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Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über Ausgleichsleistungen für Fluggäste bei Nichtbeförderung, Annullierung und großer Verspätung
17. Tagung der Hochschullehrer für Wirtschaftsrecht
Görlitz 7. Juni 2007
Prof. Dr. Führich Fachhochschule Kempten
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FallDer Fluggast Prof. Fix buchte einen Linienflug der Lufthansa (LH) von Frankfurt/M nach Bangkok und zurück in der Economy Class. BeimEinchecken um 22.00 Uhr teilte ihm die nette Angestellte des Code-Share-Partners Singapur Airline (SA) mit, dass der Hinflug um 24.00 Uhr leider überbucht sei und er erst am nächsten Tag um 12.00 fliegen könne.1. Welche Rechte kann Prof. Fix gegenüber den Luftfahrtunternehmen LH
bzw. SA wegen der Überbuchung seines Fluges nach der VO (EG) Nr. 261/2004 geltend machen?
2. Der Rückflug mit LH verspätete sich um 4 Stunden wegen einer Bombendrohung im Flughafen von Bangkok. Rechte von Prof. Fix nach der VO (EG) Nr. 261/2004?
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VO (EG) Nr. 261/2004über Fluggastrechte
VO (EG) Nr. 261/2004Fluggastrechte
Anwendungsbereich Flugstörungen Ansprüche Konkurrenzen
Örtlich
Persönlich
Linie/Charter/Reise
Nichtbeförderung
Annullierung
Verspätung
Ausgleichsanspruch
Unterstützungsleistungen
Betreuungsleistungen
MÜ/EG (VO) Nr.2027/97
BGB LuftbeförderungsV
BGB ReiseV
IPR/Gerichtsstand
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1. Gegenstand der VO (Art. 1)Die VO legt als abstrakter SchadensersatzMindestrechte für Fluggäste fest bei
Nichtbeförderung (Überbuchung/Flugverlegung) Annullierung großer Verspätung
ohne Unterschied, ob ein Linien-, Bedarfs- oderPauschalreise- bzw. ein Billigflug vorliegt.
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2. Anwendungsbereich (Art. 3)
Die VO gilt seit 17. 2. 2005 für alle Flüge die in der EU beginnen ohne Rücksicht, ob das
Luftfahrtunternehmen seinen Sitz in der EU hat, von Luftfahrtunternehmen mit Sitz in der EU aus
Drittstaaten in die EU, sofern im Drittstaat noch keine Ausgleichsleistungen erbracht wurden.
Unberührt bleiben die reisevertraglichen Rechte der §§ 651a ff. BGB des Pauschalreisenden gegen den Reiseveranstalter als seinen Vertragspartner.
Die bisherige ÜberbuchungsVO (EWG) Nr. 295/91 wurde aufgehoben (Art. 18).
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3. Anspruchsteller und Anspruchsgegner (Art. 3) Anspruchsteller ist der Fluggast, wobei dieser
Verbraucher (§ 13 BGB) oder Unternehmer (§ 14 BGB) als Geschäftsreisender sein kann.
Anspruchsgegner ist das ausführende Luftfahrtunternehmen, welches Regress gegen einen Vertragspartner des Fluggastes (Vertragliches Luftfahrtunternehmen/Reiseveranstalter) nehmen kann.
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4. Nichtbeförderung (Art. 4) Weigerung der Beförderung
bei ordnungsgemäßem Erscheinen 45 Minuten vor Abflug (Art. 2j)
ohne Ursachen in der Person des Fluggasts (Sicherheit, Krankheit…)
ohne Vorliegen von höherer Gewalt. Hauptgründe (Kapazitätsauslastung)
Überbuchung des Fluges Verlegung auf anderen Flug durch
Luftfahrt-/Reiseunternehmen
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4. Nichtbeförderung (Art. 4) Suche nach Freiwilligen gegen
Gegenleistung zum Verzicht der Buchung (Gutschein) Unterstützungsleistungen (Erstattung/anderweitige
Beförderung) und Betreuungsleistungen (Art. 8, 9) Aber: Verzicht auf Ausgleichs- und weitere
Schadensersatzansprüche nach §§ 631, 280 BGB (Art. 12 II)
Ansprüche der Abgewiesenen auf unverzügliche Ausgleichsleistungen (Art. 7) und Unterstützungsleistungen: Rücktritt/Rückflug zum
Abflugort/anderweitige Beförderung (Art. 8) Betreuungsleistungen (Art. 9)
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5. Annullierung (Art. 5) Nichtdurchführung eines geplanten Fluges mit
reserviertem Platz (Art. 2l) Absage eines Fluges So große Verspätung, dass sie einer Nichtdurchführung
gleichkommt (Revisionsverfahren BGH X ZR 95/06) Rechte der Betroffenen
Unterstützungsleistungen: Rücktritt/anderweitige Beförderung (Art. 8)
Betreuungsleistungen (Art. 9) angemessene Mahlzeiten/Erfrischungen Kommunikationsmittel Hotelunterbringung mit Transfer
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Ausgleichsleistungen (Art. 7), es sei denn nach Art. 5 die Information erfolgt
mindestens 2 Wochen vor planmäßiger Abflugzeit (I c i), 2 Wochen bis 7 Tage vor planmäßiger Abflugzeit mit
Flugalternativen in Toleranzen von 2/4 Sunden (I c ii), weniger als 7 Tage vor planmäßiger Abflugzeit mit
Alternativen in Toleranzen von 1/2 Stunden (I c iii). entlastet sich das Luftfahrtunternehmen, dass die
Annullierung trotz zumutbarer Maßnahmen auf außergewöhnliche unvermeidbare Umstände
zurückgeht (zB Wetter, politische Instabilität, Sicherheitsrisiken, Flugsicherheitsmängel, Streik Dritter, also Störungen außerhalb der betrieblichen Sphäre der Luftfahrtunternehmens, nicht: technische Defekte!)
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6. Große Verspätung (Art. 6) Verspätung ist eine Verzögerung gegenüber der planmäßigen
Abflugzeit. Verspätung ist nur erheblich nach Flugentfernung
< 1500 km mindestens 2 Stunden > 1500-3500 km mindestens 3 Stunden > 3500 km mindestens 4 Stunden
Fluggast Anspruch auf Betreuungsleistungen (Art. 9). Rücktritt mit Flugpreiserstattung nur ab 5 Stunden Verspätung. Ausgleichsleistungen und Ersatzflug zum Endziel sind
ausgeschlossen. Luftfahrtunternehmen hat keine Entlastungsmöglichkeit.
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7. Ausgleichsanspruch (Art. 7) Ausgleichszahlungen schwanken je nach Flugentfernung
zwischen 250 und 600 €. Zahlungen können um die Hälfte gekürzt werden, wenn
der Fluggast mit einem Alternativflug das Endziel innerhalb von zeitlichen Toleranzen erreicht/erreichen hätte können. ≤ 1500 km 250 € < 2 Stunden 50 % > 1500-3500 km 400 € < 3 Stunden 50 % > 3500 km 600 € < 4 Stunden 50 %
Eine Begrenzung durch den Flugpreis besteht nicht.
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Beträge sind unabhängig von einem bestehenden Schaden zu zahlen.
Ausgleichszahlung kann auf einen anderweitigen Schadensersatzanspruch angerechnet werden (Art. 12 I 2).
Zahlung erfolgt in bar, Überweisung, Scheck oder mit schriftlichem Einverständnis in Form eines Reisegutscheins und/oder Dienstleistungen.
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8. Unterstützungsleistungen: Rücktritt oder anderweitige Beförderung (Art. 8)
Der Fluggast hat ein Wahlrecht zwischen Rücktritt und vollständiger Erstattung der
Flugscheinkosten mit Rückflug zum ersten Abflugort, oder anderweitige Beförderung zum Endziel zum
frühesten oder wunschgemäßem Zeitpunkt. Soweit eine Pauschalflugreise vorliegt, ergibt
sich die Erstattung vorrangig aus §§ 651 c bis f BGB.
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9. Betreuungsleistungen (Art. 9) Betreuungsleistungen sind ein pauschalierter
Schadensersatz zum Ausgleich typischer Schäden.
Dem Fluggast sind vom ausführenden Luftfahrtunternehmen unentgeltlich angemessen zur Wartezeit anzubieten Verpflegung, Unterbringung, Beförderung zwischen Flughafen und Hotel, 2 Kommunikationsmöglichkeiten.
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10. Verlegung in andere Klasse (Art. 10)
Kein Aufschlag bei höherer Klasse
Erstattung von 30 bis 75 % bei Herabstufung
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11. Vorrang von Personengruppen (Art. 11)
Vorrang von Personen mit eingeschränkter
Mobilität/Begleitpersonen Kindern ohne Begleitung
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12. Weiter gehender Schadensersatz (Art. 12) Die VO ist eine Mindestregelung des Gemeinschaftsrechts. Daher bleiben weiter gehende verschuldensabhängige
Schadensersatzansprüche aus Pflichtverletzungen des Luftbeförderungsvertrags (§§ 631, 280 BGB) unberührt: Ersatzflug Vergebliche Aufwendungen Schadensminderungspflicht § 254 BGB
Ausgleichsleistungen sind auf solche Schadensersatzansprüche anzurechnen.
Ab 2/3/4 Stunden Verspätung angemessene Preisminderung (§§ 634 Nr. 3, 638 BGB)
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13. Regressansprüche (Art. 13)
Ausführendes Luftfahrtunternehmen (LU) kann Regress nehmen bei
Vertraglichem LU bzw. Reiseveranstalter (RV), wenn Regressklausel im Chartervertrag zwischen LU/RV oder GoA §§ 677, 683 BGB erfüllt ist.
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14. Informationspflichten (Art. 14)
Das ausführende Luftfahrtunternehmenmuss folgende Informationen geben Aushang bei der Abfertigung mit
vorgeschriebenem Wortlaut und Schriftlicher Hinweis auf
Rechte des Fluggasts nach der VO nationale Beschwerdestelle (Luftfahrtbundesamt)
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15. Internationales Privatrecht Anwendungsvorrang der VO
(Art. 15 I und Art. 3 II 2 EGBGB)
Subsidiär gilt Sachrecht des vertraglichen Luftfahrtunternehmens, grundsätzlich Recht der Hauptverwaltung(Art. 27, 28 II, V EGBGB)
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16. Gerichtsstand Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft
EuGVVO mit Wahlrecht: Firmensitz des Beklagten (Art. 2) Bestimmungsort als Erfüllungsort (Art. 5 Nr. 1)
Hinflug: Zielort Hin- und Rückflug: Abflugort (Rundflug)
Niederlassung (Art. 5 Nr. 5) Nicht: Wohnsitzgericht des Verbrauchers (Art. 15 III
macht ausdrücklich für Flug eine Ausnahme)
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Für Luftfahrtunternehmen aus Drittstaat gilt ZPO Firmensitz (§ 17 ZPO)Niederlassung (§ 21 ZPO)Erfüllungsort (§ 29 ZPO)
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17. Verjährung Die VO regelt nicht die Verjährung. Daher ist Luftbeförderungsrecht der
§§ 631, 195, 199 BGB anzuwenden mit der 3jährigen Regelverjährung.