vorher-nachher-bilder in der plastischen und Ästhetischen chirurgie
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Einen einheitlichen Standard zur Anfertigung von Vorher-Nachher-Bildern in der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie suchte man bisher vergeblich. Dr. Dr. med. Matthias Siessegger beschreibt mit diesem Buch das weltweit erste Konzept zur standardisierten Anfertigung von Vorher-Nachher-Bildern. Mehr Informationen unter www.vorher-nachher-bilder.deTRANSCRIPT
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M. Siessegger
Vorher-Nachher-Bilder
in der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie
Mit einem Vorwort von
Universitäts-Professor Dr. Dr. med. Joachim E. Zöller
Unter Mitarbeit von
Stephan Gutbier (Medizin-Fotograf)
Dirk Nickel (Rechtsanwalt)
Mit 63 Abbildungen
Letzte Überarbeitung: 01.07.2012
Dr. Dr. med.
Matthias Siessegger
Justinianstraße 3
50679 Köln
ISBN 978-3-00-038466-0
www.vorher-nachher-bilder.de
Wichtiger Hinweis:
Die Medizin und das Gesundheitswesen
unterliegen einem ständigen
Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben
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Justinianstraße 3, 50679 Köln
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Geleitwort
J. E. Zöller
Die Wiege der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie liegt in der Plastischen
Gesichtschirurgie, die ihren Ursprung der Überlieferung nach im alten Indien hat.
Heute werden chirurgische Eingriffe, die der Plastischen und Ästhetischen
Chirurgie zugeordnet werden, innerhalb verschiedener medizinischer
Fachdisziplinen vorgenommen. Die „Ästhetische Chirurgie“ darf daher als
interdisziplinäres Gesamtprojekt verstanden werden, dessen hoher
medizinischer Stellenwert nicht zuletzt auch darin begründet liegt.
Dem gleichermaßen arzt- und patientenseitigen Wunsch nach einer objektiven
Beurteilung des Behandlungserfolges versuchen alle am Gesamtprojekt
„Ästhetische Medizin“ beteiligten Fachdisziplinen unter anderem mit eigens
angefertigten Vorher-Nachher-Fotografien Rechnung zu tragen. Eine weitere
Notwendigkeit für die Anfertigung dieses medizinisch-dokumentarischen
Bildmaterials liegt natürlich auch in dem rechtlichen Bedarf an einer revisions-
und gerichtsfesten Beweisgrundlage für die Leistungsabrechnung oder bei
Haftungsfragen begründet.
Zweifelsohne wird der höchste Anspruch chirurgischer Präzision an die
Plastische- und Ästhetische Gesichtschirurgie gestellt. Dies gilt insbesondere für
die Planung und chirurgische Umsetzung, aber auch für die Dokumentation
plastisch-ästhetischer Operationsergebnisse auf Basis der angesprochenen
Vorher-Nachher-Fotografien.
Ausgehend von den Erkenntnissen aus der Plastischen und Ästhetischen
Gesichtschirurgie und den Anforderungen, die an sie gestellt werden, zeigt der
Autor mit diesem Buch einen ersten Ansatz zur bildgebenden Dokumentation in
der gesamten Plastisch-Ästhetischen Chirurgie auf.
Herrn Dr. Dr. med. Siessegger möchte ich für dieses anschauliche Werk
gratulieren und würde mir wünschen, dass damit ein Beitrag zur
fachübergreifenden Standardisierung und Qualitätssteigerung des angefertigten
medizinisch-dokumentarischen Bildmaterials geleistet wird.
Universitäts-Professor Dr. Dr. med. Joachim E. Zöller
Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische
Gesichtschirurgie der Universität zu Köln
Köln, im Juni 2012
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1. Einführung
1.1 Was ist Medizinische Dokumentation?
Dokumentation ist die „Zusammenstellung und Nutzbarmachung von
Dokumenten, Belegen und Materialien jeder Art“, so lautet die Definition des
Begriffs „Dokumentation“ im Duden. Im Wesentlichen trifft diese knappe
Beschreibung auch für die Medizinische Dokumentation zu. Etwas ausführlicher
betrachtet, befasst sich Medizinische Dokumentation mit dem Erfassen,
Speichern, Ordnen und Wiedergewinnen von medizinischen Informationen. Für
die Medizin als auch für die Wissenschaft ist dies gleichermaßen notwendig, da
jede wissenschaftliche Erkenntnis empirisch oder theoretisch dokumentiert
herzuleiten ist. Bei der Krankenversorgung spielt die Medizinische
Dokumentation, besonders in Form der Krankengeschichte, ebenfalls eine
wichtige Rolle [Klar, Graubner 1997].
„Medizinische Dokumentation bedeutet nicht das schlichte Aufzeichnen
medizinischer Informationen in beliebiger Form und nach freien Gutdünken,
vielmehr muss ein Dokument mit rechtlichem Urkundencharakter nach gewissen
systematischen und praktischen Regeln für verschiedene Zwecke geführt
werden. Das medizinische Dokument ist eine Urkunde“, so Klar und Graubner
(1997).
Leiner und Kollegen (2006) weisen auf die Vielschichtigkeit der Medizinischen
Dokumentation hin, die sich auf unterschiedliche Arten von Information und
Wissen beziehen kann. Gegenstände einer Medizinischen Dokumentation können
Informationen über Befunde einzelner Patienten oder durchgeführter Therapien,
Ergebnisse von Arzneimittelvergleichen oder auch Verzeichnisse medizinischer
Veröffentlichungen sein.
1.1.1 Wer „macht“ Medizinische Dokumentation?
Medizinische Dokumentation ist zum einen Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit
und erfolgt somit von Ärzten, sonstigen Heilberufen und medizinischem
Fachpersonal (z. B. Pfleger/-innen, Arzthelferinnen, zahnärztlichen
Fachangestellten) im täglichen Praxis- oder Klinikalltag.
Es gibt jedoch auch spezielle Berufe, die sich ausschließlich der Dokumentation
medizinischer Daten und Informationen widmen. Nicht zuletzt daran lässt sich
der hohe Stellenwert der Medizinischen Dokumentation erkennen.
Medizinische Dokumentare/-innen, Dokumentationsassistenten/-innen und
Diplom-Dokumentare/-innen befassen sich hauptberuflich mit der
Dokumentation medizinischer Daten und Erkenntnisse. Als wichtigste
Tätigkeitsfelder nennt der Berufsverband DVMD (Deutscher Verband
Medizinischer Dokumentare) in seiner Imagebroschüre „Berufstätige in der
Medizinischen Dokumentation“ folgende Bereiche:
Klinische Forschung,
Klinische Dokumentation im Krankenhaus,
Tumordokumentation,
Epidemiologie,
Informationsvermittlung.
Beispielsweise im Rahmen der klinischen Forschung bei der Zulassung neuer
Medikamente stellen Medizinische Dokumentare als Statistik-/Clinical
Programmierer die notwendigen Werkzeuge zur Verfügung, die eine methodisch
einwandfreie Auswertung einer klinischen Studie sicherstellen. Die dadurch
gewonnenen validen Daten sind die Grundlage für die Entscheidung der
Behörden, ein Medikament zuzulassen.
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2. Bilder in der Medizin
2.1 Geschichtlicher Rückblick
Das Abbilden und Illustrieren medizinischer Vorgänge und anatomischer
Gegebenheiten ist vermutlich so alt wie die Medizin selbst. Den Erkenntnissen
der Medizinhistoriker entsprechend war es schon immer ein Bestreben der
damaligen Ärzte, Anatomen und Pharmakologen, die körperlichen und
pharmakologischen Zusammenhänge und Vorgänge anhand von Figuren,
Illustrationen und Bildern zu erklären, zu sammeln und schließlich
weiterzuvermitteln. Im Folgenden soll ein knapper Überblick über die Geschichte
der medizinischen Illustration und Bilderstellung geboten werden. Als
weiterführende und umfangreichere Literatur seien dem Leser Eckart und Jütte
(2007) sowie Herrlinger (1967) empfohlen.
Die medizinische Abbildung lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Schon
Aristoteles (384-322 v. Chr.) erwähnt beispielsweise in seiner Historia
animalium, einer zoologischen Schrift über die Arteneinteilung im Tierreich, ein
„reich bebildertes“ Anatomiewerk. Da es hierfür allerdings keinen materiellen
Beleg gibt, wird der „Wiener Dioskurides“ (512 n. Chr.) als früheste bekannte
Quelle für die medizinisch-botanische Textillustration bezeichnet. Sie stammt
vom griechischen Arzt Pedanios Dioskurides, der als berühmtester
Pharmakologe des Altertums gilt. In seinem 383 Seiten umfassenden Werk
werden kolorierte Pflanzen abgebildet sowie eine Illustration seines Ateliers
publiziert.
Auch das späte Mittelalter brachte medizinische Abbildungen hervor. Aufgrund
der im Mittelalter praktizierten Qualitäten- und Säftelehre entstand in dieser Zeit
eine Vielzahl von Aderlassfiguren und Schemata der Qualitäten- und Säftelehre.
Sie stellten ein Hilfsmittel für die behandelnden Wundärzte dar und zeigen auf,
welche Ader zu welchem Zeitpunkt „geschlagen“ werden muss, um den
gewünschten Entleerungs- und Ausgleichseffekt zu erzielen.
Auch medizinische Behandlungsszenen wurden bereits im Mittelalter
angefertigt. Besonders die gotische Miniaturmalerei der französischen Schule
des 13. Jahrhunderts ist hier hervorzuheben. Sie bietet unter anderem das
gesamte chirurgische ikonographische Programm „a capite ad calcem“ („vom
Kopf bis zur Ferse“) in großer Illustrationsfülle.
Als Zeitalter der anatomischen Abbildung gilt das 16. Jahrhundert, in dem der
berühmte anatomische Atlas „De humani corporis fabrica libri septem“ entstand
(siehe Abbildung 1). Der in Padua lebende Anatom Andreas Vesalius (1514-1564,
siehe Abbildung 2) begründete mit diesem großen und an Illustrationen reichen
Werk die neuzeitliche Anatomie. Entdeckungen, die sich ihm am Sektionstisch
offenbarten, verglich er mit der bis dahin gültigen Auffassung von der Anatomie
des menschlichen Körpers, die einst der antike Arzt Galen von Pergamon
beschrieben hatte. Mit seinem Werk revidierte Vesalius schließlich zahlreiche
Fehlannahmen Galens, die bis dahin Gültigkeit besessen hatten. Die im Rahmen
seiner Arbeit entstandenen Holzschnitte versuchten erstmals in der
anatomischen Geschichte, die tatsächlichen Gegebenheiten des menschlichen
Körpers abzubilden. Weit mehr als ein Jahrhundert lang galten diese als Norm
für viele weitere und zum Teil berühmte anatomische Illustrationen.
Mit der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert wurde schließlich eine
revolutionäre Epoche der Abbildung und Textillustration eingeläutet [siehe auch
Kapitel 3.2]. Erstmals war es der Medizin möglich, Abbildungen anzufertigen, die
eine wirklichkeitsgetreue Gegenüberstellung eines gesunden und kranken
Organismus ermöglichten, und zu dokumentieren, wie der Organismus eines
Probanden bei einem Humanexperiment reagiert.
Die Physiologie nutzte das neue Medium schließlich, um Bewegungsabläufe zu
studieren, die dem Betrachter bislang verborgen geblieben waren (siehe
Abbildung 3 von Eadweard Muybridge aus dem Jahr 1878).
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Abbildung 1: Atlas „De humani corporis fabrica libri septem”
Abbildung 2: Der Anatom Andreas Vesalius
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Abbildung 3: MRT-Aufnahme des Schädels
Wie beschrieben hat die Magnetresonanztomographie (MRT) die
Computertomographie in verschiedenen Bereichen bereits verdrängt. Dies hängt
beispielsweise mit der nicht mehr notwendigen Bestrahlung des Körpers
zusammen, die mit der CT und dem klassischen Röntgenverfahren zwangsläufig
einhergeht. Des Weiteren lassen sich anhand der MRT Weichteile wie das Gehirn
besser abbilden. So ist es zum Beispiel möglich, mittels MRT den Zeitpunkt eines
Schlaganfalles zu bestimmen (Ärzte Zeitung, 04.10.2011).
Die MRT ist der CT aber nicht in allen Bereichen überlegen: Das MRT-Verfahren
ist zeitaufwändiger und setzt voraus, dass Patienten bei Bewusstsein sind und
den Anordnungen der Untersucher folgen können (Atemanweisungen). Zudem
gilt die Untersuchung eines Patienten mit implantiertem Herzschrittmacher
aufgrund des starken Magnetfeldes als kontraindiziert. Allerdings stellt die MRT
aufgrund der hohen diagnostischen Aussagekraft bei bestimmten
Fragestellungen auch bei Schrittmacherpatienten eine notwendige
Untersuchungsmethode dar. So kommt Nürnberg (2010) zum Schluss, dass sich
Schrittmacher (d. h. nicht-MR-taugliche Geräte) und MRI nicht prinzipiell
ausschließen, sofern kontrollierte Bedingungen vorherrschen, eine Nutzen-
/Risiko-Abwägung stattfindet und die Untersuchung im extrathorakalen Bereich
in speziell eingerichteten Krankenhäusern bei strenger Indikation durchgeführt
wird [Nürnberg, 2010].
2.2.3 Positronenemissionstomographie (PET)
Beim Verfahren der Positronenemissionstomographie, kurz PET, werden unter
dem Einsatz künstlich hergestellter radioaktiver Nuklide, die dem Patienten als
Tracer injiziert werden, diagnostische Aussagen erzielt [Hämisch, Egger, 2007].
Entsprechend der Anreicherung des Tracers im Körper können beispielsweise in
der Onkologie Aussagen zum Staging und der Lokalisierung von Metastasen und
Karzinomen getroffen werden (siehe Abbildungen 9 und 10). Weitere
Einsatzgebiete neben der Onkologie sind die Neurologie, wo mithilfe der PET
unter anderem Rückschlüsse auf Demenzerkrankungen gezogen werden können
oder Morbus Parkinson diagnostiziert werden kann, sowie die Kardiologie, die
mittels PET-CT die Myokardperfusion untersucht.
Abbildung 4: PET/CT-Staging-Untersuchung eines metastasierten
Rektumkarzinoms. Markiert ist ein Knoten in der Lunge
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3. Grundlagen der Fotografie
Hauptthema dieses Buches ist die medizinisch-dokumentarische Vorher-
Nachher-Fotografie in der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie. Da sich die
Vorher-Nachher-Fotografie in erster Linie an der fotografischen Disziplin der
Porträtfotografie orientiert, sollen im Folgenden zunächst die Grundlagen der
Porträtfotografie behandelt werden. Im weiteren Verlauf wird schließlich auf
allgemeine und grundsätzliche Aspekte der Bildgestaltung sowie auf technische
Details der Fotografie näher eingegangen.
3.1 Einführung
Unter dem Begriff Porträt (französisch Portrait) wird in der Fotografie in erster
Linie die Darstellung einer Person verstanden. Auch schon vor dem Zeitalter der
Fotografie wurden Personen porträtiert – im Rahmen künstlerischer Werke wie
Gemälde, Plastiken oder sonstiger Objekte. Ziel der Porträtierung ist es dabei
immer, die Persönlichkeit der Person abzubilden und diese für den Betrachter
nachvollziehbar und erlebbar zu machen.
Die Persönlichkeit eines Menschen lässt sich für den Betrachter vordergründig
über den Gesichtsausdruck, also die Mimik vermuten. Darin liegt auch begründet,
weshalb in der Porträtfotografie das Hauptaugenmerk zumeist auf das Gesicht
der Person gelegt wird und sich der Bildausschnitt häufig auf den Bereich Kopf
bis Brust konzentriert (Brustbild). Dies ist aber keine Grundregel. Auch
Ganzkörperdarstellungen, Hüftbilder und andere Formate werden der
Porträtfotografie zugeordnet und noch im Laufe dieses Kapitels vorgestellt.
Ziel der „medizinischen Porträtfotografie“ im Rahmen von Vorher-Nachher-
Bildern ist in erster Linie die Dokumentation und das Sichtbarmachen einer
positiven und durch den medizinischen Eingriff optischen Korrektur oder
Veränderung eines Körperteiles oder einer Körperpartie. Zweifelsohne hat aber
auch die medizinische Vorher-Nachher-Fotografie in gewisser Weise den
Anspruch, die Persönlichkeit des Patienten zu vermitteln.
Das Aussehen einer Person ist eng damit verbunden, wie der Betrachter die
Persönlichkeit der entsprechenden Person interpretiert. Gerade der erste
Eindruck wird bzw. kann nur über das Aussehen definiert werden. Die Plastische
und Ästhetische Chirurgie korrigiert krankhafte, von der Norm abweichende
oder für den Patienten unvorteilhafte und belastende optische Merkmale. Das
Aussehen der Patienten wird attraktiver gestaltet, idealerweise werden das
Selbstbewusstsein und die Ausstrahlung gestärkt und damit die Persönlichkeit
positiv zur Entfaltung gebracht. So haben medizinische Vorher-Nachher-Bilder
neben der Dokumentation des medizinischen Behandlungserfolges letztlich auch
das Ziel, die neue Attraktivität und die damit erzielte Wirkung anhand der
Porträtfotografie zu dokumentieren.
3.2 Geschichtliche Entwicklung der Porträtierung
Wie bereits in Kapitel 2 kurz erwähnt, begann das Zeitalter der Fotografie im 19.
Jahrhundert. Davor war es lediglich ein Privileg der Adligen und Reichen,
Porträts in Form von Gemälden anfertigen zu lassen und zu besitzen [Meyer-
Broicher, 2009]. Dies änderte sich, nachdem Joseph Nicéphore Nièpce (1765-
1833) im Jahr 1826 das weltweit erste technisch angefertigte Foto entwickelte
(siehe Abbildung 13). Nach weiteren Entwicklungen erreichte die Porträtierung
Mitte des 19. Jahrhunderts durch das politisch und wirtschaftlich erstarkte
Bürgertum und dank der preisgünstigeren Fotografie erstmals auch breitere
Bevölkerungsschichten. Die Fotografie setzte sich schließlich immer mehr gegen
die weit aufwändigere und exklusivere Form der Gemälde-Porträtierung durch,
weshalb alleine in Paris rund 30.000 der Porträtmaler ihre Einkommensquelle
verloren.
Zu Beginn der Fotografie wurden Porträtfotos noch handkoloriert, doch bereits
1861 entstand das erste Farbfoto, indem drei Schwarzweißaufnahmen durch
drei verschiedene Farbfilter fotografiert wurden. In Paris versucht man im Jahre
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4. Vorher-Nachher-Fotografie
in der Plastischen und
Ästhetischen Chirurgie
Während die meisten medizinischen Fachdisziplinen den Verlauf und Erfolg
einer Behandlung anhand klinischer Untersuchungen, variierender
laborchemischer Parameter oder Veränderungen in der diagnostischen
Bildgebung einschätzen und dokumentieren, beurteilt die Ästhetische Medizin
den Einfluss und Erfolg einer durchgeführten Maßnahme in erster Linie anhand
des veränderten äußeren Erscheinungsbildes eines Patienten. Zur Analyse,
Planung, objektiven Bewertung und Dokumentation der durchgeführten
Behandlung wird der Behandler daher zweifelsohne auf von ihm angefertigte
Vorher-Nachher-Bilder zurückgreifen müssen.
Eine medizinische Leitlinie oder Empfehlung zur Anfertigung von Vorher-
Nachher-Fotografien wurde weltweit bislang nicht verfasst. Dieses Buch
definiert somit die weltweit erste Leitlinie zur medizinischen Anfertigung von
Vorher-Nachher-Bildern in der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie.
Hauptmotiv der Ästhetischen und Plastischen Chirurgie ist es, das äußere
Erscheinungsbild und Aussehen eines Patienten zu verbessern. Mit medizinisch-
chirurgischen Maßnahmen versucht die Ästhetische Chirurgie, krankhafte
Veränderungen oder belastende äußere Erscheinungsmerkmale zu korrigieren
oder so weit zu optimieren, dass ein für den Patienten zufriedenstellendes
Ergebnis erreicht wird. Im Rahmen der damit einhergehenden Dokumentation
von Befunden und des Behandlungserfolges sind Chirurgen der Ästhetischen und
Plastischen Chirurgie in ganz besonderem Maße auf die Anfertigung
fotografischen Bildmaterials – also Vorher-Nachher-Bilder – angewiesen.
Um eine objektive Beurteilung und Feststellung des Behandlungserfolges zu
ermöglichen, ist die exakte Vergleichbarkeit der angefertigten Vorher-Nachher-
Bilder von maßgeblicher Bedeutung. Bereits minimale Veränderungen der
Lichtverhältnisse, der Belichtung oder der Aufnahmewinkel kann die objektive
Vergleichbarkeit zwischen Vorher- und Nachher-Fotografien erheblich
erschweren bzw. unmöglich machen.
4.1 Herstellung von standardisierten Vorher-Nachher-
Bildern in der Praxis (TAKE5-Konzept)
In der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie werden diverse Aufnahmen von
unterschiedlichen Personen schnell hintereinander angefertigt, sodass wenig
Zeit bleibt für umfangreiche individuelle Einstellungen und Messungen. Der Arzt
in der Rolle des Medizinischen Fotografen wird deshalb ein Konzept bevorzugen,
das ihm in kurzer Zeit und mit geringem Aufwand den für seine Zwecke
optimalen Vergleich zwischen Vorher- und Nachher-Zustand anhand von
Fotografien ermöglicht. Im Folgenden wird ein System vorgestellt, das diese
Vergleichbarkeit ermöglicht und mit einem akzeptablen Aufwand in der Praxis
umgesetzt werden kann.
4.1.1 TAKE5-Konzept
Um eine möglichst gute Vergleichbarkeit zweier Situationen, also des Momentes
vor einer Behandlung und des Momentes nach einer Behandlung,
sicherzustellen, sollten zunächst bestimmte Aufnahmewinkel und Positionen fest
definiert und für zukünftige Aufnahmen eingehalten werden. Wie bereits
beschrieben wird die objektive Vergleichbarkeit bereits bei einer kleinen
Abweichung erschwert.
Letztlich spielt dabei natürlich auch die Gesamtanzahl von Bildern bzw. die
Auswahl der Aufnahmewinkel eine Rolle, wenn es darum geht, die körperliche
Veränderung ausreichend zu erfassen und zu analysieren. Die jahrzehntelange
Erfahrung in der Gesichtschirurgie lehrt, dass zur Analyse von Gesichtern in der
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I. Unruhiger Hintergrund (störende Strukturen oder Farbmuster)
(Not-)Lösung: „Freistellen“ (Ausschneiden bzw. Ausstanzen) des Patientenbildes,
sodass der bestehende Hintergrund optimiert (z. B. aufgehellt) oder im
Extremfall ein neutraler Hintergrund nachträglich im Bild platziert werden kann.
Die Umsetzung erfolgt mit professionellen Bildbearbeitungsprogrammen wie
Adobe Photoshop oder einer Freeware-Lösung wie GIMP Photo und könnte an
ein geschultes und computeraffines Teammitglied, eine Medienagentur delegiert
oder vom Behandler selbst vorgenommen werden.
Eine maßgebliche Grundregel aus Sicht des Autors besagt, dass mit Ausnahme
des störenden Hintergrundes keine weitere Manipulation oder Fotomontage
vorgenommen werden darf. Besonders wichtig ist es, die ROI niemals zu
verändern oder zu manipulieren. Andernfalls ginge jegliche Wertigkeit des
entsprechenden Vorher-Nachher-Bildes vollständig verloren.
II. Fehlerhafte Achsenstellung der Horizontalen oder Vertikalen
Lösung: Bild entsprechend drehen, damit alle Achsen korrekt verlaufen. Die
Umsetzung könnte wiederum mit den vorher genannten Programmen von einem
Teammitglied, einer Agentur oder dem Behandler vorgenommen werden (siehe
Abbildungen 40 und 41).
III. Unterschiedliche Gesamtgrößen
Werden die Vorher-Nachher-Bilder aus unterschiedlicher Entfernung oder mit
unterschiedlich eingestellten Objektiven (Zoom) vorgenommen, so kann es
passieren, dass der Patient im Bild unterschiedlich groß abgebildet ist.
Lösung: Mit den genannten Programmen kann auch hier eine nachträgliche
Angleichung der Gesamtgrößen und Positionen vorgenommen werden
(Kongruenzangleichung über Grids im Bildbearbeitungsprogramm).
Abbildung 5: Nachträgliche Korrektur der horizontalen Achsen
Abbildung 6: Nachträglich Korrektur der vertikalen Achsen
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Praxistipp Stephan Gutbier (Medizinfotograf der Uniklinik Köln):
„Professionelle Bildbearbeitungsprogramme wie Adobe Photoshop o. ä. dienen
lediglich der Korrektur von leichten Abweichungen (Achsen,
Bildgröße/Ausschnitt etc.). Wie der Autor bereits richtig betont hat, sollten mit
den Programmen keinesfalls Änderungen am Erscheinungsbild des Patienten
vorgenommen werden, da sonst die rechtliche Grundlage verloren ginge.
In der Praxis hat es sich bewährt, immer zwei Bildersätze abzuspeichern – ein
Satz der unbearbeiteten Originalaufnahmen sowie ein Satz der angepassten und
bearbeiteten Aufnahmen.
Es ist zu empfehlen, diese Daten an verschiedenen Orten zu speichern.
4.6 Praxisbeispiele
Auf den folgenden Seiten werden diverse Beispiele aus der Plastischen und
Ästhetischen Chirurgie bzw. Gesichtschirurgie vorgestellt, die mit dem
besprochenen TAKE5-Konzept in der Praxis umgesetzt wurden.
Praxisbeispiel 1: Facelifting (Seiten 44 und 45)
Ausgangsbefund: Asymmetrische Höckernase, Nasenspitzen-Trooping,
Labiomandibularfalte, Jowl-Kompartiment, Submentales-Kompartiment.
Praxisbeispiel 2: Rhinoplastik (Nasenkorrektur) | Fall 1 (Seiten 46 und 47)
Ausgangsbefund: Asymmetrische Höckernase.
Praxisbeispiel 3: Rhinoplastik (Nasenkorrektur) | Fall 2 (Seiten 48 und 49)
Ausgangsbefund: Asymmetrische Höckernase, Überprojektion der Nase bei
Spannungsseptum und Spinaprominenz. Hypoplastisches Kinn bei
Normokklusion.
Praxisbeispiel 5: Liposuktion (Fettabsaugung) (Seiten 50 und 51)
Ausgangsbefund: Lipodystrophie mit Depots an Oberbauch, Unterbauch und
Hüften.
Praxisbeispiel 6: Brust-OP (Brustvergrößerung) | Fall 1 (Seiten 52 und 53)
Ausgangsbefund: Mikromastie (kleine Brust), insbesondere Volumendefizit im
oberen Brustpol.
Praxisbeispiel 7: Brust-OP (Brustvergrößerung) | Fall 2 (Seiten 54 und 55)
Ausgangsbefund: Mikromastie (kleine Brust), anlagebedingte Dysmorphie des
unteren Brustpols (lower pole constriction).
Praxisbeispiel 8: Brust-OP (Brustverkleinerung) (Seiten 56 und 57)
Ausgangsbefund: Asymmetrische, stark hängende Brust (Mammaptosis Grad III).
Große unregelmäßig begrenzte Brustwarzenvorhöfe.
Bitte beachten Sie:
Operateur und Urheber aller im Buch abgebildeten medizinischen
Praxisbeispiele ist der Autor der Buches Dr. Dr. med. Matthias Siessegger.
Es sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
Aufnahmen urheberrechtlich geschützt sind und jede Verwertung in anderen als
den gesetzlich zulässigen Fällen der vorherigen schriftlichen Genehmigung des
Autors bedürfen.
Bei der EBook-Version dieses Fachbuches ist es möglich, die einzelnen
Aufnahmen durch Anklicken im Großformat zu betrachten. Dazu öffnet sich ein
neues Fenster im Internetbrowser.
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Praxisbeispiel 1: Facelifting zur Vergrößerung und direkten Gegenüberstellung bitte auf die Bilder klicken
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Abbildung 43: Ausgangsbefund Klicken, um zu vergrößern
Befunderhebung und Analyse
In der Profilanalyse erkennt man eine Frau mittleren Alters mit hakenförmiger
Höckernase (Trooping).
Das altersbedingte Absinken (Sagging) der Weichgewebe im Gesicht bewirkt die
Ausbildung von tiefen Labiomandibularfalten, die im seitlichen
Unterkieferbereich in das sogenannte „Jowl-Kompartiment“ (umgangssprachlich
„Hamsterbäckchen“) über geht. Ein kleines hängendes Weichgewebsdepot
(submentales Kompartiment) gewinnt optisch an Bedeutung durch die
gleichzeitig bestehende Rücklage des Kinns.
Abbildung 44: Zustand nach der Operation Klicken, um zu vergrößern
Medizinische Behandlung und Ergebnis
Etwa ein Jahr nach durchgeführter Behandlung zeigt die Befundung ein nahezu
harmonisches Gesichtsprofil.
Die ROIs repräsentieren das Ergebnis der durchgeführten Nasenkorrektur mit
Entfernung des Höckers und Nasenspitzenanhebung.
Zusätzlich wurde das Kinn nach vorne verlagert und das Gesicht mittels eines
superextended Facelifts mit Anhebung des sogenannten S.M.A.S. (Superfizielles
Muskuloaponeurotisches System) verjüngt.
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Praxisbeispiel 2: Rhinoplastik (Nasenkorrektur) | Fall 1 zur Vergrößerung und direkten Gegenüberstellung bitte auf die Bilder klicken
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Praxisbeispiel 4: Liposuktion (Fettabsaugung) zur Vergrößerung und direkten Gegenüberstellung bitte auf die Bilder klicken
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Praxisbeispiel 5: Brust-OP (Brustvergrößerung) | Fall 1 zur Vergrößerung und direkten Gegenüberstellung bitte auf die Bilder klicken
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Abbildung 55: Ausgangsbefund Klicken, um zu vergrößern
Befunderhebung und Analyse
Bei der jungen Frau liegt eine etwas kleine Brust (Mikromastie) vor.
Die ROI zeigt ein Volumendefizit insbesondere im oberen Anteil der Brust
(oberer Pol).
Die TAKE5-Komplettansicht dokumentiert die entsprechenden Ansichten.
Abbildung 56: Zustand nach der Operation Klicken, um zu vergrößern
Medizinische Behandlung und Ergebnis
Nach Ausheilung der Operationsfolgen ist die Brust in Form und Größe der Figur
der Patientin angepasst. Es wurden Silikonimplantate unter die Brustdrüse
implantiert, die Gestaltung einer natürlichen Brust scheint gelungen.
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Abbildung 58: Ausgangsbefund Klicken, um zu vergrößern
Befunderhebung und Analyse
Bei dieser jungen Frau bestand ebenfalls der Wunsch nach einer größeren Brust
mit natürlicher Form.
Die ROI im TAKE5-Ausgangsbefund lässt erkennen, dass es (im Gegensatz zur
Patientin zuvor) aufgrund eines zusätzlichen Volumendefizits im unteren
Brustbereich zu einer spitzen Form der gesamten Brust kommt (tubuläre Brust).
Abbildung 59: Zustand nach der Operation Klicken, um zu vergrößern
Medizinische Behandlung und Ergebnis
Die Brust wurde vergrößert, die Form (unterer und oberer Pol in der ROI)
normalisiert.
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5. Rechtliche Grundlagen der
Medizinischen Dokumentation
D. Nickel
5.1 Medizinische Dokumentation
Die rechtlichen Grundlagen der Medizinischen Dokumentation finden sich in der
Berufsordnung für Ärzte (vgl. § 10 Abs.1 MBO).
Ärzte sind zu einer Dokumentation ihrer Behandlungstätigkeit verpflichtet. Sie
haben über die in Ausübung ihres Berufes gemachten Feststellungen und
getroffenen Maßnahmen die „erforderlichen“ Aufzeichnungen zu machen. Diese
sind nicht nur Gedächtnisstützen für die Ärztin oder den Arzt, sie dienen auch
dem Interesse der Patientin oder des Patienten an einer ordnungsgemäßen
Dokumentation.
Zudem werden Ärzte verpflichtet, diese ärztlichen Aufzeichnungen für die Dauer
von mindestens zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren
(vgl. § 10 Abs.3 MBO).
Während hinsichtlich der grundsätzlichen Erstellungspflicht und der zeitlichen
Verfügbarkeit berufsrechtlich klare Vorgaben bestehen, geht der Gesetzgeber
(bisher) nicht im Detail auf verschiedene Dokumentationsarten ein.
Neben einer (meist klinikeinheitlichen) ärztlichen Basisdokumentation, die im
Wesentlichen abrechnungsrelevant erstellt wird, und der Fachdokumentation,
die – ebenfalls meist klinikeinheitlich – Befunde dokumentiert, handelt es sich
bei der Anfertigung von Vorher-Nachher-Bildern in der Plastischen und
Ästhetischen Chirurgie um eine Spezialdokumentation, die im Sinne einer
Qualitätssicherung anzulegen ist.
In der Regel sind es Medizinische Vereinigungen, die über die Erarbeitung von
Leitlinien, Richtlinien oder medizinischen Standards eindeutig festlegen, welche
Dokumentationsform „erforderlich“ ist und Rechtsbestand hat.
Daneben wurden durch internationale Regulierungsbehörden, auch auf Druck
der Pharmazeutischen Industrie, sogenannte „Good Clinical Practices (GCP)“ für
bestimmte medizinische Dokumentationsarten formuliert. Dies jedoch in erster
Linie in Zusammenhang mit der Durchführung groß angelegter, internationaler
medizinischer Studien.
Für die Anfertigung von Vorher-Nachher-Bildern in der Medizin gab und gibt es
bis dato weder national noch international eine medizinrechtlich verbindliche
Vorgabe.
Rechtliche Bedeutung erlangt eine Medizinische Dokumentation im Sinne von
Vorher-Nachher-Bildern vorwiegend bei der Bewertung haftungsrechtlicher
Ansprüche nach stattgehabter Behandlung oder aber bei der Einschätzung
berufs- und wettbewerbsrechtlicher Belange.
5.2 Relevanz von Vorher-Nachher-Bildern
5.2.1 Behandlungsfehler und medizinische Qualitätskontrolle
Bei der Geltendmachung eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches
gegenüber einem Arzt kommt der sorgfältigen Dokumentation einer Behandlung
eine ganz erhebliche Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes kehrt sich die Beweislast zu Lasten des Arztes um, wenn
der Patient aufgrund mangelnder Dokumentation in Beweisschwierigkeiten
gerät. Lässt der Arzt beispielsweise pflichtwidrig dokumentationsbedürftige
Befunde in den Krankenunterlagen undokumentiert, so folgt hieraus per Indiz,
dass das, was nicht dokumentiert wurde, auch nicht geschehen ist (vgl. BGH,
Urteil vom 19. Februar 1995, Aktenzeichen VI ZR 272/93).
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