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Ausgabe 2013.02 | 2.50 Euro | mittelpunktonline.com & facebook.com/mittelpunktonline »DJing ist wie Geschichten erzählen.« — Interview mit DJ Rimmi »Sogar für die Haupt- stadt gab es keine Stra- ßenkarte zu kaufen.« — Gespräch nach einer Reise nach Liberia. »Aber wir haben doch keine Schuld!« — Über die Notwendigkeit den Holocaust nie zu vergessen »Es gab auch schonmal Maggi Fix.« — Besuch bei KitchenTV So sehe ich das! — Der Name Standpunkt ist Programm: ein Heft über Perspektiven und Sichtweisen in dem wir die Zukunft des Magazins erforschen.

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Ausgabe 2013.02 | 2.50 Euro | mittelpunktonline.com & facebook.com/mittelpunktonline

»DJing ist wie Geschichten erzählen.«— Interview mit DJ Rimmi

»Sogar für die Haupt-stadt gab es keine Stra-ßenkarte zu kaufen.«— Gespräch nach einer Reise nach Liberia.

»Aber wir haben doch keine Schuld!«— Über die Notwendigkeit den Holocaust nie zu vergessen

»Es gab auch schonmal Maggi Fix.«— Besuch bei KitchenTV

So sehe ich das!— Der Name Standpunkt ist Programm: ein Heft über Perspektiven und Sichtweisen in dem wir die Zukunft des Magazins erforschen.

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mittelpunkt – Schülermagazin nicht nur für Schüler der

Gesamtschule Hardt ist die Schülerzeitung der Gesamtschu-le Hardt und erscheint zweimal jährlich mit 800 Exemplaren.

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www.mittelpunktonline.com

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Herausgeber:Gesamtschule Hardt, Vossenbäumchen 50,

41169 Mönchengladbach, Tel. (0 21 61) 90 10 70,

[email protected]

Redaktionsleitung: Mark Offermann,

Linus Luka Bahun, Maren Wagemanns

Art- und Kreativ-Director: Linus Luka Bahun

Illustrationen: Dominik Rau, Paula Vollmer

Betreuende Lehrerin (V.i.s.d.P.): Dorothée Vollmer

Titelmotiv: Randy LeMoine, New York

Der Druck dieses Magazins wurde ermöglicht durch:

Im-pressum Themen

4 Contributers – An dieser Ausgabe haben viele Köpfe mitgearbeitet

5 Hallo! – Vorwort

5 Themen – Impressum & Inhalt

8 Stichwort Nachhaltigkeit

– Unsere Lieb-lingslinks aus dem vergangenen halben Jahr

10 Greetings vom anderen Ende der Welt – Alina und Elena bloggen über ihren Australien-Trip.

14 In Holland studieren, alles Käse?– Marie Claßen schaut in Sachen Studium über den Tellerrand hinaus.

16 Und jetzt bitte mal: günstig und fair gleichzeitig!

– Unter welchen Bedingungen

wer den unsere Klamotten herge-stellt?

18 Füße ins Wasser & Cola am Strand Anderen helfen – Marie Claßen untersucht einen neuen Reisetrend

26 dotHIV– Wir interviewen Eva Hunger, die an der roten Schleife fürs Web mitgearbeitet hat.

28 Nicht vergessen, niemals!– Ein Essay von Linus Bahun über die Schuld der Deutschen nach dem dritten Reich.

32 Modern Talking – Anna Vos beschäftigt sich mit einem Haufen Anglizismen.

34 Können wir auch ohne? Und wollen wir überhaupt? – Wie siehts aus mit dem Euro? Und was hat die AfD damit zu tun? Eine Suche nach Antworten auf YouTube.

36 Das Glück ist einen Klick entfernt– Das Web als Ort der Selbstdar-stellung und des Konsums macht viele Mesnchen glücklich.

38 What's App.Weil's sonst nichts gibt?

– Mark Offermnn über die beliebte SMS-Alternative.

40 Smartphones, jetzt sofort! – Warum iPhone und Co. in der Schule am richtigen Ort sind.

43 „Ein Tipp an Erwachsene: Probieren Sie Medien aus“

44 Wollen wir die Datenschnecke?– Über ein Internet, das eigent lich niemand will – außer der Telekom.

45 Big NSA is watching You! – Ein kurzes Briefing zum Thema.

46 „Am Anfang habe ich Quatsch geschrieben.“ – Wikipedianer erzählen von ihren Anfängen und ihrer Arbeit

48 Berieseln lassen & nachdenken.– Wir stellen vor: zwei Mode-Bloggerinnen aus Berlin.

50 Friendship, Love and other Complications – Wir drucken einen Roman- auszug von Maren Wagemanns

51 Warum ich Zara hasse! – Herzliches Plädoyer darüber, warum man bei Zara nicht kaufen sollte.

56 Let's rock the Kitchen! – mittelpunkt goes KitchenTV. Wir erkunden das Quartier der Macher.

60 Funktioniert das? Klassik & Chillen, Klassik & Fun

– Warum einen der Klassik-Be-trieb schonmal fertig machen kann, man aber nie den Mut verlieren sollte.

62 Klassik goes Club Die Musik von Francesco – Tristano kann man sowohl im Club als auch im Konzertsaal hören.

63 Sommer, Sonne, Open Source! – Bildreportage von einem ziemlich coolen Festival.

66 „DJing ist wie Geschichten erzählen!“ – Gespräch mit DJ Rimmi.

70 SkateART – „Ist es bereits SkateArt wenn eine Decke zur Leinwand umfunktioniert wird?“

20 Ein Land am Rande des Chaos

– Oona Mitchell spricht mit ihrer Oma über eine Afrika-Reise.

72 „Ach ja, einen Kopf- schuss hatte ich auch.“ – Gespräch mit einer früheren Polizei- Fotografin

52 Herbst & Winter Issue

– Lea Feicks zeigt uns die Trends für die kommende Winter-Saison.

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5. September 2013 –Von scharfen Nudeln und heißen Jeeps

Hallo Freunde, wir sind zwar erst seit zwei Tagen in Sydney, aber es fühlt sich schon so an als würden wir die Stadt schon wie unsere Westentasche kennen. [...]

Da wir zu geizig sind für Verkehrsmittel Geld aus-zugeben, erledigen wir hier wirklich alles zu Fuß. Sport brauchen wir jedenfalls nicht! Von morgens bis abends unterwegs, der Jetlag tut sein Übriges. Ihr könnt euch vorstellen, dass wir nach unserem ersten Tag weder Lust hatten nochmals 20 Minuten bis zum nächsten Supermarkt zu laufen, noch hungernd ins Bett zu fallen; also besorg-ten wir uns in Chinatown – direkt am Hostel gelegen – eine Portion China-Nudels. Zwar hatte die nette Dame an der Rezeption uns darauf hingewiesen, dass die Kost gelegentlich sehr “spicy” sein könnte, dass sie allerdings so “spicy” war, dass ich davon NASENBLUTEN bekam, das wussten wir nicht! Die $10 waren echt für den Arsch oder besser für den Mülleimer. Alinas Nudeln waren zwar nicht scharf, aber dafür so mächtig, dass auch ihre Porti-on sich finanziell nicht wirklich gelohnt hat. Egal. Heute waren wir schlauer und haben im Supermarkt viel zu teuer eingekauft. Jedenfalls kann man sich DA nicht über die Würzung beschweren -.-

Trotzdem gab es auch einen Lichtblick am heuteigen Tage – wir haben ein Auto! Eigentlich wollten wir nur mal „gucken”, denn direkt am Kings Cross einen Camper zu kaufen war uns eigentlich zu mainstreamig. Wir wollten eigentlich außerhalb Sydneys einen Wagen kaufen. Naja es kommt eben immer alles anders als man denkt, so ist das ohne Plan und ohne Ziel. Wir gerieten an einen sehr netten Verkäufer, der uns super beraten hat – allerdings mit dem Ergebnis, dass für uns keines der Angebote in Frage kam. Es handelte sich bei diesem Händler um eine große Kette, die australienweit Autos an- und wieder verkauft. Beim Kauf erhält man eine Buy-Back Garantie, die einem die

Sicherheit gibt das Auto auf jeden Fall am Ende des Trips los zu werden. Erschien uns sinnvoll. Außerdem erledigt die Firma die Registration des Autos für den Käufer – sehr praktisch. Nun gut, die Vorstellung war ein Camper-Van, in dem wir schlafen und reisen konnten. Diese Illusion nahm uns „Hubo“ allerdings schnell – viel zu teuer! Au-ßerdem kleiner Motor – weniger Leistung = mehr Stress im Outback. Zum Glück war uns gleich am Anfang ein hüb-scher Jakaroo 4W ins Auge gesprungen, mit allem drum und dran aber auch noch recht teuer. Alternative wäre für uns ein Kombi gewesen, etwa ein Ford Falcon. Aber die sind soooo klein und ekelig: verdreckt und schimmelig. Dafür aber $2000 günstiger als der 4W… Am Ende hatte Hubo ein Nachsehen mit uns und gestand uns wie aus dem Nichts, dass da ja auch noch sein altes Auto wäre, ein Jeep Cherukee von 1996. Diesen könnte er uns rund 1000$ günstiger als den Jakaroo anbieten, da er das Auto in der Stadt nicht mehr brauche und sich nun entschieden habe ihn zu verkaufen. Ja, wir also ein mal um den Block und haben uns das gute Stück angeguckt. Wir waren auf der Stelle verliebt! Ledersitze, Klimaanlage, nur 175.000 km gelaufen, neue Batterie, genug Platz um darin zu schlafen. Nachdem wir alle „Ingo-Kfz“ – Punkte abgegangen sind und nichts zu beanstanden war, haben wir beschlossen so-fort zuzuschlagen, denn so ein Angebot bekämen wir wohl nie wieder, zumal Hubo für uns die Registration überneh-men würde, obwohl wir den Wagen von privat kaufen! Eine Matratze besorgt er uns auch noch – gratis aus dem Lager.

Ja soweit so gut. Ne ganze Stange Geld sind wir denn nun ärmer, aber auch um ein grandioses Auto – im Übrigen Automatik, Alina ist begeistert!- reicher. Wir sind gespannt ob während des Trips alles rund läuft. Vorerst steht der Wagen noch beim alten Besitzer, wir haben ihn angezahlt und holen ihn ab sobald wir die Stadt verlassen, so müssen wir keine Parkplatzgebühren bezahlen. Morgen machen wir erst mal einen Tag off – wir sind ja schließlich zum Spaß hier! ×

Zwischen Abitur und Ausbildung oder Studium mal was ganz verrücktes machen – das wollen viele.

elena theissen und alina brunen machen genau das: ein halbes Jahr reisen sie per Work and Travel durch Australien.

Für mittelpunktonline.com bloggen sie während dieser Zeit. Hier drucken wir einen Vorgeschmack aus den ersten Posts.

4. September 2013 – Endlich da! Welcome to AustraliaEndlich! Nach sagenhaften fast 24 Stunden Flug sind wir gestern endlich in Sydney

angekommen. Fazit: Der Schlafrythmus ist völlig im Eimer. Um 2 Uhr nachts dachten wir bereits es wäre 10 Uhr morgens. Leider falsch gedacht. Um 9 haben wir es dann nicht mehr ausgehalten und haben uns auf die Socken gemacht um Sydney besichtigen zu können. Das Wetter ist bis jetzt super. Nun müssen wir mal sehen wo es uns heute noch so hin treiben wird. Jetzt stehen erst mal organisatorische Dinge an. Wir sind gespannt wie es die nächsten Tage weiter geht.

See you later. ×

Greetings vom anderen Ende der Welt

Nach der Ankunft: Alina und Elena im Hafen von Sydney.

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Amsel über uns, nein… sondern viele schöne rote Pappageien und ein weißer Kakadu, der sich ab und zu Blicken ließ. Um den schönen Tag nicht nur mit dem Autoputz vollbracht zu haben, haben wir uns dann später auf den WEg zum Pebbly Beach gemacht, den man uns empfohlen hatte. Wir haben uns also in Hubo gesetz (ausgesprochen CHubo, das Auto ist nach seinem Vorbesitzer benannt) und haben uns auf den WEg zum STrand gemacht. Dort angekommen stiegen wir aus dem Auto aus und das erste was uns erblickte waren lauter rote Pappagei-en, die immer mehr worden und sich ganz zutraulich auf unser Auto setzten. Einer davon hat uns nachher noch auf die Scheibe geschissen, die wir zuvor mühsam geputzt hatten. Nachdem wir mit den lieben Tierchen eine kurze Fotosession eingeleitet haben wurde es noch besser! Wir mussten nur einen BLick nach rechts werfen und wir haben DIE ERSTEN freilebenden kangaroos gesehen. Es war wirklich atemberaubend. Die Tiere waren sogar so zutraulich, dass man sie streicheln konnte. Man sollte sie allerdings nicht unterschätzen, die Krallen können nämlich ganz schön was anrichten. Wir haben sogar ein Mama kangaroo mit Baby gesehen und die Männer chillen den ganzen Tag Die sind allerdings auch echt groß und wir haben uns von ihnen lieber fern gehalten. Nachdem wir ealso eine Knuddelstunde einge-leitet haben sind wir runter zum STrad (durch ein paar Büsche, ich will nicht wissen, was da alles lebt). Man kann es nicht sagen, es war eine echt geile Aussicht die wir dort hatten. Direkt am Grün gelegen ein schöner Sandstrand von dem man die Wel-len beobachten konnte. Dort haben wir schließlich gute 40 min

die Aussicht genossen. Auf dem Weg zurück an den kangaroos vorbei kam uns dann plötzlich eine ganze Pappageien Invasion entgegen, die wohl dachten wir hätten was zu fressen. Jedenfalls hatten sie keine

Scheu davor Elena von oben bis unten zu besiedeln und mir auf den Kopf zu klettern. Schon geil, das kann man von unserer Flora und Fauna zu Hause nicht unbedingt behaupten. Danach haben wir uns wieder auf den Heimweg gemacht und gute französische Musik (CD) gehört, die unser halb französischer Autoverkäufer uns überlassen hatte, worüber wir sehr froh waren, weil das Radio im “Irgendwo im Nirgendwo” keinen Empfang bekommt. Morgen (12.09.2013) resisen wir weiter nach Narooma zum nächsten Hostel.

Nun noch etwas über die Gefühlslage. Bei mir (Alina) kommt langsam ein Hauch von Heimweh auf, was vermutlich daran liegt, dass ich langsam verstanden habe, dass es doch nicht nur 2 Wochen Urlaub sind, sondern 8 Monate Australien. Da denkt man Abends doch schon ein bisschen nach und denkt an zu HAUSE. Elena ist da glaube ich etwas härter im Nehmen Aber ich frage sie mal kurz. Sie lacht und schiebt sich ne Tab-lette in den Mund. Aha, wie vermutet ich zitiere: “Also eigent-lich gehts mir ganz gut, Heimweh hab ich nicht. Ich find das Auto super geil” Gut, lassen wir das, sie zerstört die emotionale Lage^^

Aber allen in allen geht es uns wirklich gut, jetzt müssen wir nurnoch nen Job finden. ×

———Alina und Elena sind noch eine ganze Zeit in Australien und

bloggen von dort. Verfolge ihre Reise im Internet, diskutiert über Austausch- und Auslandsprogramme und stellt ihnen Fra-gen zu ihrem Aufenthalt – auf mittelpunktonline.com (QR & Short-URL links).

http://goo.gl/8mmgZu

Autofahren hier bedeutet: Lenker rechts, Fahren links.

Das ganze zum Glück mit Automatik, wäre es ein Schalt-

wagen gewesen ich (Alina) wäre gestorben, nunja.

12. September 2013 –Irgendwo im Nirgendwo

Oh mein Gott, oh mein Gott!!! Das Auto fährt und das Beste, bis jetzt kein Unfall NAch 7 Tagen Hostel (Railway Square) haben wir unsere Rucksäcke wieder gepackt und sind voll geschleppt zur Bushaltestelle getorkelt. Der Bus hat uns dann zu Kings Cross gebracht, wo wir unser Auto endlich abholen konnten. DAs ganze erleichterte uns ungemein im wahrsten Sinne des Wortes, da die Rucksäcke es echt in sich haben. Umso glücklicher waren wir als wir endlich im Auto saßen und die Rucksäcke spazieren fahren durften. Autofahren hier bedeutet: Lenker rechts, Fahren links. Das ganze zum Glück mit Automatik, wäre es ein Schaltwagen gewesen ich (Alina) wäre gestorben, nunja. Ich hatte dann auch die Ehre als erstes von uns beiden fahren zu dürfen und bin dann erstmal falschrum in eine Wendestelle gefahren, was der Mann der dort stand glaube ich nicht so lustig fand. Dadurch, dass das Lenkrad auf der rechten Seite ist, haben wir beide den Drang dazu, immer weiter Links als rechts zu fahren, was den Beifahrer eini-ge Nerven kostet, weil man das Gefühl hat, dass da Auto samt uns, gleich im nächsten Busch landet. BIS JETZT IST NICHTS PASSIERT.

Wir also in unseren Jeep Cherokee auf dem Weg zum nächsten Hostel, was in Batemans Bay liegt. Man könnte auch sagen “Irgndwo im Nirgendwo”. Das Internet funktioniert hier leider auch nicht, obwohl ich ganze $ 5 dafür be-zahlt habe. Das Hostel gleicht auch nicht einem HOstel sondern eher einem Raum mit 6 Betten und einer Küche. Irgendwie aber schon niedlich, obwohl die Aus-stattung nicht der Knaller ist. Wir haben allerdings Glück und sind momentan die einzigen Bewohner in diesem Gebäude. Bevor wir allerdings in diesem (klei-nen) niedlichen Örtchen angekommen sind, lagen ca. 300 km vor uns. Jeder ist ungefähr die Hälfte gefahren. Spannend wurde es allerdnigs erst, als die Däm-merung anfing, zu dem Zeitpunkt hatte Elena mittlerweile das Fahren übernom-men. Wir also schön über den Highway. Sobald es dunkel ist, werden die Straßen von Reflektoren beleuchtet, damit man auch irgendwie den Weg sieht. Wir wären sonst echt aufgeschmissen gewesen.

Irgendwann wurde es dann auch dunkel und wir mussten leider feststellen, dass unser Licht nicht wirklich viel Leuchtraft besitzt, man sah nämlich ungefähr NICHTS. Das Resultat daraus war – “Lass uns mit Fernlicht fahren”.

Joa, in Deutschland wären wir dafür vermutlich schon 5 mal von der Polizei angehlaten worden, aber was sollten wir tun, wir konnten ja sonst nichts sehen. Unsere Strecke kann man folgenderma-ßen beschreiben. Gradeaus, Kreisverkehr, Hiiiiiiighway, Gradeaus, Kreisverkehr, Hiiiighway, irgendwann Ziel. Wir zwei sitzen also in unserem Auto, im Stocke DUstern, man fühlt sich als würde man in ein dunkles Loch fahren. Mir wurde dabei ziemlich mulmig zu Mute. Ein wirklich seltsames Gefühl. Hinter uns keiner, vor uns keiner, nirgendwo ei-ner. Und dann geht es immer hoch und runter, hoch und runter und das mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 100. Der absolute Knaller kommt jedoch noch. Auf dieser mega kurvigen, steilen Straße kommen einem dann Riesentrucks entgegen geschossen, die eine gefühlte Geschwindigkeit von 160 drauf haben. Die Dinger sind sowas von beleuchtet, dass man denken könnte, die haben ver-gessen die Weihnachtsdeko abzunehmen. ZItat Elena, nachdem uns wieder mal so ein Ding entgegen kam: „Mein Gott, da denkt man ja, da kommt ne ganze Kir-mes auf einen zu”. Und irgendwann am Ende des weiten, weiten Tunnels ist man dann am Ziel. Navi sei Dank! Das war die beste Investition die wir jemals hätten machen können.

Unser Hostel befindet sich auf ei-nem Kampingplatz, aber das ganze hat irgendwie Flair, auch wenn es absolut keinen Luxus gibt. Allein das was wir hier sehen machts aus. Heute haben wir dann nämlich beschlossen unser Auto mal Keimfrei zu machen. Ihr wollt nicht wissen, wie die Wassereimer aussahen nachdem wir fertig waren. Ungefähr so wie das schwarze Loch, durch das wir fahren mussten. Jetzt strahlt es jedenfalls wieder. Das erste was wir gemacht haben war es diesen weltberüchtigten ekli-gen stinkenden Duftbaum aus unserem Gefährt zu entfernen, da es uns jedesmal das Aufkommen vom Würgreiz bereitet hat.Während wir unser Auto fein säuber-lich schrubbten, flog keine langweilige

9. September 2013 –„Your room is a little bit messy“

Nachdem wir eigentlich schon damit gerechnet hatten, dass wir Sydney nicht wie geplant am Dienstag verlassen kön-nen, haben wir dann heute die freudige Nachricht erhalten, dass unsere Bank-karten doch schon in der Filiale zum abholen bereit waren. Und so können wir uns jetzt morgen weiter auf den Weg richtung Süden machen. Bevor wir allerdings diese ganzen Sachen erfahren haben, waren wir schon drauf und dran unser Hostel für die nächsten 2 Tage zu verlängern. Die nette Dame, die hinter der Rezeption saß, hat uns dann aller-dings darauf hingewiesen (jetzt kommt der Knaller) “Your room is a little bit messy”. Wir dachten wir hören nicht richtig. Es herrschte zwar keine totale Ordnung, aber als messy konnte man das ganze nun wirklich nicht bezeichnen. Zur Anmerkung der Gang unseres Zimmers in dem wir mit 6 anderen Leuten hausen ist vlt. knappe 1,80 Meter breit. Wo soll man denn da bitte die genzen Sachen eines 16 kg und eines 19 kg Rucksacks unterbringen? Nunja, so viel dazu. Wir haben dann versucht ein wenig Ordnung zu schaffen. Morgen Reisen wir eh ab und bringen ein anderes Hostel in den Zustand eines Messies Evtl. haben wir auch schon eine Jobzusage in Melbourne, was sich aber erst morgen entscheidet. Wir werden berichten. ×

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text —Marie Claßen

illustration —Paula Vollmer

Immer mehr junge Menschen wollen nach der Schule ein Studi-um beginnen, immer weniger eine Ausbildung. Dazu kommt, dass viele Universitäten durch den gro-ßen Ansturm von Studienbewer-bern, bedingt durch ausbleibende Studiengebühren und Doppeljahr-gänge (G8), überfüllt und überlas-tet sind. Besonders in den letzten Jahren stiegen daher (vor allem bei den Unis in NRW) die Nume-ri Clausi. Doch trotz der hohen Ansprüche bleibt der Andrang auf umliegende Universitäten und Hochschulen nicht aus.

Um diesem Gedränge und dem ständigen Druck zu entgehen, ent-schieden sich daher in den letzten Jahren viele Studienbewerber für die Bewerbung an holländischen Unis.

Die Vorteile sind vielverspre-chend und bis vor kurzem ein echter Geheimtipp, obwohl es in

den Niederlanden noch Studien-gebühren gibt (1835€- ca.2300€

im Jahr) und das Schokoticket nur bis zur Grenze gültig ist. Fakt ist, statt des kostenlosen Studiums, gibt es keinen Numerus clausus, das Lernen ist Praxisorientiert und die Studenten lernen in Klassen. Es gibt Studiengänge, wie zum Beispiel Games& Media oder Leisure (Freizeitmanagement), die in Deutschland überhaupt nicht unterrichtet werden, man hat die Möglichkeit auf niederländisch, englisch oder oftmals sogar auf deutsch zu studieren, wobei die offizielle Amtssprache der meisten Hochschulen Englisch ist und der erworbene Abschluss weltweit bzw. europaweit anerkannt wird.

Zudem locken reizende Ange-bote, wie z.B. eine direkte Zusam-menarbeit mit Sonys PlayStation oder den Animationsstudios von Disney (je nach Studiengang und Fachrichtung) an den verschiede-nen Unis Bewerber aus über 70 Ländern auf der ganzen Welt an, wodurch ein riesiges, internationa-les Netzwerk entsteht, durch das den Studentinnen und Studenten eine wahnsinnige Auswahl an möglichen Praktikumsplätzen, Jobangeboten und Auslandsauf-enthalten wie „work-and-travel“

geboten wird. Die einzigen Voraus-setzungen für das Studium „ne-benan“ sind ein Sprachnachweis in Niederländisch oder Englisch (z.B. english for business oder ein Leistungskurs englisch im Abitur, für niederländisch reichen ein Sprachkurs in der Schule oder ein integrierter Kurs neben den Studium, der dann belegt werden muss, wenn kein anderes Zertifikat vorliegt!), sowie die Anmeldung bei Studielink.nl, worüber man sich bei den Universitäten bewer-ben und regelmäßig den Status der Bewerbung abfragen muss. Statt einer klassischen Bewerbung müs-sen die Bewerber ein Motivations-schreiben an die Schulen schicken, in welchem sie erklären, welche Gründe sie zum Studieren haben, welches Ziel sie anstreben und was sie sich vom Studium erhoffen.

Für alle, die weitere Informati-onen zum Thema suchen und sich genauer über Universitäten, Studi-engänge und -gebühren oder wei-tere Details informiren möchten haben wir auf mittelpunktonline.com eine ausführliche Link-List zusammengestellt. ×

In Holland studieren.

Alles Käse?

An der Uni begegnet einem erstmal ganz viel Neues! Das kann einem Angst machen, aber auch spannend sein. Sowohl in Deutschland, als auch in den Nieder-landen.

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eite 21mittelpunkt — Du warst im Dezember 2012 in Liberia, einem afrikanischen Staat von dem erzählt wird, dass die Spuren des Bürgerkrieges noch immer überall sichtbar sind. Was hast Du dort gemacht?regina ney-wilkens — Ich habe mit einer Freundin ein be-freundetes Ehepaar besucht: den derzeitigen Deutschen Bot-schafter und seine Frau. Wir wollten mögliche Kontakte nutzen um zu erfahren, wie sich ein Land nach 15 Jahren Bürgerkrieg durch demokratische Wahlen unter einer jetzt weiblichen Prä-sidentin entwickeln würde und wir hatten gehofft, mit interes-santen Gesprächspartnern und Organisationen in Kontakt zu kommen, was tatsächlich geklappt hat. Liberia ist ein Land, in dem sich kaum Touristen aufhalten, hin und wieder kommen Journalisten. Zur Vorbereitung unserer Reise haben wir diverse Bücher gelesen, aber keine genaue Karte des Landes bekommen. Es war mir noch nie passiert, dass weltweit kein Stadtplan der Hauptstadt zu kaufen war, die unser Reiseziel war. Über Grün-de dafür kann man nur Vermutungen anstellen.

mittelpunkt — Bis auf Äthiopien wurde der ganze „Kontinent Afrika“ vorwiegend im 19. Jahrhundert durch europäische Mächte kolonialisiert, in Liberia hatten jedoch die Amerikaner direkten Einfluss auf die Entwicklung. Wie ist das zu erklären?regina ney-wilkens — Ja, das ist geschichtlich wirklich anders

gewesen und die (Americo-) Liberianer sehen sich seit 1849 als ersten freien Staat Afrikas — würden also eine koloniale Vergangenheit durch die USA bestreiten. Das erklärt sich aus folgender Geschichte: Im Zuge der Aufklärung fand ein Ge-sinnungswandel in der französischen und der englischen Ge-sellschaft und in den Vereinigten Staaten statt; Sklaverei und Sklavenhandel wurde als unmoralisch gesehen und deshalb ihre Abschaffung vorangetrieben. So gab es bestimmte Kräfte in Amerika und England, die 1817 die ersten freigelassenen Skla-ven per Schiff an der Küste des heutigen Liberia absetzten - die meisten starben zunächst an Malaria und Gelbfieber. Es wurde die Kolonie Liberia (lat. „liber“ = frei) gegründet.

Jedoch hatten nur einzelne Zuwanderer eine Ausbildung oder einen akademischen Abschluss und so fehlte es an Schul- und Fachwissen für den Aufbau von Demokratie und Wirtschaft in der Kolonie. Die „Naivität“ der dort lebenden Eingeborenen war für die Neuankömmlinge rätselhaft und sie wurde schamlos und ohne Skrupel ausgenutzt, das Land wurde zu Spottpreisen, mit unlauteren Mitteln oder auch mit Gewalt einfach angeeignet.

Es kam zunehmend zu Konflikten und kriegerischen Ausei-nandersetzungen zwischen den Americo-Liberianern als Siedler und den vertriebenen Ureinwohnern, die nun ins unentwickelte Hinterland vertrieben wurden. 1835 wurde die Kolonie bei

Ein Land am Rande des Chaos

Afrika - ein riesiger Kontinent mit 53 eigenständigen Staaten ist mehrfach so groß wie das westliche Europa. Können wir uns

freimachen von Klischeevorstellungen und Vorurteilen, die wir Europäer lange verinnerlicht haben? Sind die Afrikaner so afrika-

nisch wie wir sie uns vorstellen? Unsere Redakteurin oona mitchell spricht mit ihrer Oma regina ney-wilkens,

die das Land bereist hat.

einem Überfall durch die Ureinwohner schwer verwüstet, es gab Tote und Ver-letzte. Die Americo-Liberianer erhielten Waffenhilfe aus den USA und England.

Die Ureinwohner wurden und werden teilweise bis heute - verachtet und dis-kriminiert, mit Feindseligkeit behandelt und wurden von jeglicher politischen Willensbildung und Regierungsbetei-ligung ausgeschlossen. „Mischehen“ mit der Urbevölkerung waren verpönt, deutliche Lohnunterschiedliche zwischen Siedlern und Einheimischen waren üb-lich, einfache Arbeiten wie das Besorgen der Felder, die zu den Pflichten der ehe-maligen Sklaven gehörten, mussten nun von den Einheimischen erledigt werden.

Am 26. Juli 1847 erklärte der erste Kongress Liberias die Unabhängigkeit des Landes. Die politische Macht blieb auf Kosten der Ureinwohner in den Hän-den der aus den USA eingewanderten be-freiten Sklaven, die Verfassung orientierte sich an der der USA. Ein Wahlrecht hatte nur, wer Grundbesitz vorweisen und Steuern zahlten konnte.

In Absprachen unter den Westmäch-ten wurde Liberia also nicht von den Europäern kolonialisiert, sondern ver-blieb in der kompletten Einflusssphäre der USA.

mittelpunkt — Was waren die wichtigs-ten Ereignisse in Liberia in den letzten 30 Jahren?regina ney-wilkens — Wie schon ange-deutet, fehlte es an liberianischem Fach-personal für den Aufbau der Wirtschaft und der Führung eines Staates.

So verwundert es nicht, dass politische Unruhen und Revolten losbrachen. 1980 kam Samuel K. Doe durch einen Mili-tärputsch an die Macht. Er gehörte nicht den Americo- Liberianern an, wurde dann aber trotz Gewaltherrschaft und Korruption von den USA unterstützt, die ihre Militär- und Geheimdienstbasis in Liberia erhalten und diesen Stützpunkt im Ost – West Konflikt nicht räumen wollten. Als es 1985 einen Putschversuch gab, richtete Doe bei den „Gio“ und „Mao“ - also anderen Stämmen, ein Massaker an.

Im Dezember 1989 kam es zum Bür-gerkrieg in Liberia, der mit einer kurzen Unterbrechung fast 15 Jahre andauerte. Charles Taylor drang von der benach-barten Elfenbeinküste mit Milizen und „Kindersoldaten“ nach Liberia vor. Er

terrorisierte Teile der Bevölkerung und beschaffte sogenannte „Blutdiamanten“, um seine Waffenkäufe zu finanzieren. Später konnte Taylor sich selbst zum Präsidenten ernennen.

Durch Spaltungen von Rebellenbewe-gungen breitete sich das Kriegsgeschehen im gesamten Land aus. Liberia hat nur etwa 3 ½ Millionen Einwohner, von denen Hunderttausende ermordet wur-den, 1 Millionen Menschen waren auf der Flucht in benachbarte Länder oder in der Hauptstadt Monrovia gestrandet. Bis schließlich afrikanische und internationa-le Staaten sowie die UNO mit massiver Unterstützung einer „Frauenrechtsbe-wegung für den Frieden“ in Monrovia die verschiedenen Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zwangen.

Stellvertretend für die vielen mutigen Frauen dieses Widerstandes – es droh-te ihnen ständig die Ermordung durch das Taylor Regime – hat Laymah Gbo-wee, eine junge Liberianerin, 2011 den Friedensnobelpreis erhalten. Sie war im Oktober 2012 im Rahmen der Veran-staltung: „Nobelpreisträger in Mönchen-gladbach“ zu einem Vortrag in eurem Rathaus eingeladen.

Charles Taylor wurde im Frühjahr 2012 vom Europäischen Gerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Einige von euch haben sicher davon in den Nach-richten gehört.

Währenddessen hatten einflussreiche und begüterte Leute das Land verlassen und während des Bürgerkrieges – also 15 Jahre lang – gab es keine Schule. Man muss sich vorstellen, dass die gesamte Be-völkerung etwa bis zum 30. Lebensjahr ohne Schulbildung geblieben ist. Erst in den letzten Jahren ist mit Hilfe der UNO und anderer Unterstützer wieder so et-was wie „Schule“ entstanden. So hat die Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf kaum Fachkräfte für den Wiederaufbau des Landes, hat jedoch versucht möglichst viele Liberianer und vor allem qualifizier-te Liberianerinnen, die im Ausland leb-ten, für die Regierungsämter zu werben, was ansatzweise auch gelungen ist.

mittelpunkt — Wie ist die jetzige politi-sche und wirtschaftliche Lage in Liberia?regina ney-wilkens — Die politische und wirtschaftliche Situation im Land ist sehr instabil. Die Kluft zwischen der zum großen Teil wohlhabenden ameri-

»Mit Kindersoldaten und Milizen drang Charles Tay-lor von der benachbarten

Elfenbeinküste nach Liberia vor. Er terrorisierte Teile der Bevölkerung und beschaffte

sogenannte „Blutdiaman-ten“, um seine Waffenkäufe

zu finanzieren.«

An der West-Küste Afrikas liegt die Republik Liberia. [Bild: Openstreetmap.]

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ka-liberianischen Elite und der armen Land- und Urbevölkerung wird größer. Über 80% der Bevölkerung sind arbeits-los – es gibt keine Sozialsysteme wie bei uns. Reguläre Arbeitsplätze wie auf der Gummiplantage gibt es nur wenige.

In Monrovia sieht man noch deutlich viele durch den Bürgerkrieg zerstörte Häuser. Etliche americo-liberianische Besitzer dieser Grundstücke sind nach dem Bürgerkrieg nicht zurückgekehrt, ihre Grundstücke liegen brach und wurden teilweise durch Vertriebene und Gestrandete aus dem Hinterland besetzt. Einfache Hütten und Slums sind in der Hauptstadt entstanden. Die Menschen scheinen alle vor ihrer Hütte einen Marktstand aufgebaut zu haben. Jeder probiert, irgendetwas zu verkaufen, um zu überleben.

Im Land – auch in der Hauptstadt - gibt es keine Stromerzeugung und -ver-sorgung und man sagte uns, dass dieses auch noch 4 – 5 Jahre dauern könne. Wer es sich leisten kann, hat einen ei-genen Stromgenerator vor der Haustür. Und noch immer ist kaum Infrastruktur vorhanden: es gibt kein Trinkwasser und keine Kanalisation, keine geregelte Müllentsorgung, nur wenig ausgebaute Straßen, keine Bahnlinie und keinen öf-fentlichen Nahverkehr, kein öffentliches Telefonnetz, keine Post und keinen Brief-kasten. Eine Industrieansiedlung erfolgt nicht, weil die Strompreise zu hoch sind und trotz verbesserter Gesetzeslage die Korruption „blüht“.

Die Armut ist allgegenwärtig – auch 10 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrie-ges. Um erneuten Unruhen vorzubeugen, muss Veränderung her.

mittelpunkt — Welche Chancen auf Veränderung hat die Regierung von Ellen Johnson-Sirleaf?regina ney-wilkens — Bei einer Amts-zeit der Präsidentin von 6 Jahren ist E.J.Sirleaf nun in ihrer zweiten Regie-rungsperiode. Viele Gesetzesentwürfe sind auf „den Weg gebracht“ und auch verabschiedet. Aber sie hat keine Regie-rungsmehrheit und viele Senatoren und Abgeordnete besitzen keine Fähigkeiten und auch nicht den Willen, ihr Mandat verantwortungsvoll auszuüben. In der Regierung befinden sich auch einige für den Bürgerkrieg hauptverantwortliche Personen. Auch mit diesen Kräften muss sich die Regierung arrangieren, um das

Land nicht erneut ins Chaos zu stürzen. Und es gibt kein Personal, um die

Gesetze auch durchzusetzen. Das Anti-korruptionsgesetz ist gut, nur kümmert sich niemand darum.

Trotz der Armutsbekämpfungsstrate-gie der Regierung mangelt es erheblich an wirtschaftlichen und sozialen Rech-ten wie z.B. an Beschäftigung, Bildung, Erziehung, Gesundheit und gesundem Wasser. Wie soll man das bewerten, wenn angesichts einer hohen Kriminali-tät weiterhin überwiegend Straflosigkeit besteht! Angesichts dieser Entwicklung wäre eine Prognose für die Zukunft reine Spekulation.

mittelpunkt — Wie würdest Du die schulische Situation in Liberia beschrei-ben?regina ney-wilkens — Durch den Bür-gerkrieg hat praktisch eine Generation lang kein Schulbetrieb stattgefunden. Die Regierung hat zwar einen kostenlosen Grundschulbetrieb zugesagt, praktisch muss jedoch jeder Schulplatz bezahlt werden. Nach der Statistik gibt es in Liberia 53 % Analphabeten – bei Frauen 65 %. Ob im ganzen Land inzwischen der Schulbetrieb wieder aufgenommen ist, konnte uns niemand sagen. Bei den knappen Regierungsbudgets geht die Investition in die Schulbildung fast gegen Null!

Wir haben eine sehr gut ausgestattete private Schule in Monrovia – die „Ame-rican International School of Monrovia“ - besucht und waren erstaunt über die gute Ausstattung mit Arbeitsmaterialien in den großen klimatisierten Klassen- und Pausenräumen. Die Klassenstärke betrug 7 bis 17 Kinder, wir haben den Unterricht einer Klasse mit 9 Kindern verfolgt, da kann man wirklich gut ler-nen! Alle diese Kinder werden nach dem Abitur wohl im Ausland – überwiegend in Amerika – ihr Studium aufnehmen.

Die Schule des Waisenheims in Mon-rovia und eine von uns auf dem Land besuchte Schule bot uns eine andere Wirklichkeit. 33 Kinder befanden sich als Heimkinder dort, 112 sind SchülerInnen von außen. Einmal die Woche kommt für 2 Stunden eine belgische und eine schwe-dische Lehrerin in eine Klasse – sie haben Bücher und Hefte für ihre Schülerinnen und Schüler organisiert. Sonst gibt es kei-ne Bücher und kein Papier in der Schule. Der übliche Unterricht findet mündlich

und auf Tafeln mit Kreide statt. Nur die älteren SchülerInnen haben Tische und Stühle, die ganz Kleinen haben noch nicht einmal einen Sitzplatz, außer dem Lehmboden. Das Schulgelände ist von einer hohen Mauer umzäunt und durch ein eisernes Tor verschlossen. Es gibt zwei Bäume auf dem Gelände, die ein wenig Schatten spenden, die Unterrichtsräume haben keine Fensterscheiben. Jetzt in der Trockenzeit ist es heiß und stickig, es fällt schwer, sich zu konzentrieren. Allen rinnt der Schweiß am Körper herunter. Zum Schutz vor der Sonne hängen grobe Leinensäcke in den Türen. Es gibt keinen Strom und damit auch keine Klimaanlage, weder in den Schulräumen noch in den beiden winzigen Schlafräumen der Heim-kinder. Sie schlafen hier zu zweit in einem Bett – im Raum der Mädchen stehen 5 Etagenbetten – kein Schrank – kein Stuhl – kein Spielzeug. Die „Küche“ ist eine of-fene Rundung mitten auf dem Schulplatz mit einer Feuerstelle auf dem Boden, zum Kochen oder einnehmen einer Mahlzeit sehen wir keine Tische, keine Stühle. Aber man ist stolz auf den eigenen Trinkwas-serbrunnen.

Als wir einige Tage später im Distrikt Grand Cape Mount auf dem Land in Richtung Sierra Leone eine Schule mit etwa 800 Schülern besuchen, ist unsere Überraschung groß. Die Schule ist viel zu klein für alle Kinder. So gehen morgens die Kleinen und nachmittags die Älteren in die Schule. Es gibt keine Bücher, keine Hefte, keine Stifte, keinen Strom, kei-nen Kopierer, keinen Computer…..und keinen stromerzeugenden Generator im Dorf, nichts. Der Unterricht findet für die Lehrer als Vorbereitung im Kopf und in der Praxis an der Klassentafel statt. Wir sind völlig erschüttert! Wie kann ein Land seine Bürger zu vernünftigen Schulab-schlüssen und anschließenden Ausbildun-gen qualifizieren und die eigene Regierung und die Wirtschaft beleben, wenn alle Voraussetzungen dafür nicht da sind!

Später finden wir heraus, dass es seit dem Ende des Bürgerkrieges keine Buchhandlung in Monrovia gibt und wir erfahren nicht, ob es überhaupt im Land eine gibt. Man erzählt uns aber, dass es auch an der Universität in etlichen Fach-bereichen kaum oder keine Bücher gibt. Auch deshalb studieren die Wohlhaben-den im Ausland – die Studienabschlüsse in Monrovia haben ein niedriges Niveau. Der BA Universitätsabschluss entspricht

dem Stand der „9.Klasse“ in Deutsch-land!

mittelpunkt — Wie sind die Aussichten für die weitere Entwicklung in Liberia?regina ney-wilkens — Das ist wirklich schwer zu sagen! Ich glaube, dass sich die gesamte Finanz- und Unterstützungs-politik der sogenannten „Geberländer“ grundsätzlich verändern muss. Noch immer erfolgt die internationale finan-zielle Unterstützung überwiegend an die Regierungen der afrikanischen Länder, was in großem Umfang zur persönlichen Bereicherung Einzelner in dunklen Ka-nälen verschwindet. Als Gegenleistung erhalten die Geberländer für ihre Un-ternehmen noch immer zu „Spottkondi-tionen“ Landkauf, Möglichkeiten von Tropenholzexport, beste Bedingungen für Öl-, Gold- oder Diamantengewinnung. Das ist dauerhafte Korruption auf beiden Seiten und solange das so bleibt, werden afrikanische Staaten zum Aufbau ihrer Infra- und Wirtschaftsstrukturen für die gesamte Bevölkerung nichts gewinnen. Liberia zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, trotz seines Reichtums an Rohstof-fen. Trotz fruchtbarer Böden ist es von Nahrungsmittelhilfe abhängig.

Ich glaube, dass Bildung und Aus-bildung der gesamten Bevölkerung notwendige Voraussetzung für jedwede Entwicklung in Liberia ist und hier jede Anstrengung für die Zukunft gerecht-fertigt ist. Natürlich kann Bildung auch nicht den Job garantieren, jedoch ist ohne sie keine Weiterentwicklung und Verbes-serung möglich! ×

»Die Armut ist allgegenwärtig; auch 10 Jahre nach dem Ende

des Bürgerkrieges. Um erneuten Unruhen vorzubeu-gen, muss Veränderung her.«

»Durch den Bürgerkrieg hat praktisch eine Generation

lang kein Schulbetrieb stattgefunden.«

»In der Schule gab es keine Bücher, keine Hefte, keine

Stifte, keinen Strom, keinen Kopierer, keinen Computer … und keinen stromerzeugenden

Generator im Dorf, nichts.«

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„Die Armut ist allgegenwär-tig – auch 10 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges. Um erneuten Unruhen vorzubeugen, muss Veränderung her.“

fotos —Regina Ney-Wilkens

„Die täglichen Neuig-keiten gibt‘s hier: eine Zeitung kann der eine nicht lesen, der andere sich nicht leisten. Hier die Wahrheit zu sagen für die nationale Einheit und den Wohlstand geht am geht an der Lebens-wirklichkeit der meisten Leute vorbei.“

„Einen Spiel-platz gibt es nicht – trotzdem ist überall Platz zum Spielen.“

„Markt ist fast überall.“

„Auf dem Markt verkauft jeder irgendwas ... und das Notwendigs-te ist besonders billig.“

„Die junge Betreuerin singt mit den kleinsten Kindern einen Klatschreim für die Besucher.“

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lässt sich anhand von Werthypothesen ermit-teln“, sagt Daniel Schmid, Wirtschaftsingenieur und Inhaber einer Agentur für User Experience und Interaction Design. Denn aus der Verhal-tensforschung weiß man: Je wertvoller die Be-lohung, desto eher wird eine Person eine Aktion ausführen.

 „Man greift bei der Entwicklung auf eigene Erfahrungen zurück – und auf die sogenannte Best Practice, also die Erfolgsmethoden, die sich bereits bewährt haben. Und dann legt man die Prototypen Testpersonen vor“, erklärt Schmid. Wie in der Werbung spiele auch hier das Wor-ding eine große Rolle. Denn ob ein Kunde bei-spielsweise gern auf „Jetzt kaufen“ oder „Jetzt zuschlagen“ klickt, sei laut Schmid zielgruppen-abhängig. „Das funktioniert wie das Leitsystem im Supermarkt“, sagt er.

Von der eigenen Festplatte in die Cloud

Vor nicht allzu langer Zeit speicherten Nut-zer ihre Bilder, Musik und anderen Daten noch zu Hause auf der Speicherplatte ihres Festcom-puters. „Die Nutzung fand auf dem persönli-chen Gerät statt und unterlag auch der Kontrol-le des Besitzers“, sagt Professor Thilo von Pape von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Der Kommunikationswissenschaftler beschäf-tigt sich unter anderem mit den Strategien, die Nutzer weg vom PC mit seinen Programmen hin zu Apps und kleinen, mobilen Endgeräten locken sollen.

„Heute ist alles zentralisiert und personali-siert“, sagt er. Unsere Bilder sind bei Pinterest gespeichert, unsere Musikliste auf Spotify und unsere Bücher auf dem Kindle von Amazon. „Damit erhalten die Unternehmen nicht nur Einsichten in unser Verhalten“, sagt von Pape, „sondern auch die Kontrolle über die Produk-te.“ Wenn Nutzer gegen die Nutzungsbedingun-gen der Unternehmen verstoßen, kann Amazon deren Bücher, YouTube deren Videos und Face-book deren Profil löschen.

Die Unternehmen diktieren die Regeln

Erst vor kurzem berichtete die Frankfur-ter Rundschau von einer Frau, deren gesamte Kindle-Bibliothek durch Amazon gelöscht worden war. Auf ihre Nachfrage hin gab der Konzern an, dass ihr Konto direkt mit einem anderen verbunden sei, das zuvor wegen Miss-brauch der Nutzungsbedingungen geschlossen

worden war, berichtete die Zeitung. Keine Chance, die gekauften Ebooks wiederzuerhalten.

Ein Grund, warum die Modelle

dennoch funktionieren, sei, weil sie für den Nutzer Vorteile hätten. „Je mehr Geräte wir ha-ben, desto praktischer ist es, dass alles über eine zentrale Speicherung läuft“, erklärt von Pape. So kann man mit jedem Gerät von fast jedem Ort auf alles zugreifen. Der Nutzer glaubt Zeit zu sparen und ist glücklich darüber, denn Zeit ist kostbar. „Doch wenn wir unser Privatleben auf den Grund der Unternehmen verlagern, lau-fen wir Gefahr, dass diese am Ende die Regeln diktieren“, warnt von Pape. Am Ende des Tages muss man sich wohl die Frage stellen, ob das Glück auf Knopfdruck seinen Preis wert ist. ×

———Erschien erstmals in FLUTER – Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung.

text —Marta Popowska

illustration —Linus Luka Bahun

Es hat Vera nur wenige Mausklicks ge-kostet, um das schicke Kleid in ihrem Lieb-lings-Onlineshop zu kaufen. Von einem Feu-erwerk an Glücksgefühlen trennen sie jetzt nur noch wenige Klicks. Vera wird das Kleid anziehen, ein Foto von sich darin machen und es hochladen. Aber nicht irgendwo. Sie macht ein schickes Instagram-Bild, stellt es auf Pinterest und verlinkt es auf Facebook. Jeder folgende „Gefällt mir“-Klick ihrer virtuellen Freunde gleicht einer Glückswal-lung – und das wissenschaftlich garantiert. Denn Forscher haben herausgefunden, dass die Selbstoffenbarung auf Facebook und Co. fast so glücklich macht wie Sex.

Als Wissenschaftler der Harvard Univer-sity vor wenigen Monaten ihre Ergebnisse im Fachmagazin Proceedings of the Nati-onal Academy of Sciences präsentierten, staunte die Öffentlichkeit nicht schlecht. Die Forscher um die Psychologin Diana Tamir haben nämlich herausgefunden, dass das Posten von Nachrichten auf Facebook oder Twitter ein Gefühl der Belohnung im Gehirn auslöse und zwar in derselben Hirnregion, wie es bei gutem Essen oder Sex der Fall ist. Die Erklärung dafür lieferten Tamir und ihr Team auch: Menschen haben den Drang, von sich selbst zu erzählen. 40 Prozent von dem, was Menschen täglich sagen, beziehe sich auf ihre eigenen Gefühle und Erlebnisse, heißt es in der Studie. An den Pinnwänden ihrer digitalen Welt können Nutzer dies sogar zu 100 Prozent.

Wie groß dieses Bedürfnis ist, zeigte eines der Experimente, das für die Studie durch-geführt wurde, in dem die Probanden bereit waren, durchschnittlich 17 Prozent weniger Geld zu verdienen – wenn sie dafür mehr über sich selbst sprechen dürften.

Der Kick im InternetZwar gibt es die eingangs erwähnte

Vera nicht wirklich, doch steht ihr Name stellvertretend für Millionen von Usern, die sich täglich selbst offenbaren und sich ihren Kick an Glücksmomenten im Internet holen. Die Bereitschaft, auch intimste Erlebnisse in Netzwerken öffentlich preiszugeben und dafür so viele „Likes“ und Kommentare wie möglich zu erhalten, scheint grenzenlos. Da-mit die Nutzer das auch in Echtzeit können, gibt es zu allem die passende App. Der Lohn sind Aufmerksamkeit sowie die Bestätigung der eigenen Attraktivität. Und das macht nun mal glücklich.

Diesen Kick bieten immer mehr Plattfor-men – darunter Pinterest. Die „Selbstdarstel-lungsmaschine“, wie das Soziale Netzwerk gerne genannt wird, steht laut dem Online-dienst Alexa momentan auf Platz 38 der weltweit am meisten besuchten Websites, Tendenz steigend. Das Portal bietet Usern die Möglichkeit, Bilder und Videos – aus dem Netz oder auch von der eigenen Fest-platte – an einer einsehbaren Pinnwand mit anderen zu teilen. Mit unterschiedlichen Boards, also Themenalben, kann jeder jedem zeigen, wie kreativ er oder sie ist. Genau wie auf Facebook können die Boards „geli-ked“ werden, und Interessierte können dem Nutzer „folgen“, wie auf Twitter. Obwohl die Möglichkeiten zur Selbstdarstellung auf Pinterest abgespeckter sind als beispielswei-se auf Facebook, nutzen es mittlerweile 25 Millionen Menschen monatlich. Eine Gold-grube für Firmen, da die User, die Klamotten und Produkte an ihre Boards pinnen, gleich Werbung dafür machen – und das völlig umsonst.

Ob soziales Netzwerk oder Onlineshop: Bevor eine Plattform im Internet auf die Leu-te losgelassen wird, muss eine ansprechende Benutzeroberfläche für die passende Ziel-gruppe her. Ist erst einmal ein Geschäftsziel ausgemacht, machen sich Entwickler und Designer an die Wireframes, die Prototypen der Websites. „Ob das Produkt ankommt,

Das Glück ist einen Klick entfernt.

Zu finden unter: http://goo.gl/qzst3A

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Sommer, Sonne, Open

Source!fotos

—Dominik Rau

Auf der Düsseldorfer Ga-lopp-Rennbahn hat sich in den vergangenen Jahren eines der eigen-willigsten und mutigsten Musikfesti-vals der Region etabliert. Jedes Jahr bringt das Open Source Künstler aus unterschiedlichen musikalischen Gen-res zusammen. Auch dieses Jahr war es mal wieder eine wahnsinnige Party. Etwa 5000 Zuschauer sind an diesem Wochenende auf die Galopprenn-bahn in Grafenberg gekommen, um 17 Bands zu sehen. Auf drei Bühnen gibt es Popkünstler, überwiegend aus dem Bereich der Elektro- und Rock-musik. Musikalisch war für jeden Geschmack etwas dabei - Mos Def heizte dem Publikum mächtig ein! Auch an den kleineren Bühnen gab es tolle Acts wie Karmaboy und Dena. ×

Überzeugend: Klassik goes Club

Klassik und Club-Musik zu mischen kann ganz schnell ganz peinlich werden. Im schlimmsten Fall endet es, wie auf einzelnen David Garrett-Konzerten bei denen 40-jährige Mütter ihre persönlichs-ten Dinge auf die Bühne werfen: in einem Brei aus Vivaldi und irgendwas moder-nem. Das Ergebnis hat weder mit Klassik noch mit Club zu tun sondern nimmt sich eher wie eine überdrehte Volksmu-sik aus. Glücklicherweise muss das aber nicht so sein. Der Luxemburger Francesco Tristano zum Beispiel ist in beiden Lagern zuhause: er spielt sowohl die Goldbervari-ationen von Bach, versteht es aber auch in einem Club für Stimmung zu sorgen. Dass diese beiden Eigenschaften in einem Men-schen vereint sind kommt schon selten genug vor, wie herrlich muss es also sein, wenn zwei Musikrichtungen in einem so brillanten Kopf, wie dem von Tristano, gemeinsame Wege gehen? Classic goes Club sozusagen. Das Ergebnis ist in jedem Fall herrlich und beachtenswert. Bestaunt werden kann es zum Beispiel auf der CD bachCage, die Tristano 2011 vorstellte. Darauf: eine ausgewählte Mischung von altem, aber nie verstaubten Bach und neuem und gehaltvollem John Cage. Diese Mischung ist schon gut. Noch interessan-ter wird es aber, wenn man das Feature zu dieser CD bei iTunes herunterläd: da stößt man auf einen Tristano-Bach-Re-mix, den man auch problemlos in jedem Club spielen könnte. Das bemerkens-werte: diese Musik ist gnadenlos ehrlich und versucht nie etwas zu sein, was sie nicht ist. Klassisches Klavierspiel trifft auf Club. Ganz pur, ganz unverschnörkelt. Davon wollen wir mehr! ×

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—Linus Bahun

foto—Aymeric Girondel

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text —Nik Grün

fotos —Dominik Rau

Wenn Skateboarding also mehr ist, als bloß ein Trend- oder Extremsport und vielmehr als ein Le-bensgefühl oder gar eine (Jugend-)Kultur aufgefasst wird, dann ergeben sich daraus Fragen: Was macht denn überhaupt dieses Lebensgefühl aus? Wodurch genau wird aus einer zunächt reinen sportlichen Aktivität eine ganze (Jugend-)Kultur? Welches sind die bestimmenden Kriterien dieser Kultur, die ihre Wurzeln in den 1950´er Jahren ausmachen kann? Welches sind die Symbole, die Codes, die konstitu-ierenden Kriterien einer Kultur sind? Welches sind die künsterlischen Ausdrucksformen dieser Skate-boardkultur? Einen Teil der Antwort auf die Fragen stellt vielleicht SkateArt dar. Was ist SkateArt? Ist es bereits SkateArt, wenn ein Deck als Leinwand um-funktioniert wird? Kann es nur SkateArt sein, wenn es Werke von Jim Phillips (sicherlich einem der Schöpfer dieser Form des künsterlischen Ausdrucks) oder anderen bekannten Künstler_innen sind? In der Skateboardszene gibt es nicht wenige Menschen, die sich künsterlisch betätigen. Und genau diese Men-schen sollten für das Projekt aktiviert werden. Wer sich mit welchen Beiträgen am SkateArt Fest betei-ligt erfahrt ihr bei den Informationen zu den Artists und zum Rahmenprogramm.  

Spätestens seit Tony Hawks Pro Skater von Ac-tivision und den X Games von ESPN ist Skateboar-ding wieder einer breiten Masse bekannt gemacht

worden. Szenefremde Industrie hat immer wieder versucht, aus dem Skate-boarding für sich einen Absatzmarkt zu generieren: In Kaufhäusern wird

mit billigen (eigentlich unbrauchbaren) Produkten versucht, eine möglichst junge Kundschaft anzuspre-chen und zu gewinnen. Große Sportwarenfirmen bringen eigene Kollektionen heraus und unterhalten Skatebaordteams. Selbst die Designer_innen-Mode hat Skateboarding für sich entdeckt und nutzt das Skatboard als pfiffiges Accessoir. Der letzte große Boom hat eine Menge Menschen neu für Skaten interessieren können und so gibt es in den letzten Jahren vermutlich mehr Sktater_innen, als je zuvor. In vielen Kommunen wird gleichzeitig das Skaten an (immer mehr privatisierten) öffentlichen Plätzen untersagt. Weil sich durch derartige Verbote jedoch kaum jemand so leicht vom Skaten abhalten lässt, besonders, wenn der Spot doch geradezu fürs Rollen geschaffen wurde, ist der Konflikt mit Nachbar-schaft, Sicherheitspersonal, Haustechniker_innen, dem Ordnungsamt und der Polizei fast vorpro-grammiert und daher nicht selten. Skateboarding ist jedoch mehr als nur jugendlich deviantes Verhalten, mehr als eine Ruhestörung, mehr als die Zerstörung öffentlichen Eigentums oder Verschmutzung öffent-licher Plätze mit Pizzakartons und hinterlassenen Chipstüten. Skateboarding ist eine (Jugend-)Kultur, die über die letzten fünf Jahrzehnte entstanden ist und gehört damit zu einer der ältesten, noch exis-tierenden, Jugendkulturen überhaupt. Über Sticker, Deckdesigns, Fotografie, Magazine, Zines, Videos, Kleidung und mehr haben sich eigene Symbole und Ausdrucksformen entwickelt. Das Skaten hat sich vor allem aus dem Surfen entwickelt und so eine Evolution aus dem Meer ans Land, über die Städte und Vorstädte in dörfliche Gemeinden und über vie-le viele Grenzen hinweg durchlaufen. Von der reinen Fortbewegung hin zu technisch hochkomplizierten und vor allem ästhetischen Bewegungsformen haben sich über die Jahrzehnte ebenso auch die Materiali-en und Produktionsformen weiterentwickelt. ×

Kreativität ist eines der Hauptmerkmale der

Skateboardkultur. Und die Kreativität ist es auch, die im Rahmen des Skate-ArtFests im Mittelpunkt stand. Vom 16.02.2013 bis zum 24.02.2013 stellten

15 KünstlerInnen im Rah-men des SkateArt Fest im “Ladenlokal” in MG ihre

Werke aus.

SkateArt-Festival:

»Ist es be-reits SkateArt

wenn eine Decke zur Leinwand

umfunktio-niert wird?«

Die Facebook-Seite des Ladenlokals findet ihr hier: http://goo.gl/yf8GPB