workflow-interoperabilität über das internet
TRANSCRIPT
1 Einleitung
Mit Hilfe des Standards Wf-XML derWorkflow Management Coalition (WfMC)[WfMC01] lassen sich per Workflow im-plementierte Geschaftsprozesse uber dasInternet zu einem durchgangigen Ge-schaftsprozess verknupfen. Die WfMC istdas wichtigste Standardisierungsgremiumim Bereich Workflow-Systeme mit mehrals 200 Mitgliedern, darunter die meistenHersteller von Workflow-Management-Produkten, aber auch Analysten, Beraterund Forscher.
Bild 1 verdeutlicht die Grundidee anhandeines Bestellszenarios: Die Geschaftspro-zesssicht ist hierbei, dass der Bestellprozesseines Kunden den Auftragsbearbeitungs-prozess eines Lieferanten aufruft. In dertechnischen Umsetzung mit Wf-XML sen-det der Bestellprozess in einer Aktivitat ei-ne Nachricht „Starte Prozess“ mit geeig-neten Parametern, insbesondere derAdresse des Auftragsbearbeitungsprozes-ses sowie den Anwendungsdaten, hier alsoden Daten der Bestellung. Der Auftrags-bearbeitungsprozess lauft an. Eine tech-nische Bestatigungsmeldung (gestrichelterPfeil) signalisiert den Erfolg der Operation.Wenn der Auftragsbearbeitungsprozess be-endet ist, sendet er eine Beendetmeldungan den Bestellprozess, und jener kann fort-fahren. Wie beim Prozessstart sendet derEmpfanger, hier der Bestellprozess, einetechnische Bestatigungsmeldung. In derGeschaftsprozesssicht sind nur die durch-gezogenen Pfeile wichtig. Es handelt sichin dieser Sicht um eine synchroneKommunikation mit dem Aufruf „Starte
Prozess“ und der Ruckmeldung „Beendet-meldung“. Zwischen Aufruf und Ruckmel-dung kann dabei eine Zeit in der Großen-ordung von Tagen verstreichen, eben derDauer des aufgerufenen Prozesses.
Im Folgenden wird der Standard Wf-XMLvorgestellt. Es wird gezeigt, wie er Szena-rien dieser Art abdeckt. Weiter werden deraktuelle Stand der Entwicklung des Stan-dards, seine Anwendungsbereiche sowieerwartete zukunftige Entwicklungen be-schrieben. Fur eine detaillierte Abhandlunguber Wf-XML siehe [HaPe00].
2 Der Standard Wf-XML
Wf-XML realisiert Workflow-Interopera-bilitat mit Standardmitteln der Internet-Technologie: XML dient zur Beschreibungder Steuerungsnachrichten („Starte Pro-zess“) sowie zur Spezifikation der aus-getauschten Anwendungsdaten (z. B. Auf-trag). URIs (Unique Resource Identifiers)adressieren Ressourcen, insbesondere Pro-zesse. HTTP wird als das zugrunde liegen-de Kommunikationsprotokoll verwendet.Die Steuernachrichten von Wf-XML sindunabhangig vom Transportprotokoll. Inden vorhandenen Versionen wird alleinHTTP als Transportprotokoll verwendet.
Mit Wf-XML wird spezifiziert, wie Res-sourcen des Typs „Prozessdefinition“,„Prozessinstanz“ und „Beobachter“ mit-tels weniger Operationen interagieren. Ei-ne Operation richtet sich an eine durch einURI identifizierte Ressource. Der Aufrufeiner Operation wird durch zwei Nach-
WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 3, S. 345–348
Der Autor
Rainer Weber
Prof. Dr. Rainer Weber,Georg-Simon-Ohm-FachhochschuleNurnberg,Fachbereich Informatik,Keßlerplatz 12,90489 Nurnberg,E-Mail:[email protected]
Workflow-Interoperabilitatuber das Internetmit dem Standard Wf-XML
WI – Schlagwort
richten realisiert, die in XML beschriebensind:
& Anfrage: Diese initiiert den Aufruf derOperation, einschließlich der �bergabeder Eingabeparameter. Danach fuhrt dieRessource die Operation aus.
& Antwort: Sie enthalt die Ergebnisse bzw.Ausgabeparameter der Operation, nach-dem sie abgeschlossen ist.
Am besten lasst sich das Zusammenwir-ken der Operationen und Ressourcen an-hand der typischen zeitlichen Abfolge be-schreiben (siehe Bild 2, angelehnt an[WfMC01]).
Eine Prozessinstanz A mochte eine Instanzeiner Prozessdefinition B erzeugen undstarten sowie uber Zustandswechsel, ins-besondere die Beendigung, informiert wer-den. A spielt dabei in der Terminologie vonWf-XML die Rolle eines Beobachters die-ser Prozessinstanz. Der Einfachheit halberbezeichnet B im Folgenden ebenfalls diegestartete Prozessinstanz. Der Ablauf istder folgende:
& A sendet an den URI der Prozessdefi-nition B eine Anfrage zum Aufruf derOperation CreateProcessInstance undgibt als Beobachteradresse den eigenenURI an.
& Auf der Seite von B wird der Prozessgestartet, und A wird als Antwort derOperation CreateProcessInstance einURI der gestarteten Prozessinstanz Bmitgeteilt. Die Operation CreateProcess-Instance ist damit beendet. Der gestri-chelte Pfeil verdeutlicht dieses Erzeugender Prozessinstanz aus der Prozessdefi-nition.
& Wahrend B lauft, kann (bei Bedarf)– A den Zustand der Prozessinstanz B
abfragen (Operation GetProcess-InstanceData),
– A den Prozessinstanzzustand von Bbeeinflussen (Operation ChangePro-cessInstanceState), z. B. damit die ent-fernte Prozessinstanz vorzeitig been-den,
– B Benachrichtigungen uber anwen-dungsrelevante Ereignisse an A sen-den (z. B. „Auftrag 4711 geandert“)(Operation Notify); diese Benach-richtigung ist auch in umgekehrterRichtung moglich. Wahrend die Ver-sion 1.0 von Wf-XML nur einen rei-nen Unterprozessaufruf entsprechendBild 1 abdeckte, geht die aktuelle Ver-sion 1.1 daruber hinaus und ermog-licht mit Notify auch sich wahrendder gesamten Laufzeit synchronisie-rende Prozesse.
& Zum Schluss meldet sich B eigenstandigzuruck und teilt die planmaßige oder au-ßerplanmaßige Beendigung mit (Opera-tion ProcessInstanceStateChanged mitZustand closed.completed oder clo-sed.abnormalCompleted).
Bild 3 gibt die Anfrage-Nachricht derOperation CreateProcessInstance wieder.
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Bild 1 Kooperation von Geschaftsprozessen Bild 2 Interaktion der Wf-XML-Resourcen
Bild 3 Anfrage-Nachricht fur CreateProcessInstance
<?xml version=”1.0”?><WfMessage Version=”1.0”>
<WfTransport/><WfMessageHeader>
<Request ResponseRequired=”Yes”></Request><Key>http://www.dell.com/Wfengine?id=1199827</Key>
</WfMessageHeader><WfMessageBody>
<CreateProcessInstance.RequestStartImmediately=”true”><ObserverKey>http://www.Acme.com/wfx456</ObserverKey>
<ContextData><Computer>
<Type>notebook</Type><Series>Inspiron</Series><Number>7500<Number><Option>DVD</Option>
</Computer></ContextData>
</CreateProcessInstance.Request></WfMessageBody>
</WfMessage>
ObserverObserver ProcessInstanceProcessInstance
ProcessInstanceStateChangedNotify
GetProcessInstanceDataChangeProcessInstanceState
CreateProcessInstanceProcess
DefinitionProcess
Definition
StarteProzess
Beendet-meldung
Bestell-prozess
Kunde Lieferant
Auftrags-bearbeitungs-
prozess
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Unabhangig davon, ob es sich um eine An-frage- oder eine Antwort-Nachricht han-delt, besteht jede Wf-XML-Nachricht aus:
& Einem Transportabschnitt (er enthalttransportprotokollspezifische Parame-ter, im Fall des Transports per HTTP ister leer),
& einem Kopfabschnitt mit dem Schlusselder Ressource (URI), von der eine Ope-ration aufgerufen werden soll, einerKennung, ob es sich um eine Anfrageoder eine Antwort handelt, und einerAngabe, ob eine Antwort auf die Anfra-ge erforderlich ist,
& einem Rumpfabschnitt mit operations-spezifischen Parametern. Die wichtigs-ten sind:– Der ObserverKey: dies ist die Ruck-
meldeadresse von A. Sie wird spaterfur die eigenstandige Ruckmeldungvon B an A verwendet.
– Die Kontextdaten: diese sind die An-wendungsdaten, die die Prozess-instanz B fur den Start benotigt.
3 Anwendungsbereiche
Das betriebswirtschaftliche Hauptpotenzi-al fur den Einsatz von Wf-XML liegt zumeinen in der zwischenbetrieblichen Koope-ration auf Prozessebene:
& Bei einer sehr engen Zusammenarbeitvon Unternehmen, zum Beispiel imRahmen einer virtuellen Organisation,konnen die einzelnen Teilprozesse derteilnehmenden Unternehmen zu uber-greifenden Prozessen zusammengeschal-tet werden.
& Bei der Interaktion von Unternehmenauf Elektronischen Markten kann derMarktplatz einheitliche Prozessschnitt-stellen vorgeben, welche durch Wf-XML realisiert werden.
& Bei einer starker prozessorientierten In-tegration als bei EDI konnen Verwendersowohl die Kostenvorteile der Internet-technologie nutzen als auch den funk-tionalen Mehrwert der Prozesskopplungerreichen.
Zum anderen gibt es technologieorientierteEinsatzbereiche, z. B. die Integration hete-rogener Workflow-Systeme innerhalb einesUnternehmens. Dabei wird Wf-XML alsreine Schnittstellentechnologie eingesetzt.
4 Kritische Beurteilung
Starken von Wf-XML sind:
& Standardisierung: Die Standardisierungvon Wf-XML im Rahmen der WfMCscheint durch die große Anzahl von po-tenziellen Unterstutzern des Standardserfolgversprechend.
& Einfache Implementierung: Wf-XML istwegen der kleinen Menge einfach gehal-tener Operationen schnell implementier-bar. Durch die Verwendung von Stan-dardtechniken wie HTTP und XMLverringert sich der Erstellungsaufwand,da sich Entwickler auf Basisfunktionen(z. B. Parsing von XML-Daten) stutzenkonnen. Zudem zeigten Interoperabili-tatstests die gute Stabilitat und Qualitatdes Standards [Brun02].
Dem stehen einige Schwachen und offenePunkte gegenuber:
& Derzeit geringe Akzeptanz: Die Akzep-tanz von Workflow-Anwendern gegen-uber Wf-XML ist eher zogerlich: Zwi-schenbetriebliche Szenarien werdenoftmals noch vermeintlich schneller „adhoc“ realisiert, oder sie sind bereitsz. B. mit EDI im Einsatz, eine Umrus-tung auf Wf-XML erscheint nicht dran-gend.
Nur wenige Workflow-System-Herstellerunterstutzen derzeit bereits Wf-XML, weilsie in der Vergangenheit negative Erfahrun-gen mit Interoperabilitatsprodukten ge-macht hatten. Naturgemaß wird ein Inter-operabilitatsprodukt aber nur nachgefragt,wenn hinreichend viele andere damit ge-koppelt werden konnen.
& Konkurrierende Standards: Es gibt alter-native Standards, die versuchen, „allesaus einer Hand“ (Anwendungsdaten,Musterprozesse und dazugehorigeSteuerungsdaten) zu bieten, z. B. Roset-taNet [Rose01]. Diese Vielfalt fuhrt zurUnsicherheit, welche Standards sichlangfristig durchsetzen. Eine Konsoli-dierung hat noch nicht stattgefunden(vgl. [Fran01] fur ahnliche �berlegun-gen im Bereich des elektronischen Han-dels). �hnliches gilt fur die Formate derin einer Steuernachricht enthaltenen An-wendungsdaten, welche Wf-XML nichtstandardisiert. Sie konnen einem existie-renden XML-Standard genugen oder(fur eine breite Interoperabilitat unguns-tig) bilateral vereinbart sein. Das Prob-lem der Format- und Standardvielfaltzeigt sich auch hier.
& Mangelnde Unterstutzung des Prozess-entwurfs: Es gibt noch keinen metho-dischen Ansatz zur Konstruktion vonstark synchronisierten Prozessen. Wf-XML ist zwar fur die Laufzeitabwick-lung solcher Prozesse einsetzbar, nichtaber fur ihren Entwurf. Die Erfahrungmit verteilten Systemen zeigt, dass diesein schwierigeres Unterfangen als derEntwurf lokaler Prozesse mit Work-flow-Systemen ist. Ebenso fehlen nochModelle fur die Kommunikation vonmehr als zwei beteiligten Prozessen.
5 Zusammenfassungund Ausblick
Mit Wf-XML gehen Workflow-Systemeeinen Schritt uber ihre ursprungliche Ziel-setzung hinaus. Nicht mehr nur die Vertei-lung von Workitems an Bearbeiter ist dasZiel, sondern die Prozesssteuerung in ei-nem weiteren Sinn, namlich uber Unter-nehmensgrenzen hinweg.
Wf-XML stellt einen Ansatz zur einfachenLosung fur die in Abschnitt 1 beschriebeneInteroperabilitat von Geschaftsprozessendar. Zwar gibt es eine Reihe von tech-nischen Aspekten, die in Wf-XML verbes-serungswurdig sind. Fur die Akzeptanzwerden eher nicht die rein technischenAspekte ausschlaggebend sein. Wie erfolg-reich Wf-XML (unabhangig von seinertechnischen Ausgestaltung) wird, hangt da-von ab, wie schnell die Idee der Geschafts-prozesskooperation uber Workflow-Syste-me vom Markt gefordert wird, wie schnelldie Verbreitung von Wf-XML in Produk-ten vor sich geht und welche Rolle andereXML-Standards spielen werden.
Die folgenden zukunftigen Entwicklungensind zu erwarten:
& Unterstutzen verschiedene Anbieter diegleiche Prozessschnittstelle, so kann einAufrufer dynamisch den „besten“ Pro-zess wahlen, (z. B. „suche den billigstenoder schnellsten Lieferanten fur ein Ma-terial“). Die dynamische Zuordnung zuArbeitsressourcen im lokalen Fall uber-tragt sich damit auf eine dynamischeZuordnung zu entfernten Prozessres-sourcen. Benotigt werden hierzu Ver-zeichnisse, die zur Berechnung des ge-eigneten Prozesses verwendbar sind.
& Mithilfe weiterer Operationen nebender ureigentlichen Prozesssteuerung, et-
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wa Schnittstellen zur Bearbeitung vonWorkitems, ließe sich weitere Funktio-nalitat realisieren. Solche Operationensind bisher nicht Teil des Wf-XML-Standards, aber bereits in dem umfang-reicheren SWAP-Ansatz [Swen98] be-schrieben, wenngleich noch nicht imDetail ausformuliert.
& Die Interaktion bei WF-XML ist nichtdialogorientiert. Zu untersuchen ware,ob nicht in einfacher Weise auch dia-logorientierte Dienste uber eine Erwei-terung des Mechanismus aufrufbarsind.
Literatur
[Brun02] Brunt, J.; Weber, R.: Wf-XML Challenge– Interoperability Demo by SAP and Staffware.In: Fischer, L.: Workflow Handbook 2002.Lighthouse Point, Florida (Future StrategiesInc., Book Division), 2002, S. 159–166.
[Fran01] Frank, U.: Standardisierungsvorhabenzur Unterstutzung des elektronischen Handels:�berblick uber anwendungsnahe Ansatze. In:Wirtschaftsinformatik 43 (2001) 3, S. 283–293.
[HaPe00] Hayes, J. G.; Peyrovian, E.; Sarin, S.;Schmidt, M.-T.; Swenson, K. D.; Weber, R:Workflow Interoperability Standards for the In-ternet. In: IEEE Internet Computing 4 (2000) 3,S. 37–45. Auch in: Fischer, L.: Workflow Hand-book 2001. Lighthouse Point, Florida (FutureStrategies Inc., Book Division), 2000,S. 253–269.
[Rose01] http://www.rosettanet.org, Abruf am2002-07-08.
[Swen98] Swenson, K. D.: Simple Workflow AccessProtocol (SWAP). Internet draft, 1998,http://www.globecom.net/ietf/draft/draft-swenson-swap-prot-00.html, Abruf am2003-03-13.
[WfMC01] Workflow Management Coalition:Workflow Standard-Interoperability Wf-XMLBinding. WfMC-TC-1023, Version 1.1, Febru-ary 2001; http://www.wfmc.org/standards/docs/Wf-XML-11.pdf , Abruf am 2002-07-08.