was machen die erbsen im gartenschlauch? helmut … · didaktik naturwissenschaftlichen arbeitens...
TRANSCRIPT
Was machen die Erbsen im Gartenschlauch? Helmut Maier
Erwerb und Aneignung sprachlicher Kompetenzen
Mündlichkeit - Schriftlichkeit
Die Entwicklung der Fachsprache, der Sachtexte
Bedeutung der Erfahrungsorientierung im SU
Neurobiologische Voraussetzungen
Didaktik naturwissenschaftlichen Arbeitens
Hilfen der Versprachlichung
Konkrete Beispiele kindgerechten Experimentierens
Zwei Gummibärchen sind in ihrem Boot unterwegs. Am Grund des Sees liegt ein verborgener Schatz. Sie dürfen aber nicht nass werden.
Kannst du ihnen helfen?
Verbales ist eingefügt
ins Gesamtverhalten. Weitgehend auf Sprachliches
reduzierte Mitteilung. Geringer
Anteil von Para- und
Nonverbalem, keine körperlich-
stimmliche Präsenz.
Kontextualisierung (Einbettung
in Szenarios) durch Sprache,
Körper, Partnerbezug,
Handeln, Situation.
Kontextualisierungshinweise sind
sprachlich
in genügender Dichte zu geben.
Modus der Mündlichkeit Modus der Schriftlichkeit
Gespräch: Sprache in Aktion Text: Sprache als Werk
In Pausen, Neuansätzen, Gestik,
Stimme, Wiederholungen,
Antwortverhalten sind kognitive
und kommunikative Prozesse
direkt gespiegelt.
Kein direkter Zugang zu
kognitiven und kommunikativen
Prozessen - der Text ist geglättet,
überformt, abgelöst vom
aktuellen Prozess der Kundgabe.
Verständigungsbasis wird
kooperativ aufgebaut und
Schritt für Schritt neu
eingestellt („Aushandeln“).
Sprachlich zusammenhängende
Darstellung von Intention und
Sachverhalten als Vorleistung
von Schreibenden („Planen“).
Modus der Mündlichkeit Modus der Schriftlichkeit Gespräch: Sprache in Aktion Text: Sprache als Werk
Prozessual - Mitteilung als Akt,
Kommunikation als Ereignis
(einmalig konstelliert, nicht-
bleibend, nicht wiederholbar).
Resultativ - Mitteilung als Produkt,
„zerbrochene Kommunikations-
situation“ (stabile, speicherbare,
wiederholt lesbare Nachricht).
Komplexere Verarbeitung von
Intentionen und
Sachverhaltsdarstellungen
Striktere Normen (Sprache, Register,
Äußerungsform)
Neue, andersartige Funktionen
Rückwirkungen aufs Mündliche
(Portmann-Tselikas, 2005)
Modus der Mündlichkeit Modus der Schriftlichkeit Gespräch: Sprache in Aktion Text: Sprache als Werk
Folgerungen einer Untersuchung
Schreibanfänger und Schreibanfängerinnen
treten in Dialog mit dem „oralen Leser“.
Ihre Texte sind nach dem Muster eines
Gesprächs gekennzeichnet.
Mündliche Erzählschemata werden zum
Schreiben von Geschichten genutzt. (Weinhold, 2002, S. 150)
Merkmale schulischen Sprachgebrauchs
themengebundenes Sprechen und Denken,
nicht direkt von praktischen Zielen
bestimmtes Sprechen, Denken und Lernen,
Verstehen und Produktion textuell geformter
Sprache und
komplexe Sprach- und Denkanforderungen
auch im Mündlichen (Portmann-Tselikas, 1998, S. 24).
Literale Kompetenzen
Ziel des schulischen Spracherwerbs ist der
Aufbau literaler Kompetenzen
(Textkompetenzen).
Diese bilden sich aus der Orientierung an der
Standardsprache und an der
Schriftsprache.
Alltagssprache als Basis
Literale Sprachkompetenzen entwickeln sich
aus der Alltagssprache, die in der primären
Sozialisation angeeignet wurde.
In der Alltagssprache finden sich Vorformen
und Ansatzpunkte für die individuelle
Entwicklung der weiterführenden
spezialisierten Muster des Sprachgebrauchs.
Literale Kompetenzen …
… sind das Ziel der schulischen Ausbildung.
… sind gleichzeitig auch das Medium der
schulischen Auseinandersetzung mit den
Lerngegenständen.
… können resultativ beschrieben werden.
… können dynamisch beschrieben werden
(Merkmale und Stadien der Entwicklung).
(Portmann-Tselikas, 2011)
Fragen
Was verraten die Merkmale der Texte über
die Strategien, mit denen die Schreibenden,
die Aufgabe bewältigen?
Welche Schreibformen stehen den
Schüler/inne/n zur Verfügung?
Welche neuen Schreibformen entdecken die
Schüler/innen, wenn sie sachlich über ein
Thema zu schreiben versuchen?
Sprachliche Indizien für das Erzählen
Es war einmal …
Und weil es bald Winter wurde, fraß sich der
Igel dick und fett.
Als er dick genug war, suchte er sich einen
schönen Garten und baute sich ein Haus.
Er träumte vom Frühling … er wachte auf
und sah die Blumen …
Der Igel als Individuum
Es war einmal ein Igel. Er war noch ganz
klein.
… er hieß Klobi.
Er will nicht, dass er stirbt.
… wachten die beiden auf und erzählten sich
Geschichten.
Erzählen als Rahmen für die Kodierung von Sachinformationen
…weil es bald Winter wurde, fraß sich der
Igel dick.
Als der Winter zu Ende ging, wachten die
beiden auf.
Am 20. März wacht der Igel auf. Bei 15 Grad
wacht der Igel auf.
Der sachliche Blick
Der Igel im Winter
Der Igel frisst sich dick, dass er den Winter überlebt. Der Igel
schläft den ganzen Winter lang. Der Igel frisst seltene Arten von
Schnecken. Der Igel hat 16000 Stacheln. Der Igel rollt sich ein, um
sich vor Feinden zu schützen.
• Ein vergleichsweiser armer Text
• Farblos, strukturell repetitiv
• Kein Erzähltext
Sprachstrategien
Die Ent-Individualisierung (Vermeidung von
Innerlichkeit)
Der Einsatz fachsprachlicher Begriffe
Die Wahrnehmung von Gegebenem als
Sachverhalt
Strategie der Ent-Individualisierung
Der Igel frisst sich dick, dass er den Winter
überlebt.
Der Igel schläft den ganzen Winter lang.
Der Igel frisst seltene Arten von Schnecken.
Der Igel hat 6000 Stacheln.
Der Igel rollt sich ein, um sich vor Feinden zu
schützen.
Strategie der Fachsprachlichkeit Beispiel: Winterschlaf halten
Der Winter ist kalt und der Igel schläft.
Der Igel schläft den ganzen Winter lang.
Der Igel macht Winterschlaf.
Der Igel macht im Winter einen Winterschlaf.
Der Igel macht im Winter immer einen Winterschlaf.
Er hält Winterschlaf.
Strategie: Gegebenes als Sachverhalt wahrnehmen
Der Igel baut sich mit Moos und Blättern ein
Nest.
Der Igel ist nachtaktiv.
Der Igel ist ein großer Insektenfresser.
Der Igel hat ganz kleine Füße.
Sein Herz schlägt langsam und er atmet
langsam.
Verlust des Textschemas
Gerade die einfachsten Texte zeigen in ihren
Formulierungen kaum narrative Momente:
Reduktion auf bare Saxchverhalte
Isolierung von Informationselementen.
Verzicht auf thematische Integration.
Verzicht auf sprachliche Integration.
(Portmann-Tselikas, 2011)
Neue Sachverhaltsintegration
Er sucht sich einen Blätterhaufen, um dort zu
schlafen.
Der Igel frisst sich dick, dass er den Winter
überlebt.
Der Igel rollt sich ein, um sich vor Feinden zu
schützen.
Wenn ein Auto kommt oder ein Traktor, dann
rollt sich der Igel ein.
Beispiele von Addition
Und baute sich ein Haus.
Und hat kleine Füße.
Und viele Stacheln.
Und wir haben von Isidor gelernt.
Das Phänomen der Addition
Auch das bloß Wissen wiedergebende Schreiben
verlangt nach Konstruktion. Entwicklungspsycho-
logisch gesehen machen die Verfasser solcher Ge-
schichten den allerersten Schritt zu einer schriftli-
chen Darstellung eines mehr oder weniger komple-
xen Sachverhaltes. Die Addition vergleichbar mit
den ersten Schritten beim Gehenlernen erscheint
unkoordiniert, wild und ziellos und auf das Gelingen
eines Schrittes konzentriert und nicht auf ein
übergeordnetes Ziel hin orientiert (Ortner, 2007, S. 125).
Neue Schemata sind sprachliche und kognitive Formate
Sie organisieren und koordinieren das
sachliche Wissen.
Sie erlauben es, den Zusammenhang von
Sachverhalten explizit zu machen – für das
eigene Denken und die Kommunikation.
Sie bilden die Basis für die Entwicklung
weiterer komplexer Kompetenzen im Bereich
der Sachtexte.
Zusammenfassung
Die Elemente, die hier eine Rolle spielen,
sind in der Alltagssprache grundgelegt. Ihr
Sinn und ihre angemessene Verwendung
muss aber domänenspezifisch noch einmal
erarbeitet werden.
Unterschiedliche Kompetenzstufen bei der
schrittweisen Erschließung von Neuem
Fazit: Innere Mehrsprachigkeit
Die unterschiedlichen sprachlichen und
textuellen Formen strukturieren Perspektiven
auf die Welt.
Innerhalb der eigenen Sprache werden
unterschiedliche Weisen des Begreifens und
Darstellens von Welt möglich.
Spontaneität und Überformung
Unterrichtliche Arbeit steht im Spannungsfeld
zwischen dem was IST (den aktuellen
Kompetenzen der Schüler/innen)
… und dem, was sein SOLL (den zu
erreichenden Kompetenzen.
Unterrichtliche Inszenierung
Die Distanz zwischen IST und SOLL wird
markiert durch
Sprachliche Vorbilder (in der Sprache der
Materialien und der Lehrkraft)
Lernziele
Inszenierung erfolgt in Fragen,
Aufgabenstellungen Hinweisen
Fehlerdiagnosen, Korrekturen,
Verhaltensanweisungen …
Die Alltagssprache bildet die Grundlage, auf
der sich neue sprachliche Elemente
aufbauen, bedarf aber einer
Bewusstmachung.
Die Sachverhaltsdarstellungen zeigen einmal
mehr eine weitere Facette der inneren Mehr-
Sprachigkeit, die sich im schulischen Kontext
entwickelt. (Portmann-Tselikas, 2011)
Allgemeine Bemerkungen
Kompetenz-Orientierung vs. Defizit-Orientierung
Zum Versuch selbst
3 NaHCO3 + C6H8O7 → C6H5Na3O7 + 3 H2O + 3 CO2
Analyse der verwendeten Fachausdrücke: Texte der Studierenden (N = 61)
Explosion: 2
Chemische Reaktion: 3
Druck: 37 (Umschreibung: mehr Platz: 5)
Gas: 10
Kohlendioxid: 2
Luft bzw. Luftblasen*: 6
Analyse der verwendeten Fachausdrücke: Texte der Kinder, 4. Schulstufe (N = 16)
explodiert: 2
Chemische Reaktion: 3
Druck: 7 (Umschreibung: mehr Platz: 1)
Gas: 1
CO2: 3
Luft *: 1
Formulierungen, die fachlich nicht zulässig sind – Studierende
Brause braucht Luft, um sich aufzulösen. (5)
Das Wasser steigt an. (2)
Die Brause hat Druck erzeugt.
In der Brausetablette ist Phosphat und Kohlendioxid.
Die Brausetablette verdrängt die Luft.
Luft dehnt sich aus.
Formulierungen, die fachlich nicht zulässig sind – Kinder
Der Deckel fliegt mit 250 km/h durch die Luft.
Formulierungen, die sprachlich anders gelöst wurden – Studierende
Teile des Wassers wurden gasförmig.
Die Brause bekommt Druck.
… braucht mehr Volumen …
vakuumdicht
Prinzipiell war dies eine Miniexplosion.
Je mehr Gas entsteht, desto höher wird
der Druck im Filmdöschen.
Der Druck muss sich Luft machen.
Formulierungen, die sprachlich anders gelöst wurden – Kinder
Die Brausetablette will hinaus.
Der Druck sucht sich einen Ausweg.
Die Luft ist in diesem Behälter zu viel geworden.
Was weiters dem kindlichen Darstellungscharakter
entspricht sind Zeichnungen.
Ziel des Sachunterrichts (Köhnlein)
„Sachunterricht … nimmt Erfahrungen
und ursprüngliche Ansätze der
Wirklichkeitserkundung der Kinder auf
und führt sie weiter zu gesicherten
Formen des Wissens und Könnens …“
Gewichtung der ELB bei den Studierenden
0
50
100
150
200
250
300
Gemeinschaft Natur Zeit Raum Technik Wirtschaft
Frage 1
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Auszug aus: Maier H. & Maier G. (2011). Schlaumeier entdecken
Mathematik 3. Wien: E. Dorner. S. 50.
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Auszug aus: Maier H. & Maier G. (2012). Schlaumeier
entdecken Mathematik 4. Wien: E. Dorner. S. 32.
Lernstoff
Gefühl ein synchrones
Erregungsmuster
entsteht
Die Erinnerung an den
Lerninhalt löst das
dabei mitgelernte
Gefühl wieder aus
Angst
Circulus
vitiosus
Belastung
Vermeidung
Negative
Erwartung
Gescheiterte
Bewältigung
Selbstzweifel
1. Das Gehirn ist eine Baustelle.
2. Subjektive Bewertungen sind entscheidend.
3. Gefühle sind wichtig.
4. Erfahrungen hinterlassen Spuren.
5. Das Gehirn ist ein soziales Konstrukt.
6. Das Bedürfnis über sich hinauszuwachsen und
verbunden zu bleiben ist im Gehirn verankert.
(Hüther, 2005)
Zusammenfassung