Über krüppelfürsorge bei schulkindern

19
XI]. lJber Krtippelfi]rsorge bei Schulkindern. Von Dr. Marcus, Spezialarzt ffir Orthop!i.dio, Arzt dec stiidtischen KriippelfSrsorgo Posen. Im Jahre 1909 babe ich in (let Nr. 18 der ,,Zeitschrift ffir ~rztliche Fortbildung" in einem kurzen Aufsatze fiber Krtippelffirsorge in der Schule mich dabin ausgesI)rochen, dass wir ein orthopS.disches Schulturnen gar nicht nStig hi~tten, well es einmal zur Beseitigung yon Wirbelsiiulendeformi- tS~ten nictlt ausreichend sei und weil zur Verhfitung von DeformitS~ten das allgemeine Schulturnen in Verbir.dung mit einer geregelten iirztlichen Uber- wachung vollkommen gentige. Nach diesen Gesichtspunkten arbeitet auch bei uns in Posen die Kriippelffirsorge bei Schulkindern. Nun ist es bekannt, dass in neuerer Zeit immer mehr und mehr StS.dte dazu fibergeg,ngen sind, das orthol)itdische Schulturnen in ihren Schulen einzuffihren. Es ist viel dariiber berichtet worden, auch fiber die Erfolge dieses orthopiidischen Schulturnens, und ich habe reich deshalb nicht gewundert, dass im Mai d. J. der Magistrat unserer Stadt reich aufforderte, fiber die Erfolge der Krfippelffirsorge bei Schul- kindern zu berichten. Ich habe das damals in einer ausfiihrlicheren Denk- schrift getan, weiss jedoch noch nicht, welche Stellung der Magistrat zu ihr eingenommen hat. Inzwischen babe ich in der ,,Zeitschrift ffir Krfippelfiirsorge", Bd. 3, Heft 2, einen Bericht fiber den 17. allgemeinen deutschen Turnlehrertag in Darmstadt am 14. Maid. J. zu Gesicht bekommen, der, soweit das ortho- pS~dische Schulturnen in Frage kommt, au[ ganz demselben Standpunkte zu stehen scheint, den ich bisher eingenommen und verfochten habe. Ob nun damit aber jede Differenz in der Auffassung yon der Not- wendigkeit und Niitzlichkeit des orthopiidiscben Schulturnens schon beseitigt ist, erscheint doch fraglich, und es dfirfte desbalb vielleicht immer noch an- gebracht sein, Material zusammen zu tragen, das bei der Entscheidung dieser Frage wichtig sein kann. Ictl gebe deshalb in folgendem den oben erwiihnten Bericht an den Magistrat der Stadt Posen wieder und glaube, dass er auf etwas Interesse vielleicht auch deshalb Anspruch machen darf, well ich reich darin kurz Arch. f. Orthop., Mechanoth. u. Unf.-Chir. IX, 2/3. 14

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X I ] .

lJber Krtippelfi]rsorge bei Schulkindern.V o n

Dr. Marcus,Spezia larz t ffir Orthop!i.dio, Arzt dec s t i i d t i s chen Kr i ippe l fS r so rgo P o s e n .

Im Jahre 1909 babe ich in (let Nr. 18 d e r ,,Zeitschrift ffir ~rztlicheFortbildung" in einem kurzen Aufsatze fiber Krtippelffirsorge in der Schulemich dabin ausgesI)rochen, dass wir ein orthopS.disches Schulturnen g a rn ich t nStig hi~tten, well es einmal zur Beseitigung yon Wirbelsiiulendeformi-tS~ten nictlt ausreichend sei u n d weil zur Verhfitung von DeformitS~ten dasallgemeine Schulturnen in Verbir.dung mit e iner geregelten iirztlichen Uber-wachung vollkommen gentige.

Nach diesen Gesichtspunkten arbei te t auch bei uns in Posen dieKriippelffirsorge bei Schulkindern. Nun ist es bekannt, dass in neuerer Zeiti m m e r mehr und mehr StS.dte dazu fibergeg,ngen sind, das orthol)itdischeSchulturnen in ihren Schulen einzuffihren. Es ist viel dariiber berichtetworden, auch fiber die Erfolge dieses orthopiidischen Schulturnens, und ichhabe reich deshalb n ich t gewundert, dass im Mai d. J. der Magistrat unsererS tad t reich aufforderte, fiber die Erfolge der Krfippelffirsorge bei Schul-kindern zu berichten. Ich habe das damals in e iner ausfiihrlicheren Denk-schrift getan, weiss jedoch noch nicht, welche Stellung der Magistrat zu ihreingenommen hat.

Inzwischen babe ich in der ,,Zeitschrift ffir Krfippelfiirsorge", Bd. 3,Heft 2, einen Bericht fiber den 17. allgemeinen deutschen Turnlehrertag inDarmstadt am 14. M a i d . J. zu Gesicht bekommen, der, soweit das ortho-pS~dische Schulturnen in Frage kommt, au[ ganz demselben Standpunkte zustehen scheint, den ich bisher eingenommen und verfochten habe.

Ob nun damit aber jede Differenz in der Auffassung yon der Not-wendigkeit und Niitzlichkeit des orthopiidiscben Schulturnens schon beseitigtist, erscheint doch fraglich, und es dfirfte desbalb vielleicht i m m e r noch an-gebracht sein, Material zusammen zu t r agen , das bei d e r Entscheidungdieser Frage wichtig sein kann .

Ictl gebe deshalb in folgendem den oben erwiihnten Bericht an denMagistrat der Stadt Posen wieder und glaube, dass e r a u f etwas Interessevielleicht auch deshalb Anspruch machen darf , well ich reich darin kurz

Arch . f. O r t h o p . , M e c h a n o t h . u. Unf . -Chir . IX, 2/3. 1 4

200 Marcus,

i iber die bisherigen Erfolge der Kriippelf~irsorge in unserer S tad t Posenausgelassen habe.

Berieht.

Bericht f iber die Heilerfolge bei Schulkindern, die in dell Jahren 1907bis 1910 durch Vermittelung der st~dtischen Kriippelfiirsorge d e r orthol)Sdi-schen Bebandlung zugefiihrt worden sind. Ers ta t te t yon I)r. M a r c u s , Spezial-arzt fiir OrthopEdie, Arzt der stgdtischen Krfipl)elfiirsorge.

Die 0"berschrift kSnnte mit demselben Rechte lauten: , ,0ber Erfolged e r Kriippelfiirsorge in der S tad t Posen".

Zwar b~ilt sich die Krfippelfiirsorge l)rinziI)iell n ich t an ein bestimmtesAlter , als~ auch nich t :in das schuipf[ichtige Alter. S~) tr~lgen wit gar keinBedenken, Kinder in unsere Krfippelfiirsorge hineinzunehmeu, (tie das sehul-pflichtige Al te r nocb nich t erreicht haben, und andererseits Kinder in d e rFiirsorge zu b(,halt¢,n, auc]l nachdem si(~ (ti~, Schule bereits vcrlass(,n haben.Wir selwn es im (;egcnteil sehr gern, wenn wit' in der Lagc sin(I, mitunserer Kriippelfiirsorge mSglichst friihzeitig anfangen und sie mSglichst]ange ausdehnen zu kSnnen. I)ieses Bestreben, die Kinder, so lange esirgend geht, in der Kriippelffirsorge zu behalten, hat seinen guten Grund inder Qualiti~t des Krfippelmaterials, auf das ich Sl)iiter noch zurfickkommen werde.

Trotzdem also die Kriippelffirsorge sich nicht ~uf ein bestimmtes Al te rbeschr~nkt, l iegt es in d e r Na tu r der Sachc, dass der bei weitem grSssteTell unseres Ffirsorgematerials sich aus Schulkindern zusammensetzt. Ausdiesem Grunde is( die Ffirsorge fiir Schulkinder, die der ortbol)~dischenBehandlung bcdiirfen, bei uns z. Z. mit der Kriippelfiirsorge n'thezu identisch.Ich sage ausdriicklich: ,,z. Z." Spiiterhin diirfte cs alh~r,lings anders wcrden.Mit der yon Jah r zu ,J-dlr segensreicher wirkenden Kriippelfiirsorge wit'd einesolche Verbesserung des Materials I land in I iand gehen, class wir fiir Sehul-k inder eine Kriippelffirsorge im jetzigen Umfange fiberhaupt n ich t mehr nOtighaben werden, sondern nut noch eine Art tier Krfil)pelftirsorge, die wir alsprophylaktische l:iirsorge bezeichnen kSnnen und die fin wesentli,:hen in e inerordentlichen ~trztlichen [~berwachung der Kinder und im Schulturnen bestehenwird. Auch da rau f komme ich nachher noch zuriick.

Anf dem diesjS~hrigen Krfil)l,elkongress in Berlin babe ich in meinemReferat fiber ,Krfippelffirsorge in tier S tad t l'osen" ges~gt, dass es jetztnoch nich t an der Zeit sei, fiber Erfolge unserer Fiirsorge zu sl)rechen, dazusei bei uns (tie Organisation noch eine zu j~nage, das Material ein zuschwieriges. In der Ta t lassen denn au('h dis wel ter u n t e r folgenden Zahlenberauschende Erfolge keineswegs erkennen. Diese Zahlen ailein besagen abern ich t viel; sic sind nich t einmal imstande, einen riehtigen lJberblick fiberdas zu geben, was auf dem Gebiete der Krfippelffirsorge bisher geleistetworden ist. Sie zeigen scMiesslieh nut, dass auch a u f diesem Gebiete derFfirsorge bei uns eine ganze Menge geschieht.

Um aber nun diesen so wichtigen richtigen (~rberblick zu geben unda u f diese Weise in i m m e r weiteren Kreisen Interesse fiir die Bestrebungen

~ber Kriippelf[lrsorge bei Schulkindern. 201

der Kriippelffirsorge zu wecken, ist es notwendig, den Zahlen einige Erl~ute-rungen beizuffigen und zun~chst rnit einigen wenigea Worten a u f die Ge-schichte der Kriippelfiirsorge in d e r S tad t Posen einzugehen.

Eine geregelte Kriippelfiirsorge haben wit in d e r S tad t Posen seit demJahre 1907. Aber schon seit 1901 liess d e r Magistrat arme Kriippelkinderin meiner Anstalt t)ehandeln. Schon damals erging seitens des Magistratsan alle Armen- und SchulbehSrden die generelle Anweisung, geeignet erschei-nende F~tlle yon Kriippelhaftigkeit mir zur Behandlung zu fibergeben. Auch]cam es damals schon vor, dass Schul~rzte mit mir gemeinsam die Schulkinderklassenweise a u f die Notwendigkeit e iner orthop~dischen Behandlung binansahen, lm gvossen und ganzen wurde aber nicht viel ausgerichtet. DieRevisionen yon Schulkindern durch reich blieben Ausnahmen, die Ober-weisung yon armen Kriippelkindern seitens d e r Schul -und ArmenbehSrdenzur Behandlung erfo]gten selten, und schliesslich kam es hitufig genug vor,dass die mir fiberwiesenen Kinder entweder sehr unregelm~ssig oder g a rn ich t zur Behandlung kamen. Dementsprechend waren auch die Erfolge.Es wurde im wesentlichen nichts erreicht. Und es war wohl auch nich tviel zu erwarten, (]9 yon irgend e iner Organisatison noch nich t die Redewar. Das i~nderte sich mit dem Jahre 1907. Dama]s waren die staatlicher-seits angesteilten Erhebungen zur Ermittelung der armen Kriippelkinderu n t e r 14 Jahren abgeschlossen. Was man ]~ngst vermutet hatte, war du rchdiese Z~hlung erwiesen worden. Es gab im deutschen Reiche eine be~ng-stigend grosse Anzahl von ]~riippelkindern, die jeglicher Ffirsorge, besondersabet jede Behandlung entbehrten.

Wie man nun fast iiberall aniing, auch auf diesem Gebiete des Elendshelfend einzugreifen, so auch bei uns h ie r in Poson. Im Mai 1907 geschahenbier die ersten Schritte zur Schaffung e iner festen Organisation. Uber dieEntstehung und Einrichtungen dieser Organisation brauche ich reich bie rn ich t wei ter auszulassen. Ich babe wiederholt in Fachzeitschriften dar(iberberichtet.

Ende 1907 batten wir eine geregelte Kriippelfiirsorge. Sie wurde ganza n schon bestehende sti~dtische Organisationen angeschlossen. An ihrerSpitze steht der Dezernent ffir das sti~dtische A n n e n - u n d Krankenhauswesen.Diese Ffirsorge besteht bei uns nunmehr also ca. 3 ,lahre. Wir h a b e nw~hrend dieser Zeit das vorhandene Kriippelmaterial vollst~ndig untersuchtund in Behandlung genommen. Naturgemi~ss ergi~nzt sich das Mater ia limmer wieder durch [~berweisung yon neuen Kindern. Im ganzen haben bisjetzt in unserer Kriippelfiirsorge ca. 300 Kinder gestanden. Auf alle Einzel-heiten des Materials b ie r einzugehen, wiirde zu welt fiihren und auch f iberden Rahmen dessen hinausgehen, was hier verlangt wird.

Nur einige allgemeine Angaben.Das Gros d e r unserer Fiirsorge iiberwiesenen Kinder stand im Al te r

yon 6 - - 1 4 Jahren , also im schulpflichtigen Alter . Von den etwa 300 Kindernwurden ca. 200 in Behandlung genommen, meistens in orthopiidische Be-h a n d l u n g - ca. 150 K i n d e r - - . Bei e inem Drit tel der FfirsorgezSglinge

14"

202 Marcus,

musste yon jeglieher Behandlnng abgesehen werden. Bei manehen war dasL e i d e n schon zu welt vorgeschritten; es bestand nicht die mindeste Aussicht,d u t c h Behandlung noch etwas zu erreichen. Andere wieder str~ubten siehgegen jegliche Behandlung. Es kam anf/~nglich auch oft genug vet, dass dieE l t e r n sich j e d e r Behandlungsmassnahme bei i h r e n Kindern widersetzten.Endlich kam es nicht allzu selten vor, class Kinder das 14. Lebensjahrschon fast erreicht batten und sieh mit der Entlassung aus der Schule ein-fach unserer Behandlung entzogen. So ist es also durchaus erkl/irlich, dasswir nur 2/s des gesamten Materials in Behandlung nehmen konnten. DieBehandlung war naturgemiiss vorzugsweise eine rein orthop~dische und wurdennd wird auch noch jetzt hier in m e i n e r AnstMt durehgefiihrt, w~hrendetwa notwendige Operationen, bisher allerdings nm: sehr wenige, im Stadt-krankenhause ausgefiihrt wurden. Die Anzahl der ausgefiihrten ()perationenist in der Hauptsaehe desha.lb so gering, weil in den allermeisten l!'~llen dieEltern ihre ]!:rlaubnis znr Vornahme der Ol}eration g l a t t vm'weigerten. Wirmussten uns (tesha.}}~ auch da, w,} din'oh ()pcr:~ti(}n eine we,sentliche 1}csscrungmit Sieherheit zu erhoffen war, mit unblutigen, orthol}iidisehen Massnahmenbegniigen, um uenigstens etwas zu erreiehen. B{~i einem Teil der Kinderkamen wir mit einer rein medikamentiisen Therapie aus. Es waren dies dieKinder, die an noeh florider engliseher Krankheit - - Raehitis ~ litten undbei denen wir dutch die antiraehitische Beb:mdhmg allein einen vollen Erfolghatten. Ca.. 150 Kinder, also et,wa {tie H~lfte des gesamten M:~terials wurdenin meiner Anstalt behandelt. Die einzelnen hier behandelten F/ille habe ichin der folgenden Statistik, naeh Jahren geordnet, zus,~mmengestellt. Sie er-streekt sieh yon Mii,rz 1907 bis Ende Mai 191t), Mso iiber c~. 3 Jahre.

, - 2

1

2

3

4

5

6

7

8

4

9w.

~7 10 w.

18m.I

89 13 m.

43 9 m.

II

Art des I,eidens

i! 1907.i

13 w. seitliche Verbiegung derWirbels/tule IlL Grades

angeborene Hifftgelenks-verrenkung beiderseitsKniegelenksverstei fung

seitliche Verbiegung derWirbelsitule II[. Grades

seitliche Verbiogung derWirbels~ule II. Grades

gersteifung des reehtenFussgelenkes

gerkriimmung tier Fingeran tier linken Hand

Sehiefhals

Beginn d~.rt~ehandlung

~Ftirsorge i Behand-: lune

1Ii 1. 11.07 25. [11.07

[ 1 3 . X[. 0 7

Korsett

Apparag

orthop~d.Behandlung

Apparag

3. Xl. 07

81. X. 06

22. VII. 07

18. XI. 07

31. X. 06

3l. X. 06

i

5. IV. 08

18. XII. 07

7. II[. 07

4. IX. 07

22. XI. 07

11. VII. 08

22. V. 08

I

Erfo lg

gering

befiiedigend

l l n ¢

befriedigendgut

l l n ~

befriedigend

l~'ber Krtippelffirsorge bei Sehulkindern 203

~ Art des Leidens Behandlung Erfolg

9 60 12w. sei t l iche Verbiegung derWirbels~ule III. G r a d e s

or thopi id .Behandlung

Beginn tier

Far 'serge Behand-lung

13. XL 07 15. XII. 08

10 69 3 m . Klumpfuss11 82 ] 4 m . tuberkulSseVerbiegungder12 86 I / Wirbels~ule

9 m . i, seii~liche Verbiegung derWirbels t iu le III. Grades

1 6 1908.4 w. Fussdeformit~iten beider-

2 8 sei ts11 m . tuberkulSse Wirbelentztin-

dung mi t starkem Spitz-buckel

3 91 12 m. sei t l iche Wirbelsi tulenver-biegung III. Grades mi t

starkem Rippenbuckel4 10

5 13

6 21

7 26

8 31

9 32

11 3440

13

1415

1617

l l w .

10 w.

12 w.

15w.

7 w .

10 m .

9W.

8 w .5 m .

14 m .

12 m.

7 m .

12 m.

I0 m.

Korsett

or thopad.Behandlang

Schienen-s c h u h

Korsett

or thopi id .Behandlung

Korset tor thopad.

BehandlungApparat

sei t l iche Velbiegung derWirbels~tule I. Grades I

Verkih'zung des l inken /Beines nach Obersehenkel- ]bruch und s t a r k ? Ersehlaf- i

lung des Kni%elenkessei t l iehe Wirbels~tulenver- or thopl td .

biegung ]I. Grades BehandlungtuberkulSse Verkrt immung Ko, 'se t~

der Wirbels~tuleangeborene Hfiffgelenks-

verrenkung l inks

tuberkul6se Verbiegun g derWirbels~iule

Verkri immung beiderUntersehenkel

sei t l iche Verbiegung derWirbelsaule IIL Grades

orthop~d.Behandlung

A p p a r a tKorset t

Sehienen-sehuhe

orthopad.Behandlung

Korset t

or thop~d.Behandlung

Korset tSchienen-

ht i lsen-apparate

Li thmung beider Beine

13. XI. 0731. X. 07

31. X. 07

30. V . 08

28. I. 08

28. I. 08

30. V. 08

8. VII. 08

28. I. 08

31. I. 08

11. V. 08

28. I. 08

28. I. 07

13. XI. 0710. XI. O7

2 . I. 08

12. XI. 08 gut

28. XI. 08

27. II. 08

16. VI. 08 mi i s s ig

21. VII. 08 sehr gut

6. III. 08 gut

23 . III. 08

2. v i . 08

16 . IIL 08

16. I I [ . 0 8 wenig be-

u n -

befriedigendbsfriedigend

befriedigend

befriedigend

gut

u n -

befriedigend

I. 08 ]friedigend

28 . 15. III. 08 1 befriedigend11. V. 08 I0 . VI. 08

!20. V I I . : : 13. VII. 08 zafrioden-stellend

6. IV. 08 5. V. 08 befriodigend28. I. 18. II. 08 ,

28. 1.08 25 . III. 086 . IV. 08 25. IV. 08 gut

204 M a r c u s ,

Art des Leidens Behandlung

orthop~id.Behandlung

taberkulSseVerbiegungder " Korset tWirbels i iu le /

sei t l iehe Verbiegung der I orthopitd.Wirbels i tu le III. Grades [ Bohandlung

I

18

19

20

21

22

23

24

25

731 12 m .

74I 7w.

761 7 m .

78 9w.

79 15 w.

81 10 w.

85 -I w.

88[ 5 w .

I

26 89! 11 m .

27 90 6 w.

28 93 9 in.

29 96 7 w.

30 101 13 w.i

31 102 6 m .

105! 12 m ..q2

33 111! low.

34 7 w.

35 6 m .

36 15 m .

37 217 14m.

38 118 9 m .

Versteifung des l inkenKniegelenkes

Versteifung eines Knie-gelenkes

seitlieho Verbiegung d e rWirbels~tule II. (~radesLi thmung des rerhten

BeinestuberkulSse Verbiegung der

Wirbels i iu le

Ffirsorge

Beginn der

Behand-lung

20. VII. 08

28. I. 08

5 . IV. 08

4. 1V. 08

7 . XI. 08!

. ~ 2 3 . X I . 08

At,parat 2. VI. 08i

Stf i tzkorset t 2 . VI. 08

Erfolg

I

31. VII. 08 gut

hat die Be-handlung

I verweigert15. IV. 081 befriedigend

Ii

IV. 08

25. XI. 08

30. XI. 08

'28. X I. 08

u n -

befriedigendbefriedigend

gut

lint s ich derBehandlung

IAthmung des l inkenBeines

sei t l iche Verbiegung derWirbelsiiule II l . Grades I

sei t l iche Verbiegung d e rWirbels~tule

sei t l iehe Verbiegu~g tier(Wirbels i tu le I]I. Grades i

)

Versteifung ties rechten ]1Kniegelenkes

sei t l iehe Verbiegung derWirbels~tule III. Grades

tuberkulSse Verbiegung derWirbels / tu le

l , i thmung des l inkenBeines

Kinderl/ihmung rechts

sei t | iche Verbiegung derWirbels i iu le III. Grades

tuberkul6se Verbiegung derWirbelsi~ule

Schienen-apparat

orthop~.d.Behandlm~g

l

K(n;settApparat

or thopf id .BehandlungStfitzkorse~t

Apparat

Schienen:apparatKorset t

orthop~td.Behandlung

3 0 . V. 08J

4. VI. 08

17. l lI . 08

7. XI. 08

20. VII. 08

4. VI. 08

28. I. 08i

11.

entzogen4 . Vl l . 08 befriedigend

i

~9. IV. 08

13. IV. O~ .

5. l lI . 08

20. VIIL08

24. HI. 09

18. V. 08 ,

28. 1.08 2 . VI. 08

20. Vl i . 08 6 . III. 09 gut

19. II. 08 :23 . III. 09 befriedigend

28. 1.08 19. II. 08

14. IV. 08 24. IV. 08

V. 0 8 ! I 1 . V. 0S

l~lber Krtippelftirsorge b e i Sehulkindern. 20,5

• 6 - , ~

Z I ~ ~ Art des Leidens• ' . o 9 . ~

1 1

2 3

3~12

4 15

5 16

6 18

7 238 28

9 35

10 36

11 37

12 42i

13 45

14 48

15 49

16 50

17 53

18~54

1 9 56

20 62

21 63

22 64

Behandlung

1 4 w .

7 I l l .

11 w.

10 w.

2w.

15 w.

13 w.14 m .

1 0 w .

7w.

7w.

9 W °

14 m .

7 m .

10 w.

12 w.

14w,

7w.

13 w.

6 1 T l . '

3w.

16 w.

1 9 0 9 .

tuberkulSse Wirbelentziin.d u n g , starker Spitzbuckel

LRhmung des reehtenBeines

¥ e r b i e g u n g tier Wirbel-s ~ u l e IIL G r a d e s mi~starkem Rippenbuckel

seitliche Verbiegung derWirbels~iule I. G r a d e s

seitliche Verbiegung derWirbelsaule II. G r a d e s

seitliehe Verbiegung derWirbelsi~ule III. G r a d e s

Korset~

B e g i n n der

Behand-Ftirsorge l u n g

81.VIII.09 10. II. 10

30 . III. 09 27 . IV. 09

24.VIII.09 14 . IX. 09

23 , H. 09

10.VIII.09

16. IIl. 09

6 . IV. 0923 . II. 09

24.VIII.09

10.VIII.09

10 . IIL 09

8 . IIL 10

30 . III. 09

17.VIII.09

16 . HI. 09

16: III. 09 22 . IiI. 09

16. IlI. 09 29 . I[I. 09

10.VIII.09 ! 18.VI[I.09

6 . IV. 09 29 . IV. 09

6 . IV. 09 16 . IV. 09

5 , IV. 09 15. IV. 09

24.VIH,09 15. IX. 09

L/~hmung der linkenWaden-beinnerven

seitliche Verbiegung derWirbels/tule II. G r a d e s

Verbiegung der Wirbel-sltule im Brustteil

II. G r a d e sseitliche Wirbels~u]enver-

biegung I. G r a d e sseitliche Verbiegung der

Wirbelsiiule II. G r a d e srechtsseitiger Klumpfuss

tuberkulfse V e r b i e g u n g derWirbelsaule

Versteifung beider Knie-gelenke

Klumpfuss

seitliche Verbiegung derWirbels/iule i . G r a d e s

zerebrale Kinderl/~hmung

Platffuss

beiderseits Klumpfass

angeborene Htiftgelenks-verrenkung l i n k s

Schienen-apparat

orthopiid.Behandlung

Korsettorthopi~d.

Behandlung

1*

Korset~Korsett

or~hopi~d.Behandlung

h p p a r a tKorsett

Apparatorthop~td.

B e h a n d | u n gSehienen-

s e h u horthopitd.

Behandlung

ApparatSchienen-

s e h u h

Schuh-e r h f h u n g

I

2 , III, 09

23.VIII.09

2 . lII. 09 1

15 . IV. 092 , III. 09

25.VIII.09

18. lI, 10

20.VIii.09

10 . HI. 1 0 '

20 . IV. 09

20.VIII.09

26 . II[. 09

Erfolg

gut

l l l l -

befriedigond

guL

m

befriedigend

zufrieden-stellend

sehr gut

befriedigend

r i l l °

befriedigondbefriedigend

gut

zufrieden-stellend

gut

206 M a r c u s ,

. . . . . . . ." ' + ~ B e g ; n n -. . . . . . . . . / G . . . . J . . . . . .

Z I ~ ~ "~ Art des Leideus Behandlung ~ , , E r f o l g'. ~ . ="~ ~ ~ ~ i Ffirsorue ~ e n a n a - !~: < ® ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !. . . . . . . . ] ................ ~ _ t ......~qng I . . . . . . . . . . . .

: : l : i . . . . I . . . . . . . . . . . . . 7 . . . . . . . . . 7 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23 65L 10 w. I linksseiti~,e Wirbels~iulen- orthoplid. 2,).VIIi.0a 80.VIII.0,) guLi I • i Lverblegung III. G r a d e s I Behandlung i

24 67] 8 w. L/ihmung des rechten ~ I 6 . 1II.09 !25. II. 10L t ~ iBemes Seh)enen- , Ii ! sehuh l

7w.25 70

26 71 9

27 72115

28 77{ 3i

29 , 80 i 13i

30 ! 83 9

31 841 9

: ]32 9 1 10

i

33 92114

34 94 II

35 i (35 9

38 9,',

37 99

W .

I n .

W .

7 W .

I I 1 ,

i n .

15 m .14w.

10w.

14 m .8 m .

9 m .

i

38 106;

39 108~40 1091

t

41 112!

42 114]43 119

I

1 2

seitliche Verbiegung der i orthop~id.Wirbelsiiule 111. G r a d e s B e h a n d h m g

! eitliche V e r b i e g u n g der IWirbels~tule [. G r a d e s I

seitliche Verbiegung der KorsettWirbelsitule 1II. G r a d e sangeborene 1t iiftgelenks- Schuh-

verrenk¢ ng e)'h6[)ut)gw. seit~liche Verbiegung der (,rthopiid

Wirbelsitule I. G r a d e s Behandhmg

m . Plattfuss Pleinlagenat(fuss-

m . Verbiegung der Wirbel- orthopitd.situle im Brustteil naeh Behandlung

hint~enw. Verkriimmung beider

Unterschenkel Iw. seiLliche Verbiegung dev Korsett;

Wirbelsiiulem . rechtsseitiger Klmnpfass Schienen-

s e h u hw. seitliche V e r b i e g u n g der orthopiid.

a, VirbelsSule II. G r a d e s Behandlungseitliche V e r b i e g u n g d e r KorsetL

Wirbclsitule 1II. G r a d e s ! ort,hopiid.i BehandIung

t~uberkulSse Verbiegung de*' : KorsettWirbelsitule !

seitliche V e r b i e g u n g der i orLhop~td.Wirbetsiiule I. G r a d e s i Behandluug

Spitzfuss rechtsseitlieho V e t b i e g u n g der

Wirbels~iule IIL G r a d e sseitliche Verbiegung der

WirbelsguleZerrung der linken F i n g e rseitliche Verbiegung de,'

Wirbelsliu]e 1I[. G r a d e s

1 9 1 0 .t

seitlieho Verbiegung d e r 'Wirbets~tule [IL G r a d e s

lO.VIll.09

24.Vli1.09

29 . 111.09

16. 111, 09

!25 VIII.09 ! befriedigendi i i

j]18. [l.10: gut

30 . 111.09 befriedigend

30 . III. 09

I O.V I I1.09 i l,").V11 [.0!) gut

23. 11.09 2 . 111.09

17.Vlll.0S :25.V111 09iI

16 II1.09i 1 . V. O91befriedigendI

16. 1II.09 29. 111.09 i]

9 . I11.09~23. III. 09:~ ,,

23 . l i t 09

30 . III. 09

10 VIII.09

23 . II. 09

30.VIII.0924.VIII.09

16. II. 09

9 . IlL 0931.VIII.09

26 . IV. 10

3 0 , 1 1 1 . 0 9 ,/

hat sich deri Behandlung

entzogenI20. VI I1.09 i befriedigend

i

17. III. 091iI

;3. X.09!18. II. 101

17. III. 09I

9 . III. 09! gut:24. I. 101 befriedigend

[

23 . V. 101

l~'ber Krtippelflirsorge bei Schulkindern. 207

2

3

45

6

78

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

2021

22

2324

25

2 W°

3w.

3 hi,

5

7

1114

17

2224

3O

41 11 m .

47 11 w.

15 m .

12w.

6w.I58[ 11 w.

61 12 w.

68 12 w.

75 10 w.

¢87 1 3 w .

2o °5 IYI.

r103i 15 w.

I

1041 7 w.107 i 4w,

110 13 m .

Art des Leidens

Verkrtimmung des reehtenUnterschenkels

s t a r k e Verkriimmungbeider Unterschenkel

rechtes X-Knie

Behandlung

Schienen-s c h u h

Operat.-SchienenSchiene

Beginn der

Ffirsorge

26 . IV. 10

1. IL 10

25 . IV. 10

Behand-l u n g

2 . Vl . 10

2 . V[. 10

26 . V. 10

Erfolg

6 w. i tuberkul5se Wirbelentztin-I d u n g

4 w. i krummer RtickenI

14 w. ]5 m . [

13 w .

flacher RfickenX-Knie beiderseits

seitliehe Verbiegung derWirbelsi~ule II. G r a d e s

LuberkulSse Verbiegung derWirbelsiiule

seitliche Verbiegung derWirbels~ule iII. G r a d e s

seitliche g e r b i e g u n g derWirbels~ule im Brustteil

II. G r a d e stuberkul6se Verbiegung der

Wirbels~iuleseitliche Verbiegung der

Wirbels~iule I l L G r a d e sseitliche V e r b i e g u n g derWirbels~iule im Brustteilseitliche V e r b i e g u n g der

Wirbelsi~ule lII. G r a d e sVerbiegung der Wirbel-

sKule nach rechts seit-w~r~s II. G r a d e s

seitliche Verbiegung derWirbels~ule I. G r a d e s

L~ihmung des ]inken Beinest uberkulSse Verbiegung der

Wirbels~uleseitliche Verbiegung der

Wirbelsitule tI. G r a d e sFlacher Rtieken

seitliche Verbiegung derWirbels/~ule II. G r a d e s

Korsstt

orthop~td.Behandlung

Plattfass-einlagen

orthop~td.Behandlung

Korsett

orthopiid,Behandlung

Korsettorthopiid.

Behandlung

Korsett

orthopiid.Behandlung

ApparatKorsett

orthopad.Behandlung

7 . II. 1 0 2 4 . II. 10 gut

8 . II. 1 0 1 7 . ][. 10 befriedigend

8 . I L l 0 19, IL 10

31 . I. 10 2 . II. 10 ,I

8 . II. 1 0 1 5 . II. 10

1 . lI. 1 0 2 4 . II. 10

7 . II, 1 0 1 0 . l l , 10

1 . II. 10 5 . 1I. 10 gut

8 . II. 1 0 1 8 . ]I, 10 befriedigend

2 . V. IO 2 . VI. IO

7 . II, 10 18 . II. 10

8 . II. 1 0 2 5 . lI. 10

26 . IV. 10 1 . V. 10

25 . IV. 101023. V. 10

7 . lI. 18 . I [ . 1 0 gut

26 . IV. 10 3 . V. 101 . I [ . l O 10 . II. lOr8 . I L l 0 14. 11.10

8 . lI. lO 1 . lV. 10ii 2 . VI. 10 2 . ¥ I . 10

31 . I. l0 il0' II. 10 befriedigend

208 M a r c u s ,

Diese Stat is t ik macht keinen Anspruch auf Vollst~ndigkeit, schon deshalbnieht, well in ihr nut 119 Kinder verzeichnet sind, w~ihrend es in Wirkliehkeitca. 150 gewesen sind. Es war mir n ieh t mSglieh, alle Kriippelakten zusammen-zubekommen, da ein Tell yon ihnen sieh st~tndig im Umlauf bei den )(rzten,bei den Pflegerinnen und in den Bureaus befindet. Es liessen sieh natur -gem~iss aueh in der kurzen Statistik n ieh t alle Einzelheiten beriieksichtigen.Immerhin dfirfte die Zusammenstellung aber vollkommen geniigen, um einenUberbl iek fiber das bisher a u f diesem Gebiete Geleistete zu geben.

So ersehen wir aus ihr zun~ehst, dass die Zahl der orthopSAiseh be-handelten Kinder yon Jah r zu Jah r eine gr0ssere geworden ist. W~hrendmir im .Iahre 1907 12 Kinder zur l~ehandhmg tiberwiesen wurden, waren esim ,lahre 1908 38, im ,Jahre 1909 43, im Jahre 1910 bis jetzt---Ende Mai- - 25. Wel t e r ersehen wir, dass das Gros d e r Kinder im sehulpfliehtigenAl te r gestanden hat, leider aber eine n ieh t geringe Anzahl d ieh t vor derEntlassung. Nur wenige Kinder waren i iber 14 .lahre alt. Und ebenfallsn u r eine Minderheit u n t e r 6 Jahren . llie genauen Zahlen s ind : Es standenim schulpflichtigen Al te r 90 l(inder, und zwar 37 Knaben und 53 Miidehen,yon diesen wiedermn waren im Al te r yon 13 und 14 3ahren, also kurz vord e r Entlassung, 19 Kinder, 9 Knaben und 10 Mi~dchen. Im Al te r yon fiber14 ' lahren, also der Sehule entwaehsen, waren 10 Kinder, 4 Knaben und6 M:~dehen, und endlich standen im Al te r yon u n t e r 6 Jahren , im noch nich tschulpltichtigen Alter , 18 Kinder, 7 Knaben und 11 M?~dehen.

Was die Art der Kriipl~clhaftigkeit anbetrifft, so handelte es sich inder Mehrzahl der F/tlle um Deformit~ten der Wirbels/~ule, n:,~mlieh in 79 Fttllen,wi~hrend die 40 anderen Fi~lle Verkriippchmgen an den Extremiti~ten betrafen.

Am allerdeut.lichsten aber zeigt die kleine Zusammenstellung den Zu-stand des Materials. lch babe in jedem einzelnen Falle die Diagnose zu-gesehrieben. Wir sehen, d'~ss es sich bei den Wirbels:,~ulenverbiegungen inden meisten F~tllen um Verbiegungen III. Grades gehandelt hat, d. h. umVerbiegungen, bei denen d u t c h eine orthopiiAische Behandlung eigentlichnichts mehr auszurichten isg und bei denen man n u r hoffen kann , du rchzweekentsprechende Stiitza.pparate und Korsetts ein wei~eres Fortschreitendes Leidens zu verhindern und den Kindern so wenigstens einen Tell derArbeitsfShigkeit zu erhalten. Genau ebenso lag es bei den I)eformit~tten anden Extremitiiten. Aueh hier handelge es sich allermeistens um ganz irre-parabele ZustSmde, bei denen auch nur noch Apparate angebracht waren.

Ich gebe auch diese Gesamtzahlen wieder.Unger den 119 F~llen mussten wir in 64 F~llen Apparate beschaffen,

anger diesen Apparagen waren allein 30 Korsetts. Die Anzahl tier Korsetgsbeansprucht deshalb eine so hohe Bedeutung, well sic zeigt , dass u n t e runseren 79 a n Wirbelsi~ulendeformit~tten leidenden Kindern bei 38°/o dasni~tig war, was ieh vorher als ultimum refugium bezeiehnet habe, niim-lieh das Korsett. Dieser Prozentsatz wird noeh hiiher, wenn man bedenkt,class selbst bei den an schwersten Wirbelsi~ulenverbiegungen leidenden Kindernvor Anlegung des Korsetgs noeh einige Monate eine orthopiidische Behandlung

l~ber Krtlppelffirsorge bei Schulkindern. 209

durchgefiihrt wird, um den Versuch zu machen, die ffir das Korsett so not-wendige Mobilisierung d e r Wirbels~ule wenigstens einigermassen zu erreichen.Man kann ohne weiteres als Regel hinstellen, dass bei allen Wirbelsi~ulen-verbiegungen III. Grades ein Korse t t schliesslich nStig ist, oft genug leiderauch bei Wirbels~ulenverbiegungen II. Grades, und zwar dann, wenn es sichschon um ~ltere Kinder handelt.

Nun h a b e n wit u n t e r unseren Wirbels~ulenverbiegungen, wenn wir dieEinteilung so vornehmen, dass wir unterscheiden,

1. tuberkulSse Wirbels~ulenverbiegung,2. seitliche Verbiegungen d e r Wirbels/~ule I., II. und III. Grades,3. reine Haltungsanomalien des Rumples,

die folgenden Zahlen :17 Kinder l i t ten an tuberkulSser Wirbels/iulenverbiegung, 30 Kinder

an seitlicher Verbiegung der Wirbelsi~ule III. Grades, 18 II. Grades~10 I. Grades~ und nut bei 3 Kintiern h a t es sich um reine Haltungs-anomalien gehandelt.

Wenn man bedenkt, dass die a n tuberkulSser Wirbels~ulenverbiegungleidenden Kinder u n t e r allen Umsti~nden ein Korse t t erhalten miissen unddass dasselbe yon den an seitlicher Verbiegung der Wirbe]s[iule III. Gradesleidenden Kindern gi l t , so wird man zugeben miissen, dass wir es a n demVersuch, durch reine Behandlung soviel wie mSglieh noch zu erreichen, n ieh tfehlen lassen. Denn obgleich bei 47 Kindern unserer Zusammenstellung einsolches Korse t t notwendig war, so haben wir as bis jetzt doeh erst bei 30angeschafft. Ieh mSchte dabei ausdriicklich betonen, dass es n u r die Hoff-nung, noch mit der Behandlung etwas zu erreichen, ist, die uns zum Ab-warten bei d e r Beschaffung des Korsetts veranlasst, n ich t etwa der Kosten-punkt. Denn sobald die Beschaffung eines Korsetts n u r i~rztlicherseits fiirnotwendig erach te t wird, werden die Kosten ohne weiteres bewilligt.

Nachdem ich nun etwas ausfiihrlicher a u f das Mater ia l eingegangen bin,wird man fiber die endgiiltigen Resultate n ieh t fiberrascht sein. Ich willauch diese h ie r kurz zusammenstellen, muss aber v o r h e r dazu auch noch einigeBemerkungen machen. Das Resul ia t ~Sehr gut" habe ich n u r dann ffir bereehtigtgehalten, wenn wirklich ein voller Behandlungserfolg erreicht worden ist: eineabsolute Heilung. Mit ,~Gut'~ kann ich den Erfolg in den Fiillen charakteri-sieren, in denen durch die Behandlung soviel erreicht worden ist, dass n u rrelativ geringe Rfickst~nde zuriiekgeblieben sind. Dagegen ist in all denF~llen, in denen durch Korsetts und andere Apparate n u r eine Besserungder Erwerbsf~higkeit und die Verhiitung e iner Versehlimmerung erreichtworden ist, das Resul ta t n u r als ~befriedigend ~ bezeichnet, und endlich isteine grosse Anzahl yon Fiillen, in denen absolut niehts ausgerichtet werdenkonnte, n ich t anders zu bewerten als mit ,unbefriedigend".

Nach dieser Einteilung haben wir in vier Fiillen einen sehr guten Erfolg,in 29 einen guten, in 54 F£11en einen befriedigenden und endlieh in 12 einenganz unbefriedigenden. Diese Resultate gelten natfirlich yore rein ~rztlichenStandpuukte aus. Mit Riicksicht a u f die Erwerbsf~higkeit - - und bekanntlich

21(t Marcus,

h a t die Krfippelfiirsorge das Endziel, die Kriippelkinder zu selbst~ndigen wirt-schai'tlichen Existenzen heranzubi lden- sind die Ergebnisse d e r Fiirsorgeerheblich giinstiger. Denn u n t e r dem Gesichtspunkte der Erwerbsf~higkeitwerden es n u r aus der Gruppe mit unbefriedigenden Heilungsresultaten etwa50°/o sein - - ca. die H~lfte - - , die es n ich t zu e iner selbst~tndigen Existenzbringen kSnnen, w~,hrend die Kinder, bei denen das Heilungsresultat nur alsbefriedigend bezeichnet werden kann , unbedingt so welt kommen, dass sie sichim Leben wirtschaftlich selbst~indig machen kSnnen.

Aber, wie gesagt, ~'om rein ~rztlichen Standpunkte aus sind die Resul-tats wirklich n ich t anders als rech t m~issige zu bezeichnen. Sis werden durchdie vorhergehenden Ausfiihrungen wold ohne weiteres verst~ndlich sein, undsic geben vor alien I)ingen nicht den mindesten Anlass, an den endg~iltigenErfolgen ,~uch a u f diessm Gebiete d e r Ffirsorge zu zweifeln, ira Gegenteil!Sieht man sich in dsr Stat is t ik die FSIIs im einzelnen an, so zeigt sich. dassin giinstig gelegenen l:iil]mi immer ein gutc," Erfo]g zu erzMen is(, und dassdic l:iille um so giinstig(~r liegen, je fr i ihsr dis Kinder unserer Fiirs~rge iibsr-wiesen werden. Desh:db is( es uns, wit; ich schm~ eingangs gesagt habe, nurangenehm, wenn die Kinder nnserer Fiirsorge schon direkt aus d e r S~tuglings-fiirsorge iiberwiesen warden. Es ist das jetzt sctmn immcr mehr und mehrder Fall, und es kann gar nicht zweifelhaft sein, dass bei lSngerem Fortbestehender Fiirsorge in dem Umfange, wie sic u n t e r Leitung des jetzigen Dezernentenfiir das Armen- nnd l(rankenh:mswesen bstrieben wird, wir in cinigen ,lahrenso welt sein werden, dass wir fiir Schulkinder eine KrSppelfiirsorge imjstzigen lYmfange nich t mehr hrauchen werden und dass wir dann bei Schul-kindern mit dem allgemsinen 'I'urnen und mit der iirztlichen i)berwachungauskommen wsrd~'n, d. h. mit Einrichtungsn, wie ich sic kurzcrhand alsl)rophylaktische Kriippelt'iirsorge bezeichnen will und (lie im wesentlichen dasund noch mehr erreichen werden, was das sogcnannte orthop/tdische Sehul-turnen erreichen will. Solange wir aber n ich t imstande sind, durch unsereKriippelfiirsorge zu erreichen, dass (tie Kriippelkinder vor Erlangung des schul-ptlichtigen Alters wieder hergestellt werden , solangs wit auch u n t e r den5chulkindern i m m e r noch mit einem grSsseren Kriippelmaterial zu rechnenh~d~en werden, solange werden wir auch unsere Kriippelftirsorge a u f die SchuIeausdehnen mti.ssen und nich t da rau f verzichten ldinnsn, die Sehulkinder, so-welt es n6tig is(, orthop~idisch zu behandeln.

Auf das sogenannte orthopiidische Schulturnen muss ich jetzt noch mitsinigen Wortsn eingehen.

Das orthop~idische Turnen in der Schule, wie das Turnen in der Schuleiiberhaupt, hat den Zweck, den Kindern eine gerade, aufrechte Hal tung zusch'rffen. Wir nennen disse HMtung kurzweg Normalhaltung. Friiher hatman als Typus dieser Normalhaltung die militSsische Haltung angesehen.Heute verstehen wir Orthopg,den allerdings darunter eine yon der mili-t~irisehen etwas abweiehende Haltung. Immerhin kSnnen wir h ie r aus Zweek-miissigkeitsgriinden ruhig sagen, dass wir die Normhaltung am besten in dermilit~risehen Haltung ausgebildct sehen. Alle Abweiehungen yon dieser

~ber Krttppelftlrsorge bei Schulkindern. 211

Normalhaltung sind Gegenstt~nd der orthopi~dischen Behandlung bzw. desorthop~dischen Turnens.

.Nun kSnnen Abweichungen natfirlich durch alle mSglicben Deformit~tenhervorgerufen werden, durch Deformit~ten am Rumpf, an den Armen undan den Beirmn. Es liegt aber in der Na tu r der Sache, dass wir bei diesenAbweichungen von der h'orInalhaltung im wesentlichen oder auch n u r ansolche Deformit~iten denken, die du rch Stellungs- bzw. Lageveriindcrungendes Rumpfes und der Wirbels~tule bedingt werden. Wir haben es also, umes kurz zu sagen, nur mit 1)eformiti~ten des Rumples oder noch r icbt igermit Deformit~iten der Wirbels~ule zu tun.

])iese sind es in der Hauptsache, die den Gedanken ins Leben gerufenhaben, durch zweekentsprechendes Turnen in d e r Schule nach Krilften dafiirzu sorgen, (]ass den Kindern eine ~'ormalhaltung verschafft wird, und zuvcrhiiten, dass sie eine schlechte Hal tung bekommen und sich Deformitiitenausbilden. Dass man diese Art d e r Fiirsorge gerade bei Schulkindern an-wendet, hat seinen sehr guten Grund. Einmal ist das schulpflichtige Al te rdas fiir die Entstehung und Fortbildung "~on so]chert Deformit~iten gef~hr-lichste. Ferner ist n ich t zu ]eugnen, dass t ro tz aller hygienischen Mass-nahmen mit dem Schulbesuch an sich eine Menge yon Sch~tdlichkeiten ver-kniipft sind, (tie sehr wohl geeignet sind, eine Verschlimmerung schon in (]erAnlage bestehender Deformit~ten herbeizufiihren und endlich lassen sich auchw~hrend der Zeit des Schulbesuches am besten die geeigneten freien Stundenfinden, in denen mit tier Behandluag solchcr Deformit~ten vorgegangenwerden kann .

Ich babe nun sehon vorher einiges i iber die Eintei lung yon Wirbe]-s~ulen~-erbiegungen gesagt. Wir miissen uns aber doch des besseren Ver-sti~ndnisses ha lbe r i iber die verschiedenen Ar ten d e r Deformit~iten etwas aus-fiihrlicher orientieren.

Es ist ja selbstverstiindlich, class ich bier keine wissenschaftliche Ah-handlung geben kann , und ich muss reich deshalb damit begniigen, in grossenZfigen die wesentlichsten Typen der in Frage kommenden I)eformit~tten heraus-greifen und kurz a u f einige Merkmale hinzuweisen. Wir haben es, wie schonbemerkt , n u r mit Verbiegungen der Wirbelsii,ule und mit den durch diesebedingten H:~ltungsver~inderungen des Rumples zu tun.

Fo]gende Abweichungen yon der Norm sind es, die uns am hiiufigstenbegegnen und a u f die allein wir deshalb hier Riicksicht zu nebmen brauchen.Andere kommen, well sie seltener auftreten, bier n ich t in Bet rach t .

Wir h a b e n u n t e r diesen Einschr~nkungen an Deformit~tten:

1. Den sogenannten krummen Riicken, tier in e iner st~rkeren Aus-biegung tier Brustwirbels~ule im oberen Teile nach h in ten besteht.

2. Den flachen Riicken, d e r in e iner zu geringen Kriimmung d e r Brus t -wirbe]si~ule nach hinten seinen Ausdruck findet.

3. Das grosse Heer der seitlichen Abweichungen der V¢irbels~ule.

212 Marcus,

Wi~hrend nun der krummc und der flache Riicken einfach zu erkennen•und durcb relativ wenig einschneidende Massnahmen zu beseitigen sind, istes ganz etwas anderes mit den seitlichen ¥erbiegungen.

Diese seitlichen Verbiegungen der Wirbels~ule kSnnen an jedem Teilyon ihr auftreten. Sie kSnnen nach links oder auch nach rechts gerichtetsein. Es kann ein Wirbels~ulenabschnitt allein ausgebogen sein, es ka.nnsich um mehrere Abschnitte handeln, die dann nach verschiedenen Seitenausgebogen sin& Je nach dem Grade der Erkrankung nehmen die ent-sprechend gelegenen Rippen an dor Verbiegung teil. Es tr i t t fe rner eineIlMtungsver~nderung des Rumples ein, die sehr hohe Grade erreiehen kann ,und nicht an letz ter Stelle k'mn das hllgemeinbefinden s ta rk in Mitleiden-schaft gezogen werden. M;m teilt die seitlichen Verbiegungen rein schema-tisch n.tch ihrer Stiirke in drei Klassen ein. n~mlieh in seitliche Verbie-gungcn ersten, zweiten und dr i t ten (;ra,les. l)ic Kriterien dieser einzelnenl',rade siml die. dass bei der Ve.rbiegmlg ersten l ; rades mlr erst die Wirbel-~-iiuh'. allein belciligt ist, dass bei dcr Verbiegmlg zweiten Grades schonl¢ippdnverbiegung und llumpfversehiebung in Frage kommen, und bei derVerbiegung dritten Grades, dass die l)eformit~ten schon fixiert sind, w~hrendsie bei tier Verbiegung ersten und zweiten Grades noeh dureh l)ruek undZug sich ausgleichen lassen. Das Massgebende fiir die Bezeiehmmg,,seitliehe Verbiegung" ist abet u n t e r allen UmstSnden das Vorhandenseincim,v wirkliehen Knoehenverbiegung an der WirbelsSule.

Nun h'tt man lange Zeit, und us ist auch heute noch zum Teil derFall, wit sogenannten reinen Haltungsanom:dien gerechnet, d. h. mit seit-lichen Abweiehungen des Itumpfes yon der Normalh.ltung, bei denen eineVerbiegung der l(nochcn noch nich t vorhanden ist. 31assgebende Orthopiidensind der Ansieht, dass d~s n ieh t der Fall ist, dass vielmehr m jedem Falle,wo eine sichtbare seitliche Abweichung des Rumpfes sieh zeigt, auch immersehon eine wenn aueh vielleieht noch nieht erkennbare, seitliehe Verbiegungd e r Wirbelsi~ule vorhanden ist. Eben dieselben OrthopS.den sind deshalbweiter der Ansicht, dass auch in solchen FSllen, wo eine Verbiegung derWirbelsS.ule noch nieh t n-tehweisbar ist, stets nur orthop~disehe Behandlnngin Frage kommen kann mid nicht das sogenannte orthopiidisehe Turnenallein.

I)iesen Standpunkt teile aueh ieh, und ieh bin deshalb der Meinung,dass man ganz seharf unterseheiden muss zwisehen F~llen, in denen dasorthop~disehe Turnen allein relativ Gutes leisten kann , und zwisehen solehen,die unbedingt zur Erreichung eines dauernden und sieheren Erfolges einerintensiven orthop"2disehen Behandlung bediirfen.

Ieh racine d a h e r weiter, dass man bei allen seitliehen Abweichungender Wirbels~ule und des Rumples stets orthop~idische Behandlung anzu-wenden hat. Auf den Grad der Erkrankung kommt es n u r insoweit an, alsman bei einfaehen Affektionen, die gewissermassen im Beginn sind, mitleiehteren Behandlungsmassnahmen auskommen wird, w~ihrend m~n beischwereren Erkrankungen entsprechend intensivere Behandlung vornehmen

Ober Krtippelft~rsorge bei Schulkindern. 213

muss. Auf jeden Fall muss man nach meiner [Tberzeugung bei wirklich er-kennbaren Knoehenverbiegungen stets orthop~idische Behandlung vornehmen.

Die Frage ist nun: In welchen F~llen reicht das orthop~dische Sclnll-t u rnen oder das Schulturnen fiberhaupt aus?

Es wird gut sein, wenn man sich zun~chst klar macht , dass zwischendem orthop~dischen Turnen und d e r orthop~dischen Behandlung n u r eingradueller Unterschied besteht. Das orthop~dische Turnen ist nichts wel terals ein Tell der orthop~dischen Behandlung und gehSrt bei ¥erbiegungen derWirbels~ule unbeding£ mit in den Behandlungsplan hinein.

Nach dieser Erkl/irung kann die Frage , orthpSdisches Turnen oderorthop~idische Behandlung, nur so beantwortet werden: In ]eichteren undleichtesten F/~llen kommt man mit e inem Tell der orthop~disehen Behand-lung, n~mlich dem orthop~dischen Turnen aus, oder r icht iger gesagt, k a n nmatt mit ihm auskommen, w~hrend in schwereren und schwersten F~llendas gesamte lliistzeug der orthopSdisehen Behandlung anzuwenden ist.

Die Entscheidung fiber das im einzelnen F~ll Notwendige muss un-bedingt deln Arzte fiberlassen bleiben, bei Schulkindern am besten demSchularzt, der seinerseits in komplizierteren F/~llen den Arzt d e r stitdtis(.henKrfippelfiirsorge zuziehen wird, Ich habe dieses Thema ansf/ihrlichcr inmeiner Arbeit fiber ,,Kriippe]ffirsorge in d e r ,,Schule" behandelt, aul" die ichverweise. In dieser Arbeit bin ich zu folgendem Ergebnis gekommen: In allden FKllen, in denen nach Ansicht des Schularztes und des Orthopi~den dasSchulturnen allein zur Beseitigung des {~'bels n ich t ausreieht, i s t unbedingtorthop/idische Anstaltsbehandlung notwendig, w~hrend in den anderen F/illen,in denen nach /~rztlicher Ansicht eine orthopKdische Behandlung nich t ein-zutreten braucht, das Schulturnen vollkommen ausreicht, um so mehr als ihmja unstreitig yon Jah r zu Jah r yon den in Frage kommenden Kreisen einegrSssere Aufmerksamkeit zugewandt wird.

Nun ist mir bekann t , dass in einzelnen St~dten das orthopi[discheTurnen in der Schule eine Ausdehnung angenommen hat, die n ieh t n u t i iberden Rahmen des allgemeinen Sehulturnens, sondern aucll fiber den des ortho-p,~dischen Turnens, wie es in Anstalten geiibt wird, welt hinaus geht. Wennin solchen St.~dten orthopKdische Apparate angeschafft werden, und mSgensie noch so einfach sein, die du rch Druek- und Zugwirkung ilnstande sind,vorhandene WirbelsKulenverbiegungen zu beeinflussen, so ist das eben eineBehandlung mit Apparaten und nieh t mehr ein Turnen, auch kein ortho-p~disches Turnen. Es ist ja letzten Endes nichts wel ter als eine finanzielleFrage , ob die S tad t das Turnen in d e r Schule derart ig ausbauen will, dasses zu e iner orthop~disehen Behandlung wird.

:Natfirlich wird man, sobald man das Turnen in der Richtung der ortho-p~dischen Behandlung erweitert, mehr erreichen als mit einfachem Turnen.Es ist durchaus mSglich, dass durch ein so erweitertes orthop~disches Turnenaudh seitliche WirbelsKulenverbiegungen ersten Grades sehr giinstig zu be-einflussen und dass sogar u n t e r gewissen gfinstigen Bedingungen auch beiWirbels~.ulenverbiegungen zweiten Grades auch gute Erfolge zu erreichen sind.

214 Marcus,

Selbstverst~ndlich werden die Erfolge erst rech t gute sein bei den Deformi-tSten des krummen und flachen Riickens und iiberall da, wo erkennbareKnochenverbiegungen noch nich t vorhanden sind.

D~s bedeutet nun, da rau f mSchte ich ausdriicklich hinweisen, durchauskeinen Widerspruch zu dem, was icll vorher gesagt babe, dass n~tmlich iiberallda, wo erkemd)are Knochenver'Xnderungen vorhanden sind, orthop/idische Be-handlung vorgenommen werden muss. I )enn alas orthop~dische Schulturnenha.t sich eben in e iner Reihe ~on St[~dten zu e iner orthop~dischen Behandhmgausgewachsen und ist infoIgedessen imstande, all das zu leisten, was die ortho-pSdische Behandlung mit denselben Mitteln leisten kann .

Nun l~sst sich n.ttiirlich nichts dagegen sagen, dass in einzelnen St~idtendas reine Sch~lltm'nell odor orth(q~ii .dische Turnen z~l t inc t orthoi)iidiscbenI~ehandhmg erweitert wird. I)ass es mit mehr Kosten verkniipft ist., ist jaselbstverst~ndlich. Aber es roach(, und ,la~ ist das Wichtigstc, auch in diesererweiterten Form fiir eine g',nz gr~*ss~ Al~zahl v~)l, 1"SIlen ,li~, orthop!idisclml~ehandhmg durchaus l, icht iiberttiissig, lleTm das s,, erweit~q'te ~,rthtT~discheTurnen muss sieh doch stets aut' die I~ehandiung leichterer l,'~Ile beschrSnken.Ga.nz abgesehen dawm, dass :~uch das so (,rweiterte Schulturneu lange nichti iber alle notwendigen l~ehan,llungsrequisiten verfiigt, ist doch bei der Mehr-zahl der behandlungsbediirftigen Kinder eine ganz geregelte, systematische,tKglich ein bis zwei Stunden dauernde Anstaltsbehandhmg durehaus erforderlich.l)esh:db kann es sich, wenn bei dem Schulturnen yon Erfolgen ,lie Rede ist,immer nur um leichtere und leichteste l:i'~lh,, handeln, niemals um nut einiger-massen schwerere l"i~lle. Bei diesen is( (lie geregelte t~gliche Austaltsbe-hal~dhmg nich t zu entbehren. Es is( "~usgeschlossen, dass man bei ihnen mitzwei bis drei btunden in der Woche auskommt, selbst weJm man das 'l'urnennoch so sehr nach der l/ichttmg der orthopitdischea l~eharldlung erweitert.

Ich habc v(~rhin ges:~gt, (lass die Erweiterung des Schulturnens zurortbop/idischen Bebandlung in den Turnstunden letzten Endes eine finanzielleFrage fiir die S tad t sei. Aber, abgcsehen yore Kostenpunkt, der ja gewissn ich t ausschlaggebend zu sein braucht, muss doch der Zweckm~ssigkeits-standpankt b(~riicksichtigt werden, und dieser is( meiJ,es Er~chtens bei derErweiterung des orthop~tdischen Turnens zur orthopi£dischen Belmndlung nichtgeniigend gew::thrt.

Fast alle St~idte erfreuen sich jetzt einer orgt~nisierten geregeltenKriippelfiirsorge. Wo diese noch nicht besteht, wird sie in kiirzerer oder]£ngerer Zeit eingerichtet werden. In den grSsseren Stgdten haben wit sicjetzt jedenfalls iiberall schon. Diese organisierte Kriipt)elfiirsorge sorgt dafiir,dass alle Formen yon Kriipi)elhaftigkeit , yore leichtesten his zum schwerstenGrade, eine ausreichende spezialistisehe Anstaltsbehandlung erfahren. Es istnun doch das h'atiirliche, das Bequemste und Zweckmi~ssigste, dass, wie esbei uns geschieht, die der Behandlung bediirftigen Schulkinder einfach derOrganisation r~ugefiihrt werden, und es is( das weniger Nattirliche und nochdazu Unbequemere und Kostspieligere, dass u n t e r den Beh~ndlungsf~tllenzwischen leichteren und schwereren in der Weise ein Unterschied gemacht

l~ber Krtlppelftirsorge bei Schulkindern. 215

wird, dass die schwereren Fiille der Krfippelfiirsorge iiberwiesen, die leichterenabet in der Schule behandelt werden.

Ich will gar nicht yon der Gefahr reden, die doch unstreitig darin liegt,dass der sine und der andere Fall, der zun~,chst als leicht angesehen unddementsprechend in der Schule behandelt wird, sich mit der Zeit a]s schwererherausstellt und sparer doch, nach Verlust einer kostbaren Zeit, der ortho-p~dischen h n s t a l t zugefiihrt werden muss. Das wird sich ja schliesslich ver-meiden lassen, wenn das Schulturnen u n t e r iirztlicher Aufsicht vor sich gear.Aber ich sehe keinen Grund ein fiir die kiinstliche Trennung yon Behand-lungsfiillen.

Mir scheint deshalb der yon uns in der S t a d t Posen eingeschlageneWeg der zweckm~issigere zu sein. Wir gehen prinzipiell so vor, dass alleSchulkinder, die einer orthopiidischen Behandlung b e d f i r f e n - und wir sehenals behandlungsbedfirftig auch solche Deformit~ten an, bei denen erkennbareKnochenver~nderungen noch n i c h t vorliegen - - der Krfippelffirsorge zugeffihrtwerden. Wit haben dabei den Vortei], dass die Behandlung in einer Handliegt, dass die Kontrolle eine viel bessere ist, und wir laufen n i c h t Gefahr,dass die einer orthop~tdischen Anstaltsbehand]ung bediirftigen Kinder yon unsiibersehen werden, da ja bei den ~rztlicherseits regelm~ssig vorgenommenenRevisionen der Sehu]kinder nach meinem Vorsch]age so verfahren werdensoll, dass auch leichtere und leicbteste Fiille der Kriippelfiirsorge fiberwiesenwerden. Dazu kommt, dass, wie ich schon vorhin gesagt habe, die Zahl derSchulkinder, die einer orthop~tdischen Behandlung bediirfen werden, yon Jahrz u Jahr geringer werden wird, da wir durch unsere Krfippelfiirsorge, diesofort nach der S~uglingsfiirsorge einsetzt, darauf hinwirken, dass Verkriippe-lungen, wenn irgend mSg]ich, schon beseitigt werden, bevor die Kinder dasschulpflichtige Alter erreichen.

Nun wird yon den Freunden des orthop.~dischen Schulturnens der Ein-wand gemacht, dass dutch das orthopiidische Schulturnen Deformit~ten nichtsowohl geheilt, als vielmehr verhfitet werden sollen. Das ist gewiss ein sehr15blicher Zweck und ein ganz richtiger Gesichtspunkt, und auch ich babeyon meinem Standpunkte aus gegen eine solche Aufgabe des orthop~dischenTurnens nichts einzuwenden. Nur bin ich der Meinung, dass zum Zwcekeder Verhiitung yon Deformit£ten das allgemeine Schulturnen vollkommen aus-reichend ist, dass dagegen dort, wo auch nur leichteste Anzeichen einerDeformit~t sich zeigen, durch eine ordentlich durchgeffihrte orthop~discheBehandlung die Prophylaxe am besten gewahrt wird und dass am allernot-wendigsten eine st~ndige iirztliche (Jberwachung der Schulkinder mit Riick-sicht auf die Entstehung von Deformiti~ten ist, die sehr gut vom Schularztim Verein mit dem Arzt der stiidtischen Kriippelfiirsorge durchgeffihrt werdenkann. Auch iiber diesen P u n k t der ~trztlichen Uberwachung der Schulkinderhabe ich reich in dem vorher erw~hnten Aufsatz fiber ,Krfippelffirsorge inder Schule~ ausffihrlicher ausgesprochen.

Ich bin mit meinen Ausfiihrungen zu Ende. Es erschien mir zweck-m~issig, den vom Magistrat erforderten Bericht iiber die Heilerfolge a n ortho-

Arch. f Orthop., Moehanoth. u. Unf.-Chir. IX, '2/3 l~t

216 Marcus,

p~disch behandelten Schulkindern dadurch zu erweitern, dass ich einmal,wenigstens in grossen Umrissen, fiber die bier bestehende Kriippelffirsorgeund deren Erfolge berichtet habe und sodann ausffihrlicher auf das Schul-turnen eingegangen bin. Man kann wohl ohne weiteres sagen, dass dieKrfippelfiirsorge bei uns durchaus zweckm~ssig organisiert ist, gut geleitetwird und ordentlich funktioniert. Sie wird sicherlich im Laufe der Jahrenoch weiter ausgebaut werden, was Umfang, und vielleicht auch, was Art derOrganisation anbetrifft. Aber man wird riickhaltlos zugestehen mfissen, dassdie S t a d t Posen auf diesem Gebiete alles getan hat und tut, was nStig undmSglich gewesen ist. Wan das Schulturnen anbetrifft, so glaube ich durchmeine Darlegungen gezeigt zu haben, dass wir bier in Posen ein solchesnicht brauchen, einfach deshalb: weft wir d u t c h unsere Einrichtungen aufdem Gebiet der Krfippelfiirsorge entschieden mehr leisten als das ortho-p~dische Schulturnen auch in seiner erweiterten Form, und zwar nicht nutin bezug auf die Verhfitung yon Deformit~ten.

Die Prophylaxe, d. h. die ~rztliche (i:berwachung der Schulkinder aufdiesem Gebiete, ist zwar noch n i c h t ganz so eingeriehtet, wie ich es vor-geschlagen babe. Ich hoffe aber, dass man fiber kurz oder lang hier bei unsmeinen Anregungen folgen wird, und ich kann nut sagen, dass auch jetztschon yon seiten der SchulbehSrden und der Schul~rzte ein erheb|iches Ge-wicht auf die zeitige Feststellung der einer orthop~idischen Behand]ung be-diirftigen Kinder gelegt wir(t.

Soweit der Bericht.Um zu zeigen~ dass die in meinem Bericht niedergelegte Ansicht be-

ztiglich des orthop~dischen Schulturnens durchaus fibereinstimmt mit dem,was auf dem schon anfangs zitierten 17. Allgemeinen Deutschen Turnlehrertagin Darmstadt yon massgebendsten Faktoren vorgebracht worden ist, kommeich noeh einmal auf das Referat fiber diesen Turnlehrertag in der ,Zeitschriftffir Kriippelfiirsorge" zurfick (Bd. 3, Heft 2). Es heisst in ihm: ,Aus allem,was wir heute gehiirt haben, ergibt sich, dass es ein orthopi~disches Schul-turnen eigentlich nicht gibt und dass das ein Gebiet ist, womit wir Turn-lehrer uns nicht zu befassen haben".

Und zum Schluss heisst es in demselben Referat: ,Es scheint nunmehralles Missverst~ndnis zwischen Lehrern und :~.rzten aus dem Wege geriiumtund der Grund und Boden daffir geschafi'en zu sein, dass diese beiden nebendem EIternhaus wichtigsten Faktoren nunmehr Hand in Hand arbeiten undam besten vie]leicht yon der Krfippelffirsorge aus mit Aussicht auf Erfolgsich a n die Bekiimpfung der immer mehr und mehr am sich greifenden Sko-liose im schulpfiichtigen Alter machen kSnnen".

Es ist das genau dasselbe, was ich in meiner Arbeit fiber ,Kriippel-fiirsorge in der Schule" gesagt habe, und ich kann nur binzusetzen, dass fiirdiese gemeinsame Arbeit yon Lehrern und _&rzten auf dem Gebiete derSkoliosenbeki~mpfung der Boden hier bei uns sehr gut vorbereitet ist; denn

Ober Kriippelfilrsorge bei Schulkindern. 217

bei den hier in Posen yon Zeit zu Zeit regelm~sig stattfindenden Turnlehrer-kursen hat der die Kurse abhaltende Herr Oberturnlehrer Kloss stets daraufgesehen, dass s~mtliche Teilnehmer sich fiber das W e s e n der Skoliosenbe-handlung orientierten, soweit ieh durch kurze Vortr~ige und Demonstrationenan Apparaten einen Uberblick zu geben vermochte. U n d das gilt nicht nuryon den Turnlehrern, sondern auch yon alle~ anderen; denn es wenden sichLehrervereine wiederholt an reich mit dem Ersuchen, sie fiber das W e s e n derKriippelffirsorge zu orientieren.

Es ist selbstverst~indlich und nut im Interesse der Ausbreitung derKrfippelfiirsorge liegend, dass m a n diesem W u n s c h e g e m nachkommt.

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