wurmerkrankungen. zu unrecht vernachlässigt

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Zu Unrecht vernachlässigt Wurmerkrankungen A NDREAS MÜLLER Das Ausmaß des Problems Wurmerkrankungen werden durch Vertreter aus der Klasse der Nematoden (Fadenwürmer), Zestoden (Bandwürmer) und Trematoden (Saugwürmer) verursacht (siehe Tab. 1). Auch Erkrankungen durch Pentastomiden- und Gnathosto- ma-Arten werden gemeinhin als Wurmerkrankungen abge- handelt, obwohl es sich um nur wurmähnliche Parasiten an- derer taxonomischer Zuordnung handelt. Global am weitesten verbreitet und am häufigsten sind Infektionen durch den Spulwurm (Ascaris lumbricoides), den Peitschenwurm (Trichuris trichiura) und Hakenwür- mer (Necator americanus, Ancylostoma duodenale). Die- se werden aufgrund ihres Übertragungsweges auch als Geo- helminthen bezeichnet. Nach aktuelleren Schätzungen sind mehr als 1,5 Milliarden Menschen von diesen intestinalen Parasiten befallen. Intestinale Wurminfektionen verursachen Die globalen Gesundheitsprogramme haben über lange Zeit die Bekämpfung von HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria als wesentliche Ursache von infektionsbedingter Morbidität und Mortalität in den Mittelpunkt gestellt. Wurminfektionen wurden zu vernachlässigten Erkrankungen, obwohl mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung chronisch mit einer oder mehreren Wurmarten infiziert ist. bei Schulkindern der Altersgruppe 5 bis 14 Jahre 12 % der gesamten Krankheitslast und 20 % des Verlustes an DALYs (disability adjusted life years) durch übertragbare Erkran- kungen [1]. Sie sind Ursache einer signifikanten Wachstums- und Entwicklungsverzögerung bei Kindern und haben ei- nen erwiesenen negativen Einfluss auf Schulbesuch, Kon- zentrations- und Lernverhalten. 200 Millionen Menschen leiden an einer Schistosomia- sis (Bilharziose), von denen 85 % in Afrika leben. Etwa 250.000 Menschen sterben jährlich an den Komplikationen dieser chronischen Saugwurminfektion. Hakenwurminfektionen sind die führende Ursache chronischen Blutverlustes in tropischen und subtropischen Regionen. Sie sind die führende Ursache für mehr als 40 Mil- lionen anämiebedingter Risikoschwangerschaften pro Jahr. Infektionen durch Fadenwürmer verursachen Krank- heiten wie die Flussblindheit (Onchozerkose) oder Ele- phantiasis. Die Onchozerkose ist die führende Ursache von Erblindung in Westafrika und in einigen Regionen nach Jah- ren erfolgreicher Bekämpfung wieder auf dem Vormarsch. Globale Epidemiologie Wurmerkrankungen sind in Ländern mit hohem Lebens- standard vor allem durch Verbesserungen der allgemeinen Lebensumstände, in der Hygiene, der Lebensmittelerzeu- gung und Lebensmittelkontrolle selten geworden. Die häu- figste und dabei meist harmlose Wurminfektion ist die En- terobiasis (Madenwurmbefall). Keineswegs selten, aber er- 42 | Pharm. Unserer Zeit | 1/2010 (39) © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/pauz.201000351 ABB. 1 Echinococcus-granulosus-Zyste in der Leber einer türkischen Patientin. ABB. 2 Echinococcus-granulosus-Zyste. Operativ entfernte Zyste der Patientin von Abb. 1.

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Zu Unrecht vernachlässigt

WurmerkrankungenANDREAS MÜLLER

Das Ausmaß des ProblemsWurmerkrankungen werden durch Vertreter aus der Klasseder Nematoden (Fadenwürmer), Zestoden (Bandwürmer)und Trematoden (Saugwürmer) verursacht (siehe Tab. 1).Auch Erkrankungen durch Pentastomiden- und Gnathosto-ma-Arten werden gemeinhin als Wurmerkrankungen abge-handelt, obwohl es sich um nur wurmähnliche Parasiten an-derer taxonomischer Zuordnung handelt.

Global am weitesten verbreitet und am häufigsten sindInfektionen durch den Spulwurm (Ascaris lumbricoides),den Peitschenwurm (Trichuris trichiura) und Hakenwür-mer (Necator americanus, Ancylostoma duodenale). Die-se werden aufgrund ihres Übertragungsweges auch als Geo-helminthen bezeichnet. Nach aktuelleren Schätzungen sindmehr als 1,5 Milliarden Menschen von diesen intestinalenParasiten befallen. Intestinale Wurminfektionen verursachen

Die globalen Gesundheitsprogramme haben über lange Zeitdie Bekämpfung von HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria alswesentliche Ursache von infektionsbedingter Morbidität undMortalität in den Mittelpunkt gestellt. Wurminfektionenwurden zu vernachlässigten Erkrankungen, obwohl mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung chronisch mit einer odermehreren Wurmarten infiziert ist.

bei Schulkindern der Altersgruppe 5 bis 14 Jahre 12 % dergesamten Krankheitslast und 20 % des Verlustes an DALYs(disability adjusted life years) durch übertragbare Erkran-kungen [1]. Sie sind Ursache einer signifikanten Wachstums-und Entwicklungsverzögerung bei Kindern und haben ei-nen erwiesenen negativen Einfluss auf Schulbesuch, Kon-zentrations- und Lernverhalten.

200 Millionen Menschen leiden an einer Schistosomia-sis (Bilharziose), von denen 85 % in Afrika leben. Etwa250.000 Menschen sterben jährlich an den Komplikationendieser chronischen Saugwurminfektion.

Hakenwurminfektionen sind die führende Ursachechronischen Blutverlustes in tropischen und subtropischenRegionen. Sie sind die führende Ursache für mehr als 40 Mil-lionen anämiebedingter Risikoschwangerschaften pro Jahr.

Infektionen durch Fadenwürmer verursachen Krank-heiten wie die Flussblindheit (Onchozerkose) oder Ele-phantiasis. Die Onchozerkose ist die führende Ursache vonErblindung in Westafrika und in einigen Regionen nach Jah-ren erfolgreicher Bekämpfung wieder auf dem Vormarsch.

Globale EpidemiologieWurmerkrankungen sind in Ländern mit hohem Lebens-standard vor allem durch Verbesserungen der allgemeinenLebensumstände, in der Hygiene, der Lebensmittelerzeu-gung und Lebensmittelkontrolle selten geworden. Die häu-figste und dabei meist harmlose Wurminfektion ist die En-terobiasis (Madenwurmbefall). Keineswegs selten, aber er-

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DOI:10.1002/pauz.201000351

A B B . 1 Echinococcus-granulosus-Zyste in der Leber einertürkischen Patientin.

A B B . 2 Echinococcus-granulosus-Zyste. Operativ entfernteZyste der Patientin von Abb. 1.

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heblich unterdiagnostiziert ist die Toxocariasis, auch Larva-migrans-visceralis-Syndrom genannt, ein Befall durch wan-dernde Larven des Hunde- und Katzenspulwurms. NachSeroprävalenzstudien haben mehrere Prozent der Bevölke-rung Kontakt mit dem Erreger gehabt. Die höchsten Präva-lenzen fanden sich bei Hundezüchtern. Tropische Hel-minthosen bei Reisenden sind selten und die Wurmlast istin der Regel niedrig. Bei unklaren Symptomen nach einemAufenthalt in tropischen oder subtropischen Regionen soll-ten sie jedoch in die Differentialdiagnose einbezogen wer-den. Häufiger finden sich Wurminfektionen bei Migranten,so dass ein Screening und gezielte Untersuchungen, z.B.auf eine Schistosomiasis, sinnvoll sein können. Zu berück-sichtigen ist auch die lange Lebensdauer vieler Würmer imWirt (siehe Tab. 1), so dass pathologische Prozesse auch Jah-re nach Verlassen eines endemischen Gebiets unbemerktvoranschreiten können, wie bei der Schistosomiasis.

Die Hauptlast an Wurmerkrankungen tragen die Men-schen in den Ländern mit niedrigem sozioökonomischemStandard, in denen weder die Versorgung mit sauberemWasser, noch eine geregelte Abwasserentsorgung oder Zu-gang zu Bildung und Gesundheitswesen die Regel sind.Wurmerkrankungen stellen somit klassische Armutserkran-kungen dar. Hinsichtlich der Epidemiologie einzelnerErkrankungen muss auf die tropenmedizinische Literaturverwiesen werden.

ÜbertragungswegeGrundsätzlich finden sich bei den humanpathogenen Wür-mern drei unterschiedliche Übertragungswege: • die orale Aufnahme embryonierter Wurmeier oder infek-

tiöser Larvenstadien,

• das aktive Eindringen infektiöser Wurmlarven durch dieintakte Haut und

• die Übertragung durch Vektoren. Beim Spulwurm, Peitschenwurm und Madenwurm erfolgtdie Infektion fäkal-oral durch die Aufnahme embryonierter Ei-er. So wundert es nicht, dass die Prävalenz dieser Geohel-minthen am höchsten unter Lebensbedingungen ist, diedurch Armut, Enge, unzureichende Hygiene und Wohnbe-dingungen sowie mangelnde Bildung geprägt ist. Auch beimZwergbandwurm (Hymenolepis nana) erfolgt die Infektiondurch orale Aufnahme von Eiern. Beim Rinderbandwurm (Ta-enia saginata), Schweinebandwurm (Taenia solium) undFischbandwurm (Diphyllobothrium latum) führt der Ver-zehr von unzureichend gegartem Rind,- Schweine- oder Fisch-fleisch über die Aufnahme infektiöser Larvenstadien zur In-fektion. Auch die Trichinose, die hierzulande sehr selten ge-worden ist, wird durch larvenhaltiges Fleisch erworben.

Eine Besonderheit ist der Infektionsweg bei der Dracun-culiasis (Medinawurminfektion). Die Infektion erfolgt hierdurch das Verschlucken von larvenhaltigen Wasserflöhen.Durch den Verzehr von rohem Fisch, der infektiöse Stadi-en (Metacercarien) enthält, kommt es zur Infektion mit demkleinen Leberegel (Opisthorchis viverrini), Katzenleberegel(Opisthorchis felineus) oder chinesischen Leberegel (Clo-norchis sinensis). Im Fall des großen Leberegels (Fascioloahepatica) besteht das Infektionsrisiko im Verzehr vonWasserpflanzen, insbesondere Brunnenkresse, der Meta-cercarien anhaften.

Bei den Hakenwürmern, dem Zwergfadenwurm(Strongyloides stercoralis, Strongyloides fülleborni) undder Schistosomiasis dringen infektiöse Larvenstadien durchdie intakte Haut ein.

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TA B . 1 AU S WA H L W I C H T I G E R W U R M I N F E K T I O N E N

NematodenTrichuris trichiura 60–90 d mehrere Jahre Eier im StuhlEnterobius vermicularis 37–101 d ≈ 100 Tage Eier, KlebefilmpräparatAscaris lumbricoides 50–80 d 12–18 Monate Eier im StuhlAncylostoma duodenale 35–42 d 5–12 Jahre Eier im StuhlNecator americanus 35–42 d 5–8 Jahre Eier im StuhlStrongyloides stercoralis 17–28 d bis zu 20 Jahre Larven im StuhlWuchereria bancrofti 1 y Mikrofilarien im BlutBrugia malayi 50-60 d 8–10 Jahre Mikrofilarien im BlutLoa loa ≈ 1 y 15 Jahre Mikrofilarien im BlutOnchocerca volvulus 12-15 Monate 15–18 Jahre Mikrofilarien in HautbiopsieZestodenTaenia saginata 77–84 d bis zu 20 Jahre Eier / Proglottiden im StuhlTaenia solium 35–74 d bis zu 25 Jahre Eier / Proglottiden im StuhlHymenolepis nana 14–28 d einige Monate Eier im StuhlDiphyllobothrium latum 18–21 d 15–20 Jahre Eier im StuhlTrematodenS. mansoni 30–40 d bis zu 30 Jahre Eier im StuhlS. japonicum 20–26 d ? Eier im StuhlS. mekongi 35 d ? Eier im StuhlSchistosoma haematobium 4-6 Wochen bis zu 30 Jahre Eier im Urin

Name Präpatenzzeit Lebensdauer Direktnachweis

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Zu den vektorübertragenen Wurmerkrankungen zählendie Fadenwurmerkrankungen (Filariosen), wie die Oncho-zerkose, Loiasis und die lymphatischen Filariosen (Erreger:Wuchereria bancrofti, Brugia malayi), die durch unter-schiedliche Mückenarten und Bremsen bei der Blutmahl-zeit übertragen werden.

LebenszyklenSo vielfältig wie die Übertragungswege sind auch dieLebenszyklen humanparasitärer Würmer. Man unterschei-det Parasiten mit direktem Lebenszyklus, die ohne Zwi-schenwirt auskommen von solchen mit indirektem Le-benszyklus, bei dem ein oder sogar mehrere Zwischenwir-te benötigt werden. Einen direkten Lebenszyklus besitzendie Geohelminthen (Ascaris lumbricoides, Trichuris tri-chiura, Hakenwürmer). Als Besonderheit finden sich beiden Hakenwürmern und dem Zwergfadenwurm frei im Bo-den lebende Larvenstadien. Der Zyklus des Zwergfaden-wurms kann sich sogar vollständig im Boden abspielen, al-so ohne Einschaltung eines parasitierten Wirtes. Insbeson-dere bei den Saugwürmern (Trematoden) finden sichkomplexe, ja faszinierende Lebenszyklen mit einem odermehreren Wirtswechseln, wie z.B. bei den Schistosomenoder den Leberegeln.

DiagnostikMan unterscheidet Verfahren zum Direktnachweis, serolo-gische Verfahren und Verfahren der apparativen Diagnostik,die je nach Fragestellung auch kombiniert werden. DerDirektnachweis erfolgt meist mit Verfahren der klassischenparasitologischen Diagnostik (Mikroskopie). In der Sero-diagnostik kommen unterschiedliche Verfahren zum Ein-satz, u.a. der indirekte Immunfluoreszenztest (IIFT), die indirekte Hämagglutination (IHA), der Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) oder Immunoblot. Häufigsind diese Testverfahren nicht standardisiert, so dass die Ergebnisse unterschiedlicher Laboratorien variieren kön-nen.

Der Nachweis intestinaler Wurminfektionen erfolgt amhäufigsten durch den Nachweis von Eiern oder seltener Lar-ven im Stuhl. Die etablierten Anreicherungsverfahren, z.B.das SAF-Verfahren (SAF: Sodium acetate-Acetic acid For-maledehyde), erlauben neben dem Nachweis von Wurm-eiern auch den Nachweis von Protozoenzysten wie Giardia-oder Amöbenzysten und stehen daher in der Regel am An-fang der Diagnostik. Eine einfache Stuhlaufschwemmungals Nativpräparat erlaubt nur den Nachweis von Infektionenmit hoher Wurmlast und ist zur Ausschlussdiagnostik keines-falls ausreichend.

Auch bei Wurminfektionen erfolgt die Eiausscheidungsehr diskontinuierlich, analog zur Ausscheidung von Proto-zoenzysten, und erfordert daher die Untersuchung mehre-rer Stuhlproben von unterschiedlichen Tagen. Als Minimumgilt die dreimalige Untersuchung. Die Qualität mikroskopi-scher Diagnostik ist sehr stark von Erfahrung und Trainingdes Untersuchers abhängig. Es empfiehlt sich daher auf

spezialisierte Laboratorien zurückzugreifen, damit seltene-re Parasitosen nicht übersehen werden.

Beim Madenwurmbefall finden sich in der Regel keineEier im Stuhl, da die weiblichen Würmer diese im Anal-bereich ablegen. Sie können dort mittels transparenterKlebestreifen gewonnen und mikroskopisch nachgewiesenwerden. Auch beim Befall mit dem Rinder- und Schweine-bandwurm finden sich nicht regelhaft Eier im Stuhl. Diesebefinden sich überwiegend in den abgehenden Band-wurmgliedern und werden nur im Darmlumen freigesetzt,wenn die Proglottiden noch im Darm zerfallen. Beim Zwerg-fadenwurm finden sich nur ausnahmsweise Eier im Stuhl,da die enthaltenen Larven meist unmittelbar nach der Ei-ablage noch im Dünndarm schlüpfen.

Das SAF-Verfahren hat zum Larvennachweis eine nurgeringe Sensitivität. Zum Nachweis werden daher spe-zielle Anreicherungsverfahren eingesetzt, die nur inparasitologischen Laboratorien durchgeführt werden, wiez.B. die Stuhlkultur nach Baermann oder Harada-Mori. Auchbei diesen Verfahren sind wiederholte Untersuchungen erforderlich um eine hinreichende Sensitivität zu erreichen.Aufgrund dieser Problematik hat die Serologie beim Nachweis einer Strongyloides-Infektion einen hohen Stel-lenwert.

Die Diagnose von Filariosen erfolgt klassischerweisedurch den Nachweis von Larvenstadien, der so genanntenMikrofilarien, im Blut oder in kleinen Hautbiopsien. Bei ei-nigen Fadenwurminfektionen ist eine circadiane Rhythmikdes Auftretens der Mikrofilarien zu beachten. Die Zeit-spanne, die nach der Infektion bis zum Auftreten der erstenVermehrungsprodukte vergeht, die so genannte Präpatenz-zeit, ist bei den Filariosen besonders lang und kann bis zu1 Jahr betragen. Während dieser Zeit ist nur ein indirekterserologischer Nachweis möglich. Einen Überblick über diePräpatenzzeiten einiger ausgewählter Wurminfektionen gibtTabelle 1.

Bei Verdacht auf eine in Afrika erworbene Schisto-somiasis ist neben Stuhl immer auch der Urin zu untersu-chen, denn auf diesem Kontinent findet sich eine weiträu-mige Überlappung der Verbreitungsgebiete von Darm- undBlasenbilharziose.

Serologische Nachweisverfahren sind insbesondere fürWurmerkrankungen, bei denen der Erreger einen engenKontakt zum Wirtsgewebe hat, sinnvoll. Zu beachten sindhäufige Kreuzreaktionen innerhalb der jeweiligen Erreger-klasse (Nematoden, Zestoden, Trematoden). Sehr hilfreichist die Serologie zum Nachweis einer Schistosomiasis undStrongyloidesinfektion, da ein Ei- oder Larvennachweisnicht immer gelingt. Bei Filarieninfektionen erlauben sero-logische Verfahren eine Diagnose noch in der Präpatenzzeit,bevor also überhaupt ein Direktnachweis möglich ist. DieToxocariasis ist nahezu ausschließlich serologisch zudiagnostizieren; extrem selten und eher als Zufallsbefundgelingt bei der Toxocariasis ein histologischer Nachweis.Auch bei den larvalen Zestodeninfektionen wie der Echi-nokokkose (Abb. 1, Abb. 2) oder Zystizerkose ist die Sero-

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logie hilfreich, bei variabler Sensitivität und unterschiedli-chem positiv-prädiktivem Wert.

Bei der Echinokokkose und der Zystizerkose kommt dermodernen bildgebenden Diagnostik mittels Ultraschall,Computer- und Kernspintomographie (Abb. 1) neben derserologischen Diagnostik eine Schlüsselrolle zu. Invasive bi-optische Verfahren sind im Einzelfall notwendig um dieÄtiologie zystischer Raumforderungen zu klären. Auch dieEndoskopie trägt gelegentlich zur Diagnosefindung einerHelminthose bei, wenn in Biopsien Eier oder Parasitenbe-standteile gefunden werden. Gezielt werden die Harnbla-senspiegelung (Zystoskopie) oder Darmspiegelung (Kolos-kopie) gelegentlich zum Nachweis einer Schistosomiasis(Abb. 3) eingesetzt.

Die global bedeutsamstenWurmerkrankungenGeohelminthen

Unter dem Begriff Geohelminthen werden Würmer zusam-mengefasst, bei denen sich ein Teil des Zyklus im Bodenvollzieht, sei es die Reifung der Eier bis zur Infektions-fähigkeit beim Spulwurm und Peitschenwurm oder Phasender Larvenentwicklung bei Hakenwürmern und demZwergfadenwurm. Gemeinsam ist ihnen ihre weite Ver-breitung vor allem bei Menschen, die unter den Bedingun-gen von Armut, unzureichender Hygiene und sanitärer Ver-sorgung leben müssen. Eine geringe Wurmlast verursachtmeist keine offensichtlichen klinischen Beschwerden. Neue-re Studien belegen jedoch, dass auch bislang als gering ein-gestufte Wurmlasten Ursache einer Verzögerung der kör-perlichen und geistigen Entwicklung von Kindern sind. DieInfektion mit diesen Parasiten erfolgt meist schon im Klein-kindalter und die höchsten Prävalenzen finden sich beiSchulkindern und Heranwachsenden. Die zweite besondersvulnerable Gruppe sind Schwangere und ihre ungeborenenKinder, die unter den Folgen eines chronischen Blutverlus-tes durch Hakenwürmer besonders leiden.

Neben den chronischen Folgen können diese Darm-wurminfektionen auch bedrohliche Akutkomplikationen

verursachen, wie einen Darmverschluss (Ileus) durch ver-knäuelte Askariden, oder eine lebensbedrohliche Gallen-gangsinfektion bei Einwanderung von Spulwürmern in dieableitenden Gallenwege. Ein Peitschenwurmbefall kann beihoher Wurmlast ein dysenterieartiges Krankheitsbild, Darm-einstülpung und Analprolaps bei Kindern verursachen.Beim Zwergfadenwurmbefall besteht bei Immunsuppres-sion, z.B. im Rahmen einer fortgeschrittenen HIV-Erkran-kung, die Gefahr eines klinisch schwer erkennbaren,lebensbedrohlichen Hyperinfektionssyndroms.

Schistosomiasis (Bilharziose)Mehr als 200 Millionen Menschen leiden an dieser Saug-wurminfektion, von denen 85 % in Afrika leben. Die chro-nische Infektion führt nach Jahren im Wesentlichen zu zweiklinischen Bildern: der Blasenschistosomiasis bei Infektionmit Schistosoma haematobium und der Darmschistoso-miasis bei Infektion mit S. mansoni, S. japonicum oder S.mekongi. Mehr als 600 Millionen Menschen sind dem Risi-ko der Infektion ausgesetzt. Diese erfolgt durch das aktiveEindringen von Larvenstadien (Zerkarien) in die Haut beiVerrichtungen des täglichen Lebens mit Süßwasserkontaktwie Fischen, Wasser holen, Wäsche waschen, Körperpfle-ge oder beim Spielen von Kindern. Viele Menschen in denVerbreitungsgebieten der Schistosomiasis sind daher mehroder minder schicksalhaft dem Infektionsrisiko ausgesetzt.

Die Würmer entwickeln sich innerhalb von etwa vierWochen zu Adulten und leben in den Venen um den Darm(S. mansoni/japonicum/mekongi) oder im Venengeflechtum die Harnblase (S. haematobium). Sie produzieren jenach Spezies etwa zwischen 300 und 3000 Eier pro Tag, dieaus dem Gefäßsystem nur auf dem Wege einer Entzün-dungsreaktion in das Lumen von Darm oder Blase gelangenund ausgeschieden werden können. Etwa die Hälfte der Ei-er verbleibt im Gewebe (Abb. 3) oder wird mit dem Blutverdriftet. Im Falle der Darmbilharziose gelangen die meis-ten dieser Eier über das Pfortadersystem in die Leber, wosie gleichfalls eine Entzündung verursachen und schließ-

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A B B . 3 Schistosoma-mansoni-Eier mit ausgeprägter ent-zündlicher Umgebungsreaktion in einer Dickdarmbiopsie.

A B B . 4 Ausgeprägte Leberfibrose um die Pfortaderäste beiSchistosoma-mansoni-Infektion (Darmbilharziose).

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lich zu bindegewebigen Narben führen. Über Jahre hinwegkommt es zu einer Fibrosierung der Leber (Abb. 4), Einen-gung der portalvenösen Strombahn und Entwicklung einesPfortaderhochdrucks. Analog zur Leberzirrhose entwickeltsich Aszites und es entstehen venöse Umgehungskreisläufemit Krampfadern in der Speiseröhre und dem Risiko le-bensbedrohlicher Blutungskomplikationen.

Die Blasenbilharziose ist gekennzeichnet durch mit blo-ßem Auge sichtbare Blutmengen im Urin als Folge der chro-nischen Entzündung der Blasenwand. Wiederum kommt eszu Vernarbungen und schließlich Verkalkungen in derBlasenwand (Abb. 5). Narbenbildung im Mündungsbereichder Harnleiter führt zur Behinderung des Harnabflusses derNieren, Harnaufstau und schließlich zur Niereninsuffizienz.

Neben diesen klinischen Hauptbildern können verdrif-tete Eier oder atop liegende Würmer ein weites Spektrumweiterer Probleme hervorrufen, u.a. neurologische Kom-plikationen. Im Stadium bereits eingetretener Organkom-plikationen ist den Patienten mit einer Sanierung der Wurm-infektion alleine nicht mehr zu helfen. Die Behandlung der

Organkomplikationen aber ist schwierig und in den Haupt-verbreitungsländern der Schistosomiasis kaum verfügbar.Dies erklärt die geschätzten 250.000 Todesfälle pro Jahr andieser Wurminfektion.

FilariosenDiese Gruppe von Wurmerkrankungen wird durch fadenför-mige, vektorübertragene Nematoden verursacht. Die größ-te Krankheitslast wird durch die Onchozerkose und dielymphatischen Filariosen hervorgerufen.

Bei der Onchozerkose (Erreger Onchocerca volvulus)erfolgt die Infektion durch infektiöse Larvenstadien, die vonKriebelmücken der Gattung Simulium übertragen werden.Die Kriebelmücken benötigen zum Brüten schnell fließen-de, sauerstoffreiche Gewässer, in deren Nähe das Infekti-onsrisiko für den Menschen fatalerweise am größten ist.Die adulten Würmer (Abb. 6) produzieren täglich 500 bis1500 Mikrofilarien (Abb. 7, Abb. 8), die in der Haut um-herwandern und eine chronische, juckende Dermatitis her-vorrufen. In die Kornea und die vorderen Augenabschnitteeinwandernde Mikrofilarien rufen eine Keratitis und Irido-zyklitis hervor, die schließlich zur Erblindung führt. Daherrührt die treffende deutsche Bezeichnung „Flussblindheit“.99 % der Onchozerkose-Fälle treten in Afrika auf. In West-afrika gehört sie zu den führenden Erblindungsursachenund vor Beginn der Bekämpfungsprogramme musstenfruchtbare Regionen entlang der Flussläufe von der Bevöl-kerung verlassen werden.

Die lymphatischen Filariosen werden durch mehre Ar-ten von Fadenwürmern hervorgerufen, die durch Mückender Gattungen Anopheles, Culex, Aedes und Mansoniaübertragen werden. Die als Krankheitserreger bedeutsams-ten Arten sind Wuchereria bancrofti, Brugia malayi undBrugia timori. Nicht die im Blut nachweisbaren Mikrofila-rien verursachen die Erkrankungserscheinungen, sonderndie adulten Filarien, die in den Lymphgefäßen leben undhier eine chronische Lymphangitis hervorrufen. Die Folgensind ein Lymphstau und Gewebewucherungen, die zumBild der Elephantiasis mit zum Teil monströsen Schwellun-gen der Extremitäten und Genitalien führen. Die resultie-rende Behinderung und Entstellung hat für die Betroffenengravierende soziale Folgen. Die Therapie der fortgeschrit-tenen Erkrankung ist schwierig. Plastisch-chirurgische Maß-nahmen, sofern den Betroffenen überhaupt zugänglich, blei-ben häufig unbefriedigend.

Erkrankungen durch larvale ZestodenDer Mensch ist für den Schweinebandwurm im Regelfallder Endwirt, in dem sich der adulte Wurm entwickelt. Beioraler Aufnahme von Eiern, z.B. durch Autoinfektion, kön-nen sich die aus den Eiern schlüpfenden Bandwurmlarvenjedoch bis zum Finnenstadium, dem Zystizerkus, ent-wickeln und der Mensch somit zum Zwischenwirt werden.Die durch die Schweinebandwurmlarven beim Menschenhervorgerufenen Krankheitserscheinungen werden als Zy-stizerkose bezeichnet. Die Zystizerken können in praktisch

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A B B . 5 Verkalkung der Harnblasenwand (→→) bei Schistoso-ma-haematobium-Infektion (Blasenbilharziose).

A B B . 6 Onchozerka-Knoten (→→), der einen Adultwurm ent-hält, bei einer Patientin aus Kamerun unterhalb des Außen-knöchels.

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allen Körpergeweben gefunden werden, am komplikati-onsträchtigsten sind jedoch Absiedlungen im Auge und imzentralen Nervensystem. Die Neurozystizerkose ist in en-demischen Regionen, wie Mittel- und Südamerika, eine häu-fige Epilepsieursache.

Auch im Falle einer Aufnahme von Eiern des Hunde- undFuchsbandwurm kann der Mensch für diese Parasiten zumZwischenwirt werden. Im Falle des Hundebandwurms (Echi-nococcus granulosus) präsentiert sich das larvale Wurm-gewebe in Form einer zystischen Raumforderung (siehe Abb.1, Abb. 2), am häufigsten in der Leber, Milz und Lunge. ImFall des Fuchsbandwurms (Echinococcus multilocularis) ent-wickelt sich das Wurmgewebe in Form eines infiltrierendenTumors, am häufigsten in der Leber. Diese alveoläre Echino-kokkose ist zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig nichtmehr operabel und auch einer medikamentösen Therapienur eingeschränkt zugänglich. In Deutschland werden jähr-lich etwa 20 neue Fälle diagnostiziert. Höhere Fallzahlen fin-den sich unter anderem in der Schweiz und einigen LändernNordosteuropas und Asiens (China).

Chronische Wurminfektionen undKarzinogenese

Obwohl nicht unwidersprochen, stuft die IARC (Interna-tional Agency for the Research of Cancer) die Schistoso-ma haematobium – Infektion als einen karzinogenen Fak-tor für die Entwicklung des Blasenkarzinoms ein. Gestütztwird diese Einschätzung im Wesentlichen durch epidemio-logische Daten aus Ägypten. Infektionen mit Leberegeln(Opisthorchis viverrini, Clonorchis sinenis) bedingen einvielfach erhöhtes Risiko für Gallengangskarzinome, wie Fall-kontrollstudien in einigen Hochendemiegebieten in Thai-land und China gezeigt haben.

Therapiestrategien undBekämpfungsprogramme

Gegenwärtige, gegen Geohelminthen und Schistosomen ge-richtete Bekämpfungsstrategien haben primär eine Vermin-

derung der Morbidität durch regelmäßig wiederholteMassentherapie für Hochrisikogruppen zum Ziel. Eine Re-duktion der Übertragung ist unter den sozioökonomischenBedingungen vieler Entwicklungsländer gegenwärtig viel-fach unrealistisch, da sie enorme Investitionen in die Infra-struktur, insbesondere Wasser- und Sanitärversorgung, er-fordern. Die Therapiekosten pro Behandlungsdosis liegenfür die Benzimidazole bei ca. 3 US-Cent, für Praziquantel beica. 30 US-Cent.

In der Bekämpfung der Onchozerkose wurde zu Beginndes OCP (Onchocerciasis Control Programme) im Jahr1974 zunächst auf die intensive Vektorbekämpfung mitInsektiziden gesetzt. Resistenzentwicklung und eine Aus-weitung der Bekämpfungsfläche erforderten enorme logis-tische und finanzielle Anstrengungen. Seit der Einführungvon Ivermectin in die Humantherapie in den späten 1980erJahren steht ein für die Massentherapie geeignetes Medika-ment zur Verfügung, das zwar nicht die adulten Filarien ab-tötet, aber die Transmission der Mikrofilarien auf die Vek-toren erheblich reduziert. Aufgrund der langen Lebensdau-er der adulten Filarien müssen die Behandlungen mitIvermectin jedoch zumindest jährlich über viele Jahre fort-gesetzt werden.

Sehr erfolgreich waren die Bemühungen zur Ausrottungder Dracunculiasis. Durch Aufklärungskampagnen, simpleWasserfilterung, Behandlung von Wasserstellen mit Teme-phos (ein Insektizid aus der Gruppe der Organophospha-te), und Brunnenbau konnten die Fallzahlen dramatisch re-duziert werden und eine Ausrottung dieser Parasitose er-scheint greifbar nah.

Therapie von WurmerkrankungenFür die Therapie der meisten Wurminfektionen stehen heu-te gut verträgliche und wirksame Medikamente zur Verfü-gung. Die Benzimidazole Mebendazol und Albendazol kom-men vornehmlich bei Infektionen durch intestinale Rund-würmer in unterschiedlicher Dosierung und Therapiedauerzum Einsatz. Pyrantel und Pyrvinium haben gegenüber den

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A B B . 8 Onchozerka-Mikrofilarie, Hämatoxylin-gefärbtesPräparat.

A B B . 7 Zahlreiche Onchozerka-Mikrofilarien aus einerHautbiopsie, Nativpräparat.

Page 7: Wurmerkrankungen. Zu Unrecht vernachlässigt

Benzimidazolen an Bedeutung verloren. Praziquantel wirktgut gegen adulte Bandwürmer, gegen das Larvenstadiumdes Schweinebandwurms (Zystizerken) und gegen die mei-sten Trematoden einschließlich der Schistosomen. Beim Be-fall mit dem Großen Leberegel (Fasciola hepatica) ist Tricla-bendazol Mittel der Wahl, das jedoch nur für den veterinär-medizinischen Gebrauch lizenziert ist. Möglicherweise stelltNitazoxanid eine Alternative dar. Niclosamid wirkt eben-falls gut gegen adulte Bandwürmer, wird jedoch in Massen-therapiekampagnen aufgrund seines engeren Wirkungs-spektrums kaum eingesetzt.

Ivermectin ist das Therapeutikum der Wahl bei der On-chozerkose und kann auch beim Zwergfadenwurmbefall(Strongyloidiasis) eingesetzt werden. Diethylcarbamazin(DEC) ist ein wichtiges Therapeutikum für die Blut- undLymphfilariosen und nur noch im Rahmen von Bekämp-fungsprogrammen verfügbar.

Problematisch ist nach wie vor die Pharmakotherapieder larvalen Zestodeninfektionen, insbesondere der al-veolären Echinokokkose. Hier kann durch Albendazol inhoher Dosierung oder auch Nitazoxanid in der Regel nureine Wachstumsverlangsamung erreicht werden. Chirurgi-schen Verfahren ist daher, sofern eine Entfernung desParasitengewebes technisch überhaupt möglich ist, immerder Vorzug zu geben.

Hinsichtlich Dosierungsempfehlungen siehe [2].

Resistenzentwicklung bei Anthelmintika In der Veterinärmedizin sind Resistenzen gegenüber Anthel-mintika, zum Teil auch Mehrfachresistenzen, ein nennens-wertes Problem für Farmer in Südamerika, Südafrika undAustralien geworden. Grundsätzlich muss auch bei human-pathogenen Würmern mit einer Resistenzentwicklunggerechnet werden. Berichte über ein reduziertes Anspre-chen auf Praziquantel in der Therapie der Schistosomiasishaben daher viel Beachtung gefunden. Eindeutige Belege fürResistenzen gegenüber den derzeit in der Humanmedizineingesetzten Therapeutika gibt es nicht. Der Nachweis vonResistenzen ist jedoch methodisch schwierig, da etablierteIn-vitro-Testsysteme fehlen. Therapeutische Alternativen zuden Benzimidazolen und Praziquantel sind gegenwärtignicht in Sicht, so dass eine Resistenzentwicklung weit rei-chende Folgen hätte. Eine Strategie zur Verhinderung bzw.Verzögerung der Resistenzentwicklung ist, bei Behand-lungskampagnen gezielt nur Hochrisikogruppen und diesenicht häufiger als zweimal pro Jahr zu therapieren [4].

ZusammenfassungTrotz der Verfügbarkeit gut verträglicher und preiswerter Me-dikamente für die meisten der global bedeutsamen Wurmin-fektionen ist die durch diese Parasiten verursachte Krank-heitslast enorm. Die Hauptlast dieser Erkrankungen tragendie Menschen, die unter ungünstigen hygienischen und öko-nomischen Bedingungen leben, vornehmlich in den so ge-nannten Entwicklungsländern der Erde. Die gegenwärtigenKontrollprogramme haben das Ziel, durch Massentherapievon Hochrisikogruppen Morbidität und Mortalität zu senken.

Literatur[1] World Bank: World development report: investing in health. Oxford:

Oxford University Press (1993).[2] Drugs for parasitic infections.Treatment Guidelines from The Medical

Letter. Vol. 5 (Suppl) (2007).[3] Geerts, S., Gryseels, B.: Drug Resistance in Human Helminths:

Current Situation and Lessons from Livestock. Clin. Microbiol. Rev. 13(2000), 207–222.

[4] Awasthi, S., Bundy, D.A.P. , Savioli, L.: Helminthic infections. Br. Med.J. 327 (200), 431–433.

Der Autor:Dr. Andreas Müller (geb. 1962); 1981–1987 Studi-um der Humanmedizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; 1987 Approbation;1988 Wissenschaftl. Mitarbeiter am PathologischenInstitut der Universität Bonn; 1988–1991 Wissen-schaftl. Mitarbeiter am Institut für Medizin. Parasi-tologie der Universität Bonn; 1990 Promotion an derUniversität Bonn; 1991–1992 Truppenarzt bei derBundeswehr; 1992–1999 Wissenschaftl. Mitarbeiterund Assistent in der Inneren Medizin der Med. Klinik Ider Universität Erlangen-Nürnberg; 2000 Facharztfür Innere Medizin, Diplom in „Tropical Medicineand Hygiene“ an der London School of Hygiene andTropical Medicine; 2001 „Spezielle Internistische Intensivmedizin“ und „Fachkunde Bronchoskopie“;2002–2005 Consultant Physician am KilimanjaroChristian Medical Center, Moshi, Tansania; 2003 Zusatzbezeichnung „Tropenmedizin“; 2005 Infektiologe; seit 2006 Oberarzt für Tropen-medizin an der Missionsärztliche Klinik, Würzburg.

Anschrift:Dr. Andreas MüllerTropenmedizinische AbteilungMissionsärztliche Klinik gGmbHSalvatorstr. 797074 Wü[email protected]

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