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Vorlesung BWL IIa: Investition und Finanzierung Priv.-Doz. Dr. Dr. Aurelio J. F. Vincenti Vertretungsprofessur BWL, Unternehmensfinanzierung Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Universität Kassel Wintersemester 2012/13 Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 1

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Vorlesung BWL IIa:Investition und Finanzierung

Priv.-Doz. Dr. Dr. Aurelio J. F. Vincenti

VertretungsprofessurBWL, Unternehmensfinanzierung

Fachbereich WirtschaftswissenschaftenUniversität Kassel

Wintersemester 2012/13

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 1

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Kapitel 01 – Grundlagen:Konzept

• Vermittlung von (Grund)Kenntnissen der (Unternehmens)Finanzierung:– Fremd- und Eigenkapital.– Bewertung dieser Instrumente.

• Vermittlung von (Grund)Kenntnissen der Investitionsrechnung:– Auf vollkommenen und unvollkommenen

Märkten.– Einbeziehung von Unsicherheit.

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Kapitel 01 – Grundlagen:Ziel

Gegenstand der Betrachtung –privatwirtschaftliches Unternehmen:

Erwerbswirtschaftliches Prinzip:Langfristiges Gewinnstreben.Wirtschaftstheorie: Nutzenmaximierung.• I.d.R. Operationalisierung durch Gewinn- bzw.

Vermögensmaximierung als monetäres Ziel.[Nichtmonetäre Ziel (Prestige, Macht, etc.) unberücksichtigt.]

• Problem der Maximierung unter Unsicherheit.• Nebenziel Erhalt der Liquidität: Alle Zahlungs-

verpflichtungen jederzeit erfüllen zu können.Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 3

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Kapitel 01 – Grundlagen:Güter- / Finanzströme im Unternehmen

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 4

Arbeitsmärkte Arbeitsleistungen Lohn- und

Gehaltszahlungen

Finanz- und Kapitalmärkte

Kredite Beteiligungen Börse Finanzierungsentscheidungen Investitionsentscheidungen

Produktionsmittel Zahlungen an die

Lieferanten/Hersteller Bezug der

Produktionsmittel

Absatzmärkte Einnahmen

(Umsatzerlöse) Dienstleistungen/Güter

UNTERNEHMENS-FINANZIERUNG

Unter-nehmen

Staat:Vorgaben und

Rahmenbedingungen

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Kapitel 01 – Grundlagen:Begriffliches I

In der (modernen) finanzwirtschaftlich orientierten BWL wird das Unternehmen anhand seiner Zahlungsströme (Ein- und Auszahlungen)analysiert.

Cash Flows stehen im Vordergrundder Betrachtung:Stromgrößen sind stets zeitraumbezogen (Periode).[Gegensatz zu zeitpunktbezogenen Bestandsgrößen.]

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Kapitel 01 – Grundlagen:Unternehmen als System von Cash Flows

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 6

UnternehmenBestand anLiquidität

Steuern

AuszahlungenEinzahlungen

Erlöse aus Umsatz und Liquidation

• Kredite etc.• Einlagen

• Ausschüttungen• Tilgungen• Zinsen

• Löhne• Rohstoffe

Waren etc.• Betriebsmittel

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Kapitel 01 – Grundlagen:Begriffliches II

Investition:Auszahlung zur Beschaffung von Gütern (Sachgüter oder Rechte): – I.d.R. auf eine längere Frist ausgerichtet.– Mit einer oder mehreren zukünftigen (unsicheren) und

erwartungsgemäß höheren Einzahlungen aus der Verwertung der beschafften Güter verbunden.

Finanzierung:Beschaffung von Zahlungsmitteln als Gewährleistung der Verfügung über finanzielle Mittel durch: Generierung/Vorziehen (zusätzlicher) Einzahlungen. Vermeidung/Verschiebung von Auszahlungen.

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Kapitel 01 – Grundlagen:Begriffliches III

Ziel jeder Investitions- / Finanzierungsentscheidung:(Sichere oder unsichere, bedingte oder unbedingte) Einkommensströme über die Zeit zu verschieben und ein höheres Konsumniveau zu erreichen.– Investitions- und Finanzierungsentscheidungen führen

zur Umwandlung der Vermögensstruktur.– Investitions- und Finanzierungsentscheidungen sind

(i.d.R.) gemeinsam zu betrachten:Zwei Sichtweisen eines einzigen Prozesses:Investition „Mittelverwendung“ – Finanzierung „Mittelherkunft“.Jede Investition bedingt zugleich eine Finanzierung.

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Aufgabe der Investitionsrechnung

Die Sicherung der Ertragskraft (Gewinne) und damit des Bestands eines Unternehmens erfordert Investitionen.

Aufgabe der Investitionsrechnung:Quantitative Abwägung (mathematisches Modell), inwieweit eine Investition vorteilhaft ist.

Relativität der Vorteilhaftigkeit einer Investition:• Vorteilhaftigkeit gegenüber der Unterlassungsalternative.• Vorteilhaftigkeit gegenüber anderen Investitionen.Vergleich anhand einer geeigneten quantitativen (operationalisierten) Zahlungsgröße als Kriterium:Maximierung des (Total)Gewinns bzw. (Total)Vermögens!

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Formen der Investitionsrechnung

Statische Investitionsrechnungsverfahren (Praktikerverfahren):Keine Berücksichtigung des Zeitfaktors bei den einzelnen Zahlungsströmen ⇨ grundsätzlich für Vorteilhaftigkeitsanalysen ungeeignet!

Dynamische Investitionsrechnungsverfahren:Berücksichtigung des Zeitfaktors bei den einzelnen Zahlungsströmen ⇨ Methode der Wahl für eine entscheidungsorientierte BWL!

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Marktmodelle 1

1. Vollkommenheit des Kapitalmarktes:a) Merkmale vollkommener Märkte:• Einheitlicher fester Marktzins i für Kapitalanlage und

Kapitalaufnahme (Sollzins = Habenzins).• Beliebige Verfügbarkeit von Kapital zum Zinssatz i

(keine Anlage- und Kreditlimits).• Keine Steuern, Transaktionskosten.

Unvollkommene Märkte als Gegenteil:(Etwa unterschiedliche Soll- und Habenzinsen.)

2. Berücksichtigung von Unsicherheit:a) Zukunft wird als sicher und planbar vorausgesetzt.b) Zukunft ist unsicher (Cash Flows und/oder Zins).

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Marktmodelle 2

4 Grundkonzepte der Investitionsrechnung:

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 12

Investitionsrechnung auf einem

vollkommenen Marktunter Sicherheit (VMS)

Investitionsrechnung auf einem

vollkommenen Marktunter Unsicherheit

Investitionsrechnung auf einem

unvollkommenen Marktunter Sicherheit (UMS)

Investitionsrechnung auf einem

unvollkommenen Marktunter Unsicherheit (UMU)

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes IZeitwert des Geldes

(Zeitpräferenz des Geldes)als konstitutives Kennzeichen jeder dynamischen Investitionsrechnung:

Grundidee:Annahme, dass ein Wirtschaftssubjekt Güter lieber in der Gegenwart als in der Zukunft konsumieren bzw. nutzen möchte sowie umgekehrt lieber in der Zukunft als in der Gegenwart bezahlen möchte.

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes IIDer Zins i ist folglich Entgelt

für die befristete Überlassung von Kapital!(Ausdruck des Zeitwertes dieses Kapitals.)

Um Zahlungsströme zu unterschiedlichen Zeitpunktenmiteinander vergleichen zu können, müssen diese auf einen gemeinsamen Bezugspunkt (i.d.R. die Gegenwart) bezogen werden.

Vorgehensweise:Zahlungsströme verschiedener Perioden werden durch Abzinsen (bzw. Aufzinsen) vergleichbar.

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes III

• Zeitwert des Geldes – Beispiel:

Gegenwart In 1 Jahr In 2 Jahren1000 € <=>  1100 € <=> 1210 €

bei einem Zins i (Jahres- bzw. Periodenzeitwert) von 10%.

• Jede dynamische Investitionsrechnung benötigt einen geeigneten Kalkulationszins i!

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ZukunftHeutet=0 t=1 t=2

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes IV

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Zins- und ZinseszinsrechnungZwei zentrale Prinzipien:

Aufzinsung: 0t.

Abzinsung: t‐t

bzw. tt .

Allgemein: t 0t

0t

mit als Zinsfaktor.

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes V

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 17

Beispiel:c0 1000;ct 1331;t 3;i 10%→q 1 0,1 1,1.

Aufzinsung: Gesucht wird das Endkapital t3 [€].

Abzinsung: Gesucht wird das Anfangskapital 0.‐3 [€]

bzw. 3 [€].

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes VI

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 18

Beispiel (Fortsetzung):c0 1000;ct 1331;t 3;i 10%→q 1 0,1 1,1.

Prinzip der Aufzinsung:Verfügt man heute über ein Kapital in Höhe von c0 [ = 1000], so wird daraus durch Anlage zum Zinssatz i [ = 0,1] in einem Jahr ein Betrag von c1 = c0 q [ = 1000 1,1 = 1100]. Legt man diese Summe weiter an, resultiert am Ende des zweiten Jahres ein Guthaben von c2 = c1 q = c0 q2 [ = 1100 1,1 = 1000 1,21 = 1210]. Nach drei Jahren beträgt der Kontostand c3 = c2 q = c0 q3 [ = 1210 1,1 = 1000 1,331 = 1331] und nach t Jahren schließlich c0 ∙ qt .Der „Überschuss“ c3 c0 [331] entsteht aus zwei Effekten:• Einfacher Zinseffekt (Verzinsung des Startkapitals): 3 100 = 300.• Zinseszinseffekt (Verzinsung der Zinsen): 31.

Gesamteffekt: 331.

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes VII

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Beispiel (Fortsetzung):c0 1000;ct 1331;t 3;i 10%→q 1 0,1 1,1.

Ökonomische Interpretation der Aufzinsung:Die Aufzinsung ermittelt unter Einbeziehung von Zins und Zinseszins den zukünftigen Wert eines gegenwärtigen Geldbetrages.

Ökonomische Interpretation der Abzinsung:Die Abzinsung ist das Gegenteil der Aufzinsung. Sie ermittelt unter Einbeziehung von Zins und Zinseszins den gegenwärtigen Wert eines zukünftigen Geldbetrages.

Begriffliches:• Zukünftiger Wert c t (Ende des Analysezeitraums): Endwert.• Gegenwärtiger Wert c0 (Anfang des Analysezeitraums): Barwert.• Einzahlung: + Auszahlung: ‒

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes VIII

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Beispiel (Fortsetzung):c0 1000;ct 1331;t 3;i 10%→q 1 0,1 1,1.

Gesucht ist die Periodendauer :t

,,

Gesucht ist der Zins i:3

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes IX

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Auf- und Abzinsen bei unterschiedlichenPeriodenzinsen it:

(Achtung: Wenn die Zinsen für Geldaufnahme und –anlage in jeder Periode gleich sind, ist der Kapitalmarkt nach wie vor vollkommen!) Aufzinsung mit c t ct‐1 ∙ 1 it :

c1 c0 ∙ 1 i1 .c2 c1 ∙ 1 i2 c0 ∙ 1 i1 ∙ 1 i2 .c3 c2 ∙ 1 i3 c0 ∙ 1 i1 ∙ 1 i2 ∙ 1 i3 .ct c0 ∙ 1 i1 ∙ 1 i2 ∙ …∙ 1 it .

Endwert nachtPerioden:

ct c0 ∙ 1 iτ .

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Kapitel 02 – Investitionstheorie 1:Zeitwert des Geldes X

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 22

Auf- und Abzinsen bei unterschiedlichenPeriodenzinsen it:

Abzinsen mit c t‐1 ct ∙ 1 it ‐1:c0 ct ∙ 1 it ‐1∙ 1 it‐1 ‐1 ∙ …∙ 1 i1 ‐1.

Barwert von ct :

c0 c ∙ 1 iτ .

Beispiel: t 3;i1 10%;i2 30%;i3 20%;c0 1000;ct 1716.

Abzinsen (Barwert): c0 1716∙ 1,2 ‐1∙ 1,3 ‐1 ∙ 1,1 ‐1 1000.Aufzinsen (Endwert): c3 1000∙ 1,1 ∙ 1,3 ∙ 1,2 1716.

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage I

Investition als Auszahlung zur Beschaffung von Gütern⇨Verschiedene Typen von Investitionen:

• Investition in den betrieblichen Leistungsprozess, verbunden mit einer materiellen Gegenleistung (z.B. Kauf von Immobilien, Maschinen, Rohstoffen) ⇔„Normale“ Sachinvestition.

• Investition in einen immateriellen (bilanzierbaren) Vermögensgegenstand (Intangible Asset): nicht-physischer Vermögenswert (z.B. Geschäftswert, Patent, Lizenz, Software).

• Investition in nicht greifbare und nicht bilanzierbare Vermögenswerte (z.B. Fortbildungsmaßnahme als Humankapitalinvestition).

• Finanzinvestitionen ohne Bezug zum eigentlichen güterwirtschaftlichen Prozess des Unternehmens (z.B. Aktien, Anleihen als Rechte auf künftige Zahlungen) an den Eigentümer.

Typisch ist die Absicht, durch Auszahlung(en) künftige Einzahlungen zu generieren ⇔Kauf eines ganzen Unternehmens als Investition!

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage II

Vollkommener Kapitalmarkt mit einheitlichem Zins i für Kreditaufnahme in beliebiger Höhe und Geldanlage in beliebiger Höhe:

⇨Fisher-Separation:Separation von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen auf einem vollkommenen Markt:

Die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit einer Investition kann unabhängig von einer Finanzierungsentscheidung, d.h. für sich isoliert, mittels eines Investitionsrechenverfahrens beurteilt werden:• Der extern durch i vorgegebene Zeitwert des Geldes bestimmt die

Vorteilhaftigkeit eines Zahlungsstroms ganz allein.• Konsumpräferenzen des Akteurs bestimmen nur den Zeitpunkt

möglicher Ausschüttungen, jedoch nicht, welche Investitionen und Finanzierungen überhaupt vorteilhaft sind.

⇔Unvollkommener Kapitalmarkt als Gegensatz: Simultane Planung von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen erforderlich.Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 24

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage III

Konsumpräferenzen (eines rationalen Akteurs):Zeitliche Konkretisierung bzw. Operationalisierung des grundsätzlichen Ziels der Gewinnmaximierung für Eigentümer:• Konsumierbar sind nur Ausschüttungen (Einkommen, Entnahme).• Im Unternehmen gesammeltes (thesauriertes) Vermögen ist

ebenfalls prinzipiell ausschüttbar, als Endvermögen bei Liquidierung.Die Konsumpräferenz bestimmt, wie der Eigner Geldausschüttungen zeitpunktbezogen bewertet ⇨2 idealtypische Formen:• Vermögensmaximierung:

Gesucht ist der Investitions- und Finanzierungsplan, der gemäß der zeitabhängigen Konsumpräferenz eine maximale Geldausschüttung erlaubt (unter der Nebenbedingung eines fest vorgegebenen, regelmäßigen Einkommensstroms, der auch null sein kann).

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage IV

Konsumpräferenzen (Fortsetzung):• Vermögensmaximierung (Fortsetzung):

Zwei Spezialfälle der Vermögensmaximierung: Endvermögens- oder Endwertmaximierung: Ausschüttungen

(und Konsum) am Ende der Planungsperiode maximiert, d.h. zu allen übrigen Zeitpunkten erfolgen keine Ausschüttungen.

Barwertmaximierung: Sofortiger Konsum maximal, später keine Ausschüttungen mehr geplant.

• Einkommensmaximierung:Gesucht ist der Investitions- und Finanzierungsplan, der gemäß der zeitabhängigen Konsumpräferenz die Breite eines Entnahmestroms mit gegebener Struktur maximiert (unter der Nebenbedingung fest vorgesehener Ausschüttungen zu einzelnen Zeitpunkten, vor allem im Endzeitpunkt).

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage V

Beispiel für die Fisher-Separation:Vollkommener Kapitalmarkt mit t = 3; i = 10%.Vergleich verschiedener Investitionsprojekte A1 bis A4(Auswahlentscheidung zwischen sich ausschließenden Projekten):

• Es gilt A1 besser als A2 (allgemeine zeitliche Dominanz):Cash Flows für A1 in allen Perioden gleich oder besser als für A2.

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c0 c1 c2 c3

A1 - 1000 0 0 1800

A2 - 1000 0 0 1770

A3 - 1000 400 400 800

A4 - 1000 550 550 550

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage VI

Beispiel für die Fisher-Separation (Fortsetzung):• Es gilt A4 besser als A3 (kumulative zeitliche Dominanz):

Cash Flows für A4 in allen Perioden gleich oder besser als für A3, wenn Überschüsse vorhergehender Perioden im Rahmen einer unverzinsten Kassenhaltung „zwischengelagert“ werden:

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 28

c0 c1 c2 c3

A3 - 1000 400 400 800

A4 - 1000 550 550 550A4

mit zinsloserKassenhaltung

-1000 400+ 150

400+150+150

850(aus 550 und 300)

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage VII

Beispiel für die Fisher-Separation (Fortsetzung):Bei A4 können auf einem vollkommenen Kapitalmarkt mit i = 10% jederzeit z.B. folgende Kapitalmarkttransaktionen durchgeführt werden:

Es gilt daher A4 besser als A1 unabhängig von etwaigen Konsumpräferenzen des Akteurs.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 29

c0 c1 c2 c3

A1 - 1000 0 0 1800

A4 - 1000 550 550 550

A4 modifiziert -1000 0 0 1820,5(aus 550 und 1270,5)

Kapitalanlagemit 10% Zins

+550 +605+550

Kapitalanlage (1270,5) aufgelöst

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage VIII

Beispiel für die Fisher-Separation (Fortsetzung):Bei A1 können auf einem vollkommenen Kapitalmarkt mit i = 10% jederzeit z.B. folgende Kapitalmarkttransaktionen durchgeführt werden:

Es gilt daher nach wie vor A4 besser als A1 unabhängig von etwaigen Konsumpräferenzen des Akteurs.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 30

c0 c1 c2 c3

A4 - 1000 550 550 550

A1 - 1000 0 0 1800

A1 modifiziert -1000 550 550 529,5(aus 1800 und -1270,5)

Kreditmit 10% Zins

-550 -605-550

Kredit (-1270,5) zurückgezahlt

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:VMS – Grundlage IX

Beispiel für die Fisher-Separation (Fortsetzung):Unvollkommener Kapitalmarkt (!) mit unverändert i = 10% Kreditzinsen, aber Zinsen für die Geldanlage nun bei i = 1%:

Es gilt nun A1 besser als A4, wenn das maximale Endvermögen wichtig ist, aber A4 besser als A1, wenn der Entnahmestrom von A4 das Ziel ist.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 31

c0 c1 c2 c3

A1 - 1000 0 0 1800

A4 - 1000 550 550 550

A4 modifiziert -1000 0 0 1666,555(aus 550 und 1116,555)

Kapitalanlagemit 1% Zins

+550 +555,5+550

Kapitalanlage (1116,555) aufgelöst

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Rentenrechnung I

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 32

Rentenbarwert (RB): Problemstellung:Bisher ist stets ein einzelner (zukünftiger) Zahlungsstrom auf seinen Barwert abgezinst worden. Häufig kommt es jedoch vor, dass man über mehrere Perioden hinweg in konstanter Höhe anfallende Zahlungen findet. Eine derartige Folge von gleichen Zahlungen ck wird als Rentebezeichnet.Hier sollen nur nachschüssige Renten (Zahlung am Periodenende) betrachtet werden. (Vorschüssige Renten, d.h. Zahlung am Periodenanfang, verhalten sich bei geringen Änderungen ähnlich).Bestimmung des Barwertes einer Rente (Rentenbarwert bzw. RB):

Im Prinzip müssen lediglich die einzelnen Barwerte jeder Periode ermittelt und aufaddiert werden. Aufgrund der Zeitpräferenz des Geldes ist der Barwertbeitrag jeder einzelnen Rentenrate ck dabei um so kleiner, je weiter sie in der Zukunft liegt.

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Rentenrechnung II

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 33

Rentenbarwert (RB): Formale Bestimmung:Eine aus T gleichen Raten bestehende Rente hat den Barwert:RB ck q‐1 ck q‐2 ... ck q‐T ck q‐1 q‐2 ... q‐T .

RB c 1 i .

Der mit ck zu multiplizierende Ausdruck besitzt den Namen Rentenbarwertfaktor RBF(i;T).

RBF(i;T) hängt sowohl von dem in q enthaltenen Zinssatz i als auch von der Laufzeit T ab und lässt sich als geometrische Reihe durch eine kompakte Formel berechnen:

; ∙ miti 0 .

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Rentenrechnung III

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 34

Rentenbarwert (Fortsetzung):RB ckRBF i; T ck .

Beispiel RB 1:Berechnung von RB für eine nachschüssige Rente ck in Höhe von 2000 € mit einem Zins von 7% und einer Laufzeit von 4 Jahren⇨ RBF(7%;4). Es gilt:

RB c RBF i; T ck .

RB 2000RBF 7%; 4 2000 ,,

2000 ∙ 3,3872 , .

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Rentenrechnung IV

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 35

Rentenbarwert (Fortsetzung):Beispiel RB 2:

Berechnung von RB für eine nachschüssige Rente ck = 2000 € mit einem Zins von 7% und einer Laufzeit von 4 Jahren. Allerdings soll diese Rente erst nach 2 Jahren Wartezeit, also beginnend für das 3. Jahr (und bis zum 6. Jahr) gezahlt werden. Es gilt:Eigentlich: RB 2000 ∙ 1,07 1,07 1,07 1,07 .RBF 7%; 6 1,07 1,07 1,07 1,07 1,07 1,07 .RBF 7%; 4 1,07 1,07 1,07 1,07 3,3872 .RBF 7%; 2 1,07 1,07 .AlternativeA:RB 2000 ∙ RBF 7%; 4 ∙1,07 6774,4∙1,07 5917.AlternativeB:RB 2000 ∙ RBF 7%; 6 RBF 7%; 2

2000 ∙ 4,7665 1,8080 2000 ∙ 2,9585 5917.

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Rentenrechnung V

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 36

Rentenbarwert (Fortsetzung):Beispiel RB 3:

Berechnung von RB für eine nachschüssige Rente ck = 2000 € mit einer Laufzeit von 4 Jahren. Allerdings soll der Zins in den Perioden 1 und 2 je 7% betragen, in den Perioden 3 und 4 dagegen je 9%. Es gilt:Eigentlich:RB 2000 ∙ 1,07 1,07 1,09 ∙1,07 1,09 ∙1,07 .RB 2000 ∙ 1,07 1,07 2000 ∙ 1,09 1,09 ∙1,07 .

Wegen RBF 7%; 2 1,07 1,07 1,8080 undRBF 9%; 2 1,09 1,09 1,7591

folgt: RB 2000 ∙ RBF 7%; 2 2000 ∙ RBF 9%; 2 ∙1,072000 ∙ 1,8080 2000 ∙ 1,7591 ∙ 0,8734 6689.

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Rentenrechnung VI

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 37

Rentenbarwert (Fortsetzung):Beispiel RB 3: Graphische Darstellung:

ZukunftHeutet=1

i=7%t=2 t=3 t=4

i=7%

20002000

i=9% i=9%

20002000

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Rentenrechnung VII

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 38

Spezialfall Ewige Rente:Bei gegebenem Zins i und gegebener Rentenhöhe ck hängt der Rentenbarwert nur noch von der Rentendauer T ab. Anhand der allgemeinen Rentenbarwertformel erkennt man, dass

q mit Zunahme von T kleiner bzw. mit Zunahme von T größer wird.

Für T → ∞ nähert sich q dem Wert 0. Für die ewige Rente gilt daher:

lim→

RBF T; i lim→

1 qi bzw. ∙ .

Es gilt daher: Um den Barwert einer ewigen Rente zu bestimmen, muss die Rentenhöhe ck lediglich durch den Zins i (in Dezimalschreibweise) geteilt werden.

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Rentenrechnung VIII

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 39

Ewige Rente (Fortsetzung):Beispiel:Der Barwert einer ewigen Rente in Höhe von ck = 3000 € beträgt bei einem Zins i = 4%:

RB c ∙ ,

75000.

Rentenendwert (RE):Eine eng verwandte Größe ist der Rentenendwert. Finanzmathematisch kann er als der auf die Endperiode T aufgezinste Rentenbarwert gesehen werden. Entsprechend der allgemeinen Aufzinsungsformelct c0 ∙ 1 i t c0 ∙ q t gilt daher für RE:

RE RB ∙ ckRBF i; T ∙ q ck ∙ q ck .mit dem Rentenendwertfaktor RBF i; T ∙ q .

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Annuitätenrechnung I

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 40

Bei der Rentenrechnung wird ein vorgegebener (zukünftiger) mehrperiodiger Zahlungsstrom aus konstanten Zahlungen pro Zeiteinheit in eine Einzelgröße (RB bzw. RE) übergeführt.Selbstverständlich lässt sich auch der umgekehrte Weg gehen: Ein vorgegebener gegenwärtiger Einzelbetrag AB wird in einen zukünftigen mehrperiodigen Zahlungsstrom aus konstanten Zahlungen pro Zeiteinheit t = 1, 2, …, T übergeführt. Gesucht ist also die (nachschüssige) Rente für einen Zeitraum T, deren Barwert dem vorgegebenen Zahlungsbetrag AB in der Gegenwart entspricht.Dieser gesuchte äquivalente Rentenbetrag wird als Annuität a (lat. annus = Jahr) bezeichnet. Wegen RB ckRBF i; T

folgt mit a ck und AB RB und ; ;

:

ANF i; T ∙ AB1

RBF i; T ∙ AB AB.

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Annuitätenrechnung II

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 41

Annuität (Fortsetzung):Beispiel Annuitätenrente:Sie haben Anspruch auf eine aktuelle Einmalzahlung von 40000 [€], möchten diesen Betrag jedoch nicht sofort ausgezahlt erhalten, sondern in den nächsten 6 Jahren jeweils am Jahresende in konstanten jährlichen Teilzahlungen. Wie hoch muss jede dieser künftigen Teilzahlungen sein, damit der auf diese Weise entstandene Zahlungsstrom einer 6 jährigen Rente bei einem Zins von 5% äquivalent zu den gegenwärtigen 40000 [€] ist.Gegeben sind also: AB (RB) = 40000 [€] ║ i = 5% ║ T = 6 [Jahre].Gesucht ist die Annuität a (ck):

Es gilt ja: ANF i; T ∙ AB AB.

Daraus folgt: ANF 5%; 6 ∙ 40000 ,,

40000 7881.

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Annuitätenrechnung III

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 42

Annuität (Fortsetzung):Beispiel Annuitätendarlehen:Ein Unternehmen plant eine aktuelle Investition in Höhe von 100000 [€]. Zur Finanzierung soll ein Bankdarlehen zu einem Zinssatz von 10% aufgenommen werden. Zurückgezahlt werden soll das Darlehen später in 12 konstanten jährlichen Zahlungen.(1) Berechnen Sie die Höhe der zukünftigen jährlichen Rückzahlungen an die Bank sowie die Gesamtzahlung in 12 Jahren.Gegeben sind also: AB (RB) = 100000 [€] ║ i = 10% ║ T = 12 [Jahre].Gesucht ist die Annuität a (ck): Es gilt: ANF i; T ∙ AB AB.

⇒: ANF 10%; 12 ∙ 100000 ,,

100000 14676.Gesamtzahlung in 12 Jahren: 12 ∙ a .

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Annuitätenrechnung IV

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 43

Annuität (Fortsetzung):Beispiel Annuitätendarlehen (Fortsetzung):(2) Wie teilen sich die Annuität 14676 [€] im ersten und im letzten (12.) Jahr jeweils in Zins und Tilgung des Darlehens auf?Gegeben sind: Zinssatz/Jahr i = 10% ║ a = 14676 [€].Es gilt für das erste Jahr:

Zinszahlungen: 10% ∙ 100000 .Tilgung: 14676 10000 .

Für das letzte Jahr:Verbleibende Restschuld 14676 [€].

Es muss daher gelten: 0,1 ∙ Tilgung 1,0 ∙ Tilgung 14676.

Tilgung,

.Zinszahlung 14676 13342 .

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Zusammenfassung Zins I

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 44

Aufzinsung (Endwert):Eine aktuelle Zahlung c0 (Zeitpunkt t = 0) wird auf ihren zukünftigen, höheren (Zeit-)Wert cT (im Zeitpunkt t = T) umgerechnet. Es gilt:

cT c0 ∙ 1 i T.Graphische Verdeutlichung (mit 0 < i*< i**):

c0

0 1 2 … T

cT ( ∗)

cT ( ∗∗)

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Zusammenfassung Zins II

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 45

Abzinsung (Barwert):Eine zukünftige Zahlung cT (Zeitpunkt t = T) wird auf ihren gegenwärtigen, niedrigeren (Zeit-)Wert c0 (im Zeitpunkt t = 0) umgerechnet. Es gilt:

c0 cT ∙ 1 i ‐T.Graphische Verdeutlichung (mit 0 < i*< i**): cT

0 1 2 … T

c0 ( ∗)

c0 ( ∗∗)

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Zusammenfassung Zins III

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 46

Rentenbarwert:Eine Folge konstanter zukünftiger Zahlungen ck (nachschüssig zu den Zeitpunkten t = 1, 2, …,T) wird auf ihren gegenwärtigen (Zeit-)Wert RB (im Zeitpunkt t = 0) umgerechnet. Es gilt:

RB ckRBF i; T ck .Graphische Verdeutlichung (mit 0 < i*< i**):

ck

0 1 2 … T

c0 ( ∗)

c0 ( ∗∗)

3

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Kapitel 03 – Investitionstheorie 2:Zusammenfassung Zins IV

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 47

Annuität:Ein gegenwärtig gegebener Geldbetrag AB (im Zeitpunkt t = 0) wird auf eine äquivalente Folge konstanter zukünftiger Zahlungen a (nachschüssig zu den Zeitpunkten t = 1, 2, …,T) umgerechnet. Es gilt:

ANF i; T ∙ AB AB.

Graphische Verdeutlichung (mit 0 < i*< i**):

AB

0 1 2 … Ta ( ∗)a ( ∗∗)

3

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Investitionsbeurteilung I

Beurteilung eines Investitionsprojektes auf dem vollkommenen Kapitalmarkt:

Um ein Investitionsprojekt auf einem vollkommenen Kapitalmarkt (d.h. einheitlicher periodenbezogener Kalkulationszins) hinsichtlich seiner ökonomischen Vorteilhaftigkeit zu bewerten, ist das Ergebnis dieser Bewertung unabhängig von der konkreten Finanzierungsentscheidung (Fisher-Separation):• Keine sachliche Differenz, ob Auszahlungen für das Projekt aus frei

verfügbarem Geldvermögen (Liquiditätsreserven) oder aus einer Kreditaufnahme getätigt werden:– Geldvermögen: Mittel werden der Alternativanlage am

Kapitalmarkt zum Zins i entzogen.– Kreditaufnahme: Jeder Kredit wird zum Zins i am Kapitalmarkt

aufgenommen.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 48

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Investitionsbeurteilung II

Investitionsprojekt VM (Fortsetzung):Grundsätzlich sind alle Rückflüsse (inklusive Zins und Zinseszins) aus der (etwaig wahrgenommenen) Kapitalanlage stets äquivalent zu allen Rückzahlungen (inklusive Zins und Zinseszins) aus dem (etwaig aufgenommenen) Kredit in gleicher Höhe.

• Keine sachliche Differenz, ob Mittelzuflüsse (Einzahlungen) aus dem Projekt am Kapitalmarkt angelegt werden oder zur Begleichung von Verbindlichkeiten aus einer Kreditaufnahme genutzt werden:– Verwendung als Anlage am Kapitalmarkt: Liquide Mittel werden

zum Zins i angelegt.– Verwendung zur Begleichung von Kreditverbindlichkeiten:

Tilgung der aufgenommenen Kredite einschließlich der dafür zum Zins i angefallenen Zinsen.

Insgesamt: Mögliche Anlagezinsen = Eingesparte Kreditzinsen.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 49

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert I

Kapitalwert KW (Net Present Value NPV)einer Zahlungsreihe:

Summe aller mit dem Kalkulationszins i auf die Gegenwart (Zeitpunkt t = 0) abgezinsten Nettozahlungsströme ct eines Projektes:

mit ct als Differenz der Ein- und Auszahlungen aus diesem Projekt in Periode t = 0, 1, 2, …, T.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 50

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert II

Kapitalwert (Fortsetzung):Da die Cash Flows aus Periode t = 0 (Gegenwart) nicht mehr abgezinst werden müssen, gilt auch (vereinfachend) folgende Formel:

∙ ∙ .

Kapitalwert KW bei periodenabhängig unterschiedlichen Zinssätzen it:

∙ ∙ .

mit ct als Differenz der Ein- und Auszahlungen aus diesem Projekt in Periode t = 0, 1, 2, …, T.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 51

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert III

Ökonomische Interpretation vom KW:Beispiel 1:Gegeben sei ct (t = 0, 1, 2, 3) mit c0 = - 1000; c1 = + 300; c2 = + 400;c3 = + 800. Ist diese Zahlungsreihe ökonomisch vorteilhaft für i = 10%?Allgemein:Eine Zahlungsreihe ist dann vorteilhaft, wenn sie die Entnahme von Geldbeträgen durch den Durchführenden gemäß der zugrunde gelegten Zielsetzung (Konsumpräferenz) ermöglicht!Es sei angenommen, der Akteur möchte im Planungszeitpunkt t = 0 möglichst viel Geld konsumieren, d.h. Ziel ist Barwertmaximierung. Die Frage nach der Vorteilhaftigkeit lässt sich leicht beantworten, indem man die Zahlungsreihe der Investition durch Gegengeschäfte zum Zins i auf den relevanten Zeitpunkt t = 0 verdichtet.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 52

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert IV

Interpretation vom KW – Beispiel 1 (Fortsetzung):Da Kredite und Geldanlagen zu 10% beliebig verfügbar sind, kann int = 0 ein Kredit in Höhe von 800 1,1–3 ( 601,1) aufgenommen werden, der nach 3 Jahren mit Zins und Zinseszins auf 800[= (800 1,1–3) 1,13] angewachsen ist. Der Cash-Flow-Überschuss von 800 in t = 3 reicht gerade zur Ablösung dieser Kreditschuld aus.Analog erlauben auch die Überschüsse 300 (in t = 1) und 400 (in t =2) Kreditaufnahmen in Höhe des jeweiligen nach der Zinseszinsrechnung ermittelten Barwerts. Die Zahlungsreihe der Investition wird durch die drei Kredite exakt ausgeglichen, d.h. auf null gestellt. Nur im Zeitpunktt = 0 kann noch ein von null verschiedener Zahlungssaldo verbleiben.Ob die Investition nun vorteilhaft ist, erkennt man durch Berechnung des in t = 0 verbleibenden Zahlungssaldos: Die Summe der zufließenden Beträge ( 1204,4) aus der Kreditaufnahme übersteigt die Anfangsauszahlung der Investition (1000) um 204,4. Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 53

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert V

Interpretation vom KW – Beispiel 1 (Fortsetzung):

Dieser Betrag heißt Kapitalwert KW (Nettobarwert bzw. Net PresentValue) der Zahlungsreihe und kann sofort konsumiert werden, wenn man die Investition durchführt und ihre späteren Einzahlungen durch Kredite „glattstellt“. Künftige Cash Flows werden durch Gegengeschäfte zum Kalkulationszins i zum Verschwinden gebracht, so dass nur noch im heutigen Zeitpunkt t = 0 etwas übrigbleibt – der Kapitalwert. Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 54

t = 0 t = 1 t = 2 t = 3ct –1000 300 400 800

10% 800 1,1–3 601,1 –80010% 400 1,1–2 330,6 –400 010% 300 1,1–1 272,7 –300 0KW 204,4 –1000 1204,4 0

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert VI

Interpretation vom KW – Beispiel 1 (Fortsetzung):

In einer zweiten Interpretation lässt sich der Kapitalwert KW auch als Auszahlungsminderbetrag in t = 0 gegenüber einer einzahlungs-gleichen Finanzinvestition deuten. Um nämlich die Einzahlungsfolge 300, 400, 800 durch 10%-Geldanlagen am Kapitalmarkt zu erzeugen, müsste (jetzt mit umgekehrten Vorzeichen der 10%-Geschäfte) ein Gesamtbetrag von 1204,4 ausgegeben werden, während die betrachtete Investition gleiche Cash Flows liefert, aber nur 1000 kostet.Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 55

ctt = 0 t = 1 t = 2 t = 3

–1000 ‐1204,4 204,4 300 400 80010% –800 1,1–3 –601,1 80010% –400 1,1–2 –330,6 400 80010% –300 1,1–1 –272,7 300 400

–1204,4 300

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert VII

Interpretation vom KW – allgemein:Der Kapitalwert als Barwert aller mit einer Investition verbundenen Zahlungen kann daher wie folgt gesehen werden:• Ökonomische Deutung vom KW als sofortige Möglichkeit zur

Konsumentnahme aus einer (Sach-)Investition (Beispiel 1 blau).• Ökonomische Deutung vom KW als sofortiger Auszahlungsvorteil

gegenüber einer der Sachinvestition hinsichtlich der Einzahlungen äquivalenten Finanzinvestition am Kapitalmarkt (Beispiel 1 rot).

Allgemein gilt für eine projektindividuelle Vorteilhaftigkeitsbetrachtung:• KW > 0: Investition vorteilhaft gegenüber der (Unterlassungs-)

alternative nicht zu investieren.• KW = 0: Investition und (Unterlassungs-)alternative sind gleich

vorteilhaft.• KW < 0: (Unterlassungs-)alternative ist ökonomisch vorteilhafter

gegenüber der Investition. Letztere würde „Geld“ kosten.Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 56

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert VIII

Interpretation vom KW – Beispiel 1 (Fortsetzung):• Gegeben sei ct (t = 0, 1, 2, 3) mit c0 = 1000; c1 = + 300; c2 = + 400;

c3 = + 800. Ursprüngliche Frage: Vorteilhaftigkeit für i = 10%.

c c ∙ 1 i 10003001,1

4001,1

8001,1 , .

• Gegeben sei ct (t = 0, 1, 2, 3) mit c0 = 1000; c1 = + 300; c2 = + 400;c3 = + 800. Modifikation: Vorteilhaftigkeit für i = 20%.

c c ∙ 1 i 10003001,2

4001,2

8001,2 , .

Lösung: Für i = 10% ist die Investition sinnvoll, jedoch nicht für i = 20%. Man erkennt außerdem, dass der KW für eine gegebene Zahlungsreihe vom Kalkulationszins i abhängt:Diese Beziehung wird als Kapitalwertfunktion KW(i) bezeichnet.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 57

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert IX

Kapitalwertfunktion KW(i):

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 58

i

KW

0

-1000

+500

-500

⇔∑

10 20

30 40X X

(-9)

X(-168) X

⇔lim→

(204)

(-290)

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert X

Kapitalwertfunktion KW(i) (Fortsetzung):Es gelten nachstehende Grundsätze:• Für i = 0% (Schnittpunkt mit der y-Achse):

KW c . Beispiel1: KW 1000 300 400 800 .

• Für i → ∞ (unendlich großer Kalkulationszins):lim→

KW c . Beispiel1: KW .

• Die Kapitalwertfunktion KW(i) ist stets streng monoton fallend KW(i) für alle Investitionen, die folgende Zahlungsreihen besitzen:

In t = 0 Auszahlung, in t = 1, 2, …, T Einzahlungen(d.h. nach einer negativen Anfangsauszahlung gibt es nur noch positive Zahlungsüberschüsse in allen Folgeperioden bis T).

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 59

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XI

Kapitalwertfunktion KW(i) (Fortsetzung):• Normalinvestition: Zahlungsreihe mit einem einmaligen

Vorzeichenwechsel von – nach + (d.h. nach anfänglichen Auszahlungen in den ersten Perioden kommt es in den späteren Perioden nur noch zu Einzahlungsüberschüssen).

• Die Funktion KW(i) von Normalinvestitionen hat folgende Merkmale:– Im Bereich positiver Kapitalwerte (KW > 0) stets streng monoton

fallend.– Nach einem Wechsel in den Bereich negativer Kapitalwerte (KW

< 0) anfänglich weiterhin monoton fallend.– Im weiteren Verlauf (d.h. für steigende Zinsen) entweder nach

wie vor monoton fallend oder alternativ monoton steigend.– Für i → ∞ nähert sich KW(i) immer asymptotisch dem Wert c0 an.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 60

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XII

Kapitalwert - Rentenspezialfälle:• Die Zahlungsreihe entspricht für t 1 einer (nachschüssigen)

Rentenzahlung mit konstanten Periodenrückflüssen ct ⇒vereinfachte Berechnung mittels des Rentenbarwertfaktors RBW:

c c ∙ RBF i; T c c ∙1 q

i .

Beispiel 2:Gegeben: c 1000;c 200; T 8; i 6%. Gesucht: KW.

1000 200 ∙ RBF 6%; 8 1000 200 ∙1 1,06

0,061000 1242 .

• Sonderfall der ewigen Rente: c .

Beispiel 2: Ewige Rente mit T ∞: 1000,

.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 61

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XIII

Endwert EW einer Zahlungsreihe:Summe aller der mit dem Kalkulationszins i auf den Endzeitpunkt (Zeitpunkt t = T) der Laufzeit eines Projektes aufgezinsten Nettozahlungsströme ct aus diesem Projekt:

Kapital- und Endwert stehen dabei in folgender Beziehung zueinander:

EW KW ∙ 1 i bzw.KW EW ∙ 1 i .KW ist also der auf die Gegenwart t = 0 abgezinste EW des Projektes,EW der auf das Laufzeitende t = T aufgezinste KW des Projektes.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 62

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XIV

Ökonomische Interpretation vom EW:Häufig wird anstelle des abstrakten Kapitalwertes in der Praxis der Endwert bevorzugt. Dieser Endwert beschreibt den Kontostand am Ende T des Planungszeitraums für ein Projekt besonders anschaulich: Er gibt an, um welchen Betrag sich das Vermögen des Investors nach vollständigem Abschluss dieses Investitionsprojektes vermehrt (für den Fall EW > 0) bzw. vermindert (für den Fall EW < 0) hat.Eine Investition gemäß Endwertkriterium ist dann vorteilhaft, wenn ihr Endwert mindestens so groß ist wie der Endwert der „Opportunität“ (d.h. der alternativ möglichen Geldanlage eigener liquider Mittel zum Zins i oder der Unterlassungsalternative, wenn das Projekt durch Aufnahme eines Kredites zum Zins i finanziert werden soll).Kapitalwert- und Endwertkriterium sind deshalb äquivalent in ihren Resultaten für eine projektindividuelle Betrachtung der Vorteilhaftigkeit!

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 63

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XV

Interpretation vom EW (Fortsetzung):Beispiel 1 (Fortsetzung):Gegeben sei ct (t = 0, 1, 2, 3) mit c0 = - 1000; c1 = + 300; c2 = + 400;c3 = + 800. Ist diese Zahlungsreihe ökonomisch vorteilhaft für i = 10%?Allgemein gilt bekanntlich:Eine Zahlungsreihe ist stets dann vorteilhaft, wenn sie die Entnahme von Geldbeträgen durch den Durchführenden gemäß der zugrunde gelegten Zielsetzung (Konsumpräferenz) ermöglicht!Angenommen sei nun, dieser Akteur möchte am Projektende t = 3 möglichst viel Geld konsumieren, Ziel ist also die Maximierung des Endwertes. Die Frage nach der Vorteilhaftigkeit des Projektes lässt sich leicht beantworten, indem man die Zahlungsreihe der Investition durch Gegengeschäfte zum Zins i auf den relevanten Zeitpunkt t = 3 verdichtet. Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 64

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XVI

EW – Beispiel 1 mit vollständiger Kreditfinanzierung:

Da Kredite und Geldanlagen zu 10% beliebig verfügbar sind, kann int = 0 ein Kredit in Höhe von 1000 aufgenommen werden, der nach 3 Jahren mit Zins und Zinseszins auf 1331 (= 1000 1,13) angewachsen ist. Die Cash Flows aus t = 1 (300 1,12 ), t = 2 (400 1,1) und t = 3 (800) reichen nicht nur zur Ablösung dieser Kreditschuld aus. Es bleibt ein Überschuss, der Endwert, in Höhe von 272 übrig, der dem auf t = 3 aufgezinsten Kapitalwert der Zahlungsreihe entspricht.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 65

t = 0 t = 1 t = 2 t = 3ct –1000 300 400 800

10% 800 1,1–3 601,1 –1000 1,13 –133110% 400 1,1–2 330,6 400 400 1,1 44010% 300 1,1–1 272,7 300 300 1,12 363

KW/EW 204,4 ⇒ Aufzinsung ⇒ 204,4 ∙ 1,13 272

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XVII

Interpretation vom EW (Fortsetzung):• Der Endwert (EW) eines Investitionsprojektes stimmt nur dann mit

dem Endvermögen (EV) des Durchführenden am Ende der Laufzeit T überein, wenn dieses Projekt vollständig mit einem Kredit finanziert worden ist, d.h. Anfangsvermögen (AV) = 0.

• Wird das Projekt dagegen teilweise oder vollständig mittels eigener liquider Zahlungsmittel, d.h. aus einem Anfangsvermögen (AV) > 0, finanziert, entspricht das Endvermögen (EV) des Durchführenden am Ende der Laufzeit T dem Endvermögen der Opportunitätsanlage für die genutzten liquiden Mittel (d.h. für AV) plus dem Endwert (EW). Das Endvermögen ist dann größer als der Endwert.

• Formal gilt also (mit KW als dem Kapitalwert des Projektes und i als dem einheitlichen Kapitalmarktzins) in beiden Fällen:

∙ ∙ .Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 66

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XVIII

Ökonomische Deutung des Kapitalwertes KWund des Endwertes EW:

Unabhängig von der Finanzierung gelten für die beiden Größen KW und EW aus ökonomischer Sicht folgende Deutungen:

• Der KW ist der Geldbetrag, um den sich das Vermögen des Durchführenden im Vergleich zur Unterlassungsalternative am Anfang des Projektes (t = 0) ändert. Diese Vermögensdifferenzkann positiv (KW > 0), negativ (KW < 0) oder null (KW = 0) sein.

⇔Der EW ist der Geldbetrag, um den sich das Vermögen des Durchführenden im Vergleich zur Unterlassungsalternativenach Abschluss des Projektes (t = T) ändert. Diese Vermögensdifferenz kann positiv (EW > 0), negativ (EW < 0) oder null (EW = 0) sein.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XIX

Ökonomische Deutung vom KW und EW (Fortsetzung):Alternative (äquivalente Deutungen):• Ein positiver KW (> 0) ist der Geldbetrag, der dem Investor des

Projektes zu Beginn (t = 0) mindestens gegeben werden müsste, damit er das Projekt nicht durchführt (Unterlassungsalternative).

⇔Ein positiver EW (> 0) ist der Geldbetrag, der dem Investor am Ende des Projektes (t = T) mindestens gegeben werden müsste, damit er das Projekt nicht durchführt (Unterlassungsalternative).

• Ein negativer KW (< 0) ist der Geldbetrag, den der Durchführende zu Beginn des Projektes (t = 0) mindestens erhalten müsste, damit er nicht die Unterlassungsalternative, sondern das Projekt wählt.

⇔Ein negativer EW (< 0) ist der Geldbetrag, den der Durchführende am Ende des Projektes (t = T) mindestens erhalten müsste, damit er nicht die Unterlassungsalternative, sondern das Projekt wählt.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 68

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XX

Entscheidungsregeln projektindividuell:Diese beziehen sich auf die Entscheidung, ob ein bestimmtes Investitionsprojekt durchgeführt wird oder nicht, wobei letztere

Handlung dann der Unterlassungsalternative entspricht:Wegen der inhaltlichen Strukturgleichheit zwischen Kapitalwert und Endwert gelten hier allgemein folgende Grundsätze: Ein Projekt ist vorteilhaft im Vergleich zur Unterlassungsalternative und sollte dann durchgeführt werden, wenn eines der folgenden Kriterien zutrifft:1. Das Projekt besitzt einen positiven Kapitalwert (KW > 0).2. Das Projekt besitzt einen positiven Endwert (EW > 0).3. Das Projekt führt zu einem Endvermögenzuwachs im Vergleich zur

Unterlassungsalternative.Für projektindividuelle Entscheidungen sind diese Kriterien äquivalent!

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XXI

Entscheidungsregeln Auswahlentscheidungen:Diese beziehen sich auf die Auswahl zwischen verschiedenen (sich

ausschließenden) Investitionsprojekten und die Frage, welche(s) davon durchgeführt werden soll(en) und welche(s) nicht:

Auswahlentscheidungen sind nur dann anhand von Kennzahlen möglich, wenn diese sich auf den gleichen Zeitpunkt beziehen. Dieser Sachverhalt trifft grundsätzlich auf das Kapitalwertkriterium zu. Hier werden definitionsgemäß Gegenwarts- bzw. Barwerte, d.h. stets die Periode t = 0 miteinander verglichen. Für den Endwert- und den Endvermögensvergleich gilt dies nur dann:• Wenn alle Projekte die gleiche Laufzeit haben.• Wenn die verwendeten Kennzahlen bei Projekten unterschiedlicher

Laufzeit auf den gleichen Vergleichszeitpunkt angepasst werden. Erst danach können sie miteinander sinnvoll verglichen werden.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 70

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XXII

Auswahlentscheidungen (Fortsetzung) – BeispielVergleich zweier Projekte a1 und a2 :Welches der beiden Projekte soll für i = 10% durchgeführt werden?Gegeben Projekt a1: c1t (t = 0, 1, 2, 3) mit c10 = - 1000; c11 = + 300;c12 = + 400; c13 = + 800.Gegeben Projekt a2: c2t (t = 0, 1, 2, 3, 4) mit c20 = - 1000; c21 = + 300; c22 = + 400; c23 = + 70; c24 = + 800.Kapitalwertkriterium (stets einheitlicher Vergleichszeitpunkt t = 0):

c ∙ 1 i 10003001,1

4001,1

8001,1 , .

c ∙ 1 i 10003001,1

4001,1

701,1

8001,1 , .

Projekt a1 wird durchgeführt!

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XXIII

Auswahlentscheidungen (Fortsetzung) – Beispiel:Fortsetzung des Vergleichs der zwei Projekte a1 und a2:Endwertkriterium (unterschiedliche Projektlaufzeiten möglich):

KW ∙ 1 i 204,4 ∙ 1,1 .KW ∙ 1 i 202,3 ∙ 1,1 , .

Würde man einfach die Endwerte der Projekte miteinander vergleichen, obwohl diese verschiedene Laufzeiten haben, würde man fälschlicherweise Projekt a2 wählen. Für einen korrekten Vergleich müssen die beiden Laufzeiten angepasst werden, indem etwa die Größe zunächst auf 4 Perioden aufgezinst wird. Dann gilt:

∗ EW ∙ 1 i KW ∙ 1 i ∙ 1 i 204,4 ∙ 1,1 , .KW ∙ 1 i 202,3 ∙ 1,1 , .

Projekt a1 wird nun gemäß Endwertkriterium ebenfalls bevorzugt!

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XXIV

Auswahlentscheidungen (Fortsetzung):Allgemein gilt für Auswahlentscheidungen der Grundsatz, die

Projektalternative durchzuführen, die den höchsten Kapitalwert besitzt.Die Vorgehensweise besteht dabei aus zwei Schritten:• Schritt 1:

Berechnung des Investitionsprojektes mit dem größten (maximalen) Kapitalwert KWmax.

• Schritt 2:– Ist der Kapitalwert dieser Alternative positiv (d.h. gilt KWmax > 0),

ist dieses Projekt besser als die Unterlassungsalternative (Vermögenszuwachs) und wird deshalb durchgeführt.

– Ist der Kapitalwert dieser Alternative negativ (d.h. gilt KWmax < 0), ist dieses Projekt schlechter als die Unterlassungsalternative (Vermögensverlust). Deshalb wird gar kein Projekt realisiert!

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XXV

Kapitalwertfunktionen KW(i) der zwei Projekte a1 und a2 :

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 74

i

KW

0

-1000

+500

-500

⇔∑ c 500

10 20

30 40XX

(-9)

X(-168)

X

⇔lim→

(204)

(-290)

X

⇔∑ c 570

5

X(340)

X(367)

(202)X

(-46) X(-221) X

(-348)i = 9,59% (Zinssatz bei dem KW = KW )• Für i < 9,59 ist Projekt a2 besser.• Für i > 9,59 ist Projekt a1 besser.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XXVI

Zinssensitivität des Kapitalwertkriteriums:Das vorhergehende Beispiel zeigt, dass die Vorteilhaftigkeit einer Investition im Vergleich zu einer zweiten Investition bei verschiedenen Kalkulationszinsen durchaus unterschiedlich sein kann.M.a.W. : Die Rangfolge bei einer Vorteilhaftigkeitsbetrachtung ist immer zinsabhängig! Dies gilt sowohl für projektindividuelle Entscheidungen (Vergleich mit der Unterlassungsalternative) als auch für Auswahlentscheidungen.Grundsätzlich sind hierbei folgende Richtlinien relevant:Investitionsprojekte mit hohen Anfangsauszahlungen und/oder in der Tendenz hohen Einzahlungsüberschüssen, die erst in der ferneren Zukunft (späte Perioden) fließen, sind zinssensitiver als Projekte mit niedrigen Anfangsauszahlungen und/oder in der Tendenz hohen Rückzahlungen bereits in der näheren Zukunft (frühe Perioden).

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Kapitalwert XXVII

Differenzzahlungsreihe a2 a1 der Projekte a1 und a2:

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 76

i

KW

0

+50

-50

10 20

30 40(-2 für i =10%)X

⇔∑ c c

5

X

(0)X

(-37) X

(28)

X(-58)

i = 9,59% (Zinssatz bei dem KW = KW )

a2 - 1000 + 300 + 400 + 70 + 800a1 - 1000 + 300 + 400 + 800 0

a2 a1 0 0 0 - 730 +800

2

X(51)

15X(-23) (-52)

X Allgemein gilt:KW (a2 a1) = KW (a2) - KW (a1)

lim→

a2 a1

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Annuität IKonzept der Annuität:

Bisher sind mit dem Kapitalwert- und dem Endwertkriterium zwei zeitpunktbezogene Kennzahlen betrachtet worden. Beide Kriterien entsprechen bekanntlich einer Konsumpräferenz, die auf den Aspekt der Vermögensmaximierung hin ausgerichtet ist. So steht der Kapitalwert für das Ziel der Barwertmaximierung, während auf der Gegenseite der Endwert sich am Ziel der Endwertmaximierung (bzw. Endvermögensmaximierung orientiert.Häufig (v.a. in der betrieblichen Praxis) wird jedoch das Denken in zeitraumbezogenen Kennzahlen (Gewinn, Erfolg pro Jahr u.a.) bevorzugt. Hinsichtlich der Konsumpräferenz entspricht diese Sicht dem Ziel der Einkommensmaximierung, also der Suche nach einem Entnahmestrom, dessen Breite im Sinne zeitraumbezogener Entnahmen bei sonst vorgegebener Struktur maximiert werden soll.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Annuität II

Annuität (Fortsetzung):Unter einer solchen Perspektive, welche die Einkommensmaximierung als Ziel betont, kann der Kapitalwert in eine dazu äquivalente Periodengröße umgewandelt werden, die Annuität a*. Durch sie wird er (als Barwert des Vermögenszuwachses durch eine Investition) gleichmäßig auf alle Zeitpunkte T der Projektdauer als Rente verteilt. Konkret wird der in t = 0 verfügbare Kapitalwert am Kapitalmarkt angelegt, so dass er in T gleichen Zahlungen als Annuität a* jeweils an den Periodenenden t = 1, 2, …, T ausgeschüttet werden kann.Es gilt folglich:

∗ ; ∙ ; ∙ .

∗ KW.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Annuität III

Annuität (Fortsetzung):Beispiel:• Gesucht ist die Annuität ∗ von a1 für i = 5% und c1t (t = 0, 1, 2, 3)

mit c10 = - 1000; c11 = + 300; c12 = + 400; c13 = + 800.Es gilt:

∗ 0,051 1,05 ∙ 339,6 0,3672 ∙ 339,6 , .

• Gesucht ist die Annuität ∗ von a2 für i = 5% und c2t (t = 0, 1, 2, 3, 4) mit c20 = - 1000; c21 = + 300; c22 = + 400; c23 = + 70; c24 = + 800.

Es gilt:

∗ 0,051 1,05 ∙ 367,2 0,2820 ∙ 367,2 , .

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Annuität IV

Annuität (Fortsetzung) – als Entscheidungskriterium:Da ANF(i;T) definitionsgemäß positiv ist, haben Annuität und Kapitalwert (sowie Endwert) stets das gleiche Vorzeichen. Daraus folgt:• Projektindividuelle Entscheidungen:

Hier gelten für die Annuität die gleichen Grundsätze wie für das Kapitalwert-und Endwertkriterium:– Projekte mit a* > 0 sind vorteilhaft und werden durchgeführt.– Projekte mit a* < 0 sind nachteilig. An ihrer Stelle wird die

Unterlassungsalternative gewählt.– Projekte mit a* = 0 sind äquivalent zur Unterlassungsalternative.

• Auswahlentscheidungen (bei sich ausschließenden Projekten):Die Annuität eignet sich (wie der Endwert) nur dann als Kriterium für die Auswahl, wenn sich die projektindividuellen Annuitäten auf die gleiche Laufzeit beziehen. In diesem Fall wird das Projekt mit der höchsten Annuität gewählt.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Annuität V

Ökonomische Interpretation der Annuität:Die Annuität a* ist sozusagen eine „Verrentung“ des Kapitalwerts und damit der durchschnittliche Einzahlungsüberschuss des Projektes während seiner Laufzeit. a* gibt dabei an, wie breit der gleichmäßige Einkommensstrom ist, der sich aus dem Vermögenszuwachs bei Durchführung der Investition erzeugen lässt.M.a.W.:Der Investor erreicht bei Durchführung des Projektes das gleiche Endvermögen wie bei Entscheidung für die Unterlassungsalternative und zusätzlich• kann er bei a* > 0 in allen Zeitpunkten t = 1, 2, …. T über einen

Zahlungsbetrag in Höhe dieser Annuität a* verfügen.• muss er bei a* < 0 in allen Zeitpunkten t = 1, 2, …. T einen weiteren

Betrag in Höhe dieser Annuität a* in das Projekt investieren.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Annuität VI

Entscheidungskriterien - Überblick:

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 82

Ziele

Vermögens-maximierung

amAnfang

Entnahmestrom-maximierung

periodisch

Vermögens-maximierung

amEnde

Kapitalwert KW Annuität ∗Endwert EW

Gleiche Vorteilhaftigkeit, da EW und a* direkt von KW abhängen.

∙ ∙ ∗ KW

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß I

Rendite eines Projektes als relative Größe:In der betrieblichen Praxis ist die Rendite eine häufig verwendete Größe, um einen Zahlungsstrom zu bewerten, etwa im Rahmen der Wertpapieranlage oder bei der Entscheidung bezüglich der Durchführung eines Investitionsvorhabens. Als Ziel wird dabei i.d.R. die Maximierung einer solchen „Rendite“ ins Blickfeld gerückt: Für die Rendite Ri eines Projektes/Wertpapiers i pro Periode gilt dabei:

Periodenergebnis AnfangskapitalAnfangskapital

PeriodenergebnisAnfangskapital 1

mit dem Periodenergebnis als Summe aus dem Periodenendkapital und eventuellen Zwischen-Cash-Flows (z.B. Dividenden, Zinsen).Die Rendite bezieht sich (im Gegensatz zu den bisher betrachteten Kriterien) folglich nicht auf absolute Vermögensänderungen, sondern bildet eine Kennzahl für relative Vermögensänderungen pro Periode.Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 83

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß II

Interner Zins als Maßstab für die Rendite eines Projektes:Der interne Zins(satz bzw. –fuß) liefert, anders als der Kapitalwert (oder der Endwert oder die Annuität) keine Aussage zur absoluten Steigerung des Vermögens (bzw. der Konsummöglichkeiten) bei Durchführung eines Investitionsprojektes.Vielmehr stellt er eine wegen ihrer Anschaulichkeit oftmals benutzte Renditekennzahl dar. Der interne Zins beschreibt dabei die relative Vermögensänderung (%) bei Durchführung eines Investitionsprojektes bezogen auf den dafür benötigten Vermögenseinsatz.Konzeptionell entspricht der interne Zins i* dem Kalkulationszins einer Zahlungsreihe, der zu einem Kapitalwert von Null führt. Es gilt formal:

c ∙ 1 ∗ .

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß III

Interner Zins – Bestimmung:• Graphische Bestimmung:i* als Schnittstelle der Kapitalwertfunktion mit der x-Achse.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 85

i

KW

0

+50

-50

10 20

30 40X

⇔∑ c c

5

X

i* = 9,59%X

X X(Für i* gilt: KW a2 a1 KW a2 KW a1 0 ⇒ für ∗:KW = KW )

a2 - 1000 + 300 + 400 + 70 + 800a1 - 1000 + 300 + 400 + 800 0

a2 a1 0 0 0 - 730 +800

2

X

15X

X

lim→

a2 a1

Beispiel Differenzenzahlungsreihe a2 a1:

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß IV

Interner Zins – Bestimmung (Fortsetzung):• Formale Bestimmung:Während bei der Kapitalwertmethode i vorgegeben ist und KW gesucht wird, verhält es sich bei der internen Zinsmethode genau umgekehrt: KW (= 0) ist vorgegeben und i = i* wird gesucht.Damit erfordert die Ermittlung von i* die Berechnung eines PolynomsT-ten Grades. Dies führt zu zwei Problembereichen: Eine explizite Ermittlung durch Auflösung nach i* ist nur in

Sonderfällen möglich. Ansonsten kann die Berechnung von i* nur implizit durch Näherungsverfahren erfolgen.

Jedes Polynom T-ten Grades besitzt maximal T reelle oder komplexe Nullstellen. Es kann also sein, dass eine Zahlungsreihe mehr als einen reellen internen Zins aufweist. Auf der Gegenseite sind auch Zahlungsreihen ohne reelle Lösung für i* möglich.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß V

Interner Zins – Bestimmung (Fortsetzung):• Einige Sonderfälle der formalen Bestimmung: Zahlungsreihe mit nur einer Auszahlung und einer Einzahlung:

Beispiel: In t = 0 Auszahlung = - 800; in t = 1 Einzahlung = 850.Allgemein gilt: c ∗ .

Eingesetzt: 800 ∗ 0 ⇒ 850 800 ∙ 1 i∗ ⇒ ∗ , %.

Beispiel Differenzenzahlungsreihe a2 a1:Zahlungsreihe:

Eingesetzt:

∗ ∗ 0 ⇒ 730 ∙ 1 i∗ 800 ⇒ ∗ , %.

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t = 0 t = 1 t = 2 t = 3 t = 4a2 a1 0 0 0 - 730 +800

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß VI

Interner Zins – Bestimmung (Fortsetzung): Nullkuponanleihe (Zero-Bond-Anleihe):

Auf eine anfängliche Auszahlung in t = 0 folgt nur eine einzige Einzahlung am Ende der Laufzeit in t = T, die neben der Rückzahlung der Anleihe zusätzlich auch alle in der Zwischenzeit angefallenen Zinsen und Zinseszinsen beinhaltet.Beispiel: In t = 0 Auszahlung = - 1100; in t = T Einzahlung = 5000.

Laufzeit der Anleihe T = 30 Jahre.Allgemein gilt: c ∗ ⇒ c ∙ 1 i∗ c .

⇒ 1 i∗ ⇒ ∗ .

Eingesetzt: ∗ 1 , %.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß VII

Interner Zins – Bestimmung (Fortsetzung): Zahlungsreihe mit nur 3 Zeitpunkten (t = 0, 1, 2):

Allgemein gilt: c ∗ ∗ .

⇒ c ∙ 1 i∗ c ∙ 1 i∗ c 0.

⇒ 1 i∗ ,∙ ∙

∙bzw. ∗ ,

∙ ∙∙

.

(In dieser Darstellung müssen bei ct die Vorzeichen beachtet werden!)

Beispiel: c0 = - 1000; c1 = (+) 2300; c2 = - 1300.Eingesetzt: ∗,

∙ ∙∙

1 ∙ ∙∙

1.

⇒ i∗ , 1 ⇒ ∗ %und ∗ %.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 89

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß VIIIInterner Zins – Vorliegen und Eindeutigkeit:

• Definitionsbereich: i* > –1: Ein negativer interner Zins ist möglich und ökonomisch interpretierbar, solange er größer ist als –100%. Man kann nicht mehr als 100% des jeweiligen Vermögenseinsatzes verlieren.

• Die Zahl der internen Zinssätze (i*) > –1 einer Zahlungsreihe entspricht der Zahl der Vorzeichenwechsel in dieser Zahlungsreihe oder fällt um eine gerade Zahl kleiner aus. Beispiel: c0 = - 1020; c1 = (+) 2300; c2 = - 1300.Eingesetzt:

∗,

∙ ∙∙

1 ∙ ∙∙

1.

Wegen 2300 4 ∙ 1020 ∙ 1300 14000 0 gibt es keine reelle Lösung für i*.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 90

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß IX

Interner Zins – Vorliegen und Eindeutigkeit (Fortsetzung):Normalinvestitionen (d.h. Zahlungsreihen mit genau einem Vorzeichenwechsel von – nach +) haben aufgrund des typischen Verlaufs ihrer Kapitalwertfunktionen immer einen eindeutigen internen Zins i*!Außerdem gilt hier:• Ist der Nominalwert einer Normalinvestition, d.h. die Summe der

nicht abgezinsten bzw. mit i = 0 abgezinsten Einzelzahlungsströme, positiv (negativ), ist auch i* positiv (negativ).

⇒Folglich weist jede Normalinvestition mit negativem Nominalwert auch im Bereich von i > 0 immer negative Kapitalwerte auf.

• Für i –1 (bzw. q 0) strebt der KW einer Normalinvestition gegen ∞, so dass KW (i) für sehr kleine i immer positiv ist.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß X

Interner Zins – Ökonomische Deutung(für Normalinvestitionen):

• Effektivverzinsung des jeweils im Projekt gebundenen Kapitals beim einem Investitionsvorhaben.

• Kritischer Zins i*, bei dem der Entscheider indifferent ist zwischen Durchführen und Unterlassen des Investition.

⇒Maximale Kapitalkostenbelastung bei Kreditfinanzierung: Höchster Sollzinssatz, den man gerade noch akzeptieren könnte, um den Kapitaldienst für die anfänglichen Auszahlungen (Zinsen und Tilgungen) aus den Investitionsrückflüssen leisten zu können.

⇒Maximale Opportunitätskosten bei Eigenfinanzierung: Höchster Zinssatz, den man sich bei Eigenfinanzierung der Investition durch die anderweitige Verwendung der liquiden Mittel am Kapitalmarkt (Zins- und Zinseszinsen) “entgehen” lassen dürfte.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß XI

Interner Zins – Ökonomische Deutung (Fortsetzung):Beispiel für die Effektivverzinsung des gebundenen Kapitals:Zahlungsreihe ct = –1000; 200; 390; 660 für t = 1, 2, 3, 4 mit i* = 10%:

Gedankenbeispiel eines in jeder Periode mit 10% verzinsten Kontos für ct : Das Unternehmen eröffnet in t = 0 ein Konto und zahlt 1000 ein. Dieses gebundene Kapital (Guthaben) erbringt in t = 1 100 (≙i* Zinsen. Gleichzeitig werden 200 zum Verbrauch abgehoben, so dass das gebundene Kapital (als Restforderung an die Investition) auf 900 sinkt usw., bis in t =3 das Konto vollständig geleert ist.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 93

tKapital-bindungin t – 1

Zins-zahlungen

(bei i* = 10%)

Tilgung(∑= 1000)

Rückflüssect

(in t = 1, 2, 3)

Kapital-bindung

in t0 10001 1000 100 100 200 9002 900 90 300 390 6003 600 60 600 660 0

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß XIIInterner Zins als Vorteilhaftigkeitskriterium:

• Projektindividuell: Bei Normalinvestitionen eignet sich der interne Zins i* als Kennzahl zur Beurteilung ihrer Vorteilhaftigkeit:

Eine Investition ist dann sinnvoll, wenn der interne Zins i* des Projektes größer als der Kalkulationszins i ist. Denn unter diesen Bedingungen übertrifft die „innere Rendite i*“ der Investition die Opportunitätskosten i einer Kapitalmarktanlage bzw. sind die maximal verkraftbaren Finanzierungskosten i* höher als die tatsächlichen Kreditkosten i.Zusatzinformation durch die Bestimmung von i* (im Vergleich zur „einfachen“ Kapitalwertmethode): In der betrieblichen Praxis ist die Alternativanlage (d.h. der Kalkulationszins) i oftmals nicht genau bekannt bzw. ist in der Höhe unsicher. Kann man aber abschätzen, dass i* auf jeden Fall größer als ein real zu erwartender Wert von i ist, kann die Vorteilhaftigkeit „leichter“ als mit dem KW beurteilt werden.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß XIII

Interner Zins – Vorteilhaftigkeit (Fortsetzung):• Beispiel projektindividuell:

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 95

i

KW

0 X

X

XX Xi*

X

X

X

Normalinvestition a3: Es gilt:• KW (a3) > 0 für i < i*.• KW (a3) < 0 für i > i*.X

XX

XXX

XX

XX

X XX

Investition a4: Es gilt nicht:• KW (a4) > 0 für i < i*1 sondern• KW (a4) < 0 für i < i*1.

i*1 i*2

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß XIV

Interner Zins – Vorteilhaftigkeit (Fortsetzung):• Auswahlentscheidungen:Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei i* um eine relative (Rendite-)Kennzahl handelt. Ein Vergleich verschiedener Relativgrößen ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn die jeweiligen Bezugsbasen dieser Kriterien übereinstimmen. Im Fall von i* betrifft dies die jeweiligen Kapitalbindungen.

Unterschiedliche Investitionsprojekte weisen allerdings i.d.R. zu jedem Zeitpunkt eine voneinander abweichende Kapitalbindung auf. Deshalb besitzen die internen Zinsfüße i.d.R. unterschiedliche Bezugsbasen.

⇒ Das relative Zielkriterium interner Zins i* ist deshalb eine nicht geeignete Kennzahl, um verschiedene Projekte hinsichtlich ihrer ökonomischen Vorteilhaftigkeit miteinander zu vergleichen!

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß XV

Interner Zins – Vorteilhaftigkeit (Fortsetzung):• Beispiel Auswahlentscheidungen: Projekte a1 und a2 :

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 97

i

KW

0

-1000

+500

-500

⇔∑ c 500

10 20

30 40X

⇔lim→

⇔∑ c 570

5

i = 9,59%• Für i < 9,59 ist Projekt a2 besser.• Für i > 9,59 ist Projekt a1 besser.

⇔ Es gilt jedoch: i*(a1) > i*(a2).

i*(a1)i*(a2)

X

a1 - 1000 + 300 + 400 + 800 0a2 - 1000 + 300 + 400 + 70 + 800

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß XVI

Interner Zins – Vorteilhaftigkeit (Fortsetzung):• Auswahlentscheidungen:Die problembehaftete Vergleichbarkeit von internen Zinsfüßen findet ihren formalen Ausdruck in dem offensichtlichen Konflikt dieser Kennzahl mit dem Kapitalwertkriterium bei Auswahlentscheidungen.Denn das Konzept des Kapitalwertes baut auf der Wiederanlage zum Kapitalmarktzins i auf, während das Konzept des internen Zinses gewissermaßen eine Wiederanlage zum internen Zins i* ( i.d.R. i) vorsieht.Auch kann eine niedrigere Rendite auf einen im Durchschnitt hohen Kapitalbetrag ökonomisch durchaus einer höheren Rendite auf einen viel kleineren Kapitalbetrag vorzuziehen sein, weil das Projekt mit der niedrigeren Rendite u.U. insgesamt einen höheren Vermögenszuwachs ermöglicht.

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Kapitel 04 – Investitionstheorie 3:VMS – Interner Zinsfuß XVII

Interner Zins – Vorteilhaftigkeit (Fortsetzung):• Auswahlentscheidungen:Dennoch schätzt es die Praxis, Renditen miteinander zu vergleichen, z.B. die Effektivzinssätze von Krediten bzw. von Geldanlagen. Man unterstellt dabei implizit, dass deren Kapitalwertfunktionen sich nicht schneiden bzw. dass der Kalkulationszins im unkritischen Bereich liegt, in dem Kapitalwert- und interne Zinsfußmethode zum gleichen Ergebnis kommen. Bei diesen Zahlungsreihen ist der Vergleich verschiedener Angebote mit dem internen Zinssatz aus den folgenden Gründen nicht (ganz) so problematisch wie bei Sachinvestitionen:• Die zu vergleichenden Anfangsauszahlungen sind ähnlich groß.• Zins- und ev. Tilgungsleistungen sind bzgl. Höhe und zeitlicher Struktur

ähnlich.• Die Laufzeiten haben eine ähnliche Länge.Unter diesen Bedingungen ist die Wahrscheinlichkeit durchaus hoch, dass eine Auswahlentscheidung auf Grundlage des internen Zinses nicht anders ausfällt, als auf Grundlage des Kapitalwertes.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMS – Einführung I

Beurteilung eines Investitionsprojektes auf dem unvollkommenen Kapitalmarkt (unter Sicherheit):

Merkmale unvollkommener Märkte:• Soll- und Habenzins können voneinander abweichen. I.d.R. ist der

Zins für eine Kapitalanlage niedriger als der Zins für einen Kredit.• Kapital ist nicht mehr unbegrenzt verfügbar. Die Kreditaufnahme ist

eingeschränkt und z.B. an die Bereitstellung von Kreditsicherheiten oder Bürgschaften geknüpft. Je höher die „Verschuldung“ eines Wirtschaftssubjektes ausfällt, desto niedriger ist i.d.R. seine Bonität und desto höher sind die zu zahlenden Kreditzinsen.

Um ein Investitionsprojekt auf einem unvollkommenen Kapitalmarkt hinsichtlich seiner Vorteilhaftigkeit zu bewerten, ist das Ergebnis dieser Bewertung deshalb nicht mehr unabhängig von der konkreten Finanzierungsentscheidung: Die Fisher-Separation gilt nicht mehr!

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMS – Einführung II

Unvollkommener Kapitalmarkt (Fortsetzung):Da auf einem unvollkommenen Kapitalmarkt definitionsgemäß kein allgemein gültiger Kalkulationszins mehr gegeben ist, hängt die Vorteilhaftigkeit eines Projektes auch davon ab, welche anderen Zahlungsströme vorhanden sind. Zwischen diesen bestehen nämlich wechselseitige Abhängigkeiten. Deswegen erfordert die Festlegung eines angemessenen Kalkulationszinses, um mit ihm ein Projekt auf seine Vorteilhaftigkeit hin zu bewerten, stets das Wissen um die finanzwirtschaftliche Gesamtplanung. M.a.W. Der richtige Kalkulationszins ist nicht mehr eine exogene (vorgegebene) Größe für die Investitionsbewertung, sondern eine endogene Größe. Diese lässt sich erst exakt ermitteln, wenn man das Ergebnis der Investitionsrechnung kennt. Sobald man aber im Nachhinein diese Kenntnis besitzt, liegt die benötigte Information ja bereits vor, und das ursprüngliche Problem (Bewertung der Vorteilhaftigkeit) ist schon gelöst.Dieser Sachverhalt heißt Dilemma der Lenkpreistheorie. Wirklich gelöst werden kann es i.d.R. nur durch Totalmodelle, die die gesamte (mehrperiodige) Investitions- und Finanzierungsplanung eines Unternehmens analysieren.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMS – Partialmodell Kapitalwert IDie Kapitalwertmethode als Partialmodell auf einem

unvollkommenen Kapitalmarkt:Wohl ist auf dem unvollkommenen Kapitalmarkt die isolierte Beurteilung der Vorteilhaftigkeit eines Projektes mittels der Kapitalwertmethode eigentlich nicht möglich. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, bei denen auf die Erstellung eines komplexen Totalmodells mit simultaner Investitions- und Finanzplanung verzichtet werden kann.Sofern es möglich ist, die für die zukünftigen Perioden maßgeblichen Zinsfüße eindeutig und korrekt (vorab) zu schätzen, lässt sich auch unter den Bedingungen eines unvollkommenen Marktes der Kapitalwert (bzw. Endwert oder Annuität) als einfaches Partialmodell zur Bewertung der Vorteilhaftigkeit einer Investition nutzen.I.d.R. wird man dabei allerdings periodenspezifisch unterschiedliche Kalkulationszinsfüße verwenden.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMS – Partialmodell Kapitalwert II

Kapitalwertmethode als Partialmodell (Fortsetzung):Allgemein gilt:Abzinsen von ct bei unterschiedlichen it auf den Barwert c0:

c0 ct ∙ 1 it 1 ∙ 1 it 1 1 ∙ … ∙ 1 i1 1 c ∙ 1 iτ .

Der periodenspezifisch zu wählende it hängt dabei ab:• Von der konkreten Finanzlage des Unternehmens:

In manchen Perioden führen die durch das Projekt bedingten Cash Flows zu einer Erhöhung/Verminderung des Anlagevermögens.⇒Habenzins der Alternativanlage ist der relevante Kalkulationszins.

In manchen Perioden führen die durch das Projekt bedingten Cash Flows zu einer Erhöhung/Verminderung des Kreditvolumens.⇒Sollzins der Kreditbeschaffung ist der relevante Kalkulationszins.

• Von der periodenspezifischen Veränderung des jeweils relevanten Kalkulationszinses.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMS – Partialmodell Kapitalwert III

Kapitalwertmethode als Partialmodell (Fortsetzung):Beispiel: Gegeben seien:• Zahlungsreihe ct (t = 0, 1, 2) mit c0 = 1000; c1 = + 500; c2 = + 700.• Kassenstand (auf dem Kontokorrentkonto):

Kst (t = 0, 1, 2) mit Ks0 = 3000; Ks1 = 2000; Ks2 = 4000.• Sollzinssätze iS und Habenzinssätze iH für t = 1, 2:

i 10%;i 20%;i 3%;i 6%.

Esgilt: KW c c ∙ 1 iτ c ∙ 1 iτ .

⇒ ∙ 1 ∙ 1 ∙ 1 .⇒ ∙ 1 1 ∙ 1 1 ∙ 1 1.

1000 ∙ 1,03 ∙ 1,20 500 ∙ 1,20 700 .1000 500 ∙ 1,03 700 ∙ 1,03 ∙ 1,20 , .∙ 1 ∙ 1 , ∙ 1,03 ∙ 1,20 .

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMS – Partialmodell Kapitalwert IV

Kapitalwertmethode als Partialmodell (Fortsetzung):Beispiel-Modifikation: Gegeben seien:• Zahlungsreihe ct (t = 0, 1, 2) mit c0 = 1000; c1 = + 500; c2 = + 700.• Kassenstand (auf dem Kontokorrentkonto):

Kst (t = 0, 1, 2) mit Ks0 = 3000; Ks1 = 2000; Ks2 = 4000.• Sollzinssätze iS und Habenzinssätze iH für t = 1, 2:

i 10%;i 20%;i 3%;i 6%.Es gilt nun: ∙ 1 ∙ 1 ∙ 1 .

∙ 1 1 ∙ 1 1 ∙ 1 1.1000 ∙ 1,10 ∙ 1,20 500 ∙ 1,20 700 .1000 500 ∙ 1,10 700 ∙ 1,10 ∙ 1,20 , .∙ 1 ∙ 1 , ∙ 1,10 ∙ 1,20 .

In Abhängigkeit vom jeweils relevanten Kalkulationszins kann sich das Ergebnis der Vorteilhaftigkeitsanalyse durchaus grundsätzlich ändern.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Grundproblem I

Die Unsicherheit in der Investitionstheorie:Prinzipiell ist jede Investitionsrechnung in der Realität der betrieblichen Praxis zukunftsorientiert. Es werden nämlich keine vergangenen, sondern stets zukünftige Zahlungsströme bewertet.

Allerdings ist die Zukunft und jede Prognose von ihr dem Wesen nach unsicher!

Dieses Unsicherheitsproblem kann sich beziehen:– Einerseits auf die Ermittlung der zukünftigen Zahlungsströme aus

einem Projekt und der Alternativanlage.– Andererseits auf die Ermittlung der zukünftig relevanten

Kalkulationszinsen.Die (realitätsadäquate) Beurteilung eines Investitionsprojektes unter Unsicherheit führt daher zu erheblichen grundsätzlichen Problemen!

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Grundproblem II

Unsicherheit in der Investitionstheorie (Fortsetzung):Folge dieses doppelten Prognoseproblems für die Investitionstheorie: Wenn nun die Vorhersage zukünftiger Zahlungsströme und Zinsen nicht möglich oder sehr ungenau ist, besteht grundsätzlich immer die Gefahr, insbesondere wenn es sich um sehr detaillierte Berechnungen bzw. um sehr komplexe Modelle handelt, dass die Inputparameter (Eingangsvariablen) in diesen Modellen sich tatsächlich ganz anders entwickeln, als geplant. Damit sind die Ergebnisse solcher Modelle nicht mehr verwendbar.Es bleiben daher folgende Empfehlungen zur Vorgehensweise:• Bestmögliche Analyse der für die Entscheidung relevanten Formen

der Unsicherheit und ihres Ausmaßes.• Integration dieser Analyseergebnisse in die Bewertung von

Investitionsprojekten, eventuell Reduktion der Modellkomplexität.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Grundproblem III

Unsicherheit der Zukunft – Grundformen:

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 108

Unsicherheit

Spiel Risiko Ungewissheit

Unsicherheit i. e. S.

mit objektiverWahrscheinlichkeit

mit subjektiverWahrscheinlichkeit Ambiguität Fundamentale

Ungewissheit

• bezüglich der Cash Flows• bezüglich der Zinsen

Fiktion derQuasisicherheit

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Grundproblem IV

Unsicherheit der Zukunft – Grundkonzepte (Fortsetzung):• Entscheidungen unter Quasisicherheit: Die Fiktion der Sicherheit

zukünftiger Ergebnisse wird aufrechterhalten. ⇒ Für gewisse Problemstellungen (z.B. Anlage in festverzinsliche Wertpapiere) ist dies eine durchaus sinnvolle Vorgehensweise.

• Spielsituationen (Spieltheorie): Die Zukunft (z.B. Verkaufspreis eines Produktes) hängt von den Handlungen eines rationalen Gegenspielers (z.B. dem Konkurrenten auf dem Markt) ab.

• Unsicherheit i.e.S.: Die Zukunft wird durch zufällige Entwicklungen der Umwelt bestimmt:– Fundamentale Ungewissheit: Unerwartete Überraschungen

(z.B. Umweltkatastrophe, verändertes politisches Umfeld) können auftreten. ⇒Eine fundamentale Ungewissheit ist nicht berechenbar im Sinn einer rationalen Gewinnmaximierung.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Grundproblem V

Unsicherheit der Zukunft – Grundkonzepte (Fortsetzung):– Ambiguität: Alle möglichen zukünftigen Ereignisse sind bekannt,

wenn auch ohne Wissen von Eintrittswahrscheinlichkeiten dafür. Insofern ist die Zukunft hinsichtlich ihres Entwicklungspotentials überschaubar. ⇒Ambiguität ist eingeschränkt berechenbar im Sinn einer rationalen Gewinnmaximierung: Anwendung z.B. im Rahmen einer Szenarioanalyse.

– Risikosituationen: Zusätzlich zu den möglichen zukünftigen Ereignissen sind noch die Wahrscheinlichkeiten bekannt, mit der diese Ereignisse eintreten werden. Diese Wahrscheinlichkeiten können entweder objektiver oder zumindest subjektiver Art sein. ⇒Risikosituationen sind berechenbar im Sinn einer rationalen Gewinnmaximierung: Die Nutzung von Wahrscheinlichkeiten ist eine gängige und die übliche Methode, um Unsicherheit auf den Finanz- und Kapitalmärkten darzustellen.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze I

Umgang mit Unsicherheit in der Finanzierung:Szenarioanalyse (ohne Wahrscheinlichkeiten):

Es werden verschiedene Investitionsrechnungen für unterschiedliche fiktive Datensituationen, so genannte Szenarien durchgeführt (z.B. pessimistisches – neutrales – optimistisches Szenario).Diese Szenarien können sowohl eine Änderung der Cash Flows als auch eine Änderung des Kalkulationszinses betreffen!• Findet man für alle Datensituationen beispielsweise einen positiven

Kapitalwert, darf das Investitionsprojekt als sinnvoll gelten.• Aber auch andernfalls verdeutlicht die Szenarioanalyse, wovon die

Vorteilhaftigkeit abhängt und bei welchen Entwicklungen der Kapitalwert negativ wird (z.B. bei einem starken Anstieg der Rohstoffpreise oder beim Wechsel von einer Finanzierung mittels liquider Mittel zu einer Kreditfinanzierung des Projektes).

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze II

Unsicherheit – Szenarioanalyse (Fortsetzung):• Eine häufig genutzte Variante der Sensitivitätsanalyse ist die

Methode der kritischen Werte.Sie untersucht, in welchem Umfang einer oder mehrere Parameter des zu beurteilenden Investitionsvorhabens sich ändern können, ohne dass es zu einer Änderung der Vorteilhaftigkeit dieses Projektes kommt (indem z.B. der Kapitalwert sein Vorzeichen ändert).

• Der bekannteste kritische Wert in der Investitionstheorie ist der interne Zins. Er beschreibt, wie bereits ausführlich dargestellt, die Nullstelle der Kapitalwertfunktion und gibt an, in welchem Umfang der relevante Kalkulationszins einer (Normal-)Investition sich maximal verändern kann, bevor sie mit einem Vermögensverlust einhergeht.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze III

Umgang mit Unsicherheit – (Fortsetzung):Lösungsansätze in Risikosituationen:

Risikosituationen sind Situationen, bei denen die künftigen Ergebnisse einer Zahlungsreihe nicht eindeutig sind, sondern verschiedene (diskrete oder stetige) Werte mit jeweils einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen können.Risikosituationen werden üblicherweise durch Kennzahlen näher charakterisiert. In der Finanzierungstheorie sind vor allem folgende Kennzahlen wichtig:• Zentralmaße beziehen sich auf einen mittleren, für die Verteilung

des Ergebnisses „repräsentativen“ Wert, z.B. Erwartungswert .• Streuungsmaße beziehen sich auf die Schwankungsbreite der

möglichen Ergebniswerte z.B. Varianz und Standardabweichung (bei einer Normalverteilung der Ergebnisse).

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 113

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze IV

Unsicherheit – Risikosituationen (Fortsetzung):• Mathematischer Erwartungswert μ („Durchschnittswert“):

Arithmetischer Mittelwert einer diskreten Ergebnisverteilung mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten als Gewichtungsfaktoren:

e ∙ p e ∙ p ⋯ e ∙ p ∙ mitp s 1.

Beispiel:

Es gilt: 0 ∙ 0,25 30 ∙ 0,2 40 ∙ 0,15 60 ∙ 0,3 150 ∙ 0,1 .Spezialfall:Es existieren gleiche Eintrittswahrscheinlichkeiten für alle sj:⇒Erwartungswert μ: ∙ ∑ . Für das obige Beispiel: 56.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 114

p(sj) p(s1)=0,25 p(s2)=0,20 p(s3)=0,15 p(s4)=0,3 p(s5)=0,10

a1 0 30 40 60 150

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze V

Unsicherheit – Risikosituationen (Fortsetzung):• Varianz : Quadratische Abweichung vom Erwartungswert μi

einer diskreten (normalverteilten) Ergebnisverteilung:

∙ .

Für das Beispiel:0 45 ∙ 0,25 30 45 ∙ 0,2 40 45 ∙ 0,15 60 45 ∙

0,3 150 45 ∙ 0,1 .Spezialfall: bei gleichen Wahrscheinlichkeiten für alle sj:

∙ .

Für das Beispiel (mit der Annahme gleicher Wahrscheinlichkeiten):0 56 30 56 40 56 60 56 150 56

.

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 115

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze VI

Unsicherheit – Risikosituationen (Fortsetzung):• Standardabweichung bzw. Schwankungsbreite oder Streuung:

Wurzel der quadratischen Abweichung vom Erwartungswert μieiner diskreten (normalverteilten) Ergebnisverteilung:

∙ .

Für das Beispiel: σ 1725 , .Spezialfall: bei gleichen Wahrscheinlichkeiten für alle sj:

∙ .

Für das Beispiel: σ 2584 , .

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 116

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze VII

Unsicherheit – Risikosituationen (Fortsetzung):In der aktuellen Finanzierungs- und Kapitalmarkttheorie, die sich mitUnsicherheitssituationen (bzw. Risikosituationen) befasst, wird jede Investitionsgelegenheit bzw. Zahlungsreihe vor allem durch zwei verschiedene Kriterien gleichzeitig beurteilt:• Höhe der Zahlungsströme einer Investition:

Diesbezüglich beurteilt werden die unsicheren Zahlungsströme dabei durch ihre Erwartungswerte μ.

• Sicherheit/Unsicherheit der Zahlungsströme einer Investition:Diesbezüglich beurteilt werden die unsicheren Zahlungsströme dabei durch ihre Standardabweichung bzw. Varianz .

Die Unsicherheit wird folglich als eine Risikosituation mit einer bekannten und normalverteilten Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einzelner konkreter Realisationen der Zahlungsströme gesehen!

Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 117

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze VIII

Unsicherheit – Risikosituationen (Fortsetzung):Es findet also eine Informationsverdichtung (bei gleichzeitigem Informationsverlust) einer unsicheren Zahlungsreihe auf zwei Größen, den zugehörigen Erwartungswert μ (als Zentralmaß) und die zugehörige Standardabweichung σ (als Streuungsmaß) statt.Dabei gelten folgende Entscheidungsregeln als rational:Gegeben sei die Präferenzfunktion eines Investors hinsichtlich einer bestimmten Zahlungsreihe ai mit Φ Φ ; und dieser Investor möchte gleichzeitig seinen Präferenzwert maximieren [ : Φ ]:

• Φ ; : Ein höherer Erwartungswert ist besser als ein niedrigerer.

• Φ ; : Eine geringere Schwankung ist besser als eine höhere.Dies entspricht der Annahme von Risikoscheu.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze IX

Unsicherheit – Risikosituationen (Fortsetzung):Konkret bedeuten diese Prinzipien, dass jede Zahlungsreihe unter Risiko simultan nach zwei Kriterien gleichzeitig beurteilt werden muss, sowohl gemäß ihrem Erwartungswert als auch gemäß ihrer Schwankung.Aufgrund der allgemein unterstellten Risikoscheu wird dabei eine starke Schwankung der Zahlungsströme generell als Nachteil angesehen. Dieser Nachteil kann allerdings durch einen höheren Erwartungswert der Zahlungsreihe kompensiert werden.Gleichzeitig kommt es zu individuellen Unterschieden: Während einzelne Investoren mit hoher Risikoscheu eine (fast) sichere Investition mit niedrigem μ und niedrigem σbevorzugen, gibt es auf der Gegenseite andere, weniger risikoaversive Investoren, die eher eine stark unsichere Investition mit hohem μ und hohem σwollen.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:UMU – Lösungsansätze X

Unsicherheit – Risikosituationen (Fortsetzung):Bei (sehr) restriktiven Modellannahmen kommt es unter gewissen Bedingungen zur Ausbildung eines Marktgleichgewichtes, bei dem sich für jedes Risiko eine Art spezifischer und allgemein gültiger Marktpreis bildet.Vergleichbar dem Zeitwert des Geldes manifestiert sich dieser Marktpreis des Risikos im Kalkulationszins, mit dem unsichere zukünftige Zahlungsströme auf ihren (sicheren) Gegenwartswert abgezinst werden. Es gilt: Je höher das Risiko einer Zahlungsreihe, desto höher ist der Zins dafür, bestehend aus dem Marktzuschlag für das jeweilige Risiko plus dem risikolosen Zins.Dieser unter den Bedingungen eines Marktgleichwichts entstandene Zins bietet zugleich auch ein generelles (und jetzt von individuellen Risikopräferenzen unabhängiges) Kriterium für die Bewertung riskanter Investitionen. Nur Projekte, die sich mindestens so hoch verzinsen wie der Marktpreis des Risikos, werden durchgeführt. Im einem solchen Marktgleichgewicht (und nur dort) ist die Investitionsentscheidung unabhängig von der Risikopräferenz des einzelnen und damit werden auch hier generelle Vorteilhaftigkeitsaussagen möglich.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:Relevanz für die Praxis I

Anlage in festverzinslichen Wertpapieren als Beispiel:Festverzinsliche Wertpapiere (mit vertraglich festgelegten Zinszahlungen) bilden ein gutes Beispiel aus der Praxis für die (relativ) problemlose Anwendung der Kapitalwertmethode bei einer Normalinvestition unter der Fiktion der Sicherheit). Hier kommt es bekanntlich häufig zu folgenden Zahlungsströmen:

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Z

01 2 … T

C0 = Anfangsauszahlung für den Erwerb des Wertpapieres, z.B. sein Börsenkurs.

CT = Rückzahlung am Laufzeitende T als Nominalwert.

3

C0

T -1

CT

Z = nachschüssige jährliche (Nominal-)Zinszahlungen.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:Relevanz für die Praxis II

Anlage in festverzinslichen Wertpapieren (Fortsetzung):Interpretiert man den Börsenkurs für eine solche Anleihe nun als Gegenwartswert und damit zugleich auch als (aktuellen) Kapitalwert dieser Anleihe (analog dazu bilden Kurs- bzw. Kapitalwertänderungen der Anleihe eine Reaktion auf eine Änderung des maßgeblichen Kalkulationszinses – hier des risikoadjustierten Kapitalmarktzinses, d.h. des allgemeinen Zinssatzes plus eines vom jeweiligen Emittenten abhängigen Risikozuschlags), gilt dann:

C0 RB Z CT ∙ .

C0 Z ; CT ∙ Nomi ∙ .

Beispiel:• Anleihe: Nominalwert 1000; Laufzeit 5 Jahre; Nominalzins 6%;

Marktzins 4%. Gesucht ist der aktuelle Börsenkurs C0 dafür:C0 ZRBF 4%; 5 Nominalwert ∙ 1 i 60 ∙ ,

,1000 ∙ 1,04 .

C0 60 ∙ 4,4518 1000 ∙ 0,8219 .Investition und Finanzierung Aurelio J. F. Vincenti 122

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:Relevanz für die Praxis III

Anlage in festverzinslichen Wertpapieren (Fortsetzung):Beispiel (Fortsetzung):• Anleihe: Nominalwert 1000; Laufzeit 5 Jahre; Nominalzins 6%;

Marktzins 6%. Gesucht ist der aktuelle Börsenkurs C0 dafür:C0 ZRBF 6%; 5 Nominalwert ∙ 1 i 60 ∙ ,

,1000 ∙ 1,06 .

C0 60 ∙ 4,2124 1000 ∙ 0,7473 .• Anleihe: Nominalwert 1000; Laufzeit 5 Jahre; Nominalzins 6%;

Marktzins 8%. Gesucht ist der aktuelle Börsenkurs C0 dafür:C0 ZRBF 8%; 5 Nominalwert ∙ 1 i 60 ∙ ,

,1000 ∙ 1,08 .

C0 60 ∙ 3,9927 1000 ∙ 0,6806 .Liegt der Marktzins über (unter) dem Nominalzins, notiert der Börsenkurs unter (über) dem Nominalwert einer derartigen festverzinslichen Anleihe.Gleichzeitig steigt diese Zinsempfindlichkeit mit der Laufzeit. Je länger diese ist, desto stärker reagiert der Kurs auf eine Änderung des Marktzinses.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:Relevanz für die Praxis IV

Unternehmensbewertung:Der Unternehmenswert eines ganzen Unternehmens bzw. der Wert eines Anteils (z.B. Aktie) davon ist theoretisch einfach bestimmbar:Aus moderner finanzierungstheoretischer Sicht entspricht dieser Wert eines Unternehmens allen zukünftigen Zahlungszuflüssen aus dem Unternehmen an den Eigner, abgezinst auf die Gegenwart:⇨Damit ist der Unternehmenswert der Kapitalwert eines zukünftigen

Zahlungsstroms auf einem unvollkommenen Markt unter Unsicherheit.Dieses Konzept lässt sich auch auf einen Unternehmensanteil (z.B. Aktie eine Unternehmens) übertragen.Es handelt sich um eine Prognose für mehrere unsichere Größen:

• Unsichere, zukünftige (!) Cash Flows.• Unsicherer Kalkulationszins.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:Relevanz für die Praxis V

Unternehmensbewertung (Fortsetzung):Unternehmenswert:Grundformel der Berechnung (entspricht der Kapitalwertformel):

UW

bzw.

UW .

Mit: UW = Unternehmenswert.CFt = Zahlungsstrom (Cash Flow) aus dem Unternehmen

an den Eigentümer in der Periode t (unsicher).i = Kalkulationszins (unsicher).t = PeriodenindexT = Planungszeitraum bzw. Lebensdauer des Unternehmens.

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Kapitel 05 – Investitionstheorie 4:Relevanz für die Praxis VI

Unternehmensbewertung (Fortsetzung):Die Vorgehensweise (bzw. das Problem) besteht aus folgenden Schritten:1. Festlegung eines geeigneten Planungshorizontes (Lebensdauerannahme).2. Schätzung der (unsicheren) Cash Flows für jede Periode.3. Bestimmung des relevanten (unsicheren) Kalkulationszinses (der

periodenspezifisch unterschiedlich sein kann): Hier unterscheiden sich die verschiedenen Methoden der Unternehmensbewertung:

• Kapitalmarkttheoretische Unternehmensbewertung:Nutzung eines Marktzinses i (aus einem Gleichgewichtsmodell abgeleitet): Die gesamte Zukunftsunsicherheit wird durch einen „marktgemäßen“ Risikozuschlag auf einen „sicheren“ Marktzins is berücksichtigt.• Investitionstheoretische Unternehmensbewertung:Nutzung eines individuellen, subjektiven Zinses i:Ein unvollkommener Kapitalmarkt erfordert eigentlich ein Totalmodell. In der Praxis wird die gesamte Zukunftsunsicherheit dennoch häufig als subjektiver Risikozuschlag auf einen „sicheren“ Marktzins is in die Kalkulation einbezogen.

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen I

Investition:Auszahlung zur Beschaffung von Gütern(Sachgüter oder Finanzgüter bzw. Rechte):• I.d.R. auf eine längere Frist ausgerichtet.• Mit einer oder mehreren zukünftigen (unsicheren) und

erwartungsgemäß höheren Einzahlungen aus der Verwertung der beschafften Güter verbunden.

Finanzierung:Beschaffung von Zahlungsmitteln als Gewährleistung der Verfügung über finanzielle Mittel durch:• Generierung/Vorziehen (zusätzlicher) Einzahlungen.• Vermeidung/Verschiebung von Auszahlungen.

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen II

Die zentrale Aufgabe des Finanzmanagements in einem Unternehmen liegt daher bei einer an Zahlungsströmen orientierten, modernen Sichtweise der Finanzierung im

Erhalt der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit(Wahrung der Liquidität) des Unternehmens.

Das Unternehmen muss also zu jeder Zeit in der Lage sein, alle zu einem gewissen Zeitpunkt fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.Dies kann erfolgen durch:• Rückgriff auf bereits vorhandene Bestände an Zahlungsmitteln

(Geldvermögen) im Unternehmen, z.B. Kassenhaltung.• Beschaffung zusätzlicher Bestände an Zahlungsmitteln durch z.B.

– Kreditaufnahme oder– Verkauf von Vermögenswerten des Unternehmens.

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen IIISystematik der Finanzierungsformen:

1. Zweigeteilte Unterscheidung der Finanzierungsinstrumente nach der Rechtsstellung der Kapitalgeber (in der Insolvenz):a. Eigenfinanzierung: Der Kapitalgeber wird in der Insolvenz nicht

der Gruppe der Gläubiger zugeteilt.b. Fremdfinanzierung: Der Kapitalgeber tritt in der Insolvenz als

Gläubiger auf.Diese Differenzierung erfolgt i.d.R. anhand folgender Merkmale:• Gewinnansprüche (während der Laufzeit der Geldüberlassung).• Rückzahlungsanspruch (am Ende der Laufzeit).• Geschäftsführungs- und Kontrollrechte (während der Laufzeit).• Rechte in der Insolvenz.• Steuerliche Gesichtspunkte.

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen IV

Systematik der Finanzierungsformen (Fortsetzung):

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Merkmale Fremdfinanzierungz.B. Bankkredit

Eigenfinanzierungz.B. Gesellschafter OHG

Planmäßiger Verlauf der FinanzierungGewinnansprüche während

der LaufzeitVertraglich vereinbarter Zins

unabhängig vom ErfolgErfolgsabhängige Beteiligung

am GewinnRückzahlungsanspruch

am Ende der LaufzeitVertraglich vereinbarter Termin

zur KredittilgungKeine Laufzeit, jedoch Verkauf

oder LiquidationsanteilGeschäftsführungs- und

KontrollrechteKeine, jedoch Sicherheiten oder

BürgschaftenTeilhabe an der

GeschäftsführungInsolvenz des Unternehmens

Rechtsstellung in der Insolvenz Ansprüche als Gläubiger Keine Gläubigeransprüche,

Haftung mit Privatvermögen

Steuerliche DimensionSteuerliche Behandlung der Gewinnansprüche

Zinszahlungen für Fremdkapitalsind steuerlich abzugsfähig

Gewinnbeteiligung unterliegtder Steuer

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen V

Systematik der Finanzierungsformen (Fortsetzung):Man beachte, dass es sich bei der Unterscheidung in Eigen- und Fremdfinanzierung um eine stark schematisierende Einteilung in Idealtypenhandelt.In der Realität gibt es diverse Finanzierungsinstrumente, die sowohl Merkmale der Eigenfinanzierung als auch Merkmale der Fremdfinanzierung gleichzeitig besitzen. Diese Finanzierungsinstrumente werden als Mezzanine Kapital bzw. Hybridkapital bezeichnet.Beispiele für Mezzanine Kapital:• Nachrangdarlehen: Durch eine Rangrücktrittserklärung des Kapitalgebers

wird eine Nachrangigkeit im Insolvenzfall gegenüber anderen Gläubigern geschaffen.

• Partiarisches Darlehen: Zur Nachrangigkeit tritt eine Partizipation des Kapitalgebers am wirtschaftlichen Erfolg durch eine variable Vergütung hinzu.

• Genussrechte: Details wie Vergütung, Laufzeit, Verlustbeteiligung, Kündigung, Rückzahlung und Informationsrechte werden individuell vereinbart.

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen VI

Systematik der Finanzierungsformen (Fortsetzung):2. Zweigeteilte Unterscheidung der Finanzierungsinstrumente nach

der Mittelherkunft des Kapitals:a. Außenfinanzierung. b. Innenfinanzierung.

Bei beiden Formen liegen die eigentlichen Quellen für den Zustrom von Zahlungsmitteln außerhalb des Unternehmens. Allerdings gelten für ihre Differenzierung zusätzlich folgende Merkmale:• Ursache/Auslöser des Zahlungsmittelzuflusses:

a. Außenfinanzierung: Zahlungsmittelzufluss durch eigenständige Finanzierungsvorgänge außerhalb des betrieblichen Leistungs- und Umsatzprozesses.

b. Innenfinanzierung: Zahlungsmittelzufluss durch Vorgänge innerhalb des betrieblichen Leistungs- und Umsatzprozesses.

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen VII

Systematik der Finanzierungsformen (Fortsetzung):Zu 2. Unterscheidung nach Mittelherkunft:• Gegenleistung für den Zahlungsmittelzufluss:

a. Außenfinanzierung: Gegenleistung für den Geldzufluss sind spätere Zahlungsmittelabflüsse, z.B. als Zins- und Tilgungszahlungen, Gewinnbeteiligungen.

b. Innenfinanzierung: Gegenleistung für den Geldzufluss sind Lieferungen im Rahmen des betrieblichen Leistungs- und Umsatzprozesses, z.B. produzierte Güter und Dienstleistungen.

• Zeitpunkt der Gegenleistung für den Zahlungsmittelzufluss:a. Außenfinanzierung: Gegenleistung erfolgt stets nach der

Einzahlung.b. Innenfinanzierung: Gegenleistung (Lieferung des Produktes)

erfolgt i.d.R. vorher oder gleichzeitig, selten (Anzahlung) danach!

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen VIII

Systematik der Finanzierungsformen (Fortsetzung):Zu 2. Unterscheidung nach Mittelherkunft:• Berechnung des Zahlungsmittelzuflusses:

a. Außenfinanzierung: Zahlungsströme als Bruttogrößen, d.h. Höhe des Geldzuflusses entspricht der Finanzierungswirkung.

b. Innenfinanzierung: Zahlungsströme sind Nettogrößen, d.h. Finanzierungswirkung ist die Differenz zwischen Einzahlungen (Verkaufspreis) und Auszahlungen (z.B. Kosten der Produktion). Diese Differenz kann (manchmal) negativ sein.

• Durchführung der Finanzierungsmaßnahme:a. Außenfinanzierung: Entscheidungskompetenz dafür i.d.R. beim

Finanzmanagement des Unternehmens.b. Innenfinanzierung: Entscheidungskompetenz dafür i.d.R. beim

Management des betrieblichen Leistungs- und Umsatzprozesses.

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Finanzierungsformen IX

Systematik der Finanzierungsformen (Fortsetzung):

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Eigenfinanzierung Fremdfinanzierung

Überblick zu den Finanzierungsformen

Außenfinanzierung

Innenfinanzierung

Beteiligungs-finanzierung

Kredit-finanzierung

Selbst-finanzierung

(aus realisierten Gewinnen)

Finanzierung durch Kapital-

freisetzung

Finanzierung aus Rückstellungen/Abschreibungen (bei Gewinnen)

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Weitere Grundlagen 1

Ziele bei der Auswahl der Finanzierungsinstrumente:Gibt es Gestaltungsspielräume bei der Unternehmensfinanzierung bieten sich als Bewertungskriterien für die Auswahl einzelner konkreter Alternativen im Finanzierungsbereich folgende Finanzierungsziele an:1. Liquidität.2. Rentabilität.3. Sicherheit bzw. Risiko.Der Begriff Liquidität besitzt in der Ökonomie zwei unterschiedliche Bedeutungen:• Die bereits bekannte Fähigkeit, fälligen finanziellen Verpflichtungen zeit- und

betragsgenau nachkommen zu können. Der Erhalt dieser Zahlungsfähigkeitist zentral für den Unternehmensfortbestand.

• Die Eigenschaft von Wirtschaftsgütern, als Zahlungsmittel zu dienen oder in Zahlungsmittel umgewandelt werden zu können (Liquidierbarkeit).

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Kapitel 06 – Finanzierung 1:Weitere Grundlagen 2

Rendite und Kapitalstruktur eines Unternehmens:Üblicherweise erfolgt die (Außen-)Finanzierung eines Unternehmens durch eine Mischung von Eigen- und Fremdfinanzierung. Neben den Einlagen aus den Vermögen der Eigentümer nimmt ein Unternehmen i.d.R. noch Kredite auf und verschuldet sich dadurch.

Auswirkungen des Verschuldungsgrades auf die Rendite des Unternehmens als Leverage-Effekt:

Die Rendite als Kennzahl für relative Vermögensänderungen pro Periode lässt sich auch auf den Bereich des Unternehmensvermögens übertragen:• Gesamtrendite RG bei der im Zähler als Bruttoüberschuss der Gesamterfolg

des Unternehmens pro Periode und im Nenner das von allen Kapitalgebern am Periodenanfang zur Verfügung gestellte Gesamtkapital GK steht. Hierbei besteht dieses Gesamtkapital aus Eigenkapital EK und Fremdkapital FK.

Periodenendergebnis GKGK

ü.

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