verpackungsmittel migrationsfreier druck dank neuer … · (), ist der-zeit im etiketten- und...

3
22 Fleischwirtschaft 5/2011 Schwerpunkt Interpack Von Hermann Pomsel D as neue Druckverfahren, eingesetzt von der Clever Etiketten GmbH aus Hose- na (www.clever-etiketten.com) und der Clever Foliendruck GmbH aus Senftenberg (www.clever-folien.com), ist der- zeit im Etiketten- und Folien- druck noch ein Alleinstellungs- merkmal auf dem europäischen Markt. Bei den sonst im Verpa- ckungsmitteldruck in Europa marktbeherrschenden Lösemit- tel- und UV-Druckverfahren kommen – im Gegensatz zum EB-Offsetdruck (Electron Beam) mit UV-Strahlen gehärtete Druckfarben zum Einsatz. Sie enthalten alle in mehr oder min- derem Maße migrationsfähige Lösemittel und Fotoinitiatoren. Diese Farbbestandteile können – bei Direktkontakt durch Set-off (Abklatsch), und/oder über die Gasphase – durch Migration ins Lebensmittel übergehen, was aber aufgrund von deren toxiko- logischen und organoleptischen (sensorischen) Eigenschaften grundsätzlich unerwünscht ist. Lebensmittelkontrollen auch in jüngster Zeit haben immer wie- der teils erhebliche Grenzwert- überschreitungen auf gesund- heitlich bedenklichem Niveau ans Licht gebracht. Prinzipien von UV-Druck und EB-Rollenoffset Im UV-Druck werden die Druckfarbbestandteile nach dem Farbauftrag mittels UV-Licht zur Polymerisation angeregt. Jedoch reicht der Energiegehalt der UV- Strahlen nicht zur Erzeugung der notwendigen spezifischen freien Radikale aus, die für die Polymerisationsreaktion bei der Farbhärtung benötigt werden. Stattdessen muss ein Umweg über Reaktionsstarter beschrit- ten werden – die sogenannten Fotoinitiatoren: hochreaktive, bereits in sehr geringen Konzen- trationen gesundheitsschädliche, meist flüchtige Substanzen mit starkem Eigengeruch. Absorption von UV-Strahlen aktiviert die Fotoinitiatoren, die dadurch freie Radikale erzeugen. Letztere bewirken schließlich die Vernetzungsreaktion der Acry- latfarben. Die Absorption der UV-Strahlen hängt dabei von Farbe und Stärke der Lackschicht ab. Die Durchdringung sinkt ex- ponentiell mit der Schichtstärke und abhängig vom Farbton: dunkle Druckfarben absorbieren stärker und sind merklich lang- samer zu trocknen. Im Mehr- farbdruck sind sie der limitieren- de Faktor für die Prozessge- schwindigkeit. Im EB-Rollenoffset dagegen wird der ungehärtete Farblack mit hochenergetischen Elektro- nen aus einer Elektronenquelle bestrahlt. Unabhängig von der chemischen und optischen Be- schaffenheit des Farblacks errei- chen die Elektronen eine soforti- ge, vollständige Durchdringung und Trocknung der Lackschicht. Hierbei entstehen die freien Ra- Verpackungsmittel Migrationsfreier Druck dank neuer Technik Clever bietet hohe Lebensmittelsicherheit von Primärverpackungen durch lösemittel- und fotoinitiatorenfreien EB-Offsetdruck Als migrationsfreie, lebensmittelsichere Alternative zum branchen- üblichen Druckverfahren mit lösemittelhaltigen und UV-getrockneten Farben können Haftetiketten und Folien mittels Elektronenstrahl härtendem, hochauflösendem Rollenoffsetdruck (EB-Offset) produziert werden. Eine Migration unerwünschter Farbbestandteile ins Ver- packungsgut ist beim EB-Offsetdruck grundsätzlich ausgeschlossen. Die Kombination von Elektronenstrahlhärtung und Offsetdruck bietet Vorteile bei der Folienproduktion.

Upload: trandang

Post on 17-Sep-2018

220 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Verpackungsmittel Migrationsfreier Druck dank neuer … · (), ist der-zeit im Etiketten- und Folien-druck noch ein Alleinstellungs- ... durch Migration ins Lebensmittel übergehen,

22 Fleischwirtschaft 5/2011

Schwerpunkt Interpack

Von Hermann Pomsel

Das neue Druckverfahren,eingesetzt von der CleverEtiketten GmbH aus Hose-

na (www.clever-etiketten.com)und der Clever FoliendruckGmbH aus Senftenberg(www.clever-folien.com), ist der-zeit im Etiketten- und Folien-druck noch ein Alleinstellungs-merkmal auf dem europäischenMarkt. Bei den sonst im Verpa-ckungsmitteldruck in Europamarktbeherrschenden Lösemit-tel- und UV-Druckverfahrenkommen – im Gegensatz zumEB-Offsetdruck (Electron Beam)– mit UV-Strahlen gehärteteDruckfarben zum Einsatz. Sieenthalten alle in mehr oder min-derem Maße migrationsfähigeLösemittel und Fotoinitiatoren.Diese Farbbestandteile können –bei Direktkontakt durch Set-off(Abklatsch), und/oder über die

Gasphase – durch Migration insLebensmittel übergehen, wasaber aufgrund von deren toxiko-logischen und organoleptischen(sensorischen) Eigenschaftengrundsätzlich unerwünscht ist.Lebensmittelkontrollen auch injüngster Zeit haben immer wie-der teils erhebliche Grenzwert-überschreitungen auf gesund-heitlich bedenklichem Niveauans Licht gebracht.

Prinzipien von UV-Druck und EB-Rollenoffset

Im UV-Druck werden dieDruckfarbbestandteile nach demFarbauftrag mittels UV-Licht zurPolymerisation angeregt. Jedochreicht der Energiegehalt der UV-Strahlen nicht zur Erzeugungder notwendigen spezifischenfreien Radikale aus, die für diePolymerisationsreaktion bei derFarbhärtung benötigt werden.

Stattdessen muss ein Umwegüber Reaktionsstarter beschrit-ten werden – die sogenanntenFotoinitiatoren: hochreaktive,bereits in sehr geringen Konzen-trationen gesundheitsschädliche,meist flüchtige Substanzen mitstarkem Eigengeruch.

Absorption von UV-Strahlenaktiviert die Fotoinitiatoren, diedadurch freie Radikale erzeugen.Letztere bewirken schließlich dieVernetzungsreaktion der Acry-latfarben. Die Absorption derUV-Strahlen hängt dabei vonFarbe und Stärke der Lackschichtab. Die Durchdringung sinkt ex-ponentiell mit der Schichtstärke

und abhängig vom Farbton:dunkle Druckfarben absorbierenstärker und sind merklich lang-samer zu trocknen. Im Mehr-farbdruck sind sie der limitieren-de Faktor für die Prozessge-schwindigkeit.

Im EB-Rollenoffset dagegenwird der ungehärtete Farblackmit hochenergetischen Elektro-nen aus einer Elektronenquellebestrahlt. Unabhängig von derchemischen und optischen Be-schaffenheit des Farblacks errei-chen die Elektronen eine soforti-ge, vollständige Durchdringungund Trocknung der Lackschicht.Hierbei entstehen die freien Ra-

Verpackungsmittel

Migrationsfreier Druck dank neuer Technik Clever bietet hohe Lebensmittelsicherheit von Primärverpackungen durch lösemittel- und fotoinitiatorenfreien EB-Offsetdruck

Als migrationsfreie, lebensmittelsichere Alternative zum branchen-üblichen Druckverfahren mit lösemittelhaltigen und UV-getrocknetenFarben können Haftetiketten und Folien mittels Elektronenstrahl härtendem, hochauflösendem Rollenoffsetdruck (EB-Offset) produziertwerden. Eine Migration unerwünschter Farbbestandteile ins Ver-packungsgut ist beim EB-Offsetdruck grundsätzlich ausgeschlossen.

Die Kombination von Elektronenstrahlhärtung und Offsetdruck bietet Vorteile

bei der Folienproduktion.

Page 2: Verpackungsmittel Migrationsfreier Druck dank neuer … · (), ist der-zeit im Etiketten- und Folien-druck noch ein Alleinstellungs- ... durch Migration ins Lebensmittel übergehen,

Fleischwirtschaft 5/2011

Schwerpunkt Interpack Schwerpunkt Interpack

dikale für die Vernetzungsreak-tion der Farbbestandteile durchKollision der Elektronen mit denFarbmolekülen im flüssigenFarblack. Endprodukt ist wieder-um eine gehärtete Farbschicht.

Elektronenstrahlhärtung und Offsetdruck

Die Kombination aus Elektro-nenstrahlhärtung und Offset-druck bietet im Vergleich zu dengängigen Verfahren eine ganzeReihe von verpackungstechni-schen, finanziellen und Ressour-cen (Zeit und Energie) schonen-den Vorteilen: Die Pigmentfarb-systeme der EB-Druckfarbensind aufgrund der schnellen undvollständigen Trocknung extremmigrationsarm. Ihre Trock-nungsgeschwindigkeit ist unab-hängig von Schichtdicke undFarbton des Farblacks. EB-Druckfarben sind daher die zur-zeit migrationsärmsten und si-chersten Farbsysteme auf demMarkt. EB-Farben sind frei vonjeglichen Fotoinitiatoren, Löse-mitteln und Weichmachern. EineKontamination des Lebensmit-tels durch Migration von Löse-mittelbestandteilen oder Fotoini-tiatoren, oder durch den starkenEigengeruch der Fotoinitiatoren,ist daher bei EB-Verfahren prin-zipiell ausgeschlossen.

EB-Verfahren sind substrat-schonender als UV-Verfahren:UV-Trocknung führt in den al-lermeisten Fällen zu einer Erhit-zung des Substrats, da typischeUV-Lampen ihre Energie in ei-nem breiten Spektralbereich ab-strahlen, von UV- bis Wärme-strahlung. EB-Trocknung ist da-gegen ein „Cold Curing-Verfah-ren“, bei denen der Bedruckstoff

nicht erwärmt wird. Ein weiterererheblicher Vorteil von EB-Off-set, der diesen besonders attrak-tiv für kleine und mittlere Auf-lagen macht, sind die im Ver-gleich zum Kupfertiefdruck undFlexodruck niedrigen Kosten inder Druckvorstufe.

Die Verwendung von UV-Strahlung zur Farbtrocknung hatnoch einen weiteren bedeuten-den Nachteil: Bei der Alterungvon UV-Lampen verschiebt sichihr Emissionsspektrum in Rich-tung Wärmestrahlung. DieEmission im UV-Bereich nimmtalso ab, die im IR-Bereich zu. Dasbedeutet, dass im Zweifelsfall beiunbemerkter Alterung der Lam-pe die Farbschicht schlechtertrocknet, mit der Gefahr einerverstärkten Abklatschbildung,und das Substrat durch stärkeresErhitzen zusätzlich belastet oderbeschädigt werden kann.

Becher-Etiketten und Folienverpackungen

Anwendungsbeispiele für Fo-lienverpackungen und Etikettenfür Fleisch, Wurst, Feinkost,Milch und Käse verdeutlichen denbreiten Einsatzbereich des neuenVerfahrens: Becheretiketten fürFeinkost, Joghurt etc. werden vomBecherhersteller häufig schon vorAuslieferung an den Lebensmit-telhersteller mit optisch hochwer-tigen Etiketten versehen. Der Ab-nehmer erhält für seine Produkti-on etikettierte und gestapelte Be-cher zur Befüllung. Im Stapel liegtEtiketten-Außenseite dicht andicht gegen Becher-Innenseite.Hier kann Migration von Farbbe-standteilen stattfinden: Die Ober-fläche des Etiketts kann chemischeSubstanzen an die Innenseite desdarunter liegenden Bechers abge-ben. Wird der Becher gefüllt, kön-nen diese Stoffe von der Beche-rinnenwand ins Nahrungsmittelgelangen. Daher kommt es hierganz entscheidend auf die chemi-sche Zusammensetzung derDruckfarben an – und damit aufdas Druckverfahren. Der Ge-brauch von EB-Offset verhinderthier Migration, und erlaubt denEinsatz nicht-laminierter und da-mit kostengünstigerer Etiketten.Auch nicht-laminierte lebensmit-telsichere Oberbahnfolien kön-

Der Gebrauch von EB-Offset verhindert

auch bei optisch hochwertigen

Etiketten eine Migration.

Page 3: Verpackungsmittel Migrationsfreier Druck dank neuer … · (), ist der-zeit im Etiketten- und Folien-druck noch ein Alleinstellungs- ... durch Migration ins Lebensmittel übergehen,

24 Fleischwirtschaft 5/2011

Schwerpunkt Interpack

nen im Oberflächendruck produ-ziert werden.

Anwendungsbeispiel Folien-verpackungen: Im EB-Offsetrealisiert die Clever FoliendruckGmbH das ganze Spektrum be-druckter Verpackungsfolien fürFleisch- und Wurstwaren. Undsogar für den besonders sensi-blen Bereich der Babynahrung,in dem die strengsten Qualitäts-anforderungen der gesamten Le-bensmittelbranche gelten, wirdeine optisch und qualitativ hoch-wertige Verpackungslösung füreine große Anzahl unterschiedli-cher Babymilchnahrungspro-dukte produziert. Im EB-Offset-verfahren konnte damit eine ge-eignetere und kostengünstigereAlternative zu Kupfertiefdruckund Flexodruck angeboten wer-den.

Neue Verordnung fürDruckfarben noch 2011

Die Relevanz eines Druckver-fahrens mit schadstoffarmen Far-

ben zeigt sich auch in Anbetrachtder für 2011vom deutschen Bun-desministerium für Verbrau-cherschutz (BMELV) angekün-digten umfassenden Neurege-lung der zulässigen Druckfarb-bestandteile. Der gegenwärtigenMigrationsproblematik mit ih-ren immer wieder auftretendengroßen und kleineren Lebens-mittelskandalen liegt vor allemauch eine fehlende gesetzlicheRegelung erlaubter Substanzenund Grenzwerte auf nationalerund EU-Ebene zugrunde, die ih-rerseits eng mit der sehr großenAnzahl unterschiedlicher Farb-bestandteile und dem Fehlen to-xikologischer Studien undGrenzwerte für die allermeistendavon verknüpft ist.

Die 2008 von der Vereinigungeuropäischer Druckfarbenher-steller EuPIA zusammengestell-te „Öffentliche Inventurliste fürDruckfarbbestandteile“, die lautSelbstauskunft auf Angaben von95% der europäischen Druckfar-benhersteller basiert, teilt die

Farbbestandteile in vier Roh-stoffgruppen ein: Additive, Farb-stoffe, Polymerharze, sowie Lö-semittel und Monomere zurStrahlungshärtung. Allein dieAdditive werden in 19 Klassenunterteilt. Eine davon, die Fotoi-nitiatoren, umfasst knapp 90 ver-schiedene Substanzen (Stand:Dezember 2009). Toxikologischeingehender untersucht wurdenbisher nur zwei Fotoinitiatoren,Benzophenon (BP) und 4-MBP.Toxikologische Studien zuWechselwirkungen verschiede-ner Kombinationen von Fotoini-tiatoren, die häufig vorkommen,existieren nicht. Für Fotoinitia-toren insgesamt gelten daher nurgenerelle, auf Schätzungen ba-sierende Grenzwerte. Um dieserProblematik in Deutschland ent-gegenzutreten, ist vom Bundes-ministerium für Verbraucher-schutz (BMELV) in Zusammen-arbeit mit dem Bundesinstitutfür Risikobewertung (BfR) für2011 im nationalen Alleingangeine Neuregelung der zugelasse-

nen Druckfarbbestandteile vor-gesehen, mittels einer Positivlis-te toxikologisch unbedenklicherSubstanzen. Erst im Laufe desJahrzehnts ist eine Neuregelungauf EU-Ebene geplant. Nur in derSchweiz gilt bereits seit 2010 einevergleichbare Regelung, die inenger Zusammenarbeit mit derEuPIA entwickelt wurde.

Anschrift des Verfassers

Hermann Pomsel, Clever Etiketten GmbH,

Schwarzbacher Straße 1, 01996 Hosena

Hermann Pomsel ist seit acht Jahren

Qualitätsmanager bei Clever. Seit 2009

verantwortet er den Aufbau eines

Hygienemanagementsystems im neu

errichteten Produktionsstandort der

Clever Foliendruck

GmbH. Dieses

Werk wurde im

Januar 2010

erfolgreich nach

dem BRC/IoP-

Standard zertifi-

ziert.