zeitschrift klasse 3/2013
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Das Magazin für Schüle in SachsenTRANSCRIPT
SCHWERPUNKT:
Lehrer als
Teamplayer
Wie Zusammen-
arbeit in der
Schule gelingt
DAS M AGA ZI N FÜR SCH U LE I N SACHSEN
3 / 2013
Eliza passt aufWas Erstklässler alles erleben S.10
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Zur Internationalen Junior Science Olympiade nach In-dien reisen drei Schüler aus Sachsen. Damit besteht das Natio-nalteam zur Hälfte aus sächsischen Talenten. Nik-Angus Engwer und Johann Lieberwirth vom Wilhelm-Ostwald-Gymnasium Leipzig sowie Arthur Guthknecht vom Johannes-Kepler-Gym-nasium Chemnitz konnten sich im Oktober in Hamburg beim
Bundesfinale gegen die schlausten 45 jungen Naturwissenschaft-ler durchsetzen. Die drei anderen Teammitglieder kommen aus Bayern, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Anfang De-zember reisen sie gemeinsam nach Indien, wo sie mit rund 250 Jugendlichen aus über 50 Nationen um Gold, Silber und Bronze kämpfen.
IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für Kultus (SMK), Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden | Redaktion: Anja Niemke (V. i. S. d. P. ), Telefon: (0351) 564 25 13, E-Mail: [email protected]; Anikó Popella, Peter Stawowy, stawowy media | Mitarbeit in dieser Ausgabe: Christian Bach, Beate Diederichs, Phillip Horn, Sebastian Martin, Brigitte Pfüller, Caroline Vogt | Fotos: Klaus Gigga, Anja Jungnickel, Detlev Müller, Daniel Scholz | Gestaltung: stawowy media | Auflage: 40.000 Exemplare | Druck: Druckerei Vetters GmbH & Co. KG | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwerbung ver-wendet werden.
Auf Goldsuche in Indien
Arthur Guthknecht vom Johannes-Kepler-Gymnasium Chemnitz fährt Anfang Dezember zur Internationalen Junior Science Olympiade nach Indien.
Vorerst sollen im ländlichen Raum in Sachsen keine Grund- und Oberschulen mehr geschlossen werden. Das hat der Landtag in seiner Sitzung im Oktober beschlossen. Sach-sens Kultusministerin Brunhild Kurth begrüßt das Schulschlie-ßungsmoratorium als richtige Antwort auf die demografische Entwicklung im ländlichen Raum. Damit sei ein erster wichtiger Schritt zur Sicherung von Schulen im ländlichen Raum getan. „Der zweite Schritt sollte zu Beginn der neuen Legislaturperiode
mit einer umfassenden Novellierung des Sächsischen Schulgeset-zes folgen“, so die Kultusministerin in der Debatte im Landtag. Mit dem Beschluss des Landtages wird das bislang geltende Schließungsmoratorium für Oberschulen bis zum Inkrafttreten entsprechender Änderungen des Sächsischen Schulgesetzes ver-längert und auf Grundschulen ausgedehnt. Ausgenommen von dem Moratorium sind Grundschulen in den Kreisfreien Städten sowie in den Ober- und Mittelzentren des Freistaates Sachsen.
Landtag für Erhalt von Schulen im ländlichen Raum
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E D I T O R I A L / I N H A LT
Liebe KLASSE-Leserinnen und Leser,
wer durch die sächsischen Großstädte spaziert, sieht: Kinder prägen ganz maßgeblich das Stadtbild. Dresden etwa ist eine der geburtenstärksten Städte Deutschlands. In ähnlicher Weise trifft dies auch auf Chemnitz und Leipzig zu. Auch wenn der ländliche Raum nicht in diesem Maße vom Zuwachs profitiert, freue ich mich über eine Entwicklung, die mit diesem Kinderreichtum ein-hergeht: Der schmerzliche Prozess der Schulschließungen gehört der Vergangenheit an.
Gemeinsam mit meinem Kollegen, Landwirtschaftsminister Frank Kupfer, haben wir daher ein Konzept zur Sicherung von Schulen im ländlichen Raum erarbeitet. Zudem hat der Landtag in seiner Sitzung im Oktober ein Schulschließungsmoratorium beschlossen. Das begrüße ich sehr, zumal es meine Hoffnung ist, dass dies uns auch mit Blick auf die Schulen in freier Träger-schaft weiterbringt.
Es hat mich immer nachdenklich gestimmt, wenn im ländlichen Raum eine öffentliche Schule geschlossen und dafür eine private geöffnet wurde. Diese Entwicklung hat mir Sorgen bereitet, sind wir als Staat doch in der Pflicht und wissen um die Qualitäten staatlicher Schulen. Andererseits ist es natürlich ausgesprochen erfreulich, wenn gesellschaftliches Engagement von Eltern und Institutionen dazu führt, die Schule vor Ort selbst zu organisie-ren.
Ich bin daher der Meinung, dass die unterschwellige „Konfron-tation“ öffentliche gegen private Schule endgültig überwunden sein sollte. Denn diese hat leider allzu oft den Blick verstellt für das, was die Freien Schulen ausmacht. Schulen in freier Träger-schaft machen die Schullandschaft in Sachsen bunter, sie be-reichern und ergänzen das Schulangebot. Diese Vielfalt gilt es wertzuschätzen. Freie Schulen sind ein Ausdruck von Freiheit, von freier Schulwahl.
Heute können Eltern nicht nur zwischen unterschiedlichen öf-fentlichen Schularten wählen. Dank der Freien Schulen haben sie auch die Möglichkeit, zwischen verschiedenen pädagogischen und konfessionellen Ansätzen wählen zu können. Damit wird das sächsische Schulsystem der Individualität der Schüler besser gerecht. Privatschulen sind eben nicht besser oder schlechter, sie sind anders als öffentliche Schulen. Hierin sehe ich ihre Stärken.
Ich halte ein ausgewogenes Verhältnis von privaten und öffent-lichen Schulen für gut, und ich halte es, so wie es jetzt ist, für angemessen. Ich wünsche mir ein gutes, ein fruchtbares Mitei-nander, denn das sächsische Schulsystem soll genauso vielfältig sein wie unsere Schüler.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die sächsische Schullandschaft so vielfältig und bunt bleibt, wie sie ist.
Ihre Staatsministerin für Kultus Brunhild Kurth
Meldungen aus dem Ministerium – Seite 4
Für den Job nach Görlitz Eine Förderschullehrerin erzählt – Seite 5
Teamarbeit in der SchuleSächsische Lehrer arbeiten zusammen – Seite 6
Ein Tag in Bildern. Eliza aus Dorfchemnitz, Erstklässlerin – Seite 10
Aus Schülersicht. Wie ich zum START-Stipendium gekommen bin – Seite 11
Kultur(t)räume. Wie Kamenzer Kinder ihre Stadt entdecken– Seite 12
Recht und Ordnung. Medienrecht– Seite 14
Der KLASSE Fragenbogen Mit Klaus Batsch, Gewinner des Deutschen Lehrerpreises 2012 – Seite 15
Inhalt
Sie können kostenlos abonnieren. Dazu genügt eine E-Mail mit Angabe Ihrer Adresse an [email protected]. Ansprechpartner für Ihre Hinweise, Meinungen und Themenvorschläge für die kommenden Ausgaben der ist das Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden, Telefon: (0351) 564 25 11, E-Mail: [email protected] (kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte Dokumente).
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M E L D U N G E N
Bereits zum vierten Mal sind Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren aufgefordert, sich um den Kinderkunstpreis zu bewer-ben. Unter dem Motto „Freund statt fremd“ können Arbeiten in Form von Einzel- und Gruppenleistungen in allen künstlerischen Sparten eingereicht werden. Möglich sind zum Beispiel: Bilder, Objekte und Fotografien, Geschichten, Comics sowie eigene Bü-cher, Tanzbeiträge, Zirkusnummern oder Theaterstücke, Lieder, Chor- oder Musikbeiträge und Hörspiele, Video- oder Trickfilme.
Die Wettbewerbsveranstaltung findet am 17. Mai 2014 im Bür-gerhaus in Delitzsch statt. Eine Kinderjury vergibt die Preise. Die Preisträger werden am 5. Juli zu einem spannenden Ausflug eingeladen.
Bewerbungen sind bis zum 11. April 2014 möglich. Kontakt: [email protected], www.lkj-sachsen.de
Energiesparen ist nicht nur et-was für Erwachsene. Auch Kinder und Jugendliche können zum Klimaschutz beitragen, indem sie schon frühzeitig ei-nen sparsamen Umgang mit Energie ler-nen.Damit das nicht nur schöne Worte blei-ben, hat das Sächsische Umweltminis-terium eine Handlungsanleitung für die Durchführung von Stromsparwettbewer-ben an Schulen herausgegeben. Dabei tre-ten Klassen gegen andere teilnehmende Klassen (oder Gruppen) an. Wer am we-nigsten Strom verbraucht, liegt am Ende vorn. Die Kinder und Jugendlichen sollen nicht nur auf den Stromverbrauch in der Schule achten, sondern auch zu Hause schauen, wo man effektiver den Energie-verbrauch reduzieren kann.
Wie diese Wettbewerbe genau funktio-nieren, wird in der Broschüre ausführlich erklärt. Inbegriffen sind außerdem 18 Arbeitsblätter, die im Unterricht im Rah-men von themenbezogenen Workshops verwendet werden können. Zugeschnit-ten auf die Klassenstufe 7 bis 8 kann der Wettbewerb zudem fächerübergreifend gestaltet werden (Physik [Energie], Ma-thematik [Berechnungen] und Geogra-phie [Klimawandel, Treibhauseffekt]).
Interessierten Schulen und Lehrern steht die Broschüre auf der Internetseite www.enercitee.eu zur Verfügung. Als Druck-version kann die Anleitung unter www.publikationen.sachsen.de, mit dem Stichwort „EnercitEE“ ebenfalls kosten-frei bestellt werden.
Stromsparwettbewerbe für Schulen
Kleine Künstler ganz groß –Kinderkunstpreis 2014
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Das entscheidende Telefonat fand bereits während mei-nes Referendariats statt. Ich habe bei der Sächsischen Bildungs-agentur nachgefragt, ob es in Görlitz eine freie Stelle an einer Förderschule gibt. Die Antwort lautete sinngemäß: „Her mit den Unterlagen! Wann können Sie zum Gespräch kommen?“ Damit hatte ich meine Zusage für die Jahnschule bereits vor der Zeug-nisausgabe in der Tasche.Diese Entscheidung für Görlitz fiel mir und meinem Mann da-mals leicht. Ich habe in Halle an der Saale studiert. Laut des Kul-tusministeriums in Sachsen-Anhalt sollten fünf neue Lehrer mit
dem Förderschwerpunkt ‚Geistige Entwicklung‘ eingestellt wer-den. Da mein Mann bereits in Görlitz Arbeit gefunden hatte und wir in der Stadt auch Freunde haben, mussten wir nicht lange überlegen. Bislang habe ich die Entscheidung nicht bereut. Die Leute sind ausgesprochen freundlich, besonders meine Nachbarn und Kollegen. Sie haben mir den Start sehr erleichtert.
Ich habe mir natürlich Gedanken gemacht: Wie komme ich in einer neuen Stadt zurecht? Wie reagieren Schüler und Kollegen auf mich? Das Referendariat war stressig, da wir neben unserer Unterrichtstätigkeit auch Seminarleistungen erbringen mussten. Dennoch waren wir nur 12 und nicht 25 Stunden wöchentlich in der Schule. Daher habe ich im Anschluss bewusst um eine Teil-zeitstelle gebeten. Das Land hat diesem Kompromiss als Arbeit-geber glücklicherweise zugestimmt.
Ich habe in Halle Deutsch und Musik studiert, habe aber außer-dem im ersten Jahr Werken, Computer, Textilarbeit sowie Thea-ter gelehrt. Ähnlich ergeht es anderen Kollegen auch. In die neu-en Fächer musste ich mich hineindenken und einarbeiten, aber die didaktischen Prinzipien gelten unabhängig von den Inhalten.
Wir können nicht von allen Kindern die gleichen Leistungen ver-langen. Wir haben die Freiheit zu schauen, was speziell in der Entwicklung benötigt wird. Diese individuelle Betreuung an un-serer Förderschule ist nur mit ausreichend Personal zu bewälti-gen. Das Verhältnis von Schülern und Lehrern schwankt je nach Unterstützungsbedarf der Kinder. In der Regel unterrichten wir zu zweit sieben bis neun Schüler. Das scheint für Außenstehende viel zu sein, wird aber ständig flexibel angepasst.
Mir hat meine Lehrertätigkeit im ersten Jahr so viel Spaß ge-macht, dass ich nun auf Vollzeit aufgestockt habe. Das ist für mich eine Umstellung, da auch eine Klassenleiterfunktion hin-zukam. Daraus ergibt sich auf der einen Seite ein Mehraufwand, zum Beispiel mit Elternabenden. Auf der anderen Seite erhalte ich so die Möglichkeit, kontinuierlicher mit den Kindern in den anderen Fächern, wie in Kunst und Sport, zu arbeiten.
Noch mehr Spaß macht den Schülern jedoch der Snoezelraum. Diesen haben die Kollegen 2006 entworfen. Hier finden die Schüler einen Ort der Entspannung, der mithilfe eines Wasser-betts, Lichtspielen an der Wand, einer Wassersäule und einer Lichtdusche unterschiedliche Wahrnehmungskanäle anspricht. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meiner Wahl, da Görlitz auch mein Leben etwas entschleunigt. Gut, an die hiesigen Öff-nungszeiten der Läden und gastronomischen Einrichtungen musste ich mich erst gewöhnen. Ich sehe dies jedoch positiv, auch wenn ich zugeben muss, dass die weite Welt 1,5 Stunden mit dem Zug entfernt liegt. Dann bin ich gerade einmal in Dresden. Trotz-dem: Wenn nichts schiefgeht, bleiben wir noch eine ganze Weile hier.
Informationen unter: www.jahnschule-goerlitz.de
AU S L E H R E R S I C H T
Für den Job nach Görlitz Görlitz liegt am östlichsten Rand Sachsens. Diese
Lage zieht angehende Lehrer, speziell für Förder-
schulen, nicht gerade an. Constanze Marquardt
beweist das Gegenteil.
PROTOKOLL: CHRISTIAN BACH, - REDAKTION
» ICH BIN ZUFRIEDEN MIT MEINER ENTSCHEIDUNG NACH GÖRLITZ ZU GEHEN.«
Constanze Marquardt, Förderschullehrerin an der Jahnschule Görlitz
Lehrer-werden-in-Sachsen.de
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R E P O R TA G E
Mit einem Lächeln geht’s schon los. Gut gelaunt parkt Marika Götze neben der Grundschule in Groß Särchen – einem gelben Bau mit Spitzdach aus den 1960er Jahren, unweit des von Birken und Kiefern gesäumten Knappensees gelegen. Herrlich glitzert die Sonne an diesem Morgen auf der Wasseroberfläche, während der Wind die ersten bunten Blätter über den Schulhof weht. Die Lehrerin steigt aus und atmet tief durch. Doch es ist nicht die idyllische Lage, wegen der sie hier, elf Kilometer süd-lich von Hoyerswerda, gern arbeitet.
Das Geheimnis lüftet sich beim Betreten des Lehrerzimmers. Mit einem freundlichen Hallo wird sie von ihren Kollegen be-grüßt. Ein paar Sekunden später wird bereits über dies und das gequatscht. Man duzt sich. Was sonst? Wenn jemand Geburts-tag habe, werde hier sogar gefeiert, sagt Marika Götze. Sie fühlt sich sichtlich wohl und ist froh, dass sie sich vor zwei Jahren nach Groß Särchen versetzen hat lassen. Sonst wäre sie als Päd-agogin vielleicht schon längst ausgebrannt. Denn ein Team wie an der Grundschule am Knappensee sei nicht selbstverständlich, erklärt sie.
Schulleiterin Beate Richter schmunzelt. Sie denkt wahrscheinlich gerade an die letzte Geburtstagsfeier. „Lehrer müssen Freude an ihrem Beruf haben.“ Sonst gehen sie irgendwann kaputt. Seit Jahren bemüht sie sich deshalb, dass die Lehrer in ihrem Haus zufrieden sind und ein gutes Arbeitsklima herrscht. Sie über-trägt ihnen Verantwortung, schickt sie zu Weiterbildungen und erkennt ihre Leistungen regelmäßig an. Denn nur so öffnen sie sich auch für eine verstärkte Teamarbeit, erklärt Beate Richter. Und die sei heute wichtiger denn je für den Erfolg einer Schule.
Zeit des Einzelkämpfers vorbei
Das weiß auch Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth. „Es wird in Zukunft darauf ankommen, Teamgeist und Teamarbeit an der Schule weiter zu stärken“, sagt sie zum Auftakt des Schul-leitersymposiums an der Universität Leipzig. Die Köpfe im Pub-likum nicken. Einige Hände applaudieren. Über 100 Schulleiter sitzen im Hörsaal 10, um in die „Die fabelhafte Welt des Teams“ einzutauchen. In Vorträgen und einer Podiumsdiskussion hö-ren sie, welche Vorteile eine verstärkte Teamarbeit hat – zum
Den Überblick bewahren: Das klappt in Groß Särchen sehr gut. Die Kollegen arbeiten Hand in Hand.und unterstützen sich gegenseitig.
Gemeinsam starkLehrer sind Solisten im Klassenraum. Im Lehrerzimmer sollten
sie aber als Teamplayer agieren. Denn das trägt zum Erfolg
einer Schule bei.
VON SEBASTIAN MARTIN, - REDAKTION
»ES WIRD IN ZUKUNFT DARAUF ANKOMMEN, TEAMGEIST UND TEAMARBEIT AN DER SCHULE WEITER ZU STÄRKEN.«BRUNHILD KURTH, SÄCHSISCHE KULTUSMINISTERIN
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Beispiel im Umgang mit Eltern. Denn ein Kollegium, das etwa Bewertungsmaßstäbe berät und diese anschließend geschlossen nach außen verteidigt, mache sich weniger angreifbar, heißt es. „Unterrichtsentwicklung als wesentlicher Bestandteil der Schul-entwicklung kann nicht nur von einem Kollegen allein geleistet werden. Vielmehr braucht es ein Miteinander aller, die an Bil-dung und Erziehung beteiligt sind“, betont Brunhild Kurth.
Ein Paradebeispiel für gute Teamarbeit könnte die Grundschule am Knappensee sein, in der es gerade zur Hofpause geklingelt hat. Weil die für die Schüleraufsicht verantwortliche Lehrerin noch in einem Gespräch vertieft ist, übernimmt spontan eine Kollegin ihren Job. Ohne zu murren oder die Augen zu verdre-
hen. Die Hilfe scheint vielmehr selbstverständlich zu sein. Der stille Beobachter spürt, dass die Lehrer hier eine Gemeinschaft bilden – ein Team, das sich unterstützt, ergänzt und austauscht. „Mit der Erprobung des neuen Lehrplans mussten wir effektiver werden und enger zusammenarbeiten. Nur so konnten wir die vielfältigen Aufgaben bewältigen“, erklärt Schulleiterin Beate Richter. „Es bringt nichts, wenn jeder Lehrer sein eigenes Ding macht.“
Der Schullehrer als Solist, als Einzelkämpfer im Klassenraum? Die Zeiten sind an der Grundschule am Knappensee längst vor-bei. Seit 2004 gibt es eine feste Struktur, die die Teamarbeit re-gelt und durch regelmäßige Evaluationen verbessert wird. Die aktuelle Version passt in ausgedruckter Form auf ein A4-Blatt und ist in mehrere Bereiche gegliedert. Neben gegenseitigen Hospitationen und Erfahrungsaustausch unter den Fachlehrern verlangt der Plan mehrere Arbeitsgruppen – zwei große und viele kleinere. In den beiden großen beraten sich die Fachlehrer der Klassenstufen eins und zwei sowie der Klassenstufen drei und vier. Zweimal pro Jahr kommen beide Teams zusammen, in dringenden Fällen auch spontan. Bei den Treffen geht es unter anderem um die Arbeit am Kind und die einzuhaltenden Regeln und Normen in den Klassen. Dadurch werde ein gemeinsames Handeln möglich, erklärt Beate Richter im Eiltempo. In den kleineren Teams treffen sich dagegen nur die Lehrer der einzel-nen Klassenstufen. Sie sollen gemeinsame Stoffverteilungspläne und vergleichbare Klassenarbeiten erstellen sowie einen fächer-übergreifenden Unterricht organisieren. Durch den wöchentli-chen Austausch wissen sie zudem immer, welche Themen gerade behandelt werden, und könnten leichter einen kranken Kollegen vertreten. So weit, so gut.
Soziale Kompetenzen des Teamleiters entscheidend
Aber nicht jeder kann mit jedem. Menschen sind verschieden. Auch Lehrer. Außerdem bedeutet selbst ein Starensemble beim Fußball noch nicht, dass es Meister wird. Und hervorragende
Musiker bilden nicht automatisch ein tolles Orchester. Welche Voraussetzungen für ein gut funktionierendes Team nötig sind, damit beschäftigt sich Barbara Drinck von der Universität Leip-zig. Seit drei Jahren erforscht die Professorin für Schulentwick-lung das Thema. Entscheidend sei ein guter Teamleiter, sagt sie. Der sollte vor allem eine Ordnungskraft sein – sprich: die Treffen und Themen einer Arbeitsgruppe in erster Linie organisieren. Die Entscheidungen müssen gemeinsam gefällt werden. Schullei-ter, die nur ihren eigenen Standpunkt durchsetzen wollen, wer-den daher kaum eine Teamkultur fördern, sagt die habilitierte Erziehungswissenschaftlerin und studierte Psychologin. Um ein verstärktes Miteinander im Lehrerzimmer zu erreichen, sollten die Schulleiter vielmehr Transparenz und eine offene Kommu-
nikation pflegen sowie die Leistung der Mitarbeiter wertschätzen. Das schaffe Vertrauen und motiviere zur Teamar-beit, erklärt die Professorin. Und sie soll-ten vor allem eins: zuhören können. Nur wer sich der Probleme annimmt und sie lösen will, wird Erfolg haben. Außerdem sollte ein Teamleiter im Idealfall eine re-
spektierte Person sein, die aber nicht angehimmelt werden will. Ein guter Teamleiter müsse also bestimmte soziale Kompetenzen haben, sagt Barbara Drinck.
Die Leiterin der Grundschule am Knappensee scheint viele der nötigen Eigenschaften in sich zu vereinen. Das hört man zu-
R E P O R TA G E
»ES BRINGT NICHTS, WENN JEDER LEHRER SEIN EIGENES DING MACHT.« BEATE RICHTER, SCHULLEITERIN AN DER GRUNDSCHULE AM KNAPPENSEE
Gute Stimmung im Lehrerzimmer: Mit einem freundlichen Hallo begrüßen sich die Kollegen an der Grundschule am Knappensee.
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mindest, wenn man die Fachlehrer in Groß Särchen befragt. Sie suche mit ihren Kollegen regelmäßig das Gespräch und habe immer ein offenes Ohr, heißt es. Probleme müssen bei ihr sofort gelöst werden, damit sich Fronten nicht verhärten. Sie verstehe es zudem geschickt, die passenden Kollegen in einem Team zu vereinen. „Dafür braucht man natürlich etwas Fingerspitzengefühl“, sagt Beate Richter mit einem Lächeln in ihrem dezent geschmink-ten Gesicht. Monatelang beobachtet sie die Körpersprache und Meinungen der Kollegen, um herauszubekommen, wer mit wem am besten kann. Denn neben den fachlichen Stärken entscheidet bei ihr vor allem der Charakter, in welchen Positionen sie die elf Kollegen im nächsten Schuljahr gewinnbringend einsetzt.
88 Lehrer unter einem Hut
Dr. Wolf-Dieter Goerke hat nicht die Zeit, jeden Kollegen so genau zu analysieren. Wie auch? Er leitet das St. Augustin in Grimma – mit 88 Lehrern eine der größten Schulen Sachsens, nachdem auch das zehn Minuten zu Fuß entfernte Seume-Gym-nasium vor sieben Jahren integriert wurde. In dem lernen heute die Klassenstufen fünf bis sieben. Das sei eine schwierige Zeit gewesen, als er 2006 das Amt des Schulleiters übernommen habe, erinnert sich Dr. Wolf-Dieter Goerke – ein großgewach-sener Mann mit tiefer Stimme. Mit weißem Hemd und grüner Krawatte verkörpert er eine Respektsperson, die wie Beate Rich-ter in Groß Särchen das Gespräch mit den Kollegen sucht, ihnen Verantwortung überträgt und auf deren Meinungen hört. Dennoch war es für ihn deutlich schwieriger, eine Teamkultur zu schaffen – schon allein wegen der Größe und räumlichen Trennung. Die erschwerte Kommunikation löst das St. Augus-tin-Gymnasium heute mithilfe der Internetplattform www.lo-
net2.de, auf der Lehrer auch Informationen für ihre Kollegen ablegen können. Das macht sie unabhängiger vom Gespräch in der Pause. Sie nutzen die Möglichkeit allerdings nur, wenn sie zur Zusammenarbeit bereit sind, weiß der Schulleiter aus Erfah-rung. Denn gerade nach der Fusion mit dem Seume-Gymnasium haben sich einige von dort übernommene Lehrer kaum für ein verstärktes Miteinander motivieren lassen, weil sie frustriert waren, dass ihre Schule geschlossen wurde.
Trotz der Hürden ist es Dr. Wolf-Dieter Goerke und seinen Kolle-gen durch viele Gespräche gelungen, eine funktionierende Team-struktur aufzubauen. Die sieht ähnlich aus wie an der Grund-schule am Knappensee. Auf Klassenstufe beraten die Fachlehrer regelmäßig, wie sie einen fächerübergreifenden Unterricht ge-stalten oder auf auffällige Schüler reagieren. Bei der zweimal im Jahr stattfindenden Klassenstufenkonferenz tauschen sie zudem die Termine für größere Hausaufgaben und Exkursionen aus. So soll eine Überlastung der Schüler vermieden werden. Auch besondere Veranstaltungen wie die Nacht der Talente werden gemeinsam geplant. In den Fachschaften wird zudem regel-mäßig über Methoden und Didaktik diskutiert – genauso wie über Anforderungen an Klassenarbeiten, um eine Angleichung der Anforderungen zu erreichen. Jeden Dienstag kommt zudem die erweitere Schulleitung zusammen, die die Marschroute des Gymnasiums beschließt, sich bei ihren Entscheidungen aber auf die Lehrer stützt.
R E P O R TA G E
»DER ORGANISMUS SCHULE MUSS GESTEUERT WERDEN.«
WOLF-DIETER GOERKE, SCHULLEITERR ST. AUGUSTIN GYMNASIUM GRIMMA
Juni 2013: Zum wiederholten Mal ist das St. Augustin Gymnasium von der Flut betroffen, aber das Team um Wolf-Dieter Goerke packt gemeinsam an.
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R E P O R TA G E
Positive Erfahrung beim Hochwasser
„Wildwuchs kann nicht funktionieren. Der Organismus muss sinnvoll gesteuert werden“, sagt Wolf-Dieter Goerke mit Blick aus dem Fenster in den Innenhof. Dieser wurde Anfang Juni ge-nauso wie der Keller und das Erdgeschoss von der angrenzenden Mulde überflutet. Kniehoch stand die sich dort augestellte Statue von Herzog Moritz von Sachsen, dem Gründer der Bildungsein-richtung, unter Wasser. Zum wiederholten Mal. Während der diesjährigen Katastrophe sei ihm aber bewusst geworden, wie gut das Team zusammengewachsen ist und funktioniert, erzählt der Schulleiter. Jeder Lehrer habe sofort mit angepackt. Sogar die, die selbst zu Hause betroffen waren. „Es war eigentlich eine schöne Zeit, weil alle Befindlichkeiten weg waren und nur das
große Ganze zählte“, sagt er. Dass der eingeschlagene Weg zu mehr Teamarbeit der richtige ist, bestätigen in seinen Augen auch die guten Abschlussnoten der Abiturienten. Mit 2,17 sind sie im vergangenen Schuljahr wieder besser als im sächsischen Durchschnitt ausgefallen.
Wolf-Dieter Goerke wird deshalb auch in Zukunft auf Teamar-beit setzen – genauso wie Beate Richter, die Leiterin der Grund-schule am Knappensee. „Wenn man im Team agiert, kommt man als Schule weiter“, sagt sie. Gemeinsam ist man stark. Auch ihr gibt die Statistik Recht. An kaum einer Schule ist der Kran-kenstand so gering wie in Groß Särchen – auch, weil die Lehrer wie Marika Götze schon mit einem Lächeln auf Arbeit kommen.
Was ist lo-net?Lo-net ist eine kostenlose Lern-plattform, die von über 6000 Schulen bundesweit genutzt wird. lo-net bietet vielfältige Funktionen, die sowohl die Schulorganisation als auch die Unterrichtsgestaltung un-terstützen.Die schulinterne Kommunika-tion wird durch werbefreie E-Mail-Adressen, Mailinglisten, Messaging, Foren und zen-trale Dateiablagen erleich-tert. Außerdem können für Klassen, Gruppen, Projekte und Arbeitsgemeinschaften geschützte Online-Arbeits-räume eingerichtet werden. Auch die Verwaltung von Räumen, Geräten, Medien kann online über die Platt-form gelöst werden. Aber auch Eltern und externe Part-ner können über das Internet in die schulische Arbeit einbezogen werden.Weitere Informationen unter:www.lo-net2.de
88 Lehrer managen: Wolf-Dieter Goerke und seine Kollegen vom St. Augustin Gymnasium nutzen die Lernplattform lo-net.
Grundschule am Knappensee: www.lohsa.de/schule
St. Augustin Gymnasium Grimma: www.staugustin.de
www.lo-net2.de
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E I N TA G I N B I L D E R N
Eliza mit einem Z in der Mitte
Ihr Tag beginnt früh um 6.00 Uhr. „Dann gehen wir, meine Mutti und ich, zur Schulbushaltestelle, vorbei am Museum Ei-senhammer, gleich neben unserer Gärtnerei“, erzählt die Erst-klässlerin. Sie besucht, wie viele andere Kinder aus umliegenden Orten die Grundschule „Max Rennau“ in der Nachbarstadt Say-da. Hier lernen derzeit 110 Mädchen und Jungen. Eliza sitzt in der Fensterreihe ganz hinten. Ganz mucksmäuschenstill. Aber sie folgt aufmerksam den Worten ihrer Lehrerin, so dass sie den schwierigen Namen des Instrumentes „Holzblocktrommel“ sofort nennen kann, während andere Kinder noch nachdenken. „Sport und Mathe mache ich noch lieber“, verrät das Mädchen. „Da bringt die Schulleiterin Frau Fichtner den Stuppsi mit.“ Das ist eine Plüschhandpuppe, die bei allen beliebt ist. „Stuppsi hat manchmal mehr zu sagen als ich“, lächelt Ute Fichtner.
Nach dem Unterricht gehen die Mädchen und Jungen über die Straße zum Mittagessen. Danach geht es im Bus zum Hort, wo sich alle zum Mittagsschlaf hinlegen, bevor Hausaufgaben er-ledigt werden. „Ich freue mich schon auf zu Hause“, blinzelt Eliza. Sie will eintopfen helfen. Denn in der Familiengärtnerei warten Jungpflanzen wie Hornveilchen darauf, in größere Töpfe zu kommen. „Rosen sind meine Lieblingspflanzen“, erzählt das Mädchen, das oft draußen unterwegs ist, Fahrrad fährt und re-gelmäßig im Olbernhauer Sportverein turnt. Zum Abschluss des Tages treffen sich Eliza, Mutti Ute und Vati Jens am Abendbrot-tisch, um gemeinsam über den Tag zu sprechen und sich auf den nächsten vorzubereiten.
„Eliza Süß“, heiße ich. „Eliza mit
einem Z in der Mitte“. Selbstbe-
wusst macht die Siebenjährige da-
rauf aufmerksam, obwohl sie erst
vor wenigen Wochen in die Schule
gekommen ist. Sie ist in dem klei-
nen Erzgebirgsort Dorfchemnitz im
Landkreis Mittelsachsen zu Hause.
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Seit nun mittlerweile elf Jahren vergibt das Programm der START-Stiftung gGmbH in Sachsen Stipendien an engagier-te und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler mit Migrations-hintergrund im Alter von 14 bis 17 Jahren. Oberstes Ziel ist es, einen Beitrag zur »Bildungs- und Chancengleichheit« zu leisten und Jugendliche zu motivieren, soziale Verantwortung zu über-nehmen.
Im September war es für Ayah soweit. Gemeinsam mit anderen ausgewählten Schülern erhielt sie die Aufnahmeurkunde für das START-Stipendium von Kultusministerin Brunhild Kurth. »Ich war sehr, sehr aufgeregt vor dieser schicken Veranstaltung«, erinnert sie sich.
Ayah glaubt an START. Sie kennt das Programm gut. Ihr Bruder war bereits START-Stipendiat und ist heute als Alumni aktiv. Er und ihr Arabischlehrer Bashar Alwan haben die junge Dresdne-rin bestärkt, sich zu bewerben. »Es war ganz unkompliziert und hat auch sofort geklappt«, erinnert sie sich.Die Voraussetzungen, gute Noten und soziales Engagement, er-füllt Ayah. Das junge Mädchen mischt mit, hilft jüngeren Schüle-rinnen und Schülern bei den Hausaufgaben und unterstützt ihre Schule bei der Organisation von Schulfesten. Bei den vergange-nen interkulturellen Tagen in Dresden betreute sie, zusammen mit ihrem Vater, den Stand des Islamischen Zentrums Dresden e.V., verteilte Flyer und Kaffee.
So viel Aktivität wird belohnt. Durch ihr Stipendium erhält Ayah einen Drucker, einen Laptop und monatlich 100 Euro Bildungs-geld. Dafür reicht sie bis zum Abitur jedes halbe Jahr ihren No-tenstand ein sowie einen Bericht über ihr Engagement.»Ich bin bis jetzt sehr zufrieden«, lächelt sie verschmitzt »und freue mich schon darauf, an den Projekten teilzunehmen.«
Die Projekte finden zweimal im Jahr am Wochenende statt. Es sind Bildungsseminare mit vielfältigen Themen, z.B. Persönlich-keitsbildung, berufliche Orientierung und Bewerbertraining aber auch Medienkompetenz und kreatives Schreiben.Zusätzlich stehen Ferienakademien, der Sommer-Campus und überregionale Bildungsangebote auf dem Programm. Der posi-tive Nebeneffekt ist der Austausch, der durch das Netzwerk von jungen Stipendiaten, Alumni, Trainern und Betreuern entsteht.Welche Angebote Ayah am besten gefallen, kann sie noch nicht sagen. »Das kommt erst alles im nächsten Jahr aber am meisten
freue ich mich auf die kreativen und künstlerischen Angebote.«Sie verspricht sich Hilfestellung und Strukturierung vom Pro-gramm, besonders vom Netzwerk. »So kann man Sachen lernen, die wirklich wichtig sind«, hofft sie.»Ich möchte auf jeden Fall studieren, weiß aber noch nicht genau was, wahrscheinlich etwas im kreativen Bereich.« Bis aus dem ‚wahrscheinlich‘ ein ‚mit Sicherheit‘ wird, hilft das START-Programm mit seinen Projekten.
Weitere Informationen unter: www.start-stiftung.de
AU S S C H Ü L E R S I C H T
»Es war ganz unkompliziert« Sie wohnt in Dresden, ist 16 Jahre alt und ihre Lieblingsfächer sind Biologie und Englisch. Die Freizeit
gestaltet sie kreativ mit Zeichnen und Zumba. Bis hierhin klingt die Beschreibung nach einem ganz
normalen Mädchen, doch Ayah Mahmoud hat mehr zu erzählen. Sie ist eine von neun sächsischen
START-Stipendiaten und mächtig stolz darauf.
VON CAROLINE VOGT, - REDAKTION
Ayah Mahmoud, hat noch viel vor: Sie will studieren. Das START-Stipendium hilft ihr, herauszufinden, was sie will.
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B E R I C H T
»Wie es die Piraten tun« Wie mehrere andere sächsische Teams hat das Projektteam Kamenz am Programm »Kultur(t)räume« teilge-
nommen. Dafür schlossen sich die Grundschule »Am Gickelsberg«, die Kindertagesstätte »Langes Gässchen«
und das Museum der Westlausitz zur Gruppe »Kulturpiraten« zusammen. Nachdem das Programm im August
nach zwei Jahren auslief, resümieren die Vertreter der drei Einrichtungen: Es hat allen viel gebracht.
VON BEATE DIEDERICHS, - REDAKTION
Orange ist eine frische Farbe, die Lebendigkeit sugge-riert, Aufgeschlossenheit, Entdeckergeist. Die Kamenzer „Kul-turpiraten“ haben viel Orange in ihr Handbuch hineingeschrie-ben: So sind die beiden Themen, mit denen sich die Kita- und Grundschulkinder befasst haben, in orangenen Lettern ge-druckt: „Die vier Elemente“ und „Die vier Jahreszeiten“. Jedes Thema hat die Kinder ein Jahr lang begleitet. „Auf den Namen „Kulturpiraten“ sind wir gekommen, weil wir die Stadt und ihre Kultur buchstäblich entern wollten. Wie es Piraten tun!“, er-klärt Museumspädagoge Schiek. Seine beiden Mitarbeiterinnen im Projektteam, Schulleiterin Schütze und Erzieherin Harder, nicken. „Uns wurde damals bei einer Schulleiterberatung das Programm vorgestellt. Ich fand es sofort gut und lud Kita und Museum ein, mitzumachen“, sagt Kathrin Schütze. „Wir haben gleich Feuer gefangen!“, erinnert sich Anke Harder. „Schule und Kita arbeiteten ohnehin schon eng zusammen, um die Kinder beim Übergang von der ältesten Kitagruppe in die erste Klasse zu unterstützen. Das Programm gab uns die Möglichkeit, diese Kooperation auszubauen und gemeinsam mit dem Museum zu erweitern.“
Im Frühling 2011 bewarb sich das Kamenzer Team für das Pro-gramm. Schnell erarbeiteten die drei Köpfe den Themenplan für das erste Jahr, zu den „Vier Elementen“. „Wir trafen uns da-nach sechs- bis achtmal im Jahr, meist im Museum. Oft war auch noch eine externe Partnerin dabei, die Grafikerin Martina Burghart-Vollhardt. Sie begleitete unsere Arbeit und hielt die Ergebnisse mit Zeichnungen und Comics auf Flipcharts fest. So konnten die jüngeren Kinder, die noch nicht lesen können, stets nachvollziehen, was die „Kulturpiraten“ schon alles gemacht haben“, erläutert Anke Harder. Natürlich unterstützten auch die anderen Lehrerinnen, Erzieherinnen und Museumsmitarbei-ter das Projekt. Bei der Zielgruppe stieß es auf großes Interesse: Fast alle wollten „Kulturpirat“ werden. „Wir haben uns dann entschieden, immer ein halbes Jahr mit einer Gruppe zu arbei-ten, die je aus der Hälfte der Vorschulgruppe der Kita und der ersten Klasse der Grundschule bestand“, sagt Kathrin Schütze. Die Piraten trafen sich alle zwei Wochen an einem festgelegten Tag um 12.30 Uhr, wenn der Unterricht der „Großen“ vorbei war, und enterten neunzig Minuten die Stadt. „Wir trafen uns meistens am Museum und sangen dort als erstes unser Kamen-zer Kulturpiratenlied. Dann ging‘s auf zu Musik, Theater, an-
Piraten ahoi: Die Kamenzer Kultupiraten entern ihre Stadt und lernen dabei sich und ihre Umgebung besser kennen.
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B E R I C H T
deren künstlerischen Tätigkeiten oder zum Forschen“, erzählt Hauke Schiek.
Anke Harder zeigt die Filzhandpuppen, die sie zusammen mit Kathrin Schütze gebastelt hat und die die Kinder an den Nach-mittagen begleitet haben: Sie hält den Piraten mit Augenklappe hoch, lehnt ihn dann wieder an den Apfelbaum mit seinen Ästen aus grauem Stoff. Die Handpuppen herzustellen, hat die För-dersumme von 12.000 Euro, die die „Kulturpiraten“ bekamen, nicht belastet. „Einen Teil der Förderung haben wir dagegen beispielsweise für unsere Exkursi-onen ausgegeben, unter anderem zu einem Flugplatz, als wir uns mit dem Element Luft beschäftigten, oder zur Tongrube Wiesa, als es um das Element Erde ging“, berichtet Kathrin Schütze.
Der Filz-Apfelbaum kam bei den „Vier Jahreszeiten“ zum Einsatz. Hier befassten sich die Jungen und Mäd-chen damit, wie sich der Baum im Frühling, Sommer, Herbst und Winter verändert und was alles wichtig ist, damit sich die Früchte gut entwickeln. Die Kinder führten dabei unter anderem das Theaterstück „Der traurige Apfelbaum und der kleine Pirat“ auf, aquarellierten Apfelblüten und besuchten einen Imker. „Ich fand es erstaunlich, wie die Kleinen dort ein Bienenvolk gestrei-chelt haben. Ganz zart und vorsichtig, ängstlich zuerst, dann zunehmend mutiger. Kein Kind wurde gestochen. Nur der Imker ließ sich stechen, um den Kindern zu zeigen, wie sich ein Stich auf die Biene auswirkt“, erzählt Anke Harder. Auch die sechs-jährige Anikó erinnert sich gut daran, wie weich sich die Bienen anfühlten. Noch lieber erzählt sie aber von dem Theaterstück mit dem Apfelbaum. „Ich war das Wildschwein, das den Apfel-korb umgestoßen hat, und du warst ein Schmetterling und hast getanzt“, sagt sie und weist auf ihre Freundin Vanessa, ebenfalls sechs Jahre alt. Vanessa fällt beim Thema „Schmetterling“ ein, wie sie im Frühling auf der Wiese Wildkräuter gesammelt und später Quark gegessen hat, der damit gewürzt war. „Das hat ungewohnt geschmeckt“, erinnert sie sich. „Die Kinder staunen beim ersten Mal immer, dass das, was auf der Wiese wächst, nützlich ist. Doch sie begreifen es schnell“, kommentiert Kathrin Schütze.
Die Mädchen und Jungen lernen beim Projekt auch voneinander: „Diejenigen, die schon in der Schule sind, haben großen Respekt vor dem, was die Kita-Kinder zum Thema leisten, denn sie er-leben es hautnah mit oder haben es im vergangenen Jahr selbst
gemacht. Die Kleineren bewegen sich selbstverständlich in der Schule, haben keine Hemmschwelle vor dem, was im nächsten Jahr auf sie zukommt“, sagt die Schulleiterin. Alle Kinder lernen das Museum besser kennen, weil sie einfach öfter dort sind, und besuchen es auch in der Freizeit ohne Scheu mit ihrer Familie. Die Pädagogen erfahren bei der Arbeit mit den Kindern, wo die rich-tige Balance zwischen Strukturgeben und Selbsterkennenlassen liegt. „Ich als Museumspädagoge verstehe, wie ich komplexere
Inhalte so vereinfacht und anschaulich erklären kann, dass auch Fünf- bis Sechsjährige sie begreifen“, fügt Hauke Schiek hinzu. „Wir Lehrerinnen und Erzieherinnen, die die Kinder öfter se-hen, erleben sie in der Aktion als „Kulturpiraten“ noch einmal anders als sonst. Wir beobachten sie dabei genau und erhalten viele wertvolle Hinweise über ihre Stärken und Schwächen, mit denen wir sie zielgerichtet in der Schuleingangsphase begleiten können“, so die Schulleiterin.
Vieles, was die ‚Kulturpiraten‘ in den zwei Jahren erarbeitet und angeschafft haben, bleibt ihnen auch danach: Neben unzähli-gen Erfahrungen und Erkenntnissen sind das vor allem Dinge wie Theaterkostüme, Zeichnungen und Fotos, Lupen und Bü-cher, Kinderfotoapparate und natürlich die Filzpuppen. Doch das Team möchte auch die bewährte Kooperation möglichst lückenlos fortsetzen. Ein Glücksfall, dass Kita-Leiterin Janet Horn das Deutsche Kinderhilfswerk mit seinem Förderfonds für Kinderkultur als neuen Sponsor gewinnen konnte. 3000 Euro sichern die Zusammenarbeit zunächst für ein Jahr. Unter dem Namen „Kinder entern die Stadt“ lernen sie nun Kamenz und Umgebung besser kennen. „Dabei wird die Geschichte und Kul-tur unserer Stadt kindgerecht aufbereitet. Das Museum spielt darin wieder eine große Rolle“, sagt Hauke Schiek. Also heißt es weiterhin „Piraten, ahoi!“
»DAS PROJEKT KULTUR(T)RÄUME GAB UNS DIE MÖGLICHKEIT MIT DEM
MUSEUM ZUSAMMENZUARBEITEN.« ANKE HARDER, ERZIEHERIN IN DER KITA »LANGES GÄSSCHEN«
Die Kinder aus Kamenz erfahren mehr über die Jahreszeiten und wie wilde Kräuter schmecken. Immer mit dabei sind die Filzhandpuppen, die beim Erklären helfen.
3 / 201314
R E C H T U N D O R D N U N G
Neue Medien in der Schule In den Klassenzimmern wird immer mehr Medienkompetenz gefordert, gleichzeitig bestehen teilweise
erhebliche rechtliche Unsicherheiten bei den Lehrkräften, gerade im Umgang mit neuen Medien. Eine neue
Rubrik auf dem Sächsischen Bildungsserver soll der Information dienen und Handlungsempfehlungen
aussprechen.
VON JAN PHILIPP HORN, - REDAKTION
Wie kann ich Neue Medien im Unterricht medienpä-dagogisch sinnvoll einsetzen? Darf ich als Lehrer für meinen Unterricht aus einem Schulbuch Seiten fotokopieren oder ein-scannen, und wenn ja, wie viele Seiten? Welche urheberrecht-lichen Vorgaben muss ich allgemein bei der Gestaltung meines Unterrichts beachten? Wie steht es mit dem Datenschutz in der Schule? Und wie gehe ich mit (Cyber-) Mobbing in einer Klasse um? Diese und ähnliche Frage spielen in den Klassenzimmern eine zunehmende Rolle. Denn die neuen technischen Möglichkeiten, die Smartboards, schulinterne Netzwerke oder die Mobiltele-fone der Schüler mit sich bringen, werfen auch neue rechtliche Fragen etwa in den Bereichen Urheberrecht, Datenschutzrecht und Strafrecht auf.
Die neue Rubrik „Medienbildung“ unter www.schule.sachsen.de/medienbildung auf dem Sächsischen Bildungsserver bietet eine Plattform, auf der sich vor allem Lehrkräfte umfassend zu diesen und ähnlichen medienrechtlichen und medienpädago-gischen Fragen informieren können. In der Unterrubrik „Medienrecht“ wird auf die rechtlichen Fragen in den vier Themenkomplexen „Unterricht“, „außerunterricht-liches Schulleben“, „Persönlichkeitsschutz in der Schule“ und „Allgemeine Grundsätze des Urheberrechts“ einge-gangen. Dabei werden meist anhand von Fallbeispielen aus der Praxis konkrete Rechtsfragen beantwortet.
Die Inhalte für die neue Unterrubrik „Medienrecht“ wurden durch Beschäftigte aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Kul-tus in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Datenschutz-beauftragten und der Zentralstelle für polizeiliche Prävention beim Landeskriminalamt Sachsen erstellt. Das neue Angebot versteht sich als fortlaufendes Projekt, in das auch zukünftig Fälle aus der Schulpraxis eingepflegt werden sollen. Die Autoren hoffen darauf, dass die dargestellten Beispielsfälle gerade Lehrkräften eine Hilfe für die tägliche Arbeit in den Schulen bieten und ausgiebig genutzt werden. Anregungen und Vorschläge zur besseren Gestaltung des Angebots sind jederzeit willkommen und können an [email protected] übermittelt werden.
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Als ich klein war, wollte ich Sportreporter werden.
Meine Eltern wollten, dass ich meinen eigenen Weg gehe, wenn ich groß bin.
Als Schüler war ich gut in Sport (wenn es kein Geräteturnen war). Heute bin ich gut in... Das müssen andere Personen entscheiden.
Mein liebstes Schulfach war erst Russisch, später Geschichte.
Das Schulfach, das ich überhaupt nicht mochte, war Kunsterziehung, weil ich
überhaupt nicht zeichnen kann. Das hat mich in der Schule am meisten genervt: Nichts, sonst wäre ich doch
nicht lebenslänglich geblieben. Das hat mir an Schule am besten gefallen: Die Pausen, in denen wir immer
Volleyball gespielt haben.Ein guter Lehrer...: Wenn er seinen Schülern vorlebt, was er von ihnen
verlangt.
Ein guter Schüler...: Wenn er das Beste aus seinen Möglichkeiten macht.
In meinem Leben will ich noch Zeichnen lernen.
Am besten kann ich mich konzentrieren, wenn ich ausgeschlafen bin.
Mein Lieblingsbildungsort ist die O2-World in Berlin bei einem Eishockey-
spiel der Eisbären. Wenn ich meinen Beruf noch einmal wechseln würde, dann würde ich wieder Leh-
rer werden.
Als Ausgleich zu meiner Arbeit bin ich Fußballfan.
Ich liebe an meinem Job, dass ich mit Menschen arbeiten kann.
Mit Handy verlasse ich nie das Haus. - In diesem Zeitalter muss ich erst noch ankommen!
Meine Kollegen / Freunde sagen von mir, dass für mich das Glas immer halb-
voll ist!
D E R K L A S S E F R A G E B O G E N
»Sonst wäre ich doch nicht lebenslang geblieben.«
Klaus Batsch ist Lehrer aus Leidenschaft.
Seit mehr als 20 Jahren leitet er die Auer-
bacher Oberschule „Geschwister Scholl“
und unterrichtet dort Geschichte. 2012
erhielt er den Deutschen Lehrerpreis. Und
den bekommt man nicht einfach so: Ge-
duld, ein ausgeprägtes Interesse an den
Schülern und methodenreicher Unterricht
zeichnen ihn aus.
Was macht einen guten Lehrer aus? Und einen guten Schüler? Mit dem
KLASSE-Fragebogen bitten wir „Bildungsträger“ aus Sachsen, uns
einen Einblick in ihre persönlichen Lernerfahrungen zu geben. Den Auf-
takt macht Klaus Batsch aus Auerbach, der 2012 den Deutschen Lehrer-
preis erhalten hat.
ANTWORTEN: KLAUS BATSCH, AUERBACH
Gesucht werden Projekte, die der Schule ein besonderes Gesicht geben, die keine Eintagsfliegen sind, die das Schulleben bereichern, die Talente stärken und bei denen neben Schülern und Lehrern auch Eltern und externe Partner mitmachen. Einsendeschluss ist der 29. November 2013.
www.schulpreis.sachsen.de
MiTMachEN & GEwiNNEN