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Download WAS KINDER DÜRFEN Was Kinder dürfen - · PDF file19 WAS KINDER DÜRFEN Die Frage, was Kinder dürfen, gehört zu den wichtigsten Themen, die das Projekt „Kon-flikt als Chance“

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    WAS KINDER DRFEN

    Die Frage, was Kinder drfen, gehrt zu denwichtigsten Themen, die das Projekt Kon-flikt als Chance untersucht. Und sie stehtauch bei Eltern und Erzieherinnen im Mittel-punkt des Interesses. Bislang haben alleBeteiligten nur die eine oder andere Befra-gung erlebt und mussten sich in punctoErgebnis gedulden. Denn bei umfangrei-chen Studien und das vom Institut frangewandte Familien-, Kindheits-undJu-gendforschung an der Universitt Potsdam(IFK) realisierte Projekt zhlt mit insgesamtmehr als 3.000 Einzelerhebungen dazu liegt zwischen der jeweiligen Befragung undden ersten Resultaten ein gehriger BergAuswertungsarbeit. Obwohl die Analysenoch nicht abgeschlossen ist, sollen in die-ser Ausgabe der KitaDebatte bereits einzel-ne Ergebnisse prsentiert werden.

    Im Mittelpunkt des IFK-Projektes steht dieFrage danach, wie sich bei Vorschulkinderndie Fhigkeiten zum Verhandeln eigenerInteressen entwickeln und was diese Ent-wicklung beeinflusst. Dieses Verhandeln mitGruppen als eine besondere Form derKooperation nennen die Soziologen kurzPartizipation, und sie nehmen an, dass dazuein gewisses Ma an Unabhngigkeitgehrt: Wer erfolgreich verhandeln will,muss mit einem bestimmten Grad an Auto-nomie agieren. Dies mag zunchst paradoxklingen, geht es doch vor allem darum,gemeinsam mit anderen zu Verhandlungs-lsungen zu kommen, mit denen alle Betei-ligten leben knnen. Doch wer von anderenals abhngig und steuerbar wahrgenommenwird, der hat es schwer, als Verhandlungs-

    partner ernst genommen zu werden. Diesbelegen auch Untersuchungen zu der Frage,wie Minderheiten Mehrheiten beeinflussenknnen: Autonomie, so das Ergebnis, ist einwichtiges Kriterium fr erfolgreiche Einfluss-nahme. Wer nicht autonom ist, hat auchkeine Mglichkeit zur freien Entscheidung.Dabei darf Autonomie jedoch nicht mit gei-stig-moralischer Reife gleichgesetzt werden.Es gibt sehr wohl autonom getroffene Ent-scheidungen, die vollkommen unsinnig oderantisozial sind.

    Dass Autonomie zu den menschlichenGrundbedrfnissen gehrt, lsst sich schonbei Kleinkindern beobachten: Pltzlich wol-len sie sich nicht mehr fttern lassen, son-dern selbst den Breilffel in die Hand neh-men und Richtung Mund schieben. Wie rea-gieren die Eltern? Sie werden einschtzen,ob die motorischen Fhigkeiten ihres Kindeszumindest so weit entwickelt sind, dass es Fehlversuche und erhhter Reinigungsauf-wand einkalkuliert das selbststndigeEssen in der nchsten Zeit erlernen kann. Eskommt also darauf an, Freirume zu schaf-fen, die dem Kind Gelegenheit geben, unab-hngiger zu werden. Wird ihm alles vorge-schrieben, kann es nicht lernen, sichgeschickt fr eigene Interessen zu engagie-ren. Insofern frdern Regeln nicht automa-tisch die Entwicklung der Verhandlungs-fhigkeit. Andererseits haben jedoch auchKinder, die zu Hause alles drfen und keineEinschrnkungen erleben, Probleme damit,geschickt zu verhandeln, wenn sie in ande-rer Umgebung doch einmal auf Grenzenstoen. Nur die Erfahrung der berwunde-

    Was Kinder drfenBefragung von Eltern, Kindern und Erzieherinnen/Ergebnisse des Projektes

    Konflikt als Chance liegen vor

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    nen Grenzen schafft auch psychische Auto-nomie.

    Entscheidend ist demzufolge, dass die Kin-der an der Aufstellung und phasenweisenVernderung von Regeln beteiligt werdenund auch ber begrndete Ausnahmen vonder Regel diskutieren drfen dass ihnenFreirume angeboten werden. Freirumesind demnach fr die Entwicklung vonAutonomie bedeutend, und diese gilt wie-

    derum als Voraussetzung fr erfolgreichessoziales Aushandeln. Deshalb wurdensowohl Eltern und Erzieher als auch Kinderdanach befragt, wie sie es mit diesenFreirumen handhaben. Zunchst waren die Muttis und Vatisgefragt: Inwieweit darf Ihr Kind beiden folgenden Themen schon alleineentscheiden/mitbestimmen? Ant-worten konnten die Eltern mit Ja,Eher Ja, Eher Nein und Nein.

    Aus den Durchschnittswerten dieserAntworten ergab sich die Reihenfolgedessen, was den am Projekt beteiligtenKindern zu Hause erlaubt wird (sieheGrafik 1). berraschend ist die durchschnittlicheReihenfolge sicher nicht: Whrend fast

    alle Kinder selbst bestimmen knnen, was,mit wem und wo sie spielen, drfen nur diewenigsten ber ihr Taschengeld oder denZeitpunkt des Schlafengehens entscheiden.Da die Eltern im Einzelfall sehr unterschied-liche Vorstellungen darber hatten, welcheder 21 Einzelpunkte eng zusammen-gehren, war eine zusammengefassteBetrachtung nicht mglich. Fr eine detail-liertere Untersuchung aller erfragten Mitbe-stimmungsthemen fehlt an dieser Stelle der

    Platz, sodass exemplarisch auf vier Punktenher eingegangen werden soll, nmlichinwieweit das Kind alleine entscheiden odermitbestimmen darf,

    WAS KINDER DRFEN

    Vollstndige Formulierung der Fragen:Inwieweit darf Ihr Kind mitbestimmen?

    1 was gespielt wird2 wie und mit wem es Geburtstag feiert3 ob es Spielzeug irgendwohin mitnimmt4 was es zum Essen gibt5 was es it bzw. ob es aufit6 wie das Zimmer ausgestaltet ist7 was es anzieht8 wie die Familie die Freizeit verbringt9 ob/wofr sein geschenktes/gespartes

    Geld ausgegeben wird10 zu wem es freundlich ist11 wo gespielt wird (Rume, drauen)

    12 was gekauft wird (Spiele, Kleidung)13 welche Haushaltspflichten es erfllt14 wieviel Kinder es mit nach Hause bringen

    darf und welche und zu welchen Zeiten15 ob es eine bestimmte Fernsehsendung sieht16 wie es Ordnung hlt17 was entsorgt wird (Spielzeug, Kleidung)18 ob es Dinge aus eigenem Besitz (Spielzeug

    u.. eintauscht (mit anderen Kindern)19 wann und wieviel genascht werden darf20. ob es ein Haustier bekommt21. wann es schlafen geht

    Grafik 1

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    WAS KINDER DRFEN

    1. was es anzieht (Kleidung bestim-men), 2. mit wem und bei wem esspielt (Spielpartner/-orte), 3. wie vieleKinder es mit nach Hause bringt, wel-che und zu welchen Zeiten (Kindernach Hause) und 4. ob es Dinge auseigenem Besitz mit anderen Kinderneintauscht (Besitz eintauschen). DieBezeichnungen in Klammern entspre-chen denen in Grafik 1; dort sind dievier ausgewhlten Themen zudem miteinem Sternchen markiert.

    Betrachtet man nur diese Themen, solassen sich drei Typen von Eltern fin-den. Die grte Gruppe (46%) zeigte sichgenerell grozgig und beantwortete allevier Fragen mit Ja oder Eher ja sie sei-en im Folgenden kurz Erlauber genannt.Die zweite Gruppe (29%) bertrifft dieErlauber teilweise sogar an Grozgig-keit, allerdings mit einer bedeutsamen Ein-schrnkung: Ihre Kinder drfen nur im abso-luten Ausnahmefall eigene Sachen mitanderen Kindern tauschen. Deshalb firmiertdiese Gruppe unter Besitztauschgegner.Der dritte Typ (25%) verhlt sich schon inpuncto Kleidung sowie Spielpartner und -orte etwas restriktiver, eine Mitbestimmungbei den anderen beiden Themen (Kindernach Hause und Besitz eintauschen) lehntdiese Gruppe erst recht ab, weshalb sie alsEher Restriktive bezeichnet werden.Als nchster Punkt wurde untersucht, obsich in der Zusammensetzung der drei Grup-pen Unterschiede hinsichtlich der Zuge-hrigkeit zu einem der vier beteiligten Bun-deslnder ergeben. Grafik 2 prsentiert dieAntwort: In der Gruppe Eher Restriktivefinden sich deutlich mehr Eltern aus Bran-denburg (44%) und Mecklenburg-Vorpom-mern (37%) als Eltern aus Bremen (16%)und Niedersachsen (15%). Zwei Drittel derBremer Eltern lassen sich in die Gruppe derErlauber einordnen, zu der auch gut die

    Hlfte der niederschsischen Eltern (51%)gehrt, aber nur rund ein Drittel der Befrag-ten aus Mecklenburg-Vorpommern (38%)und Brandenburg (31 %). Dagegen fallendie Unterschiede in der Gruppe derjenigen,die vor allem Tauschgeschften ihrer Kinderablehnend gegenberstehen, nicht so groaus.

    Oft heit es, Jungen drften mehr alsMdchen. Die Ergebnisse der IFK-Studie besttigen dies allerdings nicht. Auch fr dieverbreitete Auffassung, Eltern erlaubtenjngeren Geschwistern mehr als einstmalsden lteren, lassen sich keine Belege finden.Als Erklrung fr dieses vor allem vongroen Brdern und Schwestern beklagte Phnomen kommt eher ein allgemeinerhistorischer Trend zu mehr Freizgigkeit inFrage: Jahre zuvor erlaubten Eltern ihrenKindern generell weniger als heute, unab-hngig davon, ob Geschwister existierenoder nicht.

    Bisher ging es um die Einschtzung derEltern, nun richtet sich die Aufmerksamkeitauf die Kinder: Auch sie wurden hinsichtlichihrer Freiheiten befragt und zwar fr 11 derin Grafik 1 dargestellten 23 Themen, vondenen angenommen wurde, dass Kinder sie

    Grafik 2

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    schon gut beurteilen knnen. Dabei lautetedas Fragemuster wie folgt: Darfst du ...(...bestimmen, wer zu deiner Geburtstags-feier kommt)? Ja oder Nein? Lautete dieAntwort Ja, wurde nachgefragt Immeroder Manchmal auch nicht?, entschiedsich das Kind dagegen fr Nein, musste esnoch zwischen Nie oder Manchmaldoch differenzieren. Die Ergebnisse dieserBefragung finden sich in Grafik 3.

    Demnach gaben die Kinder an, eher bei denThemen Bestimmung von Geburtstagsg-sten und Spielpartnern mitreden zu drfen,als bei solch heiklen Themen wie Aufrumenund ins Bett gehen. Anders als bei ihren Eltern unterschiedensich die Einschtzungen der Kinder jedochkaum danach, in welchem Bundesland sieleben. Differenzen gab es lediglich bei zweider 11 abgefragten Themen: Kinder ausNiedersachsen und Bremen sprechen zumeinen hufiger von Mitbestimmungsmg-lichkeiten, wenn es ums Einkaufen geht,und zum anderen drfen sie auch in SachenSchlafenszeit fter ein Wrtchen mitredenals ihre Altersgenossen in Brandenburg undMecklenburg-Vorpommern.

    Fr die 11 der 23 Themen, zu denen sowohlEltern als auch Kinder befragt worden sind,

    lassen sich die Ergebnisse miteinander ver-gleichen. Die Reihenfolge hinsichtlich derdurchschnittlichen Mitbestimmungsmg-lichkeiten ist bei Eltern und Kindern nahezugleich (siehe Grafik 1 und 3). Lediglich zweiThemen ordnen die Kinder anders ein alsihre Eltern: Eine bestimmte Fernsehsendungsehen zu drfen steht bei den Kindern andritter Stelle der Mitbestimmungsreihenf