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Wie gelingt Empowerment? Ergebnisse der Evaluation des Projekts Stadtteilm ütter in Berlin-Kreuzberg
Dipl. Soz. Regina Stolzenberg, Dr. Giselind Berg, Prof. Dr. Ulrike Maschewsky-Schneider
17. Kongress Armut und Gesundheit – Frühe Hilfen: Pr ävention wirkt
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Gliederung
• Interventions- und Evaluationsprojekt
• Zugang zu Stadtteilmüttern
• Schulung der Stadtteilmütter
• Wirkung auf Stadtteilmütter
• Zugang zu aufgesuchten Frauen
• Wirkung auf aufgesuchte Frauen
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Konzept Projekt Stadtteilmütter
• Ziel: Förderung der Kinder durch Stärkung der Mütter
• Schulung von Frauen aus dem Sozialraum zu
Stadtteilmüttern (STM)
– 6-monatige Schulung (Zertifikat)
– aufsuchende Arbeit bei schwer erreichbaren Familien im
Stadtteil (10 Hausbesuche pro Familie)
– Schwerpunkt auf frühe Bildung, Ressourcenorientierung
– Einbeziehung anderer Settings über ein Netzwerk
– Aufbau von Elterncafés in Kitas und Schulen
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Interventionsprojekt
Familien
STM
Professionelles UmfeldProjektträger, Kita, Schule, Jugendamt, KJGD, Beratungsstellen, Nachbarschaftszentren, Projekte…
ElterncafésKitas, Schulen
Netzwerk Frühe Bildung
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Evaluationskonzept
• Zugang und Wirkung der Schulung und Tätigkeit auf STM, Zugang zu Frauen im Stadtteil, Wirkung auf aufgesuchte Frauen, Kooperation mit Professionellen
untersucht durch:• Befragungen der Stadtteilmütter
– vor und nach der Qualifikation, Zwischenbefragungen, Abschlussbefragungen, qualitativ und teilstandardisiert
• Befragung der aufgesuchten Frauen– qualitativ und teilstandardisiert
• Entwicklung und Auswertung von Dokumentationsbögen für Hausbesuche, Einzelkontakte, Veranstaltungen/Aktivitäten
• Expertenbefragung– Team und Kooperationspartner, zu Anfang und Ende der Untersuchung
• Teilnehmende Beobachtung, Feedback
– Stadtteilmütter, Projektteam, ExpertInnen
• Fokusgruppen (zusätzlich)
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Standort des Projekts Stadtteilmütter
Bezirksregion I in Berlin - Kreuzberg
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Projekt Stadtteilmütter
• 67 Frauen seit 2008 zur Stadtteilmutter (STM)
geschult (3 Kurse)
– Durchschnittsalter 36 J (22-55)
– Kinderzahl im Durchschnitt: 2,3 (0-6)
– 9 Herkunftsländer (58% türkisch, 16% arabisch,
16% deutsch, 10% andere)
– sehr heterogener Bildungshintergrund (akadem.
Abschluss bis kein Schulabschluss)
– 87% ALG II Empfängerinnen
Quelle: Befragungen STM I-III zu Beginn des Kurses, n=67
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Rekrutierung der Stadtteilmütter
• soziales Umfeld (41)
• Projektträger tam (19)
• andere Einrichtungen (21)
• Stadtteilmütter (12)
• Medien (2)• „Ich habe davon von einer Mutter in der Kita gehört. Die hat
es als Mail von einer anderen Mutter erfahren. Das
Mutternetz funktioniert besser als andere Systeme.“
Quelle: Befragungen STM I-III zu Beginn des Kurses, n=67; Mehrfachnennungen
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Schulung der Stadtteilmütter
• 10 Module:– Erziehung und Erziehungsprobleme, Rechte des Kindes
– kindliche Entwicklung, Gesundheit, Sprache, Spielen
– Bedeutung des Kitabesuchs
– materielle Absicherung, Trennung/Scheidung
• Unterrichtskonzept:– Theorievermittlung
– Erfahrungsaustausch
– Rollenspiele
– Exkursionen, Praxisbesuche
– Vorträge
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Schulung der Stadtteilmütter
• Erfahrungsaustausch von Teilnehmerinnen undLehrkräften als wichtiges didaktisches Element aus Sicht der STM „Am Anfang habe
ich die Kursleiterinnen wie Lehrerinnen gesehen, aber danach hat sich das verändert. Ich habe erkannt, dass sie auch Menschen sind, die von sich erzählt haben.“„Jede hat von ihren eigenen Erfahrungen erzählt. Wir haben voneinander gelernt.“
• Vermittlung des Wissens auf Augenhöhe „T. (Kursleiterin) ist eine von uns.“ „Wir konnten immer fragen.“
• Dialog- und Diskussionskultur„Es gab viele Gespräche. Das hat Mut gemacht, eigene Erfahrungen zu berichten“
Quelle: Befragung der Stadtteilmütter nach Ende der Schulung, Kurs I-III, n=57
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Stadtteilmütter
Wirkungen
N=50 ja teilweise nein
Ich habe neue Erkenntnisse gewonnen 45 3 2
Ich habe mich persönlich weiterentwickelt 41 6 3
Ich habe neue berufliche Fähigkeiten
gewonnen
35 8 7
Meine Familie hat davon profitiert 32 11 7
Selbstberichtete Auswirkungen des Programms auf die Stadtteilm ütter
Quelle: Abschlussbefragung Stadtteilmütter, n=50
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Stadtteilmütter
Wirkungen
Empowerment gelingt in Bezug auf
• Gewinn an Wissen, Selbstbewusstsein, Erziehungskompetenz, verbesserte Beziehung zu den Kindern, Status in der Familie, Aufhebung von Isolation, Zugang zum Versorgungssystem
• berufliche Entwicklung: nach 3 Jahren
– 37 % weiterhin Stadtteilmutter,
– 34 % ausgeschieden (Schwangerschaft, Familie, alter Beruf, Geldverdienen…)
– 28 % berufliche Weiterentwicklung (Nachholen des Schulabschlusses, Ausbildung, Studium)
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Aufgesuchte Frauen
Zugang
• Stadtteilmutter gelingt Zugang zur Zielgruppe über Hausbesuche
• (dokumentiert n= 118 Familien, 953 Besuche, 8,5 pro Familie)
– Herkunft: Türkei 57%, arabische Länder 25%, Deutschland 9%, sonstige 6%
– Kinderzahl: 2,5 (1-11)
– Alter der Kinder: Ø 8 J (39%<6, 16%<3)
– alleinerziehend: 25%
– ALG II Bezug: 70% (16%: k.A.)
– Belastungsfaktoren: Wohnungsverlust, Schulden, Partnerschaftsprobleme, Trennung, Scheidung, gesundheitliche Krisen
Quelle: Dokumentationsbogen Hausbesuche, n= 118
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Aufgesuchte Frauen
Zugang
Vorgehen der STM bei Hausbesuchen
• Themenvermittlung
• Weiterverweisung an Institutionen
• praktische Unterstützung und Begleitung
• Emotionale Ansprache und Unterstützung
• Ressourcenstärkung, Lob
• Hilfe zur Selbsthilfe
• Sprechen der gleichen Sprache
Zugang zu aufgesuchten Frauen(n=118)
46%
7% 6%
14%17%
8%3%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
45%
50%
soziales Umfeld
Elterncafés
STM-Projekt
Tam
Schule/ Kita
Andere Einrichtungen/Kooperationspartner
keine Angabe
Mehr als 60% der Kontakte für Haus-
besuche erfolgt über STM
Quelle: Dokumentationsbogen Hausbesuche, n= 118
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Aufgesuchte Frauen
Zugang
• Zugang zur Durchführung von Hausbesuchen schwieriger als erwartet. Gründe:– Ablehnende Haltung der Männer
– Angst vor Jugendamt
– Schutz der Privatsphäre, Angst vor Klatsch
– Fehlen von Vertrauen, Offenheit, Lernbereitschaft
– fehlende Einsicht in Bedarf
– Zeitstrukturen, Verbindlichkeit als Hindernis
• Nur begrenzte Erreichbarkeit von Familien mit kleinen Kindern– fehlender Problemdruck, entsteht besonders mit Schuleintritt
• Stattdessen: zahlreiche Einzelkontakte (dokumentiert: n=191)
Quelle: Zwischenbefragung (n= 18) und Abschlussbefragung (n=25) der aktiven STM, Feedbacktreffen
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Aufgesuchte Frauen
Wirkungen
Themen als Thema behandelt viel neu nichts neu
Trennung/Sch. 25 60,0% 8,0%
Spielen 41 58,5% 4,9%
Entwicklung 40 45,0 % 5,0%
Erz. probleme 36 41,7% 0 %
Mat. Absich. 29 41,4% 6,9%
Erziehung 42 38,1% 9,5%
Kita/Schule 37 37,8% 10,8%
Gesundheit 42 33,3% 14,3%
Sprache 39 28,2% 7,7 %
Quelle: Abschlussbefragung aufgesuchte Frauen, n= 44, fehlende Angaben: „etwas neu“
Welche Themen wurden im Hausbesuch behandelt?Wie viel davon war neu?
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Aufgesuchte Frauen
Wirkungen
Schon
immer
Jetzt
mehr
Nicht so
wichtig
Ich achte auf die Ernährung meiner Kinder 26 18
Ich esse gemeinsam mit meinen Kinder 35 9
Ich beschränke den Fernsehkonsum meiner Kinder 13 26 4
Ich lese meinen Kindern vor 10 21 2
Ich spiele oder unternehme etwas mit meinen Kindern 14 25 3
Ich setze meinen Kindern Grenzen 12 31
Ich gehe zu den Vorsorgeuntersuchungen (gelbes Heft) 40 1
Ich besuche die Elternabende in Schule oder Kita 36 6
Ich rede viel mit meinen Kindern 20 24
Veränderungen im Erziehungsverhalten
Quelle: Abschlussbefragung aufgesuchte Frauen, n=44; fehlende Angaben: nicht erforderlich/entfällt/weiß nicht
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Positive Veränderungen bei den Kindern
N=44 Ja etwas nein
Sprache 14 15 5
Konzentrationsfähigkeit 15 17 6
Schulleistungen 10 16 7
Beziehung zur Mutter 23 8 5
Beziehung zum Vater 9 9 10
Quelle: Abschlussbefragung aufgesuchte Frauen, n=44; fehlende Angaben: nicht erforderlich/entfällt/weiß nicht
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Aufgesuchte Frauen
Wirkungen
Ja etwas nein
- habe weiterhin in STM eine Vertrauensperson 43 1 -
- konnte mit jemandem reden 41 0 -
- habe meine Rechte kennengelernt 31 9 1
- habe mehr Selbstvertrauen 30 8 3
- habe mehr Kontakt zu anderen Menschen 24 11 2
- habe meine Probleme gelöst 22 13 8
- finde jetzt eher Ruhe für mich 21 16 5
- meine Stellung in der Familie hat sich verbessert 15 10 9
- habe besser Deutsch gelernt 12 11 5
Auswirkungen auf die aufgesuchten Frauen
Quelle: Abschlussbefragung aufgesuchte Frauen, n=44; fehlende Angaben: nicht erforderlich/entfällt/weiß nicht
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Nachhaltigkeit
Weiterer Kontakt zu aufgesuchten Frauen durch
• persönlicher Kontakt zu STM nach Abschluss der Hausbesuche
• Treffen im Elterncafé
• zufälliges Treffen im Stadtteil
Aussagen aufgesuchter Frauen„Mit vier Kindern wär´ ich gar nicht klargekommen. Also wirklich, seit ich Frau H.
kennen gelernt habe, hat sich alles geändert.“
„ … du fängst an zu lernen, auf eigenen Füßen zu stehen und vieles zu lernen selbst zu machen. Dann fängst du an zu denken: Ich kann es ja auch mal versuchen. Dann fängst du an, selbst da hin zu gehen.“
„Beim Sprechen mit meinen Kindern passe ich jetzt auf, immer auf der gleichen Augenhöhe zu bleiben.“
„Ich habe alles umgesetzt, natürlich. Ich hab` jetzt Kontakt mit den Leuten. (…) Sie hat mir Energie gegeben, mit dem Sohn nach draußen zu gehen.“
Quelle: qualitative Interviews mit aufgesuchten Frauen, n=15
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012
Schlussfolgerung
• STM sind Teil der Zielgruppe und profitieren erheblich (persönlich, beruflich, familiär)
• Stadtteilmütter-Projekt ist alltagsnah, wirksam und nachhaltig in der Erreichung und Unterstützung von Familien
• Familien mit kleinen Kindern werden nur begrenzt erreicht
• Wirkung wird vor allem durch emotionale und praktische Unterstützung, durch Vertrauensaufbau und Herstellung persönlicher Beziehungen erzielt
Vertrauen und persönliche Beziehung als roter Faden
Stolzenberg: Wie gelingt Empowerment? 17. Kongress Armut u. Gesundheit 2012