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GEWERKSCHAFTEN und RECHTSEXTREMISMUS Die folgende Arbeit entstand im Rahmen eines Seminars an der Heimvolkshochschule Jägerei Hustedt. Da mir dieses Thema gerade auch für die gewerkschaftliche Tätigkeit sehr wichtig ist, bin ich für die Möglichkeit, diese Arbeit hier zu veröffentlichen, sehr dankbar. Über Diskussionsbeiträge und Meinungsäußerungen würde ich mich freuen. Peter Trube 1

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GEWERKSCHAFTEN

und RECHTSEXTREMISMUS

Die folgende Arbeit entstand im Rahmen eines Seminars an der Heimvolkshochschule Jägerei Hustedt. Da mir dieses Thema gerade auch für die gewerkschaftliche Tätigkeit sehr wichtig ist, bin ich für die Möglichkeit, diese Arbeit hier zu veröffentlichen, sehr dankbar. Über Diskussionsbeiträge und Meinungsäußerungen würde ich mich freuen.

Peter Trube

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GLIEDERUNG

I. Einleitung

II. Definition Rechtsextremismus

III. Historischer Rückblick 1. Der ADGB und sein Verhältnis zum Faschismus

1.1. Die Machtergreifung Hitlers1.2. Die Haltung der Gewerkschaften1.3. Die wirtschaftliche Lage der Arbeiterschaft

2. Die Gewerkschaften und die Rechte seit 19452.1 Der Wiederaufbau der Gewerkschaften seit 19452.2 Der Rechtsextremismus im Nachkriegsdeutschland2.3 Das Ende des Wirtschaftswunders und die NPD2.4 Der Revanchismus in den siebziger Jahren

IV. Rechtsextremismus heute1. Die Entwicklung in Europa2. Die parlamentarische Entwicklung der Rechten in

Deutschland3. Militante, gewalttätige Aktionen4. Neue Rechte5. Frauen und Rechtsextremismus

V. Die Haltung des DGB1. Rechtsextremistisches Einstellungsverhalten2. Wahlverhalten3. Rechtsextremismus- ein Jugendproblem?

4. Rechtsextremistische Orientierung von Gewerkschaftsmitgliedern

VI. Hintergründe1. Wirtschaftliche Situation

2. Gesellschaftliche Hintergründe

VII. Konsequenzen

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1. Zentrale Aktivitäten 2. Betriebliche Aktivitäten

3. Bildungsmaßnahmen 3.1. Lernen aus der Vergangenheit 3.2. Internationale Seminare 3.3. Bildungsarbeit allgemein 3.4. Gemeinsame Seminare 4. Schulen 5. Öffentlichkeitsarbeit

VIII.Schlussbemerkung

IX. Literaturverzeichnis

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I. Einleitung

1.Mai 2001- in verschiedenen Städten Deutschland (u.a. Berlin, Essen, Frankfurt) kommt es –gerichtlich genehmigt- zu Aufmärschen Rechts-extremer unter Führung der NPD. Empört und wütend verfolge ich diese Ereignisse vor und um den 1.Mai. Schließlich war und ist mir bewusst, dass diese Kräfte Todfeinde dieser Republik und auch der Gewerkschaften sind. Müssen wir uns wieder daran gewöhnen, dass braune Horden marschieren?

Weiterhin vergeht keine Woche, in der nicht über Überfälle auf ausländische Mitbürger berichtet wird. Auch hier entsteht bei mir der Eindruck, dass die Zeit großer öffentlicher Proteste im Moment nicht gegeben ist, dass stattdessen viele Einzelne im Kleinen dagegen vorgehen. Einen Einhalt indessen können sie diesem Treiben nicht gebieten. Auch große Kampagnen verschiedener Bündnisse wie der Kirchen, der Parteien und auch der Gewerkschaften hinterlassen bei mir das Gefühl ohnmächtiger Bemühungen, die letztlich am bestehenden Zustand nichts Wesentliches ändern. Schließlich waren es ja sogar Organe dieser Republik, die Gerichte, die den Aufmärschen der NPD ihren Segen erteilten.

Fragen also genug, um sich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinander zu setzen. Fragen, die z.T. auch die Geschichte schon beantwortet hat; aus diesem Grund habe ich den geschichtlichen Rückblick in dieser Ausführlichkeit bearbeitet. Schließlich ist es der einzige Weg, nach Antworten zu suchen, aufzuklären über das menschenfeindliche Wirken dieser Kräfte, um diesem Treiben wirkungsvoll entgegentreten zu können.

II. Definition Rechtsextremismus

Anschläge auf Wohnheime für Asylsuchende, Überfälle auf ausländische Mitbürger usw.. Aber dieses passiert nicht nur in Deutschland: Von Frankreich, Italien, Spanien werden Übergriffe auf Minderheiten gemeldet. In Österreich wird Haider (Freiheitliche Partei Österreich), der diesem Treiben verbalen Vorschub leistet, in die Regierung gewählt. Das Internet wird mit rechtsextremem Gedankengut aus Schweden und USA überschwemmt. „Deutschland den Deutschen“ - diese Parole trifft vielleicht die hier verbreitetste

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Spielart des Rechtsextremismus, allein an Erklärung was hinter diesem Treiben steckt, ist das zu wenig. Vergleicht man die Inhalte rechtsextremer Formationen im In- und Ausland, lässt sich die dahinterstehende Ideologie durch verschiedene Erscheinungen kennzeichnen.1

- Bei ihrem Streben nach Macht lehnen die Rechtsextremisten demokratische Grundformen wie die Demokratie als Staatsform ab, ohne darauf zu verzichten, in Parlamente einzuziehen, um sie für ihre Zwecke zu nutzen. Stattdessen wollen sie alle gesellschaftlichen Bereiche nach dem Prinzip von „Befehl und Gehorsam“ ordnen.

- Rechtsextreme betonen die Überlegenheit ihrer Rasse, in die sie sich hineingeboren und damit untrennbar verbunden fühlen. Mit Hilfe von biologistischen und sozialdarwinistischen Theorien erklären sie dabei ihre Rasse zur Herrenrasse.

- Im Gegensatz zur demokratischen Staatsform setzen sie auf autoritäre und diktatorische Herrschaftsformen, die vom „Führertum“ geprägt sind. Dabei berufen sie sich auf das Recht des Stärkeren und lehnen Toleranz gegenüber Andersdenkenden ab. Individuelle Freiheiten lehnen sie als gefährlich für ihre Ziele ab.

- Nach außen propagieren sie einen radikalen Nationalismus: Minderheiten, Ausländer, andere Rassen und Völker haben in ihrem Weltbild keinen Platz und werden bekämpft.

- Ihr Streben nach der Herrschaft versuchen sie mit allerlei Verschwörungstheorien („Weltkapital“, „Judentum“ etc.) zu rechtfertigen und sehen Regierungen und Staaten von „Feinden“ durchsetzt.

- Aus all diesen Theorien ergibt sich auch ihre radikale Ablehnung aller anderen Meinungen: Es gibt nur Freund oder Feind, der zu bekämpfen ist. Vertreter abweichender Meinungen wie z.b. der Gewerkschaften werden als Unruhestifter abgelehnt und bekämpft.

- Zur Durchsetzung ihrer Ziele beschwören sie den Kampf und die gewaltsame Propaganda ihrer Vorhaben.

Als Herrschaftsform tritt der Rechtsextremismus in Gestalt des Faschismus auf ( Faschismus abgeleitet von „Fasces“, Rutenbündel- italienische Faschisten erklärten ein mit Lederriemen umschnürtes Rutenbündel zu ihrem Symbol). Bei der Machtergreifung der 1 Vgl. Wieszt, Gattol, Kinnunen, Integration contra Nationalismus, DISS 1997, S. 148

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Faschisten bedienten sich die rückschrittlichsten und aggressivster Kräfte des Kapitals der rechtsextremen Ideologie und ihrer Vertreter zur Durchsetzung ihrer eigenen Ziele ( Vgl. das Verhalten deutscher Banken und der deutschen Industrie bei der Machtergreifung Hitlers).

III. Historischer Rückblick 1.Der ADGB und sein Verhältnis zum Faschismus in Deutschland 1.1.Die Machtergreifung HitlersEine der brutalsten Spielarten rechtsextremer Herrschaft war der Faschismus in Deutschland. Schon vor der Machtübernahme Hitlers zeigte sich sein Verhältnis zur deutschen Industrie:

„Mit Eurer Exzellenz bejahen wir die Notwendigkeit einer vom parlamentarischen Parteiwesen unabhängigeren Regierung, wie sie in dem von Eurer Exzellenz formulierten Gedanken eines Präsidialkabinetts zum Ausdruck kommt... Gegen das bisherige parlamentarische Parteiregime sind nicht nur die Deutschnationale Volkspartei und die ihr nachstehenden kleineren Gruppen, sondern auch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei grundsätzlich eingestellt und haben damit das Ziel Eurer Exzellenz bejaht... Wir erkennen in der nationalen Bewegung, die durch unser Volk geht, den verheißungsvollen Beginn einer Zeit, die durch die Überwindung des Klassengegensatzes die unerlässliche Grundlage für einen Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft erst schafft. Wir wissen, dass dieser Aufstieg noch viele Opfer erfordert. Wir glauben, dass diese Opfer nur dann freiwillig gebracht werden können, wenn die größte Gruppe dieser nationalen Bewegung führend an der Regierung beteiligt wird. ( Aus der Eingabe namhafter deutscher Großindustrieller und Großgrundbesitzer an den Reichspräsidenten Hindenburg vom November 1932) 2

So von Wirtschaft und Banken gefördert, war es letztlich nur eine Frage von Zeit, wann Hitler an die Macht kommen würde. Am 30.1.1933 wurde er schließlich vom Reichspräsidenten von Hindenburg zum Reichskanzler erklärt. In der Folge betrieb er ganz im Sinne seiner finanzstarken Gönner eine Politik; erst einmal eine Politik gegen die „Unruhestifter“ und als solche galten in erster Linie Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten. Am 5.3.1933 fanden noch einmal Wahlen statt. Trotz Repressalien und Terrorakten gegen oppositionelle Kreise, die fast nur noch illegal bzw. mit starken Behinderungen agieren konnten, erreichten die Faschisten nur eine

2 Zitiert nach: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band 4, Berlin 1966, Seite 599f.

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knappe Mehrheit von 52%.3 Mit dem Ermächtigungsgesetz schufen sie sich am 24.3.1933 die Möglichkeit, zur „Behebung der Not von Volk und Reich“, die Regierung zu ermächtigen, auch verfassungsändernde Gesetze durchzusetzen.4 Bei der Durchsetzung des Gesetzes zeigte sich einmal mehr der Unterdrückungsapparat der Faschisten: Die Reichstagsmandate der KPD wurden kurzerhand für ungültig erklärt, deren Abgeordnete gingen in den Untergrund oder wurden verhaftet. Die SPD als einzig im Reichstag verbliebene Arbeiterpartei lehnte dieses Gesetz ab.

1.2. Die Haltung der GewerkschaftenSchon 1932 war zu beobachten, wie führende Köpfe des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) auf Distanz zur SPD gingen, zu offensichtlich war ihnen der Macht- und Autoritätsverlust der Sozialdemokraten im Vergleich zu den herrschenden Kreisen. In der Folge versuchte die Führung des ADGB den Kontakt zu Regierungskreisen wie z.B. zu Reichskanzler Papen nicht abreißen zu lassen in der Hoffnung als eigenständige Kraft Gehör zu finden. Als Hitler dann zum Reichskanzler ernannt wurde, lehnte die Führung des ADGB den Aufruf zu einem Generalstreik ab, obwohl sich viele Mitglieder an Protestmaßnahmen beteiligten. In der Folge (insbesondere nach dem Reichstagsbrand am 27.2.1933) eskalierte dann die Gewalt gegen die Opposition. Übergriffe auf Gewerkschafts-Häuser bis hin zur Besetzung, Terrorakte gegen Gewerkschaftsfunktionäre waren auf der Tagesordnung.5 Dennoch sah sich die ADGB- Führung weiter veranlasst zu betonen, dass es ihr nur um die tarif- und sozialpolitische Belange ihrer Mitglieder gehe und sie keinen Einfluss auf die Politik nehmen wolle. Diese Entpolitisierung der Gewerkschaften war mit einer weiteren „Nationalisierung“ verbunden. Den negativen Höhepunkt dieser Politik der Anpassung und Unterwerfung stellte die am 15.4.1933 veröffentlichte Erklärung zum 1.Mai 1933 dar. Darin begrüßte der ADGB die Ausrufung des 1.Mai zum Tag der nationalen Arbeit und zum Volksfeiertag und rief seine Mitglieder zur Teilnahme auf.6 Am 2. Mai wurden die Gewerkschaften verboten, Gewerkschaftshäuser besetzt, das Vermögen beschlagnahmt und viele Gewerkschaftsführer verhaftet. In der Folge waren aktive Gewerkschafter von Verfolgung und Verhaftung bedroht, die nicht selten im Zuchthaus oder KZ endete. Das Regime setzte an Stelle der Gewerkschaften die „Deutsche Arbeitsfront“ ein. Die Schein-Gewerkschaft rekrutierte ihre 3 vgl. Deppe, Fülberth, Harrer, Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung, Pahl- Rugenstein 1989, S.3354 Drechsler u.a., Gesellschaft und Staat, Signal- Verlag Baden- Baden 1989, S.2185 vgl. Deppe u.a., Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung Pahl- Rugenstein 1989, S.3346 a.a.O. S.338

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Mitglieder mit Zwang und Terror und diente als Instrument zur Bespitzelung, Unterdrückung und Entmündigung der Arbeiter. Was blieb war der Widerstand einzelner oder betrieblicher konspirativer Gruppen, die ihre Aktivitäten nicht selten mit dem Leben bezahlten.

1.3. Wirtschaftliche Lage der ArbeiterschaftIn der Folge sei noch einmal kurz angeführt, dass die Zerschlagung der freien Gewerkschaften den Sinn verfolgte, den Widerstand der Arbeiter gegen den Abbau ihrer erkämpften Rechte zu brechen.7

Verwirkt hatte die Arbeiterschaft ihr Koalitionsrecht und das Recht auf wirtschafts- und sozialpolitischer Interessensvertretung. Streiks waren verboten, die Tarifautonomie wurde im Mai 33 verboten. Stattdessen installierten die Faschisten einen Treuhänder der Arbeit, in der Regel ehemalige juristische Berater der Arbeitgeber. Die freien tarifpolitischen Auseinandersetzungen waren dem Diktat staatlicher Lohnpolitik wie der Festschreibung von Arbeitsbedingungen gewichen. Mit dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (April 1934) wurde der Unternehmer zum absoluten Herrscher in seinem Betrieb erklärt, die Belegschaften waren Gefolgschaften, die „ihrem“ Betrieb zu bedingungslosem Gehorsam verpflichtet waren.Die Wirtschaftspolitik diente von vorneherein der Ausrichtung auf Rüstungs- und Kriegspolitik. In den ersten Jahren nach der Machtübernahme wurde die Aufrüstung der Hauptmotor bei der Wirtschaftsankurbelung. Investitionen für die Rüstung waren verbunden mit einem Abbau der Sozialausgaben von 1932 bis 1937 um 75%.8

Der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen sank von 63% ( 1933) auf 57 % ( 1938). Im Gegensatz dazu vervierfachten die großen Aktiengesellschaften ihren Reingewinn von 1933 – 1936.9

Mit diesem wirtschaftlichen Niedergang verschlechterten sich auch die Arbeitsbedingungen der Werktätigen zusehends. Arbeitszeiten wurden verlängert. 1938 wurde in weiten Bereichen der Wirtschaft der Neun- teilweise sogar der Zehnstundentag wiedereingeführt verbunden mit einer ungeheuren Zunahme der Arbeitsintensität. Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs gelang es dann durch die rücksichtslose Ausplünderung der besetzten Länder kurzfristig, eine weitere Senkung der bescheidenen Lebenshaltung der Bevölkerung abzufangen. Aber schon kurz danach wurden die Arbeitszeiten gerade in den Rüstungsbetrieben weiter ausgedehnt( 12 Stunden und mehr), die allgemeine Versorgungslage verschlechterte sich zusehends.

7 a.a.O. S.355 ff.8 a.a.O.S.361

9 a.a.O. S.365

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Durchsetzen ließen sich diese Maßnahmen immer in dem Bewusstsein, die organisierte Vertretung der Arbeitnehmerschaft zerschlagen zu haben. Trotz dieser extremen Bedingungen gelang es gerade in den Anfangsjahren des Faschismus immer wieder auf betrieblicher Ebene illegale Widerstands- und Gewerkschaftsgruppen aufzubauen. In der Folge wurden die Bedingungen immer schwieriger. Als sich in den letzten Kriegsjahren die Arbeitsbedingungen, Ernährungslage und der Gesundheitszustand der Bevölkerung immer weiter verschlechterten, führte das auch wieder zu einer Zunahme des Widerstands in den Betrieben (gerade auch von Zwangsarbeitern, die aus ihren Heimatländern verschleppt wurden): So wurden von Januar bis September 1944 ca. 280000 Arbeiter wegen Arbeitsverweigerung bzw. – Niederlegung verhaftet.10 Erst die Befreiung vom Hitlerfaschismus am 8.5.45 schuf die Voraussetzung für einen organisierten Wiederaufbau der Gewerkschaften.

2. Die Gewerkschaften und der Kampf gegen rechts seit 1945

2.1. Der Wiederaufbau der Gewerkschaften nach 1945Ein völlig zerstörtes Land, eine katastrophale Ernährungs- und Versorgungslage usw. kennzeichneten die Nachkriegssituation. Anfänglich waren sich die Siegermächte noch einig, dass ein Wiederaufbau Deutschlands untrennbar mit einer Entnazifizierung und einer Demokratisierung der Wirtschaft verbunden sein mussten. Kurz nach Kriegsende bildeten sich örtliche Gewerkschaften allerdings abhängig von der Zustimmung der alliierten Besatzungstruppen. Entgegen der Hoffnung vieler Gewerkschafter waren die amerikanischen Besatzer erst einmal nicht bereit, die Gründung überörtlicher Gewerkschaften zuzulassen. Im August 1945 wurde die Bildung örtlicher Gewerkschaften gestattet. Die Erfahrungen mit dem Faschismus bildeten den Ausgangspunkt für die Forderungen nach einem Neuaufbau: So kristallisierten sich im einzelnen die konsequente Entnazifizierung der Behörden und der Wirtschaft, die Demokratisierung der Wirtschaft durch die Enteignung der Schlüsselindustrien und Überführung in Gemeineigentum, und die Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft in Betrieb und Wirtschaft heraus.Sehr schnell zeigte sich jedoch, dass es den westlichen Besatzungszonen besonders den USA mittlerweile in erster Linie darum ging, ein Bollwerk gegen die kommunistische Sowjetunion aufzubauen. Das führte auch dazu, dass Forderungen der Gewerkschaften auf Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien von den USA scharf angegriffen wurden. Auch die Herausbildung einer 10 a.a.O.S.401

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neuen, zentralen Gewerkschaft war davon betroffen. Kontakte der westlichen Gewerkschaftsorganisationen, die sich mittlerweile auf Länderebene herausgebildet hatten, zu den Gewerkschaftsorganisationen im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands wurden unterbunden und verboten. So kam es erst 1949 zur Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes als Dachorganisation der Einzelgewerkschaften.11Auch wenn im Vorfeld schon der Beginn des Kalten Krieges seinen Teil dazu beigetragen hat, dass zahlreiche Forderungen der Gewerkschaftsbewegung nach Vergesellschaftung und Mitbestimmung von den Alliierten wie ihren deutschen Verbündeten verstümmelt wurden, bedeutete die Gründung des DGB erst einmal die Erfüllung einer Forderung der Arbeiterbewegung nach einer einheitlichen Dachorganisation. Schließlich hatte die Zersplitterung der Arbeiterschaft die Errichtung des Faschismus wesentlich begünstigt. So wurden in den verschiedenen Satzungen der Gewerkschaften die Aktivitäten gegen faschistische Elemente auch festgehalten:„3. Demokratisierung der Wirtschaft unter Fernhaltung von neofaschistischen, militaristischen und reaktionären Elementen“;12

2.2. Der Rechtsextremismus im NachkriegsdeutschlandEnde der 40er, Anfang der 50er Jahre tauchten wieder rechtsextreme Splitterparteien bei Landtags- und Bundestagswahlen auf und erzielten zumindest Teilerfolge (u.a. „Deutsche Reichspartei“, „Sozialistische Reichspartei“)13. In den folgenden Jahren verloren diese Parteien an Einfluss und Bedeutung. Die CDU/CSU übernahm die führende Rolle im einsetzenden Kalten Krieg und dem beginnenden Revanchismus. Wirtschaftlich stand das Land im Wiederaufbau, die Kriegsfolgen wurden beseitigt.

2.3. Das Ende des Wirtschaftswunders und die NPDMitte der sechziger Jahre zeichnete sich ein Ende des Wirtschaftswunders in der BRD ab. In diese Zeit fiel auch das erste größere Auftreten der rechtsextremen NPD. 1964 als Zusammenschluss verschiedener rechtsextremer Gruppen gegründet, gelang es ihr in der Folge sehr schnell von dem wirtschaftlichen Abschwung zu profitieren.14So erreichte sie in den Jahren 1966 bis 1968 bei Kommunal- und Landtagswahlen Stimmenanteile von 5 – 10 % und konnte in 7 Landtage einziehen. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung gingen deren Stimmenanteile wieder zurück..11 vgl. a.a.O. S.47112 Satzung der IG Metall, Ausgabe 1999, S.813 vgl. Kurt Hirsch, Kommen die Nazis wieder? , Verlag Kurt Desch GMBH München, 1967 S.86 ff.14 vgl. Drechsler u.a. Gesellschaft und Staat, S.494

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Die Gewerkschafter, die zu dieser Zeit an ihrem entschlossenen Nachkriegsweg festhalten wollten, sahen sich schon längst doppeltem Druck ausgesetzt: Zum einen waren die konservativen Kräfte in der Regierung wie im Arbeitgeberlager längst damit beschäftigt, an Errungenschaften wie der gewerkschaftlichen Autonomie zu sägen, zum anderen sahen sie sich innerhalb der Gewerkschaften dem Druck derer ausgesetzt, die ihrem konsequenten Weg zu mehr Demokratie eine Absage erteilen wollten.15 In linken Studentenorganisationen wie bei bewussten Gewerkschaftern setzten Diskussionen um eine inhaltliche und geistige Erneuerung der Republik ein. Politisch mischten sich die Gewerkschaften in der Auseinandersetzung um die Notstandsgesetze ein. Eine weitere Krise führte zu Massenentlassungen, die mit zahlreichen Streiks beantwortet wurden (Septemberstreiks)16

2.4. Der Revanchismus in den siebziger JahrenDie nächsten größeren öffentlichen Auftritte rechtsextremer Gruppen wie der NPD gab es ab Mitte der 70er Jahre. Auf öffentlichen Demonstrationen forderten Rechtsextreme die Heimholung „verlorener Ostgebiete“ und geißelten den Weltkommunismus wie das Judentum als Verursacher allen Übels. Neben diesen Auftritten, meist angeführt von alten Nazis, gab es aber auch die ersten größeren öffentlichen Sammlungsbewegungen und Auftritte unter Jugendlichen. Organisatoren wie der Bund heimattreuer Jugend, die Wiking- Jugend oder die Jungen Nationaldemokraten warben mehr oder weniger offen für ihre rechtsextremen Ziele.17 Im wesentlichen beriefen sie sich auf das NS- Regime und versuchten es wieder gesellschaftsfähig zu machen. Angegriffen wurde in erster Linie die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition, die als Ausverkauf „deutscher, nationaler Interessen“ gewertet wurde. Begleitet und unterstützt wurde dieser Propagandafeldzug aber von Teilen der CDU/CSU, die sich selbst als Parteien der konservativen Mitte bezeichneten.Aber selten gelang es den Rechtsextremen, ihre Aktionen ohne entsprechende Proteste antifaschistischer Bündnisse, oft auch mit Beteiligung der Gewerkschaftsjugend, durchzusetzen. Gleichzeitig gelang es demokratischen und antifaschistischen Zusammenschlüssen, die ehemalige NSDAP- Mitgliedschaft führender Politiker (z.B. der ehemalige Bundespräsident Carstens, Ministerpräsident Filbinger) nachzuweisen. Der ehemalige Marinerichter Filbinger wurde von

15 vgl. Deppe u.a., a.a.O. S.57516 vgl. Deppe u.a., a.a.O. S58917 vgl. Karl-Klaus Rabe, Rechtsextreme Jugendliche, Lamuv- Verlag Bornheim- Merten 1980

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seinen Parteifreunden fallengelassen und musste schließlich zurücktreten.18 Mit dem Regierungswechsel zur CDU/CSU/FDP- Koalition verloren die propagandistischen Parolen der rechtsextremen Gruppierungen erst einmal an Bedeutung. Was blieb waren die Ende der siebziger Jahre aufgetauchten militanten Gruppen wie die Wehrsportgruppe Hoffmann oder die Aktionsfront Nationaler Sozialisten, nicht selten geduldet oder zumindest verharmlost von staatlichen Stellen. Diese Organisationen exerzierten regelrechte Kampfübungen und verbreiteten auch damals schon vereinzelt mit Anschlägen Terror und Schrecken..19

IV. Rechtsextremismus heute

1. Die Entwicklung in EuropaIn Europa gab es ab Mitte der 80er Jahre einen erneuten Aufschwung der Rechtsextremen. 1984 erreichten sie in Frankreich mit ihrer Front National unter Jean Marie Le Pen den Einzug ins Europaparlament. 1989 folgten ihnen die bundesdeutschen Republikaner, Italiens „Movimento Sociale Italiano“(MSI), der flämisch-nationalistische „Vlams Blok „(VB) nach.20 Die demokratische Öffentlichkeit zeigte sich zwar schockiert, andererseits war Europa weit. Und so überwog die Sorge um das Ansehen Deutschlands die unmittelbare Betroffenheit über den Stimmanteil der Rechtsextremen.

2. Die parlamentarische Entwicklung der Rechten in Deutschland

In Baden- Württemberg gelang den Republikanern am 21.3.96 der Einzug in den Landtag mit 9,1%, die DVU erreichte im März 98 den Einzug ins Landesparlament von Sachsen- Anhalt mit 12,9 %.21 Die parlamentarischen Erfolge der rechtsextremen Parteien waren damit erst einmal erschöpft. Dennoch zeigte sich eine völlig neue Qualität: Nach den Misserfolgen bei den Parlamentswahlen Mitte der siebziger Jahre setzte offensichtlich ein Umdenken ein.

3. Militante, gewalttätige AktionenRechtsextreme Anschläge in den 80er Jahren (z.b. Oktoberfest München 26.9.1980) wurden als Werk von Einzeltätern verharmlost 18 vgl. Neue Rechte, Informations- und Dokumentationsstelle gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in NRW, Düsseldorf 1998, S.819 vgl. Ginzel, Hitlers Urenkel, Droste Verlag Düsseldorf, 1983 S.30ff.20 vgl. Wieszt u.a., a.a.O. S.13721 vgl. Die neue Rechte, a.a.O. S.6

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oder höchstens rechtsextremen Außenseitern zugeschrieben. Anfang der 90er Jahre fanden regelrechte Pogrome besonders gegen Ausländer oder Asylsuchende statt und das auch unter passiver Beteiligung der Öffentlichkeit (Hoyerswerda, Solingen, Rostock, Mölln). Ausländische Mitbürger und Antifaschisten sahen sich immer wieder brutalen Überfällen ausgesetzt, die sie nicht selten mit dem Leben bezahlten.22 Gab es anfänglich noch massenweise Proteste („Lichterketten“) gegen diese Anschläge, zeigten sich die Rechtsextremen gänzlich unbeeindruckt davon und gingen ihren Weg

„rtr Berlin- Die Zahl der registrierten rechtsextremistisch orientierten Straftaten ist im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundesinnenministeriums stark angestiegen. Mit 15951 rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Straftaten sei ein Zuwachs von fast 59% gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen, teilte das Ministerium gestern mit. Innenminister Schily (SPD) sagte, diese Entwicklung sei Anlass zur Wachsamkeit und Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. .....Unter den 15951 rechtsextremistisch orientierten Straftaten seien 998 Gewaltdelikte wie Mord, Totschlag Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte registriert worden. Das waren der Statistik zufolge 34 Prozent mehr als 1999. Trotz der zunehmenden Gewaltbereitschaft von Rechtsextremisten sind „terroristische Strukturen innerhalb der rechtsextremistischen Szene bislang allerdings nicht erkennbar“, hieß es in der Erklärung des Ministeriums“23

Mittlerweile scheint bei einem Großteil der Bevölkerung ein Gewöhnungsprozess an Gewalt und Terror von Rechts eingesetzt zu haben, den Zeitungen sind die Opfer der rechtsextremen Gewalt höchstens noch wenige Zeilen wert.

4.Neue RechteIdeologisch gelang es den Rechtsextremisten, das Bild des „ Ewig-gestrigen“ vergessen zu lassen. Sie besetzten Themen, die vermeintliche Auswege, Visionen als Lösungen für die krisengeschüttelte ( dabei sind Krisen nicht nur auf das wirtschaftliche Auf und Ab reduziert) Republik anboten. Vielmehr verlegten sich die verschiedenen Gruppierungen auf gesellschaftspolitische, ideologische Bereiche, die sich wie ein Puzzle zu einem Weltbild zusammenfügen lassen. Damit, und auch das ist in diesem Ausmaß neu, boten sie rechtskonservativen Vordenkern wie Politikern die Möglichkeit sich ohne Berührungsängste mit den Rechtsextremisten die Bälle zuspielen zu können. Bestandteile rechtsextremer Ideologie reichen teilweise bis weit ins konservative Lager und werden damit in gewisser Weise gesellschaftsfähig. Erinnert sei hier an die unsägliche

22 vgl. Jacobs, Tod unterm Hakenkreuz, IG Metall Bezirksleitung Hannover, Steidl- Verlag, Göttingen, S.12123 vgl. http:// www.idgr.de/news/news-aktuell.html

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Debatte über die deutsche Leitkultur, angezettelt von dem neuen CDU- Vordenker Friedrich Merz oder der Wahlkampfslogan „ Kinder statt Inder“ vom CDU- Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers im Landtagswahlkampf 2000 in NRW.

4. Frauen und Rechtsextremismus

Wie die Geschichte gezeigt hat, waren die Frauen im Faschismus besonders unterdrückt: Schon im Vorfeld der Machtergreifung reduzierten die Ideologen der Faschisten die gesellschaftliche Beteiligung der Frauen auf ihren Platz an Herd und Küche. Zur Macht gekommen, lösten die Faschisten Frauenverbände auf; passives Wahlrecht wie die Zulassung zu Hochschulen und Universitäten wurde den Frauen genommen. Auch der Lohngleichheitsgrundsatz galt nicht mehr. Frauen wurden auf ihre rein biologischen Werte reduziert. Erst als mit Beginn des Krieges die Arbeitskräfte in Deutschland knapp wurden, „entdeckte“ die Industrie die Frau wieder als Arbeitskraft.Auch heute gelten diese gleichen Unterdrückungsgrundsätze bei der neuen Rechten. Neben den Frauen als Opfer treten aber besonders in der rechtsextremen Musikszene zunehmend Frauen als Täterinnen auf.Hier gilt es im Rahmen des Projektes „Gender Mainstreaming“ ( Einbeziehung und Untersuchung geschlechtsspezifischer Belange in allen gesellschaftlichen Bereichen) auch das Thema Rechtsextremismus miteinzubeziehen und auch unter diesem Gesichtspunkt die neue Rechte zu analysieren.

V. Bestandsaufnahme und Haltung des DGB

Erst als offensichtlich wurde, dass sich Rechtsextreme zunehmend auf das Terrain der Gewerkschaften zu bewegten (z.B. Auftritt Rechtsextremer am 1.Mai 1997 in Leipzig u.a. mit Losungen wie “Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“)24 wurde auf dem 16. DGB Bundeskongress die Einrichtung einer Kommission Rechtsextremismus beschlossen und der DGB- Bundesvorstand mit der Bildung beauftragt. Am 7.Mai 2000 legte diese Kommission dem Bundesvorstand ihren Bericht vor. Wie die Kommission selbst feststellt, waren die Erfahrungen der Gewerkschaften im Umgang mit Rechtsextremisten bislang eher örtlich/ regional sehr unterschiedlich und nicht kontinuierlich. Insofern bedeutet die Einrichtung dieser Kommission einen kleinen Erfolg. Schließlich ist- auch das wird in

24vgl. Schlussbericht der Kommission Rechtsextremismus, S.41 nach: www.dgb.de/idaten/komm-rechts.doc

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diesem Bericht erkannt - Rechtsextremismus nicht nur eine äußerliche Gefahr, sondern rechtsextreme Anschauungen sind auch innerhalb der Gewerkschaften vertreten.25 Das bestätigen auch die Studien von Stöss26 und Horn27

1.Rechtsextremistisches EinstellungsverhaltenDie Studie von Stöss unterscheidet zwischen Einstellungs- und Verhaltenspotential. Ersteres beinhaltet, dass rechtsextreme Einstellungen nicht unbedingt in die Praxis umgesetzt werden, damit aber auch weiter verbreitet sind als das Verhaltenspotential. Weiterhin wird noch einmal genauer definiert, dass Protestverhalten nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit der bewussten Verbreitung rechtsextremer Ideologie. Die Grenzen zwischen Protestverhalten und bewusstem Handeln sind fließend.28

Der Anteil des rechtsextremistischen Einstellungspotentials an den Berufs- bzw. Erwerbsgruppen in der Bundesrepublik sowie in West- und Ostdeutschland im Vergleich zur Bevölkerung insgesamt, Mai/Juni 1998 (%)29

B R D

W e s t

O s t

Arbeitslos 14

7 22

Arbeiter 19

18

24

Angestellte 8 7 12

Beamte 2 1 11

Selbständige 12

12

15

Nichterwerbspersonen

15

15

18

Insgesamt 13

12

17

Quelle: Stöss: Rechtsextremismus, S. 35.

Als Einstellungsmerkmale ordnete R.Stöss dem Rechtsextremismus folgende Verhaltensmuster zu: Autoritarismus, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit bzw. Ethnozentrismus, Rassismus, Wohlstandschauvinismus, Antisemitismus und Pronazismus.30

25 a.a.O. S.2 ff.26 Vgl. R. Stöss, Rechtsextremismus im vereinten Deutschland, Friedrich- Ebert Stiftung 199927 Horn u.a. Eine neue rechte Jugend, Sonderdruck Ideen für IG Metall-/SPD-Vorstand Courir-Druck, Bonn28 Schlussbericht der Komission Rechtsextremismus a.a.O. S.529 R.Stöss Rechtsextremismus im vereinten Deutschland, Friedrich- Ebert- Stiftung, 1999 nach Schlussbericht DGB- Kommission, a.a.O S.530 Stöss, Rechtsextremismus.. a.a.O. S.22ff. nach: Schlussbericht DGB- Kommission a.a.O.S.5

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Bei der Studie fällt auf, dass in der gesamten BRD wie in Westdeutschland ältere Menschen verstärkt zu rechtsextremistischen Einstellungen tendieren, im Osten dagegen sind rechtsextreme Einstellungen stärker unter Jugendlichen verbreitet. Bei den Berufsgruppen sind Arbeiter am stärksten vertreten. In den letzten Jahren hat sich eine Verschiebung des rechtsextremen Einstellungsverhaltens von West nach Ost vollzogen, das im Frühjahr 94 im Westen noch doppelt so groß war wie im Osten.

Der Anteil des rechtsextremistischen Einstellungspotentials an den Altersgruppen in der Bundesrepublik sowie in West- und Ostdeutschland im Vergleich zur Bevölkerung insgesamt, Mai/Juni 1998 (%)31

B R D

W e s t

O s t

14-17 Jahre 8 5 17

18-24 Jahre 8 6 15

25-34 Jahre 10

8 20

35-44 Jahre 9 7 15

45-54 Jahre 14

14

14

55-64 Jahre 15

15

17

65-74 Jahre 21

20

25

75 und älter 22

23

16

Insgesamt 13

12

17

31 nach Schlussbericht DGB, a.a.O. S.6

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Quelle: Stöss: Rechtsextremismus, S. 35.

2. WahlverhaltenVorweg muss festgestellt werden, dass das Wahlverhalten nicht unbedingt auf ein rechtsextremistisches Weltbild schließen lässt, wie sich umgekehrt solch ein Weltbild nicht unbedingt bei Wahlen niederschlägt.Auch nach dem Wahlverhalten stehen bundesweit die Arbeiter ( im Osten zusammen mit den Selbständigen, im Westen mit den Arbeitslosen) an der Spitze. Dabei steigt im Westen die Wahlbereitschaft mit sinkendem Einkommen, im Osten verhält es sich umgekehrt. Aus der Untersuchung über das Wahlverhalten ergibt sich weiter, dass die Bereitschaft, Rechtsextreme zu wählen, mit der Unzufriedenheit über diese Demokratie wächst.32 Allerdings- und das ist das eigentlich beunruhigende- geben die meisten Wähler mit einem geschlossenen Weltbild ihre Stimme nicht den rechtsextremen Parteien, sondern den großen Parteien SPD und CDU/CSU.33

Wahlbereitschaft für rechtsextremistische Parteien nach Erwerbs- bzw. Berufsgruppen in der Bundesrepublik, in West- und Ostdeutschland, Mai/Juni 1998 (%)34

B R D

W e s t

O s t

Arbeitslos 12

14

9

Arbeiter 18

19

15

Angestellte 5 5 6

Beamte 2 2 0

Selbständige 10

9 16

Nichterwerbspersonen

7 7 8

32 Schlussbericht DGB a.a.O. S.833vgl. Schlussbericht DGB a.a.O.S.834vgl. a.a.O.S.7

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3.Rechtsextremismus- ein Jugendproblem?In den Medien wird immer das Bild von den rechtsextremen Jugendlichen geprägt. Wie die Untersuchung eingangs zeigte, ist das rechtsextreme Weltbild bei der älteren Generation wesentlich ausgeprägter. Bei den rechtsextremen Jugendlichen handelt es sich um das „ausführende Organ“ der Erwachsenen. Sie verstehen ihr Handeln nicht als Rebellion, vielmehr als Versuch, die Loyalität ihrer Eltern zu sichern.35 Nach einer Sinusstudie von 1981 wird den Jugendlichen in der BRD sogar noch eine überdurchschnittliche Resistenz im Vergleich zu der übrigen Bevölkerung gegenüber rechtsextremen Ideologien bestätigt. Weiterhin ergibt die Untersuchung, dass die Jugendlichen längst nicht so ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild wie die Erwachsenen haben. Die erhöhte Aufmerksamkeit in den Medien erhalten sie durch ein Gemenge von Protestkultur, rechtsextremer Orientierung und Gewalt.36

5. Rechtsextreme Orientierung von Gewerkschaftsmitgliedern

Zweitstimmen von GewerkschafterInnen für rechte Parteien bei der Bundestagswahl 1998 nach Altergruppen37

Quelle: Wahltagsbefragung der Forschungsgruppe Wahlen am 27.9.1998 im Auftrag von einblick.

Schon 1995 wiesen Josef Held, Hans-Werner Horn und Athanasios Marvakis in einer Studie nach, dass unter Jugendlichen, die gewerkschaftlich organisierten, häufiger

35vgl. a.a.O.S.1036 vgl. a.a.O. S.1137 nach:a.a.O.S.13

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rechtsextreme Positionen vertreten als Unorganisierte.38Bestätigt wurde diese Untersuchung von einer vom WDR 2 in Auftrag gegebenen Studie vom Institut Infratest/dimap. Danach kann sich fast jedes dritte Gewerkschaftsmitglied zwischen 17 und 23 Jahren vorstellen, eine rechtsextreme Partei zu wählen. Alarmierende Zahlen, die nicht schöngeredet werden dürfen, vielmehr schnellstens zu Diskussionen über die Hintergründe führen müssen, wie über einen Weg, diese Tendenzen zu bekämpfen.

Rechtsextremes Wählerpotential unter Gewerkschaftsmitgliedern nach Altersgruppen, Mai-August 1998 (%)

Quelle: Untersuchung von infrabest/dimap Mai - Aug. 1998.

VI. Hintergründe

Dies kann und soll hier nicht der Platz sein, um auf die verschiedenen Theorien über die Hintergründe einzugehen. Ich gehe davon aus, dass keine davon isoliert betrachtet werden sollte. Vielmehr sollten die wichtigsten Ansätze als Handlungsfelder für die Arbeit in den Gewerkschaften betrachtet werden.

1. Wirtschaftliche Situation

38 vgl. Eine neue rechte Jugend, Sonderdruck Ideen für IG- Metall Vorstand/SPD-Vorstand, Courir-Druck Bonn, 996 S.20

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Das Zauberwort der Großindustrie heute heißt Globalisierung- transnationale Konzerne, weltweite Finanzmärkte, Handel rund um die Uhr. Aber auch: Ausgliederung von Firmenteilen, Verlagerung von Produktionszweigen ins Ausland usw.. Darauf führt die immer wiederkehrende Debatte vom Wirtschaftsstandort Deutschland zurück. Unternehmen üben damit Druck auf die Arbeitnehmer auf: Löhne, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz all das wird in Frage gestellt, ist es den Kapitaleignern hier doch zu teuer im Vergleich zu anderen, meist auch Billiglohn- Ländern. Damit aber nimmt der Konkurrenzdruck unter den Arbeitnehmern unerträglich zu. Die Gewerkschaften haben sich dieses Kosten-Nutzendenken aufdrängen lassen, ja sogar zu ihrem eigenen gemacht, betätigen sie sich doch mittlerweile allzu oft schon als Co-Management.39 Auch das Verhältnis zu ausländischen Kollegen sowohl im In- wie im Ausland wird auf ein Kosten-Nutzen- Kalkül reduziert. Die früher geübte und von den Gewerkschaften propagierte Solidarität wurde dem betriebswirtschaftlichen Rechenschieber geopfert. Reduziert man das Arbeitsverhältnis dieses neuen, flexiblen Arbeitnehmers auf seinen tatsächlichen Hintergrund, wird man feststellen, dass auch er als faktisch Selbständiger in Abhängigkeit von anderen Unternehmen steht. Auch die scheinbare Möglichkeit, selber zu entscheiden, wie hoch der Grad der Selbstausbeutung ist, ist ihm nicht gegeben: Denn Termine, Aufträge wollen erledigt sein, will man in der Konkurrenz bestehen. Die einzigen Gewinner sind die Unternehmen, die sich aus allen gesamtgesellschaftlichen Verpflichtungen, die ihnen früher gerade auch mit den Gewerkschaften abgerungen wurden, stehlen. Die propagierte Freiheit gilt nur dem Sieger, ist lediglich die Freiheit des Stärkeren.

2.Gesellschaftliche Hintergründe

Die heutige Arbeitskraft wird von den Unternehmern des neuen Marktes als selbstorganisiertes, flexibles, rund- um- die Uhr erreichbares Allround- Genie angesehen. Verbunden mit den Auswirkungen der 1982 eingeleiteten „geistig-moralischen Wende“ der Regierung Kohl hat sich dabei heute als das gesellschaftlich erstrebenswerteste Hauptziel die Individualisierung manifestiert. Ganze Industriezweige hofieren mittlerweile den Single als Kunden. Traditionelle Gemeinschaften wie z.B. Familien sind out- Spaßgesellschaft ist in. In diesem Teil der Gesellschaft zählt die Durchsetzungsfähigkeit des Einzelnen als oberstes Prinzip, „ Fit for

39 vgl. Schlussbericht a.a.O. S.24 ff.

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fun in der Freizeit, win to win in der Arbeit.“40Damit verloren gegangen sind traditionelle Werte und Normen. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass dieser Werteverlust nicht eben dazu beiträgt, den Menschen Sicherheit zu geben. Horn hat in seinen Untersuchungen gezeigt, dass besonders die Jugendlichen einen Autoritätsverlust beklagen, der jetzt offensichtlich den Rechtsextremen in die Hände arbeitet.

Die Industrie wirbt mit einem unvorstellbaren Werbe- und Medienfeldzug um die gleichen Arbeitskräfte als Kunden, die im Betrieb acht Stunden nur als Kostenfaktor zählen. Kunden, denen, glaubt man den bunten Bildern, Handys, PCs, weitere High- Tech Produkte wie einst im Schlaraffenland in den Schoß fallen und deren Besitz eigentlich erst den Wert des jungen dynamischen und unabhängigen Menschen ausmachen. Auch hier führt das reine Nützlichkeitsdenken zu einer Angst vor Statusverlust und Wohlstandschauvinismus.41

Auch die Gewerkschaften müssen überprüfen, inwieweit ihre Organisationsformen noch zeitgemäß sind und den veränderten Bedingungen entsprechen. So entstanden Betriebs- und Stadtteilgruppen beispielsweise aus der Nähe von Wohnort und Arbeitsplatz. Heute fährt die/der Werktätige nicht selten 50 und mehr Kilometer, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen. Das aber macht es besonders Frauen so schwer, sich außerhalb ihres Arbeitsplatzes gewerkschaftlich zu betätigen. Als eine Möglichkeit, eingefahrene Wege zu verlassen, möchte ich auch hier auf die Nutzung neuer Medien wie Internet/eMail verweisen, die auch die Chance bieten, das Wissen und die Erfahrung vieler Kollegen für die Gewerkschaftsarbeit zu nutzen. Darüber hinaus gibt es sicher vielfältige Möglichkeiten, die/ den Einzelnen in gewerkschaftliche Arbeit miteinzubeziehen und die Vorteile einer starken Organisation praktisch zu vermitteln.

VII. Konsequenzen

Einen kleinen Fortschritt für die Aufgaben der Gewerkschaften stellt sicher die Erstellung des Schlussberichtes der Kommission Rechtsextremismus dar, aber nur dann, wenn man ihn nicht allein als Zustandsbeschreibung begreift, sondern als Ausgangspunkt für 40 zitiert nach: www.labournet. de/rechten/gruner-rede.html. Redebeitrag von Martin Dieckmann, stellvertr. BR- Vorsitzender bei Gruner + Jahr Verlag Hamburg, für die IG Medien gegen die Nazi- Aufmärsche in Hamburg41 a.a.O. S.27

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weitere Aktivitäten in verschiedenen Bereichen, schließlich, und auch das manifestiert dieser Bericht, wie auch die Suche nach Material für diese Arbeit, beschränken sich zentrale Aktivitäten der Gewerkschaften im wesentlichen auf öffentliche Erklärungen und Vereinbarungen, sowie auf verschiedene örtliche/ regionale Initiativen.

1. Zentrale Aktivitäten

Es existieren eine Reihe gemeinsamer Stellungnahmen von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden wie die „Florenzer Erklärung“ von 1995.42 Wenn ich im Schlussbericht der Kommission darüber lese, dass die europäischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände Rassismus und Fremdenfeindlichkeit als Bedrohung für die europäischen Gesellschaften und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verurteilen, beschleicht mich wieder das Gefühl, das hier genau das gleiche Kalkül betrieben wird, das vorher kritisiert wurde. Was ist Europa im Zeitalter der „Globalisierung“? Sollte uns der mexikanische Arbeiter nicht näher stehen als der europäische Unternehmer? Wenn sich nach seiner Rechnung herausstellt, dass der mexikanische Arbeiter günstiger produziert, wird er dann nicht sehr schnell den europäischen Arbeiter vergessen und die Erklärung für den Arbeitsplatzabbau dann seiner Gewerkschaft überlassen? Gerade hier beginnen die Aufgaben der Gewerkschaften, nämlich zu hinterfragen, ob die Arbeitgeber sich in ihrem Handeln nicht einzig und allein davon leiten lassen, dass der hier existierende Rassismus derzeit schlecht für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist. Schließlich lässt es sich schlecht im Ausland um Arbeitskräfte werben, die befürchten müssen, hier Opfer von Terror und Gewalt zu werden. Was aber, wenn die Vereinigte Wirtschaftsmacht Europa in den Konkurrenzkampf mit den USA eintritt? Nützt der gleiche Rassismus dann nicht den Unternehmen, wenn sie die Arbeiterschaft hier gegen die anderer Länder ausspielen? Auffällig ist jedenfalls, dass nach rassistischen Anschlägen häufig nicht die Opfer, sondern der Schaden für das Ansehen des Wirtschaftsstandorts Deutschlands beklagt wird. Wenn heute Unternehmen ihren Anspruch bekräftigen, gegen Rassismus und Rechtsextremismus aktiv zu werden, sich gleichzeitig aber auf beschämende Art und Weise aus den Zahlungen für die Zwangsarbeiterentschädigungen davonstehlen, spreche ich ihnen den ernsthaften Willen ab. Ihr Interesse ist es vielmehr, den Standort Deutschland für ausländische Arbeitskräfte wie ausländische Unternehmen attraktiv zu halten und das nicht aus

42 vgl. Schlussbericht a.a.O.S.30

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Menschenfreundlichkeit oder gewerkschaftlicher Solidarität, sondern einzig und allein um des Profits willen, des gleichen Profits, der sie heute dazu zwingt, Arbeitsplätze wo auch immer, abzubauen.43

Eine gute Grundlage für die Arbeit in der IG Metall bietet die Resolution der Vertrauensleutekonferenz 2000.44 Darin wird die Widersprüchlichkeit derjenigen Politiker aufgezeigt, die auf der einen Seite die Green Card für nützliche Arbeitskräfte fordern, verfolgten Menschen aber das Asylrecht absprechen. Der Rechtsextremismus/ Rassismus wird als menschenverachtend angeprangert und die Vertrauensleute werden aufgefordert, im antifaschistischen Bereich aktiv zu werden. Gleichzeitig sollen weitere Publikationen veröffentlicht werden und weitere Positionen erarbeitet werden.

2. Betriebliche Aktivitäten

Ausgangspunkt aller Aktivitäten muss erst einmal sein, dass sich die Gewerkschaften auf ihre ureigenste Aufgabe besinnen, nämlich die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten. Außen vor muss dabei eine Wertigkeit bleiben, ob die Interessen des brasilianischen Köhlers geringer einzuschätzen sind als die des deutschen Stahlarbeiters. Vielmehr sollte man sein Augenmerk darauf legen, wo denn die gemeinsamen Interessen der beiden liegen und wie diese bewusst gemacht und umgesetzt werden können.

Die Vertrauenskörperleitungen haben die Möglichkeit, ihrerseits eine Art „Außenminister“ zu benennen, der versucht, mit befreundeten Gewerkschaften oder Belegschaften von zusammenhängenden Unternehmen im Ausland ( z.B. VW Mexiko/ Brasilien, Thyssen Krupp Stahl Brasilien), Kontakt aufzunehmen. Rechtsextremisten nutzen Internet/ Email - Kontakte für ihre Zwecke. Gewerkschaften stehen da noch am Anfang. Dabei bietet sich hier eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich darüber mit anderen Kollegen weltweit zu verständigen. In der Folge könnten Links zu entsprechenden Internet- Seiten auch der Belegschaft die Möglichkeit bieten, sich selbständig ein Bild zu machen.

Die Aktion „Noteingang“45 kann eine für die Opfer rassistischer Anschläge wichtige Hilfe sein. Allerdings ist auch sie nur eine Reaktion auf die Aktivitäten Rechtsextremer. Heute können die Gewerkschaften noch selber Zeichen setzen, indem sie offensiv in den Betrieben den Rechtsextremismus anprangern. Plakat- oder Aufkleberaktionen („Faschismus ist keine Meinung, sondern ein 43 vgl. Eckart Spoo, Wie rechts ist der Zeitgeist nach. Wieszt u.a., a.a.O. S.14244 http://www.igmetall.de/vertrauensleute/konferenz/resolution_rechtsextremismus.html45 a.a.O. S.2

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Verbrechen!“ bieten einen Ansatz, positive Schlagzeilen zu produzieren.

Vertrauensleuteversammlungen bieten auch die Möglichkeit, aufzuzeigen, dass Rechtsextremismus mehr heißt als Ausländerfeindlichkeit. Dabei empfiehlt es sich, mit anderen örtlichen Initiativen zusammenzuarbeiten, die ihrerseits Informationen einbringen können. Plakative Losungen der Rechtsextremen müssen auch auf betrieblicher Ebene hinterfragt werden und die eigentlichen Absichten herausgearbeitet werden. Mit diesem Wissen bietet sich auch die Möglichkeit an, als VKL in der Öffentlichkeit aktiv zu werden.

Es sind eine Reihe von Betriebsvereinbarungen u.a. bei VW, Thyssen, RAG und Ford über die Nicht- Diskriminierung von ausländischen Mitarbeitern verabschiedet worden. Diese Vereinbarungen bieten eine gute Grundlage, um betriebliche Propaganda oder Übergriffe auf Minderheiten zu unterbinden und sind als solches auch sehr wichtig. Ein Instrument, um das Denken der Belegschaften in andere Bahnen zu lenken, sind sie nicht. Das können sie nur begleiten. Und auch bei Abschlüssen solcher Vereinbarungen dürfen sich die Betriebsräte nicht von dem Kosten-/ Nutzendenken der Unternehmer leiten lassen, denn die Interessen einer Belegschaftsvertretung sind nicht unbedingt die gleichen wie die der Betriebsleitung. Ein gutes Beispiel für betriebliche Aktivitäten bietet die von Gesamtmetall und der IG Metall herausgegebene Broschüre „Zusammen arbeiten und leben mit Ausländern “. Damit werden den Ausbildern Handreichungen gegeben, die bei einer guten Umsetzung das Verständnis für andere Kulturen und Nationen wecken können. Das aber wird wie das Erlernen von Fremdsprachen unerlässlich sein, will man seinen ausländischen Kollegen von gemeinsamen Zielen überzeugen oder auch sich überzeugen lassen.

Ebenfalls sehr positiv ist das VW- Projekt, über zweiwöchige Aufenthalte in der Jugendbegegnungsstätte Oswiecim/ Auschwitz die Jugendlichen über den Faschismus und seine Opfer aufzuklären. Aber dabei muss auch die Rolle des Kapitals im Faschismus nähergebracht werden..

3.Bildungsmaßnahmen

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3.1. Lernen aus der Vergangenheit

Eine Reihe von Seminaren, wie sie die IG Metall z.B. seit Jahren anbietet, beschäftigt sich mit der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, auch im Faschismus. Diese Seminare dürfen auch von den Teilnehmern nicht als abgeschlossenes Kapitel angesehen werden. Vielmehr bieten sie die Möglichkeit, damalige Aussagen von Faschisten mit denen heutiger Rechtsextremisten zu vergleichen, die Gemeinsamkeiten der Programme bzw. aktueller Politik herauszuarbeiten. Außer acht gelassen dürfen dabei nicht das wirtschaftliche und politisch- gesellschaftliche Umfeld.

3.2. Internationale Seminare

Der Rechtsextremismus ist nicht allein ein deutsches „Problem“. Vielmehr verlaufen die Grenzen, die Rechtsextremisten setzen, durch alle Völker, im Ausland wie im Inland. Besonders die türkische Regierung spielte und spielt gerade heute eine herausragende Rolle was die Unterdrückung der Arbeiterbewegung betrifft. Eine Rolle, die sich vielleicht auch hier in dem Handeln türkischer Gewerkschafter niederschlägt. Auch hier bietet sich die Möglichkeit an, auf gemeinsamen Seminaren von der Geschichte der anderen Völker zu lernen und Verständnis für ihre Situation zu entwickeln.

3.3. Bildungsarbeit allgemein

Klar ist, dass die Seminare, die sich speziell mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzen, nur von denen besucht werden, die dafür schon besonderes Interesse entwickelt haben. Ansprechen muss man das Thema aber auf allen Seminaren. Auch hier müssen Konzepte überprüft werden, wie weit sie geeignet sind, betriebs- und deutschlandborniertes Denken zu durchbrechen. Globalisierung darf nicht unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, was nützt „meinem“ Betrieb, sondern was nützt dem Unternehmen, den Banken und was nützt uns.

3.4. Gemeinsame Seminare

Örtliche Initiativen, die sich den Antifaschismus auf die Fahnen geschrieben haben, bringen oftmals eine Menge an Hintergrundwissen mit. Auch hier lässt sich über gemeinsame Seminare Wissen austauschen, um die Voraussetzungen für gemeinsame Aktivitäten zu schaffen.

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4.Schulen

Gerade in Grund-/Berufsschulen ist ein breites Spektrum von Nationalitäten vorhanden. Alte traditionelle Werte prallen auf neue. Beide Seiten sind verunsichert, sehen nicht selten in den Anderen den Feind. Das bedeutet nicht automatisch Rechtsextremismus. Aber es bietet den Boden, auf dem dieses Gedankengut gesät werden und gedeihen kann. Dem kann nur begegnet werden, indem die verschiedenen Kulturen, ihre Entwicklungen aufgezeigt werden. Verständnis muss geweckt werden, ohne das eine Gruppe befürchten muss, ihre Identität zu verlieren. Oft genug wird ja das Argument „Arbeitsplätze“ als Vorwand für Rassismus missbraucht. Was hindert die Industriegewerkschaften eigentlich, Kontakt zu Schulen bzw. Lehrergewerkschaften aufzunehmen und in den Schulklassen ihre Sicht der Dinge darzulegen? So hat der Zusammenschluss Thyssen- Krupp mehrere Tausend Arbeitsplätze gekostet und das ganz ohne Beteiligung von Ausländern.

5.Öffentlichkeitsarbeit

Wissen, Bildung ist eine Seite, die andere ist deren Anwendung. Ob es örtliche antifaschistische/antirassistische Initiativen gibt, die erst am Anfang stehen, Tatsache ist, dass Aktivitäten nach außen erst das Wissen manifestieren, aber auch den Zusammenschluss derer fördern, die gegen Rechtsextremismus aktiv werden. Aktionen dürfen nicht nur die Reaktion auf rechtsextremistische Vorgänge sein, vielmehr müssen sie positive Signale setzen. Patenschaften oder Betreuung von Unterkünften für Asylsuchende, Treffen mit ausländischen Gewerkschaftskollegen unter Beteiligung der Belegschaften. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, wenn es um Stückchen praktisch geübter Solidarität geht. Darüber hinaus haben die Gewerkschaften natürlich einen Einfluss auf die Medien, ob öffentliche Politikerbefragung zum Thema oder die Teilnahme an Protestkundgebungen, die Gewerkschaften müssen in der Öffentlichkeit Flagge zeigen. Darüber bietet sich auch die Möglichkeit, Gewerkschaften wieder als ein Standbein einer besseren Demokratie in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Weiterhin, und auch dieser Effekt ist nicht zu unterschätzen, bietet sich darüber hinaus die Möglichkeit, mit den Kollegen in den Reihen der Gewerkschafter, die den Rechtsextremismus nicht als verwerflich ansehen, in eine Diskussion zu kommen. Mit einer positiven öffentlichen Meinung konfrontiert und einer vernünftigen Auseinandersetzung lassen sich die Widersprüche in ihrem Weltbild besser korrigieren.

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VIII.Schlussbemerkung

Politikverdrossenheit wird heute von den großen Parteien beklagt, wenn die Wahlbeteiligung weiter zurückgeht. Politikverdrossenheit heißt aber auch, dass gesellschaftliches Engagement – ob in Verbänden oder auch in den Gewerkschaften- immer weiter zurückgeht. Aber das ist eine Folge von genau dem neuen Menschenbild, das die Politik und auch die Medien heute so vorbildlich präsentieren: Der Bürger, der privat vorsorgt, eigenverantwortlich handelt und sich nicht bevormunden lässt. Dieser Bürger sieht sich heute Banken, der Großindustrie gegenüber, die auch – in ihrem Interesse- eigenverantwortlich handeln. Allein ist er machtlos. Deswegen bieten die Rechtsextremen mit ihrer „Gemeinschaftsideologie“ ja scheinbare Lösungen an. Gerade für die Gewerkschaften wird es unerlässlich, dieses Menschenbild zu korrigieren, aufzuzeigen, dass ein Gegeneinander nur dazu dient vorhandene Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse zu zementieren.

„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ schrieb Brecht in seiner Kriegsfibel46. Damit meinte er sicher nicht allein rechts-extremistische Terrorkommandos. Damit meinte er auch das gedankliche Umfeld, das heute bis in die Mitte der Bevölkerung reicht. Vergleicht man Äußerungen führender Industrieller vor 1933 mit denen von Henkel, Bund deutscher Industrie oder Stihl, die Grundgesetzänderungen forderten, um noch größere Gewinne zu machen47, dann erst wird die Verbindung zwischen den rechtsextremen Tätern und den konservativen Denkern so gefährlich. Es ist kein Geheimnis, dass die NATO Planspiele mit Kriegen um Wasser oder andere Rohstoffe, die nur noch für begrenzte Zeit vorhanden sind, in den nächsten Jahrzehnten durchexerziert. Damit macht die verhängnisvolle Ideologie vom deutschen Herrenmenschen für manche Kreise (finanziell) durchaus Sinn. Die Gewerkschaften haben jetzt die Möglichkeit, nein zu sagen zu dieser Entwicklung. Es gab Zeiten, da hatten sie diese Möglichkeit nicht mehr. Nutzen wir unsere Zeit!

Toleranz ist der schwächere Wert, Solidarität der Stärkere!48

46 zitiert nach: B. Brecht, Die Gedichte von B. Brecht in einem Band, Suhrkamp Verlag Frankfurt/Main 1981 S.103547 vgl. Wieszt, a.a.O. S.13548 zitiert nach: Redebeitrag... a.a.O. S.1

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IX. Literaturverzeichnis

B. Brecht, Die Gedichte von B. Brecht in einem Band, Suhrkamp Verlag Frankfurt/Main 1981Dieckmann, Redebeitrag für die IG Medien, nach: www. Labournet.de/rechten/gruner-rede.htmlDrechsler u.a., Gesellschaft und Staat, Lexikon der Politik, Signal-Verlag Baden-Baden, 1989 Eine neue rechte Jugend, Sonderdruck Ideen für IG- Metall Vorstand/SPD-Vorstand, Courir-Druck Bonn, 1996 Geschichte, Lehrbuch für die 9.Klasse, Verlag Volk und Wissen, Berlin (Ost), 1972

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Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung, Pahl- Rugenstein Verlag, 1989Ginzel, Hitlers Urenkel, Droste Verlag Düsseldorf, 1983Hirsch, Kommen die Nazis wieder, Verlag Kurt Desch, München, 1967Jacobs, Terror unterm Hakenkreuz, Steidl- Verlag Göttingen, 2000Neue Rechte, Materialien zum Rechtsextremismus, IDA-NRW, Düsseldorf, 1989Rabe, Rechtsextreme Jugendliche, Lamuv Verlag, 1980Satzung der IG Metall, Union- Druckerei, Frankfurt/Main, 1999Schlussbericht der Kommission Rechtsextremismus, nach: Schlussbericht der Kommission Rechtsextremismus, S.41 nach: www.dgb.de/idaten/komm-rechts.docSteinke Stephanie, Wege zur Geschlechterdemokratie- Gender Mainstreaming, EigenarbeitWieszt, u.a. Integration contra Nationalismus, Diss Verlag, 1997 www.idgr.de/news/news-aktuell.html

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