untersuchungen zur sonnenkompaßorientierung und laufaktivität von smaragdeidechsen (lacerta...

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Aus dem 1. Zoologischen Institut der Georg-August-Universitit Gottingen Untersuchungen zur Sonnenkompafiorientierung und Laufaktivitat von Smaragdeidechsen (Lacerta viridis Laur.) Von KLAUS FISCHER Mit 17 Textabbildungcn Eingcgangen am 15. 3. 1961 In h a I t : Einleitung S. 450. - Versuchstiere und Mcthode S. 451. - Befunde S. 452. - 1. Richtungsdrcssurcn zu nur einer Tagcszeit S. 452. - 2. Nachwcis dcr Sonnenkompafl- orienticrung S. 454. - 3. Orientierung zur Nachtzeit S. 455. - 4. Orientierung und Lauf- aktivitat nach Verstellen der innercn Uhr S. 456. - a) Umstimmung auf den phasenver- schobencn Tag S. 456. - b) Riickumstinimung S. 460. - 5. Umstimmung vom Normaltag auf den Lang- und den Kurztag S.460. - 6. Freilandversuche S. 462. - Einflufl der Sonnenhohc S. 463. - Erorterung dcr Bcfunde S. 465. - Zusammenfassung S. 467. - Summary S.468. - Literatur S. 469. EIN LEITU N G Das Vermogen, sich nach dem Stand der Sonne kompaflgerecht zu orien- tieren, wurde unter den Wirbeltieren bisher bei Vogeln (Zusammenfassungen bei KKAMEK 1957, v. SAINT PAUL 1958, HOFFMANN 1960), Schildkroten (GOULD 1957) und Fischen (HASLER, HORRAL, WISBY und BRAEMEK 1958, SCHWASSMANN 1960, BKAEMER 1959, 1960) nachgewiesen. Die Sonnenkom- paflorientierung setzt einen zentralnervosen Mechanismus voraus, der den tageszeitlichen Sonnenumlauf mit Hilfe der ,,inneren Uhr" rechnerisch kom- pensiert. Die Uhr laflt sich durch Verschiebung der Hell-Dunkelphasen des natiirlichen 24-stundigen Tages ,,verstellen" (HOFFMANN 1954) und in Gren- zen auch an verschiedene Phasenlangen der Hell-Dunkel-Wechsel anpassen. Die weite Verbreitung dieser Fahigkeit auch bei Wirbellosen, vor alleni Insekten und Krebsen (Zusammenfassungen bei PARD1 1957,1960; HEKAN 1958, RENNEK 1958,1960) lafit ungeachtet der Bauplanunterschiedevergleichbare Funk- tionsweisen der Taxismechanismen und der inneren Uhren vermuten. Ihre physiologische Analyse wird um so erfolgreicher sein, jemehr Vergleichsmaterial aus den verschiedensten Tiergruppen zur Verfugung steht; bei Wirbeltieren ist die Vergleichsbasis noch verhaltnismaflig schmal. So lag es nahe, auch ge- eigiiete Vertreter der Reptilien, deren Lernvermogen bei Eidechsen gut ent- wickelt ist (BEKGEK 1924, EHKENHARDT 1937), in den Kreis der Untersuchun- Sen einzubeziehen. In der vorliegenden Arbeit wird die Sonnenkompaflorien- tierung der Smaragdeidechse (Lacerta viridis Laur.) nach einer schon 1960 mit- geteilten Dressurmethode (FISCHEK u. BIKUKOW) untersucht und ihr Richtungs- finden durch experimentelle Beeinflussung der inneren Uhr im phasenverscho- benen Tag gepruft. Durch Umstimmungsversuche sollten zugleich d:ie Zusam- menhange zwischen der endogenen Aktivitatsperiodik der Eidechsen und ihrer zeit- und kompaflgerechten Oricntierungsfahigkeit geklart werden; so war auch zu fragen, ob die Umstimmung auf einen phasenverschobenen Tag in beidcn Verhaltensweisen gleich gut und gleich schnell gelingt (vgl. RAWSON 1954 und HOFFMANN 1954). Von besonderem Interesse war auch die Frage, wie sich diese Tagestiere zur Nachtzeit orientieren, wenn sie zuvor am Tage eine bestirnmte Himmelsrichtung erlernt hatten.') rege Anteilnahmc. __---- ') Mcincm Lehrer, Hcrrn Prof. Dr. GEORG BIRUKOW dankc ich fur das Thcma und die

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Aus dem 1. Zoologischen Institut der Georg-August-Universitit Gottingen

Untersuchungen zur Sonnenkompafiorientierung und Laufaktivitat von Smaragdeidechsen (Lacerta viridis Laur.)

Von KLAUS FISCHER Mit 17 Textabbildungcn

Eingcgangen am 15. 3 . 1961

I n h a I t : Einleitung S. 450. - Versuchstiere und Mcthode S. 451. - Befunde S. 452. - 1. Richtungsdrcssurcn zu nur einer Tagcszeit S. 452. - 2. Nachwcis dcr Sonnenkompafl- orienticrung S. 454. - 3. Orientierung zur Nachtzeit S. 455. - 4. Orientierung und Lauf- aktivitat nach Verstellen der innercn U h r S. 456. - a) Umstimmung auf den phasenver- schobencn Tag S. 456. - b) Riickumstinimung S. 460. - 5. Umstimmung vom Normaltag auf den Lang- und den Kurztag S.460. - 6. Freilandversuche S. 462. - Einflufl der Sonnenhohc S. 463. - Erorterung dcr Bcfunde S. 465. - Zusammenfassung S. 467. - Summary S.468. - Literatur S. 469.

E I N LEITU N G Das Vermogen, sich nach dem Stand der Sonne kompaflgerecht zu orien-

tieren, wurde unter den Wirbeltieren bisher bei Vogeln (Zusammenfassungen bei KKAMEK 1957, v. SAINT PAUL 1958, HOFFMANN 1960), Schildkroten (GOULD 1957) und Fischen (HASLER, HORRAL, WISBY und BRAEMEK 1958, SCHWASSMANN 1960, BKAEMER 1959, 1960) nachgewiesen. Die Sonnenkom- paflorientierung setzt einen zentralnervosen Mechanismus voraus, der den tageszeitlichen Sonnenumlauf mit Hilfe der ,,inneren Uhr" rechnerisch kom- pensiert. Die Uhr laflt sich durch Verschiebung der Hell-Dunkelphasen des natiirlichen 24-stundigen Tages ,,verstellen" (HOFFMANN 1954) und in Gren- zen auch an verschiedene Phasenlangen der Hell-Dunkel-Wechsel anpassen.

Die weite Verbreitung dieser Fahigkeit auch bei Wirbellosen, vor alleni Insekten und Krebsen (Zusammenfassungen bei PARD1 1957,1960; HEKAN 1958, RENNEK 1958,1960) lafit ungeachtet der Bauplanunterschiedevergleichbare Funk- tionsweisen der Taxismechanismen und der inneren Uhren vermuten. Ihre physiologische Analyse wird um so erfolgreicher sein, jemehr Vergleichsmaterial aus den verschiedensten Tiergruppen zur Verfugung steht; bei Wirbeltieren ist die Vergleichsbasis noch verhaltnismaflig schmal. So lag es nahe, auch ge- eigiiete Vertreter der Reptilien, deren Lernvermogen bei Eidechsen gut ent- wickelt ist (BEKGEK 1924, EHKENHARDT 1937), in den Kreis der Untersuchun- Sen einzubeziehen. In der vorliegenden Arbeit wird die Sonnenkompaflorien- tierung der Smaragdeidechse (Lacerta viridis Laur.) nach einer schon 1960 mit- geteilten Dressurmethode (FISCHEK u. BIKUKOW) untersucht und ihr Richtungs- finden durch experimentelle Beeinflussung der inneren Uhr im phasenverscho- benen Tag gepruft. Durch Umstimmungsversuche sollten zugleich d:ie Zusam- menhange zwischen der endogenen Aktivitatsperiodik der Eidechsen und ihrer zeit- und kompaflgerechten Oricntierungsfahigkeit geklart werden; so war auch zu fragen, ob die Umstimmung auf einen phasenverschobenen Tag in beidcn Verhaltensweisen gleich gut und gleich schnell gelingt (vgl. RAWSON 1954 und HOFFMANN 1954). Von besonderem Interesse war auch die Frage, wie sich diese Tagestiere zur Nachtzeit orientieren, wenn sie zuvor am Tage eine bestirnmte Himmelsrichtung erlernt hatten.')

rege Anteilnahmc.

__---- ') Mcincm Lehrer, H c r r n Prof . Dr. GEORG BIRUKOW dankc ich fur das Thcma und die

Untersuchungen zur Sonnenkompaflorientierung und Laufaktivitat usw. 45 I

VE RSUCHSTI ERE U N D METH ODE Die Smaragdeidechsen bezog ich aus dem Fachhandel und hielt sie in einem

100 X 80 X 53 cm groRen Terrarium a n einem Sudfenster des Institutes bei zusitzlicher Be- leuchtung durch eine 200-Watt-Lampe zur Tageszeit und taglicher, etwa einstundiger UV- Bestrahlung (Osram Ultra-Vita-Lux). Eine Schaltuhr steuerte den Beleuchtungsrhythmus. Die Tiere fuhlten sich wohl: sie imponierten, kampfien und balzten; ein 9 legte im Laufe cines Sommers 5mal Eier ab.

Fur alle Versuche verwendete ich eine runde, homogen gelb gestrichene Dressurarena von 80 cm b, (Abb. 1). Ihr Boden bestand aus drei konzentrischen, gegcneinander bewcg-

30 cm hohem u m 130" nach auflen geneigtem Abschirmr

Abb. 1. Schema der Versuchsapparatur: a) Querschnitt und Aufsicht, b) Gcsamtansicht. A : Zentralplatte (b, = 50 cm), B: Zwisdien- ring (10 cm breit), mit unsichtbar eingebauter Heizplatte, C: AuRenring (5 cm breit) mit

and D

lichen Teilen: der Zentralplatte A von 50 cm b,, dem 10 cm breiten Zwischenring (B) und dem 5 cm breiten Auflcnring (C) mit einem 30 cm hohcn, urn 130' nach auRen geneigten Abschirmrand (D). Im Zwischenring war , fur das Versuchstier und fur den Beobachter un- sichtbar, eine elektrische Heizplatte von 10 X 10 cni eingelassen. Diese konnte auf e twa 40° C erwarmt werden, was nach HERTER (1941) der Vorzugstemperatur von Lncerta VlYld25 entspricht. Der ubrige Boden der Arena war hohl und durch flieRendes Wasser kuhlbar. Die drci Ringe der Versuchsapparatur waren beliebig gegeneinander verstellbar, ebenso konnte auch die ganze Arena mittels Rollen und Schienen im verdunkelbaren Vcrsuchsraum von 6,5 X 6 X 5 m beliebig orientiert werden.

Die behcizte Stelle des Zwischenringes lockte die warmeliebenden Tiere an; dabei mufiten sie, wie weite unten S. 452 geschildert wird, den Richtungswinkel des warmen Platzes relativ zu einer ,,kiinstlichen Sonne" erlernen, einem Motorradscheinwerfer von 6 V und 25 W, der in 2,20 m Entfcrnung vom Arenamittelpunkt in beliebig einstellbarem Hohen- und Seitenwinkel strahlte. Er war mittels cines Metallrohres am Tisch, der die Versuchs- arena trug, befestigt. Die Warrnestrahlung der ,,Sonne", die in der Arena eine Helligkeit von etwa 200 Ix erzeugte, war dabei zu vernachlassigen. Urn eine Orientierung nach optischen

452 KLAUS FISCHER

oder akustischen Marken auszuschalten, wechselte nach fast jedem Vcrsuch sowohl die Lagc der drei Ringe zueinander als auch die Stellung der Vcrsuchsanordnung im Raume.

Als optinial erwies sich eine Raumtemperatur von etwa 14O-17OC Lei eincr Kuhl- wassertemperatur yon etwa 10°-130 C. Alle Dressuren fanden ini 12/12-Std.-Tag start:

dabei nalt die Sonnenazimutkurve der

72Of’’

Abb. 2. Sonnenazimutkurven von Gottingen ((1) = 51,32”) fur den 21. 12. (I), 21. 3. (11) und

21. 6 . (111)

Fruhjah;s-Tag-Nacht-Gleiche vom 21. 3. (Abb. 2 : 11) l ) .

Nach gefestigter D r e s s u r blieb ini unbelohnten T e s t v e r s u c h die Heiz- platte an beliebigem O r t aui3erhalb der Dressurrichtung eingeschaltet. Dies storte die Wahlen richtungsdressierter Tiere kei- ncsfalls; bisweilen kam cs sogar vor, dafl ein Tier auf dem Weg zum richtigen O r t die warme Plat te am falschen uberquerte, ohne sie zu beachten. Die Richtungsten- denz war also starker als die unbedingte Reaktion.

Gut dressierte Tiere wahlten ohne cingeschobene Belohnung 3-4mal nach- einander. Als Richtungswahl galt Suchen am Dressurort; dabei liefen die Versuehs- tiere entweder geradlinig dorthin, wo sie die warme Plat te erwarteten, oder sie gingen zuerst auf dem AuRenring entlang bis zum Dressurort und bogen erst dann auf den Zwischenring ein; manchmal lie- fen sie ebenso auf dem Zwischenring und hielten dann an der richtigen Stelle an. Hier priiften sic zungelnd den Boden, blickten nach der Lichtquclle, pruften wie- der, liefen ein paar Schritte weiter, kehr- ten urn und wiederholten die Suchbewe- gungen. Wenn man die Tiere nicht allzu- oft nacheinander prufte, nahmen sie im unbelohnten Versuch am Dressurort die typische Sonnstellung, mit gespreizten RiDDen flach auf dem k a 1 t e n Zwischen- r ing liegend, ein. Als Kichtpunkt zur Be- stimmung des gewahlten Winkels galt stets

der Kopf des ruhenden oder am Dressurort suchenden Tieres; die Ablcsegenauigkeit war 2 10”. Den Dressurort koniitcn sie also auf verschiedenen Wegen erreichen; anscheinend hatten sie wahrend der Dressur eine genaue Kenntnis aller raumlichen Beziehungen innerhalb der Arena erworben und bezogen auch alle Umwege zum Dressurort auf die erlernte KompaRrichtung. Wie Kontrollversuche (vgl. weiter unten S. 453) zeigten, richteten sieh jedoch die Tiere nur nach der Lichtquelle; falsche Orientierungsschlussel durften kaum mitgespielt haben, denn fast in jedem Versuch wechselte die L a g der drei Ringe zueinander, ebenso auch die Stellung der Ver- suchsapparatur im Raume. Eine genauere Analyse des Wegfindens in linear vcrgrokr ten und verkleinerten Arenen sowie beim Star t auRerhalb des Zentrums ist z. Z. im Gange.

BEFUNDE

1. Richtungsdressur zu nur einer Tageszeit In Vorversuchen prufle ich die Leistungen von drei Versuchstieren A, B

und C; sie mufiten zu e i n e r bestimmten Tageszeit e i n e Himmelsrichtung erlernen. Die Heizplatte stand dabei unter einem Azimut zur kiinstlichen Sonne, der dem mittleren Winkel zur wirklichen Sonne fur die be- trefiende Himmelsrichtung und Uhrzeit im 12-stundigen Tag entsprach. Als willkurliche relative Nord-Sudlinie galt bei der Dressur und in den nachfolgenden Versuchen eine Linie durch den Mittelpunkt der Arena und den Befestigungspunkt der Lichtquelle am drehbaren Versuchstisch.

1) Herrn Dr. ELSTE von der Sternwarte der Universitat Gottingen danke ich fur die Berechnung der Sonnenazimutkurven.

[Jntersuchungen zur SonnenkompaRorientierung und Laufaktivitit usw. 453

Darauf bezog ich jeweils den Winkel zwischen der Richtung zur Heizplatte und zur Lichtquelle zur gegebenen Tageszeit. Wahrend der Dressur blieb die kunstliche Sonne relativ zur Arena am Ort.

Ab 24. August 1959 wurde Versuchstier A taglich von 13.30 bis 14.15Uhr nach ,,Osten"; B von 12.30 bis 13.15 Uhr nach ,,Norden" und C von 9.30 bis 10.15 Uhr nach ,,Westen" dressiert. Bezogen auf die ,,apparatfeste" Nord- Siidrichtung betrug also der Richtungswinkel fur A 120°, fur B 165' und fur C ebenfalls 120".

Alle drei Versuchstiere verhielten sich am ersten Tag gleich. Sie liefen un- ruhig in der Arena umher und versuchten heftig auszubrechen. Dies dauerte solange, bis sie in Kaltestarre verfielen. Dann setzte ich sie auf die warme Stelle, wo sie jcdoch nicht lange verharrten.

Etwa vom dritten Tag ab gewohnten sie sich an die Versuchsanordnung uiid wurden ruhiger. Jetzt setzte ich sie stets in der Mitte der Arena ein und iiberliefl sie sich selbst. Bisweilen fanden sie den warmen O r t zufallig und blieben dort bis zum Ende der Dressurzeit. Meist mui3te ich jedoch nach etwa drei Minuten nachhelfen, indem ich die Tiere auf die warme Stelle setzte. Nach durchschnittlich 15 Tagen hatten sie gelernt, zur Dressurzeit sofort den richtigen Winkel zur kiinstlichen Sonne zu wahlen.

In den kritischen Wahlen vom 9. 9.-17. 9. 1959 und vom 27. 10. bis 2. 11. 1959 belohnte ich stets nach der Wahl. Bei diesen Versuchen wechselten Heizplatte, innerer und auflerer Ring standig ihre Lage zueinander und die Gesanitapparatur oft ihre Stellung im Kaum. Ebenso wechselte der Beobachter, der aus etwa 3 m Entfernung den Versuch uberwachte, haufig seine Stellung. Wie Abb. 3, obere Reihe belegt, wahlten alle drei Versuchstiere recht genau

N N N

W 0

Osttest Nordtest Westtest 1430 - l f 15 h

nw//----) : :*

0 0 .* .. 2::::::: 0 0 w W ......::

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o w Kontrolltest Kontrolltest Kontrolltes f

S

N N N

o w Kontrolltest Kontrolltest Kontrolltes f

S

Abb. 3. Testwahlen von drei Versuchstieren zur gegebenen Tageszeit. Obere Reihe: zur Dressurzeit bei richtigem Stand der kiinstlichen Sonne; untere Reihe: nach Ver-

stellen der Lichtquelle in Kontrollversuchen

jedes die von ihm erlernte Richtung. Um nun zu prufen, ob sie sich vielleicht nach zusatzlichen optischen Marken gerichtet hatten, veranderte ich die Stel- lung der Lampe in Kontrollversuchen (Abb. 3, untere Reihe). Die Tiere blie- hen dem andressierten Winkel jedoch im richtigen Sinne treu.

2. Tierpsycfiol. Bd. 18, H e f t 4 29

454 KLAUS FISCHER

2. Nachweis der Sonnenkornpaflorientierung e i n e r Tageszeit auf eine bestiinmte

Iiimmelsrichtung und pruft sie zu anderen Tageszeiten, so wahlen sie meist unter Verrechnung der Sonnenwanderung kompafltreu. N u r ein geringer Prozentsatz orientiert sich zu allen Tageszeiten winkeltreu (BRAEMER 1959). Bei entsprechenden Versuchen an Vogeln wurden lichtwinkelkonstante Wahlen haufig beobachtet (KRAMER 1957, SCHMIDT-KOENIG 1958).

Bei Eidechsen in dieser Versuchsanordnung ergaben Stichproben zu an- deren Tageszeiten als der Dressurzeit stets lichtwinkeltreue Wahlen und nie- mals Anzeichen fur eine kompafltreue Orientierung unter Einrechnung der tageszeitlichen Sonnenwanderung. Weil jedoch die Lichtquelle wahrend der ganzen dreiviertelstundigen Dressur am O r t blieb, wahrend die wirkliche Sonne in der gleichen Zeit um etwa 15' weiterwanderte, konnte man einwenden, der Scheinwerfer habe als eine beliebige optische Richtmarke und nicht als ein ,,Himnielgestirn" gerichtet.

Aber die Tiere erlernten das Verrechnen der Sonnenwanderung, als ich k o m p a fl t r e u e D r e s s u r e t i zu verschiedenen Tageszeiten einfuhrtc..

d. h. den Richtungswinkel

Dressiert man Fische zu n u r

zur Lichtquelle fur-die be- treffende Kompaflrichtung gemafl der Tageszeit veran- derte. Die kunstliche Sonne blieb dabei meridianfest am Ort, wahrend die Heizplatte fur jedes Tier und jede Uhrzeit im kompaflgerechten Winkel dazu stand. Zwischen 6 und 18 Uhr wurden die Ei- dechsen zweimal taglich, je etwa 20-30 Min. lang, in unregelmafligem Wechsel auf beliebige kompafltreue Win- kel nachdressiert. Dabei setzte ich die Tiere stets in die Mitte der Dressurarena in beliebiger Stellung zur ,,Some" ein.

A wahlte nach 18 Tagen Nachdressur, B nach 12 und C nach 7 Tagen in unbelohn- ten Testversuchen recht genau den zur gegebenen Tageszeit gultigen Winkel (Abb. 4). Im Anschlui3 an die kritischen Versuche wurde stets belohnt. Somit bedarf es zum Erlernen

r der k o m p a i 3 t r e u e n Ori- I .

Abb. 4. N o r d : Kleine Kreise; Ost : Kreuzchen; West: entlerung gewlssen Punktc. Tcstwahlen von drei Tieren nach Nachdressur ,,Nachhilfe"; anscheinend auf konipafltreue Orienticrung. Ordinate: Richtungs- brauchen aber die Eidechsen winkel der unbelohnten Wahlen zur feststehenden, kiinst- die vollstandige Sonnenbahn lichen Sonne. Abszisse: Uhrzciten. Die Sonnenazimut- kurven sind jeweils auf die Dressurrichtung bezogen nicht zu e r l e r n e n y

(21. 3. Gottingen, (p=51,32"; 12 Std. Normaltag) konnen sie dieseoffenbarauch

Untcrsuchungcn zur Sonnenkompafiorientieruiig und Laufaktivitit usw. 455

aus Teilstucken rekonstruieren, denn wahrend der Nachdressur hatten sie keineswegs Gelegenheit, jeweils alle Azimute fur die betreffende Himmels- richtung zu erlernen. Dies bestatigte sich spater auch Lei Orientierung zur Nachtzeit (vgl. unten S. 455).

Zum Vergleich dressierte ich ab 10. 12. 1959 M3nnchen D sofort auf k o ni p a fi - g c r c c h t c s W S h l e n i n d e r N o r d r i c h t u n g z u v e r s c h i e d e n c n U h r - z c i t e n . D a das Tier sehr ruhiz war, gcwohnte cs sich rasch an die Versuchsi bcdingungen. Etwa dreimal tiiglich setzte ich es fur 10 bis 15 Min. sogleich auf die warme Plattc. Am 13. 12. 1959 war uni 14 U h r der erste Test crfolg- reich, ein weiterer um 17.25 U h r und die folgenden cbenso. D hatte also schon nach dreieinhalbtagigcr Dressur gelernt, kompafigerecht zu wahlen (Abb. 5). Vom 18. bis 29. 12. 1959 unterbrach ich die Versuche; in anschliefienden Testwahlen zeigte sich, d a 8 D inzwischen allcs ver- gessen hatte. Das Auffrischen der Dres- sur dauertc danach 4 Tage. Smaragd- cidechsen, die sofort auf konipafigerech- tes Wihlen dressicrt mrrden, diirften also dic Konipafiorientierung erheblich rascher lcrncn.

ALb. 5. Tcstwahlen eincs wahrend drci- einhalb Tagen untcr Beriicksichtigung der Sonnenwandcrung nach Norden

dressierten Tiercs L

6 8 ro ?z IY 16 whMEZ

3. Orientierung zur Nachtzeit Wahrend der Amphipode Talitrus saltator (PAPI und PARDI 1953), dcr

Tenebrionide Phaleria provincialis Fauv. (PAKDI 1955), die Wasserwanze Yelia currens F. (BIRUKOW wid BUSCH 1957) und die Spinne Arctosa variana C. L. Koch (TONGIOKGI 1959) sich zur Nachtzeit so orientieren, als liefe die S o m e von Westen uber Siiden nach Osten zuruck, wies HOFFMANN (1958) an unter der Mitternachtssonne richtungsdressierten Staren nach, dai3 sie die Wanderung der Sonne wahrend der Nacht von Westen uber Norden nach Osten, also im Uhrzeigersinn, einrechnen. Die Stare verhielten sich ahnlich wie LJNDAUEKS (1954, 1957) Bienen, die nachts eine Sonnenbahn richtig ver- rechneten, welche sie nie in ihrem Leben gesehen hatten.*)

Im I2-stiindigen Tag waren Tier A auf Osten, B und D auf Norden dressiert worden. Zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche ist der Verlauf der Sonnenazimutkurve in der Nacht der gleiche wie am Tage. Ein auf Norden dressicrtes Tier mut3 also Lei feststehender kunstlicher Sonne urn 18 Uhr einen Winkel von 90" nach rechts wahlen, um 24 Uhr mui3 es unter 0" zur Sonnc steuern und urn 6 Uhr niorgens 90" links davon, falls es die n5chtlicheSonnen- bnhn kennt und sie im Uhrzeigersinn einkalkuliert. Die Tiere wurden wahrend der Nacht zweimal gepruft; einmal vor und einmal nach Mitternacht; be- lohnte Wahlen gab es nachts niemals, doch frischte ich die Dressuren am Tagc wieder auf. Vor jedem Versuch bot ich den Eidechsen etwa eine halbe Stunde lang Licht, um sie aktiv zu machen. D a nachts die Versuchsbedingungen ideal

?) h'acli SCHMIDT-KOENIG (1961) schcinen jedoch Tauben zur Nachtzeit eine scheinbarc Sonnenbewegung gcgen den Uhrzeigersinn zu rerrechnen. Auch bci Wirbeltiercn durfte es demnach zwei Typcn der Nachtorientierung gebcn.

29.'

456 KLAUS FISCHER

waren, wahlten sie je Test durchweg 3- bis 5mal. Wie Abb. 6 zeigt, ver- rechnen Smaragdeidechsen nachts eindeutig die Sonnenbewegung im Uhr- zeigersinn. Tier A und B fielen allerdings zu Beginn fast aller Nachtversuche in die zuerst andressierte Lichtwinkelkonstanz zuriick (vgl. SCHMIDT-KOENIG 1958), wahlten aber dann ebenfalls kompafltreu. Tier D, das von vornherein

f0 -1 . 10 -

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I

rb I h i2 ' ' .i I 4 ' bhMEZ Abb. 6 . Testwahlen von drei nach N o r d und Ost dressierten Tieren zur Nachtzeit. Ordinate: Richtungswinkel der Wahlen zur feststehenden, kiinstlichen Sonne. Abszisse: Uhrzeit von 18 bis 6 Uhr . Alle Sonnenazimut- kurven sind jeweils auf die Dressurrichtung bezogen und gelten fur Gottingen am 21. 3. In (b) und (c) ist der Bereich, in dem die Tiere 1-3mal winkeltreu wahlten, durch senkrechte

Striche bezeichnet

auf Kompafltreue dressiert worden war, verhielt sich anders; die winkeltreuen Wahlen blieben hier aus. Aus unbekannten Grunden stellte es am 18. 12. 1959 die Reaktionen ein; vom 19. 3. bis zum 30. 3. 1960 reagierte es wieder, so dai3 ich die Versuche voll erfolgreich zu Ende fuhren konnte.

4. Orientierung und Laufaktivitat nach Verstellen der inneren Uhr a) U m s t i m m u n g a u f e i n e n p h a s e n v e r s c h o b e n e n T a g

Nachdem es unter Laboratoriumsbedingungen gelungen war, bei der Smaragdeidechse mittels des ,,Warmetests" eine Sonnenkompaflorientierung

Untersuchungen zur Sonncnkompal3orientierung und Laufaktivitat usw. 457

nachzuweisen, lag es nahe, ihre Richtungswahlen im phasenverschobenen Tag zu prufen und mit dem tagesperiodischen Verlauf der lokomotorischen Aktivitat zu vergleichen. Dabei sind vier Moglichkeiten denkbar:

1. Die innere Uhr schwingt in der alten Phase weiter und vermag sich nicht an den veranderten Zeitgeber anzupassen. Die Tiere mussen im alten Dressursinn weiter wahlen.

2. der neue Zeitgeber und der innere Rhythmus halten einander die Waage; die Tiere sind entweder desorientiert oder schwanken zwischen der alten und neuen Richtung.

3. Die innere Uhr stellt sich mehr oder minder schnell auf die neue Phasenlage des Tag-Nacht-Wechsels um. Dann mussen sich die Wahlen der richtungsdressierten Eidechsen durch zeitliche Verschiebung der Hell-Dunkel- Phasen in voraussagbarer Weise beeinflussen lassen, da der zentralnervose Verrechnungsmechanismus und die innere Uhr miteinander gekoppelt sind.

4. Die innere Uhr pai3t sich dem neuen Hell-Dunkel-Wechsel gleitend an. Die Wahlrichtung verschiebt sich dann allmahlich im Sinne der neuen Phasen- lage.

Bringt man z. B. ein auf Westen dressiertes Versuchstier in einen Tag- Nacht-Wechsel, der um 6 Stunden gegen den normalen 12/12 Std.-Tag nach- geht, so mua es, um 12 Uhr des Normaltages gepruft, um etwa 90' im Uhr- zeigersinn von der ursprunglichen Dressurrichtung abweichen, da die Sonne am 21. 3. in 6 Stunden um etwa 90' weiterwandert. Es muate demnach nach Norden laufen, da 12 Uhr ,,wahre Zeit" jetzt 6 Uhr ,,subjektive Zeit" be- deutet - um 6 Uhr mui3 also das auf Westen dressierte Tier einen Azimut- winkel von 180' einhalten, um ans Ziel zu kommen. Dieselbe Oberlegung gilt fur einen um 6 Stunden vorgestellten Tag: 24 Uhr ,,wahrer Zeit" ent- spricht dann 6 Uhr ,,subjektiver Zeit", das Tier muate also um Mitternacht die Sudrichtung einhalten. Versuchsunterbrechungen hatten gezeigt, dai3 Sma-

fier B

..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .....

five ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... 0 7s :::::

f i V D ..... ..... ..... CI) ..... YZ *..

Abb. 7 a-e. Verlauf der Umstinimung von drei Tieren auf einen um 6 Stunden verspateten Kuiisttag von 12112 Std. a) Unbelohnte Testwahlen vor dcr Umstimmung, b-e) Urnstim- inungsverlauf; volle Kreise: Erste Umstimmung vom 16. 1. bis 20. 1. 1960, leere Kreise:

Zweite Umstimmung vom 23. 2. bis 27. 2. 1960

458 KLAUS FISCHER

190 - -

170 - -

150 - -

130 -

Abb. 8. Apparatur zur Registrierung der Laufaktivitiit von Smaragdeidechscn

ragdeidechsen eine andressierte Himnielsrichtung wahrend ungefahr acht iibungsfreier Tage behielten. Bis zum 6. Tag wahlten sie sehr genau; d a m be- gannen die Wahlen starker zu streuen. Fur die ineisten bisher untersuchten

701 r 1 r

b)

_Ir , . . . . . . . . . . .

1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 7 9 11 13 15 17 19 21 23 I 3 5hMEZ

Abb. 9 a , b. Laufaktivitat von Smaragdcidechsen. a) I m 12il2stundigen Normaltag, b) I m uni 6 Stunden gegen den Normaltag verspiitctcn Kunsttag. Die Dunkclphase ist durch schwarzen

Balken bezcichnet. Ordinate: Anzahl der Aktivitiitszacken je Std. Abszissc: Uhrzcit

Untersuchunpen :cur Sonnei ikompa~orient ierung und Laufaktivitat usw. 459

lichtabhangigen Rhythmen gibt ASCHOFF (1958) 3,8 bis 8,5 Tage Umstim- mungsdauer an. Es schien daher kaum wahrscheinlich, dai3 bei so stark licht- abhiingigen Tieren wie Smaragdeidechsen, falls sie sich uberhaupt umstimmen lassen, die Umstimmungszeit langer als die ,,Behaltezeit" sein wurde. Die Tiere hielt ich bei diesen Versuchen in einer Klimakammer bei 30' C. Eine 100 Watt-Lampe uber dem Terrarium erzeugte eine Helligkeit von etwa 1000 lx. Gegen tagesperiodische Gerausche war die Kammer weitgehend isoliert. Wahrend der kritischen Testversuche wurde niemals belohnt. Ab 16. 1. 1960 brachte ich die Tiere B, C und D in einen Tag-Nacht-Wechsel, der um 6 Stunden gegenuber dem normalen nachging. Die Hellphase dauertc jetzt von 12 bis 24 Uhr, die Dunkelperiode von 24 bis 12 Uhr. Am 17. l., dem zweiten Umstimmungstag, wurden B um 15 Uhr, C um 13.15 Uhr und D urn 13.30 Uhr gepruft. V i e Abb. 7 c (ausgefullte Kreise) zeigt, wahlten B und D die alte Dressurrichtung; C streute stark. Am 18. 1. waren jedoch alle drei vollig desorientiert (Abb. 7d). D wahlte gar nicht, sondern blieb an der Ein- satzstelle liegen, wo es in Kaltestarre verfiel. Am 19. und 20. 1. 1960 waren jedoch alle drei Tiere voll auf den phasenverschobenen Tag-Nacht-Wechsel umgestimmt und wichen, zu beliebiger Tageszeit gepruft, stets urn den er- warteten Winkel im Uhrzeigersinn von der ursprunglichen Dressurrichtung ab (e). Eine Wiederholung der Versuche niit denselben Tieren unter gleichen Bedingungen vom 23. 2. (= 1. Umstimmungstag) bis 27. 2. 1960 (Abb. 7b-e, leere Kreise) brachte dasselhe Ergebnis.

Durch Phasenverschiebung des Hell-Dunkel-Wechsels lai3t sich demnach auch die innere Uhr von Lacerta viridis verstellen, wobei die gewahlte Rich- tung sich in voraussagbarer Weise verandert. Die Umstimmung war in beiden Versuchsserien am vierten Tag vollendet. Wahrend der Umstimmungsperiode verwirklichten sich offenbar die drei ersten der oben S. 457 erwahnten Mog- lichkeiten nacheinander : Am ersten und zweiten Umstimmungstag orientier- ten sich die Tiere im wesentlichen gemai3 der alten Phasenlage; am dritten Tag hielten sich innerer und aui3erer Zeitgeber die Waage - die Tiere waren desorientiert. Am vierten Tag hatte der neue iiui3ere Zeitgeber der inneren Uhr seine Phasenlage aufgezwungen. Die richtungsdressierten Tiere stellten sich also nicht allmihlich auf den neuen Tag-Nacht-Wechsel um, sondern losten zuvor den alten Rhythmus auf.

Uni zu sehen, ob die Tiere auch wirklich umgestimmt waren, resistrierte ich i n der- selben Kammer unter denselben Bedingungen die Laufaktivitiit zweier Tiere auf der Wippe (Abb. 8). Sic waren in zwei oben mit Fliegendraht abgedeckten 45 X 13 X 15 cni groflen Plexiglasbehaltern untergebracht. Eine 100-Watt-Lampe beleuchtete die Kasten. Die beiden gegenuberliegenden Scheiben waren aufgerauht, damit die Tiere einander nicht sehen konn- ten. An den beiden Wippen befestigte Schreiber iibertrugen die Ausschlage direkt auf eine berunre Kymographentrommel. Anschlieflend wurden die Ausschlage/Std. ausgezahlt. Futter bot ich den Eidechsen wenig und in unregelm5fligem Wechsel.

Die Laufaktivitat von Lacertu viridis zeigte im normalen 12/12 Std.-Tag eine Periodenlinge von etwa 24 Std. (HOFFMANN 1959) und einen sehr ausge- pragten diphasischen Verlauf (Abb. 9a) mit Hochstwerten um 6 und 16 Uhr und dem Tiefstpunkt uin 1 3 Uhr.

Vom 23. 1. 1960 bis 28. 1. registrierte ich die Laufaktivitat zweier Tiere, die seit dem 15. 1. 1960 unter Umstimmungsbedingungcn im verspateten Kunsttag lebten. Der Aktivitstsverlauf ist abermals diphasisch (Abb. 9b),

460 KLAUS FISCHER

501 30 n 24 3 n

10 25 3 - - n 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 l I I I I I I I I -

10- 273. - n I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I -

jedoch der neuen Phasenlage ange- paflt. D a die Aktivitats- und Ruhe- perioden wahrend 24 Std. ebenfalls von der inneren Uhr geregelt wer- den, versuchte ich auch hier, den Umstimmungsvorgang zu erfassen. In Abb. 10 ist das Ergebnis einer Umstimmung zweier Eidechsen auf einen um 10 Stunden gegeniiber dem Normaltag nachgehenden Licht- Dunkel-Wechsel dargestellt. Es zeigt sich eine recht gute Obereinstim- inung mit den Befunden bei der Sonnenkompaflorientierung: Auch die Aktivitatsperiodik stellt sich offensichtlich keineswegs gleitend auf den neuen Beleuchtungsrhyth- mus um. Sie lost sich zunachst, nam- lich am 25. und 26. 3., ebenfalls auf und baut sich dann am 4. und 5. Um- stimmungstag mit den beiden typi- schen Maxima, an den phasenver- schobenen Tag angepaflt, wieder auf (27. und 28. 3.). Auch die Zeit- dauer der Umstimmung entspricht dabei recht gut derjenigen bei der Richtungsorientierung.

Abb. 10. Umstimmung der lokomotorischen Aktivitat auf einen urn 10 Stunden gegen den Normaltag versphteten Kunst-

tag (Marz 1960)

b) R u c k u m s t i m m u n g Unter Umstimmungsbedingungen frischte ich die Dressur von B, C und

D wieder auf und fuhrte eine Reihe von Tests durch (Abb. 11 a). Vom 31. 1. 1960 an bot ich den Tieren wieder den normalen 12-Std.-Tag. Sie hatten in- zwischen 16 Tage unter Umstimmungsbedingungen verbracht. Am ersten Tag der Ruckumstimmung testete ich B um 13.30 Uhr, C um 13.40 Uhr und D um 13.55 Uhr. Das Ergebnis war bei allen drei Versuchstieren gleich: Schon am ersten Tag unter Normalbedingungen waren alle desorientiert (Abb. 1 Ib), bereits am z w e i t e n Tag war aber dieRuckumstimmung vollzogen (Abb. I lc ) . Die innere Uhr liei3 sich also sehr rasch in die alte Phasenlage zuruckstellen, namlich binnen zwei Tagen. Die Wiederholung des Versuchs am 10. 3. bis 11. 3. 1960 bestatigte auch hier den ersten Befund. Dasselbe gilt endlich auch fur die Ruckumstimmung der lokomotorischen Aktivitat auf den Normal- tag. Sie loste sich ebenfalls am ersten Tag der Ruckumstimmung auf (Abb. 12; 18. 4. 1960) und baute sich am zweiten und dritten Tag mit dem gewohnten Verlauf wieder auf (Abb. 12; 19. und 20. 4. 1960).

5. Umstimmung vom Normaltag auf den Lang- und den Kurztag Umstimmungen auf den Lang- und Kurztag fiihrten BIRUKOW und

BUSCH (1 957) bei der Orientierung des Wasserlaufers Velia currens durch.

Untcrsuchungen zur SonncnkompaRorientierung und Laufaktivitat usw.

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c, Zu 22 1960 lb u. 12 31 1960

461

Abb. 11 a-c. Riickumstimmung der Sonncnkompassorienticrung vom phasenver- schobcncn auf den normalen 12 Std.-Tag. a) Testwahlcn untcr Umstimmungsbedin- gungen nach Auffrischen der Drcssur, b) und c) Riickstimmungsvcrlauf. Vollc Kreise: Erstc Riickumstimmung vom 31. 1. bis 2. 2. 1960, lecrc Kreisc: Zweitc Riickumstim-

mung vom 10. 3. bis 12. 3. 1960

Dabei zeigte sich, dai3 Velia auch die jahreszeitlichen Anderungen der Sonnen- bahn weitgehend zu berucksichtigen vermag.

D a im 12 Std. Licht-Dunkel-Wechsel auf Himmelsrichtungen dressierte Smaragdeidechsen ini Test verbluff end genau der Sonnenazimutkurve vom 21. 3. und 21. 9. folgten, lag es nahe, ihre Reaktionen im Lang- und Kurztag ZLI prufen. Wie aus Abb. 2 ersichtlich, liegen die Azimutkurven fur die Tag- Nacht-Gleiche und fur den 21. 6 . auf weiten Strecken des Tages 10' bis 15' auseinander. D a die Ablesegenauigkeit in der Arena etwa k 10' betrug, mui3te sich eine Anpassung der Richtungswahlen an die Lnngtagkurve er- kennen lassen.

Die Tiere wurden in der Temperaturkammer im 12 Std. Kunsttag gehal- ten. B, D und E waren auf Norden, C auf Westen dressiert. Vom 4. Tag der Umstimmung auf einen Langtag von 16/8 Std. ab, fuhrte ich Testwahlen durch. Die Ergebnisse ubertrug ich, der besseren Ubersicht halber, auf die West- azimutkurve (Abb. 13, 11). Die Wahlwinkel bei den Prufungen im Normal- tag und im Langtag (Abb. 13, I) sind deutbich verschieden. Demnach ist es jm Hochsommer moglich, Sniaragdeidechsen ohiie Nachdressur, allein durch Verliingern der Hellphase, auf die im Hochsommer gultige Sonnenazimutkurve

462

:b 10

umzustellen, obwohl sie vorher unter Bedin- gungen des iiormalen 12-Std.-Tages gehal- ten wurden. Gleichzeitig bestatigte sich, dafl Lacevtu vividis die Sonnenbahn mit groflc- rer Genauigkeit als 15' pro Stunde ver- rechnet (Abb. 14); die Meflwerte passcn sich dem Verlauf der Sonnenazimutkurve uber- raschend gut an.

Unistimmungcn auf eincii Kurztag, die ich im Hochsommcr durchfuhrtc, gelangen dagcgcn nicht. Die Tierc wiihltcn noch am 5. und 6. Um- stininiungstag so wic vorher ini Normaltag von 12/12 Std. Hierfiir sind zwci Grunde denkbar: Gegeii Ende September beginnen Smaragdeidechsen ihren Winterschlaf, aus dcm sie crst Anfang April wicder erwachen. Die Fahigkcit, wahrend dicser Zeit dic Sonnenaziniutkurvc zu verrcchnen, konntc er- loschen oder iiberhaupt nicht ausgebildet worden scin. Noch wahrschcinlicher ist jedoch, d a 8 der vFr- mutlich hormonal gestcuertc Jahresrhythnius mi Hochsommer uberhaupt kcinc Umstimmung auf cinen Wintcrtag i n so kurzcr Zeit zulai3t.

Abb. 12. Ruckumstimniung dcr loltomotorischrn Aktivitat voni phasenverschobenen auf den

I 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 z3hMEZ Normaltag

6. Freilandversuche Endlich prufke ich die Laborbefunde an 2 Tieren ini Freien unter dcr

naturlichen Sonne nach. Die Versuchsapparatur stand auf dem flachen Dach des Zoologischen Instituts. U m die Warmestrahlung der Sonne abzuschirnien, setzte ich auf deli kunstlichen Horizont ein 30 cni hohes zylinderforiiiigcs Gestell von 1,40 m 0 aus mit schwarzem Kattun besyaiiiiteni Eisendraht. Die S o m e koniite man durch deli Stoff als hellen Fleck deutlich erkennen, nicht aber die Uniweltmarken. N u r in der Zeit von 9 bis 15 Uhr lieflen sich Versuche durchfuhren; vorher und nachher warf der kunstliche Horizont storende Schlagschatten. Das andauernd schlechte Wetter machte cine hfufi!;c Wiederholung der Versuche erforderlich. Die im Labor unter dem Schein- werfer dressierten Tiere orieiitierten sich auch unter diesen Bedingungen sehr gut und wahlten in der Zeit von 9 bis 15 Uhr recht genau die Dressurrichtung (Abb. 15).

Fur die Versuche von 6 bis 9 Uhr wurde die innere Uhr um 3 Stundcn nachgestellt: 9 Uhr wahrer Tag bedeutete jetzt 6 Uhr Umstimmungstng. Dic Wahlrichtungen von Tier B muflten sich demzufolge urn etwa 45' von Nor-

Untersuchungen zur Sonnenkompal3orientierung und Laufaktivitat usw. 463

den nach Nordosten, und die von C von Westen nach Nordwesten verschic- ben. Fur die Versuche von 15 bis 18 Uhr wurde der Beleuchtungsrhythn1us entsprechcnd urn 3 Stunden vorverlegt: 15 Uhr wahrer Zeit bedeutctc 18 Uhr

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Abb. 13. Sonnciiazimutkurve der Westrichtung fu r den 16/8-stundigen Langtag (21. 6. : I1 und den 12/12-stUndigen Normaltag 21. 3. : I ) . Volle Krcise: Tcstwahlen von vier Versuchs- tieren nach Unistininiung vom Normaltag auf den 16/8-stUndigen Langtag. Kreuze: Test- wahlcn von Tier A, B, C und D im Normaltag gemittelt und zum besseren Vergleich auf

die Westaziniutkurve bezogen Abb. 14. Testwahlen von vier Tieren im Langtag (21. 6) verglichen mit ciner angenonimenen

glcichmafiigen Azimutwinkclgeschwindigkeit der Sonne von 15" j e Stunde

iin ,,subjektiven" Tag. Tier B muflte also nach Nordwesten, Tier C nach Siid- westen laufen. Beide Tiere wahlten erwartungsgemafl: die Ergebnisse wurden auf die Aziniutkurvc des Normaltages umgerechnet eingetragen (Abb. 15, ILichtungswinkel von 6 bis 9 Uhr und 15 bis 18 Uhr). Soinit bcstatigt sich auch im Freilandversuch die im Labor nachgewiesene Umstimmbarkeit der inneren Uhr; irgendwelche unbekannten kosmischen Zeitgeber bzw. Oricn- tierungshilfen sind deninach auszuschlieflen. Verschwand wahrcnd der Ver- suche im Freien die Sonne hinter den Wolken, so waren die Tierc vollig des- orientiert.

7. Einflufl der Sonnenhohe Die Sonnenhohe uber dem Horizont verandert sich nicht nur in1 Laufc

eincs Tages, sondern auch jahreszeitlich recht betrachtlich. In Gottingcn ( (p = 51,32") erreicht sie am 21. 12. um 12 Uhr ihren hochsten Stand bci 26' und am 21. 6. bei 72". Fur die Sonnenkompaflorientierung konnten schon dic

464 KLAUS FISCHEK

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tageszeitlichen Azimute allein eine ausreichende Information liefern. Die Mit- berucksichtigung der Sonnenhohe wiirde jedoch den Verrechiiuiigsniechaiiismus wesentlich komplizieren.

Bei Zugvogeln scheint die Sonnenhohe das Richtungsfinden nicht zu be- einflussen (KRAMER 1953, HOFFMANN 1954). BRAEMERS (1959) neue Befundc

an Fischen lassen jedoch einen sol- chen Einflufl vermuten. Bot er Fischen Sonnenhohen, die stark von den er- warteten abwichen, so wahlten die Tiere fehlerhaft. Die Fehler waren am groflten bei Versuchen um die

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Abb. 15 a, b. Unbelohnte Wahlen von zwei Tieren unter der naturlichen Sonne nach vorheriqer Dressur unter der kunstlichen a) auf West-, b) auf Nordrichtung. Ordinate: Richtungswinkel der Wahlen zur Sonne; Sonnenazimutkurvc voni 21. 3. jewcils auf die Drcssurrichtung be- zogen. Abszisse: Uhrzeiten

Mittagszeit, wenn die Sonne im Siiden kulminierte (,,Mittagseffekt"). BRAEMER schlofl daraus, dai3 die Sonnenhohe eine zusatzliche Information iiber die Tageszeit liefert.

Bei Eidechsen konnte ich in den Laborversuchen niemals einen Einflui3 der Sonnenhohe feststellen, obgleich ich den Tieren die Lichtquelle wiederholt inorgens sehr hoch und mittags moglichst tief bot.

Mittels der Umstimmung auf den phasenverschobenen Tag war es jedoch

Untersuchungcn zur Sonnenkompaaorientierung und Laufaktivitiit usw. 465

tnoglich, den Tieren auch unter der naturlichen S o m e zu einer bestimmtcn Tageszeit eine Sonnenhohe zu bieten, die sie nach ihrer subjektiven Zeit nic- mals erwarten konnten; Abb. 16 veranschaulicht die Verhaltnisse. Bei diesen Versuchen hielt ich die Tiere B und C wieder in der Klimakammer. Sie wur- den im Labor gut auf eine Himmelsrichtung dressiert und zwar B auf Nor- den, C auf Westen. Nach 4 Tagen Umstimmungszeit auf einen um drei Stun- den gegenuber dem normalen verspateten Hell-Dunkel-Wechsel fuhrte ich am 10. 4. 1960 die ersten kritischen Versuche durch. Das einsetzende schlechtc Wetter lief3 erst am 23. 4. bis 25. 4. 1960 und am 6. und 7. 5. 1960 weitere Versuche zu. Wie Abb. 17 b zeigt, entspricht das Ergebnis genau den friihercn

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0 Abb. 17 a-c. Richtungswahlen normalcr und phasenvcrschobener Tiere unter der wahren Sonne. a) Wahlcn im Normaltag von 9-15 U h r wahrer Zeit; b) ebenso bci zu groner Sonnen- hijhe im um 3 Stunden verspateten Tag von 6-9 U h r subjektiver Zeit; c) ebenso irn urn 3 Stunden verfriihten Tag von 15-18 Ulhr subjektiver Zeit. Bei b und c steht die Sonne hoher, als es die Tiere erwarten (vgl. Abb. 16). Schwarzcr Pfeil: Sollrichtung im normalen

Tag; weifier Pfeil: ebenso irn phasenverschobenen Tag

Befunden im Zimmerversuch: Abweichungen von der Dressurrichtung tratcn nicht auf, obwohl die wirkliche Sonne dabei um etwa 23" bis 35" hoher als die erwartete stand (vgl. Abb. 16a). Dasselbe gilt auch fur die Nachmittags- versuche im um 3 Stunden verfruhten Tag-Nacht-Wechsel (Abb. 17c). Die wirkliche Sonne stand diesmal urn 35' bis 43' hoher als die erwartete3) (vgl. Abb. 16b).

E R U R R T E R U N G D E R B E F U N D E

Fur die Untersuchung des Kichtungsfindens bei Wirbeltieren erweisen sich Eidechsen offenbar als besonders gunstige Versuchsobjelrte; ihre Orien- tierung im ,, Warmetest" ist uberraschend sicher und genau. Ihr Orientierungs- mechanismus durfte nicht vie1 anders als bei Fischen, Schildkrijten und Vogeln funktionieren. I m Erfassen der ganzen Sonnenbahn durch Erlernen nur eines

3) Herrn Dr . BREUER von der Sternwarte Gottingen danke ich fur die Berechnung dcr Sonnenhohenkurven.

466 KLAUS FISCHER

einzigen Richtuiigswinkels zu einer bestimmten Tageszeit leisten sie jedoch weniger als z. B. BRAEMERS Fische (1959, 1960), bei denen winkelkonstante Orientierung weit weaiger haufig war. Bei Staren (KRAMER und v. ST. PAUL 1950, HOPFMANN 1953) aui3ert sie sich starker; am starksten wohl Lei Tauben (SCHMIDT-KOENIG 1958). Die starke Winkelkonstanz der Eidechsen konnix allerdings auch durch die Dressurmethode bedingt sein; wahrend der drei- viertelstiindigen Dressurzeit stand die kunstliche Some am Ort. Die Winkel- treue laflt sich zwar uberwinden, indem man auf Kompafltreue nachdressiert, doch fallen auch die kompafltreu gewordenen Tiere besonders unter erschwer- ten Orientierungsbedingungen zur Nachtzeit haufig erneut in die winkeltreue Orientierung zuruck (vgl. Abb. 6). Der Taxismechanismus scheint also bei Eidcchscn nicht sehr fest an die ,,innere Uhr" gekoppelt zu sein. Trotzdem verrechnen sie unter der stillstehenden kunstlichen Some erstaunlich genau die Azimutkurve der wirklichen und berucksichtigen dabei auch die jahres- und tageszeitlichen Schwankungen ihrer Aziniutwinkelgeschwindigkeit. Tiere, die ohne Sonnensicht vom 12 Std. Normaltag auf einen Langtag von 16/8 Stunden umgestininit wurden, rechneten auf Anhieb die zum Langtag passende, tages- zeitlich unterschiedliche Winkelgeschwindigkeit der Sonne ein.

Die Nachtorientierung der Eidechsen fiigt sich den bisher bei Wirbel- tieren bekannten Orientierungsweisen gut ein; sie verrechnen zur Nachtzeit eine scheinbare Sonnenwanderung im Uhrzeigersinn, d. h. von Westen uber Norden nach Osten, ebenso wie die Stare (HOFFMANN 1958) und die Fische (BRAEMEK 1959). Anscheinend gibt es aber auch unter den Wirbeltieren, ahn- lich wie bei Wirbellosen, zwei verschiedene Nachtorientierungstypen: Nach SCHMIDT-KOENIG (vgl. Anm. S. 455) verrechnen Tauben zur Nacht- zeit eine scheinbare Sonnenbewegung gegen den Uhrzeigersinn, d. h. von Westen uber S u d e n nach Osten. Bei den Wirbellosen vertreten den ersten Typus die Biene (LINDAUER 1954, 1957), den zweiten der Amphipode Talitrus saltator (PARDI 1954), der Tenebrionide Phaleria provincialis Fauv. (PARDI 1956), der Wasserlaufer Velia currens F. (BIRUKOW 1956) und die Spinne Arctosa variana C. L. Koch (TONGIORGI 1959). Ob diese Unterschiede in der verschiedenen Arbeitsweise der inneren Uhr oder des Taxismechanismus begriindet sind, ist z. 2. noch unbekannt; nach PAPI und PAKDI'S (1959) Be- funden zur Mondorientierung von Talitrus saltator scheint die erste Moglich- keit wahrscheinlicher; mit Hilfe seiner ,,Monduhr" verrechnet Talitrus in der Nacht eine Bewegung des Mondes mit dem Uhrzeiger, obwohl seine ,,Somen- uhr" zur Nachtzeit die gegenlaufige Sonnenwanderung beriicksichtigt (PAPI 1960).

Die Umstimmungen auf den phasenverschobenen Tag gluckten bei Eidechsen ebenso gut wie Lei Vogeln (HOFFMANN 1954). Der Umstellung geht jedoch bei Eidechsen eiiie vollige Auflosung der Orientierung voraus; erst danach pai3t sich der Orienticrungswinkel dem neuen Phasenwechsel an. Wahrend iiach HOFFMANN (1954) die Stare sich allmahlich auf die neue Kom- paflrichtung umstellen, scheinen Fische (BRAEMER, mdl. Mitteilung) sich ebenso wie die Eidechsen zu verhalten. Mit der vorubergehenden Auflosung der Orientierung geht aber wahrend der Umstimmung eine ebensolche des nor- malen Aktivitatsmusters parallel; in beiden rhythmischen Ablaufen dauert die Umstimmung etwa gleichlang, wahrend die Ruckumstimmung sich beide Male schneller vollzieht. Whnliches wird bei vielen rhythmischen Prozessen beobachtet; eine befriedigende Erklarung fur die schnellere Ruckunistimmung laat sich jedoch vorerst nicht geben. Die Amplitude des Hell-Dunkel-Wechsels (BROWN uiid WEBB 1949) ist dafur bei Eidechsen mit Sicherheit nicht verant- wortlich; die Smaragdeidechsen befanden sich wahrend der Umstimmungen

Untersuchungen zur SonnenkornpaDorientierung und Laufaktivitat usw. 467

i n gleichbleibenden Versuchsbedingungen mit gleicher Beleuchtungsintensitat. Nach ASCHOFF (1958) konnte der Unterschied dadurch bedingt sein, dafl wahrend der Umstimniung andere rhythmische Prozesse, die vielleicht von anderen Zeitgebern gesteuert werden, in der alten Phasenbeziehung verharren und so die Ruckumstimmung fordern. Bei der Smaragdeidechse stimmt jedoch auch die Zeitdauer der Umstellung der lokomotorischen Aktivitatsperiodik mit derjenigen fur die Orientierung uberein; mindestens diese beiden rhyth- inischen Ablaufe sind also offenbar vom gleichen zentralen Rhythmus be- hcrrscht; auch der Aktivitatsverlauf paflt sich der neuen Phasenlage nicht all- mahlich, sondern nach vorheriger volliger Auflosung an. Im 12/12-Std-Tag verlauft die Aktivitat der Eidechsen diphasisch, d. h. nach dem ,,Bigeminus- Typ" (ASCHOFF 1957), wobei die Lage der beiden Maxima wahrscheinlich durch den Phasenwechsel von Hell zu Dunkel und umgekehrt gesteuert wird. Es ware jedoch noch zu prufen, ob der Bigeminus auch in konstaiiten Lichtbedin- gungen (Dauerhell) bestehen bleibt; beim Wasserlaufer Veliu curyens F., dessen Aktivitatsrhythmus weit starker als die angeborene innenbedingte Periodik der Eidechsen (HOFFMANN 1959) auflenbedingt ist, erhalt sich der Bigeminus nur in Dauerdunkel, nicht aber in Dauerhell (RENSING 1961).

Ein Einflufl der Hohe der richtenden kunstlichen Lichtquelle und ebenso auch der naturlichen Sonne in den Freilandversuchen liefl sich bei Eidechsen ebensowenig wie bei Staren (HOFFMANN 1954) nachweisen. Unter den Wirbel- tieren scheint die Sonnenhohe nur bei Fischen (BRAEMER 1959) die Kompafl- richtung zu beeinflussen; unter den Wirbellosen ist ahnliches nur beim Mist- kifer Geotrupes silwuticus (BIRUKOW und de VALOIS 1955) bekannt. Viel- leicht konnte die Sonnenhohe, wie BRAEMER annimmt, eine zusatzliche In- formation iiber die einzuhaltende Richtung und die Uhrzeit liefern; bei Eidechsen durfte diese Hilfe jedenfalls keine grofle Rolle spiclen.

Die biologische Bedeutung des hier bei Eidechsen erstmalig nachgewiesenen Vermogens ist vorerst nicht ersichtlich. Ob sie beim Heimfinden zum Revier bzw. beim Auffinden bevorzugter Sonnenplatze davon Gebrauch niachen, wird z. 2. in Freilandversuchen gepruft. Die verhaltnismaflig leichte Zucht- barkeit voii Eidechsen verspricht endlich auch Einblicke in die angeborenen und erworbenen Anteile dieses Vermogens und in seine Entwicklungsgeschichte.

Zusammenfassung 1. Sniaragdeidechsen (Lacertu vividis Laur.) konnen unter einer kunst-

lichen Sonne die Himmelsrichtung eines warmen Platzes bestimmen, dessen Lage sie sich vorher bei der Richtungsdressur gemerkt haben. Sie erlernen dabei zuerst den absoluten Richtungswinkel zur Lichtquelle zu e i i i e r Dressurzeit (winkeltreue Orientierung) und beziehen ihn erst d a m auf die tageszeitliclie Azimutkurve der Sonne fur die betreffende Himmelsrichtung, wenn man in der Nachdressur tageszeitlich bestiniinte Richtungswinkel bietet (kompafltreue Orientierung). Die erste Lernstufe beansprucht durchschnittlich 15, die zweite 7-1 8 Tage; nach etwa 8 ubungsfreien Tagen erlischt dieDressur.

2. Zur Nachtzeit verrechnen die Eidechsen eine scheinbare Sonnenwande- rung im Uhrzeigersinne, indem sie die Tagesazimutkurve der Sonne von West iiber Nord nach Ost fortsetzen. Hierzu bedarf es keiner Nachhilfe, doch nei- gen dabei die Tiere starker als am Tage zur winkeltreuen Orientierung. SO- wohl am Tage als auch in der Nacht berucksichtigen sie jedoch bei der kompaa- treuen Orientierung auch unter der stillstehenden kunstlichen Sonne erstaun- lich geiiau die tages- und auch die jahreszeitlicheii Schwankungen der Azimut- winkelgeschwindigkeit der wirklichen Sonne. Umstimmungen vom normalen

468 KLAUS FISCHER

12-Std.-Tag auf einen Langtag von 16/18 Std. gelangen im Hochsommer leicht, solche auf den Kurztag von 8/16 Std. mifllangen.

Im ersten Fall verrechneten die Tiere recht genau die entsprechende Azimutkurve des sommerlichen Langtages.

3. An den phasenverschobenen, vor- oder zuruckverlegten Tag passen sich die Tiere sowohl bei der Orientierung als auch in der Aktivitatsperiodik binnen 4 Tagen an, wobei sie von der erlernten Richtung in voraussagbarer Weise abweichen. Der Umstellung geht jedoch eine vorubergehende Auflosung sowohl der Orientierung als auch des diphasischen Aktivitatsverlaufes voraus; danach bauen sich beide Rhythmen in der neuen Phasenbeziehung wieder auf. Beide Male ist die Ruckumstimmung bereits am 2 . Tage vollendet.

4. Das unter der kiinstlichen Sonne Erlernte gilt auch im Freien unter der naturlichen; im Zimmer auf den phasenverschobenen Tag umgestimmte Tiere orientieren sich auch unter der naturlichen Sonne erwartungsgemak

5. Weder in Zimmerbedingungen noch unter freiem Himmel Lei3 sich irgendein Einflufl der Sonnenhohe auf die Genauigkeit der Orientierung zu verschiedenen Uhrzeiten nachweisen. Die Sonnenhohe scheint bei Eidechsen keine zusatzliche Information uber die Tageszeit oder uber die erwartete Azimutkurve zu liefern.

6. Die biologische Bedeutung der bei Eidechsen erstmalig nachgewiesenen Sonnenkompaflorientierung wird erortert; ihre Leistungen werden mit den bisher bekannten anderer Wirbeltiere verglichen.

Summary 1. Lizards (Lacerta uiridis L.aur.) orienting by an artificial sun are able

to determine the bearings of a warm place the situation of which they have learned in previous direction training. First, they learn the absolute angle of direction to the light source for o n e time of training (angle-retentive orien- tation) and only relate it to the diurnal azimut curve of the sun connected with the direction in question i f , in an additional training, they are offered angles of direction dependent on t h e time of the day (compass orientation). They take 15 days for the first, 7-18 days for the second step of this learning process. The training fades after 8 days.

2 . At night the lizards compute an apparently clockwise movement of th2 ssfn by “assuming” a continuation of the sun’s diurnal azimut curve from west via north to east. They do this without training, but a t night the tendency to angle-retentive orientation is stronger than in the daytime. In compass orien- tation however, a t day and a t night and even under a non-moving artificial sun they draw into consideration with astonishing accuracy the diurnal and seasonal changes of the real sun azimut’s angular velocity. Adjustment to a long day of 16/8 h was easily accomplished in summer, adjustment to a short day of 8/16 h was not successful. In the first case, the animals computed with reasonable accuracy as to the azimut curve of a long summer day.

3. The lizards adjusted within 4 days to shifts of phases of the artificial daytime, effected in either direction i n orientation and periodicity of activity and then deviated in a predictable manner from the learned direction. However the adjustment is preceded by a temporal dissolution of orientation as well as of the diphasical distribution of activity; afterwards, both rhythms were re-established in agreement with the new phases. In both instants readjustment took only 2 days.

4. What the animals learned i n training under an artificial sun persists under natural conditions; after adjustment to shifted days in a closed room

Umtersuchungen zur Sonnenkompafiorientierung und Laufakt i r i ta t usw. 469

the animals, when transferred into natural conditions, will behave as expected. 5. No influence of the sun elevation on the accuracy of the animal’s

computing was ever observed, neither wi.thin the room or outside. The lizards apparently do not draw additional information from the elevation of the sun concerning the time of the day, or the azimut curve to be expected.

6 . The biological importance of compass orientation, here for the first time demonstrated in lizards, is discussed; their achievements are compared to those of other vertebrates.

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