisher vor- l iegenden Arbei ten zu e inem eindeut igen Ergebnis nicht ge- ffihrt ha t ten . DIETRICH ha t t e berei ts mi t der yon LUMIt~RE und COUTRURIER 2) zur Aufhebung des Schocks bei reiner EiweiB-Anaphylaxie geprfif ten Methode Versuche dari iber angestell t , den Tuberku l in tod durch voraufgegangene int ra- ven6se Einspr i tzung yon N a t r i u m oleinicum aufznheben. Nachdem ffir die Aufhebung des anaphylak t i schen Schocks bei mi t Serum sensibil isierten Tieren eine Dosis yon 1, 5 proz. L6sung yon N a t r i u m ole in icum in Kochsalzl6sung als wirk- sam festgestel l t war, wurde eine Reihe yon tuberkul6sen Tieren mi t Dosen yon 61saurem Nat ron zwischen i und 3 ccm vorbehande l t und, wenn sie diesen Eingr i f f f ibers tanden hat ten, einige Minuten darauf mi t den im Vorversuch als sicher t6dl ich erwiesenen Tuberkul indosen subcutar~ geimpft . Eine regelms Aufhebung des Tuberkul in t0des durch diese Vorbehandlung gelang n ich t ; die Versuche waren aber nicht i iberzeugend und e indeut ig genug, u m die Frage des Zusammen- hangs zwischen Tuberku l in tod und Anaphy lax ie im nega t iven Sinne zu entscheiden. Wir zogen daher die Versuchsanordnung yon W. H. SCHVLZ bzw. DALE a) zur wei teren Kl~rung der Frage heran, und suchten die verschiedene Reizbarke i t der normalen und der anaphylak t i schen g la t ten Muskelfaser ffir die E r - kenntnis des Wesens der Tuberkul inf iberempfindl ichkei t nu tzbar zu machen*).

Es wurden zuns die Daleschen Ergebnisse nach- geprfift. E ine Reihe m6glichst nicht fiber i5o g schwere, virginelle Meerschweinchen wurden mi t H a m m e l s e r u m sensi- bil isiert und nach drei Wochen durch Nackensch lag get6tet . Die Uterush6rner der Tiere wurden schnell he rausgenommen und in einen lVlyographen e ingespannt bzw. in 37 ~ warmer, sauers to f idurchs t r6mter Thyrodel6sung his zur Vervcendung vorlXufig aufgehoben. D a n n wurde zungchst ein heterologes Serum (Pferd oder Rind) der den e ingespannten Muskel um- spfilenden T-L6sung zugeffigt (z. B. 0,2 ccm Ioproz . Pferde- serum auf 50 ccm T-L6sung). Es t r a t bei Verwendung hetero- logen EiweiBes, ebenso wie dies DALE beobachte te , nie eine Kon t rak t ion ein. Wurde nun eine gleiche Menge homologen (Hammel) Serums zugesetzt , so zeigte das Muskelstf ickchen kr/iftige Kont rak t ion . Von Bedeu tung ffir den Ausfall der Reak t ion erwies es sich, dab m6glichst junge, virginelle Tiere benu tz t wurden, und dab die e ingespannten Muskel- stf ickchen den durch die Manipula i ionen gesetzten Reiz v611ig f iberwunden h a t t e n und keine Spon tankon t rak t ionen zeigten. Ein nega t iver Ausfal l eines Versuches wurde erst dann ge- bucht , wenn a m Ende des Versuches der Muskel seine Kon- t rakt ionsf~higkei t auf Zusatz eines myotonischen Mittels noch e rwiesen" ha t t e (Te t ra -methy lammoniumchlor id , Coluitr in oder Acetylcholin) . Von einer Durchspt i lung des Uterus- gewebes, wie DALE es bei seinen Versuchen anwandte , sahen wir ab, da es ja hier nicht auf das S tud ium des Anaphylax ie - phgnomens selbst ankam, sondern die Reak t ion lediglich als Kr i t e r ium ffir den Zusammenhang yon Tuberkul in i iberemp- f indl ichkei t und Anaphy lax ie benu tz t werden sollte.

Nachdem so die Spezifi t / i t des Kontr~{ktionph~nomens bes tg t ig t war, prf if ten wi t die Ute r i tuberkul6ser Meerschwein- chen gegen Al t tube rku l in und mach ten hierbei die immer wieder sich best / i t igende Beobachtung, dab in diesen F~illen keinerlei Kon t r ak t ionen erfolgten, auch wenn bis zu o, 5 ccm reines Al t tube rku l in zu 5o,o der umgebenden Thyrodeflfissig- kei t h inzugese tz t wurden, der Ute rus also in Ip rozen t ige r Al t tuberkul in l6sung sich befand. Zusatz yon konzen t r i e r t em Tuberkul in (Glycerin, Salze!) 16ste im Gegentei l leichte

*) Die Versuche-wurden ira Pharmakologischen Institut der Universit~t ausgefiihrt Wir statten Herrn Geheimrat HEFFTER fiir sein Entgegenkommen unseren er- gebensten Dank ab und danken Herrn Privatdozel~ten Dr. ZONDEK ftir seine teeh- nisehe Unterstfitzung. Zur Benutzung gelangte die Apparatur naeh JOACHIMOGLU, wie er sie in der Biochem. Zeitsehr. (nd. 193 , 192o) mitgeteilt hat.

R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr . 17 781

Erschlaf fung des e ingespannten Muskels aus. Die Muskel- stf ickchen zeigten a m Schlusse der Versuche stets noch aus- gesprochene Kontrakt ionsfghigkei t .

Es ergab sich somit bei Verwendung des isolierten Uterus als Indicator /i~r einen anaphylalctischen Zustand des Gesamt- organismns, daft die UberempJindlichkeit des tuberkul6sen Individuums gegen Tuberlculin nicht den Gesetzen der Eiweifl- anaphylaxie unterliegt. Unsere Versuche fallen h ie rmi t in gle ichem Sinne aus wie die E x p e r i m e n t e RONDONIS an dem fiberlebenden Herzmuskel , die er in al lerjf ingster Zeit in den Mit te i lungen aus dem Se rumins t i t u t Mailand ver6ffent l ieh t hat .

Es war nun yon Interesse, festzustellen, ob das tuberkul6se Tier auch gegenfiber dem Tuberkelbaci l leneiweiB sich eben- so verh~ilt, oder ob in diesem Fal le eine anaphylak t i sche ~Kom- ponente mitspiel t , werden doch im tuberkul6sen Organis- mus recht erhebl iche 1Kengen v o n ) Tuberkelbaci l len ver- n ich te t und abgebaut . Wir benu tz ten fiir diese Versuche, die yon Gehe imra t yon VV'ASSERMANN 4) ffir die Serodiagnost ik der Tuberkulose verwendeten , durch Behand lung mi t Te t ra - lin ent fe t te ten , Tuberkelbaci l len. Dieses Pr / ipara t ha t vor den anderen aufgeschlossenen Tuberkelbaci l len den u dab das EiweiB weder durch Alkali , noch durch S~iure, noch durch ]Erhitzen a l ter ier t ist, und die Tuberkelbaci l len so scho- nend wie m6glich ihrer Fe t thf i l len be raub t werden. In Wasser verr ieben, gehen nicht unerhebl iche Mengen Eiweif3 in L6sung, denn das F i l t r a t zeigt deut l iche Biure t reakt ion . Wie der eine yon uns (DIETRICH) nachweisen konnte , sind die Tuberkel - bacil len durch diese Behand lung in ihrer biologischen Wirk- samkei t n ich t gesch~idigt: Das Pr i ipara t erwies sich bei der in t r acu tanen Auswer tung am tuberkul6sen Meerschweinchen e twa 20- -30 mal so wi rksam als die Tuberkelbaci l lenemnls ion Koch . Bei Verwendung einer I prcz. Auf schwemmung dieses Pr~iparates riefen o ,2- -o , 5 ccm, zu der den Muskel umspfi len- den Thyrodel6sung zugesetz t (also in Yerdf innungen yon o ,4- - I ,O : io ooo), kr/iftige Kon t r ak t ion a m isolierten Ute rus tuberkul6ser Meerschweinchen hervor , w~ihrend die Uter i normaler Meerschweinchen g/inzlich unbeeinfluBt blieben. In den vere inzel ten F/illen, wo wir gelegentIich keine Kon t rak t ion erhielten, sind wir geneigt, den nega t iven Ausfal l en tweder auf einen Versuchsfehler bei der sehr subt i len Technik, oder auf Ms des damals ve rwand ten Tet ra l inpr~para tes zurfick- zuffihren. Von Bedeu tung f fir den Ausfal l der Versuche scheint auch die Gr6Be der Infekt ionsdosis und die Ausdehnung des tuberkul6sen Prozesses zu sein.

Das tuberlcul6sc Meerschweinchen ist somit wohl anaphylak- tiseh sensibilisiert gegen Tuberkelbacilleneiweifl, nicht aber gegen Tuberlculin! Hie rmi t soll n icht e twa gesagt werden, dab die Uberempf indl ichkei t t u b e r k u l S s e r T i e r e gegen Ba- ci l leneiweiBprs nur auf Anaphy lax ie be ruh t ! Die Ana- phylaxie ist v ie lmehr bier nach unserer Ansicht lediglich eine Komponen t e des ganzen Reakt ionskomplexes . Auch bei Nu tzanwendung unserer Meerschweinchenversnche auf die Tuberkelbaci l leneiweiB-Uberempfindl ichkei t des Menschen, der gegen anaphylak t i sche Reak t ionsp roduk te ja" weir weniger empfindl ich ist, ist Vorsicht am Pla tze! I m m e r h i n ist unsere Beobach tung fiir die diagnost ische und therapeut i sche Ver- wendung yon Tuberku l in und Tuberkelbaci l leneiweiB-Prg- para ten nicht ohne Bedeu tung und spr icht gegen die These yon einer v611ig gleichsinnigen Wirkungsweise aller Tuber - kul inpr~parate .

Die Resultate unserer Versuehe sprechen keines]alls im Sinne derer, welche die Tuberlculini~beremp/indlichkeit als Anaphylaxie gegen Tuberkelbaeilleneiwei/3 de/inieren wollen.

Weitere Versuche, die wir an gesunden, in der yon SELIa- MANN und KLOPSTOCK angegebenen Weise mi t Tuberknl in vor- behande l ten Tieren anstel l ten, ergaben noch eine Reihe neuer Ge- s ichtspunkte , k6nnen aber zur Zeit noch nicht als abgeschlossen be t r ach t e t werden. Wir beha l ten uns vor, dar i iber zu ber ichten.

L i t e r a t u r : ~) SELIGMANN und KLOt~STOCK, Zeitschr. L Immunit/itsforsch. Orig. 33, 467- 1922 . __ 2) LIJ~Is und COY- TRIER, Compt. rend. 169, 25o. 1919. - - s) DORR, Neuere Ergebnisse der Anaphylaxieforschung in \Veichardts ,,Ergebnisse der Imrnuni- t/itsforsehung" I, 285. 1914. - - 4) YON WASSER~IANN, Dtsch. reed. \~rochenschr. 49, 3o3. I923-