urteil olg frankfurt am main vom 06.11.2012
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Abschrift
fII., Oberlandesgericht Frankfurt am Main
5 U 133/113/3 0 96/10 Landgericht Frankfurt am Main
Verkündet am 6. November 2012
Tönnies JustizangestellteUrkundsbeamtin der Geschäftsstelle
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL·
In dem Rechtsstreit
I - • - •
Beklagte und Berufungsklägerin,
(Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Wasmann, c/o Gleiss Lutz,Maybachstraße 6, 70469 Stuttgart, Geschäftszeichen: DW/nd 71825-10 002)
gegen1_ .....-.~...~.---. I - - - - - - -
_ n,
Klägerinnen und Berufungsbeklagte,
(Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Theo Schubert, Humboldtstraße2,79098 Freiburg, Geschäftszeichen: Ak-30/10)
• I
I
i
2
hat d~r 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den-
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwarz, den Richter am
Oberlandesgericht Busch und den Richter am Oberlande~gericht Dr. Zeitz aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2012
für Recht erkannt:
Aufdie Berufung der Beklagten wird das am 2. November2011 verkündete
Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main
teilweise abgeändert und zur KlarsteIlung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an Klägerin zu 1.) 291,10 €nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juni 2010 und an
die Klägerin zu 2.) 28,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seitdem 4. Juni 2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird ,zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben
die Klägerin zu 1.) 9/10 und die Klägerin zu 2.) 1/10 zu tragen. Die
außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen tragen diese jeweils selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wie auch das angefochtene Urteil im
Umfang seiner Aufrechterhaltung ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar ist.
Gründe:
I.
Die Klägerinnen verlangen die Auszahlung von Dividenden der Beklagten, die in den
Hauptversammlungen zwischer.l dem 29.5.1997 und 9.4.2009 beschlossen worden
waren, die Klägerin zu 1.) zusammen 5.148,48 €, die Klägerin zu 2.) zusammen
505,92 €. Die Klägerinnen waren 1988 Inhaber von 50 (Klägerin zu 1.) und 5
(Klägerin zu 2.) Aktien der_ die mit dem Vertrag vom 28.4.1988 und
anschließend~n Zustimmungen der Hauptversammlungvon der
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einer Rechtsvorg.ängerin der Beklagten (künftig vereinfachend nur: Beklagte), 'durch
einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag dominiert werden sollte (hier"
Anl. B 1, BI. 74 ff. d.A.). Neben anderen Aktionären der_führten die
Klägerinnen ein Spruchverfahren zur Erreichung einer höheren Ausgleichszahlung
und einer verbesserten Abfi.ndung qurch, dasdurch eine Entscheidung vom
1T 11.2009 nach 21 Jahren abgeschlossen wurde und das damit endete, dass der in
dem Vertrag bestimmte Abfindungsbetrag in Aktien der Beklagten verbessert wurde.
In der Zwischenzeit war die _1996 auf die' Beklagte verschmolzen worden,
sodass der Klägerinzu 1.) statt 50~ktien aus der Umwandlung 71 Aktien der
Beklagten und der Klägerin zu 2.) für ihre fünf AEG-Aktien sieben Aktien zustanden
(Umtauschverhältnis 7 zu 10 angesichts Aktiensplits bei der Beklagten auf 5,00 DM).
(\ Die Depotbankder Klägerinnennahm den Umtausch der Akti~nurkunden aber nicht
vor" die 1997 für kraftlos erklärt wurden. Nach Veröffentlichung des Beschlusses zur
Beendigung des Spruchverfahrens am 4.12.2009 im Bundesanzeiger verlangten die
Klägerinnen von der Beklagten am 5,1.2010 den Umtausch ihrer_-Aktien und
erhielten entsprechend dem erkannten Umtauschverhältnis' (2,9 zu 1 bzw. 10 nach
Aktiensplit) entsprechend 173 Aktien und 17 Aktien, allerdings nur mit einer
Dividendenberechtigung ab 2010. Die Berechtigung zum Erhalt von Dividenden aus
der Zeit zwischen der Verschmelzung und der Annahme des Abfindungsangebots ist
. streitig.
Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, auf die insgesamt erhaltenen 173 und.17 Aktien der Beklagten auch für die Jahre 1997 bis 2009 Dividendenansprüche zu
haben, deren Höhe je Aktie zwischen den Parteien unstreitig ist und aus der
Aufstellung der Klägerinnen zur Klageschrift folgt (BI. 14 d.A.), woraus sich die
Klägerin zu 1.) 5.148,48 € und die Klägerin zu 2.) 505,92 € errechn~n.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1.) 5.148,48 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.6.2010 zu,.zahlen, und an die Klägerin zu 2.) 505,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.6.2010 zu zahlen.
IIr ~.I
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.Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Die Bek~agte hat behauptet, die Klägerinnen hätten auf ihre durch die
Verschmelzung erlangten Mitgliedsrechte an der Beklagten bereits die
beschlossenen und ihnen zustehenden Dividenden erhalten. Das Gegenteil müssten
die Klägerinnen beweisen. Aus dem im Spruchverfahren angepassten
Abfindungsangebot seien sie für di~ Zeit vor dessen Annahme nicht
dividendenberechtigt. Sie hat sich auf Verjährung berufen.
, Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil den Klägerinnen die Dividenden.aus ihrem durch die Verschmelzung entstandenen Mitgliedsrecht zustünden, zu
dessen Erfüllung die Beklagte beweisfällig sei. Ein Verjährungslauf sei durch das
Spruchverfahren gehemmt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des
erstinstanzlichen Parteivortrags und wegen der Entscheidungsgründe wird auf das
angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung weist die Beklagte darauf hin, dass das Landgericht nicht nach
den Erwerbstatbeständen unterschieden habe. Zu den in der Verschmelzung
erlangten Aktien liege die Beweislast wegen des Bankgeheimnisses bei der Klägerin.
Insoweit komme eine Hemmung der Verjährung nicht in Betracht, weil diese nicht
Gegenstand des Spruchverfahrens gewesen seien. Die weiteren durch die Annahme
des Abfindungsangebotserlangten Aktien seienfOr die Vergangenheit nicht
dividendenberechtigt, weil nach dem Beherrschungsvertrag zurAbfindung nur Aktien
. mit aktueller Gewinnberechtigung zu gewähren seien.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerinnen verteidigen das Urteil.
11.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig eingelegt und gerechtfertigt worden. Das'" ,
Rechtsmittel hat überwiege~d Erfolg, nämlich soweit das Urteil des Landgerichts auf
einem Rechtsfehler beruht (§ 513 Abs.1 ZPO). Die Rechtsschutzziele der
Klägerinnen sind dahin auszulegen, dass jede Klägerin nur Zahlung an sich selbst
verlangt.
1. Aktien aus 'der Verschmelzung
Zu den durch die Verschmelzung im Jahr 1996 den Klägerinnen nach § 20 Abs.1
Nr.3 UmwG zugekommenen Aktionärsrechten an der Beklagten im Umfang von 71
und sieben Aktien sind aus § 58 Abs.4 AktG iVm. dem jeweiligen
Gewinnverwendun'gsbeschluss den Klägerinnen Zahlungsansprüche entstanden.
Erfüllung (§ 362 Abs.1 BGB) ist dazu nicht eingetreten, denn Zahlungen auf diese
i\nsprüche hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Dazu war sie aber,
gehalten, nachdem die Klägerinnen den Erhalt der Dividenden bestritten'haben, Eine
Verschwiegenheitspflicht der Depotbank der Klägerinnen, auf die sich die Beklagte
zurück zieht, kann die Beklagte nicht an weiterem Vortrag hindern, nämlich dazü,
wann sie welche ZahlÜngen an die Klägerinnen bzw. ihre Depotbank geleistet hat,
, die in Vo~lmacht der Depotkunden bei verwahrten Wertpapieren das Inkasso
übernimmt (vgl. Schimansky/Bunte/Lwoski, Bankrechthandbuch, 4. Aufl. 2011, § 72
Rz.175). Aktienurkunden der Beklagten a,us der 1996 erfolgten Vers,chmelzung
wurden tatsächlich bei einer Depotbank der Klägerinnen überhaupt 'nicht verwahrt.
Die Klägerinhen hatten vielmehr, wie aus der Andienung vom 5.1.2010 ausreichend
folgt, die inzwischen für kraftlos erklärten Aktienurkundender IIIIIIIII noch bei ihrer
Depotbank in StreifbandverWahrung, also körperlich,liegen.
Die Dividendenansprüche aus den 1996 erlangten Mitgliedsrechten an der
Beklagten, also im Umfang von 71 und sieben Aktien, sind aber ganz überwiegend
verjährt, worauf sich die Beklagte berufen hat, § 214 BGB 'iVm. §§ 195,199 Abs.1
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BGB und Art.22~ § 6 Abs.4 EGBGB. Danach gilt ab 1.1.2002 die dreijährige
Regelverjährung auch zu den Dividendenansprüchen 1997 bis 2001, weil die
subjektiven Voraussetzungen nach § 199 Abs.1 Nr:2 BGB vorlagen. Die Klägerinnen
waren sich mindestens infolge grober Fahrlässigkeit über die Verschmelzung nicht im
Klaren. Das führt dazu, dass eine Hemmung erstmals durch die alsbald zugestellte (§
167 ZPO) Klage, also am 10. August 2010, eintrat. Eine frühere Hemmung der
Verjährung ist durch das Spruchverfahren schon deshalb nicht eingetfeten, weil der
Dividendenanspruch zu den 71 'und sieben Aktien sich aus der Verschmelzung ergibt
und von dem Verlauf des Spruchverfahrens zum Gewinn- und Beherrschungsyertrag
unabhängig war. Danach kann die Beklagte die Leistung für die Dividenden'
verweigern, die mit der Hauptversammlung vom 13.4.2006 und früher fällig wurden,
denn di'ese Ansprüche verjährten Ende 2009. Es bleiben Ansprüche aus den, .
GewinnverwendungsbeschlÜssen der Hauptversammlungen vom 5.4.2007,
10.4.2008 und 9.4.2009', nämlich von 4,10 € je Aktie. Für die Klägerin zu 1.) führt das
zu 291,10 € und für die Klägerin zu 2.) zu 28,70 €.
2. Aktien aus der Ausübung des Abfindungsanspruchs
Insoweit ist die Klage unbegründet.
Im Umfang der Aktien, die den Klägerinnen durch die Annahme des im
Spruchverfahren erhöhten Abfindungsangebots zugekommen sind (102 und 10
Stück), besteht aus § 5 des Gewinn- und Beherrschungsvertrags iVm. § 328 Abs.1
8GB (vgl. dazu BGH vom 8.5.2006, I1ZR 27/05 - BGHZ 167, 299 - RZ.18 bei juris)
ein Anspruch auf Dividendenzahlungen nicht.
Die Bestimmung der angemessenen Abfindung wirkt allerdings nach allgemeiner'
Ansicht zurück auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH, wie vor;
MüKo/AktG/Kubls, 3. Aufl. 2010, § 13 SpruchG Rz.2; Bürgers/EderlefTheusinger,
AktG, 2. Aufl. 2011, RZ.1 u.a.m.). Auch ist unschädlich, dass die Verschmelzung den
Beherrschungsvertrag hat erlöschen lassen. Denn das entstandene Drittrecht der
. Klägerinnen entfiel dÜrch eine Konfusion von Versprechendem und
Versprechensempfänger nicht, was sich auch aus den Grundsätzen des
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vertragsübergreifenden Spruchverfahrens ergibt (vgl. MüKo/Paulsen, AktG, § 305•
Rz.38).
§ 5 Abs.1 des Beherrschungsvertrags (BI. 78 d.A.) räumt jedoch dem 1\1 J ~ktionär
nur ein Recht ein, seine Aktien in einem - im Spruchverfahren verbesserten -
Verhältnis in solche der Beklagten umzutauschen, also einen
! Verschaffungsanspruch. Dieser kann nicht dahin ausgelegt werden, auch nicht im
Wege ergänzender Vertragsauslegung, dass er bei Ausübung rückständige•
Dividendencoupons einschlösse (a.A. Heidel/Meilicke, AktG, 3. Aufl. 2011, § 305
Rz.64). Denn durch ein solches Erg~bnis würde der Aktionär des beherrschten
Unternehmens sich zu Unrecht bereichern. Die gegebenenfalls im Spruchverfahren
anzupassende Ausgleichszahlung nach § 304 Abs.1 AktG, die ihm bis zur Ausübung
des Abfindungsrechts nach Beendigung des Spruchverfahrens zusteht, ersetzt
nämlich die ihm ansonsten zustehende Dividende, die dadurch entfällt, dass der
Gewinn vollständig dem herrschenden Unternehmen zugeführt wird. Würde der
außenstehende Aktionär neben dieser Entschädigung für die Dividende noch
rückwirkend die Dividende aus den Abfindungsaktien erhalten, würde sein
eingesetztes Kapital am Erfolg des herrschenden Unternehmens in doppelter Weise
profitieren.
Das kann man nicht unter Hinweis auf § 305 Abs.3 Satz3 AktG in Frage stellen. Nach
dieser Bestimmung w~rden allerdings Abfindungsbeträge, die in bar geleistet
werden, also nicht in Aktien des herrschenden Unternehmens, ab Wirksamkeit des
GuB-Vertrags mi~5 Prozentpunkten über Basiszins verzinst. Es entspricht aber
höchstrichterlicherRechtsprecQung (vgl. BGHvom 10.12.2007, 11 ZR 199/06....,BGHZ
174,378 RZ.8 bei juris;Bürgers/Körber, AktG, 2. Auf!. 2011, § 305 RZ.12 jemwN.),
dass zur Vermeidung einer Überkompensation die Abfindungszinsen mit dem
erhaltenen jährlichen Ausgleichsbetrag zu verrechnen sind.
Die sich aus der Verschmelzung im Jahr 1996 ergebende Sondersituation rechtfertigt
keine andere Beurteilung, insbesondere keine abweichende Auslegung des früheren
Unternehmensvertrags. Damit traten nämlich nur an die Stelle der
Ausgleichzahlungen die Erträge aus den durch die Verschmelzung erlangten Aktien,..
deren Angemessenheit im Zeitpunkt der Verschmelzungsentscheidung zu
I ..,
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unterstellen ist. Eine Anfechtung und gerichtliche Abänderung der Unitauschrelation
ist nicht vorgetragen.
Äl.:IS § 58 Abs.4 AktG iVm.mit den jeweiligen Gewinnverwendungsbeschlüssen, alsq
aus dem Mitgliedschaftsrecht selbst, haben die Klägerinnen im Umfang der 2010
erlangten weiteren Äktien 'keinen Anspruch auf vergangene Dividende, weil sie im
! Zeitpunkt der Entstehung der Dividendenansprüche (1997 bis 2009) zwar einen
schuldrechtlichen Anspruch hatten, nicht aber Rechtsinhaber waren, Auch aus..
Verzug (§ 286 Abs.1 BGB) besteht ein weitergehender Anspruch nicht, weil die
Entstehung des Anspruchs auf.Aktienverschaffung das Abfindungsverlangen der
Klägerin voraussetzte, das erst 2010 erfolgte.
Der Zinsanspruch, im Berufungsverfahren ohnehin nicht gesondert angegriffen,
beruht jedenfalls ab dem beantragten Zeitpunkt - hier - auf § 286 Abs.2 Ziff.1 BGB.
Die Leistung der Dividende ist hier durch den Tag der Hauptversammlung bestimmt.
Die Kosten haben die Klägerinnen nach § 91 Abs.1 ZPO iVm. § 100 Abs.2 ZPO
insgesamt zu tragen; weil ihr Teilerfolg verhältnismäßig gering ist, § 92 Abs.2 ZPO.
Die Regelung gilt nämlich auch, wenn die beklagte Partei nur geringfügig verurteilt·
worden ist (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO,32. Aufl. 2011, § 92 Rz. 8).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO
nicht vorliegen.
Streitwert im Berufungsverfahren: 5.654,40 €
Dr. Schwarz Busch Dr. Zeitz