weit mehr als die vermittlung von wissen: die Öffentlichkeitsarbeit ist teil der verpflichtung der...

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Ü ber das zu reden und über das zu schreiben, was einen selbst interessiert und bewegt, dient dem Präzisieren der eigenen Ge- danken. Und wenn man dann das Glück hat, dass es Leute gibt, die einem zuhören, und die bereit sind, zu lesen, was man geschrieben hat, dann ist das eine großartige Sache. Doch wer mit seiner Nachricht in die Medien will, der muss sich den Regeln eines ganz besonderen Sys- tems unterwerfen. Und an den Kompromissen, die dabei gemacht werden müssen, scheiden sich die Geister. Doch wie man es auch schaffen mag, seine Nachricht unter die Leute zu bringen, eines ist dabei elementar und unverzichtbar: Wer für die Wissenschaft schreibt oder ganz allgemein in ihrem Namen vor die Öffentlichkeit tritt, der muss sich der Unterstützung seiner Fach- kollegen sicher sein. Gerade in die- sem Sinne ist die Anerkennung, die ich heute durch Sie erfahre, für mich in besonderem Maße wichtig. Es ist ein Merkmal des in Deutschland erzogenen Naturwis- senschaftlers, dass er öffentlichen Auftritten gegenüber eher kritisch eingestellt ist. Er ist mit seinen Äußerungen vorsichtig so lange die Details nicht untersucht und somit noch weiter Zweifel möglich sind. Eine solche edle Zurückhaltung hat auch lange die Beziehungen der Deutschen Physikalischen Gesell- schaft zur Öffentlichkeit geprägt. Dies hat nicht ausgeschlossen, dass sich die DPG zu Zeiten mit sorgfäl- tig ausgearbeiteten, wohl abgewoge- nen Stellungnahmen zu wichtigen Fragen der Gesellschaft zu Wort ge- meldet hat. Doch wenn einer nichts sagt, dann wird ihm das nicht immer als Tugend angerechnet. Und in der Tat hat die Öffentlichkeit die von den Wissenschaften generell geübte Zurückhaltung nicht immer richtig verstanden. Daher ist es gut, dass die neunziger Jahre einen Wandel bewirkt haben, einen Wandel hin zu dem Bewusstsein, dass die Na- turwissenschaften nur dann ihrer kulturellen Aufgabe gerecht werden können, wenn sie zu einem Dialog mit den Menschen finden. Alle diejenigen, die in der DPG in dieser Zeit die Öffnung hin zu den Medien und der Öffentlichkeit betrieben haben, können sich durch den heutigen Stand der Dinge nur dankbar bestätigt fühlen. Ich möch- te daher meinem Respekt und mei- ner Begeisterung Ausdruck geben, für das, was von der DPG in den letzten Jahren und ganz speziell in jüngster Zeit mit Bezug auf die Öf- fentlichkeitsarbeit erreicht worden ist. Die Veranstaltungen zum Jahr der Physik 2000 sind ein vorläufiger Höhepunkt dieser Öffnungsbewe- gung in der Wissenschaft. Sicher war einer der größten Erfolge die- ses Jahres, dass gezeigt werden konnte, dass den Menschen die Faszination am Verstehen der Na- tur keinesfalls abhanden gekommen ist, und dass auf der anderen Seite die Motivation der Forscher und Forscherinnen groß ist, das was sie selbst begeistert, auch anderen zu- gänglich zu machen. Doch derjenige, der handelt, während die anderen noch beim Reden sind, der muss sich auf Schläge gefasst machen. Und so hat sich Dieter Simon vor kurzem in der ZEIT mit einer Polemik zu Wort gemeldet. Mit Bezug auf die Aktion „Wissenschaft im Dialog“ der großen Forschungsorganisatio- nen meint Simon: Verständnis für die Naturwissenschaften durch die Popularisierung ihrer Ergebnisse er- reichen zu wollen, läuft auf eine Selbsttäuschung der Wissenschaft- ler hinaus. Die Menschen seien we- niger an der Wissenschaft selbst als an den wissenschaftsbasierten ge- sellschaftlichen Problemen interes- siert. Simon wiederholt mit seinen Äußerungen Ulrich Beck, der 1986 in seinem Buch „Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Mo- derne“ identische Vorwürfe gegen die Wissenschaft erhoben hat. Man kann zu Simons Kritik stehen wie man will, man kann sie aber auf al- le Fälle als Anregung zum Nach- denken auffassen, und zwar darü- ber, was Öffentlichkeitsarbeit in der Wissenschaft eigentlich sei. Ich möchte dazu fünf Anmerkungen machen. Erstens: Es ist eine Tatsache, dass sehr viele Menschen, vom Schüler über die Lehrer bis hin zu den Entscheidungsträgern in der Wirtschaft und in der Politik, viel weniger über Natur und Wissen- schaft wissen als sie vernünftiger- weise wissen könnten. Dies dürfen wir als Naturwissenschaftler auf al- le Fälle nicht auf sich beruhen las- sen. Zweitens: Mit wenigen Ausnah- men geht es bei denen, die sich heute öffentlich über Naturwissen- schaft äußern – auch der Jurist Simon und überraschenderweise auch viele Wissenschaftsmanager gehören dazu – nicht um die grund- sätzliche Faszination des Wissens um die Natur, die gerade uns Wis- senschaftler in hohem Maße be- wegt. Die Wissenschaft wird in der Öffentlichkeit immer weniger als ein Element von Bildung und Kul- tur und immer mehr als eine reine Ressource von Technik und Wirt- schaft verstanden. Das Fragen nach dem „Wie?“ und „Warum?“, das am Anfang jeder Wissenschaft steht, ist in der öffentlichen Diskussion vor der Frage nach dem „Wozu?“ fast völlig in den Hintergrund getreten. Es muss uns daher darum gehen, den Wert naturwissenschaftlicher Erkenntnis als weltbildschaffendes Kulturgut neben den anderen großen Kulturleistungen der Menschheit wieder deutlicher her- vortreten zu lassen. Drittens: Es ist eine Tatsache, dass dem modernen reichlichen Konsum von Technik keine entspre- chende Nachfrage der Menschen nach Erklärung gegenübersteht. Dies wirkt sich zusätzlich zum Nachteil der Wissenschaft aus, de- ren oft jahrzehntelange Vorarbeit, die das entsprechende Produkt überhaupt erst möglich gemacht hat, gar nicht mehr erkannt wird. Kaum einer, um wenigstens zwei Beispiele zu nennen, dem die Knautschzone seines Autos soeben das Leben gerettet hat, kennt die Ursachen des für ihn so wichtig ge- Weit mehr als die Vermittlung von Wissen Die Öffentlichkeitsarbeit ist Teil der Verpflichtung der Naturwissenschaften zur Mitarbeit an einer verantwortungsvoll gestalteten Zukunft Knut Urban 22 Forum Physikalische Blätter 57 (2001) Nr. 1 0031-9279/01/0101-22 $17.50+50/0 © WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2001 Vortrag gehalten am 10. November 2000 im Physikzentrum Bad Honnef anläss- lich der Verleihung der DPG-Medaille für naturwissen- schaftliche Publizis- tik an Knut Urban. Prof. Dr. Knut Ur- ban, Lehrstuhl für Experimentalphysik IV, Aachen, und Ins- titut für Festkörper- forschung, For- schungszentrum Jülich, 52425 Jülich.

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Page 1: Weit mehr als die Vermittlung von Wissen: Die Öffentlichkeitsarbeit ist Teil der Verpflichtung der Naturwissenschaften zur Mitarbeit an einer verantwortungsvoll gestalteten Zukunft

Über das zu reden und über daszu schreiben, was einen selbstinteressiert und bewegt, dient

dem Präzisieren der eigenen Ge-danken. Und wenn man dann dasGlück hat, dass es Leute gibt, dieeinem zuhören, und die bereit sind,zu lesen, was man geschrieben hat,dann ist das eine großartige Sache.Doch wer mit seiner Nachricht indie Medien will, der muss sich denRegeln eines ganz besonderen Sys-tems unterwerfen. Und an denKompromissen, die dabei gemachtwerden müssen, scheiden sich dieGeister. Doch wie man es auchschaffen mag, seine Nachricht unterdie Leute zu bringen, eines ist dabeielementar und unverzichtbar: Werfür die Wissenschaft schreibt oderganz allgemein in ihrem Namen vordie Öffentlichkeit tritt, der musssich der Unterstützung seiner Fach-kollegen sicher sein. Gerade in die-sem Sinne ist die Anerkennung, dieich heute durch Sie erfahre, fürmich in besonderem Maße wichtig.

Es ist ein Merkmal des inDeutschland erzogenen Naturwis-senschaftlers, dass er öffentlichenAuftritten gegenüber eher kritischeingestellt ist. Er ist mit seinenÄußerungen vorsichtig so lange dieDetails nicht untersucht und somitnoch weiter Zweifel möglich sind.Eine solche edle Zurückhaltung hatauch lange die Beziehungen derDeutschen Physikalischen Gesell-schaft zur Öffentlichkeit geprägt.Dies hat nicht ausgeschlossen, dasssich die DPG zu Zeiten mit sorgfäl-tig ausgearbeiteten, wohl abgewoge-nen Stellungnahmen zu wichtigenFragen der Gesellschaft zu Wort ge-meldet hat.

Doch wenn einer nichts sagt,dann wird ihm das nicht immer alsTugend angerechnet. Und in der Tathat die Öffentlichkeit die von denWissenschaften generell geübteZurückhaltung nicht immer richtigverstanden. Daher ist es gut, dassdie neunziger Jahre einen Wandelbewirkt haben, einen Wandel hinzu dem Bewusstsein, dass die Na-turwissenschaften nur dann ihrerkulturellen Aufgabe gerecht werdenkönnen, wenn sie zu einem Dialog

mit den Menschen finden. Alle diejenigen, die in der DPG

in dieser Zeit die Öffnung hin zuden Medien und der Öffentlichkeitbetrieben haben, können sich durchden heutigen Stand der Dinge nurdankbar bestätigt fühlen. Ich möch-te daher meinem Respekt und mei-ner Begeisterung Ausdruck geben,für das, was von der DPG in denletzten Jahren und ganz speziell injüngster Zeit mit Bezug auf die Öf-fentlichkeitsarbeit erreicht wordenist.

Die Veranstaltungen zum Jahrder Physik 2000 sind ein vorläufigerHöhepunkt dieser Öffnungsbewe-gung in der Wissenschaft. Sicherwar einer der größten Erfolge die-ses Jahres, dass gezeigt werdenkonnte, dass den Menschen dieFaszination am Verstehen der Na-tur keinesfalls abhanden gekommenist, und dass auf der anderen Seitedie Motivation der Forscher undForscherinnen groß ist, das was sieselbst begeistert, auch anderen zu-gänglich zu machen.

Doch derjenige, der handelt,während die anderen noch beimReden sind, der muss sich aufSchläge gefasst machen. Und so hatsich Dieter Simon vor kurzem inder ZEIT mit einer Polemik zuWort gemeldet. Mit Bezug auf dieAktion „Wissenschaft im Dialog“der großen Forschungsorganisatio-nen meint Simon: Verständnis fürdie Naturwissenschaften durch diePopularisierung ihrer Ergebnisse er-reichen zu wollen, läuft auf eineSelbsttäuschung der Wissenschaft-ler hinaus. Die Menschen seien we-niger an der Wissenschaft selbst alsan den wissenschaftsbasierten ge-sellschaftlichen Problemen interes-siert.

Simon wiederholt mit seinenÄußerungen Ulrich Beck, der 1986in seinem Buch „Risikogesellschaft– Auf dem Weg in eine andere Mo-derne“ identische Vorwürfe gegendie Wissenschaft erhoben hat. Mankann zu Simons Kritik stehen wieman will, man kann sie aber auf al-le Fälle als Anregung zum Nach-denken auffassen, und zwar darü-ber, was Öffentlichkeitsarbeit in der

Wissenschaft eigentlich sei. Ichmöchte dazu fünf Anmerkungenmachen.

Erstens: Es ist eine Tatsache,dass sehr viele Menschen, vomSchüler über die Lehrer bis hin zuden Entscheidungsträgern in derWirtschaft und in der Politik, vielweniger über Natur und Wissen-schaft wissen als sie vernünftiger-weise wissen könnten. Dies dürfenwir als Naturwissenschaftler auf al-le Fälle nicht auf sich beruhen las-sen.

Zweitens: Mit wenigen Ausnah-men geht es bei denen, die sichheute öffentlich über Naturwissen-schaft äußern – auch der Jurist Simon und überraschenderweiseauch viele Wissenschaftsmanagergehören dazu – nicht um die grund-sätzliche Faszination des Wissensum die Natur, die gerade uns Wis-senschaftler in hohem Maße be-wegt. Die Wissenschaft wird in derÖffentlichkeit immer weniger alsein Element von Bildung und Kul-tur und immer mehr als eine reineRessource von Technik und Wirt-schaft verstanden. Das Fragen nachdem „Wie?“ und „Warum?“, das amAnfang jeder Wissenschaft steht, istin der öffentlichen Diskussion vorder Frage nach dem „Wozu?“ fastvöllig in den Hintergrund getreten.

Es muss uns daher darum gehen,den Wert naturwissenschaftlicherErkenntnis als weltbildschaffendesKulturgut neben den anderengroßen Kulturleistungen derMenschheit wieder deutlicher her-vortreten zu lassen.

Drittens: Es ist eine Tatsache,dass dem modernen reichlichenKonsum von Technik keine entspre-chende Nachfrage der Menschennach Erklärung gegenübersteht.Dies wirkt sich zusätzlich zumNachteil der Wissenschaft aus, de-ren oft jahrzehntelange Vorarbeit,die das entsprechende Produktüberhaupt erst möglich gemachthat, gar nicht mehr erkannt wird.

Kaum einer, um wenigstens zweiBeispiele zu nennen, dem dieKnautschzone seines Autos soebendas Leben gerettet hat, kennt dieUrsachen des für ihn so wichtig ge-

Weit mehr als die Vermittlung von WissenDie Öffentlichkeitsarbeit ist Teil der Verpflichtung der Naturwissenschaften zur Mitarbeit an einer verantwortungsvoll gestalteten Zukunft

Knut Urban

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Physikalische Blätter57 (2001) Nr. 10031-9279/01/0101-22$17.50+50/0© WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 2001

Vortrag gehalten am10. November 2000im PhysikzentrumBad Honnef anläss-lich der Verleihungder DPG-Medaillefür naturwissen-schaftliche Publizis-tik an Knut Urban.

Prof. Dr. Knut Ur-ban, Lehrstuhl fürExperimentalphysikIV, Aachen, und Ins-titut für Festkörper-forschung, For-schungszentrumJülich, 52425 Jülich.

Page 2: Weit mehr als die Vermittlung von Wissen: Die Öffentlichkeitsarbeit ist Teil der Verpflichtung der Naturwissenschaften zur Mitarbeit an einer verantwortungsvoll gestalteten Zukunft

wordenen Materialverhaltens. Da-hinter stecken rund fünfzig JahreMetallphysik.

Und wer von den Autobesitzern,die sich ein Satellitennavigations-gerät haben einbauen lassen, istsich schon darüber im klaren, dassdiese faszinierende Technik nurdank der Erkenntnisse der Relati-vitätsphysik funktioniert. Wohlge-merkt, Sie erreichen Ihr Fahrzielnur deshalb, weil es die Relati-vitätstheorie gibt, Forschung Jahr-gang 1905 bis 1916 und für viele derInbegriff des scheinbar Weltfrem-den in der Physik.

Wir haben allerdings, und in be-sonderem Maße während der Phy-sikserie in der FAZ im vergangenenJahr gelernt, dass das Interesse beivielen sehr wohl da wäre. Es wirdaber überhaupt nicht erwartet, dassdie Wissenschaft eine auch nurannähernd verständliche Antwortgeben würde. Daher sind die Men-schen überrascht, ja fast ungläubig,wenn sie in Bildern, die ihrer Vor-stellungswelt leicht zugänglich sind,eine verständliche Einsicht vermit-telt bekommen, was sehr viel häufi-ger möglich ist, als dies im Allge-meinen unterstellt wird. Mit demkompromisslosen „Ganz oder garnicht“ und der vielverbreitetenFurcht, dass die Bemühungen umAnschaulichkeit die Wissenschaftzum wohlfeilen Konsumartikel he-rabwürdigen könnten, haben wirWissenschaftler selbst erheblichzum Verlust der Fragekultur mit Be-zug auf Natur und Wissenschaftbeigetragen.

Viertens: Mit dem öffentlichenUnwissen über Sachinhalte ist auchdas Unwissen über die Arbeits- undDenkweisen der Wissenschaftenverknüpft. Nach einer Untersu-chung der National Science Foun-dation sind nur etwa ein Viertel derBürger in der Lage, eine passableAntwort auf die Frage zu geben,wie wissenschaftliche Untersuchun-gen eigentlich betrieben werden.

In einem im Juli in Science er-schienenen Artikel schließt BoyceRensberger daraus auf die Antwortauf die Frage, warum Pseudowis-senschaft so populär ist. Ohne eineVorstellung davon, wie Wissen-schaft gemacht wird, kann derDurchschnittsbürger den Unter-schied zwischen echten Daten undsolchen, die nur wie solche ausse-hen, aber aus unseriös geführtenUntersuchungen oder gar pseudo-wissenschaftlichem Fabulierenstammen, nicht erkennen. Die Be-

hauptung, dass Gehirne Informati-on telepathisch übertragen könn-ten, beeindruckt ihn in gleicherWeise wie die Feststellung derAstronomie, dass sich ganze Sterneauf die Dimension einer Kleinstadtzusammenziehen können. Kurz:Die Menschen haben nicht gelernt,dass wissenschaftliche Evidenz ge-wisse Qualitätsstandards erfüllenmuss.

In den letzten Monaten habenwir in den Medien die Aufführungvon Stücken aus der amerikani-schen pseudowissenschaftlichenSzene erlebt. Das Buch Ray Kurz-weils „The Age of Spiritual Machi-nes“ hat nicht nur in den USA, son-dern auch bei uns hohe Verkaufs-zahlen erlebt. Kurzweil prophezeit,dass es in wenigen Jahrzehnten sichselbst reproduzierende Roboter ge-ben wird, die „uns davon überzeu-gen werden, dass sie Menschensind“. Als Produkt der Vereinigungvon Physik, Biologie und Nano-technologie wird eine von Kurzweilals Nanoboter bezeichneten Speziesentstehen, mikrometergroße Gebil-de, die gleichwohl die Rechen- undSpeicherkapazität moderner Super-computerzentren übertreffen. In ei-nem unter der Überschrift „Warumuns die Zukunft nicht braucht“ er-schienenen Exposé konstruiert BillJoy auf der Basis dieser Nanotech-nologievisionen eine Apokalypseder wissenschaftlich-technischenZukunft und empfiehlt dann in sei-ner Naivität, die Forschung kurzer-hand einfach abzuschalten. Joywird in den Feuilletons zusammenmit Kurzweil zum Propheten einesneuen Zeitalters erhoben.

Wir müssen uns fragen, wie esdazu kommen konnte, dass Leutewie Kurzweil, Joy, Moravec, Mer-kle, Drexler, Freitas und andereüberhaupt so weit Gehör finden,und dass offenbar viele Intellektuel-le – das beeindruckt mich am meis-ten – sie für bessere Gewährsleutemit Bezug auf die Wissenschaft derZukunft halten als die Wissen-schaftler selbst. Die Antwort ist ausmeiner Sicht leicht zu geben. DieMenschen haben aus Frustrationund Enttäuschung darüber, dass siedie kompliziert dargestellte Wissen-schaft nicht verstehen und auchselbst keine Wahrheits- und Rea-litätskriterien entwickeln können,resigniert. Angesichts dessen, wassie alles nicht verstanden haben,was aber nach Aussagen der Wis-senschaft Realität sein soll, sind siezum konträren Grundsatz überge-

gangen, dass alles Realität sei, wasunverständlich ist. Die einzige ver-bleibende und hinreichende Bedin-gung ist, dass es wie Wissenschaftklingt.

Fünftens: Nicht nur die wissen-schaftliche Erkenntnis bzw. die da-raus abgeleitete Technik, sonderngrundsätzlich jedes Wissen ist

ethisch ambivalent mit Bezug aufdie Optionen zum Handeln, die esuns verschafft. Daher muss sich je-der verantwortungsvoll denkendeMensch Sorgen darüber machen, obes bei dem rasanten globalen Fort-wärtsgehen von Wissenschaft undTechnik gelingen kann, die mögli-chen Gefahren abzuwenden, dieGrundprinzipien von Ethik undMoral zu verteidigen sowie dieMenschenwürde und die Werte ei-ner demokratischen Gesellschaftunantastbar zu halten. Der Bundes-präsident hat diese Fragen am 20.Oktober in einer Rede in Paderbornangesprochen.

Öffentlichkeitsarbeit von Wis-senschaftsorganisationen ist in die-sem Sinne zweierlei. Zum einengeht es um die Darstellung dessen,was Wissenschaft ist, wie sie arbei-tet und was ihre Ergebnisse sind.Dazu gibt es keine Alternative. Wernicht sagen will oder sagen kann,was er tut, der braucht sich über öf-fentliches Misstrauen nicht zu wun-dern. Zum anderen aber müssenwir den Begriff der Öffentlichkeits-arbeit neu definieren als eine Arbeitgemeinsam mit der Öffentlichkeitfür einen verantwortungsbewusstenUmgang mit dem, was wir Wissen-schaftler an Erkenntnissen erarbei-ten. Auch dazu gibt es keine Alter-native.

Öffentlichkeitsarbeit ist somitweit mehr als die Vermittlung vonWissen. Sie ist die Mitarbeit an ei-ner verantwortungsvoll gestaltetenZukunft, weder gegen, noch trotz,sondern mit der Wissenschaft.

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Knut Urbanplädiert für einenneuen Begriff vonÖffentlichkeits-arbeit (Foto: Groote).