studiengebühren
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Hans Pechar
Studiengebühren
1. Aufstieg und Fall des Nulltarifs
Noch vor wenigen Jahren schienen Studiengebühren ein Relikt einer Zeit zu sein, in welcher
der Besuch einer Universität das Privileg einer begüterten Minderheit war. In den 60er und
70er Jahren wurden Studiengebühren in vielen Ländern abgeschafft (z.B. BRD 1970,
Österreich 1972), anderswo (z.B. Niederlande) wurden sie nominell eingefroren, sodass ihr
realer Wert mehr und mehr symbolischen Charakter annahm. Eine Ausnahme waren die USA,
aber selbst dort war die Gebührenentwicklung in dieser Zeit - gemessen an heutigen Standards
- moderat.
In jenen Jahren hatten die Ökonomen gerade den Beitrag der Bildung zum
Wirtschaftswachstum entdeckt, was der staatlichen Bildungspolitik gänzlich neue
Perspektiven eröffnete. Es war nun geradezu eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, die
Partizipation bislang bildungsferner Schichten an höherer Bildung zu fördern. Die
Abschaffung von Studiengebühren war ein Schritt in diese Richtung. Neben den
ökonomischen Motiven hatten die Bildungsreformen jener Jahre auch einen
gesellschaftsverändernden Impetus. Von einer Angleichung der Bildungschancen erhoffte man
sich, dass sich auch die Ungleichheiten in den beruflichen Positionen und im sozialen Status
verringern würden.
Die Trendwende kam in den 80er Jahren und war durch mehrere Faktoren begründet. Die
Hochschulexpansion war rascher verlaufen, als die Bildungsplaner der 60er Jahre gehofft
hatten. Aber diese Entwicklung wurde nun zunehmend nicht als Erfolg, sondern als Belastung
empfunden. Viele Erwartungen, die man in die Bildungsexpansion gesetzt hatte, haben sich
nicht erfüllt. In den meisten Ländern hat sie zu keiner Angleichung sozialer Positionen
geführt (vgl. Shavit, Y./Blossfeld, H.P. 1993). Anstelle eines Mangels wurde nun vielfach ein
Überschuss an Hochschulabsolventen diagnostiziert. Obwohl die Akademikerarbeitslosigkeit
relativ gering war, wurde ihr von Politik und Medien große Beachtung geschenkt (vgl. z.B.
Harenberg, W. 1985). Vor allem aber rückten die steigenden staatlichen Hochschulausgaben
ins Zentrum des politischen Interesses. In den meisten Ländern reduzierten die Regierungen
die durch die Hochschulexpansion verursachte Budgetbelastung, indem sie die realen
Ausgaben pro Student kontinuierlich senkten.
Ein Weg, die dadurch entstehenden Engpässe auszugleichen sind Studiengebühren. Als die
OECD Ende der 80er Jahre eine vergleichende Studie zur Hochschulfinanzierung durchführte
(OECD 1991), war die neuerliche Einführung oder Erhöhung von bzw. die Diskussion über
Studiengebühren einer der wichtigsten beobachteten Trends. In den 90er Jahren hat sich
dieser Trend weiter verstärkt. Heute gibt es nur noch wenige Länder, in denen die Ausbildung
an Hochschulen generell kostenfrei ist. Im Folgenden werden ökonomische, sozialpolitische
und kulturelle Argumente für und gegen Studiengebühren diskutiert.
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2. Ökonomische Argumente: ist akademische Qualifikation ein öffentliches Gut?
Aus ökonomischer Sicht geht es bei Studiengebühren primär um die Frage, ob
Hochschulbildung ein privates oder öffentliches Gut ist. Die Theorie öffentlicher Güter (z.B.
Musgrave, R.A./Musgrave, P.B. 1980) geht davon aus, dass es grundsätzlich der Markt ist,
der die verfügbaren knappen Ressourcen ihrer bestmöglichen Verwendung zuführt. Nur in
besonderen Fällen, in denen der Markt versagt, muss der Staat intervenieren und das
betreffende Gut bereitstellen (weil die Produktion auf dem Markt nicht gewährleistet ist)
und/oder finanzieren (weil es keine ausreichende private Nachfrage gibt). Es gibt einen
breiten Konsens darüber, dass Hochschulbildung kein privates Gut im engeren Sinn ist.
Deutlich wird aber auch, dass die meisten Kriterien für öffentliche Güter nur teilweise
zutreffen. Das klassische Kriterium von Nichtrivalität und Nichtausschließbarkeit ist nicht
anwendbar. Die Diskussion konzentriert sich auf zwei Aspekte von Marktversagen.
a) Positive externe Effekte
Die öffentliche Vollfinanzierung von Hochschulstudien stützt sich primär auf das Argument
positiver externer Effekte (vgl. z.B. Bowen, H.R. 1977): Nicht nur der Einzelne zieht Nutzen
aus seiner akademischen Qualifikation, auch die Gesellschaft als ganze profitiert. Daher ist
das gesellschaftliche Gesamtinteresse an Hochschulbildung größer als die Summe der
Einzelinteressen. Wäre das Studienverhalten ausschließlich von den privaten Nutzenkalkülen
der Nachfrageseite bestimmt, käme es zu einer suboptimalen Versorgung der Gesellschaft mit
akademischen Qualifikationen.
Von Ökonomen werden die externen Effekte im Bildungswesen unterschiedlich eingeschätzt.
In den sechziger Jahren waren die meisten Bildungsökonomen geneigt, den externen Effekten
einen sehr hohen Stellenwert zuzumessen. Diese Annahmen wurden aber seit den siebziger
Jahren relativiert und es findet sich in der einschlägigen Literatur seither kaum noch das
Argument, dass die externen Effekte eine staatliche Vollfinanzierung begründen könnten.
Zunächst gilt es, zwischen den einzelnen Bildungs- und Schulstufen zu unterscheiden. Die
meisten Autoren gehen davon aus, dass die externen Effekte im Schulbereich sehr groß sind.
Ausschlaggebend ist die sozialintegrative Funktion dieser Bildungsgänge, der hohe Wert
eines gemeinsamen Sockels an Fähigkeiten und Einstellungen für den Zusammenhalt einer
Gesellschaft. Mit zunehmender Höhe und Differenzierung der Bildungsgänge gewinnt
hingegen der private Nutzen der darin erworbenen Qualifikationen an Bedeutung.
Auf postsekundärer Ebene könnte man zwischen Qualifikationen im engeren und Bildung im
weiteren Sinn unterscheiden. Die arbeitsmarktrelevanten Aspekte der Hochschulbildung
werden über ein höheres Einkommen abgegolten. Darüber hinaus erwirbt man an
Hochschulen eine Reihe von Fähigkeiten und Einstellungen („athmosphärische Effekte“), die
vom Arbeitsmarkt nicht honoriert werden, von denen aber die Gesellschaft profitiert (z.B.
geringere Kriminalitätsrate, höheres Umweltbewusstsein). Es handelt sich dabei um
Sozialisationseffekte des Studiums. Bei der Einschätzung solcher Sozialisationseffekte muss
man sich der Gefahr eines zirkulären Arguments bewusst sein: dass nämlich die
Bildungsschicht auf Grund ihrer Definitionsmacht die eigenen Werte und Einstellungen für
höherwertig erklärt und daraus ein Anrecht auf staatliche Subventionierung begründet.
b) Meritorisches Gut
Ein weiteres Argument unterstellt schließlich Marktversagen auf Grund eingeschränkter
Nachfragesouveränität. Die Entscheidungskompetenz der Bürger kann auf Grund „verzerrter
Präferenzen“ in Abrede gestellt werden; man spricht dann von „meritorischen Gütern“
(Andrae, C.A./Rinderer, C. 1988), die höhere Werte und Bedürfnisse der Gesellschaft
repräsentieren, weshalb man sie nicht der Entscheidung gewöhnlicher Bürger überlassen darf.
Menschen mit einer schwach ausgeprägten Zukunftsorientierung würden vermutlich keine
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Eigenleistungen für das Studium ihrer Kinder erbringen. Es ist daher die Aufgabe des Staates,
das meritorische Gut zu subventionieren oder ganz zu finanzieren, andernfalls würde es nicht
oder in zu geringem Ausmaß nachgefragt werden. Ähnlich wie bei den externen Effekten
besteht bei einem leichtfertigen Gebrauch dieses Arguments die Gefahr eines
Begründungszirkels: „Staatliche Vollfinanzierung der Hochschulproduktionskosten und
staatliche Entscheidungsgewalt werden mit dem Mangel an Entscheidungskompetenzen der
Individuen begründet. Die damit begründete Ausübung staatlicher Entscheidungsgewalt lässt
dann aber gar nicht mehr zu, dass sich die Entscheidungs- und Wahlfähigkeit der Individuen
als Lernprozess entwickeln kann. Folglich reproduziert der Staat immer wieder selbst den
Grund für seine Finanzintervention.“ (Timmermann, D. 1985, S.180).
Aus keinem der hier diskutierten Aspekte des Marktversagens lässt sich eine staatliche
Vollfinanzierung der Hochschulen begründen. Je nach Auslegung der positiven externen
Effekte und des meritorischen Charakters der akademischen Qualifikation lassen sich mehr
oder minder massive öffentliche Subventionierungen der Hochschulausbildung rechtfertigen.
Die meisten Ökonomen sprechen von einem gemischten Gut, das dem Einzelnen und der
Gesellschaft gleichermaßen Vorteile bringt, was auch eine gemischte Finanzierung nahe legt.
3. Sozialpolitische Argumente: Bildung als Privileg der Reichen?
Im Zentrum aller Diskussion über Studiengebühren steht die Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Führen Studiengebühren zurück in eine Zeit, in der ständische Privilegien und
Klassenschranken breite Teile der Bevölkerung an einer Entfaltung ihrer Begabungspotentiale
hindern? Ein genauerer Blick auf die Wirkungen des Nulltarifs an Hochschulen ergibt, dass
man mit Zielkonflikten konfrontiert ist.
In den 60er und 70er Jahren war die Abschaffung von Studiengebühren von der Hoffnung
auf eine Gesellschaft getragen, in der alle sozialen Schichten gleichen Zugang zu höherer
Bildung haben. Davon sind wir heute nahezu ebenso weit entfernt wie vor 30 Jahren. Die
Bildungsbarrieren haben sich als viel hartnäckiger erwiesen, als angenommen. Sie sind
primär in familiären Sozialisationsmechanismen begründet, die durch staatliche
Bildungspolitik nur schwer zu verändern sind. Der Nulltarif an Hochschulen hat sich
nicht als zielgenaue Maßnahme zur Erweiterung von Chancengleichheit erwiesen.
In einer Zeit, in der die Krise der öffentlichen Haushalte zu schärferen
Verteilungskonflikten führt, ist Treffsicherheit bei den staatlichen Ausgaben besonders
wichtig. Welche Gruppen profitieren am meisten von staatlichen Bildungsausgaben? Für
Österreich zeigt eine empirische Untersuchung (Guger, A. 1994), dass die Ausgaben für
Schulen sozial egalitär verteilt werden; eine Umverteilung findet in vertikaler Hinsicht,
von kinderlosen Haushalten zu solchen mit Kindern) statt. Die Hochschulausgaben
hingegen kommen überwiegend den einkommensstarken Haushalten zugute: ca. 60%
fließen ins oberste Einkommensviertel, 25% ins oberste Dezil.
Mit einem großen Teil der öffentlichen Mittel, die zur Erhöhung der Chancengleichheit
gedacht sind, werden also einkommensstarke Haushalte subventioniert, die sowohl fähig als
auch bereit wären, einen spürbaren Beitrag zu den Kosten eines Hochschulstudiums zu
leisten. Ein Motiv zur Einführung von Studiengebühren ist es, im Sinne größerer
Treffsicherheit solche "Mitnahmeeffekte" zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind
generelle Gebühren, die unterschiedslos von allen zu entrichten sind, kein taugliches Mittel.
Eine solche Maßnahme würde den ohnehin geringen Anteil von Studenten aus
einkommensschwachen Familien weiter reduzieren. Um die Chancengleichheit im
Hochschulzugang nicht hinter das erreichte Niveau zurückzuschrauben, müssen
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Studiengebühren sozialverträglich gestaltet sein, sie dürfen den verborgenen
Sozialisationsbarrieren keine zusätzlichen Hindernisse, keine offenen finanziellen Schranken
hinzufügen.
Es gibt unterschiedliche Philosophien der Sozialverträglichkeit (vgl. Pechar, H./Keber, C.
1996):
Man kann Studiengebühren nach dem Einkommen des Elternhaushalts staffeln und die
Studenten unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze von der Gebühr gänzlich befreien.
Ein solches Modell geht implizit davon aus, dass es in die Verantwortung des Elternhaushalts
fällt, für die privaten Kosten eines Hochschulstudiums aufzukommen.
Sowohl die Studiengebühren als auch die Lebenshaltungskosten von Studenten aus
einkommensschwachen Familien können über öffentlich subventionierte Darlehen gedeckt
werden. Ein solches Modell geht davon aus, dass es dem künftigen Akademiker auf Grund
seines höheren Einkommens zumutbar ist, einen Teil der Kosten seines Studiums
zurückzuzahlen. Wenn man die Rückzahlungsbedingungen einkommensabhängig gestaltet,
reduziert man das Risiko der Darlehensaufnahme auf ein sozial vertretbares Maß.
4. Kulturelle und ordnungspolitische Argumente: wird Bildung zum "Fast Food"?
In den Bildungsschichten ist eine Aversion gegen die Berücksichtigung der ökonomischen
Dimension von Bildungsprozessen weit verbreitet. Akademische Bildung dürfe nicht nach
utilitaristischen Gesichtspunkten bewertet werden, entscheidend sei ihr Eigenwert.
Studiengebühren, so die Befürchtung, fördern eine verstärkte instrumentelle Orientierung der
Studenten; sie schaffen ein soziales Klima, das die Motivationsstruktur der Studenten verändere:
gesellschaftlich und kulturell wertvolle Motive werden in den Hintergrund gedrängt, das
Interesse an den privaten Erträgen der Investition in ihr Humankapital trete in den Vordergrund.
Das intrinsische Interesse an den Bildungsinhalten werde durch die Tendenz zu einem
angepassten, stromlinienförmigen Studierverhalten zerstört. Es gehe nur noch darum, das
Studium rasch hinter sich zu bringen und einen am Arbeitsmarkt gut verwertbaren Abschluss zu
erreichen. Studiengebühren werden auch aus ordnungspolitischen Überlegungen ablehnt, weil sie
ein Einfallstor privater Interessen darstellen und die Orientierung am Gemeinwohl untergraben.
Wenn man Gebührenvarianten ausschließt, die für Studenten aus einkommensschwachen
Familien tatsächlich eine nur schwer zu überwindende materielle Barriere darstellen, haben diese
Einwände wenig Plausibilität. Auch bei Gebührenfreiheit studiert die große Mehrheit der
Studenten nicht aus reiner Liebe zur Wissenschaft, sondern um eine berufliche Qualifikation zu
erwerben. Vermutlich tragen Studiengebühren dazu bei, dass Studenten ihre Prioritäten klarer
durchdenken und bewusste Entscheidungen treffen. Gerade das Fehlen einer aktiven
studentischen Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Optionen ist aber eine Schwäche vieler
europäischer Hochschulsysteme. Keinesfalls kann die drastische Überschreitung von
Regelstudienzeiten als Hinweis auf ein besonders gründliches Studium gewertet werden.
Dem kulturellen Einwand gegen Studiengebühren liegt ein verengtes Verständnis von den
Anforderungen einer professionellen Ausbildung zugrunde. Diese ist durch ein ausschließlich
instrumentelles Lernverhalten nicht zu bewältigen. Für Angehörige von Professionen ist ein
inhaltliches Interesse in der Regel eine Bedingung für beruflichen Erfolg. Ein ökonomisches
Interesse an der Verwertung der akademischen Qualifikation schließt ein sachliches Interesse an
den Inhalten der Ausbildung keinesfalls aus.
5. Studiengebühren im internationalen Vergleich
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Dieser Abschnitt bietet einen sehr allgemeinen Überblick, der die unterschiedliche
Systemarchitektur einiger Länder deutlich machen, nicht hingegen auf Details eingehen will.
Es geht v.a. um den Anteil der Studiengebühren am Gesamthaushalt der Hochschulen, um das
spezifische Verhältnis öffentlicher und privater Hochschulen sowie um die unterschiedlichen
Methoden, Sozialverträglichkeit sicher zu stellen.
a) Europäische Union. Innerhalb der EU gibt es überwiegend öffentliche Hochschulsysteme,
nur in Belgien, den Niederlanden und Portugal spielen private Einrichtungen eine größere
Rolle. Von 14 Staaten (Luxemburg verfügt über keine Universität) haben 6 (Dänemark,
Deutschland, Finnland, Griechenland, Österreich, Schweden) keinerlei Gebühr ein. Die
übrigen Mitgliedsstaaten verlangen Gebühren, davon Frankreich nur relativ geringe
Verwaltungs- und Versicherungsbeiträge1. In den meisten Ländern sind die
Studiengebühren niedrig, nur in Irland, den Niederlanden und dem Vereinigten
Königreich überschreiten sie 1000 Euro/Jahr (vgl. Europäische Kommission 1999).
Dementsprechend gering ist der Anteil der Studiengebühren am gesamten Einkommen der
Hochschulen. Da die Hochschulen in vielen europäischen Ländern staatliche Anstalten
sind, fließen die Gebühren dort in den Staatshaushalt. Bei erweiterter Finanzautonomie
sind die Studiengebühren Einnahmen der Hochschulen. Sozialverträglichkeit versucht
man generell über die Systeme der Studienförderung zu gewährleisten: Studenten, die
Anspruch auf ein Stipendium haben, zahlen keine oder eine reduzierte Gebühr. In Irland,
den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich sind das über 70% aller Studenten.
b) Australien. Dieses Land hat 1989 ein sehr kreatives Gebührenschema eingeführt, das auch
im Ausland viel Beachtung gefunden hat. Auch in Australien haben die Hochschulen mit
wenigen Ausnahmen öffentlichen Charakter, aber es sind öffentliche Unternehmen, die
die Gebühren selbst einnehmen. Im undergraduate Bereich (für Graduiertenstudien gelten
eigene, nach Fachbereich unterschiedliche Bedingungen) können Studiengebühren über
zinsenfreie (aber wertgesicherte) Darlehen zwischenfinanziert werden, die nach Abschluss
des Studiums in Abhängigkeit vom dann erzielten Einkommen getilgt werden. 2000/01
variieren die Gebühren je nach Fach zwischen 3.500 und 5.800 $; je nach Höhe des
Einkommens müssen die Absolventen zwischen 3% und 6% ihres Einkommens
zurückzahlen. Obwohl die Studiengebühren einen deutlich höheren Anteil am
Gesamteinkommen der Hochschulen ausmachen als in den meisten europäischen Ländern,
ist es auf Grund der sozialverträglichen Darlehenslösung zu keiner Abnahme in der
Partizipation einkommensschwacher Gruppen gekommen (vgl. Andrews, L. 1999).
c) USA. Hier sticht die gewaltige Variationsbreite innerhalb des Hochschulsystems ins Auge,
die generelle Aussagen sehr schwer macht. Private Hochschulen spielen eine große Rolle,
sie dominieren im Elitesegment, aber auch am unteren Rand des Qualitätsspektrums.
Auch an öffentlichen Hochschulen werden nach europäischen Maßstäben sehr hohe
Gebühren verlangt (Bandbreite 2.000-5.000 $). Schwindelerregend (20.000 $ plus) sind
aber die Gebühren an privaten Eliteuniversitäten. Dementsprechend hoch ist der Anteil
der Studiengebühren an den Gesamteinkünften, er liegt im öffentlichen Sektor bei 18%,
im privaten hingegen bei 41% (vgl. Weiler, H. 1996). Unter diesen Umständen scheint
Sozialverträglichkeit unmöglich zu sein. Anders als in Europa ist aber Chancengleichheit
nicht nur über gesetzlich garantierte Ansprüche und staatliche Stipendien vermittelt,
sondern in vielen Fällen das Ergebnis privaten Aushandelns. Die genannten Gebühren
sind der "sticker price", der in begründeten Fällen reduziert oder ganz erlassen wird. Man
spricht auch vom "Robin Hood principle": die privaten Eliteuniversitäten verlangen von
den Wohlhabenden hohe Gebühren und verteilen einen Teil dieses Geldes zu den
1 In Österreich werden Studiengebühren ab 2001/02 eingeführt; in Deutschland gibt es in einigen Ländern
Einschreibegebühren; in Irland werden die Gebühren für ein undergraduate Studium von der Regierung bezahlt.
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Ärmeren um. Tatsache ist aber, dass Studenten auch aus den Mittelschichten einen weit
höheren Eigenbeitrag für ihr Studium leisten müssen als in Europa.
d) Japan. Auch hier gibt es einen sehr großen privaten Hochschulsektor, aber anders als in
den USA dominieren im Elitesegment die alten staatlichen Universitäten (vgl. auch
Privatuniversitäten). Die Gebühren an den staatlichen Eliteuniversitäten sind aber
niedriger als an den meisten privaten Hochschulen, denn diese erhalten keine oder nur
geringe öffentliche Subventionen und müssen sich aus privaten Einkünften finanzieren.
Der Anteil der Studiengebühren im gesamten öffentlichen Hochschulsektor beträgt 9%,
im privaten Sektor hingegen 53% (vgl. Nishihara, H. 1996). Dieses Muster hat paradoxe
Effekte: zum einen bietet der öffentliche Elitesektor für geringere Beiträge eine
höherwertige Ausbildung als sie der private Sektor für höhere Gebühren leisten kann.
Dementsprechend streng ist die Selektion. Da die gehobenen Schichten dabei besser
abschneiden, zahlen sie im Schnitt geringere Gebühren, als Studenten aus mittleren und
einkommensschwachen Familien, die in den privaten Hochschulsektor abgedrängt
werden. Diese Schichten können die relativ hohen Studiengebühren nur bezahlen, weil auf
Grund des hohen Stellenwerts der Bildung in Japan bereits von früh an Rücklagen für die
späteren Studienkosten der Kinder gebildet werden.
Literatur:
Andrae, C.A./Rinderer, C.: Staatsaufgaben im tertiären Bildungssektor. In:
Wirtschaftspolitische Blätter 4/1988.
Andrews, L.: Does HECS Deter? Factors affecting university participation by low SES
groups. Canberra 1999.
Bowen, H.R.: Investment in Learning. The Individual and Social Value of American Higher
Education. San Francisco 1977.
Europäische Kommission (Hrsg.): Schlüsselthemen im Bildungsbereich. Bd.1:
Ausbildungsförderung für Studierende an Hochschulen in Europa. Luxemburg 1999.
Guger, A.: Verteilungswirkungen der gebührenfreien Hochschulbildung in Österreich. Wien
1994.
Harenberg, W. (Hrsg.): Wozu noch studieren? Die Berufschancen der Akademiker. Reinbeck
1985.
Musgrave, R.A./Musgrave, P.B.: Public Finance in Theory and Practice. New York 1980.
Nishihara, H.: Studiengebühren in Japan. In: CHEck up, Sonderausgabe 1/1996, S.5-8.
OECD: Financing Higher Education. Current Patterns. Paris 1991.
Pechar, H./Keber, C.: Abschied vom Nulltarif. Argumente für sozialverträgliche
Studiengebühren. Wien 1996.
Shavit, Y./Blossfeld, H.P.: Persistent Inequality. Changing Educational Attainment in
Thirteen Countries. Boulder 1993.
Timmermann, D.: Gebührenfinanzierung der Hochschulausbildung: allokative und
distributive Aspekte. In: Brinkmann (Hrsg.): Probleme der Bildungsfinanzierung. Berlin
1985.
Weiler, H.: Finanzielle und strukturelle Rolle von Studiengebühren in den USA. In: CHEck
up, Sonderausgabe 1/1996, S.24-29.