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(Vor-)Betrachtungen zum Thema Fluid-Eigenschwingungen in Stranggießkokillen Jedes Fluid mit freier Oberfläche bildet ein schwingungsfähiges System (mit elastischer Berandung eingeschlossene Fluid natürlich auch - aber die interessieren uns hier nicht). Das gilt auch für den flüssigen Stahlinhalt einer Kokille. Noch vor der Erfindung des Stranggießens haben sich Airy und Laplace um die Entwicklung einer Formel zur Bestimmung der Wellenausbreitung und in deren Folge der Berechnung der Eigenform(en) und Eigenfrequenz(en) von Fluids in Behältern verdient gemacht. Sie wurde, adaptiert von Freunden des Schwimmsports, auch unter dem Namen "Beckenformel" bekannt. Später haben fleißige Hüttenleute sie auf die Wellenbildung in Konvertern und anderen hüttentechnischen Gefäßen angewendet und verbreiten sie heute weiter auch als "Konverterformel". Solche Eigenformen entstehen dann, wenn die charakteristische Länge des Gefäßes (Becken, Kokille) ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist. Dann überlagern sich die von der Wand reflektierte mit der ursprünglichen Welle gerade so, dass sich ortsfeste Schwingungsknoten und -bäuche bilden ("Stehende Welle"). Die Rechenvorschrift ist verhältnismäßig einfach. Sie beruht auf der bekannten Grundgleichung für den Einmassenschwinger ω0 = (c/m)0.5 Mould Oscillation 07.07.2015 HvW (BI) Website-Gadgets (03) © Horst von Wyl Folie1

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HvW (BI) Website-Gadgets (03)

(Vor-)Betrachtungen zum Thema Fluid-Eigenschwingungen in StranggießkokillenJedes Fluid mit freier Oberfläche bildet ein schwingungsfähiges System (mit elastischer Berandung eingeschlossene Fluid natürlich auch - aber die interessieren uns hier nicht). Das gilt auch für den flüssigen Stahlinhalt einer Kokille. Noch vor der Erfindung des Stranggießens haben sich Airy und Laplace um die Entwicklung einer Formel zur Bestimmung der Wellenausbreitung und in deren Folge der Berechnung der Eigenform(en) und Eigenfrequenz(en) von Fluids in Behältern verdient gemacht. Sie wurde, adaptiert von Freunden des Schwimmsports, auch unter dem Namen "Beckenformel" bekannt. Später haben fleißige Hüttenleute sie auf die Wellenbildung in Konvertern und anderen hüttentechnischen Gefäßen angewendet und verbreiten sie heute weiter auch als "Konverterformel". Solche Eigenformen entstehen dann, wenn die charakteristische Länge des Gefäßes (Becken, Kokille) ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist. Dann überlagern sich die von der Wand reflektierte mit der ursprünglichen Welle gerade so, dass sich ortsfeste Schwingungsknoten und -bäuche bilden ("Stehende Welle").

Die Rechenvorschrift ist verhältnismäßig einfach. Sie beruht auf der bekannten Grundgleichung für den Einmassenschwinger

ω0 = (c/m)0.5

mit der Eigenkreisfrequenz ω0, der Federsteigkeit c und der schwingeden Masse m. Will man die Dämpfung im System berücksichtigen, wird es etwas komplizierter, bleibt aber weiter ganz übersichtlich. Die Herausforderung für uns Hüttenleute besteht darin, die für eine Übertragung auf unseren Fall erforderlichen, meist

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temperaturabhängigen Werkstoffeigenschaften zu beschaffen. Die kleine Excel-Betrachtung gibt ein paar Anregungen, wie man es machen könnte.

Die Übertragung der o.g. Grundgleichung vom 1-Massen-Schwinger auf ein Kontinuum (verteilte Massen, verteilte Steifigkeiten) offenbart dann auch gleich die erste (unangenehme) Konsequenz: es gibt über der Grundschwingung mehrere, manchmal (beliebig) viele, "Harmonische". Bei einer Geigenseite, einer Peitschenantenne oder einem an der Schreibtischkante festgeklemmten Lineal steigt mit dem Schwingungsgrad n auch die erforderliche Energie zur Anregung. Deshalb sind hier die Grundschwingungsformen bevorzugt. Besonders Geigenschüler tun sich aber erfahrungsgemäß leicht bei der Anregung höherer Frequenzen. Manche sprechen dann von Katzenmusik.

Hier noch ein trivialer, aber für unsere Betrachtung in der Kokille wichtiger Hinweis. Sowohl beim mechanischen Schwinger, wie auch in einem Fluid bleibt bei der Schwingung die Gesamtmasse, im Fluid gelichbedeutend mit dem Gesamtvolumen, konstant! Die Bewegung an einer Stelle wird durch eine gegenläfige an anderer Stelle kompensiert. Wir kommen weiter unten auf diesen Umstand zurück.

In Fluiden steigt der notwendige Energieeintrag mit der Frequenz nur unerheblich. Das führt dazu, dass eine (periodische) Störung jede beliebige Eigenform in ihrer Nähe anregen kann, verschiedene Störungen auch mehrere Eigenformen gleichzeitig. Im Schwimmbecken ist oft schön zu beobachten, wie sich Wellen unterschiedlichster Länge kreuzen, überlagern, gegenseitig auslöschen oder verstärken und ein munteres Spiel auf der Oberfläche treiben.

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Und so ist es auch in der Kokille - besonders, wenn sie schlecht ausgerichtet oder äußeren Störungen unterworfen ist. Im Excel-Blatt kann man ausprobieren, welche Eigenformen und -frequenzen sich für die verschiedenen charakteristischen Längen (Öffnungsmaß in Dicken- und Querrichtung bzw. Durchmesser bei Rundanlagen) einstellen. In den grün unterlegten Eingabefeldern kann man die verschiedenen Randbedingungen austesten. Die Tabelle unten rechts und die zugehörigen Schwingunsbilder zeigen (aus Platzgründen nach der 7. Eigenform = 6. Harmonischen abgebrochen), was so alles möglich ist - und führen uns zu folgenden Erkenntnissen:

• Einige Eigenfrequenzen liegen im "normalen" Betriebsbereich der Kokillenoszillation, aber auch im Bereich von denkbaren äußeren (periodischen) Störungen und können von diesen angeregt werden. Stören können nicht nur „unrund“ laufende Maschinen(komponenten), sondern auch Einzelereignisse hinreichend hohen Energiegehalts (Clogging, Ruckeln der Fahrantriebe) und breitbandige Erregungen (Strömungsereignisse im Liquid Pool, Argon Bubbling).

• Je nach Eigenform liegt die Messstrecke des Gießspiegelreglers a) in der Nähe eines Schwingungsknotens oder b) in der Nähe eines Schwingungsbauches. Und wir haben…

a) … Glück gehabt! Der Gießspiegelregler ist für diese Eigenform blind und mischt sich nicht ein. Gut so! Füllvolumen und damit die integrale GS-Lage ändern sich ja nicht (sh.o.: Volumenkonstanz!).

b) … Pech! Der Gießspiegelregler erkennt die Änderung als Gießspiegelschwankung und versucht sie auszuregeln. Dabei kommt es zu einer ungewollten, aber tatsächlichen Änderung des Gesamtfüll-

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standes – die zu verhindern seine eigentliche Aufgabe ist. Dagegen hilft gut eine über eine möglichst große Messbreite integrierende Messwerterfassung.

• Die Eigenfrequenzen hängen vernachlässigbar wenig von den Werkstoffeigenschaften ab (viel Mühe für wenig Ergebnis!).

• Die "Mould Level Hunting"-Frequenz liegt in aller Regel so deutlich unter der fluiden Grundfrequenz, dass eine Verwechslung ausgeschlossen werden kann. Aber man weiß ja nie, was Murphy's Law noch für uns bereit hält.

.

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zur Bedienung:• In Menueleiste <Ansicht>/<Leseansicht> einschalten• Aktivieren durch Klick in Excel-Blatt / ggf. Bearbeitung freigeben• Eingaben (grüne Felder) besetzen• Ergebnisse beäugen

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St.Gr. T [°C] E [N/m2] m [-] K [N/m2] [kg/m3] c [m/s] f(a) [Hz] f(a) [Hz] f(b) [Hz] St.Gr. Tliq [°C]

1 0 2.14E+12 0.284 1.65123E+12 7855.8 14498.04 1 1530100 2.08E+12 0.286 1.62251E+12 7824.39 14400.19 2 1510

Leff [m] 200 2.02E+12 0.288 1.58585E+12 7791.98 14266.16 3 15002 300 1.94E+12 0.29 1.54103E+12 7758.57 14093.37 4 1470

400 1.86E+12 0.292 1.48782E+12 7724.16 13878.73

s [kg/s2] 500 1.76E+12 0.294 1.42597E+12 7688.75 13618.44

0.07 600 1.66E+12 0.296 1.35523E+12 7652.34 13307.89

700 1.55E+12 0.298 1.27533E+12 7614.93 12941.31n [-] 800 1.42E+12 0.3 1.186E+12 7576.52 12511.44

0.2 900 1.29E+12 0.302 1.08695E+12 7537.11 12008.89

1000 1.15E+12 0.304 9.77891E+11 7496.7 11421.16

TÜ [°C] 1100 9.99E+11 0.306 8.58505E+11 7455.29 10730.97

20 1200 8.39E+11 0.308 7.28472E+11 7412.88 9913.18

1300 6.7E+11 0.31 5.87456E+11 7369.47 8928.317

1400 4.91E+11 0.312 4.35106E+11 7325.06 7707.12

1500 3.03E+11 0.314 2.71057E+11 7279.65 6102.0441600 1.05E+11 0.316 94927536232 7233.24 3622.677 n

Teff [°C] 1550 2.05E+11 0.315 1.84527E+11 7256.57 5042.714 0.883547 0.8657 0.883547 1

1.32532 1.298543 1.249524 2Legende 1.767094 1.731391 1.530348 3

St.Gr. 2.208867 2.164239 1.767094 4Leff 2.65064 2.597087 1.975671 5

s 3.092414 3.029934 2.164239 6n 3.534187 3.462782 2.337645 7

= ( n*2*g* p/Leff + (s* k3/ r) 0.25) 0.5

Stahgüten-Gruppewirksame Länge = Länge, Breite, Durchm. des Badspiegels

Oberflächenspannungsbeiwertviskoser Dämpfungsbeiwert

Quellen/Literatur:

• St.Gr. und temp.abh. Werkstoffeigenschaften nach

Stahleisen-Sonderberichte, Heft 8, Heft 10

bis 600 bzw. 800°C gesichert; darüber extrapoliert• Gleichungen zur Eigenfrequenz-Berechnung

f(a) nach Wikipedia und Airy-Laplace

f(b) aus mündlicher Überlieferung

• Wert für s: mündl. Überlieferung / Internet

• übrige Eingaben: empirisch / eigene Vorgaben

= (n+1) * c / 2L eff ; c = ( g*L / 2 p) 0.5

mit Däm

pfung = w0 * (1+ n

2) 0.5

Name

un- und niedrig legierte Stähle

X20Cr13

X10CrAlTi3 2 20/ X12NiCrSi3 6 16übrige Austenite