Über eisen(iii)-komplexe mit phenolen. i. reaktion zwischen eisen(iii)-ionen und...

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G. ACKERXANN u. D. HESSE, Eisen(111)-Ionen und Monophenolderivate 243 Uber Eisen(ll1)-Komplexe rnit Phenolen. I Reaktion zwischen Eisen(ll1)-lonen und Monophenolderivaten Von GERHARD ACKERMANN und DIETER HESSE~) &lit G Abbildungen Inhaltsiibersicht Es werden spektrophotometrische Untersuchungen iiber die Zusammensetzung von Eisen( 111) -Monophenolkomplexen beschrieben, nach denen unter den gewahlten Versuchs- bedingungen nur 1 : 1-Komplexe gebildet werden. Benzoesaure und einige ihrer Derivate bilden andersartige Chelate, da hier offenbar die Reaktion iiber die Carboxylgruppe erfolgt. Summary Spectrophotometric investigations on the composition of iron(II1) complexes with monophenols show that, under the experimental conditions chosen, only 1: 1 complexes are formed. Benzoic acid, however, and some of its derivatives yield chelates of another type, obviously because of ligand interaction via the carboxylic group. Einleitung Bei vielen Reagenzien fur die photometrische Bestimmung von Metall- kationen erfolgt die Reaktion iiber koordinativ wirksame phenolische Hy- droxylgruppen. I m Rahmen systematischer Untersuchungen schien es daher lohnenswert, die Wirkung verschiedener Kernsubstituenten auf die analy- tischen Eigenschaften von Phenolderivaten zu untersuchen. Dazu erwies sich die Komplexbildung mit Eisen(II1)-Ionen als gunstig, da eine deutlich nachweisbare Reaktion mit Monophenolderivaten erfolgt, der Reaktions- mechanismus mit Polyphenolen relativ ubersichtlich ist und die Komplex- spektren - wie bekannt - durch Kernsubstitution stark beeinflufit werden. Obwohl die sogenannte ,,Eisenchloridreaktion" seit langem zum Nachweis von eno- lischenund phenolischen Hydroxylgruppen benutzt wird, herrscht uber die Zusammensetzung der dabei entstehenden Komplexe in der Literatur keine Einigkeit. So geben BANERJEE I) D. HESSE, Dissertation Freiberg 1967. 16*

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G. ACKERXANN u. D. HESSE, Eisen( 111)-Ionen und Monophenolderivate 243

Uber Eisen(ll1)-Komplexe rnit Phenolen. I

Reaktion zwischen Eisen(ll1)-lonen und Monophenolderivaten

Von GERHARD ACKERMANN und DIETER HESSE~)

&lit G Abbildungen

Inhaltsiibersicht Es werden spektrophotometrische Untersuchungen iiber die Zusammensetzung von

Eisen( 111) -Monophenolkomplexen beschrieben, nach denen unter den gewahlten Versuchs- bedingungen nur 1 : 1-Komplexe gebildet werden. Benzoesaure und einige ihrer Derivate bilden andersartige Chelate, da hier offenbar die Reaktion iiber die Carboxylgruppe erfolgt.

Summary Spectrophotometric investigations on the composition of iron(II1) complexes with

monophenols show that, under the experimental conditions chosen, only 1: 1 complexes are formed. Benzoic acid, however, and some of its derivatives yield chelates of another type, obviously because of ligand interaction via the carboxylic group.

Einleitung

Bei vielen Reagenzien fur die photometrische Bestimmung von Metall- kationen erfolgt die Reaktion iiber koordinativ wirksame phenolische Hy- droxylgruppen. I m Rahmen systematischer Untersuchungen schien es daher lohnenswert, die Wirkung verschiedener Kernsubstituenten auf die analy- tischen Eigenschaften von Phenolderivaten zu untersuchen. Dazu erwies sich die Komplexbildung mit Eisen(II1)-Ionen als gunstig, da eine deutlich nachweisbare Reaktion mit Monophenolderivaten erfolgt, der Reaktions- mechanismus mit Polyphenolen relativ ubersichtlich ist und die Komplex- spektren - wie bekannt - durch Kernsubstitution stark beeinflufit werden.

Obwohl die sogenannte ,,Eisenchloridreaktion" seit langem zum Nachweis von eno- lischenund phenolischen Hydroxylgruppen benutzt wird, herrscht uber die Zusammensetzung der dabei entstehenden Komplexe in der Literatur keine Einigkeit. So geben BANERJEE

I) D. HESSE, Dissertation Freiberg 1967.

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2 44 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Che mie. Band 367.

und HALDAR~) auf Grund thermometrischer, konduktometrischer und photometrischer Titrationskurven eine Komplexzusammensetzung von 1 : 3 bis 1: 6 (Metall-Ligand) an. JATKAR und MATTO03) finden dagegen mit photometrischen und potentiometrischen Me- thoden stufenweise Komplexbildung von 1 : 1 bis 1 : 6. Nach GORE und NEW-MAX~) sowie HERBST und Mitarb.5) betriigt die Komplexzusammensetzung 1: 3. Von den zuletzt genann- ten Autoren wurde die Methode der molaren Verhilltnisse und die Jossche Methode ange- wandt.

Die Ergebnisse der zitierten Untersuchungea konnten wir nicht bestati- gen, da - wie sich leicht zeigen 1aBt - bei der konduktometrischen und potentiometrischen Verfolgung der , ,Eisenchloridreaktion" einwertiger Phe- nole vorwiegend Verdunnungs- und Hydrolyseeffekte erfaBt werden. Bei der Josschen Methode wurde offensichtlich der pH-Wert nicht konstant ge- halten. Die photometrischen Titrationskurven sind offenbar nicht richtig interpretiert worden.

Zur Losung der Aufgabe verwendeten wir folgende Ligandeii : Phenol, 4-Chlorphenol, $-Nitrophenol, Phenol-4-sulfonsaure, Benzoesaure, 3-Hy- droxybenzoesaure, 4-Hydroxybenzoesaure.

Experimentelle Angaben Gerate: Spektralphotometer Model1 DU (G 2400) der Fa. Beckman; Spektralphoto-

meter VSU 1 des VEB Carl Zeiss, Jena; pH-Messer des VEB Funkwerk Erfurt mit hoch- ohmiger Glaselektrode und ges. Kalomelelektrode; Elektrophorese-Netzgerat des VEB Medizingeritefabrik.

Reagenzien: Eisen(II1)-Losung, hergestellt aus Eisen(II1)-nitrat p. a., VEB Berlin- Chemie und gravimetrisch faktorisiert ; Phenole, Handelsprodukte des VEB Berlin-Chemie. Die 4-Phenolsulfons&ure wurde iiber das Na-Salz durch Umkristallisation gereinigt und papierchromatographisch auf Abwesenheit der 2-Phenolsulfonsaure gepriift 6).

Untersuchungsmethoden

Methode nach JOB: BROUMAND und SMITH') sowie RAO und R A O ~ ) finden mit der Variationsmethode nach JOB in lquimolaren Losungen eine Komplexzusammensetzung von 1 : 1. Durch unsere Messungen konnten mit der gleichen Methode bei Phenol, 4-Chlorphenol und 4-Nitrophenol diese Zusammensetzung bestatigt werden. Das Verfahren sagt allerdings nich ts

2, S. BANERJEE u. B. CH. HALDAR, Nature [London] 165,1012 (1950). 3, S.K.K.JATKAR u. B.M.MATToo, J. Indian chem. Soc. 9, 592 (1953). 4, P. H. GORE u. P. J.NEWMAN, Analytica chim. Acta [Amsterdam] 31,111 (1964). 5 , R.L.HERBsT, R.H.CLOSE, F. J.MAZZACWA u. R.F.DwYER, J. Amer. cheni. Soc. 74,

6, E.MUCK, D.KOAES u. F.LANOMEIER, Collect. czechoslov. chem. Commun. 14,1350 269 (1952).

(1959). H. BROUlfANin u. J . H. SMITH, J. Amer. chem. SOC. 74, 1013 (1952).

*) N.M. RAO u. BH. S. V. R. RAO, Z. physik. Chem. [Frankfurt/Main] 21, 388 (1939).

G . ACKERNASN u. D. HESSE, Eisen(II1)-Ionen und Monophenolderivate 245

uber die Verhaltnisse bei sehr hohen Phenoluberschussen aus, deshalb wur- den von uns weitere Untersuchungen durchgefuhrt.

Mit der Variationsmethode nach JOB in nichtaquimolaren Losungeng) erhielten wir mit den sonst ublichen uberschussen a n Phenol ( 2 - bis 10fach) keine deutliche Verschiebung des JoB-?iIaximunis. Selbst bei 500fachem PhenoldberschuB wird die Lage des Volumenbruchs nur wenig verschoben, wie Abb. 1 zeigt. Eine quantitative Auswertung derartiger Kurven ist deshalb nicht moglich. Die starke Abflachung samtlicher JOB-Kurven und die geringe Verschiebung des JOB-Maximums sprechen fur eine weitgehende Dissoziation des Systems.

Met h o d e n a c h BENT u n d FRENCH lo) : Die experimentellen Bedingungen gestatteten es, fur die Gleichgewichtskonzentrationen die Gesamtkonzen- trationen in die Geradengleichung einzusetzen. Die in diesem Ausdruck ent- haltenen Koeffizienten haben im untersuchten System in w&Sriger Losung den Wert 1, wie aus Abb. 2 ersichtlich ist. Das gleiche Ergebnis zeigte auch die Untersuchung in verd. Athanol.

2 4 6 8 7 0 Eisenlasong [ml]

Abb.1. JOB-Kurven fur das Abb. 2. Bestimmung der Komplexstruktur im System Eisen(II1)-Phenol System Eisen(II1)-Phenol nach BENT und FRENCH. CFea+ = 0,001 M; Cphenol WaBrige Losung; cHNOs = 0,2; a) Cpea+ = 0,2; b) 0,s M; p H = 2 ,2 ; A = 560 nm CPhenol = 032

C,-Kurve : Steigert man bei konstanter Wasserstoff- und Eisen(II1)- Ionenkonzentration die Phenolkonzentration schrittweise und verfolgt die Komplexbildung photometrisch, so erhalt man die in Abb. 3 gezeigte Bil- dungskurve.

Wegen der starken Komplexdissoziation und der begrenzten Loslichkeit des Phenols wird kein waagerechter Kurventeil erreicht. Damit ist der molare Extinktionskoeffizient des Eisenkomplexes, der fur die Bestimmung der Gleichgewichtskonstanten und der Kom- plexzusammensetzung benotigt vc-ird, nicht unmittelbar zuganglich, kann aber rechnerisch aus jeweils 2 Kurvenpunkten ermittelt werden. Dabei ist es notig, die dritte Unbekannte, die Ligandenzahl n, zu variieren.

0 ) P. JOB, Ann. Chimie Physique 9, 113 (1928). 10) H.E.BENT u. C.L.FRENCH, J. Amer. chem. SOC. 63, 668 (1941).

246 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 367. 1969

Fur n = 1 erhielten wir aus den Kurvenabschnitten den Extinktions- koeffizienten E = 1200 8 1 Mol-lcm-1 und den Dissoziationskoeffizienten K = (1 & 0,1) . l.0-2 aus allen Kurvenabschnitten. Darnit ist bewiesen, daB ein 1 : 1-Komplex vorliegen rnu13.

Abb. 3. Bildungskurve des Eisen(II1)-Phenol-Komplexes (CE-Kurve). cFe3+ = 8. 10-4M; pH = 2,3

Abb.4. pH-Kurve fur das System Eisen( 111)-Phenol.

0,44 Nl ?&a+ = 8. 10-4 If; Cphenol =

pH-Kurve: Aus der in Abb.4 dargestellten pH-Kurve 1aBt sich die An zahl der Protonen bestimmen, die durch die Komplexbildung frei werden.

Durch Logarithmieren erhLlt man:

lg E/E, - E = -n lg [H+] 4- lg K * C&.

Die Gleichgewichtskonzentration [RH] kann wiederum gleich der Gesamtkonzentration C,, gesetzt werden. Da lg K . C:, konstant ist, ergibt sich n als Steigung einer Geraden, wenn nian lg E/E, - E gegen Ig[H+] auftragt, falls sich keine hoheren Komplexe bilden.

Die graphische Auswertung ergab im geraden Teil der Kurve einen An- stiegsfaktor von 1,1, der mit dem erwarteten Wert von 1,0 hinreichend iiber- einstimmt, um die Komplexzusammensetzung von 1 : 1 zu bestatigen.

Absorp t ion ssp e k t r en : Die in Abb. 5 dargestellten Absorptionsspek- tren des Eisen(ll1)-Phenolkomplexes zeigen den gleichen Verlauf bei Phenol- unterschufi und PhenoluberschuB. Daraus kann man auf das Vorhandensein eines einzigen Komplexes unter der sehr wahrscheinlichen Annahme schlie- fien, da13 sich die denkbaren hoheren Eisen(II1)-Monophenolkomplexe optisch von dem 1 : 1-Komplex unterscheiden. Die Identitat der Spektren bei unter- schiedlichen Reaktionsbedingungen wurde auch an den Eisen(II1)-Komple- xen anderer Monophenolderivate in Athanol- Wasser-Gemischen bestatigt.

G. ACKERIV~ANN u. D. HESSE, Eisen(II1)-Ionen und Monophenolderivate 247

P a p i e r e l e k t r o p h o r e s e : Die Bestimmung der effektiven Ladung eines Komplexions kann die photometrische Komplexaufklarung in sinnvoller Weise erganzen. Fur unsere Ver- suche stand eine von J o K L ~ ~ ) beschriebene Spparatur zur Verfugung.

Abb. 5. Absorptionsspektren des SystemsEisen- (111)-Phenol. I: cFe3+ = 0,2 M; ephenol =

0,12 &I; c=+ = 0,2; 11: cBe3+ = 0,008 M; cphenOl 500 600 700 = 0,2 M; cE+ = 0,01 [nml

Es zeigte sich, daI3 die Komplexe nlit Phenol, 4-Chlorphenol und 4-Nitrophenol bereits in der Niihe des Startpunktes vollstandig hydrolysieren. Deshalb wurde das Verhalten des bei p H = 1 bestandigen Eisen(III)-Phenol-4-sulfonsa~ire-Komplexes ausgewertet. Aus dem Wanderungsweg errechnet man eine Ladnng von +1,9. Eine Ladung von praktisch + 2 spricht zunachst eindeutig gegen das Vorliegen hoherer Komplexe als 1 : 1. Sie kann aber verstanden werden, wenn man annimmt, da13 die Sulfonsauregruppe protonisiert ist. Ahn- liche protonisierte Eisenkomplexe wurden von SCHWARZENBACH und W I L L I ~ ~ ) sowie von JIN TSIN-JAO, SOMMER und O K A ~ I ~ ) bereits gefunden.

3 - und 4-Hydroxybenzoesaure: Im Vergleich mit den bisher behan- delten Monophenolen zeigen die 3- und 4-Hydroxybenzoesauren ein ab- weichendes Verhalten, da die Komplexbildung hier offensichtlich an der starker sauren Carboxylgruppe stattfindet.

Die Eisen(II1)-Komplexe der Benzoesaure und die der beiden Hydroxy- benzoesauren sind alinlich gefarbt, wie es Abb. 6 verdeutlicht. Sie zeigen eine gegen das UV stetig ansteigende Absorption.

€ 0

Abb. G. Absorptionsspektren der Eisen(II1)-Koni- plexe mit Benzoesaure und deren Derivaten. @ Benzoesaure, 0 3-Hydroxybenzoesaure, 4-

42

Hydroxybenzoesbure, x 4-Hydroxybenzoe- 400 500 boa sauremethylester h l

~~ ~~

11) V. JORL, C'eskoslov. Farmac. 6, 93 (1956). 12) G.SCHWARZENBACH ti. A . \ ILLI , Helv. chim. Beta 34, 528 (1951). 13) JIN TSIN-JAO, L. SOMIVIER u. A. O d e , Veroff. chem. FakultLt Purkyne-Univ. Brno

420, 93 (1961).

248 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 367. 1969

Die Aufnahme dieser Spektren erfolgte unter folgenden Bedingungen: Eine gesittigtc waSrige Losung der jew-eiligen Benzoesaure wurde mit einem UberschuB an Eisen( 111)- Ionen versetzt. Der pH-Wert betrug 1,5. Als Vergleichslosung wurde eine Eisen(II1)-Losung gleicher Konzentration und gleichen pR-Werts eingesetzt.

Verestert man dagegen die Carboxylgruppe, so erfolgt die Reaktion iiber die Hydroxyl- gruppe. Das wird in Abb. 6 durch das Auftreten der fur die ubliche Monophenolreaktion typischen Absorptionsbande im sichtbaren Spektralbereich angezeigt.

Diskussion Zusammenfessend laBt sioli feststellen, da13 man auf Grund der photo-

metrischen und elektrophoretischen Untersuchungen fur die Reaktion einer isolierten phenolischeri Hydroxylgruppe mit Eisen(II1)-Ionen folgenden Mechanismus formulieren muS :

F e 3 ~ + RH f FeR2- + H+.

Das Auftreten hoherer Komplexe als 1 : 1 konnte nach den vorliegenden Untersuchungsergebnisseii ausgeschlossen werden.

Die hier geschilderten Untersuchungen wurden grundsatzlich an frisch bereiteten Komplexlosungen durchgefnhrt. Die Komplexbildung erfolgt augenblicklich, und unsere Xessungen dauerten nicht langer als 20 Minuten. Nach einigen Tagen verlindert sich selbst bei den stabileren Farbungen die Extinktionshohe und der Verlauf des Absorptionsspek- trums. In konzentrierten Losungen bilden sich mehr oder weniger gefarbte Niederschlilge. duderdem zeigen gealterte Komplexlosungen keine deutliche Wanderung, wenn inan sie der Elektrophorese unterwirft.

Diese Beobachtungen veranlassen uns zu dem SchluB, daB nach der schnellen Komplexbildung langsame Hydrolyse- und Kondensationsvor- gange unter Beteiligung der Komplexionen ablaufen, die zu hochmolekularen basischen Eisen(I1I)-phenolaten geringer Ladung fuhren.

Freiberg (Sachsen), Institut fur Anorganische und Analytische Chemie der Bergakademie.

Bei der Redakt)ion eingegangen am 11. September 1968.