uran und fluor - zwei eng verwobene elemente

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Uran – Vorkommen und Eigenschaften Uran kommt in der äußeren Erd- kruste mit einem durchschnittlichen Gehalt von 2,7 ppm vor, das ent- spricht etwa 3 g pro Tonne Gestein. Meerwasser enthält 3 ppb Uran. Da- mit ist Uran in der Erdkruste etwa so häufig wie Zinn und wesentlich häu- figer als Gold (0,004 ppm). Gegen- wärtig nutzt man Abbaustätten, in denen das Uran mindestens in Kon- zentrationen zwischen 0,1 und 0,5 % vorliegt. Das Deutsche Atomforum 1) schätzt, dass Uran noch mindestens 200 Jahre als Kernbrennstoff dienen wird, wohingegen die ehemalige rot- grüne Bundesregierung und Umwelt- organisationen wie Greenpeace diese Zeit auf wenige Jahrzehnte anset- zen. 2,3) Solche Angaben beruhen nicht nur auf politischen Erwägun- gen: Auch Schätzungen von Uranpro- duzenten zur Uranreichweite ändern sich oft und unterliegen zum Teil starken Schwankungen. Uran in geringen Mengen enthal- ten weit verbreitete Mineralien; so findet es sich im Granit in den Mine- ralien Zirkon ZrSiO 4 und Monazit CePO 4 , wodurch es zur natürlichen Radioaktivität in Gegenden wie dem Bayerischen Wald beiträgt. 4) Primäre vierwertige Uranerze sind unter anderem der Uraninit Bis weit nach seiner Entdeckung im Jahr 1884 durch Henri Moissan war Fluor nur eine Laborkuriosität. Erst die Entwicklung der Kernspal- tung Mitte des vergangenen Jahrhun- derts mit ihren Folgen für militäri- sche und zivile Anwendungen führte zu einem Aufschwung der Fluorche- mie: Die Umwandlung von Uranerz zu UF 6 zur Isotopentrennung benö- tigte große Mengen dieses Gases. Heute werden jährlich sieben- bis elftausend Tonnen Fluor produziert. Davon dienen 65 bis 70 Prozent zur Herstellung von UF 6 für die Nuklear- industrie. Wichtigster Rohstoff für die Nuklearindustrie ist das Uran. Im Jahr 2000 wurden fast zwei Millionen Kilogramm Uran als UF 6 in die Bun- desrepublik Deutschland importiert und angereichert. Florian Kraus Uran und Fluor sind heute zwei intensiv genutzte Elemente. Seit mehr als 50 Jahren bildet UF 6 das zentrale Element bei der Isotopentrennung des Urans. Gegenwärtig lagern große Mengen abgereichertes UF 6 ungenutzt – eine Chance für die moderne Fluorchemie. Uran und Fluor – zwei eng verwobene Elemente Anorganische Chemie UO 2 , die Pechblende (UO 2 bis U 3 O 8 , mit U 4+ und U 6+ ), sowie der Coffinit USiO 4 . Die Pechblende ist das wich- tigste Uranerz überhaupt: Lohnende Lagerstätten gibt es in Kanada, USA, Brasilien, Süd- und Mittelafrika, Australien, Frankreich, Schweden und Russland. Sechswertiges Uran findet sich besonders häufig in Form des Ura- nylkations UO 2 2+ und bildet über 200 sekundäre, oft farbige, zum Teil fluoreszierende Mineralien. Natürliches Uran besteht zu 99,274 % aus dem Isotop 238 U, zu 0,7205 % aus dem spaltbaren 235 U und zu 0,0056 % aus 234 U. Für die Kernenergie wird hauptsächlich 235 U verwendet, da langsame, thermische Neutronen es spalten. Bevor Uran jedoch zur Energie- erzeugung verwendet werden kann, muss es von Verunreinigungen be- freit werden. Sowohl die Begleiterze, als auch die natürlichen Zerfallspro- dukte der 238 U-Zerfallsreihe – ins- besondere 226 Ra müssen abgetrennt werden. Zudem muss der Gehalt an leicht spaltbarem 235 U erhöht werden. Urangewinnung Abgebautes Erz wird nach Stärke der Radioaktivität sortiert, zerklei- nert und fein gemahlen. Auf- geschlossen werden die Erze haupt- sächlich durch zwei Verfahren: den QUERGELESEN ❯❯ Die Anwendung von Uran als Kernbrennstoff hat die Entwicklung der Fluorchemie maßgeblich gefördert. ❯❯ Als Abfallprodukt der industriellen Isotopen- trennung entstehen große Mengen abgereicher- ten Urans, zum Teil als UF 6 in Tausenden von Containern zu etwa zwölf Tonnen gelagert. ❯❯ UF 6 könnte zur Darstellung des Urannitrids UN genutzt werden. Abgereichertes Uran ließe sich in dieser Form sicherer lagern, aus angereichertem Uran hergestelltes UN ist ein potenzieller Kern- brennstoff. 1236 Nachrichten aus der Chemie | 56 | Dezember 2008 | www.gdch.de/nachrichten

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Page 1: Uran und Fluor - zwei eng verwobene Elemente

Uran – Vorkommen und Eigenschaften

� Uran kommt in der äußeren Erd-kruste mit einem durchschnittlichen Gehalt von 2,7 ppm vor, das ent-spricht etwa 3 g pro Tonne Gestein. Meerwasser enthält 3 ppb Uran. Da-mit ist Uran in der Erdkruste etwa so häufig wie Zinn und wesentlich häu-figer als Gold (0,004 ppm). Gegen-wärtig nutzt man Abbaustätten, in denen das Uran mindestens in Kon-zentrationen zwischen 0,1 und 0,5 % vorliegt.

Das Deutsche Atomforum1) schätzt, dass Uran noch mindestens 200 Jahre als Kernbrennstoff dienen wird, wohingegen die ehemalige rot-grüne Bundesregierung und Umwelt-organisationen wie Greenpeace diese Zeit auf wenige Jahrzehnte anset-zen.2,3) Solche Angaben beruhen nicht nur auf politischen Erwägun-gen: Auch Schätzungen von Uranpro-duzenten zur Uranreichweite ändern sich oft und unterliegen zum Teil starken Schwankungen.

Uran in geringen Mengen enthal-ten weit verbreitete Mineralien; so findet es sich im Granit in den Mine-ralien Zirkon ZrSiO4 und Monazit CePO4, wodurch es zur natürlichen Radioaktivität in Gegenden wie dem Bayerischen Wald beiträgt.4)

Primäre vierwertige Uranerze sind unter anderem der Uraninit

� Bis weit nach seiner Entdeckung im Jahr 1884 durch Henri Moissan war Fluor nur eine Laborkuriosität. Erst die Entwicklung der Kernspal-tung Mitte des vergangenen Jahrhun-derts mit ihren Folgen für militäri-sche und zivile Anwendungen führte zu einem Aufschwung der Fluorche-mie: Die Umwandlung von Uranerz zu UF6 zur Isotopentrennung benö-tigte große Mengen dieses Gases.

Heute werden jährlich sieben- bis elftausend Tonnen Fluor produziert. Davon dienen 65 bis 70 Prozent zur Herstellung von UF6 für die Nuklear -industrie. Wichtigster Rohstoff für die Nuklearindustrie ist das Uran. Im Jahr 2000 wurden fast zwei Millionen Kilogramm Uran als UF6 in die Bun-desrepublik Deutschland importiert und angereichert.

Florian Kraus

Uran und Fluor sind heute zwei intensiv genutzte Elemente. Seit mehr als 50 Jahren bildet UF6

das zentrale Element bei der Isotopentrennung des Urans. Gegenwärtig lagern große Mengen

abgereichertes UF6 ungenutzt – eine Chance für die moderne Fluorchemie.

Uran und Fluor – zwei eng verwobene Elemente

�Anorganische Chemie�

UO2, die Pechblende (UO2 bis U3O8, mit U4+ und U6+), sowie der Coffinit USiO4. Die Pechblende ist das wich-tigste Uranerz überhaupt: Lohnende Lagerstätten gibt es in Kanada, USA, Brasilien, Süd- und Mittelafrika, Australien, Frankreich, Schweden und Russland.

Sechswertiges Uran findet sich besonders häufig in Form des Ura-nylkations UO2

2+ und bildet über 200 sekundäre, oft farbige, zum Teil fluoreszierende Mineralien.

Natürliches Uran besteht zu 99,274 % aus dem Isotop 238U, zu 0,7205 % aus dem spaltbaren 235U und zu 0,0056 % aus 234U. Für die Kernenergie wird hauptsächlich 235U verwendet, da langsame, thermische Neutronen es spalten.

Bevor Uran jedoch zur Energie-erzeugung verwendet werden kann, muss es von Verunreinigungen be-freit werden. Sowohl die Begleiterze, als auch die natürlichen Zerfallspro-dukte der 238U-Zerfallsreihe – ins-besondere 226Ra müssen abgetrennt werden. Zudem muss der Gehalt an leicht spaltbarem 235U erhöht werden.

Urangewinnung

� Abgebautes Erz wird nach Stärke der Radioaktivität sortiert, zerklei-nert und fein gemahlen. Auf-geschlossen werden die Erze haupt-sächlich durch zwei Verfahren: den

� QU ERGELESEN

�� Die Anwendung von Uran als Kernbrennstoff hat

die Entwicklung der Fluorchemie maßgeblich

gefördert.

�� Als Abfallprodukt der industriellen Isotopen-

trennung entstehen große Mengen abgereicher-

ten Urans, zum Teil als UF6 in Tausenden von

Containern zu etwa zwölf Tonnen gelagert.

�� UF6 könnte zur Darstellung des Urannitrids UN

genutzt werden. Abgereichertes Uran ließe sich

in dieser Form sicherer lagern, aus angereichertem

Uran hergestelltes UN ist ein potenzieller Kern-

brennstoff.

1236

Nachrichten aus der Chemie | 56 | Dezember 2008 | www.gdch.de/nachrichten

Page 2: Uran und Fluor - zwei eng verwobene Elemente

am häufigsten eingesetzten sauren Aufschluss mit Schwefelsäure und den alkalischen Aufschluss mit So-da. Beide Aufschlussverfahren über-führen das Uran in die sechswertige, wasserlösliche Form, um es so von unlöslichen Verunreinigungen abzu-trennen.

Beim sauren Verfahren wird das Uranerz im Schwefelsauren zum leicht löslichen Uranylsulfat UO2SO4 oxidiert, wobei Fe3+ und NaClO3 oder MnO2 als Oxidations-mittel dienen.

Uranerze mit einem hohen Car-bonatgehalt werden alkalisch auf-geschlossen. Der alkalische Auf-schluss nutzt die gute Löslichkeit des [UO2(CO3)3]

4–-Anions. Der Auf-schluss setzt allerdings CO2 frei, dies ist in Diskussionen zur Klimaneu-

tralität der Atomkraft zu berücksich-tigen. Radium fällt als schwerlösli-ches RaSO4 oder RaCO3 aus, geht mit anderen Filterrückständen auf Halde und kann dort zum Umwelt-problem werden.

Ionenaustausch an Anionentau-schern oder Lösungsmittelextrakti-on (Amex-Verfahren) reinigt die Uranlösungen weiter. Im Anschluss reagiert gasförmiges Ammoniak mit der Lösung zum Ammoniumdiura-nat (NH4)2U2O7 (ADU), dem Yel-low Cake (Abbildung 1). Beim alka-lischen Aufschluss wird Na2U2O7 mit NaOH ausgefällt und zu ADU umgefällt. Häufig werden die Yellow Cakes getrocknet und calciniert, was zu braun-schwarzem U3O8 führt. Der Reinheitsgrad der Yellow Cakes beläuft sich auf 65 bis 85 Prozent,

Abb. 1. Links: Ammoniumdiuranat (NH4)2U2O7 . Die Yellow Cake genannte Verbindung ist

ein Zwischenprodukt bei der Reinigung von Uranerzen. Rechts: UF4 – das Grüne Salz.

Nachrichten aus der Chemie | 56 | Dezember 2008 | www.gdch.de/nachrichten

Fluorchemie �Magazin� 1237

� Uran-Wiederaufarbeitung

selten wird es zu Uranmetall redu-

ziert. Außerdem kann das wieder

aufbereitete Uran zusammen mit

PuO2 als MOX-Brennstoff (Mixed

Oxide) zur Energiegewinnung die-

nen.

Nur in Europa werden Kernbrenn-

stoffe aufgearbeitet. Andere Staa-

ten arbeiten nach dem Once-

through-Prinzip und betreiben

keine Wiederaufarbeitungsanla-

gen. Der Grund dafür ist, dass

Uran billig und noch keine Uran-

knappheit in naher Zukunft ab-

sehbar ist und andernfalls Pluto-

nium zu leicht für Kernwaffen ver-

fügbar würde.9)

Der Kernbrennstoff 235U wird im

Kernreaktor so lange abgebrannt,

bis durch die Massenabnahme

und die Zunahme der neutronen-

absorbierenden Spaltprodukte

kein ökonomischer Betrieb mehr

möglich ist. Anschließend tau-

schen Kraftwerksbetreiber das

Brennelement aus und bereiten es

nach dem Abklingen (Dauer etwa

150 Tage) gemäß dem Purex-Pro-

zess (Plutonium-Uranium-Reco-

very by Extraction) wieder auf. Das

abgetrennte Uran lässt sich nach

Konversion zu UF6 wieder in die

Isotope trennen und anreichern

oder es wird als UO2 gelagert. Nur

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Page 3: Uran und Fluor - zwei eng verwobene Elemente

ren mit F2 das leichtflüchtige, farblo-se Uranhexafluorid UF6 für Isoto-pentrennprozesse (Abbildung 3). UF6 sublimiert bei 56,5 °C und sie-det unter einem Druck von 1,5 bar bei 64 °C. Es ist ein starkes Oxidati-ons- und Fluorierungsmittel und reagiert an feuchter Luft heftig zu UO2F2 und HF. Rohrleitungen, die UF6 führen, müssen zuvor mit Fluor passiviert werden, damit sich mög-lichst wenige Uranfluoridablagerun-gen wie UF4, UF5, U2F9 bilden.

Hat man das Uran nicht nach dem nassen Prozess über Lösemittel-extraktion gereinigt, so kann UF6 auch mehrfach im trockenen Prozess sublimiert werden. Als unerwünsch-te Nebenprodukte entstehen nicht volloxidierte Uranfluoride wie UF5 oder U2F9, die bei Trennprozessen nach einiger Zeit technische Proble-men verursachen, etwa Ablagerun-gen in Ultrazentrifugen oder Ver-stopfung von Düsen. Der Preis für UF6 (bezogen auf kg U) lag Ende Oktober bei etwa 105 Euro.

Anreicherung

� Da natürliches Uran nur etwa 0,72 % des leicht spaltbaren Isotops 235U enthält, muss es zur Energiege-winnung in Leichtwasserreaktoren auf Gehalte von 3 – 5 % angereichert werden. Uran mit einem Anreiche-rungsgrad unter 20 % heißt low enri-ched uranium (LEU). Forschungs-reaktoren, wie der FRM II in Gar-ching nutzen hochangereichertes Uran (HEU, Anreicherungsgrad 93 %), um eine möglichst hohe Aus-beute an Neutronen zu erzielen.

Es gibt heute hauptsächlich zwei Anreicherungsverfahren, die beide vom leichtflüchtigen UF6 ausgehen: Das ältere Gasdiffusionsverfahren und das neuere, am häufigsten ver-wendete Zentrifugationsverfahren. In Deutschland werden die Isotope mit dem Gaszentrifugationsverfah-ren getrennt. So lassen sich etwa 650 Tonnen Kernbrennstoff pro Jahr erzeugen.6)

Pro Tonne zur Energiegewinnung angereichertem Uran entstehen zu-sätzlich fünf bis acht Tonnen abge-reichertes (depleted uranium, DU).

es entsteht darauf reines (> 99,98 %) UO2(NO3)2·6 H2O (UNH). Dieses wird thermisch zu orangefarbenem UO3 umgesetzt und mit elementa-rem Wasserstoff zu braunem UO2 re-duziert. UO2 muss vor Luft geschützt werden, da es leicht Sauerstoff aus der Luft aufnimmt. Mit Fluorwasser-stoff reagiert UO2 zu UF4, dem Grü-nen Salz (Abbildung 1): UO2 + 4 HF → UF4 + 2 H2O.

UF4 ist auch über einen einfache-ren, nasschemischen Weg mit Fluss-säure darstellbar, dabei entsteht es in Form unterschiedlicher Hydrate. Diese Hydrate sind nur mit gasförmi-gen Fluorwasserstoff gut zu trock-nen, der verbleibende Wassergehalt würde den Fluorverbrauch für die anschließende Oxidation zu UF6 stark erhöhen. Deshalb bemühen wir uns um die Entwicklung eines Trock-nungsverfahrens von UF4-Hydraten mit Ammoniak. Flüssiges oder gas-förmiges Ammoniak kann UF4-Hy-drate entwässern, um so reines, tro-ckenes UF4 für die Konversion zu ge-winnen. Ein erstes Zwischenprodukt dieses Trocknungsschrittes ist ein Ammoniakat des Urantetrafluorids (Abbildung 2). Vorteil dieser Metho-de ist die Verwendung weniger korro-siver Flusssäure, sowie die Rezyklier-barkeit des Ammoniaks nach Trock-nung.

Unsere Versuche beschäftigten sich mit dem thermischen Abbau von Ammoniakaten von UF4 bei Normaldruck. Das Ammoniak wird in mehreren Stufen beim Aufheizen abgegeben, oberhalb von 400 °C ent-steht das reine Grüne Salz.

Der Weg des Grünen Salzes

� UF4 wird nicht ausschließlich für die Weiteroxidation zu UF6 verwen-det, sondern auch zur Gewinnung reinen Uranmetalls, das wegen seiner hohen Dichte in Gegengewichten (häufig in Flugzeugen, wo zum Tarie-ren eine große Masse auf kleinem Raum benötigt wird), Geschossen und Panzerungen eingesetzt wird. Als Reduktionsmittel dienen Ca oder Mg: UF4 + 2 Ca → U + 2 CaF2.

Aus UF4 entsteht durch direkte Fluorierung bei höheren Temperatu-

die Kosten liegen derzeit (Ende Ok-tober) bei etwa 81 Euro pro Kilo-gramm U3O8.

5)

Reinigung und chemische Konversion

� Salpetersäure löst die Uranerz-konzentrate. Lösungsmittelextrakti-on mit Tributylphopshat (TBP) ent-fernt metallische Verunreinigungen,

�Magazin� Fluorchemie 1238

Nachrichten aus der Chemie | 56 | Dezember 2008 | www.gdch.de/nachrichten

Abb. 3. Oben: Pulverförmiges, weißes UF6 am Boden, sublimiertes,

kristallines, farbloses UF6 an der Glaswand (Kreis).

Unten: In eine Glasampulle eingeschmolzenes UF6.

Abb. 2. Projektion von [U(NH3)4F4]. Es entsteht bei der

Umsetzung von UF4-Hydraten mit Ammoniak.

Page 4: Uran und Fluor - zwei eng verwobene Elemente

� Fluor und Fluorwasserstoff

und kommt in Stahlflaschen in

den Handel.

Fluorwasserstoff ist hochgiftig

(MAK 2 mg·m–3, 2,5 ppm, Ge-

ruchsschwelle 0,1 – 0,2 mg·m–3),

Menschen nehmen den stark ste-

chenden Geruch aber bereits in

Konzentrationen weit unter dem

MAK wahr. Eine exzellente Früh-

warnung, denn bereits der Kon-

takt mit kleinen Tropfen flüssigen

Fluorwasserstoffs oder etwas grö-

ßeren Tropfen Flusssäure kann un-

behandelt zum Tod führen.

Elementares Fluor ist sowohl elek-

trolytisch, als auch auf rein che-

mischem Wege darstellbar. Die

technische Darstellung bedient

sich der Elektrolyse von nichtwäss-

rigen KF/HF-Mischungen bei Tem-

peraturen um 100 °C. Im Labor

entsteht Fluor durch Zersetzung

von blauviolettem Mangantetra-

fluorid MnF4 bei Temperaturen

von über 150 °C. Fluor kommt als

elektronegativstes und am stärks-

ten oxidierendes Element in der

Natur nicht elementar vor – außer

vielleicht im Stinkspat aus Wölsen-

dorf: Dort liegt F2 in eingeschlos-

sener (okkludierter) Form vor.11,12)

Zwei Drittel der Gesamtproduktion

des Fluors nutzt die Nuklearindus-

trie zur Herstellung von UF6. Das

restliche Fluor dient unterschiedli-

chen Zwecken, etwa zur Darstel-

lung von WF6 und TaF5 zur Abschei-

dung von W bzw. Ta oder als Ätzgas

in der Halbleiterindustrie.

Die Grundmaterialien der Fluor -

chemie sind Fluorwasserstoff und

seine wässrige Lösung, die Fluss-

säure. Aus ihnen werden elementa-

res Fluor sowie anorganische und

organische Fluorverbindungen her-

gestellt. Fluorwasserstoff katalysiert

viele Alkylierungsreaktionen, zum

Beispiel die Darstellung von Otto-

kraftstoffen mit hoher Oktanzahl in

Raffinerien. Etwa 60 % des weltweit

hergestellten Fluorwasserstoffs

dient zur Produktion von Fluorkoh-

lenstoffen (FKW), die als Kühlmittel,

Treibmittel, Lösungsmittel, Inhalati-

onsanästhetika (Isofluran, Sevoflu-

ran und Desfluran), Löschmittel und

Fluorpolymere (zum Beispiel Teflon)

verwendet werden.10)

Die Nuklearindustrie nutzt etwa

drei Prozent des Fluorwasserstoffs

für die Herstellung des grünen Sal-

zes UF4. Dabei steigt der Bedarf

durch erhöhte Nachfrage aus In-

dien und China. Nur etwa 4 bis 5 %

der gesamten HF-Produktion dient

der Darstellung von 50 – 70 %iger

Flusssäure zum Beizen von Stahl,

zum Ätzen von Glas, zur Darstel-

lung von Tetrafluoroboraten, von

Alkalimetallfluoriden oder von

anderen anorganischen Fluoriden

(SnF2 für Dentalprodukte).

Hochreiner Fluorwasserstoff

(99,9999 %) dient zum Ätzen von

Silicium-Wafern.

Fluorwasserstoff entsteht durch

Umsetzung von Fluorit CaF2 mit

Schwefelsäure bei etwa 500 °C

Dieses DU wird als UF6 in Behältern zu 12,7 Tonnen oder seltener, als UO2 gelagert. Da UF6 bereits mit Spuren von Wasser zu HF reagiert und stark korrosiv wirkt, ist seine Lagerung problematisch.7,8) Tanks können undicht werden und setzen dann hochgiftiges HF und UO2F2 frei. Im Jahr 2005 lagerten allein in den USA 686 500 Tonnen UF6 in 57 122 Behältern.

Reaktionen von Uranfluoriden mit Ammoniak

� Die riesigen Mengen UF6 finden als Fluorierungsmittel wegen ihrer Radioaktivität keine Anwendung. Wir beschäftigen uns mit der Ver-wendung des korrosiven und toxi-schen UF6 als Oxidationsmittel zur Herstellung von Urannitriden. (Da-bei verwenden wir Mengen, die un-terhalb der Freigrenze liegen, so dass wir keine Umgangsgenehmi-gung für radioaktives Arbeiten be-nötigen.) Urannitride sind che-misch weitgehend inert und we-sentlich einfacher und sicherer zu lagern als UF6. Abgereichertes UF6 wird so zum inerten, abgereicher-ten UN. Eine einfache Synthese von UN aus UF6 und NH3 wäre au-ßerdem vorteilhaft, da UN als po-tenzieller Kernbrennstoff in der nächsten Generation der Kern-kraftwerke gehandelt wird. Ange-reichertes UF6 könnte so zum ange-reicherten UN und damit zum Brennelement werden. UN befindet sich bereits in einigen Testanlagen in der Anwendung, beispielsweise in Indien.

Urannitrid vereint gegenüber den klassischen Kernbrennstoffen UO2 oder (U, Pu)O2 mehrere Vor-teile: Sein Schmelzpunkt liegt mit etwa 2850 °C rund 100 K höher als bei UO2. UN hat mit 13,5 g·cm–3 gegenüber 9,6 g·cm–3 eine deutlich höhere Dichte und damit eine we-sentlich höhere Brennstoffdichte als UO2. Hinzu kommen eine bessere, mit steigender Temperatur zuneh-mende, thermische Leitfähigkeit. Außerdem ist das U-Pu-N-Phasen-system sehr einfach: UN und PuN sind vollkommen mischbar und

Nachrichten aus der Chemie | 56 | Dezember 2008 | www.gdch.de/nachrichten

Fluorchemie �Magazin� 1239

Mit flüssigem Stickstoff

gekühltes, flüssiges Fluor.

Page 5: Uran und Fluor - zwei eng verwobene Elemente

PuN ist das einzige Nitrid im Sys-tem Pu-N.

Diese Faktoren führen zu deut-lich verbesserter Energieausbeute im Vergleich zu oxidischen Kernbrenn-stoffen. Weitere Vorteile sind die ge-ringere Aggressivität der UN-Brenn-elemente und seiner Spaltprodukte gegenüber den eingesetzten Brenn-elementhülsen und Kühlmitteln der verschiedenen Reaktortypen, ein ge-ringes Quellen und eine geringe Spaltgasabgabe.

Ungeachtet politischer oder ideo-logischer Strömungen (siehe Karsten Meyers Plädoyer für die Uranchemie [Nachr. Chem. 2007, 55, 1195]) ist es die Aufgabe der Fluor chemie, eine Verwendungsmöglichkeit für UF6 zu finden und die Wertschöpfungskette weiter auszubauen – zumindest so-lange, bis Energiegewinnung durch Kernspaltung ohne Einschränkungen ersetzt werden kann.

Literatur, Internetadressen und Anmerkungen

1) www.kernenergie.de

2) Atomkraft: Wiedergeburt eines Auslauf-

modells? Themenpapier des Bundes-

umweltministeriums, S. 20. Undatiert (of-

fenbar Ende 2004) http://www.bmu.de/

files/atomenergie/downloads/applicati-

on/pdf/themenpapier_atomkraft.pdf

3) Atomenergie: keine Rettung für das Kli-

ma. Greenpeace, Juli 2005 http://www.

greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_uplo-

ad/themen/atomkraft/green-

peace_atomkraft_und_klimaschutz.pdf

4) Der Autor stammt aus dem Bayerischen

Wald und es geht ihm gut.

5) http://www.uxc.com

6) International Atomic Energy Agency,

Wien, Country nuclear fuel cycle profiles.

2. Auflaae, , 2005.

7) Deutscher Bundestag, Drucksache

14/6692, 14. Wahlperiode, 16. 07. 2001,

Transporte und Lagerung von Uranhexa-

fluorid in der Bundesrepublik Deutschland

8) http://web.ead.anl.gov/uranium/guide/

index.cfm

9) W. D. Loveland, D. Morrissey, G. T. Seab-

org, Modern Nuclear Chemistry, Vol. 1

John Wiley & Sons, 2005, p. 1.

10) Trends der Angebots- und Nachfragesi-

tuation bei mineralischen Rohstoffen,

Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirt-

schaftsforschung (RWI Essen), Fraunho-

fer-Institut für System- und Innovations-

forschung (ISI), Bundesanstalt für Geo-

wissenschaften und Rohstoffe (BGR),

Endbericht, Januar 2007

11) Wölsendorf: 44 km nördlich von Regens-

burg, 35 km westlich der Tschechischen

Republik. Siehe auch H. Strunz, Die Uran-

grube in Bayern von 1804 – 1962, Natur-

wissenschaftlicher Verein, Regensburg,

1962, S. 35–39.

12) http://www.berthold-weber.de/stink

spat.htm

Nachrichten aus der Chemie | 56 | Dezember 2008 | www.gdch.de/nachrichten

�Magazin� Fluorchemie 1240

Florian Kraus, Jahrgang

1977, ist seit dem Jahr 2006

Liebig-Stipendiat an der TU

München. Der promovierte

Festkörperchemiker habili-

tiert dort im Umfeld von

Thomas Fässler. Neben der Uranchemie ist die

Fluor chemie sein bevorzugtes Arbeitsgebiet.

Er erforscht die Darstellung neuer Übergangs-

metall- und Seltenerdfluoride mit Fluor und

Fluorwasserstoff sowie Reaktionen dieser

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