vorlesung 8 beschäftigungsformen im wandel

28
Vorlesung 8 Beschäftigungsformen im Wandel Prof. Dr. Elisabeth Göbel FB IV-BWL Arbeit, Personal, Organisation

Upload: others

Post on 16-Nov-2021

3 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Vorlesung 8 Beschäftigungsformen im Wandel

Prof. Dr. Elisabeth Göbel

FB IV-BWL

Arbeit, Personal, Organisation

Normalarbeitsverhältnis - Kernmerkmale

• Die Arbeit basiert auf einem Arbeitsvertrag und begründet weisungsgebundene, unselbständige Arbeit.

• Der Arbeitsvertrag ist unbefristet. • Der AN arbeitet Vollzeit (5 Tage à 8 Stunden) oder mindestens

21 Stunden Teilzeit. • Man hat einen Arbeitgeber, bei dem man auch beschäftigt ist

(Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis) • Der AN ist abgesichert und vom Arbeitsmarkt entkoppelt

durch Kündigungsschutz, Einbettung in Tarifverträge und soziale Absicherung.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

2 Vorlesung Organisation und Arbeit

Normalarbeitsverhältnis – weitere Merkmale

• Für die Arbeit erhält der Arbeitnehmer ein festes monatliches Entgelt welches die Existenz sichert.

• Der Arbeitsplatz ist getrennt vom privaten Lebensbereich.

• Es gibt feste Arbeitszeiten und Freizeiten und die Lage der Arbeitszeit ist an den Werktagen tagsüber.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

3 Vorlesung Organisation und Arbeit

„Atypische“ Beschäftigungsverhältnisse

Abweichungen vom „Normalarbeitsverhältnis“

(= unbefristete, sozial abgesicherte, abhängige Vollzeitbeschäftigung bei einem

Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz)

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation 4

Vorlesung Organisation und Arbeit

- Teilzeitarbeit (mit weniger als 21 Stunden) - Befristete Beschäftigung statistisches Bundesamt - Leiharbeit/Zeitarbeit - Geringfügige Beschäftigung - Heim- und Telearbeit -„Schein-Selbstständige“, Freelancer, Freie Mitarbeiter etc. - working poor

Atypische Beschäftigung ist nicht identisch mit prekärer Beschäftigung, aber es gibt einen großen Überschneidungsbereich.

Beschäftigungsstruktur (1)

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

5 Vorlesung Organisation und Arbeit

11% 0,6%

88,4%

Struktur der insgesamt in D Beschäftigten 2009

Selbstständige

mithelfende Familienangehörige

Abhängige

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Zusammenstellung

Entwicklung atypischer Beschäftigung

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

6 Vorlesung Organisation und Arbeit

Entwicklung atypischer Beschäftigung

Der Zuwachs der Beschäftigung von 2009 auf 2010 ist zu 75% auf die Zunahme atypischer Beschäftigung zurück zu führen. Im Zeitraum von 1998 bis 2008 hat die Zahl der geringfügig Beschäftigten um 71,5% zugenommen. 1998 waren noch 72,6% der Beschäftigten in einem Normalarbeitsverhältnis, 2008 nur noch 66%. Bei den Solo-Selbständigen gab es im gleichen Zeitraum ein Plus von 27,8%. Als armutsgefährdet galten 1998 noch 9,8% der Beschäftigten, 2008 waren es 14,3%.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

7 Vorlesung Organisation und Arbeit

Teilzeitarbeit

• Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), § 2: Von Teilzeitbeschäftigung spricht man, wenn kürzer als die regelmäßige Wochenarbeitszeit vergleichbarer Arbeitnehmer gearbeitet wird. (Tarifliche oder betriebliche Arbeitszeit einer vollen Stelle)

• Kein absoluter Stundenmaßstab, sondern relationales Kriterium. Als atypisch gelten weniger als 21 Stunden.

• Obergrenze 35 Stunden pro Woche, Untergrenze früher 15 Stunden. Bei 15 Stunden und weniger begann früher der Bereich der geringfügigen Beschäftigung. Dieses Limit ist inzwischen aber aufgehoben.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

8 Vorlesung Organisation und Arbeit

Teilzeit nach Geschlecht

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

9 Vorlesung Organisation und Arbeit

80%

20%

Teilzeit

weiblich

männlich

Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2007, eigene Zusammenstellung

Teilzeitbeschäftigte 2007 in Deutschland

Vollzeit vs. Teilzeit

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

10 Vorlesung Organisation und Arbeit

vgl. Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2007

Teilzeitbeschäftigte Frauen nach Alter

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

11 Vorlesung Organisation und Arbeit

vgl. Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2007

Formen der Teilzeitarbeit

• Teilzeit Classic: Täglich reduzierte Stundenzahl • Teilzeit Classic Vario: Arbeitszeit wird auf 2-5 Tage

verteilt, auch mit täglich variabler Stundenzahl • Teilzeit Jobsharing: Zwei AN teilen sich eine Stelle • Teilzeit Invest: bei Vollzeitarbeit wird nur Teilzeit

vergütet und dafür Zeit „angespart“ für eine mehrmonatige Freizeit (Sabbatical)

• Teilzeit Team: Im Team werden die Arbeitszeiten variabel ausgehandelt

• Teilzeit Saison: Man arbeitet in der Saison Vollzeit und hat dann mehrere Monate frei; gleichbleibendes Gehalt

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

12 Vorlesung Organisation und Arbeit

Bewertung der Teilzeitarbeit

• Teilzeitarbeit ist häufig erwünscht, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. In §1 des TzBfG heißt es, die Teilzeitarbeit solle gefördert werden. Für die Unternehmen erhöht sie die Flexibilität.

• Sie hat aber auch eine Reihe von Nachteilen:

- die Bezahlung reicht oft nicht für den Lebensunterhalt

- Teilzeitbeschäftigte sind oft Beschäftigte „zweiter Klasse“, die bspw. kaum weitergebildet werden und wenig Karrierechancen haben. Das TzBfG will einer solchen Diskriminierung entgegen wirken.

- Teilzeitbeschäftigung kann unfreiwillig sein

- sie eignet sich besonders für Arbeit auf Abruf; §12 TzBfG

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

13 Vorlesung Organisation und Arbeit

Befristete Beschäftigung

• Befristet ist ein Beschäftigungsverhältnis, wenn das Vertragsende nicht offen gehalten, sondern vertraglich fixiert wird. Das Ende kann kalendermäßig bestimmt sein oder sich auch aus der Art der Arbeitsleistung ergeben (Projektende).

• Geregelt im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), welches die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit klären und die Diskriminierung der befristet Beschäftigten verhindern will.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

14 Vorlesung Organisation und Arbeit

Wann ist befristete Beschäftigung erlaubt?

• Das TzBfG erlaubt Befristungen bei Vorliegen eines sachlichen Grundes (§ 14 Abs. 1 TzBfG). Sachliche Gründe können hiernach u.a. sein: ein nur vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Beschäftigung, die Vertretung eines Arbeitnehmers (z.B. Mutterschutzvertretung), die Erprobung eines Arbeitnehmers oder befristete Haushaltsmittel.

• Auch ohne sachlichen Grund ist eine Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren ist die höchstens dreimalige Verlängerung des befristeten Vertrages möglich. Durch Tarifvertrag kann man von dieser Regelung abweichen.

• In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 4 Jahren zulässig und auch eine mehrfache Verlängerung.

• Bis zur Dauer von 5 Jahren ist die Befristung zulässig, wenn der AN bei Beginn der Beschäftigung mindestens 52 Jahre alt ist und arbeitslos.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

15 Vorlesung Organisation und Arbeit

Befristete Beschäftigte nach Vertragsdauer

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

16 Vorlesung Organisation und Arbeit

Wer ist befristet beschäftigt?

• Frauen sind mit 9,5% etwas stärker vertreten als Männer mit 8,4%.

• Ausländer stehen mit 13,6% sehr viel häufiger in befristeten Arbeitsverhältnissen als deutsche AN mit 8,5%.

• Besonders viele Befristungen gibt es bei Wissenschaftlern und in neueren Dienstleistungsbranchen wie Wach- und Sicherheitsdienste, Personalvermittlung, Vermietung beweglicher Sachen.

• Es sind deutlich mehr Jüngere betroffen: Bei den 20 – 25 jährigen lag die Quote bei 25%, bei den 30 – 40 jährigen bei 9,3% und bei den 40 – 50 jährigen bei 6,1%.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

17 Vorlesung Organisation und Arbeit

Bewertung der Befristung - Arbeitgebersicht

• Aus Sicht der Arbeitgeber erhöhen die Befristungsmöglichkeiten die Flexibilität.

• Die Leistungsbereitschaft der befristet Beschäftigten ist oft besonders hoch, weil sie auf eine Festanstellung hoffen. Die „Marktkontrolle“ kann genutzt werden.

• Man kann Mitarbeiter ausgiebig „testen“, ehe man sich endgültig festlegt.

• Sie scheuen sich oft, ihre Rechte wahrzunehmen, bspw. für den Betriebsrat zu kandidieren.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

18 Vorlesung Organisation und Arbeit

Bewertung der Befristung - Arbeitnehmersicht

• Aus Sicht der Arbeitnehmer bedeutet die Befristung eine hohe Unsicherheit. Es ist keine Lebensplanung mehr möglich. Die AN werden zu „Jobnomaden“, die immer wieder neue Jobs suchen müssen.

• Wer etwa ab Mitte 30 noch immer keine Festanstellung gefunden hat, hat ein großes Risiko an Burnout und Depression zu erkranken.

• Die Gewerkschaften sehen in der Befristung einen Abbau des Kündigungsschutzes durch die Hintertür.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

19 Vorlesung Organisation und Arbeit

Guter Zeitvertrag – schlechter Zeitvertrag?

Daniel H., 34, Politikwissenschaftler, verheiratet mit einer gut verdienenden Frau; „Die befristeten Jobs entsprechen meinem Lebensstil. Ich schätze es immer wieder neue Herausforderungen zu haben. Der Job muss erst mal geschaffen werden, der mich zur Unterschrift eines unbefristeten Vertrages verleitet.“

Simone M., 36, Germanistin, Single; „Ich bin eine Jobnomadin. Ich würde gerne eine Familie gründen, aber wie soll das gehen? Ich habe unzählige Qualifikationen, aber das schlägt sich nicht in meinem Gehalt nieder. Ich hangele mich von Job zu Job und nichts ändert sich. Ich werde nur älter.“

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation Vorlesung Organisation und Arbeit

20

Leiharbeitsboom hält an

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

21 Vorlesung Organisation und Arbeit

Leiharbeit (1)

• auch: Arbeitnehmerüberlassung oder Zeitarbeit; geregelt im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

• Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitnehmer, Verleihunternehmen und Entleihunternehmen.

• Leiharbeitnehmer schließt Arbeitsvertrag mit dem Verleihunternehmen.

• Leasingvertrag zwischen Verleihunternehmen und Entleihunternehmen: konstituiert temporäre Arbeitsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleihunternehmen, innerhalb derer das Entleihunternehmen Direktionsrechte besitzt.

• Der Verleiher kann Gewinn erzielen durch die Differenz zwischen dem Stundensatz, den er seinen Mitarbeitern zahlt und dem Stundensatz, den er dem Entleiher in Rechnung stellt.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

22 Vorlesung Organisation und Arbeit

Leiharbeit (2)

• Die Überlassungshöchstdauer eines Arbeitnehmers bei demselben Entleihunternehmen ist seit In-Kraft-Treten des AÜG (1972) in verschiedenen Stufen von 3 auf 24 Monate erhöht worden. ABER: Seit 2004 keine zeitliche Begrenzung der Leihperiode!

• Gleichbehandlungsgrundsatz, § 3, Absatz 1 und §9, Absatz 2 AÜG: Gleiche Arbeitsbedingungen und Entlohnung wie die Stammbelegschaft ; equal treatment – equal pay – es sei denn es gibt andere tarifvertragliche Regelungen

• Vor allem die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen CGZP hat immer wieder „Gefälligkeitstarifverträge“ mit Zeitarbeitsfirmen geschlossen und sehr niedrige Löhne akzeptiert. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist die CGZP inzwischen aber als „nicht tariffähig“ eingestuft worden.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

23 Vorlesung Organisation und Arbeit

Leiharbeit wird schlecht bezahlt

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

24 Vorlesung Organisation und Arbeit

Leiharbeit bei Männern und Frauen

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

25 Vorlesung Organisation und Arbeit

vgl. Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen – Arbeitnehmerüberlassung, 2007

Leiharbeit nach Alter und Ausbildung

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation Vorlesung Organisation und Arbeit

26

Bewertung der Leiharbeit – aus Arbeitgebersicht

Vorteile • Aus Sicht der Arbeitgeber erhöht Leiharbeit die Flexibilität.

Man kann eine feste Stammbelegschaft bei Bedarf schnell mit Leiharbeitern ergänzen.

• Senkung der Lohnstückkosten (bei moderatem Einsatz) • Ausprobieren von Arbeitskräften möglich Nachteile • Mögliche Demotivation auch der Stammbelegschaft, wenn

diese Angst hat, durch Leiharbeiter ersetzt zu werden. • Einarbeitungskosten, wenig Bildung von spezifischem

Humankapital, eher für einfache Arbeiten geeignet.

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

27 Vorlesung Organisation und Arbeit

Bewertung der Leiharbeit – aus Arbeitnehmersicht

Vorteile • Wiedereinstiegsmöglichkeit für Arbeitslose und andere nicht

Erwerbstätige, z.B. Eltern nach einer „Kinderpause“ (Brückenfunktion)

• Chance auf eine Festanstellung im Entleihbetrieb (Klebeeffekt) • Sammeln vielfältiger Erfahrungen für Berufseinsteiger Nachteile • Häufig sehr niedrige Entlohnung • Keine Integration in den Betrieb, nicht selten sogar Anfeindungen

von der Stammbelegschaft, wenig Weiterbildungschancen, AN „zweiter Klasse“

• Oft zusätzlich befristete Arbeitsverträge mit hoher Unsicherheit

Prof. Dr. Elisabeth Göbel, FB IV BWL - Arbeit Personal Organisation

28 Vorlesung Organisation und Arbeit