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Das partizipative Web (Web 2.0) löst einen Entwicklungsschub bei der Öffnung des Innovationsprozesses aus. Crowdsourcing--Anwendungen und -Geschäftsmodelle gehen über web-basierte Lead-User-Konzepte hinaus. Der Beitrag gibt einen Einblick in verschiedene Formen der Partizipation mit Unternehmensexternen, stellt Beispiele vor und geht schliesslich auf Herausforderungen für das Innovationsmanagement von Unternehmen ein.Inzwischen publiziert in:Back, A. Web-based Open Innovation - Wie Online-Gemeinschaften Dienstleistungen, Produkte undWissen mitgestalten. In: Hornung-Prähauser, V.; Luckmann, M. (Hrsg.). Kreativität und Innovationskompetenzim digitalen Netz. Tagungsband zur EduMedia der Salzburg Research 2009. SalzburgResearch Forschungsgesellschaft, Salzburg 2009

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Page 1: Web-Based Open Innovation - Wie Online-Gemeinschaften Dienstleistungen, Produkte und Wissen mitgestalten

ANDREA BACK

Web-based Open Innovation Wie Online-Gemeinschaften Dienstleistungen,

Produkte und Wissen mitgestalten

Page 2: Web-Based Open Innovation - Wie Online-Gemeinschaften Dienstleistungen, Produkte und Wissen mitgestalten

Web-based Open Innovation - Wie Online-Gemeinschaften Dienstleistungen, Produkte und Wissen mitgestalten Andrea Back Universität St. Gallen, IWI Competence Network Business 2.0, Schweiz

Abstract: Nach der erfolgreichen Open-Source-Bewegung bei Software löst das partizipative Web einen weiteren Entwicklungsschub bei der Öffnung des Innovationsprozesses (Open Innovation) aus. Crowdsourcing-Anwendungen und -Geschäftsmodelle gehen über webbasierte Lead-User-Konzepte hinaus. Die sogenannten Web-2.0-Technologien und Design Prinzipien fügen den Online-Foren grundlegend neue Gestaltungsmittel hinzu. Der Beitrag gibt einen Einblick in verschiedene Formen der Partizipation mit Unternehmensexternen, stellt Beispiele vor und geht schliesslich auf Herausforderungen für das Innovationsmanagement von Unter-nehmen ein.

1 Entwicklungsschub durch Technologien und Prinzipien des Social Web

1.1 Der Begriff Web 2.0 macht auf das Neue aufmerksam

Der 2004 geprägte Begriff Web 2.0 markiert den Anfang einer Entwicklung, die grundlegende Veränderungen in Verhaltensmustern, Geschäftsprozessen und Geschäftsmodellen mit sich bringt (Back. A. & Gronau, N. & Tochtermann, K. 2008). Das Web ist heute eine allen zugängliche globale Mitmachplattform. Man spricht vom Participatory Web und von Social Media bzw. Sozialer Software, weil die Anwender sich nicht mehr nur im Web informieren und online einkaufen, sondern als „Prosumer“ aktiv beitragen. Nicht nur IT-affine Spezialisten, sondern die breite Masse legt persönliche Profile an und knüpft Netzwerke, publiziert Fotos, Videos und Lesezeichen (Bookmarking), verschlagwortet diese (Tagging), kommentiert und bewertet Inhalte und bringt ihr Wissen in Blogs und Wikis ein. Dieser Wesenswandel in der Internetnutzung fand durch den unerwarteten Erfolg der Online-Enzyklopädie Wikipedia allgemein Beachtung, da man einem derart offenen Mitmachmodell nicht zugetraut hätte, dass es nachhaltig wachsen und ein so hohes Qualitätsniveau erreichen könnte. Das partizipative Web ist eine bleibende und sich dynamisch entwickelnde Evolutionsstufe des Internet, keine vorübergehende Modeer-scheinung. Der IT-Analyst Forrester erwartet, dass trotz Rezession das Investitions-volumen der Unternehmen steigen wird (Young O. 2009).

1.2 Barrieren zu den Kunden werden aus dem Weg geräumt

Web 2.0 hat Erfolg, weil es Barrieren für die Mitarbeit aus dem Weg räumt. Es ist eine neue Form der aktiven Beteiligung von Individuen und Organisationen an Gestaltungs- und Kommunikationsprozessen. Damit ist auch das Wissen von Lead Usern (von Hippel 1986) und „den Massen“ ganz allgemein (Crowdsourcing) zum Greifen nahe gekommen. Es werden verschiedenste Modelle erprobt, den Innova-tionsprozess noch weiter und breiter zu öffnen, um im Wettbewerb durch schnellere,

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kostengünstige und das Kundenbedürfnis besser treffendere Innovation Vorteile zu erlangen. Die Entwicklungsgeschichte dieser innovativen Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle hat erst begonnen (Bughin, J. & Chui, M. & Johnson B. 2008). Das sogenannte „Crowdsourcing“ findet gerade jetzt angesichts des besonders hohen Kostendrucks als „Rezept in der Krise“ Beachtung. Die kaum vorhandenen finanziel-len und technischen Zugangsbarrieren verlocken. Unterschätzt werden der Aufwand für die Integration dieser offenen Prozesse in die bestehenden Strukturen und der Aufwand für die Übernahme der Innovationsergebnisse in den Ablauf des weiteren Wertschöpfungsprozess im Unternehmen. Hierzulande ist die Mitmach-Aktivität von Online-Communities mit demokratischen Idealen kulturkonform. Crowdsourcing ist aber nicht unumstritten, da es disruptive Wirkung auf bestehende Prozesse und Geschäftspraktiken hat und in bestimmten Kontexten als Ausbeutung gesehen wird (Howe J.P. 2009). Z.B. entwickeln sich in der Grafikdesign-Branche Ausschreibungsmodelle, an denen auch Amateure teilneh-men. Im Fotobereich hat das erfolgreiche Geschäftsmodell von iStockphoto vorge-macht, dass die Preisstruktur einer Branche zerstört werden kann. Weiterhin werden Fragen diskutiert wie: Ist der Kunde nun König oder macht er sich zum Knecht? Werden das Wissen und die Zeit des Kunden genutzt oder ausgenutzt?

2 Anwendungsgebiete und Partizipationsmodelle

Die Dynamik der Entwicklung der seit längerem beforschten Open Innovation Bewe-gung (Chesbrough, H. 2006; Chesbrough, H. & Appleyard, M. 2007; Gassmann, O. 2006; Prahalad C. & Krishnan M. 2008; Reichwald R. & Piller F. 2006; von Hippel E. 2005) und die neue Vielfalt der Modellen mit zahlreiche Erfolgsgeschichten zei-gen, dass jedes Unternehmen Anlass hat, sich damit zu befassen, ob und welchen Wertbeitrag eine webbasierte offenere Kundenpartizipation im Innovationsprozess leisten könnte. Wie die Tab. 1 zeigt, gibt es vielfältige Ausprägungen der webbasier-ten Partizipation von Unternehmensexternen. (Diverse Quellen zu den Beispielen, u.a. Piller, F. & Walcher, D. 2006; Soukhoroukova, A. & Spann, M. & Skiera, B. 2007; Wagner, Chr. & Back, A. 2008; Wagner, Chr. & Majchrzak 2007.)

2.1 Communities mit Forumscharakter

Es können Beiträge einfach gesammelt, im Stil von Foren kommentiert und diskutiert, und dann ausgewertet werden. Why Not? ist eine Plattform für Ideen, die mit Kreati-vitätswerkzeugen arbeitet. IBM hat schon mehrfach sogenannte Jams unternehmens-intern durchgeführt (Bjelland, O. & Chapman, W. 2008); der jüngste IBM Innovation Jam von 2008 wurde erstmals für Nicht-IBMer geöffnet.

2.2 Co-Creation Plattformen und Märkte

Bestimmte Innovationsplattformen sehen eine stärker strukturierte und intensivere Zusammenarbeit vor. Dies ist z.B. bei TekScout der Fall, wo sich TekScouts, die für ein schwieriges Problem aus ihrem internen R&D extern eine Lösung suchen, und TekExperts, die einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten haben, finden können. Ähn-lich arbeiten InnoCentive und in der Schweiz Atizo. Sogar beim Produkte Gestalten kann jeder mitmachen: Auf der Lego Factory können Kunden ihre eigenen Entwürfe kreieren und solche von anderen Kunden bestellen; Millionen gehen monatlich auf diese Website. Über die Internetplattform Mx3 lässt

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Radio DRS Virus seine Hörerinnen und Hörer das Nachtprogramm direkt online ge-stalten, ohne dass ein Angestellter des Radiosenders etwas dazu tun müsste.

2.3 Prognosemärkte

Schliesslich gibt es noch Aggregationsmechanismen von mehreren Beiträgen einzel-ner, die wie Wettbörsen oder die Preisbildung auf Aktienmärkten funktionieren, die Prognosemärkte (Prediction Markets). Sie werden u.a. eingesetzt, um Projektverzöge-rungen (z.B. die Fertigstellung des Boeing Dreamliner), globale Risiken, oder Ver-kaufszahlen zu prognostizieren.

Anwendungsgebiet Partizipationsform Beispiele Kundendienst Online-Community (Foren,

Blogs, Wikis) Novell Cool Solutions,

Nokia Support Discussions Ideengewinnung, -selektion

und Konzeptentwicklung Online-Community (Foren,

Blogs, Wikis) Cassiber, Cisco I-Prize, IBM Innovation Jam, Why Not?

Produkt-/Markttests Virtuelle Welten, Online-Plattformen

In Second Life z.B. virtuelle Prototypen: Market Thruths, Testen von mobilen Geräten

und Anwendungen: mob4hire

Produktdesign

Co-Creation Plattform A Million Penguins, Lego Factory, Naked&Angry,

Threadless, Zazzle, Name This

Lösungsentwicklung Wissensmarkt Atizo, TekScout, Innocentive

Prognose in der Entschei-dungsfindung

Prognosemarkt Consensuspoint, Inkling, NewsFutures Idea Pageant,

InnovationSpigit, Informationsprodukt Co-Creation Plattform Wikipedia (Enzyklopädie),

OhmyNews (Bürgerjourna-lismus-Zeitung)

Tabelle 1: Anwendungsgebiete und Partizipationsmodelle für webbasierte offene Innovation

Zusammenfassend sieht man, dass Web-Anwendungen zur offenen Partizipation 1. einzelne Phasen des Innovationsprozesses im Unternehmen unterstützen wie

beim Jamming, 2. den ganzen Prozess bis hin zum Produktdesign abdecken wie bei Spreadshirt

oder auch 3. als eigenständiges, partizipativen Geschäftsmodell des Innovierens organi-

siert sind wie z.B. Atizo.

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3 Innovation Community Leadership und Management

3.1 Soziale Software erfordert spezifisches Softwareprojektmanagement

Nimmt man Crowdsourcing in Form webbasierter Open Innovation in Angriff, steht man vor der Herausforderung, die Erfolgslogik von Kunden-Communities zu verste-hen und das Nutzenpotential zur Wirkung zu bringen. Diese Anwendungen sind zwar softwaretechnisch recht einfach zu realisieren, ohne Schnittstellenmanagement zu den transaktionalen Systemen, das dem Komplexitätsgrad wie bei ERP-System-Imple-mentierungen vergleichbar wäre. Soziale Software für Kommunikation und Zusam-menarbeit folgt aber anderen Gesetzen als transaktionale Software zur Automatisie-rung und Unterstützung von Geschäftsprozessen, wie ERP, SCM- oder CRM-Sys-teme. Bei Sozialer Software ist das Verhalten der Beteiligten entscheidend. Die Web-2.0-Anwendungen funktionieren nicht wie Informationsmaschinen, sondern sind eher als ein Lebensraum zu sehen, in dem sich Ergebnisse entfalten und gedeihen - oder auch nicht.

3.2 Aufgabenprofile Community Strategist und Community Management

Es ist dabei keineswegs so, dass die Anwendungen Selbstläufer wären, d.h. sich allein im „Grassroots“-Modus ohne „Management“ entwickeln würden. Wikipedia z.B. basiert bei aller Offenheit und Selbstregulierung auf bestimmten klaren Regeln und vorgegebenen Strukturen. So wie sich für das betriebliche Wissensmanagement z.B. das spezielle Aufgabenprofil „Knowledge Network Management“ herausgebildet hat (Back, A. & Enkel, E. & von Krogh, G. 2007), liest man heute von Bezeichnungen wie „Community Strategist“ und „Community Manager“, die den Unterschied zum üblichen Business Engineering und Softwareprojektmanagement herausheben.

3.3 Unternehmenskultur und Rahmenbedingungen sind entscheidend

Um sich entfalten zu können, sind Social-Software-Anwendungen auf die passende Unternehmenskultur angewiesen, auf die Bereitschaft zum grundlegenden Wandel und nicht zuletzt auf die Offenheit, ein Experiment zu wagen. Diese Voraussetzungen sind die verbreitetste Barriere in Unternehmen, gerade hierzulande. Es gibt jedoch mehr und mehr Anwendungsbeispiele, wie sie z.B. auf www.business20.ch porträtiert und in Büchern mit Fallstudien zu diesem Thema beschrieben werden. Die Erfolgslogik von Kunden-Communities, das Management ihres Kick-off und ihrer Nachhaltigkeit, speziell die Fragen nach Anreizen monetärer und nichtmonetärer Art und die Fragen nach der Messbarkeit sind Themen, die in der Beratungspraxis und Forschung mit Nachdruck angegangen werden und allmählich in die Professio-nalisierung der breiteren Anwendungspraxis einfliessen. Auch das Design innovativer Geschäftsmodelle auf der Basis von Crowdsourcing ist ein viel beachtetes Thema. Um ein Fazit zu ziehen: Dort wo die die 2.0-Kultur zum Blühen gebracht wird, sind disruptive Innovationen zu beobachten und zu erwarten. Dem 2.0–Paradigmenwech-sel wohnen demnach Chancen und Gefahren inne, je nachdem, auf welcher Seite man steht.

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References

Back, A. & Gronau, N. & Tochtermann, K. (Hrsg.) (2008 und 2009): Web 2.0 in der Unternehmenspraxis. Grundlagen, Fallstudien und Trends zum Einsatz von Social Software. München: Oldenbourg 2008 (2. Auflage 2009, aktualisierter Nachdruck in Vorbereitung). Back, A. & Enkel, E. & von Krogh, G. (2007): Knowledge Networks for Business Growth. Heidelberg: Springer Bjelland, O.M. & Chapman, W.R. (2008): An Inside View of IBM’s Innovation Jam. MIT Sloan Management Review, 50 (1), S. 32-40 Bughin, J./ Chui, M/ Johnson, B. (2008): The Next Step in Open Innovation. TheMcKinseyQuarterly. June Chesbrough, H. (2006): Open Business Models: How to Thrive in the New Innova-tion Landscape. Boston: HBS Press Chesbrough, H. W., & Appleyard, M. M. (2007). Open Innovation and Strategy. California Management Review, 50(1), 57-76 Gassmann, O. (2006): Opening up the innovation process: towards an agenda. R&D Management, 36 (3), 223-228 Howe, J.P. (2009): Is Crowdsourcing Evil? The Design Community Weighs in. Online: http://blog.wired.com/business/2009/03/is-crowdsourcin.html [2009-03-10] Piller, F. T. and Walcher, D. (2006). Toolkits for idea competitions: A novel method to integrate users in new product development. R & D Management 36 (3), 307-318 Prahalad C.K. & Krishnan, M.S. (2008): The New Age of Innovation: Driving Co-Created Value through Global Networks. McGraw-Hill Reichwald, R. & Piller, F. (2006): Interaktive Wertschöpfung: Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung. Wiesbaden: Gabler Soukhoroukova, A. & Spann, M. & Skiera, B. (2007): Creating and Evaluating New Product Ideas with Idea Markets. Proceedings of AMA’s 18th Annual Advanced Research Techniques Forum (A/R/T Forum), Sante Fe, New Mexico. Von Hippel, E. (1986): Lead users: A source of novel product concepts. Management Science 32 (7), 791-805 Von Hippel, E. (2005): Democratizing Innovation. Cambridge: The MIT Press Wagner, Chr. & Back, A. (2008): Group Wisdom Support Systems. Issues in Infor-mation Systems, Vol IX (2), S. 343 – 350 Wagner, Chr. & Majchrzak, A. (2007): Enabling Customer-Centricity Using Wikis and the Wiki Way. Journal of Management Information Systems 23 (3), S. 17-43 Young, O.G. (2009): Can Enterprise Web 2.0 Survive the Recession? Online: http://www.forrester.com/Research/Document/Excerpt/0,7211,48227,00.html [2009-01-6]

Curriculum vitae: Prof. Dr. Andrea Back, Universität St. Gallen, Competence Network Business 2.0 am IWI-HSG, CH: ist Professorin an der Uni St. Gallen und leitet die Bereiche Learning Center und Business 2.0. Web-based Open Innovation ist ein Arbeitsgebiet. Sie publiziert u.a. den Newsletter (E-)Learning, den Wissens-Blog Business 2.0 und ist Mitorganisatorin des WissensWert Blog Carnival. Das Buch “Web 2.0 in der Unternehmenspraxis“ gilt als Standardwerk.