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Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven
Urteils- und Entscheidungsprozessen von Recruitern in
Einstellungsinterviews
Inaugural – Dissertation
zur
Erlangung des Grades eines Doktors in Philosophie
in der
Fakultät für Psychologie
der
RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM
vorgelegt von:
Nadja Koppers
Gedruckt mit Genehmigung der Fakultät für Psychologie an der
RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM
Referent: Prof. Dr. Heinrich Wottawa
Korreferent: Prof. Dr. Marc Solga
Tag der mündlichen Prüfung: 30.01.2013
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit untersucht die Forschungsfrage, welche Determinanten und
intervenierenden Variablen den individuellen Urteils- und Entscheidungsprozess von
Recruitern in Einstellungsinterviews analytisch oder intuitiv prägen. Die Analyse der kausalen
Strukturen zielt auf ein besseres Verständnis jener kognitiven Prozesse, welche in dieser
Arbeit als wesentlich für die Validität von Einstellungsinterviews angenommen werden.
Vor dem Hintergrund bisheriger Studien zur Validität des Einstellungsinterviews sowie
normativer und deskriptiver Theorien zur Erklärung menschlicher Informationsverarbeitungs-,
Entscheidungs- und Lernprozesse, werden die relevanten Determinanten für den jeweils
individuellen eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozess eines Recruiters bei
Einstellungsinterviews empirisch überprüft. Konform zum dynamisch-interaktionistischen
Paradigma werden dabei die kontextuellen Einflüsse organisationaler Rahmenbedingungen
sowie die persönlichen und motivationalen Einflüsse der Person des Recruiters hinsichtlich
seiner Lernprozesse und seines Involvements berücksichtigt.
Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als
Datenbasis wird eine populationsvalide Stichprobe von 272 praktisch tätigen Recruitern
genutzt, die internetgestützt erhoben wurde.
Die Ergebnisse zeigen hypothesenkonform, dass die operationalisierten Variablen Expertise,
Verantwortlichkeitsgefühl und Kenntnis des Anforderungsprofils sowie auch die Variablen
Rechenschaftsverpflichtung, Strukturiertheit des Interviews, Konkretheit des Anforderungs-
profils und Systematik des Feedbacks einen analytischen eignungsdiagnostischen Urteils-
und Entscheidungsprozess begünstigen. Ebenfalls hypothesenkonform hängen die Variablen
subjektive Entscheidungsregeln und Schemata negativ mit diesem zusammen.
Es können weiterhin diverse mediierende Zusammenhänge, insbesondere für die Variablen
des persönlichen Involvements nachgewiesen werden.
Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells werden durch eine experimentelle Fallstudie
(einfaktorielles between-subjects-Design) ergänzt, bei der zwei randomisierte Bedingungen
hinsichtlich der kontextuellen Faktoren Rechenschaftsverpflichtung und Konkretheit des
Anforderungsprofils für eine fiktive Entscheidungssituation variiert werden. Ebenfalls werden
die Ergebnisse von Cluster- und Varianzanalysen, welche den Zusammenhang zwischen
demografischen Variablen, organisationalen Rahmenbedingungen und dem jeweiligen
Entscheidungsmodus spezifizieren, im Gesamtkontext der Arbeit diskutiert. Abschließend
werden praktische Implikationen sowie Anregungen für die weitere Forschung aufgeführt.
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich bei denjenigen Menschen bedanken, die direkt oder indirekt
zum Gelingen meiner Dissertation beigetragen haben.
Zuerst möchte ich Herrn Prof. Dr. Heinrich Wottawa für die Übernahme der Erstbegutachtung
sowie für hilfreiche Anregungen und Denkanstöße danken. Herrn Prof. Dr. Marc Solga danke
ich für die Zweitbegutachtung und zusätzliche Impulse für meine Arbeit.
Vor allem sind es aber die Teilnehmer, die ganz wesentlich zum Gelingen der Studie
beigetragen haben, für deren Zeit, Interesse und Engagement ich mich an dieser Stelle noch
einmal herzlich bedanken möchte.
Besonderer Dank geht auch an meine Familie und Freunde, für ihre Unterstützung in vielen
Bereichen.
Inhaltsverzeichnis
1. Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und
Entscheidungsprozessen ................................................................................................... 1
1.1 Das Einstellungsinterview in der Praxis – Einflussfaktoren und Probleme ................. 1
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ............................................................................... 3
2. Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ................. 5
2.1 Der diagnostische Prozess – die normative Perspektive ............................................ 5
2.2 Zur Überlegenheit der statistischen gegenüber der klinischen Urteilsbildung .......... 10
2.3 Einflussfaktoren auf die Güte von Einstellungsinterviews ......................................... 13
2.3.1 Strukturiertheit des Einstellungsinterviews ................................................................ 13
2.3.2 Relevanz des Anforderungsprofils ............................................................................. 17
2.3.3 Interviewertraining, Feedback und Rechenschaftsverpflichtung ............................... 19
2.4 Zum Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren auf die Güte von
Einstellungsinterviews und analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ..... 23
3. Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters –
ist Analytik nur ein theoretisches Ideal? ........................................................................ 29
3.1 Grundlagen sozialer Wahrnehmung und Urteilsbildung ............................................ 30
3.2 Der „homo heuristicus“ – die pragmatische Perspektive ........................................... 35
4. Intuition als Indikator für Expertise? .............................................................................. 39
4.1 Vom „Novizen“ zum „Experten“ – von expliziten Entscheidungsregeln und intuitiver
Mustererkennung bei Urteils- und Entscheidungsprozessen ................................... 39
4.2 Zur Validität der Lernumgebung als Prämisse für den Erwerb von Expertenwissen 45
4.3 Lernen ohne Feedback? – zum Dilemma „richtiger“ intuitiver
eignungsdiagnostischer Entscheidungen .................................................................. 48
5. Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ............................................. 54
5.1 Zwei-Prozess-Modelle und das persönliche Involvement als relevanter Faktor für
den Urteils- und Entscheidungsmodus ...................................................................... 54
5.2 Zur Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven Entscheidungsmodus –
Empirische Befunde ................................................................................................... 59
6. Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge .................................................... 64
6.1 Methodik der Strukturgleichungsmodellierung ........................................................... 64
6.1.1 Charakteristika von Strukturgleichungsmodellen ...................................................... 64
6.1.2 Abgrenzung von Pfadanalyse und Strukturgleichungsmodellen ............................... 65
6.2 Prozess der Strukturgleichungsmodellierung für die vorliegende Untersuchung ..... 69
6.2.1 Hypothesen- und Modellbildung ................................................................................. 69
6.2.2 Konstruktoperationalisierung: Formulierung reflektiver Mess-Indikatoren ................ 76
6.2.3 Untersuchungsaufbau und Datenerhebung ............................................................... 78
6.2.4 Stichprobe ................................................................................................................... 81
6.2.5 Vorbereitung des Datensatzes, Prüfung der multivariaten Verteilungsannahme ..... 87
6.2.6 Güteprüfung der reflektiven Mess-Modelle ................................................................ 89
6.2.6.1 Gütekriterien der ersten Generation .......................................................................... 90
6.2.6.2 Gütekriterien der zweiten Generation ........................................................................ 98
6.2.7 Bivariate Korrelationsanalyse ................................................................................... 108
6.2.8 Kovarianzanalytische Modellschätzung – Evaluation des Gesamtmodells ............ 110
6.2.8.1 Hypothesenprüfung und Interpretation – Analyse der direkten und mediierenden
Effekte im Strukturgleichungsmodell ....................................................................... 116
6.2.8.2 Modellmodifikation ................................................................................................... 140
6.2.9 Fazit und methodische Optimierungsvorschläge ..................................................... 144
6.3 Kausaleffekte in der Fallstudie – Analyse der Gruppenunterschiede anhand
multivariater allgemeiner Modelle ............................................................................ 146
6.3.1 Versuchsdesign ........................................................................................................ 146
6.3.2 Operationalisierung und Reliabilität der abhängigen Variablen .............................. 148
6.3.3 Ergebnisse der Fallstudie – multivariate allgemeine lineare Modelle ..................... 150
6.3.4 Fazit und methodische Optimierungsvorschläge ..................................................... 156
6.4 Clusteranalyse zur Identifikation von spezifischen Recruiter-Typen ....................... 157
6.4.1 Clusterlösung 2 – basierend auf persönlichen Lernprozessen ............................... 159
6.4.2 Clusterlösung 4 – basierend auf organisationalen Rahmenbedingungen .............. 163
6.5 Analyse von Gruppenunterschieden – uni- und multivariate allgemeine lineare
Modelle ..................................................................................................................... 168
6.5.1 Einfluss demografischer Variablen auf die Analytik des eignungsdiagnostischen
Urteils- und Entscheidungsprozesses ..................................................................... 168
6.5.2 Einfluss der Unternehmensgröße und des Recruitingstatus auf die organisationalen
Rahmenbedingungen eignungsdiagnostischer Entscheidungen ............................ 181
7. Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung
und Praxis ........................................................................................................................ 187
8. Literatur ............................................................................................................................ 198
9. Anhang ............................................................................................................................. 212
Anhang 1: Online-Erhebung in unipark .................................................................................... 212
Anhang 2: Übersicht über alle Items ........................................................................................ 223
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Übersicht über die Struktur der Online-Erhebung ....................................... 79
Abbildung 2: Balkendiagramm – Übersicht über die Fachrichtung des
berufsqualifizierenden Studiums der befragten Recruiter ........................... 82
Abbildung 3: Balkendiagramm – Übersicht über den Anteil an Einstellungsinterviews
innerhalb der beruflichen Tätigkeit der befragten Recruiter ........................ 83
Abbildung 4: Balkendiagramm – Übersicht über die in der vorliegenden Stichprobe
vertretenen Unternehmensgrößen ............................................................... 84
Abbildung 5: Balkendiagramm – Übersicht über die in der vorliegenden Stichprobe
vertretenen Unternehmensbranchen ........................................................... 85
Abbildung 6: Balkendiagramm – Übersicht über die Häufigkeit eignungsdiagnostischer
Weiterbildung der befragten Recruiter ......................................................... 86
Abbildung 7: Balkendiagramm – Übersicht über den persönlichen
eignungsdiagnostischen Weiterbildungsbedarf der befragten Recruiter .... 86
Abbildung 8: Grafische Darstellung CFA ......................................................................... 100
Abbildung 9: Grafisches Strukturgleichungsmodell – Ausgangsmodell ......................... 113
Abbildung 10: Vollständiges und reduziertes Modell zur Prüfung von Mediator-Effekten 117
Abbildung 11: Grafisches Strukturgleichungsmodell – Endmodell ................................... 141
Abbildung 12: Bedingung A in der Fallstudie .................................................................... 147
Abbildung 13: Bedingung B in der Fallstudie .................................................................... 147
Abbildung 14: Gesprächsprotokoll in der Fallstudie .......................................................... 148
Abbildung 15: Übersicht über Clusterlösung 2 mit 4 Clustern .......................................... 159
Abbildung 16: Übersicht über Clusterlösung 4 mit 4 Clustern .......................................... 164
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zusammenfassung der Hypothesen ................................................................. 75
Tabelle 2: Konstruktoperationalisierung ............................................................................. 77
Tabelle 3: Deskriptive Statistik und K.-S.-Test der Skalen nach kompletter Güteprüfung 88
Tabelle 4: Exploratorische Faktorenanalysen zur Prüfung auf Eindimensionalität ........... 91
Tabelle 5: Cronbach`s Alpha vor und nach Itemselektion ................................................. 93
Tabelle 6: Übersicht über noch kritische Items nach Itemselektion ................................... 94
Tabelle 7: Faktorenstruktur ................................................................................................. 95
Tabelle 8: Ergebnisse CFA ............................................................................................... 101
Tabelle 9: Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen ..................................................... 102
Tabelle 10: Kriterien der Güteprüfung hinsichtlich Konvergenz- und Diskriminanz-
validität ............................................................................................................. 103
Tabelle 11: Anpassungsgüte des Ausgangsmodells – CFA .............................................. 104
Tabelle 12: Anpassungsgüte des modifizierten Modells – CFA ........................................ 105
Tabelle 13: Vergleich Ergebnisse CFA im Ausgangsmodell und modifizierten Modell .... 106
Tabelle 14: Anpassungsgüte des weiter modifizierten Modells – CFA ............................. 106
Tabelle 15: Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen im modifizierten Modell .............. 107
Tabelle 16: Kriterien der Güteprüfung im modifizierten Modell hinsichtlich Konvergenz- und
Diskriminanzvalidität ........................................................................................ 107
Tabelle 17: Bivariate Korrelationsmatrix nach Pearson ..................................................... 109
Tabelle 18: Pfadkoeffizienten im SGM-Ausgangsmodell .................................................. 114
Tabelle 19: Standardisierte totale Effekte im SGM-Ausgangsmodell ............................... 115
Tabelle 20: Anpassungsgüte des SGM-Ausgangsmodells ............................................... 115
Tabelle 21: Hypothese 1.4.................................................................................................. 118
Tabelle 22: Hypothese 1.5.................................................................................................. 120
Tabelle 23: Hypothese 1.6.................................................................................................. 121
Tabelle 24: Hypothese 2.5.................................................................................................. 122
Tabelle 25: Hypothese 2.6.................................................................................................. 124
Tabelle 26: Hypothese 2.7.................................................................................................. 125
Tabelle 27: Hypothese 3.3.................................................................................................. 126
Tabelle 28: Hypothese 3.4.................................................................................................. 127
Tabelle 29: Hypothese 3.5.................................................................................................. 128
Tabelle 30: Hypothese 3.6.................................................................................................. 129
Tabelle 31: Hypothese 3.7.................................................................................................. 130
Tabelle 32: Hypothese 3.8.................................................................................................. 132
Tabelle 33: Hypothese 3.9.................................................................................................. 133
Tabelle 34: Hypothese 3.10 ............................................................................................... 134
Tabelle 35: Hypothese 3.11 ............................................................................................... 135
Tabelle 36: Hypothese 4.4.................................................................................................. 136
Tabelle 37: Hypothese 4.5.................................................................................................. 138
Tabelle 38: Zusammenfassung der Hypothesenprüfung ................................................... 140
Tabelle 39: Pfadkoeffizienten im SGM-Endmodell ............................................................ 142
Tabelle 40: Anpassungsgüte des SGM-Endmodells ......................................................... 143
Tabelle 41: Varianzaufklärung (SMC) der endogenen Variablen ...................................... 143
Tabelle 42: Konstruktoperationalisierung in der Fallstudie ................................................ 149
Tabelle 43: Charakterisierung der Clusterlösung 2 anhand demografischer Variablen ... 160
Tabelle 44: Charakterisierung der Clusterlösung 4 anhand demografischer Variablen ... 165
Tabelle 45: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Fachrichtung des Studiums .... 169
Tabelle 46: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Recruitingstatus ...................... 172
Tabelle 47: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Erfahrung in
Einstellungsinterviews auf Analytik ................................................................. 173
Tabelle 48: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Erfahrung in
Einstellungsinterviews auf Expertise ............................................................... 174
Tabelle 49: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Unternehmensgröße ............... 175
Tabelle 50: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Unternehmensbranche ........... 176
Tabelle 51: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Häufigkeit
eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf Analytik ........................................ 178
Tabelle 52: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Häufigkeit
eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf Expertise ..................................... 179
Tabelle 53: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für eignungsdiagnostischer
Weiterbildungsbedarf auf Analytik ................................................................... 179
Tabelle 54: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für eignungsdiagnostischer
Weiterbildungsbedarf auf Expertise ................................................................ 180
Tabelle 55: Faktoren Unternehmensgröße und Recruitingstatus auf organisationale
Rahmenbedingungen – Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede .............. 181
Tabellengruppenverzeichnis
Tabellengruppe 1: Multivariates ALM Fallstudie ................................................................. 151
Tabellengruppe 2: Multivariates ALM Fallstudie Gruppe Psychologen .............................. 153
Tabellengruppe 3: Multivariates ALM Fallstudie Gruppe erhöhter Weiterbildungsbedarf .. 155
Tabellengruppe 4: Multivariates ALM Clusterlösung 2 ....................................................... 162
Tabellengruppe 5: Multivariates ALM Clusterlösung 4 ....................................................... 166
Tabellengruppe 6: Multivariates ALM – Fachrichtung auf Entscheidungsdissonanz und
Expertise ................................................................................................ 170
Tabellengruppe 7: Multivariates ALM – Unternehmensgröße auf organisationale
Rahmenbedingungen ............................................................................ 182
Tabellengruppe 8: Multivariates ALM – Recruitingstatus auf organisationale
Rahmenbedingungen ............................................................................ 185
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungen Bezeichnungen
AGFI Adjusted Goodness of Fit Index
ALM Allgemeines lineares Modell
Ana Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses
AnaB Analytik der Beurteilung
AnaEnt Analytik der Entscheidung
ANOVA einfaktorielle Varianzanalyse
ASV Average Shared Squared Variance
AV Abhängige Variable
AVE Average Variance Extracted
CFA konfirmatorische Faktorenanalyse
CMIN/DF Quotient ChiQuadrat in Relation zu Freiheitsgraden
CR Composite Reliability
C.R. Critical Ratio
DEV durchschnittliche je Faktor extrahierte Varianz
df Freiheitsgrade
Diss Entscheidungsdissonanz
EFA exploratorische Faktorenanalyse
Exp Expertise
GFI Goodness of Fit Index
HB Heuristics and Biases
IV Intervenierende Variable
KeA Kenntnis des Anforderungsprofils
KMO-Maß Kaiser-Meyer-Olkin-Maß
KoA Konkretheit des Anforderungsprofils
K.S.-Test Kolmogrorov-Smirnoff-Test
MA Mitarbeiter
M.I. Modification Indices
ML-Methode Maximum-Likelihood-Methode
MSV Maximum Shared Squared Variance
NDM Naturalistic Decison Making
R² Bestimmtheitsmaß
Rech Rechenschaftsverpflichtung
Abkürzungen Bezeichnungen
RMSEA Root Mean Square Error of Approximation
RMR Root Mean Square Residual
Sche Schemata
S.E. Standardized Error/ Standardfehler
SGM Strukturgleichungsmodell
SMC Squared Multiple Correlations
StrI Strukturiertheit des Einstellungsinterview
subjE subjektive Entscheidungsregeln
SysF Systematik des Feedbacks
UV Unabhängige Variable
Ver Verantwortlichkeitsgefühl
VIF Variable Inflation Factor
1 Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ___________________________________________________________________________________________
1
1. Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und
Entscheidungsprozessen
1.1 Das Einstellungsinterview in der Praxis – Einflussfaktoren und Probleme
Personaleinstellungen gehören zu den strategisch wichtigsten Entscheidungen im Hinblick
auf die Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolges (vgl. Weuster, 2008, S.6). Das
Bewerbungsinterview ist dabei, neben der Analyse von Bewerbungsunterlagen, die am
häufigsten verwendete Methode für Einstellungsentscheidungen in Deutschland (Schuler et
al., 2007, S.61; Hell et al., 2006, S.3; Stephan & Westhoff, 2002, S.13; Schuler, Frier &
Kaufmann, 1993, S.34).
Die Qualität von Einstellungsinterviews, gemessen in Objektivität, Reliabilität und Validität
(vgl. Lienert & Raatz, 1994), hängt jedoch stark von der Person des Recruiters1 ab. Seine
Aufgabe ist es, die Passung des Bewerbers zur Stelle und/ oder zum Unternehmen zu
beurteilen und daraus eine möglichst richtige Entscheidung abzuleiten.
Die dabei wirkenden Urteils- und Entscheidungsprozesse werden sowohl durch die
Persönlichkeit des Recruiters, seine individuellen Erfahrungen und Kompetenzen beeinflusst,
als auch durch die situativen und organisationalen Rahmenbedingungen des
Einstellungsinterviews und das Verhalten des Bewerbers2.
Folglich laufen diese Urteils- und Entscheidungsprozesse inter- und intraindividuell
unterschiedlich ab, was sich auf die Güte und Nachvollziehbarkeit von
Einstellungsentscheidungen nachteilig auswirken kann.
Obwohl die wissenschaftliche Eignungsdiagnostik bereits zahlreiche Handlungs- und
Gestaltungsempfehlungen für objektive, reliable und valide durchgeführte Einstellungs-
interviews geliefert hat (vgl. zusammenfassend Strobel & Westhoff, 2009), werden die
meisten Einstellungsentscheidungen in der Praxis losgelöst von wissenschaftlichen
Empfehlungen noch immer aus dem Bauch heraus, nach Sympathie oder wegen der
überzeugenden Persönlichkeit getroffen (Kleebaur, 2007, S.49ff/130ff; Kanning et al., 2007,
1 In der vorliegenden Arbeit wird zur besseren Lesbarkeit des Textes durchgängig die männliche Form verwendet. Unabhängig davon sind dabei sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint. 2 ausgehend von dem dynamisch-interaktionistischen Paradigma der Psychologie zur Erklärung menschlichen Verhaltens und Erlebens durch Personen- und Situationsvariablen (Mischel & Shoda, 1995; Endler & Magnusson, 1976);
1 Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ___________________________________________________________________________________________
2
S.164; Stephan & Westhoff, 2002, S.11f). In der Praxis dominieren intuitive Elemente die
Personalentscheidung (Highhouse, 2008, S.333f).
Intuitives Entscheiden wird in normativen Forschungsansätzen vor allem mit Heuristiken und
Urteilsfehlern in Verbindung gebracht (vgl. Heuristics-and-Biases-Ansatz nach Gilovich,
Griffin & Kahneman, 2002; Kahneman, Slovic & Tversky, 1982).
Die Arbeiten Gigerenzers, Todd`s & the ABC Group (1999/2000) zur Adaptiven Toolbox
(auch Todd & Gigerenzer, 2001; Gigerenzer & Selten, 2001) beschreiben im Gegensatz
dazu, welche Vorteile Heuristiken in komplexen Situationen (Gigerenzer & Gaissmaier, 2011;
Gigerenzer & Brighton, 2009; Gigerenzer, 2008) und unter Unsicherheit (Goldstein &
Gigerenzer, 2011; Cosmides & Tooby, 1996) bieten.
Im Unterschied zur heuristischen Definition, wird intuitives Entscheiden im Zusammenhang
mit Expertenwissen durch vielfältiges Erfahrungswissen charakterisiert (Patterson et al.,
2010; Gobet & Chassy, 2008; Ericsson & Smith, 1991). Das intuitive Entscheidungsmuster
eines Experten ist damit das Ergebnis von komplexen Lernprozessen und durch assoziative
Mechanismen geprägt (Plessner, Betsch & Betsch, 2008; Lieberman, 2000).
Dementsprechend belegen auch einige Arbeiten die Überlegenheit intuitiver
Entscheidungsstrategien in komplexen Situationen (Dijksterhuis & Nordgren, 2006) sowie für
Managemententscheidungen (Salas et al., 2009; Matzler et al. 2007; Pratt, 2007; Sinclair et
al., 2002).
Der intuitive Trend wird dabei auch von dem aus der kognitiv-emotionalen
neurowissenschaftlichen Forschung hervorgegangenen Paradigmenwechsel der Relevanz
emotionaler statt rationaler Aspekte bei Entscheidungen unterstützt. So belegen einige
Wissenschaftler, dass Entscheidungen grundsätzlich unbewusst im limbischen System
vorbereitet werden und dort auch schon einige Sekunden vor der Entscheidung lokalisierbar
sind. Der Mensch versuche dabei nur, seine Entscheidungen im Nachhinein mit rationalen
Argumenten zu rechtfertigen (Soon et al., 2008; vgl. auch Roth, 2003).
Dennoch kann ein intuitiver Entscheidungsmodus auch ausschließlich auf subjektiven
Entscheidungsregeln aufgebaut sein, wenn kein evaluiertes Erfahrungswissen im
Lernprozess aufgebaut werden konnte. Dieser ist besonders anfällig für Urteilsfehler, da er
sich meist auf nur wenige Hinweisreize (sogenannte cues, vgl. Czerlinski, Gigerenzer &
Goldstein, 1999) stützt.
Da Personalentscheidungen in der Regel sehr komplex sind und verschiedene
Wahrnehmungs- und Integrationsprozesse beinhalten, kann intuitives oder „ganzheitliches“
1 Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ___________________________________________________________________________________________
3
Beurteilen und Entscheiden in der Personalauswahl deshalb große Risiken von
Fehleinschätzungen bergen (Kanning, 2004, S.58).
Die Folge einer unzureichenden Prüfung von stellenrelevanten Fertigkeiten und
Kompetenzen ist der Verlust von bedeutendem personalen und damit unternehmerischem
Potenzial (Stephan & Westhoff, 2002, S.16). Fehlentscheidungen können somit sowohl
finanzielle als auch arbeitsorganisatorische Konsequenzen haben (Weuster, 2008, S.324).
Ebenso hat eine „intuitive“ Personalauswahl auch arbeitsrechtliche wie ethische Relevanz
(Schuler, 2002, S.128f).
Die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit solcher Entscheidungen lässt nicht nur an
der Einstellungsentscheidung, sondern auch an der Kompetenz von Personalentscheidern
zweifeln, die sich ihrer guten „Menschenkenntnis“ (vgl. Kanning, 2004, S.58) rühmen. So
stellt Kanning (ebd.) fest: „Die subjektive Gewissheit [über die Richtigkeit der getroffenen
Entscheidung3] ist somit kein geeignetes Wahrheitskriterium“ (vgl. auch Kahneman & Klein,
2009, S.524: „Subjektive Gewissheit ist deshalb kein zuverlässiger Indikator für die Validität
eines intuitiven Urteils oder einer intuitiven Entscheidung“4).
Nicht zuletzt sollte der ethische Anspruch einer professionellen und fairen Personaldiagnostik
darin liegen, nicht nur das Unternehmen und die Organisation, sondern auch den Bewerber
vor Fehlentscheidungen und den verbundenen langfristigen Kosten zu schützen.
Deshalb bedürfen intuitive Entscheidungselemente, ob schematisch-heuristisch oder
erfahrungsbasiert, bei der Personalauswahl einer besonderen Kontrolle.
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Den obigen Ausführungen folgend, widmet sich diese Arbeit einer wissenschaftlich fundierten
Personaldiagnostik mit der Forschungsfrage, welche Determinanten den individuellen Urteils-
und Entscheidungsprozess von Recruitern eher analytisch oder intuitiv prägen und welche
intervenierenden Variablen dabei berücksichtigt werden müssen.
Zunächst werden eignungsdiagnostische Beurteilungen und Entscheidungen auf normativer
Ebene diskutiert und die Relevanz von Analytik für valide eignungsdiagnostische
Entscheidungen erläutert. Zudem werden bisherige empirische Befunde sowie theoretische
3 Anmerkung der Autorin 4 Übersetzung der Autorin
1 Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ___________________________________________________________________________________________
4
Überlegungen zu den Determinanten analytischer Urteils- und Entscheidungsprozesse
zusammengefasst (Kapitel 2).
Daran anschließend werden grundlegende Mechanismen der Personenwahrnehmung und
-beurteilung beleuchtet. Im Kontext der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des
Menschen werden ebenfalls die Problematik vollständig analytischer Entscheidungen in der
eignungsdiagnostischen Praxis, sowie die daraus resultierende Nützlichkeit von Heuristiken
und Schemata bei Personalentscheidungen erläutert (Kapitel 3).
Darauf aufbauend werden die Lernprozesse von Recruitern und in diesem Kontext auch der
Zusammenhang zwischen Intuition und Expertenwissen näher beleuchtet. Die heuristische
und die expertise-basierte Definition von Intuition werden hierbei voneinander abgegrenzt.
Weiterhin wird erklärt, warum intuitive Entscheidungsmuster im eignungsdiagnostischen
Kontext nicht eindeutig als Indikator für umfangreiches Expertenwissen interpretierbar sind,
sondern auch nicht-evaluiertes Routinewissen indizieren können (Kapitel 4).
Anschließend wird mit Hilfe sogenannter Zwei-Prozess-Modelle der analytische und der
intuitive Urteils- und Entscheidungsmodus voneinander abgegrenzt und erklärt, warum diese
in der vorliegenden Untersuchung nicht als stabile Präferenz, sondern als kontextabhängig
und damit als grundsätzlich variabel angenommen werden (Kapitel 5).
Die relevanten Einflussfaktoren auf analytische und intuitive Urteils- und
Entscheidungsprozesse werden also zunächst durch Analyse und Diskussion bisheriger
Arbeiten auf theoretischer wie empirischer Ebene identifiziert (Kapitel 1-5), danach in ein
theoretisches Rahmenmodell integriert und schließlich empirisch überprüft (Kapitel 6).
Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient dabei die Strukturgleichungsmodellierung.
Innerhalb des postulierten Modells werden sowohl die Lernprozesse des Recruiters und
motivationale Faktoren als persönliche Einflussvariablen, sowie verschiedene organisationale
Einflussvariablen untersucht.
Die Analyse der kausalen Strukturen und intervenierenden Variablen zielt auf ein besseres
Verständnis der Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern in Einstellungs-
interviews. Damit soll empirisches Fundament für die Ableitung konkreter Maßnahmen
geschaffen werden, um eignungsdiagnostische Urteils- und Entscheidungsprozesse in der
Praxis nachhaltig optimieren zu können.
Abschließend werden die Ergebnisse im Hinblick auf praktische Implikationen sowie
Anregungen für die weitere Forschung zusammengefasst (Kapitel 7).
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
5
2. Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische
Entscheidungen
2.1 Der diagnostische Prozess – die normative Perspektive
Im folgenden Abschnitt werden relevante Arbeiten, die sich besonders mit den
Anforderungen an diagnostische Entscheidungen und Prozesse befassen und diese auf
normativer Ebene betrachten, dargestellt und zusammengefasst. Die Auswahl der Arbeiten
ist exemplarisch zu verstehen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Der diagnostische Prozess nach Westmeyer (1972)
Der diagnostische Prozess nach Westmeyer (1972, S.22) basiert auf dem deduktiven Modell
Hempel & Oppenheims (1948), in welchem das Explanans („Erklärendes“) die Begründung
für ein Explanandum („zu Erklärendes“) liefert. So führen Antezendenzbedingungen aufgrund
bestimmter Gesetzmäßigkeiten oder Wahrscheinlichkeiten zu bestimmten Ergebnissen. Der
diagnostische Prozess hat nun zum Ziel, entweder das Explanans zu erklären, oder aber das
Explanandum zu prognostizieren (Westmeyer, 1972, S.24).
Entscheidende Voraussetzung für die Gültigkeit dieser Diagnose oder Prognose ist jedoch,
dass die Schlussfolgerung logisch aus allgemeingültigen und empirisch bestätigten
Gesetzmäßigkeiten hergeleitet wird (ebd., S.23).
Diese allgemeingültigen Gesetze liegen dem Diagnostiker allerdings nicht in vollständiger
und empirisch genügend fundierter Form vor. Die Diagnose oder Prognose bleibt immer ein
Stück unsicher, da sie zumeist sogar nur auf Wahrscheinlichkeiten beruht (ebd., S.39).
Westmeyer (1972, S.142) beschreibt dies als grundsätzliches Problem innerhalb der
Eignungsdiagnostik und fordert deshalb, die vorliegenden Gesetzmäßigkeiten empirisch zu
überprüfen, um daraus die „notwendige Datenbank“ für diagnostische Entscheidungen
entwickeln zu können.
Der diagnostische Prozess nach Jäger (1986)
Jäger (1986, S.11) beschreibt den diagnostischen Prozess als „Ablauf von Maßnahmen, mit
deren Hilfe und unter Anwendung diagnostischer Methoden eine mit diagnostischer
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
6
Zielsetzung vorgegebene Fragestellung so beantwortet wird, dass für einen Auftraggeber
eine Entscheidungshilfe bzw. eine Entscheidung herbeigeführt werden kann“.
Die Teilschritte des diagnostischen Prozesses beinhalten dabei nach Jäger (19865):
- die Formulierung einer Fragestellung, aus der sich auch die Zielsetzung des
diagnostischen Prozesses ableitet6
- die Formulierung von Hypothesen, die zur Erklärung oder Prognose eines
Phänomens dienen sollen,
- die Datengewinnung, die der Hypothesenprüfung dienen soll,
- die Urteilsbildung, innerhalb dieser „der Diagnostiker die ihm zunächst vorliegenden
Informationen über den Diagnostikanten zu einem neuen, aus vorhandenen Daten
aggregiertem Datum reduziert, um es diagnostisch oder prognostisch zu nutzen“
(Jäger, 1986, S.235) und sodann
- die Indikation oder Entscheidung ableitet.
Bei der diagnostischen Urteilsbildung sind Verknüpfungsregeln zwischen diagnostischen
Informationen und Urteilen notwendig, um den Einfluss von Subjektivität durch den
Diagnostiker zu verringern.
Da es an solchen empirisch geprüften Verknüpfungsregeln zwischen beobachtbaren
Indikatoren und latenten Verhaltensmerkmalen jedoch grundsätzlich mangelt, muss der
Diagnostiker seine Intuition und Erfahrung zu Hilfe nehmen, um die Indikatoren zu einem
diagnostischen Urteil zu integrieren (Jäger, 1986, S.236ff; Jäger & Petermann, 1995, S.461-
467).
DIN 33430 (2002)
Im Jahre 2002 wurde die DIN 33430 – „Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei
berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen“ – veröffentlicht. Sie beschreibt „Qualitätskriterien
und -standards für berufsbezogene Eignungsbeurteilungen sowie Qualifikations-
anforderungen an die an der Eignungsbeurteilung beteiligten Personen“ (DIN e.V., 2002,
S.3).
5 aus Jäger & Petermann (1995, S.450-453); 6 vgl. vier Dimensionen diagnostischer Zielsetzungen nach Pawlik, 1976: Status- oder Prozessdiagnostik, Norm- oder Kriteriumsorientierung, Testen oder Inventarisieren, Messung oder Behandlung;
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
7
Das Anforderungsprofil spielt eine wesentliche Rolle in der Qualitätssicherung des
eignungsdiagnostischen Prozesses. So soll das Anforderungsprofil „die Basis einer
Eignungsbeurteilung sein“ (DIN e.V., 2002, S. 12) sowie „die Merkmale eines Arbeitsplatzes,
einer Ausbildung bzw. eines Studiums, eines Berufs oder einer beruflichen Tätigkeit ermitteln,
die für den beruflichen Erfolg und die berufliche Zufriedenheit bedeutsam sind“ (ebd.).
Weiterhin sollten aus der Anforderungsanalyse „diejenigen Eignungsmerkmale mit ihren
Ausprägungsgraden abgeleitet werden, die zur Erfüllung der Anforderungen nötig sind“
(ebd.).
Ebenfalls dürfen für die berufsbezogene Eignungsbeurteilung „nur solche Verfahren
eingeplant werden, die nachweislich einen Bezug zu den Anforderungen haben“ (DIN e.V.,
2002, S.6) und „eine für die Fragestellung möglichst hohe Gültigkeit aufweisen“ (DIN e.V.,
2002, S.7).
Weiterhin fordert die DIN: „Es sind Regeln festzulegen und zu dokumentieren, anhand derer
die Ergebnisse zur Eignungsbeurteilung führen“ (DIN e.V., 2002, S.8).
Außerdem sollen alle an der Durchführung und Auswertung von Eignungsinterviews,
Verhaltensbeobachtungen und -beurteilungen Beteiligten über profunde Kenntnis folgender
Themen verfügen (DIN e.V., 2002, S.11):
- Verhaltensbeobachtungen und -beurteilungen
o Beobachtung & Systematik der Beobachtung
o Operationalisierungen von Eignungsmerkmalen
o Definition und Abgrenzung von Beobachtungseinheiten
o Dokumentation & Auswertung der Beobachtungen
o Bezugsmaßstab
o Formen der Urteilsbildung (statistisch und nicht-statistisch)
o Beobachtungsfehler
o Gütekriterien
- Eignungsinterviews
o Interviewklassifikationen
o Interviewleitfäden & Fragetechniken
o Beurteilungsbereiche
o Rechtliche Zulässigkeit
Die DIN fordert also eine explizit-regelgeleitete Eignungsbeurteilung, die durch eine
sorgfältige Anforderungsanalyse validiert und rational nachvollziehbar ist.
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
8
Die Interpretation der Ergebnisse lässt hier keinen Raum für subjektive oder intuitive
Elemente, sondern fordert eine klare Operationalisierung von Eignungsmerkmalen in
Beobachtungseinheiten, welche dann anhand expliziter Regeln in eine Eignungsbeurteilung
münden.
Richtlinien für den diagnostischen Prozess nach Westhoff, Hornke & Westmeyer (2003)
In ihrem Beitrag „Richtlinien für den diagnostischen Prozess“7 formulieren Westhoff, Hornke &
Westmeyer (2003) solche Richtlinien und stellen diese zur Diskussion.
Sie kennzeichnen den komplexen Prozess des Diagnostizierens mit drei Hauptmerkmalen:
Entscheidungen treffen8, Probleme lösen9 und Entwicklung und Prüfung von Hypothesen10.
Weiterhin beschreiben sie den diagnostischen Prozess mit folgenden Schritten, die als
Richtlinien für die Praxis psychologischer Diagnostik, aber auch für die Ausbildung und das
Training von Diagnostikern dienen sollen11:
1. Analysieren des Falles
- Analysieren der Anforderungen und/ oder Ziele
- Formulieren prüfbarer diagnostischer Hypothesen zum Fall
- Erheben von Informationen
- Verarbeiten der Informationen, Beziehen der gesammelten Daten auf die
diagnostischen Fragen
2. Organisieren und Berichten der Ergebnisse
- Integrieren der Ergebnisse
- Erstatten des Gutachtens
- Diskutieren und Entscheiden
3. Planen der Intervention
- Auswählen und Prüfen spezifischer Interventionshypothesen
4. Durchführung der Intervention
5. Evaluation und Nachuntersuchung
7 basierend auf dem Original: Fernandez-Ballesteros, R., De Bruyn, E.E.J., Godoy, A., Hornke, L.F., Ter Laak, J., Vizcarro, C., Westhoff, K., Westmeyer, H. & Zaccagnini, J.L. (2001). Guidelines for the Assessment Process (GAP): A Proposal for Discussion. European Journal of Psychological Assessment, 17, 187-200. 8 zitiert nach McReynolds, 1971, S.7; Maloney & Ward, 1976, S.5; jeweils aus Westhoff et al. (2003); 9 zitiert nach Sloves, Doherty & Schneider, 1979, S.30-32; Maloney & Ward, 1976, S.5; jeweils aus Westhoff et al. (2003); 10 zitiert nach Shapiro, 1970, S.652; Fernández-Ballesteros & Staats, 1992, S.5; jeweils aus Westhoff et al. (2003); 11 entnommen aus Tabelle 1, S.510; in: Westhoff, K., Hornke, L.F. & Westmeyer, H. (2003). Richtlinien für den diagnostischen Prozess. report psychologie 28.;
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
9
- Erheben von Daten zu Interventionseffekten
- Analysieren von Interventionsergebnissen
- Nachuntersuchung (Follow-Up)
Auch dieser Beitrag verdeutlicht das analytische Vorgehen im diagnostischen Prozess. Nach
der Formulierung expliziter bzw. prüfbarer Hypothesen, sollen die relevanten Daten erhoben
und hinsichtlich der Hypothesen zu Ergebnissen integriert werden, bevor sich daraus
wiederum konkrete Interventionsmaßnahmen und deren Evaluation ableiten.
Fazit zu Kapitel 2.1:
Der diagnostische Prozess – die normative Perspektive
Die beschriebenen Arbeiten verdeutlichen den wissenschaftlichen Anspruch, der an praktisch
tätige Eignungsdiagnostiker herangetragen wird.
Der Diagnostiker soll spezifische Hypothesen entwickeln und überprüfen, ebenfalls sollen die
diagnostischen Informationen nach empirisch gültigen Gesetzmäßigkeiten und expliziten
Regeln integriert und verrechnet werden, bevor die Entscheidung abgeleitet werden kann.
Auch Jäger & Petermann (1995, S.11) definieren den diagnostischen Prozess als „das
systematische Sammeln und Aufbereiten von Informationen mit dem Ziel, Entscheidungen
und daraus resultierende Handlungen zu begründen, zu kontrollieren und zu optimieren“.
Bezogen auf die berufliche Eignungsdiagnostik bedeutet dies, dass auf Basis einer
sorgfältigen Anforderungsanalyse explizite Hypothesen formuliert und im
Bewerbungsgespräch mit operationalisierten Beobachtungseinheiten überprüft werden
sollen. Das geforderte analytisch-hypothesengeleitete oder auch explizit-regelgeleitete
Vorgehen ähnelt damit eher einer wissenschaftlichen Datenerhebung und Untersuchung, als
einem klassischen Bewerbungsgespräch, wie es in der Realität tatsächlich praktiziert wird.
Nach Wottawa & Oenning (2002, S.56) macht die DIN in diesem Kontext auf das innerhalb
der Eignungsdiagnostik verbreitete Problem aufmerksam, dass sich die Entscheider mit einer
„nur sehr schwach fundierten empirischen Grundlage ihrer Eignungsbeurteilungen zufrieden
geben“. Die Autoren resümieren weiterhin (ebd., S.47), dass es an validen eignungs-
diagnostischen Entscheidungsregeln mangelt.
Die Forderung ist also eindeutig: Der Einfluss von Subjektivität und Intuition soll innerhalb des
diagnostischen Prozesses minimiert werden.
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
10
Dennoch berücksichtigen die erstgenannten Autoren auch das grundsätzliche Problem
innerhalb der Eignungsdiagnostik.
Da es an empirisch fundierten Verknüpfungsregeln zwischen den beobachtbaren Daten und
der Diagnose bzw. Prognose mangelt, ist der Diagnostiker letztlich gezwungen, auf seine
Erfahrung und Intuition zurückzugreifen, um diese Lücken zu füllen. Auf die daraus
resultierende Problematik wird später noch im Detail eingegangen (Kapitel 4).
Der normative Anspruch an eine analytische, rational begründete Eignungsdiagnostik bleibt
allerdings bestehen. Eignungsdiagnostische Entscheidungen sollten auf analytisch geprägten
Urteils- und Entscheidungsprozessen basieren.
2.2 Zur Überlegenheit der statistischen gegenüber der klinischen Urteilsbildung
Grundsätzlich kann zwischen klinischer und statistischer Urteilsbildung unterschieden
werden, aus der eine diagnostische Entscheidung abgeleitet wird.
Basierend auf dem oben beschriebenen diagnostischen Prozess nach Jäger (1986, S.236ff),
erfolgt die Datenerhebung im Rahmen der klinischen Urteilsbildung nach einer zumeist
subjektiv geprägten Anamnese des Diagnostikers, während innerhalb der statistischen
Urteilsbildung eine reliable und valide Datenerhebung postuliert wird, die auf expliziten
Regeln basiert.
Die auf der Anamnese bzw. Datenerhebung aufbauende Datenintegration unterscheidet sich
deshalb ebenfalls voneinander. Die klinische Datenintegration erfolgt nach impliziten und
individuell verschiedenen Mechanismen, da es jeweils dem Diagnostiker überlassen bleibt,
nach welchen subjektiv erworbenen Regeln und Kompetenzen er die gewonnen Daten in ein
Urteil integriert (ebd., S.240). Die statistische Dateninterpretation hingegen, benötigt explizite
Verrechnungsregeln, z.B. mathematische Algorithmen, um aus den vorliegenden Prädiktoren
auf ein möglichst valides Kriterium zu schließen (vgl. Grove, 2005).
Als Methoden stehen dabei lineare Methoden (z.B. Diskriminanzanalyse,
Regressionsanalyse) oder nicht-lineare Methoden (z.B. konfigurale Methoden wie künstliche
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
11
neuronale Netze) zur Verfügung (Häusler & Sommer, 200612; Ganzach, 1995; Dawes, 1979;
Hammond & Summers, 1965).
Lineare Methoden verwenden häufig ein gewichtetes Modell der einzelnen Prädiktoren, um
die Expertenentscheidung nachzubilden (Einhorn & Hogarth, 1975; Meehl, 1954).
Es konnte sogar nachgewiesen werden, dass solch ein statistisches Modell letztlich besser
entscheidet als der Experte selbst (Kleinmuntz, 1990; Johnson, 1988; Wiggins, 1981; Dawes,
1979). Dies kann durch die geringere Fehleranfälligkeit des Modells bei der Integration von
Einzelinformationen begründet werden (Kleinmuntz, 1990, S.301f; Dawes, 1979, S.575).
Mit seiner Arbeit “Clinical versus statistical prediction: a theoretical analysis and a review of
the evidence“ eröffnete Meehl (1954) die heute mittlerweile als klassisch bezeichnete
kontroverse Diskussion über die Validität der statistischen Urteilsbildung im Vergleich zur
klinischen Urteilsbildung. Durch eine Metaanalyse von 22 Untersuchungen konnte er zeigen,
dass klinisch gebildete Urteile den statistisch aggregierten Urteilen bezogen auf ihre Validität
unterlegen sind.
Sawyer (1966) hat diese Ergebnisse in einer weiteren Metaanalyse von 45 Untersuchungen
(Meehls eingeschlossen) bestätigt.
Auch Grove et al. (2000, S.21f) konnten die Überlegenheit der statistischen Urteilsbildung in
ihrer Meta-Analyse von 136 Studien aus dem psychologischen wie medizinischen Kontext
bestätigen. Für 63 Studien konnte die Überlegenheit statistischer Datenaggregation bestätigt
werden, 65 Studien zeigten keine signifikanten Unterschiede und 8 Studien zeigten die
Überlegenheit der klinischen Urteilsbildung.
Ebenfalls haben Ganzach, Kluger & Klayman (2000) die Genauigkeit der statistischen
(optimal weights combination) mit der klinischen Informationsintegration (global judgement)
jeweils miteinander und in Kombination bei einer großen Bewerber-Stichprobe der
israelischen Armee verglichen.
Als Grundlage der Beurteilung dienten dabei strukturierte Einstellungsinterviews, deshalb ist
diese Studie für den Kontext dieser Arbeit besonders interessant.
12 Häusler & Sommer (2006) konnten in ihrer Studie zeigen, dass die nichtlineare Methode künstlicher neuronaler Netze zur Erhöhung der prognostischen Validität eignungsdiagnostischer statistischer Entscheidungsmodelle führt. Somit können künstliche neuronale Netze als innovative und leistungsfähige Option für die statistische Modellierung von eignungsdiagnostischen Urteilen fungieren und lineare Methoden in Zukunft ablösen.
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
12
Die statistische Urteilsbildung ist auch hier der klinischen überlegen. Die Autoren wiesen
Korrelationskoeffizienten des Urteils mit dem Kriterium von r=.23 für global judgement im
Vergleich zu r=.28 für optimal weights combination nach (ebd., S.12). Allerdings übertrifft die
Kombination beider Methoden noch ein wenig die Urteilsgenauigkeit der einzelnen Methoden
(r=.30, ebd.). Dies bedeutet, dass statistische Methoden auch von der individuellen Erfahrung
des Diagnostikers profitieren können.
In einer neueren Meta-Analyse von Aegisdottir et al. (2006) konnte die Überlegenheit der
statistischen Urteilsbildung im Vergleich zur klinischen ebenfalls bestätigt werden. Die
Wahrscheinlichkeit für genaue Urteile erhöhte sich um 13%, wenn die statistische statt
klinische Datenaggregation für die Urteilsbildung genutzt wurde (ebd., S.359).
Fazit zu Kapitel 2.2:
Zur Überlegenheit der statistischen gegenüber der klinischen Urteilsbildung
Obwohl auch wenige widersprüchliche Arbeiten veröffentlicht worden sind (Lindsey, 1965;
Holt, 1958) zeigen die empirischen Befunde insgesamt, dass statistisch gebildete Urteile
genauer ausfallen, als klinisch gebildete Urteile.
Die statistische Urteilsbildung entspricht hierbei den oben beschriebenen rational-
analytischen sowie normativen Kriterien der Eignungsdiagnostik.
Die klinische Urteilsbildung entspricht eher der intuitiven Entscheidungsfindung, da sie von
der jeweils individuellen Erfahrung und Intuition des Experten geprägt ist.
Folglich wird auch durch diese Befunde die Forderung nach analytisch geprägten Urteils- und
Entscheidungsprozessen in der Eignungsdiagnostik unterstützt.
Im nächsten Abschnitt soll nun das Einstellungsinterview, als eines der wichtigsten
Instrumente in der Personalauswahl und Gegenstand dieser Untersuchung, vorgestellt
werden.
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
13
2.3 Einflussfaktoren auf die Güte von Einstellungsinterviews
Das Einstellungsinterview kann als alleiniges Auswahlinstrument, als Bestandteil eines
sequentiellen Auswahlprozesses, oder aber auch im Rahmen eines Assessment Centers
eingesetzt werden (Krause & Gebert, 2003, S.302).
Das Einstellungsinterview als Methode der Personalauswahl bietet die Gelegenheit zum
Austausch personen-, arbeits- und organisationsbezogener Informationen (Schuler, 2002,
S.1). Thematisch können grundsätzlich sowohl tätigkeitsspezifische oder allgemeine
berufliche Voraussetzungen, Fertigkeiten und Kompetenzen des Bewerbers, als auch
Persönlichkeitseigenschaften, Werte und Einstellungen erhoben werden13.
Das Einstellungsinterview kann grundsätzlich alle genannten Konstrukte erfassen. Deshalb
wird es häufig auch als Breitbanddiagnostikum bezeichnet. Wie valide jedoch das
Einstellungsinterview diese Konstrukte erfasst, hängt jeweils von seiner Ausgestaltung, vom
Interviewer und den Rahmenbedingungen der Anwendung ab.
Welche Faktoren im Detail Einfluss auf die Güte von Einstellungsinterviews nehmen, soll in
den nächsten Kapiteln dargestellt werden.
2.3.1 Strukturiertheit des Einstellungsinterviews
Das Einstellungsinterview lässt sich hinsichtlich seines Strukturierungsgrades unterscheiden.
Das unstrukturierte Interview ist das in der Praxis am häufigsten eingesetzte Verfahren (van
der Zee, Bakker & Bakker, 2002, S.176ff; Stephan & Westhoff, 2002, S.9). Es ist
gekennzeichnet durch eine freie Gesprächsführung, dessen Inhalt, Durchführung und
Auswertung nicht standardisiert erfolgen und somit bei jedem Gespräch unterschiedlich
ausfallen können.
13 Nach Kristof-Brown (2000) unterscheiden Personaldienstleister bei Auswahlentscheidungen zwischen dem person-job-fit und dem person-organization-fit. Relevant für die Eignungsentscheidung bezogen auf die Stelle (person-job) seien vor allem die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Bewerbers. Für die Eignungsentscheidung bezogen auf die Organisation (person-organization), seien vor allem die Eigenschaften und Werte des Bewerbers entscheidend (vgl. auch Kristof-Brown & Jansen, 2007). In einer neueren Studie belegt Huffcutt (2011), dass zwischen stellenspezifischen, performance-spezifischen oder bewerberspezifischen Konstrukten, vor allem die performancespezifischen Konstrukte relevant für die Einstellungsentscheidung sind.
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
14
Damit hängen Inhalt und Ausgestaltung des Interviews völlig von der Person des Recruiters
und seiner eignungsdiagnostischen Kompetenz sowie auch von situativen Einflussfaktoren
und der Person des Bewerbers ab.
Das strukturierte Interview hingegen, zeichnet sich durch einen hohen Grad der
Standardisierung im Inhalt, in der Durchführung und der Auswertung aus. Ziel ist es, eine
hohe Objektivität, Reliabilität sowie Validität des Verfahrens zu erreichen.
Das hoch strukturierte Interview basiert nach Campion, Palmer & Campion (1997, S.657ff)
sowie Anderson & Shackleton (1993, S.71) und Pulakos et al. (1996, S.86f) auf einem
differenzierten Anforderungsprofil mit operationalisierten und gewichteten Auswahlkriterien.
Die anforderungsbezogenen Fragen werden jedem Bewerber standardisiert und in derselben
Reihenfolge gestellt. Thematische Abweichungen oder Ergänzungsfragen sind nicht
gestattet. Die Auswertung erfolgt ebenfalls systematisch und standardisiert nach vorher
definierten Kriterien.
Mayfield (1964) und Schmitt (1976) stellten bei strukturierten Interviews eine höhere
Beurteiler-Übereinstimmung als bei unstrukturierten Interviews fest.
Auch Conway, Jako & Goodman (1995, S.571/575) konnten in ihrer Meta-Analyse diesen
positiven Effekt der Strukturiertheit auf die Objektivität von Einstellungsinterviews finden.
Für die Strukturierung von Einstellungsinterviews konnte in Metaanalysen zudem ein hoher
Validitätsgewinn nachgewiesen werden:
- Wiesner & Cronshaw (1988, S.284): korrigierte mittlere Validitätskoeffizienten von
r=.62 für strukturierte Interviews im Vergleich zu r=.31 für unstrukturierte Interviews
(150 Studien berücksichtigt);
- Marchese & Muchinsky (1993, S.22ff): korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.45 für
strukturierte Interviews; Strukturiertheit des Interviews konnte als Moderator für die
Validität des Interviews identifiziert werden (31 Studien berücksichtigt);
- Huffcutt & Arthur (1994, S.186ff): korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.56 für
strukturierte Interviews im Vergleich zu r=.35 für unstrukturierte Interviews;
- McDaniel et al. (1994, S.606ff): korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.44 für
strukturierte und r=.33 für unstrukturierte Interviews;
- Conway, Jako & Goodman (1995, S.570f): korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.67
für strukturierte und r=.34 für unstrukturierte Interviews;
- Schmidt & Hunter (1998, S.266ff): mittlere korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.51
für strukturierte und r=.38 für unstrukturierte Interviews;
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
15
Die wissenschaftlichen Belege sprechen also eindeutig für den Einsatz von strukturierten
Interviews bei der Personalentscheidung.
Trotz der nachgewiesenen prognostischen Überlegenheit, werden diese in der Praxis jedoch
nur in der Minderheit eingesetzt (Lievens & De Paepe, 2004, S.30; van der Zee et al., 2002,
S.176ff; Stephan & Westhoff, 2002, S.9/13). Gründe dafür liegen in dem mit der Konzeption,
Durchführung und Auswertung verbundenen zeitlichen und kostenintensiven Aufwand sowie
in der eingeschränkten Autonomie der Interviewer (vgl. Kleebaur, 2007, S.41; Dipboye &
Jackson, 1999, S.263).
Stephan & Westhoff (2002, S.16) stellten in diesem Kontext die Opportunitätskosten der
Verwendung unstrukturierter Interviews dem langfristigen Nutzen der Verwendung
strukturierter Einstellungsinterviews im deutschen Mittelstand gegenüber. Sie konnten
zeigen, dass sich auch bei konservativer Schätzung der verwendeten Kennziffern die
Investition in die Implementierung strukturierter Auswahlgespräche bereits schon nach 3-4
Monaten amortisieren würde.
Als weitere Begründung für den geringen Einsatz strukturierter Interviews kann auch der
erschwerte Informationsaustausch und Dialog mit dem Bewerber in der standardisierten
Gesprächssituation angeführt werden. Dies kann negative Konsequenzen für die vom
Bewerber wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität nach sich ziehen (Kohn & Dipboye, 1998,
S.829).
Chen, Tsai & Hu (2008, S.1062ff) konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass die
Komplexität der Stelle sowie organisationale Faktoren eine positive Einstellung der
Interviewer gegenüber einem hoch-strukturierten Interview begünstigen. Ebenfalls zeigten die
Autoren, dass eine analytische Prägung des Informationsverarbeitungsprozesses zu einer
positiveren Einstellung des Interviewers gegenüber einem hoch-strukturierten Interview
führte. Die besondere Relevanz eines analytischen Informationsverarbeitungsprozesses wird
auch in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt.
Ein Kompromiss zu einem hoch-strukturierten Interview ist das teilstrukturierte Interview,
welches mithilfe eines Interviewleitfadens die operationalisierten Anforderungen beinhaltet,
aber flexibel gehandhabt werden kann. Konkretisierungen, Ergänzungen sowie
Verständnisfragen sind hierbei zulässig.
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16
Für eine Teilstrukturierung von Einstellungsinterviews spricht auch der sogenannte
Deckeneffekt.
Huffcutt & Arthur (1994, S.188) zeigten, dass die Validität von Einstellungsinterviews zwar mit
zunehmender Strukturierung steigt, der Validitätszuwachs allerdings mit dem höchsten
Strukturierungsgrad nur noch gering ausfällt (Vergleich von 4 Strukturierungsgraden:
Validitätskoeffizient von r=.56 für teilstrukturierte Interviews im Vergleich zu r=.57 für
hochstrukturierte Interviews).
Teilstrukturierte Interviews sind das situational interview (Latham & Sue-Chan, 1999; Latham,
Saari, Pursell & Campion, 1980) und das multimodale Interview (Schuler, 1992).
Die hohe Validität des situational interviews und des multimodalen Interviews wurde vielfach
belegt (Latham & Sue-Chan, 1999; Latham et al., 1980; zusammenfassend siehe Weuster,
2008 sowie Mussel, 2007).
Auch das entscheidungsorientierte Interview (Westhoff, 2009) oder Leitfäden für die
professionelle Durchführung eignungsdiagnostischer Interviews (z.B. Strobel & Westhoff,
2009; von der Linde & Schustereit, 2008; Westhoff & Kluck, 2003; Schuler, 2002) helfen bei
der Gestaltung und Durchführung strukturierter Interviews, in denen auch die
stellenrelevanten Anforderungen konkret operationalisiert werden.
Die Vorteile eines Interviewleitfadens liegen nach Westhoff & Kluck (2003) in der
Vollständigkeit und Einheitlichkeit der erhobenen Informationen durch die standardisierte
Durchführung. Dadurch werden subjektive Einflüsse und Urteilsfehler minimiert.
Die vorgegebene Gesprächsstruktur entlastet den Interviewer zusätzlich in seiner
Informationsverarbeitung. Ebenso wird die Relevanz der erhobenen Informationen für die
spezielle Stelle erhöht, wenn dem Interviewleitfaden ein konkretes und valides
Anforderungsprofil zugrunde liegt.
Wie wichtig ein stellenrelevantes Anforderungsprofil für die Auswahlentscheidung ist, soll im
nächsten Kapitel erläutert werden.
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17
2.3.2 Relevanz des Anforderungsprofils
In der Eignungsdiagnostik kommt besonders der Anforderungsanalyse eine zentrale
Bedeutung zu.
Die Anforderungsanalyse beschreibt den „inhaltlich-logischen Zusammenhang zwischen
Person- und Arbeitsplatzmerkmalen“ (Schuler, 2002, S.128) und ist damit Grundlage der
Eignungsbeurteilung.
Die wichtigsten inhaltlichen Ebenen eines Anforderungsprofils sind die Aufgabenebene, die
Verhaltensebene und die Eigenschaftsebene.
Schuler (2002, S.131) empfiehlt, ein besonderes Augenmerk auf die Verhaltensebene des
Anforderungsprofils zu legen – „erfolgskritisches Verhalten lässt sich nämlich mit höherer
Objektivität bestimmen, als erfolgsrelevante Eigenschaften“.
Zur Erstellung eines solchen verhaltensbezogenen Anforderungsprofils empfiehlt Schuler
(2002, S.135) folgenden schematischen Ablauf:
- Qualitative Phase:
o Auswertung schriftlicher allgemeiner Informationen
(z.B. Stellenbeschreibungen)
o Experteninterviews
o Extremgruppenanalysen
o Sammlung von Critical Incidents (nach Flanagan, 1954)
- Auswertung, Zusammenstellung, Überprüfung der qualitativen Ergebnisse
- Quantitative Phase:
o Ausarbeitung Endversion eines Fragebogens
o Bearbeitung eines Fragebogens durch Vorgesetzte und erfahrene Arbeits-
platzinhaber
o Faktorenanalytische Auswertung, Bildung von Anforderungsdimensionen
Anhand dieser Vorgehensweise können sehr konkrete, verhaltensbezogene und spezifische
Anforderungsprofile erstellt werden, die sowohl Personalauswahl- als auch zukünftige
Personalentwicklungsprozesse auf ein solides Fundament stellen.
Das Anforderungsprofil fungiert dann als Vergleichsmaßstab und kann auch explizite
Entscheidungsregeln vorgeben, an denen sich der Recruiter bei der Beurteilung und
Entscheidung orientieren kann. Zeigt der Bewerber das im Anforderungsprofil geforderte
erfolgskritische Verhalten, oder kann er es aus seiner beruflichen Vergangenheit mit
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18
verschiedenen konkreten Beispielen belegen, kann der Recruiter diese Anforderung als erfüllt
beurteilen (zur grundsätzlichen Problematik richtiger Inferenzen zu Eignungsmerkmalen auf
Basis von Verhaltenshinweisen siehe Kapitel 3). So kann er hinterher eine begründete und
damit nachvollziehbare Entscheidung treffen.
Lang von Wins et al. (2008) fordern zudem eine stärkere Berücksichtigung von Kompetenzen
als diagnostisches Bewertungskriterium. Die Eignungsdiagnostik soll stärker als Potenzial-
diagnostik fungieren, da aufgrund einer dynamischen und sich stetig verändernden
Arbeitswelt auch zukünftige Anforderungen im Profil berücksichtigt werden sollten.
Inhalte eines Anforderungsprofils können somit die fachlichen Kenntnisse und
Qualifikationen, die Berufs- und Führungserfahrung, das Persönlichkeitsprofil, Fertigkeiten
und Kompetenzen sowie ganz konkretes Verhalten in wichtigen stellenspezifisch
erfolgskritischen Situationen sein. Auch Rahmenbedingungen, wie Reisetätigkeit, können
eine Rolle spielen (vgl. Weuster, 2008).
Wichtig ist jedoch vor allem, dass das Anforderungsprofil tatsächlich diejenigen
Anforderungen, welche für die erfolgreiche Erfüllung der jeweiligen Position relevant sind,
beschreibt. Je konkreter, verhaltensbezogener und stellenspezifischer das Anforderungsprofil
dabei formuliert ist, desto valider ist das Fundament für nachfolgende eignungsdiagnostische
Entscheidungen. Auch Strobel & Westhoff (2009) und Westhoff (2009) betonen den
Verhaltensbezug und die Konkretheit des Anforderungsprofils als wichtige Voraussetzung für
valide Einstellungsinterviews und daraus abgeleitete Einstellungsentscheidungen.
In diesem Kontext wurde auch empirisch bestätigt, dass ein differenziertes Anforderungsprofil
zu einer höheren Interrater-Reliabilität bzw. Beurteilungsübereinstimmung führt (z.B. r=.87 im
Vergleich zu r=.35 nach Langdale & Weitz, 1973, S.24f; vgl. auch Hahn & Dipboye, 1988).
Ergebnisse aus Metaanalysen (Wiesner & Cronshaw, 1988, S.287) bestätigen zusätzlich den
positiven Einfluss eines differenzierten Anforderungsprofils auf die Validität der
Einstellungsentscheidung. Strukturierte Interviews auf Basis gründlicher Stellenanalysen
erreichten so eine durchschnittliche korrigierte Validität von r=.87, strukturierte Interviews auf
Basis oberflächlicher Stellenanalysen hingegen nur r=.59 (ebd.).
Dies konnten auch McDaniel et al. (1994, S.606f) nachweisen: der korrigierte
Validitätskoeffizient für strukturierte Interviews mit situativen Fragen betrug r=.50 im Vergleich
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19
zu strukturierten Interviews ohne Anforderungsbezug (r=.44) und unstrukturierten Interviews
(r=.33).
Kanning et al. (2007, S.160ff; auch Kanning, 2004, S.74) sowie Stephan & Westhoff (2002,
S.9/14) stellen jedoch fest, dass der Großteil der in Unternehmen eingesetzten
Anforderungsprofile nur aus einer groben Auflistung von Eigenschaften statt konkreten
Verhaltensbeschreibungen besteht.
Auch Wottawa & Oenning (2002, S.44) bemängeln, dass die meisten Personalauswahl-
prozesse in der Praxis ohne ein klar definiertes Anforderungsprofil durchgeführt werden.
Auch hier klaffen wissenschaftlicher Anspruch und eignungsdiagnostische Praxis also weit
auseinander. Die Gründe dafür liegen vor allem wieder in dem mit der Konstruktion
verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand. Allerdings ist auch hier ein sehr hoher und
vor allem langfristiger Nutzen zu vermuten, wenn das Anforderungsprofil erst einmal erstellt
wurde.
2.3.3 Interviewertraining, Feedback und Rechenschaftsverpflichtung
Interviewertraining
Posthuma, Morgeson & Campion (2002, S.32) resümieren, dass es bis dato nur wenige
empirische Beweise für die Effektivität von Interviewertrainings auf die Validität der
Einstellungsentscheidungen gibt (vgl. auch Arvey & Campion, 1982).
Sie erklären dies dadurch, dass sich die Inhalte von Interviewertrainings meist auf die
Implementierung strukturierter Interviewformen konzentrieren, deren Effektivität auf die
Validität der Entscheidung ausreichend belegt ist.
Huffcutt & Woehr (1999, S.555ff) wiesen allerdings in ihrer Meta-Analyse einen korrigierten
Korrelationskoeffizienten von r=.41 zwischen Interviewertraining und Validität des Interviews
nach. Weiterhin konnten diverse Arbeiten einen positiven Effekt auf die Interviewer-
Reliabilität finden (Conway, Jako & Goodman ,1995, S.571/575; vgl. auch Hahn & Dipboye,
1988; Borman, 1979).
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
20
Einen Überblick über die Effektivität von Trainingsmaßnahmen im Hinblick auf erhöhte
Reliabilität und Validität, verringerte Beurteilungsfehler sowie erhöhtem Anforderungsbezug
geben auch Palmer, Campion & Green (1999, S.338ff)14.
Obwohl die empirischen Belege insgesamt noch lückenhaft ausfallen (Posthuma et al., 2002,
S.49), sollten Interviewertrainings grundsätzlich einen Effekt auf die Validität der
eignungsdiagnostischen Entscheidung ausüben.
Hier sind vor allem die praktische Relevanz, die Realitätsnähe und strukturelle Ähnlichkeit
zwischen Lern- und Transfersituation entscheidend (Sonntag, 2006; Wexley & Latham, 1991;
Wottawa & Thierau, 1990), damit ein reibungsloser Praxistransfer erfolgen kann (Schuler,
2002, S.233ff; vgl. auch Solga, 2008).
Auch die theoretische Fundierung des Trainings ist wichtig, damit eignungsdiagnostisch
sinnvolle Inhalte vermittelt werden (siehe thematische Forderungen der DIN 33430 in Kapitel
2.1). Sonntag (2006, S.290) empfiehlt grundsätzlich vor allem das behaviour modelling
training15, bei dem das Zielverhalten am Beispiel eines Modells trainiert wird.
Rechenschaftsverpflichtung
Ein weiterer positiver Effekt auf die Validität von Eignungsurteilen kann für die
Rechenschaftspflicht des Interviewers angenommen werden (vgl. Dipboye, 2005, S.130;
Eder, 1999, S.206ff).
Rechenschaftspflicht kann bedeuten, dass Interviewer ihre Urteils- und
Entscheidungsprozesse oder die Entscheidung begründen und diskutieren müssen, oder die
Qualität ihrer eignungsdiagnostischen Entscheidung sogar direkter Bestandteil ihrer eigenen
Leistungsbeurteilung ist.
Palmer & Feldman (2005) konnten nachweisen, dass sich die Urteilsgenauigkeit unter der
Bedingung der Rechenschaftsverpflichtung erhöht und Urteilsfehler wie Halo- und
Kontrasteffekte abnehmen.
Auch Mero & Motowidlo (1995) sowie Mero, Motowidlo & Anna (2003) konnten einen
signifikanten Effekt auf die Urteilsgenauigkeit durch die Bedingung Rechenschafts-
14 In ihrer Metaanalyse belegen Arthur et al. (2003, S.238f) zudem bedeutsame Effektstärken von d=.60-.63 für generelles organisationales Training. Für lernbezogene Kriterien konnten mit d=.63 die höchsten Effektstärken gefunden werden. Diese Ergebnisse sind zwar nicht unbedingt auf Interviewertrainings generalisierbar, indizieren aber, dass Trainingsmaßnahmen vor allem auf kognitive Outcome-Variablen Wirkungseffekte aufzeigen. 15 basierend auf der Theorie des sozialen Lernens nach Bandura, 1979;
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
21
verpflichtung nachweisen. Ebenfalls fanden sie einen mediierenden Effekt für die Variable
Selbstaufmerksamkeit (Mero et al., 2003).
Wiesner & Cronshaw (1988, S.282) zeigten analog einen positiven Effekt einer
Konsensdiskussion auf die korrigierte prädiktive Validität strukturierter Interviews: r=.64 im
Vergleich zu r=.41, wenn die Einzelurteile nur gemittelt wurden.
Auch Jetter (2003) schlägt eine Beurteilungsdiskussion direkt nach dem Interview vor, um
den Einfluss subjektiver Urteilsfehler des Einzelnen zu minimieren.
Grundsätzlich lässt sich zwischen der Rechenschaft für den Prozess und der Rechenschaft
für das Ergebnis unterscheiden.
Brtek & Motowidlo (2002, S.185ff) konnten zeigen, dass Entscheider zu valideren Urteilen
gelangten, wenn sie Rechenschaft über den Urteilsprozess (r=.26) im Vergleich zur
Rechenschaft über das Ergebnis (r=-.17) ablegen mussten. Die Selbstaufmerksamkeit der
Teilnehmer mediierte dabei den Effekt der Rechenschaft für den Prozess auf die Validität der
Einschätzung vollständig.
Gordon, Rozelle & Baxter (1989, S.27/29ff) hingegen, fanden einen negativen Effekt für
Rechenschaftsverpflichtung. Sie zeigten, dass Beurteiler dann ältere Bewerber positiver
beurteilten als jüngere, wenn sie Rechenschaft für ihre Entscheidung ablegen mussten.
Dies bedeutet, dass sich die Beurteiler unter der Bedingung der Rechenschaftsverpflichtung
des einfachen Stereotyps je älter, desto erfahrener und damit geeigneter bedient haben. Hier
konnte folglich kein positiver Effekt von Rechenschaftsverpflichtung auf einen analytischen
Urteils- und Entscheidungsprozess festgestellt werden.
Gegen den positiven Effekt von Rechenschaftsverpflichtung bzw. einer Konsensdiskussion
auf die Validität des Einstellungsinterviews sprechen auch Prozesse der sozialen
Beeinflussung (vgl. Milgram, 1988; Bandura, 1979; Tajfel, 1978; Asch, 1956).
Diese greifen besonders dann, wenn ein anders geartetes Urteil gegenüber einem
Vorgesetzten oder einer Mehrheit verteidigt werden muss. Häufig wird das Urteil dann an die
Gruppe oder Autoritätsperson assimiliert (vgl. auch Kanning, 2004, S.69).
Auch Palmer & Loveland (2008) untersuchten das Phänomen der Gruppenpolarisierung im
Kontext von Eignungsbeurteilungen und konnten zeigen, dass eine Gruppendiskussion von
Beurteilern zum einen in ungenaueren Urteilen und stärkeren Polarisierungen bzw.
Kontrasteffekten der Urteile resultierten, sowie zum anderen einen positiven Halo-Effekt der
Urteile begünstigten.
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
22
Auch Conway, Jako & Goodman (1995, S.575f) zeigten, dass die Strukturiertheit der
Interviewfragen besonders dann einen positiven Effekt auf die Zuverlässigkeit bzw. Interrater-
Reliabilität der Beurteilungen moderierte, wenn Einzel- statt Gruppenurteile als abhängige
Variable herangezogen wurden.
Rechenschaftsverpflichtung sollte also vor allem dann einen positiven Einfluss auf die
Interviewervalidität ausüben, wenn der Anspruch an die Durchführung und Interpretation von
Einstellungsinterviews sich an den normativen Kriterien der Eignungsdiagnostik orientiert und
nicht an Vorgesetztenmeinungen, unternehmensinternen politischen Gefügen oder
Autoritätspersonen, die Urteilsverzerrungen in diesem Zusammenhang eher begünstigen
statt minimieren.
Feedback/ Evaluation
Für das Feedback als Einflussfaktor auf die Validität der Einstellungsentscheidung lassen
sich nur wenige empirische Belege finden. Dies ist nicht zuletzt durch die nur ungenügende
Evaluation des eignungsdiagnostischen Entscheidungsprozesses in der Praxis zu erklären
(siehe Kapitel 4.3).
Dennoch wurden die Effekte von Feedback auf allgemeine Lernprozesse vielfach empirisch
belegt (Kluger et al., 1996; Farr, 1991; Balzer et al., 1989) und sollten deshalb auch auf den
Kontext von Einstellungsinterviews transferierbar sein.
Nach der klassischen Lerntheorie erhöhen positive Konsequenzen die Auftretens-
wahrscheinlichkeit von Verhalten (law of effect nach Thorndike, 1898).
Dies gilt auch für Entscheidungen. Haben bestimmte Entscheidungen die gewünschten
positiven Konsequenzen, wird der Entscheider die genutzte Entscheidungsregel auch in der
Zukunft präferieren (vgl. Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.112f). Daher ist das Feedback
ein wichtiger Lernmechanismus.
Lerneffekte sollten sich vor allem dann einstellen und zu einer Reflektion der im
eignungsdiagnostischen Prozess verwendeten Entscheidungsregeln führen, wenn entweder
der Entscheidungsprozess systematisch evaluiert wird oder aber der Recruiter den
ehemaligen Bewerber als Mitarbeiter in seinem beruflichen Arbeitsalltag erlebt.
Allerdings treffen beide Bedingungen in der eignungsdiagnostischen Praxis nur selten zu. Nur
die wenigsten Recruiter arbeiten zukünftig mit dem jeweiligen Bewerber zusammen oder
erleben ihn in seinem beruflichen Alltag, so dass sie ihre Prognosen an konkreten
Verhaltensweisen evaluieren können. Somit beschränkt sich das Feedback häufig auf nur
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
23
sehr globale Kriterien, wie die Information Mitarbeiter xy wurde nach der Probezeit
übernommen (vgl. Kanning, 2004, S.75 sowie ausführlicher Kapitel 4.3).
Sollte aber ein systematisches Feedback über die Qualität der eignungsdiagnostischen
Entscheidung vorliegen, darf ein Zusammenhang mit valideren Einstellungsentscheidungen
angenommen werden. Ein solches Feedback könnte sich dabei auf die Passung zwischen
Prognose und Outcome16 oder auf die Passung zwischen Entscheidungsregel und Outcome
beziehen17. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Prognosen oder Entscheidungsregeln
expliziert werden (dazu später noch mehr in Kapitel 4).
2.4 Zum Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren auf die Güte von
Einstellungsinterviews und analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen
Unbestritten ist, dass es Unterschiede in der Beurteilungs- und Entscheidungsvalidität
zwischen Interviewern gibt.
Graves & Karren (1996, S.165ff) stellten zwischen verschiedenen Interviewern derselben
Organisation eine Schwankungsbreite von 6-56% der Akzeptanzquote von Bewerbern fest.
Auch Dipboye, Gaugler & Hayes (1990) zeigten starke Unterschiede in den
Interviewervaliditäten (Streuung von korrigiertem r=.02 bis korrigiertem r=.4418).
Ebenfalls wiesen Pulakos et al. (1996, S.92f) in ihrer Meta-Analyse eine starke Streuung der
Interviewervaliditäten von r=-.10 bis r=.65 nach, sie führten diese aber größtenteils auf
Stichprobenfehler zurück.
Graves (1993, S.352ff/357ff) nennt unter anderem zusammenfassend folgende Faktoren als
Ursache für Validitätsunterschiede zwischen den Eignungsbeurteilungen von Interviewern:
- Interviewermerkmale: Erfahrung, Lebenslauf, Ähnlichkeit mit Bewerber
- Kognitive Strukturen: Vorstellungen des idealen Bewerbers, implizite Persönlichkeits-
theorien, Anwendung von Attributionsregeln, Informationsverarbeitung
16 z.B. Vergleich expliziter Kriterien von standardisierter Vorgesetztenbeurteilung mit der standardisierten Auswertung des strukturierten Einstellungsinterviews 17 z.B. Entscheidungsregel Absolventen mit einem Notendurchschnitt von besser als 2,0 sind ehrgeizig und fleißig könnte durch gegenteilige konkrete Erfahrungen modifiziert werden 18 aus Schuler, 2002, S.70;
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
24
- Interviewkontext: Rechenschaftspflicht, Aufgabenklarheit, Zwang zu einer schnellen
Entscheidung, Strukturierung
Die Autorin berücksichtigt sowohl die Person des Interviewers mit seinen kognitiven
Strukturen, als auch den Kontext des Interviews als relevante Einflussvariablen auf die
Interviewvalidität. Sie resümiert, dass die bisherige Forschung die Quellen für
unterschiedliche Interviewervaliditäten und deren kausale Wirkungseffekte bisher nicht
eindeutig identifizieren konnte. Deshalb besteht hier besonderer Forschungsbedarf.
Bezogen auf den Kontext des Interviews, wurden in den vorherigen Abschnitten die Befunde
zu wichtigen organisationalen Rahmenbedingungen als erklärende Faktoren für
unterschiedliche Interviewervaliditäten zusammengefasst.
Vor allem die Effekte strukturierter Interviews sowie stellenrelevanter Anforderungsprofile auf
die Validität von Einstellungsinterviews können als empirisch fundiert und abgesichert gelten
(Kapitel 2.3.1 und 2.3.2).
Noch uneinheitliche Belege finden sich bisher für die Effekte von Rechenschaftsverpflichtung
und Interviewertraining auf die Validität von Einstellungsinterviews. Auch die Befunde für die
Effektivität von Feedback bzw. Evaluation der eignungsdiagnostischen Entscheidung liegen
in nur ungenügender Menge vor (Kapitel 2.3.3).
Warum führen nun strukturierte Interviews, verhaltensbezogene Anforderungsprofile,
möglicherweise auch Rechenschaftsverpflichtung, systematisches Feedback und
Interviewertraining als kontextuelle Einflussvariablen zu valideren Einstellungs-
entscheidungen?
Vor allem scheinen durch strukturierte Interviews subjektive Urteilsfehler während des Urteils-
und Entscheidungsprozesses reduziert zu werden, was dann zu einer valideren
Entscheidung führt.
Pulakos et al. (1996) führten in diesem Kontext unterschiedliche Interviewervaliditäten vor
allem auf Stichprobenfehler (sampling error) zurück und betonten damit die Bedeutung von
Interviewertraining und Strukturierung von Einstellungsinterviews zur Reduzierung solcher
Urteilsfehler.
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
25
Auch der Einfluss subjektiver Idealvorstellungen über den idealen Bewerber (Guion &
Highhouse, 2006, S.308ff), Ähnlichkeitseffekte (Cable & Judge, 199719; Howard & Ferris,
1996; Anderson & Shackleton, 199020), Reihenfolge-Effekte (vgl. zusammenfassend Forgas,
1992, S.64f21), Halo-Effekte (Thorndike, 192022) sowie Attributionsfehler (Ross, 197723)
lassen sich als verzerrende Urteilsfehler häufiger bei unstrukturierten Interviews finden.
Ebenfalls wurde festgestellt, dass die eignungsdiagnostische Entscheidung in
unstrukturierten Interviews meist schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt getroffen wird
(Mayfield, 1964; Webster, 1982). Dies weist auf einen eher intuitiven und subjektiv geprägten
Urteils- und Entscheidungsprozess bei unstrukturierten Einstellungsinterviews hin.
Auch Conway et al. (1995, S.575) haben in ihrer Meta-Analyse belegt, dass strukturierte
Interviews zu differenzierteren Beurteilungen führen.
Graves & Karren (1992) konnten ebenfalls nachweisen, dass sich effektive Interviewer durch
eine bewusste Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung auszeichnen.
Auch Dipboye & Gaugler (1993) erklären die Überlegenheit strukturierter Interviews
gegenüber unstrukturierten Interviews durch den geringeren subjektiven Einfluss der
beteiligten Personen sowie durch die Verwendung validerer Prädiktoren bei der
Eignungsbeurteilung und somit validerer Schlussfolgerungen.
Bezogen auf den Anforderungsbezug der im Interview erhobenen Informationen, konnten
Huffcutt et al. (2001, S.905f) zeigen, dass unstrukturierte und strukturierte Interviews im
19 Die Ähnlichkeit zwischen Interviewer und Bewerber fungiert als Indikator für den person-organization-fit (tatsächlich ist es aber der applicant-interviewer fit) und resultiert in positiveren Eignungsbeurteilungen des Bewerbers. Cable & Judge (1997, S.553) konnten nachweisen, dass besonders die wahrgenommene Wertkongruenz zwischen Bewerber und Organisation (β=.55), weniger die Berufserfahrung (β=.17) oder der Notendurchschnitt (β=.04), zu einer positiven Bewertung des person-organization-fits und damit zu einer Einstellungsempfehlung (β=.66) führt. 20 Die Autoren haben gezeigt, dass die Eignungsbeurteilung zu r=.64 mit der Sympathie und zu r=.50 mit der eingeschätzten Ähnlichkeit zur eigenen Person korreliert (ebd., S.70f). 21 Dem ersten Eindruck bzw. den ersten Informationen wird ein besonderer Effekt auf das Urteil zugeschrieben, da aufgrund der ersten Information eine Erwartung ausgebildet wird, die dann zu bestätigen versucht wird (Gawronski et al., 2002; aus Kanning, 2004, S.67). Dies konnten auch Dougherty et al. (1994) bei Einstellungsinterviews nachweisen. Sie zeigten, dass Interviewer bei positiven Vorerwartungen über den Bewerber ihr Unternehmen besonders positiv präsentierten und einen höheren Redeanteil besaßen. Allerdings konnten Barrick et al. (2010) zeigen, dass der erste Eindruck auch bei strukturierten Interviews die Beurteilung des Bewerbers beeinflusst (r=.42). 22 Kernaussage: ein vermeintlich dominantes Merkmal, z.B. Attraktivität des Bewerbers (Schuler & Berger, 1979; Marlowe et al., 1996; Metaanalyse nach Hosoda et al., 2003, jeweils aus Kanning, 2004, S.63f) oder ethnische Informationen (Segrestpurkiss et al., 2006) „überstrahlt“ andere Merkmale 23 Kernaussage: Tendenz zu interner und stabiler Ursachenzuschreibung bei der Wahrnehmung anderer Personen
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
26
Vergleich unterschiedliche Konstrukte messen. Das strukturierte Interview konzentriert sich
demnach stärker als unstrukturierte Interviews auf eignungsdiagnostisch relevante Inhalte,
wie anforderungsbezogene Erfahrungen und Fertigkeiten sowie angewandte mentale und
soziale Kompetenzen des Bewerbers.
Salgado & Moscoso (2002, S.310ff) belegen ebenfalls, dass strukturierte Interviews vor allem
berufliche Fachkenntnisse, Berufserfahrung und situative Beurteilungs- und Verhaltens-
tendenzen erfassen, während unstrukturierte Interviews globale Persönlichkeitsmerkmale,
kognitive Fähigkeiten und soziale Kompetenzen erfassen.
Auch Schmidt & Zimmerman (2004, S.555ff) unterstützen diesen Befund, indem sie belegen,
dass Interviewer bei unstrukturierten Interviews stärker zu globalen Persönlichkeits-
beurteilungen der Bewerber tendieren, anstatt die Eignung des Bewerbers im Hinblick auf die
relevanten Anforderungen zu überprüfen24.
Die Informationsverarbeitung bei strukturierten Interviews scheint also systematischer und
anforderungsbezogener zu erfolgen (vgl. Harris, 1989).
Posthuma et al. (2002, S.42) schlagen dementsprechend für die zukünftige Forschung vor,
die Differenzen in der individuellen Interviewervalidität im Zusammenhang mit
unterschiedlichen Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsstrategien sowie mentalen
Fähigkeiten zu untersuchen.
Die unterschiedlichen Informationsverarbeitungsstrategien von Recruitern in Einstellungs-
interviews sollen auch in der vorliegenden Arbeit untersucht werden (analytische vs. intuitiv
geprägte Urteils- und Entscheidungsstrategien).
Macan (2009, S.210ff) sowie Posthuma et al. (2002, S.51) stellen ebenfalls eine
Forschungslücke für kontextuelle Variablen fest, die das Einstellungsinterview und dessen
Validität beeinflussen können (vgl. auch Judge, Higgins & Cable, 2000; Graves, 1993; Arvey
& Campion, 1982).
24 Der Fokus auf Persönlichkeitseigenschaften bei der Personalauswahl eignet sich, entgegen der Annahme in der eignungsdiagnostischen Praxis, dass diese wünschenswert seien (siehe Stephan & Westhoff, 2002, S.14), dabei nicht. Cliffordson (2002, S.200ff) hat in diesem Zusammenhang belegt, dass der Faktor Persönlichkeit nicht als valider Prädiktor für die zukünftige Arbeitsleistung fungieren kann. Auch der Persönlichkeitsfaktor Extraversion wird zwar häufig als Erfolgsvoraussetzung genannt, jedoch zeigen empirische Ergebnisse hier ebenfalls, dass Extraversion kein valider Prädiktor ist (vgl. Schuler & Höft, 2001). Der einzige Persönlichkeitsfaktor, der im Zusammenhang mit beruflichem Erfolg als Prädiktor fungieren könnte, ist die Gewissenhaftigkeit (Barrick & Mount, 1991; aus Schuler, 2002, S.157), als stabile Disposition ebenfalls die Intelligenz (Schuler, 2002, S.146f).
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
27
Auch dieser Forschungslücke wird mit der vorliegenden Arbeit begegnet, indem die
jeweiligen kausalen Effekte der kontextuellen Determinanten identifiziert und empirisch
überprüft werden.
Somit werden die folgenden von Posthuma et al. (2002, S.49) formulierten
Forschungsempfehlungen in der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt:
- Untersuchung der komplexen kausalen Mechanismen, denen Einstellungsinterviews
unterliegen
- Fokus auf die Entscheidungsfindung des Interviewers
- Anwendung von Theorien aus dem Bereich der Entscheidungsforschung auf das
Themenfeld des Einstellungsinterviews
- Untersuchung der Einflüsse kontextueller Variablen innerhalb von Organisationen
Fazit zu Kapitel 2.4:
Zum Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren auf die Güte von Einstellungs-
interviews und analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen
Den obigen Ausführungen folgend, sollte also ein differenzierter und analytisch geprägter
eignungsdiagnostischer Urteils- und Entscheidungsprozess stattfinden, wenn strukturierte
Interviews sowie konkrete Anforderungsprofile als kontextuelle Rahmenbedingungen
gegeben sind.
Ein strukturiertes Interview sowie ein konkretes verhaltensbezogenes Anforderungsprofil
sollten somit einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des Recruiters, so wie er
in den normativen Theorien der eignungsdiagnostischen Entscheidungsfindung (Kapitel 2.1)
postuliert wird, unterstützen.
Auch der Faktor Rechenschaftsverpflichtung als kontextuelle Rahmenbedingung sollte einen
positiven Einfluss auf einen analytisch geprägten Urteils- und Entscheidungsprozess des
Recruiters ausüben. Der Fokus des Recruiters auf eignungsdiagnostisch relevante Inhalte im
Interview – und damit auch eine analytisch-systematische Informationsverarbeitung – sollte
durch seine Erwartung forciert werden, die Entscheidung im Nachhinein konkret zu
argumentieren oder sogar verteidigen zu müssen.
Analog sollte auch die Antizipation der Evaluation oder eines Feedbacks über die Qualität der
Entscheidung zum einen die Selbstaufmerksamkeit des Recruiters (vgl. Ausführungen in
Kapitel 5) dahingehend erhöhen, dass er versucht, diejenigen Entscheidungsregeln für seine
2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________
28
Entscheidung zu nutzen, die sich in der bisherigen Praxis als erfolgreich erwiesen und damit
empirisch bewährt haben.
Zum anderen sollte auch der Lerneffekt durch systematisches Feedback positive
Konsequenzen auf die Validität der genutzten Entscheidungsregeln haben.
Somit sollte ein Recruiter, dessen Entscheidungsregeln systematisch evaluiert werden,
differenziertere Entscheidungsstrategien und damit validere Entscheidungsregeln nutzen, als
ein Recruiter, der in seiner bisherigen eignungsdiagnostischen Tätigkeit noch kein Feedback
erhalten hat.
Die dabei grundsätzliche Problematik der Evaluation eignungsdiagnostischer
Entscheidungsprozesse wird noch in Kapitel 4.2 und 4.3 genauer erläutert.
Folglich können die organisationalen Rahmenbedingungen:
- Strukturiertheit des Interviews
- Konkretheit des Anforderungsprofils
- Rechenschaftsverpflichtung
- Systematik des Feedbacks
als entscheidende Determinanten für einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess
eines Recruiters angenommen werden. Es sollte ein positiver kausaler Zusammenhang
bestehen.
Der analytische Urteils- und Entscheidungsprozess eines Recruiters wird dabei in dieser
Arbeit als wesentliche Determinante für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen
angenommen.
In den folgenden Kapiteln sollen nun, zusätzlich zu den kontextuellen Einflussvariablen, auch
die persönlichen Einflussvariablen auf analytische oder intuitive eignungsdiagnostische
Urteils- und Entscheidungsprozesse identifiziert werden.
Im Fokus stehen hier die durch individuelle Lernprozesse erworbenen kognitiven Strukturen
des Recruiters sowie auch motivationale Faktoren.
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
___________________________________________________________________________________________
29
3. Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -
verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein
theoretisches Ideal?
Normative Theorien zur diagnostischen Urteilsbildung beschreiben also, wie induktive Urteile
idealerweise gebildet werden sollten: basierend auf empirisch gültigen Gesetzmäßigkeiten,
sollen vorliegende Daten nach statistischen Inferenzprinzipien oder mathematischen
Algorithmen zu einem Gesamturteil verdichtet werden (vgl. Betsch et al., 2011, S.36 sowie
Ausführungen in Kapitel 2.1). Für deduktive Urteile gilt entsprechend logisches
Schlussfolgern (ebd.).
Auch nach der normativen Nutzen x Erwartungs-Theorie nach Pascal bzw. subjektiver
Nutzen x Erwartungs-Theorie nach Bernoulli (1954)25 muss der Entscheider alle möglichen
Optionen mit den jeweiligen Konsequenzen und Eintrittswahrscheinlichkeiten vollständig
kennen, verarbeiten und in ein Urteil integrieren, um eine optimale nutzenmaximierte
Entscheidung treffen zu können.
Übertragen auf die Urteilsbildung im Einstellungsinterview bedeutet dies, dass der Recruiter
für jeden Bewerber eine Prognose darüber erstellen müsste, wie wahrscheinlich und in
welchem Ausmaß der Bewerber die jeweils tätigkeitsspezifischen Anforderungen erfüllen
wird, damit er diese Kriterien dann nach einem mathematischen Algorithmus verrechnen und
somit in ein Urteil münden lassen kann.
Die Prognose über die Eignung des Bewerbers basiert dabei auf den vorher
operationalisierten anforderungsspezifischen Beobachtungseinheiten. Diese Beobachtungs-
einheiten beziehen sich auf die geschilderten wie gezeigten Verhaltensweisen des
Bewerbers im Interview sowie auf seinen Werdegang und seine belegten Fachkenntnisse.
Das grundsätzliche Problem der Personenwahrnehmung und -beurteilung liegt allerdings
darin, dass das jeweilige zu prognostizierende Eignungsmerkmal nur durch Hinweise bzw.
Indikatoren indirekt erschlossen werden kann und deshalb den subjektiven Einflüssen des
Recruiters ausgesetzt ist26.
25 vgl. auch ANOVA-Modell nach Kelley (1967); jeweils aus Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.18/70f; 26 vgl. Forschungsfeld Social Cognition nach Fiske & Taylor (2008), Theorie des Stichprobenziehens nach Fiedler (2000), sowie Linsenmodell nach Brunswik (1943) und Social Judgement Theorie nach Hammond et al. (1975): Kernaussagen: Menschen können ihr Urteil über eine distale bzw. verborgene Variable nur über beobachtbare proximale Cues/ Hinweisreize/Stichproben erschließen;
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
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Aus dieser Problematik resultiert die Forderung, dass jene Schlussfolgerungen nach
empirisch geprüften Gesetzmäßigkeiten sowie nach expliziten Regeln erfolgen sollen, um
den subjektiven Einfluss zu verringern (Wottawa & Oenning, 2002; Westmeyer 1972).
Das Problem besteht nun aber hier wiederum darin, dass es an solchen empirisch geprüften
Gesetzmäßigkeiten mangelt (siehe Kapitel 2.1) und die eignungsdiagnostische Beurteilung
deshalb grundsätzlich durch die menschlichen Mechanismen der Wahrnehmung und
Beurteilung determiniert ist.
Diese Mechanismen der sozialen Wahrnehmung und Beurteilung sollen im folgenden Kapitel
kurz erläutert werden.
3.1 Grundlagen sozialer Wahrnehmung und Urteilsbildung
Bless, Fiedler & Strack (2004) haben den Prozess der Urteilsbildung in verschiedene Stufen
untergliedert: Wahrnehmung – Kategorisierung – Abgleich mit Gedächtnisinhalten –
Informationsintegration – Urteil. Urteilen impliziert demnach den Abruf von individuellen
Gedächtnisinhalten und ist folglich stets subjektiv geprägt.
In der Psychologie wird grundsätzlich von einem „seriellen Flaschenhals“ (Anderson, 2001,
S.75) der menschlichen Informationsverarbeitung gesprochen27. Dies bedeutet, dass der
Mensch nicht alle vorliegenden Informationen parallel verarbeiten kann, sondern
Informationen nur selektiv wahrgenommen und verarbeitet werden können.
Das Aktivierungspotenzial eines Reizes ist dabei ein wichtiger Faktor für die Aufmerksamkeit
in der Wahrnehmung. Das Aktivierungspotenzial ist dann besonders hoch, wenn ein Reiz
genügend salient ist, um Aufmerksamkeit zu erregen oder bereits erhöhte Aufmerksamkeit
für einen bestimmten Reiz besteht, durch aktivierte Schemata oder Erwartungen (Betsch et
al., 2011, S.25). Die Salienz eines Reizes ist wiederum abhängig von seiner Distinktheit,
Intensität, Neuigkeit und Lebhaftigkeit (ebd.).
27 vgl. auch Filtertheorie nach Broadbent, 1958; sowie das modale Gedächtnismodell nach Atkinson & Shiffrin, 1968;
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
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31
Grundsätzlich besteht der Wahrnehmungsprozess aus der Interaktion von
informationsgetriebenen Bottom-Up-Prozessen und schemagesteuerten Top-Down-
Prozessen (Forgas, 1999).
Wenn der Reiz bzw. Stimulus die Wahrnehmung steuert (z.B. aufgrund der hohen Salienz
eines Reizes) wird von Bottom-Up-Prozessen gesprochen. Wenn die Wahrnehmung durch
Gedächtnisinhalte bzw. ein aktiviertes Schema gesteuert wird, wird von Top-Down-
Prozessen gesprochen (Anderson, 2001, S.63).
Die Aufnahme, Verarbeitung und Interpretation von Informationen erfolgt also aus der
Interaktion von Person und Situation (Mischel & Shoda, 2008/1995). Das grundlegende
Paradigma hierbei ist das dynamisch-interaktionistische Paradigma.
Der Mensch – als Interaktionssystem – weist dabei mittelfristig stabile Dispositionen auf,
unterliegt jedoch langfristigen Veränderungs- und Anpassungsprozessen durch die Umwelt
bzw. individuellen Lernprozessen (Asendorpf, 2004; Endler & Magnusson, 1976).
Eine wichtige Rolle in der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -integration spielen somit
auch durch Lernprozesse und Erfahrungen erworbene kognitive Strukturen, die
bedeutungsbezogenes Wissen repräsentieren.
Solche kognitiven Strukturen, oder auch mentale Repräsentationen, sind dadurch
charakterisiert, dass sie den Bedeutungsgehalt von Informationen und die Beziehungen
zwischen den wahrgenommenen Elementen abstrahieren, kategorisieren und abspeichern
(Bless & Schwarz, 2002, S.260ff; Anderson, 2001, S.153).
Durch den Vorgang der Abstraktion wird konzeptuelles Wissen geschaffen, das in
sogenannten Schemata organisiert ist (Bartlett, 1932). Schemata erlauben nach Anderson
(2001, S.157) die „Enkodierung kategorialer Regelhaftigkeiten“ und sind „Abstraktionen
spezifischer Exemplare, die zu Schlussfolgerungen über Exemplare der in Schemata
repräsentierten Konzepte genutzt werden können“.
Deshalb können mit Hilfe der in einem aktivierten Schema abgespeicherten Information, auch
lückenhaft vorliegende Informationen im Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozess
vervollständigt werden. Anderson (2001, S.158) beschreibt dies als „nützlichen
Schlussfolgemechanismus“.
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
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32
Allerdings zeigten Owens, Bower & Black (197928) sowie Hamilton et al. (1990), dass dieser
Mechanismus auch dazu führen kann, den tatsächlichen Sachverhalt bei dessen
Reproduktion durch plausible Inferenzen zu erweitern. Die Gefahr besteht hier darin,
zusätzliche und womöglich falsche schemarelevante Informationen in einen bestimmten
Sachverhalt hinein zu interpretieren, oder aber die Information an das aktivierte Schema zu
assimilieren29. Schemata beeinflussen somit die Informationsintegration.
Aber auch der Prozess der Informationssammlung bzw. die Wahrnehmung wird durch
aktivierte Schemata beeinflusst.
Auf Basis seiner abgespeicherten Schemata baut ein Individuum Erwartungen und
Hypothesen bezüglich des Verhaltens seines Umfelds auf.
Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung (Bruner & Postman, 1951; Lilli & Frey,
1993) beschreibt Wahrnehmung in diesem Kontext als einen Kompromiss zwischen einer
subjektiven Erwartungshypothese (Top-Down) und den tatsächlichen Wahrnehmungsreizen
(Bottom-Up). Wie stark die Wahrnehmung durch solch eine Erwartungshypothese beeinflusst
wird, hängt dabei von ihrer Stärke und Verfügbarkeit ab.
Das Ziel eines Wahrnehmungsprozesses liegt grundsätzlich in der Bestätigung dieser
Erwartungshypothese. Die auf den individuellen Schemata basierenden Hypothesen lenken
dabei die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung auf die schemarelevanten Reize, die dann
weiter klassifiziert und interpretiert werden.
Schemata erleichtern deshalb die Wahrnehmung und Verarbeitung von schemakongruenten
Informationen. Dies wird auch als Bestätigungstendenz innerhalb der sozialen Wahrnehmung
bezeichnet (vgl. Snyder & Swann, 1978; Chapman & Chapman, 1967).
Individuen streben also grundsätzlich danach, ihr Hypothesen-System bzw. ihre Schemata zu
bestätigen30.
Diese Tendenz lässt sich sowohl durch die Entlastung in der Informationsverarbeitung
(Betsch et al., 2011, S.33) aber auch durch die kognitive Dissonanztheorie nach Festinger
(1978) erklären. Hiernach streben Menschen nach kognitiver Konsistenz. Dissonante,
miteinander unvereinbare Kognitionen erzeugen einen aversiven Spannungszustand,
welcher durch Veränderung der jeweiligen Kognitionen wieder aktiv ausgeglichen werden
28 aus Anderson, 2001, S.220f; 29 vgl. Assimilationseffekt nach Kelley, 1950; sowie Theorie der Kategorisierung/Stereotypisierung nach Feldman (1981); 30 vgl. auch das aus der Wechselwirkung zwischen Erwartungen und Verhaltensweisen resultierende Phänomen der Sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung nach Rosenthal, 1968;
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
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33
kann (vgl. spreading apart effect nach Brehm, 1957; sowie auch Frey & Gaska, 1993; Frey,
198131). Ebenfalls werden schemakonsistente Informationen auch besser erinnert. Gibt es
jedoch sehr auffällige Abweichungen im Wahrnehmungsprozess, werden schema-
inkonsistente Informationen besser erinnert (Stangor & McMillan, 199232).
Komplexe Wissensstrukturen werden auch mit dem Begriff mentaler Modelle oder impliziten
Persönlichkeitstheorien beschrieben. Diese sind „die Summe akkumulierter Erfahrungen und
Hypothesen darüber, wie Attribute und Persönlichkeitszüge bei anderen Menschen
organisiert sind“ (Forgas, 1999, S.36). Sie können auch Kategoriensysteme menschlicher
Persönlichkeit bzw. Eignungsmerkmale beinhalten und sind deshalb auch im Kontext der
Eignungsbeurteilung relevant (Schuler, 2002, S.86f).
Wahrnehmungs-, Informationsverarbeitungs- sowie Urteilsprozesse erfolgen also immer
selektiv sowie subjektiv und sind maßgeblich durch die Lernprozesse des Individuums
geprägt.
Auch Kühn, Platte & Wottawa (2006, S.75) definieren Beurteilung als „das Ergebnis von
Lernprozessen, die sich auf Sammlung, Klassifikation und Ordnung von Daten, auf deren
Verarbeitung und auf den Beurteilungsmaßstab beziehen“. Beurteilungen zeigen dabei
„interindividuelle Differenzen (Unterschiede zwischen Beurteilern aufgrund deren
Persönlichkeit und Lerngeschichte) und intraindividuelle Differenzen (Unterschiede bei einem
Beurteiler in Abhängigkeit von Beurteilungssituation und den beurteilten Personen“ (ebd.).
Somit unterliegen auch die Informationswahrnehmung und -verarbeitung im Kontext von
Einstellungsinterviews den individuellen Schemata und darauf basierenden Erwartungen und
Hypothesen des jeweiligen Recruiters. Schemata können deshalb zu Verzerrungen in der
Wahrnehmung und im Urteil führen (siehe auch Kapitel 2.4).
Analog zu den obigen theoretischen Erläuterungen zeigen Anderson & Shackleton (1990,
S.70f), dass Interviewer nicht dazu in der Lage sind, alle im Einstellungsinterview verfügbaren
Informationen aufzunehmen und optimal zu gewichten.
Auch Kanning & Leisten (2004)33 haben belegt, dass Beobachter in einem Assessment
Center die verbalen Äußerungen ausblenden und statt dessen vor allem die nonverbalen
31 jeweils aus Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.118; 32 aus Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.32; 33 aus Kanning, 2004, S.61;
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
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34
Informationen in ihr Urteil einbeziehen, da sich diese besonders schnell und ohne großen
kognitiven Aufwand verarbeiten lassen.
Fazit zu Kapitel 3.1:
Grundlagen sozialer Wahrnehmung und Urteilsbildung
Im Rahmen eignungsdiagnostischer Entscheidungen werden Prognosen über die Eignung
des Bewerbers erstellt.
Diese Prognosen resultieren aus Induktions- Repräsentations-, Korrelations- oder
Analogieschlüssen (Kühn, Platte & Wottawa, 2006, S.103) auf Basis des selektiv
wahrgenommenen Verhaltens des Bewerbers und sind deshalb grundsätzlich subjektiv
behaftet.
Dipboye (1992, S.14f) skizziert die Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung des
Interviewers in folgenden Schritten:
- Selektive Informationsaufnahme
- Attribution von Bewerberverhalten und Verhaltensergebnissen im Abgleich mit
Kategorisierungen
- Beurteilung
- Entscheidung
Durch Erwartungen aktivierte Schemata (bei Dipboye Kategorisierungen) steuern also die
selektive Informationsaufnahme des Recruiters.
Schema-aktivierende Erwartungen entstehen durch Vorinformationen über den Bewerber,
z.B. durch Bewerbungsunterlagen. Die tendenziell schemakongruente Information wird dann
in das aktivierte Schema integriert, kategorisiert und im Abgleich mit den Gedächtnisinhalten
interpretiert, bevor dann letztlich die eignungsdiagnostische Beurteilung und Entscheidung
erfolgt.
Die schemagetriebene Informationsverarbeitung (Top-Down) zeichnet sich dabei durch einen
geringen kognitiven Aufwand aus und kann deshalb schneller und automatischer, sogar
unbewusst erfolgen als eine systematisch-analytische Informationsverarbeitung (Bottom-Up)
(siehe auch Kapitel 5 zur Differenzierung der beiden grundsätzlichen Informations-
verarbeitungssysteme des Menschen).
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
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35
Die subjektive Komponente der schematischen Wahrnehmung und Beurteilung kann dabei
für eignungsdiagnostische Entscheidungsprozesse als besonders problematisch beurteilt
werden. Ein schematischer Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsprozess
entspricht damit nicht den normativen Kriterien einer analytisch geprägten
Eignungsdiagnostik, sondern besitzt einen eher intuitiv-kategorialen Charakter und sollte
deshalb das Risiko für undifferenzierte Entscheidungen und Urteilsfehler erhöhen.
Somit kann ein Zusammenhang zwischen schemagetriebener Wahrnehmung und einem
intuitiv geprägten Urteils- und Entscheidungsprozess von Recruitern angenommen werden.
Folglich kann für den auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters basierenden Faktor:
- Anwendung von Schemata
ein negativer kausaler Zusammenhang mit einem analytischen Urteils- und
Entscheidungsprozess postuliert werden.
Der Einfluss von individuellen Schemata auf die Einstellungsentscheidung sollte also
entsprechend den normativen eignungsdiagnostischen Forderungen minimiert werden.
Allerdings gibt es auch Arbeiten, die im Gebrauch von Schemata bzw. verkürzten
Urteilsstrategien einen Vorteil sehen, da diese die einzige Option für den Menschen
darstellen, in komplexen Entscheidungsrealitäten überhaupt Entscheidungen treffen zu
können.
Normative Entscheidungstheorien postulieren nach Gigerenzer, Todd & the ABC Group
(1999) dabei unerreichbare theoretische Ideale, die in der Praxis nicht anwendbar sind. Ein
Überblick über die Forschungsrichtung Nützlichkeit und Rationalität von Heuristiken
(Gigerenzer & Gaissmaier, 2011; Gigerenzer, Todd & the ABC Group, 1999; Gigerenzer,
1991) soll deshalb im folgenden Kapitel gegeben werden.
3.2 Der „homo heuristicus“ – die pragmatische Perspektive
Simon (2000) formulierte die These der begrenzten Rationalität, um menschliche
Entscheidungen zu beschreiben. Danach kann der Mensch deshalb nur begrenzt rational
entscheiden und handeln, weil er auch die Informationen seiner Umwelt nur begrenzt
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
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36
aufnehmen und verarbeiten kann34. Nach Simon (ebd., S.36) kann die ökonomisch geprägte
Maxime der Nutzenmaximierung deshalb nicht aufrecht erhalten werden.
Eine erfolgreiche Strategie zur Reduktion komplexer Informationen in der
Entscheidungsrealität ist dabei die Anwendung von Heuristiken.
Heuristiken sind verkürzte Urteilsstrategien, sogenannte Faustregeln, die Kapazität sparen,
aber auch zu systematischen Fehlern führen können (Betsch et al., 2011, S.38).
Auch Kahneman & Tversky (Gilovich, Griffin & Kahneman, 2002; Kahneman, Slovic &
Tversky, 1982) haben in ihrem Forschungsprogramm Heuristics-and-biases gezeigt, dass
Menschen von den normativen Entscheidungsmodellen abweichen und dabei systematische
Urteilsfehler produzieren35.
Allerdings erlauben Heuristiken in komplexen Situationen (Gigerenzer & Gaissmaier, 2011;
Gigerenzer, 2008; Todd & Gigerenzer, 2000) oder unter Unsicherheit (Goldstein &
Gigerenzer, 2011; Cosmides & Tooby, 1996), Entscheidungen überhaupt treffen zu können.
Gigerenzer und Kollegen haben deshalb auf der Kritik Simon`s am Konzept des homo
oeconomicus aufgebaut und das Konzept des homo heuristicus entwickelt (Gigerenzer &
Brighton, 2009; Gigerenzer, 2004).
Sie greifen mit dem Forschungsprogramm der Adaptiven Toolbox (Todd & Gigerenzer, 2001;
Gigerenzer & Selten, 2001; Gigerenzer, Todd & the ABC Group, 1999) folgende
Komponenten des Konzepts der begrenzten Rationalität auf: „die Grenzen menschlicher
Verarbeitungsfähigkeit und die Informationsstrukturen der Umgebungen, in denen Menschen
Urteile und Entscheidungen treffen müssen“ (Hoffrage, Hertwig & Gigerenzer, 2005, S.70).
Weil „optimale Strategien im Regelfall ein unerreichbares Ideal“ darstellen und somit
komplexen Realitäten nicht gerecht werden (ebd.), können einfache Such- und
Entscheidungsmechanismen somit als funktionale Anpassungsstrategie des Menschen an
komplexe Umwelten verstanden werden (vgl. auch Goldstein & Gigerenzer, 2002).
34 zu wahrnehmungspsychologischen Voraussetzungen siehe vorheriges Kapitel 35 Besonders gut erforschte Heuristiken sind nach Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.18/38f jeweils die
- Verfügbarkeitsheuristik: Leichtigkeit und Schnelligkeit mit der Gedächtnisinhalte abgerufen werden, bestimmen die geschätzte Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses (Combs & Slovic, 1979);
- Repräsentativitätsheuristik: Zuordnung von Wahrscheinlichkeit für ein spezielles Ereignis als Indikator eines allgemeinen Ereignisses; wie repräsentativ/typisch ein spezielles Ereignis wahrgenommen wird (Tversky & Kahneman, 1983);
- Ankerheuristik: Menschen generieren einen Bezugspunkt/ Anker, in dessen Richtung ihr Urteil verzerrt wird (Tversky & Kahneman, 1974; Ankereffekt auch belegt im Rahmen von Einstellungsinterviews: Kataoka et al., 1997);
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37
Die Rationalität von Heuristiken liegt deshalb in ihrer spezifischen Passung zu den
vorliegenden physikalischen und sozialen strukturellen Bedingungen der jeweiligen Situation
(Gigerenzer, 2001, S.38). Eine Heuristik sei folglich “nicht gut oder schlecht, rational oder
irrational per se, sondern relativ zu den vorliegenden Umweltbedingungen” (Gigerenzer,
2004, S.6536). Dies wird auch als ökologische Rationalität bezeichnet.
Gigerenzer (1991, S.22) sowie Cosmides & Tooby (1996, S.59ff) haben in diesem Kontext
ebenfalls den Begriff intuitiver Statistiker geprägt und gezeigt, dass sich viele vermeintliche
Urteilsfehler (bias) bei statistischer Überprüfung doch als genaue Urteile entpuppen, da das
heuristische Urteil jeweils auf spezifischen Wahrscheinlichkeitsberechnungen basiert.
Vor allem im Kontext der Unsicherheit zeigen Cosmides & Tooby (1996, S.62/64) damit, dass
Heuristiken als rationale und effektive Entscheidungsstrategie fungieren können (vgl. auch
Gigerenzer & Brighton, 2009).
Zwei zentrale effektive Heuristiken sind nach Goldstein & Gigerenzer (1999/2002) sowie
Hilbig et al. (2010) die Wiedererkennungsheuristik (recognition heuristic), bei welcher
zwischen zwei Alternativen diejenige gewählt wird, die den höchsten Wiedererkennungswert
aufweist, sowie die take-the-best-Heuristik37, die auf der satisficing rule nach Simon (1982)
aufbaut. Nach der satifsficing rule (Simon, 1982) wird diejenige erstbeste Option gewählt,
welche gleich oder besser dem Anspruchsniveau des Entscheiders entspricht. So ist der
Mensch in der Lage, auch in kurzer Zeit effektive, wenn auch nicht optimierte,
Entscheidungen zu treffen, da der Vergleich zwischen mehreren Alternativen entfällt, sobald
es eine Option gibt, die alle Kriterien erfüllt38.
36 Übersetzung der Autorin 37 oder auch lexicographic rule nach Fishburn, 1974; 38 Entscheidungen können grundsätzlich danach voneinander differenziert werden, ob sie kompensatorisch ausgerichtet sind oder nicht. Kompensatorische Entscheidungsstrategien erlauben den Ausgleich von positiven und negativen Merkmalsausprägungen, da die Konsequenzen einer Option mit ihren jeweiligen Nutzenwerten betrachtet werden. Bei nichtkompensatorischen Strategien werden die einzelnen Merkmalsdimensionen verschiedener Alternativen miteinander verglichen (Betsch et al., 2011, S.97f). Kompensatorische Entscheidungsregeln entsprechen dabei der Maximierungsregel, da erst alle Informationen integriert und verrechnet werden müssen, bevor eine Entscheidung getroffen werden kann. Nichtkompensatorische Strategien können schneller erfolgen, da der Informationssuchprozess dann abgebrochen werden kann, wenn eine passende Alternative bzw. ein spezifischer Cut-Off erreicht wurde (ebd.).
3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?
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38
Fazit zu Kapitel 3.2:
Der „homo heuristicus“ – die pragmatische Perspektive
Auch eignungsdiagnostische Entscheidungen scheinen in der Praxis zumeist auf
schematischen oder heuristischen Prozessen zu beruhen39.
Da der Recruiter in seiner Informationsverarbeitungskapazität begrenzt ist, muss er letztlich
auf verkürzte Urteilsstrategien zurückgreifen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, auch
wenn dies von einem streng analytischen Vorgehen abweicht.
Die normative Forderung nach einer vollständig systematisch-analytischen Informations-
verarbeitung stößt in der eignungsdiagnostischen Praxis also an ihre Grenzen.
Dies muss aber nicht zwingend bedeuten, dass verkürzte Urteilsstrategien und Schemata
eines Recruiters grundsätzlich Fehleinschätzungen produzieren müssen.
Möglicherweise können schematisch-heuristische Urteils- und Entscheidungsprozesse dann
in ihrer Validität gesteigert werden, wenn sie auf komplexem wie evaluiertem
Erfahrungswissen basieren. Durch evaluiertes Erfahrungswissen könnte der Recruiter im
Laufe seiner Tätigkeit ein ausdifferenziertes kognitives Hypothesen-System erworben haben,
welches ihn dazu befähigt, valide eignungsdiagnostische Entscheidungen zu treffen.
Deshalb soll im nächsten Kapitel, zusätzlich zur eben dargestellten schematisch-
heuristischen Charakterisierung von intuitiven Urteils- und Entscheidungsprozessen, auch
der Einfluss von Erfahrung und Expertise auf Intuition näher beleuchtet werden.
39 Der heuristische Entscheidungsprozess eines Recruiters kann jedoch mit Hilfe der Formulierung expliziter Entscheidungsregeln und Definition von Cut-Offs in mathematische Entscheidungsmodelle überführt und einer zukünftigen Evaluation zugänglich gemacht werden. Montel (2006) hat in seiner Arbeit das Konzept der simultanen Optimierung multipler Cutoffs entwickelt, um explizierte Entscheidungsregeln in ein disjunktives Expertenmodell zu überführen. Die Evaluation solcher Entscheidungsmodelle bietet dann die Möglichkeit, explizite sowie empirisch prüfbare Entscheidungsregeln für die Praxis abzuleiten und kann deshalb als viel versprechender Ansatz gewertet werden auf dem Weg zu einer analytischen Eignungsdiagnostik, wie in der normativen Theorie gefordert.
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
39
4. Intuition als Indikator für Expertise?
4.1 Vom „Novizen“ zum „Experten“ – von expliziten Entscheidungsregeln und
intuitiver Mustererkennung bei Urteils- und Entscheidungsprozessen
Grundsätzlich lässt sich zwischen expliziten und impliziten Gedächtnisinhalten unterscheiden.
Wissen, welches bewusst abgerufen werden kann, wird explizites Wissen genannt, das
Wissen, welches nicht oder nicht vollständig reproduziert werden kann, sich aber bei der
Ausführung einer Handlung zeigt, wird implizites Wissen genannt (Anderson, 2001, S.234).
Weiterhin wird zwischen prozeduralem und deklarativem Wissen unterschieden.
Implizites Wissen kann sowohl perzeptuelle (wahrnehmungsbezogene) als auch prozedurale
(tätigkeits- bzw. ablaufbezogene) Wissensinhalte abbilden. Deklaratives Wissen wird explizit
abgespeichert.
Implizit abgespeichertes, durch Erfahrung erworbenes Wissen wird häufig als Intuition
bezeichnet (Plessner, Betsch & Betsch, 2008; Lieberman, 2000). Intuition basiert demnach
auf implizit abgespeichertem Wissen, das durch assoziative Lernprozesse erworben wurde
(Lieberman, 2000). Auch Experten beschreiben ihre Entscheidungsprozesse mit Intuition.
Deshalb soll im Folgenden der Zusammenhang zwischen Expertenwissen und Intuition
genauer erläutert werden.
Wesentliche Arbeiten, die zum Verständnis des Erwerbs von Expertenwissen beigetragen
haben, sind die Untersuchungen von Chase & Simon (1973) und Hayes (1985).
Ericsson et al. (1993) sowie Bloom (1985) nehmen analog zu Hayes (1985) an, dass
Expertise nur durch großen Zeitaufwand bzw. Übung erreicht wird (vgl. auch Charness,
Krampe & Mayr, 1996).
Auch Anderson (2001, S.305) resümiert: „alle Belege deuten darauf hin, dass eine besondere
Gabe 90 Prozent harte Arbeit und 10 Prozent Inspiration bedeutet“. Hierbei ist, analog zum
Prinzip der Verarbeitungstiefe, eine zielgerichtete Übung die Voraussetzung für eine bessere
Gedächtnisleistung (ebd.).
Den Erwerb spezieller Fertigkeiten bzw. den Erwerb von Expertenwissen beschreiben
Anderson (1983) sowie Fitts & Posner (1967)40 mit drei aufeinander folgenden Lernphasen:
40 aus Anderson, 2001, S.282;
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
40
- Kognitive Phase
- Assoziative Phase
- Autonome Phase
In der kognitiven Phase „bilden Menschen eine deklarative Enkodierung der Fertigkeit aus“
(Anderson, 2001, S.282). Die einzelnen Wissenselemente werden explizit, Schritt für Schritt,
abgespeichert und auch abgerufen.
In der assoziativen Phase werden diese einzelnen Elemente oder Abfolgen stärker
miteinander verbunden, ebenfalls werden Fehler aufgedeckt und korrigiert. Das deklarative
Wissen wird in prozedurales Wissen überführt, dabei „wird die Verwendung deklarativen
Wissens durch die unmittelbare Anwendung prozeduralen Wissens abgelöst“ (Anderson,
2001, S.291). Das Wissen wird dann implizit-prozedural abgespeichert und wird auch
bevorzugt prozedural angewendet (vgl. Sweller, Mawer & Ward, 198341).
Dennoch können deklarative und prozedurale Wissensinhalte auch nebeneinander existieren,
dass heißt trotzdem noch explizit abgerufen werden (Anderson, 2001, S.283).
In der autonomen Phase automatisiert sich schließlich die Prozedur, sie benötigt immer
weniger Kapazität an Aufmerksamkeit und Verarbeitung, ebenfalls verbessern sich mit
zunehmender Übung auch Geschwindigkeit und Genauigkeit der Ausführung42 (ebd.).
Jenkins et al. (199443) konnten zeigen, dass sich die Lernphasen auch in unterschiedlich
aktivierten Hirnarealen niederschlagen. So zeigt sich, dass bei dem expliziten Abruf von
Wissen besonders der präfrontale Cortex aktiviert ist, bei der implizit-prozeduralen
Anwendung des Wissens hingegen stärker der posteriore Cortex aktiviert ist.
Dies spricht dafür, dass mit zunehmender Übung prozedurales Wissen aus dem Gedächtnis
abgerufen wird.
Auch Shiffrin & Schneider (1977, S.161) haben schon zwischen kontrollierten und
automatischen Prozessen der Informationsverarbeitung unterschieden und diese mit
Lernprozessen in Verbindung gebracht. So werden mentale Operationen bei neuen
Situationen kontrolliert ausgeführt, mit zunehmender Gewöhnung erfolgen sie aber immer
automatischer und mit zunehmender Performance.
41 aus Anderson, 2001, S.291; 42 vgl. Potenzgesetz des Lernens: Barnes (1979), Crossman (1959), Neves & Anderson (1981), Kolers (1979); sowie das Prinzip des Taktischen Lernens: Greeno (1974), Logan (1988); aus Anderson, 2001; 43 aus Anderson, 2001, S.293;
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
41
Ähnlich beschreiben auch Dreyfus & Dreyfus (1980/1986) den Erwerb von Expertenwissen.
Sie unterscheiden dabei folgende Stufen voneinander:
- Novize: ein Novize entscheidet nach explizit definierten Regeln, ohne den jeweiligen
Kontext mit in die Entscheidungssituation zu beziehen (Dreyfus & Dreyfus, 1986,
S.43f);
- Fortgeschrittener Anfänger: der fortgeschrittene Anfänger speichert situative
Elemente in spezifischen Erfahrungssituationen mit ab und erwirbt dadurch nach und
nach mehr kontextbezogenes Wissen (ebd., S.45f);
- Kompetenz: Kompetenz entwickelt sich im weiteren Lernprozess durch konkrete
Erfahrungen; die Angemessenheit der Entscheidungsregeln wird jeweils basierend
auf ihrer spezifischen Passung zum Kontext überprüft und als Richtlinie oder
Handlungsplan hierarchisch organisiert abgespeichert (ebd., S.46f);
- Profi: der Profi erkennt durch zunehmende praktische Erfahrung Muster und
Ähnlichkeiten zwischen einzelnen Situationen und speichert die jeweils relevanten
bzw. salienten Entscheidungshinweise (cues) ab; dadurch kann er die passende
Handlungsstrategie im weiteren Lernprozess intuitiv identifizieren (ebd., S.52f);
- Expertise: bei dem Experten erfolgt die Informationswahrnehmung und -verarbeitung
nach dem Prinzip der Mustererkennung schnell, unbewusst sowie hoch automatisiert
und triggert deshalb intuitiv die passende Handlung; diese intuitive Reaktion ist
deshalb möglich, da für jede Situation die passende Handlungsoption abgespeichert
und schnell verfügbar ist (ebd., S.53f);
Seine Entscheidungen begründet der Experte dann meist mit Intuition, da er die
entscheidungsrelevanten Prozesse nicht mehr schrittweise nachvollziehen und explizieren
kann. Tatsächlich sind hierbei jedoch komplexe und hoch automatisierte kognitive
Verarbeitungsprozesse wirksam, die flexibel und situationsadäquat angewendet werden
können (Plessner et al., 2008).
Die Informationsverarbeitung und Wissensreproduktion entwickelt sich im Prozess des
Erwerbs von Expertenwissen also von explizit hin zu implizit bzw. von deklarativ hin zu
prozedural.
Weiterhin stellen Larkin (1981) sowie Simon & Simon (1978) im Vergleich der
Problemlösungen von Novizen und Experten fest, dass Novizen primär rückwärtsgerichtete
Lösungsstrategien (Zwischenziele, Mittel-Ziel-Produktionen), Experten hingegen primär
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
42
vorwärtsgerichtete Lösungsstrategien verwenden. Experten konzentrieren sich dabei auf die
relevanten Inferenzen und greifen auf umfangreiches Fallwissen zurück.
Damit nutzen Novizen Top-Down-Prozesse, Experten hingegen Bottom-Up-Prozesse.
Auch Ross, Lussier & Klein (2005) nehmen in diesem Kontext an, dass sich Experten auf die
wichtigsten Aspekte der Entscheidung fokussieren und diese gründlicher verarbeiten.
Nach Anderson (2001, S.296) ist dies auch ein Hauptcharakteristikum des Erwerbs von
Expertenwissen: „Experten lernen, verschiedene Inferenzen mit unterschiedlichen
Merkmalsmustern des gestellten Problems in Zusammenhang zu bringen“.
Ebenfalls stellt Anderson (2001, S.297) fest, dass Experten Problemlösungen zuerst in die
Breite generieren, da „eine gesamte Ebene des Problembaums auf einmal erzeugt wird“,
während Novizen eine Teillösung zunächst in die Tiefe ausarbeiten, bevor sie sich dem
nächsten Schritt zuwenden (ebd.). Auch metakognitive Fähigkeiten scheinen bei Experten
stärker ausgebildet zu sein (Larkin, 1983).
Ein weiteres bedeutsames Prinzip des Erwerbs von Expertenwissen ist das Prinzip der
Mustererkennung (Connors et al., 2011; Gobet & Simon, 200044).
De Groot (1965) konnte bei Schachspielern zeigen, dass sich Experten von Novizen dadurch
unterscheiden, dass sie innerhalb von nur wenigen Sekunden die Positionen von über 20
vorher kurz dargebotenen Schachfiguren perfekt rekonstruieren konnten, während die
Novizen nur 4-5 Figuren korrekt aufstellen konnten.
Experten integrieren die vorliegenden Informationen in ihre komplexen durch Erfahrung
erworbenen kognitiven Strukturen und speichern somit ganze Muster, statt einzelne
Positionen ab (auch Connors, Burns & Campitelli, 2011; Chase & Simon, 1973).
Letztlich handelt es sich hier um komplexe Schemata. Das Schachmuster-Schema hilft dem
Experten allerdings dann nicht mehr weiter, wenn die Figuren nur zufällig angeordnet
dargeboten werden. Dies spiegelt sich dann entsprechend in nur wenig richtig
Reproduktionen wieder (De Groot, 1965; Charness, 1976; vgl. auch Hacker, 1994 sowie
Carraher et al., 1985 zum beschränkten Transfer von Expertenwissen).
Newell & Simon (1972) erklären die Überlegenheit von Schachexperten auch dadurch, dass
einzelne wieder erkannte Muster (Wenn-Bedingung) kognitiv direkt mit einer passenden
44 aus Gobet & Charness, 2006, S.533;
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
43
Problemlösung (Dann-Handlung) verknüpft sind. Diese Problemlösung ist damit Teil des
komplexen Experten-Schemas und muss nicht, wie bei Novizen, erst generiert werden (vgl.
auch Gobet & Charness, 2006, S.531).
Dadurch verfügen Experten ebenfalls über eine erhöhte Speicherkapazität für Informationen
aus ihrem Spezialgebiet (Charness, 1976; Chase & Simon, 1973). Experten können sich
somit zum Beispiel sowohl größere als auch mehr Schachmuster (Reingold et al., 200145;
Chase & Simon, 1973) sowie längere Ziffernfolgen (Chase & Ericsson, 1982) merken und
diese auch wieder abrufen.
Eine Übersicht über weitere Studien zu Expertise bieten Gobet & Charness (2006), Clancey
(2006), Starkes & Ericsson (2003) sowie Ericsson & Smith (1991).
Fazit zu Kapitel 4.1:
Vom „Novizen“ zum „Experten“ – von expliziten Entscheidungsregeln und intuitiver
Mustererkennung bei Urteils- und Entscheidungsprozessen
Intuition wird im Kontext von Expertenwissen vor allem durch das Prinzip der
Mustererkennung beschrieben.
Simon (1992, S.15546) hat Intuition dementsprechend wie folgt definiert: „Die Situation gibt
einen Cue vor: dieser Cue aktiviert das im Gedächtnis gespeicherte Wissen des Experten
und führt zu einer Antwort. Intuition ist nicht mehr oder weniger als Wiedererkennung“
(recognition47). Auch laut Lieberman (2000) erkennen Experten eine Situation bzw. einen Cue
als relevant und können deshalb schnell aus dem Gedächtnis die passende Reaktion
abrufen48.
Übertragen auf den Prozess eignungsdiagnostischer Urteile und Entscheidungen könnte der
Erwerb von Expertenwissen somit seinen Anfang in der Anwendung expliziter
Entscheidungsregeln nehmen, die mit zunehmender Erfahrung auch auf die Passung zu
spezifischen Situationen und Kontexten hin überprüft und abgespeichert werden.
45 aus Gobet & Charness, 2006, S.529; 46 aus Kahneman & Klein, 2009, S.520; Übersetzung der Autorin; 47 Diese expertenspezifische Mustererkennung wird allerdings von der verkürzten Urteilsstrategie der Wiedererkennungsheuristik (recognition heuristic) nach Goldstein & Gigerenzer (1999, siehe auch Kapitel 3.2) unterschieden (ebd.). 48 Dies wird auch mit dem Begriff recognition primed decision beschrieben (Klein, 1989). Lokalisiert wird intuitives Entscheiden im limbischen System. Handlungsabsichten entstehen hier durch den Abgleich von Situationen mit den neuronal abgespeicherten Reizmustern. Soon et al. (2008) konnte sogar zeigen, dass Handlungsimpulse schon bis zu ca. 8 Sekunden vorher im limbischen System neuronal sichtbar wurden, bevor die Handlung tatsächlich ausgeführt wurde.
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
44
Durch verschiedene Einstellungsinterviews mit verschiedenen Bewerbern wird der Recruiter
so im Laufe seiner Tätigkeit Ähnlichkeiten und Muster zwischen einzelnen Bewerbern und
deren Verhaltensweisen erkennen und diese in sein stellenspezifisches kognitives Schema
integrieren.
Seine Entscheidungsregeln kann er dann in neuen Kontexten und Situationen mit anderen
Bewerbern überprüfen und evaluieren. So kann er sich über den Zeitverlauf verschiedene
stellenrelevante kognitive Hypothesen-Systeme erarbeiten, die er in jedem neuen
Einstellungsinterview auf deren Validität prüft und im Gespräch mit dem Bewerber
systematisch abtestet, um zu einer eignungsdiagnostischen Entscheidung zu gelangen.
Dies setzt allerdings einen konsequent analytischen Prozess der Urteils- und
Entscheidungsfindung sowie eine disziplinierte Selbstreflektion voraus.
Ebenfalls muss der Recruiter explizite Entscheidungsregeln formulieren, die er mit
zunehmender Erfahrung systematisch überprüft, modifiziert und ausdifferenziert.
Ob diese Bedingungen in der eignungsdiagnostischen Praxis tatsächlich zutreffen, bleibt
vorerst anzuzweifeln (siehe Kapitel 4.2 und 4.3).
Falls der Lernprozess im Einzelfall jedoch wie beschrieben erfolgen sollte, bleibt weiterhin
fraglich, ob der Entscheidungsprozess eines Recruiters tatsächlich die Entwicklung von
expliziter hin zu impliziter Informationsverarbeitung durchläuft, da als Voraussetzung für den
Erwerb eignungsdiagnostischer Expertise ein explizit-analytischer Informationsverarbeitungs-
prozess angenommen werden muss.
Ein eignungsdiagnostischer Experte, der seine Entscheidungsregeln jahrelang kritisch
reflektiert und modifiziert hat, sollte somit zwar schneller und treffsicherer in seinen
Ableitungen und Beurteilungen werden, da er sich direkt auf die relevanten Cues und
Inferenzen konzentriert. Er sollte allerdings trotzdem noch dazu in der Lage sein, diese
Entscheidungsregeln auch explizit zu formulieren.
So kann, bezogen auf den Abruf des Expertenwissens, möglicherweise ein Unterschied
zwischen einem Schachexperten und einem eignungsdiagnostischen Experten bestehen.
Letzterem sollte es leichter fallen, seine Entscheidungsregeln, die er wie auch der
Schachexperte automatisch und intuitiv anwendet, zu explizieren.
Dieser Aspekt soll auch in der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt werden.
Eignungsdiagnostische Expertise wird hier also im Kontrast zu den bisher vorliegenden
theoretischen Arbeiten, nicht mit intuitiven Urteils- und Entscheidungsprozessen sondern mit
analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen in Verbindung gebracht.
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
45
Folglich wird für den auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters basierenden Faktor:
- Expertise
ein positiver kausaler Zusammenhang mit einem analytischen Urteils- und
Entscheidungsprozess angenommen.
4.2 Zur Validität der Lernumgebung als Prämisse für den Erwerb von
Expertenwissen
Yates (2001, S.24) hat am Stufenmodell des Erwerbs von Expertenwissen kritisiert, dass das
Modell den Kontext bzw. die Validität der Lernumgebung nicht berücksichtigt. Dieser Einwand
ist im Zusammenhang der Diskussion um Expertenwissen von Recruitern von besonderer
Bedeutung und wird im Folgenden noch weiter ausgeführt.
Kahneman & Klein (2009) haben sich der Lernumgebung als entscheidende Bedingung für
den Erwerb von Expertise gewidmet. Sie haben die Gegensätze wie Gemeinsamkeiten
zwischen den Forschungsrichtungen Heuristics and Biases und Naturalistic Decision Making
bezogen auf die jeweilige Definition von Intuition beschrieben.
Ausgehend von der Tatsache, dass sich intuitive Expertenentscheidungen in der Realität
sowohl außerordentlich zutreffend, manchmal aber auch außerordentlich fehlerbehaftet
zeigen (ebd., S.518), erklären die Autoren die Bedingungen, die intuitive Expertise (true
intuitive skill) von intuitiver Selbstüberschätzung (overconfident and biased impressions)
unterscheiden.
Die Forschungsrichtung NDM (Naturalistic Decision Making) fokussiert sich grundsätzlich auf
die positiven Aspekte von Intuition und wurzelt in der Expertise-Forschung (siehe vorheriges
Kapitel). Hier wird Intuition als Mustererkennung beschrieben.
Das Validitätskriterium an dem sich die Beurteilung des Expertenurteils ausrichtet, ist dabei
das Expertenurteil selbst (Kahneman & Klein, 2009, S.519).
Analog zu Shanteau`s (1992, S.25549) Definition „Experten werden definiert, als diejenigen,
die innerhalb ihrer Profession das höchste Level ihrer Fertigkeiten erworben haben“50, fehlt
hier also das Außenkriterium.
49 aus Kahneman & Klein, 2009, S.519; 50 Übersetzung der Autorin
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
46
Der Forschungsschwerpunkt liegt auf realen (naturalistic) Entscheidungssituationen, deshalb
ist die Forschungsrichtung NDM den deskriptiven Entscheidungstheorien zu zuordnen.
Die Forschungsrichtung HB (Heuristics and Biases) hingegen, nutzt die Ergebnisse
mathematischer Modelle als Validitätskriterium und ist damit den normativen Ansätzen der
Entscheidungstheorien hinzu zu ordnen.
Demzufolge definieren Vertreter der Forschungsrichtung NDM Intuition als erfahrungsbasiert
bzw. basierend auf Expertenwissen (im Folgenden expertise-basiert), Vertreter der HB
hingegen als heuristisch und damit fehlerbehaftet (ebd., S.519).
Als entscheidende differenzierende Faktoren zwischen heuristischer oder expertise-basierter
Intuition nennen Kahneman & Klein (2009, S.519f) zum einen valide Lernumgebungen und
zum anderen Möglichkeiten der Evaluation. Die Lernumgebung muss also valide Cues für die
jeweilige Lernsituation bereitstellen und Möglichkeiten bieten, diese relevanten Cues auch zu
evaluieren.
Valide Lernumgebungen werden dabei als „kausale und statistische Struktur“ (ebd., S.520)
verstanden. Diese Bedingungen bleiben in der Entscheidungsrealität jedoch häufig unerfüllt,
entweder dadurch, dass die Lernumgebung bzw. der Kontext schlicht nicht prognostizierbar
ist oder weil keine expliziten Entscheidungsregeln verfügbar sind, die erlernt werden könnten
(ebd., S.521).
Hoch-valide Lernumgebungen zeichnen sich dadurch aus, dass stabile Beziehungen
zwischen „objektiv identifizierbaren Cues“ und deren „Outcomes“ vorliegen (ebd., S.524).
Kahneman & Klein (2009, S.524) resümieren: „Wenn eine Lernumgebung sowohl valide
Cues als auch eindeutiges Feedback zur Verfügung stellt, wird sich expertenbasierte Intuition
entwickeln“51. Die Validität und die Unsicherheit einer Lernumgebung schließen sich dabei
nicht aus (ebd.).
Auch Hogarth (2002) hat die Lernumgebung als wesentliche Voraussetzung für die
Entstehung intuitiver Expertise berücksichtigt. Er unterscheidet positive Lernumgebungen
(kind), in denen eindeutiges Feedback über die Güte von Entscheidungen vorhanden ist, von
negativen Lernumgebungen (wicked), in denen falsches oder unvollständiges Feedback
vorherrscht.
51 Übersetzung der Autorin
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
47
Fazit zu Kapitel 4.2:
Zur Validität der Lernumgebung als Prämisse für den Erwerb von Expertenwissen
Experten scheinen nach dem Prinzip der Mustererkennung zu entscheiden.
Sie haben komplexe kognitive Schemata erworben, die es ihnen erlauben, aufgrund eines
spezifischen Cue automatisch und intuitiv die passende Handlungsstrategie zu generieren.
Ein vermeintliches Experten-Schema kann aber auch zu Urteilsfehlern und falschen
Entscheidungen führen, wenn keine validen Lernumgebungen für den Erwerb von
Expertenwissen zur Verfügung gestanden haben.
Entscheidende Bedingungen für die Ausbildung von expertise-basierter statt heuristischer
Intuition sind somit die Validität der Lernumgebung und ein disziplinierter analytischer Urteils-
und Entscheidungsprozess, der im gesamten Lernprozess immer wieder kritisch reflektiert
und modifiziert wird.
Bezogen auf die Validität der Lernumgebung des Recruiters kann an dieser Stelle bereits
festgehalten werden, dass für den Kontext des Einstellungsinterviews weder objektiv
identifizierbare Cues noch stabile Beziehungen zwischen den Cues und deren prognostischer
Outcomes vorliegen, da die jeweiligen Eignungsmerkmale nur aus individuell unterschied-
lichen Verhaltenshinweisen erschlossen werden können (siehe Kapitel 3.1).
Wie auch in Kapitel 2.1 erläutert, liegen für den Recruiter dabei keine bzw. nur unzureichend
empirisch fundierte explizite Entscheidungsregeln vor, die für den Lernprozess zum Experten
aber zwingende Voraussetzung sind52.
Deshalb muss der Recruiter seine eigenen individuellen Entscheidungsregeln explizieren und
im weiteren Lernprozess evaluieren, um potenziell von expertise-basierter Intuition profitieren
zu können.
Die Schwierigkeit liegt dabei schlicht in der unzureichenden Verfügbarkeit evaluativer
Elemente in der Praxis. Dadurch wird der Erwerb von eignungsdiagnostischem
Expertenwissen noch weiter erschwert (siehe nächstes Kapitel), da es auch hier an stabilen
Relationen zwischen Cues und Outcomes mangelt.
Die Lernumgebung des Recruiters und damit verbunden die schwierige Überprüfung der
Validität eignungsdiagnostischer Entscheidungen soll im nächsten Kapitel abschließend
erläutert werden. 52 Dies spricht auch für den Einsatz sequentieller Personalauswahlverfahren, in denen das Einstellungsinterview durch psychologische Messverfahren ergänzt wird.
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
48
Dabei werden der Lernprozess des Recruiters beschrieben sowie intuitive
Entscheidungsmuster hinsichtlich der kontroversen Perspektive Expertenwissen oder doch
nur nicht-evaluierte Routine53? diskutiert.
4.3 Lernen ohne Feedback? – zum Dilemma „richtiger“ intuitiver
eignungsdiagnostischer Entscheidungen
Die Evaluation von eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen sollte zu
einer Reflektion des eigenen Vorgehens sowie zu einer Modifizierung genutzter
Entscheidungsregeln führen. Dies sollte, wie oben bereits erläutert, im weiteren Verlauf zum
Aufbau von Expertenwissen und valideren eignungsdiagnostischen Urteilen und
Entscheidungen führen.
Die Evaluation der prognostischen Validität einzelner eignungsdiagnostischer
Entscheidungsfälle, und damit auch die Entwicklung eignungsdiagnostischer Expertise, zeigt
sich grundsätzlich allerdings deshalb problematisch, da Recruiter in nur wenigen
Unternehmen und Organisationen überhaupt eine Rückmeldung über den Erfolg ihrer
Entscheidungen erhalten bzw. sich darum bemühen (Schuler, 2002, S.122).
Personaldiagnostische Defizite lassen sich auch nach Kanning (2004, S.75) nur schwierig
entdecken. Ohne eine systematische Evaluation werden meist nur extreme
Fehlentscheidungen (z.B. außerordentliche Kündigungen) erkannt, deren Ursachen dann
nicht eindeutig dem eignungsdiagnostischen Prozess zugeordnet werden können.
Zudem bleibt auch das mögliche Outcome-Feedback immer nur einseitig, da in
Validitätsstudien nur diejenigen Personen berücksichtigt werden können, die auch eingestellt
wurden (Fiedler, 1995). Über die abgelehnten Bewerber gibt es gar keine Rückmeldung
(Schuler, 2002, S.122).
Da eine potenzielle Rückmeldung über die Bewährung des Mitarbeiters somit wenn
überhaupt nur sporadisch und zeitversetzt erfolgt, können in der Regel keine
Schlussfolgerungen mehr darüber, an welchen Punkten die Urteilsstrategie des Recruiters
fehlerbehaftet gewesen ist, sowie entsprechende Optimierungsansätze aus dem Feedback
abgeleitet werden.
53 im Sinne Kahneman`s & Klein`s (2009, S.518) intuitiver Selbstüberschätzung
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
49
Deshalb fordern Wottawa & Hossiep (1987, S.62ff) sowie Wottawa & Oenning (2002, S.50ff)
eine kontinuierliche Verbesserung des diagnostischen Entscheidungssystems, welches auf
dem einzelfallbezogenen Lernen in der Praxis aufbauen soll (vgl. auch Montel, 2006).
Es mangelt also nicht nur an stabilen Relationen zwischen Cues und Outcomes, sondern
zusätzlich noch an Möglichkeiten der Evaluation. Diese Bedingungen sind jedoch, wie im
vorherigen Kapitel bereits ausgeführt, essentiell für den Aufbau von Expertenwissen (vgl.
auch Einhorn & Hogarth, 1978).
Doch wie lernen Recruiter zu entscheiden, wenn sie kaum oder nur ungenügendes Feedback
über die Qualität ihrer Entscheidungen erhalten?
Wottawa & Oenning (2002, S.50) sowie Wottawa & Hossiep (1987, S.61) beschreiben den
Lernprozess eines Diagnostikers anhand des Paradigmas Lernen am Modell bzw. Lernen
durch Nachahmung (vgl. Bandura, 1979): „Man begleite den „Experten“ bei seiner
diagnostischen Vorgehensweise und erarbeite sich durch „Nachahmen“ ein implizites
Regelsystem“ (Wottawa & Oenning, 2002, S.50). Ein Novize wird in der Regel solange
geschult, bis seine Entscheidungen größtmöglich mit denen des vermeintlichen Experten
übereinstimmen. Das Entscheidungssystem des Vorgängers ist dabei in der Regel entweder
durch seine eigenen subjektiven Erfahrungen oder durch institutionelle Normen des
jeweiligen Unternehmens geprägt (ebd.).
Wenn kein Regelsystem vorliegt, das übernommen werden könnte, muss der Diagnostiker
„unter dem Entscheidungsdruck“ ein individuelles subjektives Regelsystem aufbauen, um
Entscheidungen treffen zu können, denn „irgendetwas muss ja über den Bewerber gesagt
werden“ (ebd.).
Wenn also die evaluative Komponente fehlt, wird das erworbene implizite Regelsystem “nach
dem Prinzip Lernen durch Wiederholung immer weiter verstärkt“ (ebd.) und führt somit zu
einer Verfestigung subjektiver Entscheidungsregeln und einem illusorischen Vertrauen in das
vermeintliche diagnostische Expertenwissen.
Somit bleibt die Validität von subjektiven und übernommenen Entscheidungsregeln
grundsätzlich anzuzweifeln, wenn diese nicht evaluiert wurden.
Durch die Übernahme oder den eigenen Erwerb solch subjektiver Entscheidungsregeln
könnte folglich der Fall eintreten, dass ein „Experte“ jahrelang intuitiv und sicher, aber
objektiv falsch entscheidet.
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
50
Das vermeintliche Expertenwissen eines Recruiters könnte sich daher auch als bloßes nicht-
evaluiertes routiniertes Schema erweisen.
Routinierte Entscheidungen zeichnen sich dabei wie Expertenentscheidungen durch nur
geringe Nutzung kognitiver Ressourcen aus. Der kognitive Aufwand besteht primär im
matching der vorliegenden Entscheidungssituation mit den im Gedächtnis abgespeicherten
Schemata für diese Situation (siehe Kapitel 4.1 zum Prinzip der Mustererkennung).
Betsch et al. (2001) konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass bei wiederkehrenden
Entscheidungen widersprüchliche Informationen an Einfluss verlieren. Routinierte
Entscheidungen verstärken also noch die Bestätigungstendenz innerhalb der
Informationswahrnehmung und -verarbeitung und erhöhen damit die Gefahr von
Urteilsfehlern.
Auch die uneinheitlichen Befunde zu positiven und negativen Effekten von Erfahrung auf die
Interviewervalidität bestätigen die schwierige Differenzierung zwischen Expertise und
Routine.
Ausgehend von den Erläuterungen über das Phänomen der Expertise ließe sich vermuten,
dass „Interviewexperten“, aufgrund ihrer schnellen und differenzierten Mustererkennung
sowie jahrelangen Erfahrung, im Vergleich zu „Interviewnovizen“, auch zu mehr treffsicheren
Personalentscheidungen gelangen.
Diese Annahme konnte bisher allerdings nicht eindeutig bestätigt werden (Ryan & Sackett,
1989; Szucko & Kleinmuntz, 1981; Wiener & Schneiderman, 1974; Oskamp, 1962; Goldberg,
1959). Allerdings konnte ein Milde-Effekt für unerfahrene Interviewer nachgewiesen werden
(Furnham & Burbek, 1989, S. 398ff).
Dipboye & Jackson (1999) konnten ebenfalls zeigen, dass sich die Urteile erfahrener
Interviewer nicht von den Einschätzungen der Interviewer ohne Interviewerfahrung
unterscheiden. Sie folgerten daraus, dass Erfahrung nur dann einen positiven Effekt hat,
wenn sie mit erhöhter kognitiver Komplexität assoziiert ist (vgl. auch Graves, 1993).
Gehrlein, Dipboye & Shahani (1993, S.462ff) konnten sogar einen negativen Effekt von
Erfahrung auf die Validität einer Beurteilung nachweisen. So erreichten unerfahrene
Interviewer in der Beurteilung von Bewerbern auf zwölf Motivations- und
Kommunikationsskalen eine höhere Gesamtvalidität als erfahrene Interviewer. Die
erfahrenen Interviewer dagegen, beschwerten sich über die vorgegebenen Strukturen und
berücksichtigten bei ihrer Beurteilung nicht alle Ratingskalen.
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
51
Die Befunde belegen also, dass im Rahmen eignungsdiagnostischer Entscheidungen
Erfahrung nicht nur als Indikator für Expertise, sondern gleichermaßen als Indikator für nicht-
evaluierte Routine fungieren kann.
Zur Differenzierung zwischen Expertise und Routine hilft somit auch hier die
Berücksichtigung der Validität der Lernumgebung sowie der Möglichkeit zu Evaluation.
Erfahrene Interviewer besitzen jedoch mehr Sicherheit über ihre eigenen Leistungen und
beurteilen diese dementsprechend positiver als weniger erfahrene Interviewer (Einhorn &
Hogarth, 1978; Fischhoff, Slovic & Lichtenstein, 1977).
Auch Kleinmuntz (1990, S.298) hat das Phänomen des overconfidence beschrieben, was so
viel bedeutet wie übersteigertes Selbstvertrauen (vgl. auch Kahneman & Klein, 2009, S.518f;
Kap 4.2). Er stellte fest, dass Diagnostiker, die ein überhöhtes und zumeist ungerechtfertigtes
Vertrauen in die eigenen diagnostischen Fähigkeiten besitzen, besonders starke
Bestätigungstendenzen bei ihrer Urteilsfindung aufweisen. Dies behindert sie anschließend
auch dabei, aus den Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu lernen (vgl. auch Einhorn &
Hogarth, 1978).
Posthuma, Morgan & Campion (2002, S.32) resümieren, dass die zukünftige Forschung die
relevanten Einflussfaktoren auf positive oder negative Effekte von Erfahrung identifizieren
sollte, da aufgrund der bisherigen Ergebnisse keine eindeutigen Schlussfolgerungen gezogen
werden können.
Dies liegt letztlich auch an der nur ungenügenden Evaluation des eignungsdiagnostischen
Prozesses und der dadurch schwierigen Verfügbarkeit von Evaluationskriterien.
Fazit zu Kapitel 4.3:
Lernen ohne Feedback? – zum Dilemma „richtiger“ intuitiver eignungsdiagnostischer
Entscheidungen
Der Lernprozess von Recruitern scheint in der Regel aus der Übernahme der subjektiven
Entscheidungsregeln des Vorgängers oder dem Erwerb eigener subjektiver
Entscheidungsregeln zu bestehen.
Deshalb kommt auch der Einarbeitung eines Recruiters eine besondere Bedeutung im
Hinblick auf die analytische Ausprägung seines eignungsdiagnostischen Urteils- und
Entscheidungsprozesses zu.
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
52
Eine systematische Einarbeitung, bei der explizite (möglicherweise auch objektiv falsche)
Entscheidungsregeln formuliert und schließlich eigenständig angewendet werden, sollte sich
in einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess manifestieren, da die expliziten
Entscheidungsregeln dem Novizen als Bezugsrahmen für seine Entscheidungen dienen und
er diese folglich auch bewusst explizit anwendet, vielleicht sogar im weiteren Lernprozess
validiert und modifiziert.
Am Anfang des Validierungsprozesses eignungsdiagnostischer Entscheidungsregeln steht
somit immer die Explikation derselbigen.
Sind aber keine expliziten Entscheidungsregeln während der Einarbeitung verfügbar, oder
unternimmt der Recruiter keine Anstrengungen, seine eigenen subjektiven und zumeist
implizit abgespeicherten Entscheidungsregeln zu explizieren, steigt das Risiko für
schematisch-heuristische Entscheidungsstrategien und die Verfestigung dieser durch die
simple Wiederholung derjenigen.
Somit kann ein Zusammenhang zwischen subjektiven Entscheidungsregeln sowie
schemagetriebener Wahrnehmung und einem intuitiv geprägten Urteils- und
Entscheidungsprozess von Recruitern angenommen werden.
Folglich kann für den auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters basierenden Faktor:
- Subjektive Entscheidungsregeln
ein negativer kausaler Zusammenhang mit einem analytischen Urteils- und
Entscheidungsprozess postuliert werden.
Der Einfluss solch impliziter subjektiver Entscheidungsregeln auf die Einstellungs-
entscheidung sollte also entsprechend den normativen eignungsdiagnostischen Forderungen
minimiert werden.
Gemäß der Annahme, dass der Recruiter seine subjektiven Entscheidungsregeln explizieren
und im weiteren Lernprozess evaluieren muss, um potenziell von Expertenwissen profitieren
zu können, bedeutet dies ebenfalls, dass er eigene Anstrengungen zur Evaluation
unternehmen muss, da seine normale Lernumgebung ansonsten nur wenig Möglichkeiten zur
Evaluation bereitstellt.
Mögliche Outcome-Variablen, die ihm als Evaluationskriterien dienen könnten, können sich
zum Beispiel in konkreter beruflicher Leistung wie Projekterfolgen, Führungsakzeptanz,
Teamintegration oder Kundenzufriedenheit niederschlagen.
4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________
53
Diese sollten dann am leichtesten verfügbar sein, wenn der Recruiter und der ehemalige
Bewerber zusammenarbeiten. Wenn jedoch, wie im Normalfall, nach der Einstellungs-
entscheidung kein Kontakt mehr zwischen Recruiter und ehemaligem Bewerber besteht, liegt
es in der Eigenverantwortung des Recruiters, seine Prognosen zu evaluieren und sich dafür
die entsprechenden Informationen verfügbar zu machen.
Deshalb sollten auch motivationale Faktoren einen Einfluss auf entweder analytische oder
intuitive Informationsverarbeitungsstrategien eines Recruiters haben.
Der Zusammenhang zwischen persönlichem Involvement und den Entscheidungsmodi
analytisch vs. intuitiv wird deshalb im nächsten Kapitel erläutert.
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
54
5. Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte
5.1 Zwei-Prozess-Modelle und das persönliche Involvement als relevanter Faktor
für den Urteils- und Entscheidungsmodus
Um menschliche Informationsverarbeitungs- sowie Urteils- und Entscheidungsprozesse zu
beschreiben und in ihrer Tiefe und Elaboration voneinander zu unterscheiden, dienen
sogenannte Zwei-Prozess-Modelle als theoretischer Rahmen für die empirische
Entscheidungsforschung.
Es werden grundsätzlich zwei verschiedene Systeme der Informationsverarbeitung und
Urteilsbildung voneinander abgegrenzt (zur Übersicht Plessner et al., 2008; Stanovich &
West, 2000; Chaiken & Trope, 1999; Sloman, 1996).
Die Informationsverarbeitungssysteme werden inhaltlich zwar mit denselben Konstrukten
beschrieben, aber teilweise unterschiedlich benannt. Grundsätzlich wird zwischen einem
assoziativen und einem regelbasierten System der Urteilsbildung unterschieden.
Dem assoziativen System werden implizite, automatische, assoziative und unbewusste
Prozesse zugeordnet, die nur schwer verbalisierbar sind. Dem regelbasierten System werden
bewusste Aufmerksamkeit, kognitive Anstrengung, regelbasiertes und explizites Entscheiden
zugeordnet.
Das implizite und das explizite System spielen auch eine besondere Rolle im Erwerb von
Expertenwissen. Hier wurde gezeigt, dass mit zunehmender Expertise vor allem implizite
Informationsverarbeitungsprozesse an Bedeutung gewinnen (siehe Kapitel 4.1).
Im Folgenden soll die Differenzierung zwischen den beiden Urteilsmodi anhand einiger
exemplarisch ausgewählter Arbeiten detaillierter dargestellt werden.
Usher et al. (2011, S.1) differenzieren, basierend auf mittlerweile 20 Jahren kognitiver
Forschung54, das erfahrungsbasiert-intuitive System und das rational-deliberate System
voneinander.
54 Epstein, 1994; Sloman, 1996; Evans, 2003/2008; Kahneman, 2003; Ferreira et al., 2006; Kahneman & Frederick, 2007; Keren & Schul, 2009; jeweils aus Usher et al. (2011, S.1)
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
55
Das erfahrungsbasiert-intuitive System verarbeitet Informationen „schnell, affektiv, parallel,
assoziativ und holistisch“ (ebd.55). Das Ergebnis der Informationsverarbeitung wird dabei
bewusst wahrgenommen, die vorhergehenden mentalen Operationen gelangen allerdings
nicht ins Bewusstsein (ebd., S.10). Das rational-deliberate System verarbeitet Informationen
hingegen „sequentiell, regelbasiert und bewusst“ (ebd. 56).
Ebenfalls resümieren die Autoren, dass es empirische Beweise dafür gibt, dass die beiden
Informationsverarbeitungssysteme auch mit unterschiedlichen kognitiven Strukturen bzw.
unterschiedlichen Übertragungsmechanismen im Gehirn assoziiert sind. So wird das implizite
System mit dem Transmitter Dopamin assoziiert.
Hogarth (2001, S.190f) unterscheidet ebenfalls ein intuitives (tacit) und deliberatives System
voneinander. Das intuitive System operiert automatisch und wird durch das deliberate
System ergänzt, wenn die Situation bewusstes Nachdenken und Entscheiden erfordert.
Er beschreibt das deliberate System als regelgetrieben, systematisch sowie elaboriert.
Weiterhin ordnet er die Charakteristika bewusste Aufmerksamkeit und Beanspruchung
kognitiver Kapazitäten zu. Dem intuitiven (tacit) System hingegen, ordnet er automatische
Verarbeitungsprozesse zu, die assoziativ und ohne bewusste Aufmerksamkeit erfolgen, so
auch die expertise-basierte Mustererkennung (ebd.).
Sloman (1996, S.4) unterscheidet zwischen einem assoziativen und regelbasierten System.
Das assoziative System basiert auf Ähnlichkeitsstrukturen, die durch Erfahrung erworben
wurden. Es enkodiert ähnliche Strukturen und Wahrscheinlichkeiten zwischen verschiedenen
Kontexten und weist damit eine statistische Struktur auf. Inferenzen erfolgen reproduktiv, auf
Basis von Ähnlichkeit und Kontiguität.
Das regelbasierte System basiert im Kontrast dazu auf expliziten Regeln, symbolischen
Strukturen und Verknüpfungen. Es ist produktiv, da es verschiedene Regen kombinieren und
daraus neue Regeln erschaffen kann, weiterhin verarbeitet es Informationen systematisch
nach logischen und kausalen Strukturen (ebd., S.4/7). Das regelbasierte System kann das
assoziative System zwar unterdrücken, aber nicht ganz behindern (ebd., S.7).
Die physiologische Existenz der beschriebenen unterschiedlichen Informationsverarbeitungs-
systeme konnte auch empirisch nachgewiesen werden.
55 Übersetzung d. Autorin 56 Übersetzung d. Autorin
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
56
So haben Darlow & Sloman (2010, S.382) gezeigt, dass die deliberate Informations-
verarbeitung das Arbeitsgedächtnis beansprucht, während die intuitive Informations-
verarbeitung auf dem Abruf von Inhalten aus dem Langzeitgedächtnis basiert.
Auch De Neys (2006, S.432) konnte nachweisen, dass das heuristische System automatisch
operiert und das systematische System auf kognitive Ressourcen angewiesen ist. Dabei
können Urteilsfehler kausal auf die limitierten Informationsverarbeitungskapazitäten der
exekutiven Ressourcen zurückgeführt werden.
Auch Kuo et al. (2009) konnten den intuitiven und deliberaten Entscheidungsstil in ihrer
fMRT-Studie mit verschiedenen Hirnarealen sowie geringer und erhöhter kognitiver Kapazität
in Verbindung bringen (auch Sarter, Givens & Bruno, 2001).
Ausschlaggebend für die jeweils situationsspezifische Dominanz des assoziativen oder
deliberaten Entscheidungsmodus sind folgende Faktoren:
Expertise bzw. Routine (Betsch & Haberstroh, 2005), Stimmung (De Vries, Holland &
Witteman, 2007; Hänze, 1996; Bohner et al., 1992), verfügbare kognitive Ressourcen
(Dijksterhuis & Nordgren, 2006; siehe nächstes Kapitel), persönliche Präferenzen (Betsch,
2004) sowie Motivation bzw. das persönliche Involvement (Chaiken, Liberman & Eagly, 1989;
Petty & Cacioppo, 1984; Petty, Cacioppo & Goldman, 1981).
In der vorliegenden Untersuchung kommt dem persönlichen Involvement als motivationaler
Faktor eine besondere Bedeutung zu.
Ein besonders relevantes und empirisch gut belegtes Modell ist in diesem Kontext das
Heuristic-Systematic Model nach Chaiken (1980), Chaiken, Liberman & Eagly (1989) sowie
Chaiken, Wood & Eagly (1996). Das Zwei-Prozess-Modell im Bereich der Persuasion
unterscheidet heuristische und systematische Prozesse der Informationsverarbeitung
voneinander (vgl. auch Petty & Cacioppo, 1986).
Der systematischen Informationsverarbeitung werden, wie auch oben für den deliberaten
bzw. regelbasierten Entscheidungsmodus erläutert, analytische sowie explizit-datengeleitete
Operationen (Bottom-Up-Prozesse) und die Verwendung komplexer Entscheidungsregeln
zugeordnet. Der heuristischen Informationsverarbeitung hingegen werden, ebenfalls analog
zu dem oben dargestellten assoziativen bzw. intuitiven Entscheidungsmodus, schematisch-
heuristische Entscheidungsmechanismen zugeordnet (Top-Down-Prozesse), die automatisch
und assoziativ ablaufen.
Wichtige Determinante für den jeweiligen Verarbeitungsmechanismus ist das persönliche
Involvement der jeweiligen Person. So verarbeiten hoch involvierte Personen vorliegende
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
57
Informationen systematisch-analytisch, dies bedeutet, dass sie von einer Botschaft überzeugt
werden müssen. Wenig involvierte Personen hingegen urteilen eher automatisch-heuristisch,
sie lassen sich überreden. Dieser Effekt wurde mehrfach empirisch belegt (Chaiken,
Liberman & Eagly, 1989; Petty & Cacioppo, 1984; Petty, Cacioppo & Goldman, 1981).
Somit fungiert das persönliche Involvement als wichtige Determinante für einen analytischen
Informationsverarbeitungsprozess.
Fazit zu Kapitel 5.1:
Zwei-Prozess-Modelle und das persönliche Involvement als relevanter Faktor für den
Urteils- und Entscheidungsmodus
Grundsätzlich lassen sich analytische und intuitive Informationsverarbeitungsstrategien bzw.
Entscheidungsmodi voneinander unterscheiden.
Auch in der vorliegenden Untersuchung wird zwischen analytisch und intuitiv geprägten
Urteils- und Entscheidungsprozessen von Recruitern unterschieden.
Analytische Entscheidungsstrategien entsprechen hierbei dem beschriebenen explizit-
deliberaten Entscheidungsmodus sowie auch den normativen Forderungen der
Eignungsdiagnostik.
Intuitive Entscheidungsstrategien entsprechen hingegen dem beschriebenen implizit-
assoziativen Entscheidungsmodus, welcher für die vorliegende Arbeit durch Schemata,
Heuristiken und subjektive Entscheidungsregeln charakterisiert wird, da für das
Expertenwissen bei Recruitern angenommen wird, dass dieses explizierbar ist und sich damit
in einem analytischen Urteilsprozess manifestiert.
Recruiting-Expertise sollte hier also nicht zu einem intuitiven, sondern zu einem analytischen
Urteils- und Entscheidungsprozess führen (siehe Kapitel 4.1).
Einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess werden in dieser Arbeit folgende
Charakteristika zugeordnet57:
- Systematische Informationswahrnehmung, -verarbeitung und -integration
- Explizite Entscheidungsregeln
- Rationales Abwägen
- Bewusste Aufmerksamkeit
- Hohe Beanspruchung kognitiver Ressourcen
- Ergebnis: differenziertes Urteil
57 Diese werden auch in der Operationalisierung (siehe Kapitel 6.2.2) berücksichtigt.
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
58
Einem intuitiven Urteils- und Entscheidungsprozess werden in dieser Arbeit folgende
Charakteristika zugeordnet58:
- Assoziative Informationswahrnehmung, -verarbeitung und -integration
- Schemata, Heuristiken, implizite subjektive Entscheidungsregeln
- Schnelles, automatisches Entscheiden
- Geringe Aufmerksamkeit
- Geringe Beanspruchung kognitiver Ressourcen
- Ergebnis: globales Urteil
Als wichtige Determinante und mediierende Variable für einen analytischen oder intuitiven
Urteils- und Entscheidungsprozess wird das persönliche Involvement des Recruiters
berücksichtigt.
Dieses manifestiert sich im Kontext von Einstellungsinterviews in einem hohen fachlichen
Anspruch an die eigene eignungsdiagnostische Kompetenz sowie einem damit verbundenen
hohen Verantwortlichkeitsgefühl für die getroffenen eignungsdiagnostischen Entscheidungen.
Ebenfalls sollte sich das persönliche Involvement, letztlich das Engagement eines Recruiters,
in einer stärkeren Auseinandersetzung mit den konkreten Anforderungen einer Stelle sowie
verstärkten Bemühungen zur Evaluation des eigenen eignungsdiagnostischen Urteils- und
Entscheidungsprozesses niederschlagen.
Die Evaluation des eigenen Urteils- und Entscheidungsprozesses sollte wiederum zu einer
Validierung bzw. besseren Kenntnis der stellenrelevanten Anforderungen führen, die als
Grundlage für die eignungsdiagnostische Entscheidung dienen.
Deshalb werden die Variablen Verantwortlichkeitsgefühl und konkrete Kenntnis des
Anforderungsprofils in der vorliegenden Untersuchung als Indikatoren für das persönliche
Involvement des Recruiters angenommen.
Da das persönliche Involvement als wichtiger Einflussfaktor für einen systematischen
Informationsverarbeitungsstil identifiziert werden konnte (siehe obige Erläuterungen), wird
dieser Zusammenhang auch in der vorliegenden Arbeit angenommen.
Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters und seine konkrete Kenntnis des
Anforderungsprofils sollten seine Selbstaufmerksamkeit und seine Bemühungen
dahingehend erhöhen, möglichst anforderungsbezogene und differenzierte eignungs-
diagnostische Entscheidungen zu treffen.
58 Diese werden auch in der Operationalisierung (siehe Kapitel 6.2.2) berücksichtigt.
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
59
Insofern können für die motivationalen Variablen des persönlichen Involvements:
- Verantwortlichkeitsgefühl
- Konkrete Kenntnis des Anforderungsprofils
positive kausale Zusammenhänge mit einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess
des Recruiters angenommen werden.
5.2 Zur Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven Entscheidungsmodus –
Empirische Befunde
In den letzten Jahren haben sich zahlreiche Arbeiten mit der Kontroverse beschäftigt, ob der
analytische oder der intuitive Entscheidungsmodus zu genaueren Urteilen bzw. „besseren“
Entscheidungen führt. Dazu werden die Entscheidungsmodi häufig im Hinblick auf die
verfügbare kognitive Kapazität manipuliert und experimentell miteinander verglichen. Die
Befunde sind jedoch noch widersprüchlich.
De Vries, Witteman, Holland & Dijksterhuis (2010, S.579f) konnten zeigen, dass im klinischen
Kontext unbewusste Informationsverarbeitung im Vergleich zu bewusster
Informationsverarbeitung zu korrekteren psychiatrischen Diagnosen im Sinne des DSM59
führte.
Auch Dijksterhuis (2004) sowie Dijksterhuis & Nordgren (2006) konnten die Überlegenheit
unbewusster Informationsverarbeitung (deliberation-without-attention) bei komplexen
Entscheidungen nachweisen.
Mamede et al. (2010) haben hingegen die konträre Hypothese untersucht. Die Annahme
lautete, dass Experten dann bessere Entscheidungen treffen, wenn sie bewusstes
Nachdenken als Entscheidungsstrategie bei komplexen Entscheidungssituationen
verwenden, Novizen hingegen von dem deliberation-without-attention - Effekt profitieren, also
bessere Entscheidungen treffen, wenn ihre Aufmerksamkeit abgelenkt wird.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass sich die Qualität der Expertenentscheidung
(bei Medizinern) durch bewusstes Nachdenken bei komplexen Entscheidungen verbesserte
und nur Novizen von dem deliberation-without-attention - Effekt bei simplen Entscheidungen
profitierten (ebd., S.587). Damit schließen die Autoren die Annahmen Dijksterhuis` und
Kollegen für die Zielgruppe der Experten aus und belegten statt dessen sogar den 59 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
60
gegenteiligen Zusammenhang (ebd., S.589). Experten profitieren somit nicht von dem
deliberation-without-attention - Effekt bei komplexen Entscheidungen (auch nachgewiesen
durch Wiel & Meeuwesen, 2009; Pretz, 2008).
Dies ist nach Mamede et al. (2010, S.589) insofern logisch, als dass Experten ihr Wissen
nach dem Prinzip der Mustererkennung aus dem Langzeitgedächtnis mit nur wenigem
kognitiven Aufwand abrufen. Novizen hingegen, profitieren bei simplen Entscheidungen von
unbewusster Informationsverarbeitung, da sie kein passendes Wissen aus dem
Langzeitgedächtnis abrufen können und somit den Beschränkungen des
Arbeitsgedächtnisses unterliegen.
Auch Calvillo & Penaloza (2009, S.516) konnten den deliberation-without-attention - Effekt in
mehreren Studien nicht replizieren und resümieren, analog zu Acker (2008) sowie Newell et
al. (2009), dass komplexe Entscheidungen nicht ohne sorgfältiges Abwägen, Reflektieren
und bewusste Aufmerksamkeit getroffen werden sollten.
Kruglanski & Gigerenzer (2011) argumentieren innerhalb dieser Kontroverse analog zu
Gigerenzer und Kollegen (siehe Kapitel 3.2).
Sie nehmen an, dass deliberate Urteile nicht automatisch genauer als intuitive Urteile
ausfallen, sondern dass die Genauigkeit des Urteils von dessen ökologischer Rationalität,
heißt von der spezifischen Passung zwischen Entscheidungsstrategie und
Entscheidungsumgebung abhängt.
Auch Norman & Eva (2010) zeigten dementsprechend, dass Urteilsfehler sowohl unter
intuitiven als auch deliberaten Informationsverarbeitungsprozessen entstehen können.
Das analytische System kann somit nicht als vollkommen fehlerfrei angenommen werden.
Die Autoren konnten weiterhin zeigen, dass eine Kombination beider Entscheidungs-
strategien zu einer leichten Verbesserung der Urteilsgenauigkeit führt.
Auch die Anwendung von Heuristiken kann nicht eindeutig nur dem intuitiven
Entscheidungsstil zugeordnet werden. So hat Glöckner (2008) gezeigt, dass sich auch
Heuristiken in regelbasiert-sequentielle sowie schnell-parallele Heuristiken experimentell
voneinander differenzieren lassen.
Hilbig et al. (2010) konnten weiterhin nachweisen, dass die Wiedererkennungsheuristik
(recognition heuristic) häufiger unter deliberaten als intuitiven Entscheidungsstrategien
eingesetzt wurde. Dementsprechend resümieren die Autoren, dass die Anwendung von
Heuristiken nicht unbedingt eine Konsequenz intuitiver Informationsverarbeitung ist, sondern
sich besonders bei deliberaten Entscheidungen als profitabel erweist.
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
61
Die Kontroverse über die vermeintliche Überlegenheit von analytischen oder intuitiven Urteils-
und Entscheidungsprozessen ist also, obwohl schon in den 50er Jahren angestoßen, bis
heute nicht abgeschlossen.
Da für den Kontext von Einstellungsinterviews in der vorliegenden Untersuchung aber
eindeutig analytische Urteils- und Entscheidungsprozesse als entscheidende Prämisse für
valide eignungsdiagnostische Entscheidungen identifiziert wurden (Kapitel 2), werden hier für
einen analytischen Entscheidungsmodus grundsätzlich auch validere bzw. „bessere“
eignungsdiagnostische Entscheidungen angenommen.
Dies konnte auch von Seibt (2006) für Einstellungsinterviews belegt werden. Seibt (2006) hat
die kognitiven Stile im Kontext der Personalauswahl experimentell untersucht. Die Autorin
konnte zeigen, dass intuitive Entscheidungsstrategien in einer stärkeren Bestätigungstendenz
und ungenaueren Urteilen resultierten als analytische Entscheidungsstrategien (ebd., S.30ff).
Da Betsch (2004) zeigen konnte, dass Menschen einen individuellen Entscheidungsstil bzw.
eine Präferenz für eine Entscheidungsstrategie aufweisen, wird dieser Aspekt auch für die
vorliegende Untersuchung aufgegriffen.
Diese Präferenz hat sich nach Betsch (2004) durch jeweils unterschiedliche Lernerfahrungen
entwickelt und gefestigt. Mit dem Inventar Präferenz für Intuition und Deliberation (PID)
konnte Betsch die beiden Entscheidungsstile orthogonal voneinander empirisch belegen60.
Auch Witteman et al. (2009) konnten die Präferenz für einen intuitiven oder rationalen
Entscheidungsstil an drei europäischen Stichproben nachweisen.
In der vorliegenden Arbeit wird ebenfalls angenommen, dass der Entscheidungsmodus des
Recruiters durch Lernerfahrungen geprägt wird und somit in einer eher analytischen oder
intuitiven Prägung seines Urteils- und Entscheidungsprozesses resultiert.
Als prägende Determinanten werden persönliche und motivationale, aber auch kontextuelle
Faktoren berücksichtigt. Allerdings wird diese individuelle Tendenz, die auch durch
60 Die Autorin differenziert analog zu Hogarth (2001) zwischen einem intuitiven und deliberaten Entscheidungsstil, wobei der intuitive Entscheidungsstil als automatisch sowie affektbasiert definiert wird und heuristische Informationsverarbeitung ausschließt. Der deliberate Entscheidungsstil basiert auf elaborierten Kognitionen. Für den intuitiven Entscheidungsmodus konnten Zusammenhänge mit der Entscheidungsschnelligkeit sowie den Persönlichkeitsmerkmalen Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit, außerdem Risikosensivität gefunden werden. Für einen reflektiven Entscheidungsmodus konnten Zusammenhänge mit Gewissenhaftigkeit, Perfektionismus, Bedürfnis nach Strukturiertheit sowie Maximierungsbestreben nachgewiesen werden, was sich letztlich auch in erhöhter Entscheidungsdissonanz manifestierte.
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
62
kontextuelle Variablen verursacht angenommen wird, nicht als grundsätzlich stabil, sondern
als grundsätzlich variabel angenommen.
So sollte sich dann ein Effekt auf den individuell eher analytisch oder intuitiv geprägten
Urteilsmodus zeigen, wenn zum Beispiel der kontextuelle Einfluss organisationaler
Rahmenbedingungen experimentell manipuliert wird.
Auch dies soll in der vorliegenden Arbeit überprüft werden.
Fazit zu Kapitel 5.2:
Zur Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven Entscheidungsmodus –
Empirische Befunde
In der vorliegenden Arbeit werden als kontextuelle Einflussfaktoren die organisationalen
Rahmenbedingungen:
- Strukturiertheit des Interviews
- Konkretheit des Anforderungsprofils
- Rechenschaftsverpflichtung
- Systematik des Feedbacks
sowie der auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters beruhende Faktor:
- Expertise
und die motivationalen Variablen des persönlichen Involvements:
- Verantwortlichkeitsgefühl
- Kenntnis des Anforderungsprofils
als Determinanten für einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des Recruiters
angenommen.
Ebenfalls werden die motivationalen Faktoren des persönlichen Involvements
- Verantwortlichkeitsgefühl
- Kenntnis des Anforderungsprofils
als Mediatoren zwischen organisationalen Rahmenbedingungen sowie persönlichen
Lernprozessen und einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des Recruiters
angenommen.
Weiterhin werden die auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters beruhenden Faktoren:
- subjektive Entscheidungsregeln
- Anwendung heuristischer Schemata
5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________
63
als Determinanten für einen intuitiven bzw. wenig analytischen Urteils- und
Entscheidungsprozess des Recruiters angenommen.
Neben dem jeweils individuell geprägten Entscheidungsmodus wird als zusätzliche Outcome-
Variable die wahrgenommene Entscheidungsdissonanz des Recruiters berücksichtigt.
Dabei wird vor allem für intuitive Urteils- und Entscheidungsprozesse ein positiver kausaler
Zusammenhang mit Entscheidungsdissonanz angenommen, da bei diesem
Entscheidungsmodus diejenigen Evaluationskriterien nicht expliziert sind, die dem Recruiter
Sicherheit über die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung vermitteln würden61.
61 Dijksterhuis & Vanolden (2006) zeigten jedoch, dass unbewusste Informationsverarbeitung bzw. eine spontane Entscheidung zu erhöhter Zufriedenheit mit derselbigen führt. Jedoch handelte es sich hierbei auch um eine simple Sympathieentscheidung (Kunstgemälde), weshalb dieses Ergebnis nicht auf komplexe Entscheidungen, wie eignungsdiagnostische Einstellungsentscheidungen, übertragbar ist. Auch Betsch (2004) zeigte analog, dass ein rationaler kognitiver Stil subjektive Entscheidungsdissonanzen eher erhöht, statt minimiert.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
64
6. Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge
Im folgenden zentralen Kapitel wird zunächst der theoretische Hintergrund der
Strukturgleichungsmodellierung vorgestellt und von der Pfadanalyse als weitere
kausalanalytische Methode abgegrenzt (Kapitel 6.1). Danach wird der gesamte Prozess der
Strukturgleichungsmodellierung für die vorliegende empirische Untersuchung dargestellt:
angefangen bei der Hypothesen- und Modellbildung, weiter über die Konstrukt-
operationalisierung, dem Untersuchungsaufbau und der Güteprüfung des Kausalmodells, bis
hin zu dessen Evaluation (Kapitel 6.2). Im Anschluss wird das kausale Modell durch die
experimentellen Ergebnisse der Fallstudie (Kapitel 6.3), die Ergebnisse von Clusteranalysen
zur Kategorisierung von Recruiter-Typen (Kapitel 6.4) sowie uni- und multivariater
allgemeiner linearer Modelle zur Bestimmung von Gruppenunterschieden (Kapitel 6.5)
ergänzt.
6.1 Methodik der Strukturgleichungsmodellierung
Zentrale Berechnungsmethode dieser Untersuchung ist die Strukturgleichungsmodellierung.
Deshalb wird der methodisch-theoretische Hintergrund im Folgenden kurz vorgestellt.
6.1.1 Charakteristika von Strukturgleichungsmodellen
Strukturgleichungsmodelle ermöglichen die empirische Prüfung komplexer kausaler
Hypothesen-Systeme. Ziel ist es, die „a priori formulierten Wirkungszusammenhänge in
einem linearen Gleichungssystem abzubilden und die Modellparameter so zu schätzen, dass
die zu den Variablen erhobenen Ausgangsdaten möglichst gut reproduziert werden“ (Weiber
& Mühlhaus, 2010, S.17).
Ein kausaler Zusammenhang ist dabei laut Cook & Campbell (1979, S.3162) dann gegeben,
wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
1. Systematische Veränderungen der unabhängigen Variable (UV, vgl. Explanans im
Hempel-Oppenheim-Schema) führen zu systematischen Veränderungen der
abhängigen Variable (AV, vgl. Explanandum im Hempel-Oppenheim-Schema);
UV und AV kovariieren also miteinander;
62 zitiert nach Weiber & Mühlhaus, 2010, S.7;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
65
2. Logik in der zeitlichen Abfolge: UV verändert sich vor AV;
3. UV ist die einzige sachlogische Ursache für die Veränderung der AV;
Charakteristisch für Strukturgleichungsmodelle ist nach Weiber & Mühlhaus (2010, S.17f)
ebenfalls, dass
- sowohl manifeste Variablen63 als auch latente64 Variablen abgebildet werden können,
- in einem Modell mehrere AV`s enthalten sein können,
- AV`s gleichzeitig als UV`s fungieren können (intervenierende Variablen) und
- alle Kausalhypothesen gleichzeitig betrachtet, heißt deren Pfadkoeffizienten simultan
geschätzt werden können.
Demnach wird in Strukturgleichungsmodellen zwischen exogenen Variablen, endogenen
Variablen sowie intervenierenden Variablen unterschieden. Die exogenen Variablen
fungieren hierbei als Prädiktoren für die endogenen Variablen (Kriteriumsvariablen).
Grundsätzlich wird auch zwischen rekursiven, teil-rekursiven und nicht-rekursiven Modellen
unterschieden. Als rekursiv gilt ein Modell dann, wenn eine eindeutige Wirkungsrichtung
festzustellen ist und keine Rückkoppelungen zwischen den Variablen bestehen.
Sind in einem Modell alle potenziell möglichen Pfade aufgenommen, gilt es als saturiert. Teil-
und nicht rekursive Modelle, die Rückkoppelungen enthalten, erfordern die Methodik der
Strukturgleichungsmodellierung (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.28).
Die Pfadkoeffizienten geben jeweils die Richtung und Stärke der kausalen Effekte an.
Kausale Effekte können dabei in direkte und indirekte kausale Effekte zerlegt werden. Ein
totaler kausaler Effekt wird durch Addition des direkten und indirekten Effektes berechnet. Ein
indirekter Effekt berechnet sich durch die Multiplikation der Pfadkoeffizienten über die
entsprechenden Pfade (ebd., S.186; Backhaus et al. 2006, S.406).
6.1.2 Abgrenzung von Pfadanalyse und Strukturgleichungsmodellen
Pfadanalyse bei manifesten Variablen
Die Pfadanalyse ist dann die geeignete Berechnungsmethode, wenn das Strukturmodell nur
aus manifesten Variablen mit komplexen Wechselwirkungen besteht (Weiber & Mühlhaus,
2010, S.19). Ebenso kann die Pfadanalyse nur rekursive Modelle abbilden (ebd., S.28).
63 messbar, empirisch direkt beobachtbar 64 erst mithilfe geeigneter Mess-Modelle zu operationalisieren
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
66
Wie auch bei der Strukturgleichungsmodellierung, ist ebenso bei der Pfadanalyse die a-priori
Formulierung sachlogischer kausaler Zusammenhänge eine wesentliche Prämisse. Die
Prüfung der Kausalstrukturen erfolgt dann mittels Regressionsgleichungen (Kleinst-Quadrate-
Methode), die für alle endogenen Variablen, basierend auf ihrer standardisierten Varianz-
Kovarianz-Matrix, berechnet werden (ebd., S.22). Die Pfadkoeffizienten berechnen sich aus
den standardisierten partiellen Regressionskoeffizienten. Durch die Aufnahme von
Fehlervariablen gilt das Pfadmodell als „vollständig determiniert“ (ebd., S.23).
Voraussetzungen für die Methode der Pfadanalyse sind metrisch skalierte und
standardisierte Variablen, normalverteilte Residuen und keine Multikollinearität zwischen den
Variablen (ebd., S.30).
Strukturgleichungsmodellierung bei latenten Variablen
Sollen komplexe Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen latenten Variablen
kausalanalytisch überprüft werden, ist das Strukturgleichungsmodell die Methode der Wahl.
Auch nicht-rekursive Modelle können abgebildet werden. Prämisse der
Strukturgleichungsmodellierung ist die Operationalisierung der latenten Variablen. Nach
Weiber & Mühlhaus (2010, S.31) besteht ein Strukturgleichungsmodell aus drei Teilmodellen:
1. Strukturmodell: Zusammenhänge zwischen den exogenen und endogenen Variablen
2. Mess-Modell der latenten exogenen Variablen: empirische Operationalisierung der
latenten exogenen Variablen
3. Mess-Modell der latenten endogenen Variablen: empirische Operationalisierung der
latenten endogenen Variablen
Die Strukturgleichungsanalyse erfolgt dann in folgenden Schritten (im Original zitiert nach
Weiber & Mühlhaus, 2010, S.32):
1. Klassifizierung der latenten Variablen nach endogenen und exogenen Variablen
2. Erstellung des Strukturmodells (Hypothesenformulierung je endogener Variable)
3. Formulierung der Mess-Modelle für jede latente Variable
4. Graphische Verdeutlichung des Kausalmodells (Pfaddiagramm-Erstellung)
5. Überführung des Pfaddiagramms in ein lineares Gleichungssystem
6. Schätzung des Gleichungssystems nach dem kovarianzanalytischen oder
varianzanalytischen Ansatz
Ein besonders wichtiger Schritt im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung ist die
Formulierung der Mess-Modelle für jede latente Variable. Dies ist aus der Testtheorie auch
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
67
als Konstruktoperationalisierung bekannt. Unterschieden wird hierbei zwischen dem
reflektiven und formativen Ansatz.
Ein reflektives Mess-Modell nimmt an, dass die manifesten, direkt beobachtbaren Indikatoren
von der latenten Variablen kausal beeinflusst werden (vgl. Bollen, 1989, S.182; Edwards &
Bagozzi, 2000, S.157f). Die latente Variable fungiert als unabhängige Variable. Die
Indikatoren innerhalb reflektiver Mess-Modelle sollten deshalb auch idealerweise miteinander
kovariieren, da sie denselben Inhalt haben bzw. als unterschiedliche Erscheinungsformen
desselben Konstruktes verstanden werden (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.37f; Jarvis et al.,
2003, S.2000).
Bei formativen Mess-Modellen ist es umgekehrt. Hier wird die latente Variable als abhängige
Variable verstanden, demnach führen Veränderungen in den Indikatoren auch zu
Veränderungen der latenten Variable (MacCallum & Browne, 1993, S.533). Der formative
Ansatz basiert auf der Regressionsanalyse, der reflektive Ansatz hingegen auf der
Faktorenanalyse.
Die kausalanalytische Überprüfung des Strukturgleichungsmodells kann ebenfalls
unterschiedlich erfolgen. Der kovarianzanalytische Ansatz analysiert primär reflektive Mess-
Modelle, der varianzanalytische Ansatz auch formative Mess-Modelle.
Der kovarianzanalytische Ansatz basiert auf der konfirmatorischen Faktorenanalyse und
ermöglicht die simultane Schätzung aller Modellparameter eines Strukturgleichungsmodells
auf Basis der empirischen Varianz-Kovarianzmatrix und der Maximum-Likelihood-Methode
(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.47; vgl. auch Jöreskog, 1973). Die latenten Variablen werden
hierbei „als Faktoren interpretiert, die „hinter“ den Messvariablen stehen“ (ebd.).
Der kovarianzanalytische Ansatz ist dann geeignet, wenn die latenten Variablen als Faktoren
im Sinne der Faktorenanalyse verstanden werden können, wenn die gesamte Kausalstruktur
simultan geschätzt werden soll und die Variablen mulitinormalverteilt sind. Außerdem können
mit dem kovarianzanalytischen Ansatz auch nicht-rekursive Modelle überprüft werden
(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.57).
Der varianzanalytische Ansatz hingegen, basiert auf der Regressionsanalyse und ist vor
allem dann zu wählen, wenn nur kleine Stichproben oder eine eher prognostische
Zielsetzung vorliegen. Hierbei werden die Parameter sukzessive nach dem partial-least-
square-Ansatz (nach Wold, 1966) geschätzt, sodass die Schätzung des Strukturmodells
letztlich auf konkreten Messwerten basiert. Das Ziel ist eine möglichst gute Reproduktion der
Ausgangsdatenmatrix (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.66).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
68
Da die vorliegende Untersuchung vor allem die empirische Überprüfung des noch
auszuformulierenden Hypothesen-Systems zum Ziel hat und die gesamte Kausalstruktur mit
latenten Variablen simultan geschätzt werden soll, wird der kovarianzanalytische Ansatz zur
Überprüfung des Strukturgleichungsmodells gewählt.
Zunächst wird jedoch erst der Prozess der Strukturgleichungsmodellierung angelehnt an
Weiber & Mühlhaus (2010, S.74) für die vorliegende Untersuchung dargestellt und durch
weitere relevante Punkte wie Untersuchungsaufbau und Datenerhebung, die Beschreibung
der Stichprobe sowie vorbereitende Berechnungen (multivariate Normalverteilungsannahme
und bivariate Korrelationsanalyse) und abschließende methodische Optimierungsvorschläge
ergänzt.
Das nächste, für die vorliegende Arbeit wesentliche Kapitel 6.2 orientiert sich deshalb an
folgender Struktur65:
1. Hypothesen- und Modellbildung
2. Konstrukt-Operationalisierung: Formulierung reflektiver Mess-Indikatoren für jede
latente Variable
3. Untersuchungsaufbau und Datenerhebung
4. Stichprobe
5. Vorbereitung des Datensatzes, Prüfung der multivariaten Verteilungsannahme
6. Güteprüfung der reflektiven Mess-Modelle
7. Bivariate Korrelationsanalyse
8. Kovarianzanalytische Modellschätzung – Evaluation des Gesamtmodells
8.1 Hypothesenprüfung und Interpretation – Analyse der direkten und
mediierenden Effekte im Strukturgleichungsmodell
8.2 Modellmodifikation
9. Fazit und methodische Optimierungsvorschläge
65 angelehnt an Weiber & Mühlhaus, 2010, S.74;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
69
6.2 Prozess der Strukturgleichungsmodellierung für die vorliegende Untersuchung
6.2.1 Hypothesen- und Modellbildung
Die bisherigen Studien zur Validität von Einstellungsinterviews konzentrieren sich vor allem
auf die Zusammenhänge zwischen der Strukturiertheit des Interviews sowie der Konkretheit
des Anforderungsprofils und der Validität der Einstellungsentscheidung.
Die intervenierenden Prozesse, insbesondere die Informationsverarbeitungsprozesse des
Recruiters mit deren kausalen Mechanismen werden dabei nicht berücksichtigt (vgl. auch
Kapitel 2.4: Posthuma et al., 2002, S.42/49).
Ebenfalls wurden weitere kontextuelle Einflussfaktoren, wie Interviewertraining,
Rechenschaftsverpflichtung und Feedback über die eignungsdiagnostische Entscheidung
sowie auch persönliche Lernprozesse des Recruiters, insbesondere die Effekte von Expertise
und subjektiven Entscheidungsregeln auf individuelle eignungsdiagnostische Urteils- und
Entscheidungsprozesse, bisher nur unzureichend oder gar nicht im Kontext des
Einstellungsinterviews untersucht. Auch das persönliche Involvement des Recruiters als
relevanter Einflussfaktor auf seinen Entscheidungsmodus wurde in diesem Kontext bisher in
der empirischen Forschung vernachlässigt.
Die bisher veröffentlichten Studien konzentrieren sich weiterhin primär auf spezifische
Aspekte, die isoliert untersucht wurden. Deshalb soll in der vorliegenden Studie ein kausales
Modell entwickelt und empirisch überprüft werden, welches die Determinanten der
individuellen Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern möglichst vollständig
identifiziert und die kausalen Mechanismen analytischer eignungsdiagnostischer
Informationsverarbeitungsprozesse ebenso vollständig erklärt. Ein besonderes Augenmerk
soll in dieser Untersuchung deshalb auf die mediierenden Variablen und Prozesse gelegt
werden.
Ziel der Arbeit ist es, die Determinanten analytisch geprägter Urteils- und
Entscheidungsprozesse von Recruitern zu identifizieren, um daraus später Ansätze zur
Optimierung eignungsdiagnostischer Entscheidungen ableiten zu können, sowohl in der
Person des Recruiters selbst, als auch in den organisationalen Rahmenbedingungen seiner
eignungsdiagnostischen Tätigkeit.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
70
Die forschungsleitenden Fragen lassen sich wie folgt formulieren:
Welchen kausalen Einfluss haben
o die persönlichen Lernprozesse des Recruiters:
Expertise
subjektive Entscheidungsregeln
Anwendung von Schemata
o die motivationalen Faktoren des persönlichen Involvements des Recruiters:
Verantwortlichkeitsgefühl
Kenntnis des Anforderungsprofils
o sowie die kontextuellen Faktoren organisationaler Rahmenbedingungen des
Unternehmens:
Strukturiertheit des Interviews
Konkretheit des Anforderungsprofils
Rechenschaftsverpflichtung
Systematik des Feedbacks
auf die individuelle analytische Ausprägung des Urteils- und Entscheidungsprozesses
eines Recruiters?
Im Gesamtmodell der vorliegenden Arbeit werden deshalb, wie auch schon in Kapitel 5.2
zusammengefasst, als kontextuelle Einflussvariablen die organisationalen Rahmen-
bedingungen:
- Strukturiertheit des Interviews
- Konkretheit des Anforderungsprofils
- Rechenschaftsverpflichtung
- Systematik des Feedbacks
sowie die auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters beruhende Variable:
- Expertise
und die motivationalen Variablen des persönlichen Involvements:
- Verantwortlichkeitsgefühl
- Kenntnis des Anforderungsprofils
als Determinanten für einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des Recruiters
angenommen.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
71
Ebenfalls werden die Variablen des persönlichen Involvements:
- Verantwortlichkeitsgefühl
- Kenntnis des Anforderungsprofils
als Mediatoren zwischen einzelnen organisationalen Rahmenbedingungen sowie
persönlichen Lernprozessen und einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des
Recruiters angenommen.
Weiterhin werden die auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters beruhenden Variablen:
- subjektive Entscheidungsregeln
- Anwendung heuristischer Schemata
als Determinanten für einen wenig analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des
Recruiters angenommen, da die Variable als kontinuierliche Skala operationalisiert wird.
Als zusätzliche Outcome-Variable wird die wahrgenommene Entscheidungsdissonanz des
Recruiters berücksichtigt, hier wird ein negativer Zusammenhang mit der Analytik des Urteils-
und Entscheidungsprozesses postuliert.
Im Folgenden werden nun alle postulierten und im Strukturgleichungsmodell empirisch zu
prüfenden Hypothesen ausformuliert:
Themenfeld 1: Die persönlichen Lernprozesse des Recruiters
Direkte Effekte:
- Hypothese 1.1: Die eignungsdiagnostische Expertise des Recruiters wirkt positiv auf
die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 1.2: Die subjektiven Entscheidungsregeln des Recruiters wirken negativ
auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 1.3: Die Anwendung von Schemata des Recruiters wirkt negativ auf die
Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
Mediierende Zusammenhänge:
- Hypothese 1.4: Die subjektiven Entscheidungsregeln des Recruiters mediieren den
positiven Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines
Urteils- und Entscheidungsprozesses negativ.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
72
- Hypothese 1.5: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den positiven
Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses negativ.
- Hypothese 1.6: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den negativen
Effekt subjektiver Entscheidungsregeln auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses positiv.
Themenfeld 2: Organisationale Rahmenbedingungen
Direkte Zusammenhänge:
- Hypothese 2.1: Die Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters wirkt positiv auf die
Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 2.2: Systematisches Feedback über die Qualität der Einstellungs-
entscheidung wirkt positiv auf die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses
des Recruiters.
- Hypothese 2.3: Die Strukturiertheit des Interviews wirkt positiv auf die Analytik des
Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters.
- Hypothese 2.4: Die Konkretheit des Anforderungsprofils wirkt positiv auf die Analytik
des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters.
Mediierende Zusammenhänge:
- Hypothese 2.5: Die Anwendung von Schemata mediiert den positiven Effekt der
Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses negativ.
- Hypothese 2.6: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den positiven
Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses negativ.
- Hypothese 2.7: Die Konkretheit des Anforderungsprofils mediiert den positiven Effekt
der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik des Urteils- und
Entscheidungsprozesses des Recruiters positiv.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
73
Themenfeld 3: Das persönliche Involvement des Recruiters
Direkte Zusammenhänge:
- Hypothese 3.1: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters wirkt positiv auf die
Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 3.2: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters wirkt
positiv auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
Mediierende Zusammenhänge:
- Hypothese 3.3: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven
Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses positiv.
- Hypothese 3.4: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven
Effekt der Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters auf die Analytik seines Urteils-
und Entscheidungsprozesses positiv.
- Hypothese 3.5: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven
Effekt des systematischen Feedbacks über die Qualität der Einstellungsentscheidung
auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.
- Hypothese 3.6: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven
Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses positiv.
- Hypothese 3.7: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik
seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.
- Hypothese 3.8: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt des systematischen Feedbacks über die Qualität der
Einstellungsentscheidung auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses positiv.
- Hypothese 3.9: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines
Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.
- Hypothese 3.10: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt der Konkretheit des Anforderungsprofils auf die Analytik
seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
74
- Hypothese 3.11: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt der Rechenschaftsverpflichtung auf die Analytik seines
Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.
Themenfeld 4: Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses als Prädiktor für
Entscheidungssicherheit bzw. geringe Entscheidungsdissonanz
Direkte Zusammenhänge:
- Hypothese 4.1: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters
wirkt negativ auf seine wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.
- Hypothese 4.2: Die eignungsdiagnostische Expertise des Recruiters wirkt negativ auf
seine wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.
- Hypothese 4.3: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters wirkt negativ auf seine
wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.
Mediierende Zusammenhänge:
- Hypothese 4.4: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters
mediiert den negativen Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf seine
wahrgenommene Entscheidungsdissonanz positiv. (s. direkter Effekt, Hypothese 1.1)
- Hypothese 4.5: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters
mediiert den negativen Effekt seines Verantwortlichkeitsgefühls auf seine
wahrgenommene Entscheidungsdissonanz positiv. (s. direkter Effekt, Hypothese 3.1)
Ebenfalls werden die Hypothesen tabellarisch übersichtlich zusammengefasst66.
66 Bei den mediierenden Zusammenhängen sind dabei zur leichteren Übersicht nur die unabhängige und intervenierende Variable dargestellt. Die abhängige Variable ist in allen Fällen, außer bei Themenfeld 4, die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses. Bei Themenfeld 4 ist es die Entscheidungsdissonanz.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
75
Tabelle 1: Zusammenfassung der Hypothesen
AV/IV UV Richtung Hypothese
Ana <--- Exp Pos. 1.1
Ana <--- subjE Neg. 1.2
Ana <--- Sche Neg. 1.3
subjE <--- Exp Neg. 1.4
Sche <--- Exp Neg. 1.5
Sche <--- subjE Pos. 1.6
Ana <--- Rech Pos. 2.1
Ana <--- SysF Pos. 2.2
Ana <--- StrI Pos. 2.3
Ana <--- KoA Pos. 2.4
Sche <--- Rech Neg. 2.5
Sche <--- StrI Neg. 2.6
KoA <--- StrI Pos. 2.7
Ana <--- Ver Pos. 3.1
Ana <--- KeA Pos. 3.2
Ver <--- Exp Pos. 3.3
Ver <--- Rech Pos. 3.4
Ver <--- SysF Pos. 3.5
Ver <--- StrI Pos. 3.6
KeA <--- Exp Pos. 3.7
KeA <--- SysF Pos. 3.8
KeA <--- StrI Pos. 3.9
KeA <--- KoA Pos. 3.10
KeA <--- Rech Pos. 3.11
Diss <--- Ana Neg. 4.1
Diss <--- Exp Neg. 4.2
Diss <--- Ver Neg. 4.3
Ana <--- Exp Pos. 4.4
Ana <--- Ver Pos. 4.5
Anm.: Darstellung der Wirkungsbeziehungen mit Variablenlabel, Wirkungsrichtung und jeweils zugehörigen Hypothese;
Um den kausalen Effekt organisationaler Rahmenbedingungen auch experimentell zu
überprüfen, wird im Anschluss an die Strukturgleichungsmodellierung ebenfalls ein
einfaktorieller Versuchsplan konstruiert.
Hierbei werden die Variablen Konkretheit des Anforderungsprofils sowie
Rechenschaftsverpflichtung experimentell manipuliert und deren Wirkungseffekt hinsichtlich
der analytischen Ausprägung des Recruiters bei einer fiktiven eignungsdiagnostischen
Beurteilung und Entscheidung zwischen den Experimentalgruppen verglichen (Kapitel 6.3).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
76
6.2.2 Konstruktoperationalisierung: Formulierung reflektiver Mess-Indikatoren
Als latente Variablen für die vorliegende Untersuchung gelten für das
- Themenfeld 1: Persönliche Lernprozesse
o Eingeschätzte Expertise, Subjektive Entscheidungsregeln, Anwendung von
Schemata;
- Themenfeld 2: Organisationale Rahmenbedingungen
o Rechenschaftsverpflichtung, Systematik des Feedbacks, Strukturiertheit des
Interviews, Konkretheit des Anforderungsprofils;
- Themenfeld 3: Persönliches Involvement
o Verantwortlichkeitsgefühl, Konkrete Kenntnis des Anforderungsprofils;
- Themenfeld 4: Analytik und Entscheidungsdissonanz
o Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses, Entscheidungsdissonanz;
Somit müssen 11 latente Variablen in Form reflektiver Mess-Indikatoren operationalisiert
werden. Die Itemformulierung orientiert sich dabei an der Methodik der klassischen
Testkonstruktion (Moosbrugger & Kevala, 2008, S.27-70) sowie an den Empfehlungen
Weibers & Mühlhaus (2010, S.85-102) zur Operationalisierung reflektiver Mess-Modelle.
Inhaltlich werden die in Kapitel 5.1 formulierten Charakteristika zur Operationalisierung der
Entscheidungsmodi und des persönlichen Involvements sowie die theoretischen Grundlagen
in Kapitel 2.3 zur Operationalisierung der organisationalen Rahmenbedingungen sowie jene
in Kapitel 3 und 4 zur Operationalisierung der persönlichen Lernprozesse des Recruiters
genutzt. Weiterhin wurden im Rahmen einer Vorstudie, die primär zur Abgrenzung der
Fragestellungen sowie zur Hypothesenformulierung diente, insgesamt 22 teilstrukturierte
Interviews mit praktisch tätigen Recruitern geführt. Die qualitative Auswertung dieser
Interviews lieferte dabei ebenfalls Anhaltspunkte, die zur Konstruktoperationalisierung und
Itemformulierung genutzt werden konnten67.
Im Hinblick auf zukünftige Reliabilitäts- und Validitätsberechnungen werden grundsätzlich
multiple Items pro latenter Variable formuliert. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über
die Anzahl der Mess-Indikatoren bzw. Items pro Variable, ebenfalls werden je zwei Beispiel-
Items vorgestellt. Die gesamte inhaltliche Übersicht über alle Items je Variable befindet sich
in Anhang 2.
67 Übersicht und Ergebnisse der Vorstudie siehe externer Anhang
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
77
Tabelle 2: Konstruktoperationalisierung
Latente Variable Label Zahl Beispiel-Items
Eignungsdiagnostische Expertise
Exp 4 v_11: Ich beschreibe mich als eignungsdiagnostisch sehr erfahren. v_12: Ich bin ein eignungsdiagnostischer Experte.
Subjektive Entscheidungsregeln
subjE 6 Zu Beginn meiner Tätigkeit als Recruiter/in... v_40: habe ich im Rahmen der Einarbeitung bewährte Entscheidungsregeln erlernt, und diese für meine eignungs-diagnostischen Entscheidungen übernommen. v_42: musste ich völlig selbstständig ein Gefühl dafür entwickeln, wie der „geeignete“ Mitarbeiter sein soll.
Anwendung von Schemata
Sche 13 In Bewerbungsgesprächen... v_43: kann ich den Typ eines Bewerbers schnell kategorisieren. v_46: hilft mir meine Erfahrung dabei, den Bewerber richtig einzuschätzen.
Rechenschafts-verpflichtung
Rech 5 v_105: Ich muss meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen gegenüber Kollegen, Vorgesetzten oder Auftraggebern differenziert begründen können. v_109: Ich muss meine Entscheidungen „eingestellt“ oder „abgelehnt“ vor niemandem begründen.
Systematik des Feedbacks
SysF 5 Feedback über die Qualität meiner eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen erhalte ich in der Regel durch... v_102: die Ergebnisse von standardisierten Mitarbeiterbeurteilungen oder Mitarbeitergesprächen. v_103: die systematische Evaluation der Einstellungsentscheidungen.
Strukturiertheit des Interviews
StrI 5 Das Bewerbungsgespräch beinhaltet in der Regel... v_93: den standardisierten Einsatz eines Interviewleitfadens. v_94: standardisierte anforderungsbezogene Fragen.
Konkretheit des Anforderungsprofils
KoA 6 Das Anforderungsprofil für eine bestimmte Stelle ist in der Regel...formuliert. v_69: abstrakt v_72: detailliert
Verantwortlichkeits-gefühl
Ver 6 v_56: Ich fühle mich verpflichtet, stets eine fachkompetente und differenzierte eignungsdiagnostische Entscheidung zu treffen. v_58: Ich fühle mich verantwortlich für den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg eines Bewerbers auf einer bestimmten Stelle.
Kenntnis des Anforderungsprofils
KeA 5 Über das offizielle Anforderungsprofil hinaus... v_63: schaue ich mir den Arbeitsalltag immer gezielt vor Ort an, um die konkreten Anforderungen wirklich zu kennen. v_65: kann ich die relevanten Arbeitsabläufe und konkreten Tätigkeiten bei einer Stelle ganz genau beschreiben.
Analytik des Urteils-und Entscheidungs-prozesses
Ana 19 In Bewerbungsgesprächen... v_119: teste ich alle relevanten Anforderungen durch gezieltes Fragen systematisch ab. v_124: wäge ich systematisch alle relevanten Aspekte in einem Für und Wider ab, um eine Entscheidung treffen zu können.
Entscheidungs-dissonanz
Diss 4 Nach einer eignungsdiagnostischen Entscheidung... v_138: bin ich grundsätzlich sicher, die richtigen Ableitungen und Entscheidungen getroffen zu haben. v_139: bin ich mir häufig unsicher, ob meine Einschätzungen und Entscheidungen tatsächlich richtig waren.
Anm.: Darstellung von je 2 Beispiel-Items für jede latente Variable, außerdem Variablenlabel und Gesamtzahl der Items pro Skala;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
78
Die Operationalisierung der Variablen beinhaltet durchgängig Selbsteinschätzungen der
befragten Recruiter. Somit ist auch die Variable Expertise kein objektiver, sondern ein
subjektiver Indikator für die tatsächliche Expertise des befragten Recruiters.
Für die Variable Expertise werden deshalb bei der Ergebnisinterpretation auch
Zusammenhänge mit den abhängigen Variablen Analytik und Entscheidungsdissonanz, aber
auch Zusammenhänge mit demografischen Variablen wie praktische eignungsdiagnostische
Erfahrung in Jahren sowie Weiterbildung genauer betrachtet, um echte Expertise genauer
von intuitiver Selbstüberschätzung bzw. nicht-evaluierter Routine differenzieren zu können
(Kapitel 6.4 und 6.5).
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es dabei allerdings nicht, das objektive End-Kriterium
Expertise bzw. Entscheidungsvalidität zu messen, sondern die intervenierenden Variablen
mit deren kausalen Mechanismen zu erklären. Alle Variablen werden dabei ausschließlich
anonym erhoben, um den Einfluss sozialer Erwünschtheit in diesem Zusammenhang
möglichst zu minimieren.
Als Mess-Skalierung wurde eine sechs-stufige Likert-Skala68 gewählt. Damit ist die metrische
Skalierung der Messwerte als Voraussetzung für die Berechnung von
Strukturgleichungsmodellen gewährleistet. Die Items sind sowohl positiv als auch negativ
formuliert, daher werden sie für nachfolgende Analysen umkodiert69.
6.2.3 Untersuchungsaufbau und Datenerhebung
Die zur Prüfung des theoretischen Rahmenmodells benötigten empirischen Daten wurden
mithilfe eines vollständig anonymen Fragebogens erhoben, der über Unipark ausschließlich
online bearbeitet werden konnte. Der Fragebogen wurde dabei von der Autorin in Unipark mit
der Befragungssoftware EFS-Survey programmiert und enthält alle oben entwickelten Items.
Um nach dem Einsatz der entwickelten Mess-Skalen den kausalen Effekt zusätzlich auch
experimentell überprüfen zu können, wurde im Anschluss an den Fragebogen eine fiktive
Fallstudie mit experimentalem Charakter integriert. Auch diese wurde in EFS-Survey erstellt.
Die Fallstudie enthält zwei randomisiert dargebotene Bedingungen, unter denen der
Teilnehmer die Eignung einer Bewerberin für die Stelle Trainee HRM in einem international
tätigen Konzern anhand eines Gesprächsprotokolls beurteilen und eine Einstellungs-
68 1: „trifft voll zu“ bis 6: „trifft überhaupt nicht zu“ 69 immer nach demselben Schema: v_10 wurde umkodiert in u_10 usw.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
79
entscheidung treffen muss. Auch das Gesprächsprotokoll bzw. die daraus abgeleitete
eingeschätzte eignungsdiagnostische Kompetenz der Kollegin Frau Meier, die das
Bewerbungsgespräch mit der Bewerberin Frau Mustermann stellvertretend geführt hat, soll
zusätzlich beurteilt werden (abhängige Variablen: Analytik der Beurteilung sowie Analytik der
Entscheidung).
Als Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage für die Einstellungsentscheidung dient jeweils
das Anforderungsprofil für die Stelle Trainee HRM, welches entsprechend der Bedingung A
oder B hinsichtlich der organisationalen Rahmenbedingungen Rechenschaftsverpflichtung
und Konkretheit des Anforderungsprofils variiert wird.
Der genaue Versuchsaufbau ist in Kapitel 6.3 dargestellt, ebenfalls kann die gesamte Online-
Erhebung anhand der Screenshots in Anhang 1 nachvollzogen werden.
Folglich bestand die Online-Erhebung aus zwei Teilen, aus dem Fragebogen Determinanten
von analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen bei Recruitern in Einstellungs-
interviews und der Fallstudie, und war strukturell wie folgt aufgebaut:
Abbildung 1: Übersicht über die Struktur der Online-Erhebung
Die sechs-stufige Zustimmungsskala wurde für alle Items in beiden Erhebungsteilen
durchgängig verwendet, damit ein einheitliches Antwortformat gewährleistet werden konnte.
Startseite: Herzlich Willkommen!
Demografischer Teil
Skalen zu Involvement
Skalen zu organisationalen
Rahmenbedingungen
Skala zu Analytik
Skalen zu Lernprozessen
Skala zu
Entscheidungsdissonanz
Fallstudie: Instruktion
Bedingung A
Gesprächsprotokoll
Skalen zu Analytik der
Beurteilung & Entscheidung
Bedingung B
Endseite
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
80
Die gesamten Antwortmatrizen für die einzelnen Items wurden als Pflichtfelder gestaltet,
wodurch die Daten vollständig erhoben werden konnten.
Auf jeder Fragebogenseite war ein Weiter-Button eingefügt, der nur bei vollständiger
Beantwortung der Items funktionierte, bei unvollständiger Bearbeitung wurde der Teilnehmer
darauf hingewiesen. Die Zurück-Option wurde nicht angeboten. Bei Abbruch der Bearbeitung
war es möglich, die Bearbeitung zu einem späteren Zeitpunkt von derselben IP-Adresse
fortzusetzen.
Die Objektivität der Datenerhebung ist daher durch den hohen Grad ihrer Standardisierung
gegeben.
Der Fragebogen war vom 27.01.2012 bis 02.05.2012 zur Bearbeitung frei geschaltet.
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit der beiden Fragebogenteile Determinanten von
analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen bei Recruitern in Einstellungsinterviews
und Fallstudie betrug insgesamt 20-23 Minuten.
Obwohl der Fragebogen 667 Mal aufgerufen wurde, setzten nur 528 Teilnehmer die
Bearbeitung fort, von denen wiederum nur 219 die Bearbeitung absolut vollständig mit beiden
Fragebogenteilen abschlossen. Den ersten Fragebogenteil schlossen immerhin 273
Teilnehmer ab. Dies ist eine gute Voraussetzung für das geplante
Strukturgleichungsmodell70.
Rekrutiert wurden die Teilnehmer deutschlandweit persönlich von der Autorin primär per
Telefon, aber auch ohne vorherigen Anruf per E-Mail und Ansprache in Online-Netzwerken
(vor allem www.xing.de). Die Akquise-E-Mails enthielten grundsätzlich einen kurzen
Überblick über die Zielgruppe und das Thema der Studie sowie einen Hyperlink zur Startseite
der Online-Studie71.
Zielgruppe waren Recruiter, die in ihrer Kerntätigkeit eignungsdiagnostische Entscheidungen
treffen und regelmäßig Einstellungsinterviews mit Bewerbern führen.
Dies können sowohl Personalreferenten, Personal- oder Ausbildungsleiter, Mitarbeiter des
Recruitingteams oder Personalmanagements, aber auch Personalberater oder Consultants
sein, die Unternehmen extern bei diversen Personalauswahlprozessen unterstützen.
70 zur Übersicht über die Statistik der Datenerhebung siehe externer Anhang 71 zur Einsicht der Akquise-E-Mails siehe externer Anhang
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
81
Für die telefonische Kontaktaufnahme oder Anfrage per E-Mail dienten vor allem die
Kontaktdaten aus Stellenanzeigen, von Karriere-Webseiten sowie Kontakt-Webseiten
einzelner Niederlassungen großer Personaldienstleister.
Über www.xing.de wurden weiterhin gezielt diejenigen Mitglieder angeschrieben, die in ihrem
persönlichen Profil als Tätigkeit „Personalreferent“, „Consultant“, „Personalleiter“, „HR“,
„Recruiter“, „Personalauswahl“ oder ähnliches angegeben hatten. Ebenfalls wurden Aufrufe
zur Teilnahme an der Studie in den Gruppen „Arbeits- und Organisationspsychologie“, „HR-
Human Resources“, „Personal“, „Personalbeschaffung“, „Employee Selection“ und
„Berufliche Eignungsdiagnostik“ veröffentlicht.
Somit kann die Stichprobe als populationsvalide gelten.
6.2.4 Stichprobe
Es nahmen insgesamt 272 Personen72 an der Studie teil, die den ersten Teil des Online-
Fragebogens vollständig beantworteten. 219 Personen beantworteten auch das Fallbeispiel
absolut vollständig.
Geschlecht und Alter
Von den Befragten sind 84 männlich (30,9%) und 188 weiblich (69,1%).
Die Altersverteilung liegt zwischen 22 und 62 Jahren (MW = 32,36 Jahre, SD = 9,2 Jahre),
wobei die Altersgruppe 30-40 Jahre am stärksten vertreten ist (45,5%).
Berufsqualifikation
Die Verteilung der Berufsqualifikation zeigt eine größtenteils akademisch ausgebildete
Stichprobe, 215 Personen (79%) haben ein Studium abgeschlossen, 53 Personen (19,5%)
haben eine Berufsausbildung abgeschlossen. Drei weitere Personen haben eine Promotion
(1,1%), eine weitere Person hat eine Habilitation (0,4%) abgeschlossen.
Fachrichtung des qualifizierenden Studiums
Die dominante Fachrichtung des qualifizierenden Studiums sind Wirtschaftswissenschaften
(41,2%), danach folgen Psychologie (13,2%) sowie Sozialwissenschaften (7,7%). Nur gering
vertreten sind Rechtswissenschaften (4,8%) und Erziehungswissenschaften (4,4%).
72 1 Teilnehmer wurde ausgeschlossen, siehe Kapitel 6.2.5
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
82
16,2% der Befragten haben die Fachrichtung ihres Studiums nicht angegeben, 12,5%
wählten „Sonstiges“. Hierunter zeigte sich die Fachrichtung Verwaltungswissenschaften (8
Nennungen) neben diversen Einzelnennungen dominant.
Abbildung 2: Balkendiagramm – Übersicht über die Fachrichtung des berufsqualifizierenden Studiums der befragten Recruiter
Recruitingstatus als interne Personalfachkraft vs. externer Personaldienstleister
Die Mehrzahl der Teilnehmer (163 Personen bzw. 59,9%) sind als angestellte
Personalfachkraft in einem Unternehmen tätig, 79 Personen (29%) sind hingegen als externe
Personaldienstleister für verschiedene Unternehmen tätig. 14 Personen (5,1%) führen als
Fachvorgesetzte regelmäßig Einstellungsinterviews.
Zielgruppe der Einstellungsinterviews
74,6% aller Befragten führen regelmäßig Einstellungsinterviews mit Fachkräften. 48,5% der
befragten Recruiter zählen auch Führungskräfte sowie Hochschulabsolventen (48,2% der
Recruiter) zu ihren primären Zielgruppen. Nur 26,5% der Recruiter führen vor allem mit
Schulabsolventen oder Praktikanten (16,5% der Recruiter) Einstellungsinterviews.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
83
Praktische Erfahrung und Unternehmenszugehörigkeit
Recht äquivalent zeigen sich die angegebene praktische Erfahrung in der Durchführung von
Einstellungsinterviews (MW=7,57 Jahre) und die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit
(MW=7,29 Jahre) der Recruiter. Dabei besitzt die Mehrzahl der Stichprobe 1-8 Jahre (68
kum.%) praktische Erfahrung in der Durchführung von Einstellungsinterviews. Auch die
Unternehmenszugehörigkeit beläuft sich im Schwerpunkt auf 1-8 Jahre (70,3 kum.%).
Anteil Einstellungsinterviews
32,7% der Befragten schätzen den Anteil an durchgeführten Einstellungsinterviews innerhalb
ihrer Tätigkeit mit 20-40% ein, 28,3% sogar mit 40-60%. Dagegen verbringen aber auch
22,1% der Teilnehmer weniger als 20% ihrer Arbeitszeit mit Einstellungsinterviews.
Die Minderheit der Teilnehmer führen als Kerntätigkeit Einstellungsinterviews (11% der
Befragten schätzen den Anteil 60-80% ein, 5,9% noch höher).
Abbildung 3: Balkendiagramm – Übersicht über den Anteil an Einstellungsinterviews innerhalb der beruflichen Tätigkeit der befragten Recruiter
Unternehmensgröße
Die Unternehmensgröße der befragten Recruiter zeigt Abbildung 4. Sowohl kleine (< 50 MA:
23,5%) als auch große Unternehmen (> 2000 MA: 24,3%) sind ausgeglichen vertreten.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
84
Abbildung 4: Balkendiagramm – Übersicht über die in der vorliegenden Stichprobe vertretenen Unternehmensgrößen
Unternehmensbranche
Der Schwerpunkt der Stichprobe bezogen auf die Unternehmensbranchen liegt im
beratenden bzw. dienstleistenden Sektor. Die Branche Personaldienstleistung (22,8%) ist am
stärksten vertreten.
Danach folgen die Branchen der Industrie (16,5%), Finanzen & Versicherungen (12,5%),
Dienstleistungen im Allgemeinen (9,6%), Automobil (6,3%) und Unternehmensberatungen
(6,3%).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
85
Abbildung 5: Balkendiagramm – Übersicht über die in der vorliegenden Stichprobe vertretenen Unternehmensbranchen
Häufigkeit der eignungsdiagnostischen Weiterbildung
Die Mehrzahl der befragten Teilnehmer (47,1%) hat bereits 1-3 Mal an
eignungsdiagnostischen Weiterbildungen teilgenommen, während 23,9% der Recruiter noch
an keinen Weiterbildungen teilgenommen haben. 15,4% der Recruiter haben schon mehr als
5 Mal an solchen Schulungen teilgenommen.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
86
Abbildung 6: Balkendiagramm – Übersicht über die Häufigkeit eignungsdiagnostischer Weiterbildung der befragten Recruiter
Eingeschätzter eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf
Der eingeschätzte eignungsdiagnostische Weiterbildungsbedarf zeigt sich recht
normalverteilt. So schätzen die meisten Recruiter (45,2%) ihren individuellen Bedarf als
„mittel“ ein. 26,5% schätzen ihn als „hoch“ und 21% als „gering“ ein.
Abbildung 7: Balkendiagramm – Übersicht über den persönlichen eignungsdiagnostischen Weiterbildungsbedarf der befragten Recruiter
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
87
6.2.5 Vorbereitung des Datensatzes, Prüfung der multivariaten Verteilungsannahme
Bevor die Güteprüfung und Modellschätzung vorgenommen wird, sollte der Datensatz
hinsichtlich fehlender Werte, univariater und multivariater Ausreißer und verschiedener
Verteilungsannahmen vorbereitet werden (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.141; vgl. auch Field,
2009).
In dem für diese Untersuchung genutzten Datensatz wurden diejenigen Teilnehmer eliminiert,
die fehlende Werte in den Items v_1 – v_140 aufwiesen, da diese im Strukturgleichungs-
modell benötigt werden und deshalb vollständig vorliegen müssen. Somit lag ein
Ausgangsdatensatz mit 273 vollständigen Datensätzen vor73.
Die Identifikation von univariaten Ausreißern erfolgte mit Hilfe eines Box-Plots. Ein
Teilnehmer wurde dabei nach der Reliabilitätsanalyse ausgeschlossen, so dass der
Datensatz im weiteren Verlauf 272 Teilnehmer enthält74.
Anhand der Mahalanobis-Distanz wurden im Laufe der Berechnungen in AMOS 19 auch
multivariate Ausreißer identifiziert. Da sich die Anpassungsgüte des Modells aber
verschlechtert, wenn diejenigen Datensätze ausgeschlossen werden, die mit einem
Signifikanzniveau von <.05 als Ausreißer identifiziert werden, wurden innerhalb der
Strukturgleichungsmodellierung keine weiteren Ausreißer eliminiert.
Ebenfalls wurde mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, in der nur ein Faktor extrahiert
wurde, im Vorhinein das Problem des common-method-Effektes (Harman’s single-factor test,
vgl. Podsakoff et al., 2003; siehe auch Kapitel 6.2.9) ausgeschlossen75.
Auch die Multikollinearität der unabhängigen Variablen wurde mit der Überprüfung des
Variable Inflation Factor (VIF) (vgl. Field, 2009) ausgeschlossen. Dafür wurde jede UV als AV
in eine multiple Regressionsanalyse eingegeben, alle anderen Variablen dienten als UV. So
wurden insgesamt neun Regressionsanalysen berechnet, in denen die VIF`s aller
aufgenommenen Variablen <376 waren und Multikollinearität damit ausgeschlossen werden
konnte77.
73 Datensätze siehe externer Anhang 74 Box-Plots siehe externer Anhang, Ausschluss von lfd 588; Stichprobe wurde im vorherigen Kapitel anhand der 272 verbliebenen TN dargestellt; 75 geringe Varianzaufklärung von 15,73%, KMO:.80, Bartlett-Test auf Sphärizität p =.000 ; Ergebnisse siehe externer Anhang; 76 Tatsächlich sogar <1,5. Die Grenze für Multikollinearitätsprobleme liegt nach Field (2009) bei 3. 77 Ergebnisse siehe externer Anhang, als Berechnungsgrundlage dienten diejenigen Variablen die nach der kompletten Güteprüfung berechnet wurden;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
88
Da die Modellschätzung mit der Maximum-Likelihood-Methode erfolgen soll, wurde auch die
Multinormalverteilungsannahme überprüft: zunächst univariat, anhand des Kolmogorov-
Smirnoff-Tests (K.-S.-Test) sowie Schiefe- und Wölbungsmaßen; später auch multivariat,
anhand Mardia`Maß im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse mit AMOS 19.
Der Kolmogorov-Smirnoff-Test bestätigt nur für die Skalen Kenntnis des Anforderungsprofils
sowie Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses die univariate Normalverteilungs-
annahme.
Tabelle 3: Deskriptive Statistik und K.-S.-Test der Skalen nach kompletter Güteprüfung
Anm.: Darstellung des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), des K.-S.-Wertes sowie des Signifikanzniveaus p; die normalverteilten Skalen sind markiert;
Allerdings weisen Weiber & Mühlhaus (2010, S.147) darauf hin, dass solch statistische Tests
zur Prüfung der Normalverteilung „im Rahmen der SGA78 zu restriktiv“ erscheinen, da nur
aufgrund substantieller Abweichung von der Normalverteilungsannahme tatsächlich von ihr
Abstand genommen werden sollte. Ebenfalls reagiert der K.-S.-Test sehr sensitiv auf große
Stichproben (Yazici & Yolacan, 2007), so auch hier mit 272 Datensätzen. Deshalb werden
weiter die Schiefe- und Wölbungsmaße untersucht.
Schiefe- und Wölbungsmaße sollten laut Temme & Hildebrandt (2009, S.16679)
beitragsmäßig nicht >1 sein. Für West et al. (1994, S.7480) hingegen gelten Werte
beitragsmäßig >2 für die Schiefe und >7 für die Wölbung erst als substantielle Abweichung
von einer Normalverteilung. 78 Strukturgleichungsmodellierung, Anmerkung d. Autorin; 79 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.146; 80 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.146;
Skala/ latente Variable MW SD K.S.-Wert p
Expertise 3.78 1.29 1.92 .001
Subjektive Entscheidungsregeln 3.10 1.21 1.55 .016
Schemata 4.32 .88 1.92 .001
Rechenschaftsverpflichtung 4.17 1.31 1.93 .001
Systematik Feedback 3.02 1.23 1.42 .035
Strukturiertheit Interview 4.38 1.39 2.06 .000
Konkretheit Anforderungsprofil 4.35 1.14 2.58 .000
Verantwortlichkeitsgefühl 4.58 .94 2.39 .000
Kenntnis Anforderungsprofil 3.70 1.09 1.19 .118
Analytik Urteils- Entscheidungsprozess 4.55 .67 .90 .397
Entscheidungsdissonanz 2.34 .68 3.24 .000
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
89
Somit kann die univariate Normalverteilungsannahme für die untersuchten Skalen bestätigt
werden, lediglich die Skalen Verantwortlichkeitsgefühl81 und Entscheidungsdissonanz82
zeigen leichte Verletzungen, die aber nicht als substantiell zu bewerten sind83.
Mardia`Maß misst die multivariate Normalverteilung der Skalen, welche bei einem Wert
signifikant von 0 verschieden und C.R.< 1.96 bzw. < 2.5784 als gegeben betrachtet werden
kann (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.148).
Auch bezogen auf Mardia`Maß85 kann für den vorliegenden Datensatz also keine
nennenswerte Verletzung der multivariaten Normalverteilungsannahme festgestellt werden.
Somit kann im Rahmen der Modellschätzung jene mit der Maximum-Likelihood-Methode
erfolgen. Die ML-Methode ist die in der Praxis am häufigsten verwendete Schätzmethode, da
sie die Berechnung von Inferenzstatistiken erlaubt sowie die präzisesten Schätzungen liefert
(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.155).
6.2.6 Güteprüfung der reflektiven Mess-Modelle
Weiber und Mühlhaus (2010, S.105) empfehlen die Überprüfung der Gütekriterien reflektiver
Mess-Modelle zunächst anhand den Gütekriterien der ersten Generation und anschließend,
mit Hilfe der konfirmatorischen Faktorenanalyse, anhand den Gütekriterien der zweiten
Generation, um schließlich die endgültigen Mess-Modelle für das Strukturgleichungsmodell
definieren zu können.
Dieser Ablauf soll auch in der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt werden.
Deshalb wird sich die Güteprüfung an folgender Struktur orientieren (nach Weiber &
Mühlhaus, 2010, Übersicht S.104):
Gütekriterien der ersten Generation:
- Reliabilitätsanalyse:
o Prüfung auf Eindimensionalität, exploratorische Faktorenanalyse (EFA) je
Konstrukt
o Indikatorebene: Item-to-total-Korrelation, Cronbach`s Alpha ohne Item
o Konstruktebene: Cronbach`s Alpha, Inter-Item-Korrelation
81 Wölbung 1,25 82 Wölbung 1,65 83 Ergebnisse siehe externer Anhang; als Berechnungsgrundlage dienten ebenfalls diejenigen Variablen die nach der kompletten Güteprüfung berechnet wurden; 84 strenge bzw. moderate Prüfung der Annahme 85 siehe externer Anhang - Strukturgleichungsmodellierung
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
90
- Validitätsanalyse:
o Inhalts- und Expertenvalidität
o EFA über alle Konstrukte
Gütekriterien der zweiten Generation – Konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA):
- Reliabilitätsanalyse CFA:
o Indikatorebene: Indikatorreliabilität
o Konstruktebene: Faktorreliabilität, durchschnittliche extrahierte Varianz
- Validitätsanalyse CFA:
o Kriteriumsvalidität
o Konstruktvalidität: Konvergenz-, Diskriminanzvalidität
6.2.6.1 Gütekriterien der ersten Generation
Reliabilitätsanalyse
1. Prüfung auf Eindimensionalität
Zunächst werden die entwickelten Skalen auf Eindimensionalität überprüft, dazu wird je
Konstrukt eine exploratorische Faktorenanalyse mit SPSS 19 berechnet86.
Als Extraktionsmethode wird die Hauptachsenanalyse gewählt, als Rotation wird die
schiefwinklige Rotation Promax gewählt, da die Items demselben Konstrukt zugeordnet sind
(vgl. Weiber & Mühlhaus, 2010, S.107). Zur Bestimmung der Dimensionalität der Faktoren-
struktur wird auf das Kaiser-Kriterium zurückgegriffen, demnach diejenigen Faktoren
berücksichtigt werden, deren Eigenwerte >1 sind (vgl. Kaiser, 1974, S.31ff87).
Die Ergebnisse der Faktorenanalyse zeigen mit durchgängig ausreichend hohen KMO-
Werten88 um .70 und hoch-signifikanten Bartlett-Tests (p<.001), sowie mit der Extraktion
zumeist nur eines Faktors, dass die Eindimensionalität für die Skalen größtenteils bestätigt
werden kann. Tabelle 4 fasst die Ergebnisse übersichtlich zusammen.
86 Grundsätzliches Ziel der Faktorenanalyse ist es, latente Datenstrukturen durch eine neue Zuordnung der Daten auf abstraktere Komponenten zu identifizieren. Dadurch wird die Komplexität der Daten reduziert und die Interpretierbarkeit der Daten durch die Zuordnung zu Faktoren vereinfacht (vgl. Backhaus et al., 2006, S.260). 87 zitiert nach Weiber & Mühlhaus, 2010, S.107; 88 Nach Backhaus et al. (2006, S.276) wird ein Kaiser-Meyer-Olkin-Maß von >.70 als „gut“ befunden. Durch das KMO-Maß wird basierend auf der Anti-Image-Korrelationsmatrix beurteilt, ob die Ausgangsvariablen der Korrelationsmatrix für eine Faktorenanalyse geeignet sind (ebd.). Auch der Bartlett-Test auf Sphärizität misst die Eignung der Stichprobe für eine Faktorenanalyse. Nach Backhaus et al. (2006, S.274) überprüft der Bartlett-Test „die Hypothese, dass die Stichprobe aus einer Grundgesamtheit entstammt, in der die Variablen unkorreliert sind“. Voraussetzung ist Normalverteilung der Ausgangsdaten.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
91
Tabelle 4: Exploratorische Faktorenanalysen zur Prüfung auf Eindimensionalität
Skala/ latente Variable KMO p
Bartlett Extrahierte Faktoren
Varianzaufklärung
Expertise
.78 .000 1 57,98%
Subjektive Entscheidungsregeln
.85 .000 1 53,77%
Schemata
.76 .000 4 42,92%
Rechenschaftsverpflichtung
.74 .000 1 42,5%
Systematik Feedback
.64 .000 2 34,71%
Strukturiertheit Interview
.71 .000 1 44,4%
Konkretheit Anforderungsprofil
.63 .000 2 45,65%
Verantwortlichkeitsgefühl
.67 .000 2 42,38%
Kenntnis Anforderungsprofil
.72 .000 2 54,52%
Analytik Urteils- Entscheidungsprozess
.83 .000 4 40,06%
Entscheidungsdissonanz .62 .000 1 39,45% Anm.: Darstellung des KMO-Maßes, des Signifikanzniveaus p für den Bartlett-Test auf Sphärizität, der extrahierten Faktoren und der jeweiligen Varianzaufklärung;
Lediglich für die Skalen Schemata sowie Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses
bestehen Probleme der Eindimensionalität, da jeweils 4 Faktoren extrahiert werden89.
Dies soll im nächsten Schritt, der klassischen Reliabilitätsanalyse bzw. Itemselektion weiter
untersucht werden.
2. Prüfung der Indikator- und Konstruktreliabilität
Reflektive Indikatoren können untereinander austauschbar sein, da sie einen „gemeinsamen
Kern“ (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.91) besitzen. Folglich liefert Cronbach`s Alpha
(Cronbach, 1947) als Maß der Skalenhomogenität bzw. internen Skalenkonsistenz90 wichtige
Hinweise auf die Indikatorenreliabilität. Nunnally`s (1978, S.245) Forderung nach Cronbach`s
Alpha α >.7 besitzt hierbei breite Akzeptanz.
89 Ergebnisse siehe externer Anhang 90 durchschnittliche Interkorrelation der Items einer Skala
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
92
Im Rahmen der Itemselektion werden als erste Kriterien der Mittelwert, der als Indikator für
die Itemschwierigkeit dienen soll, außerdem die Standardabweichung genutzt91.
Wichtige Selektionskriterien sind auch die Korrelation des Items mit der Gesamtskala (auch
Item-to-Total-Korrelation) sowie die Trennschärfe (auch Inter-Item-Korrelation).
Die Item-to-Total-Korrelation repräsentiert die Korrelation einer Indikatorvariablen mit der
Summe aller Indikatoren, die demselben Faktor zugeordnet sind (Homburg & Giering, 1996,
S.8). Nach Bearden et al. (1989, S.47592) sollte diese >.5 ausfallen. Die Inter-Item-Korrelation
beschreibt die durchschnittliche Korrelation aller Items eines Konstruktes. Robinson, Shaver
& Wrightsman (1991, S.1393) fordern hier die Inter-Item-Korrelation >.3.
Hinsichtlich der Items u_10, u_45, u_48, u_52, u_53, u_54, u_55, u_62, u_71, u_73, u_74,
u_96, u_97, u_107, u_118, u_122, u_125, u_99, u_100, u_130, u_131, u_132 zeigt sich
dringender Optimierungsbedarf.
Wie schon oben erkannt, zeigen sich die größten Probleme innerhalb der Skalen Schemata
sowie Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses. Ebenfalls scheint es für die Skala
Systematik Feedback große Schwierigkeiten zu geben.
Die aufgezählten Items werden somit wegen zu geringer korrigierter Item-Skala-Korrelationen
sowie Inter-Item-Korrelationen für weitere Berechnungen aus den Skalen eliminiert94.
Danach zeigt sich, dass fast alle konstruierten Skalen hinsichtlich ihrer internen
Skalenkonsistenz als sehr geeignet beurteilt werden können. Lediglich die Skala Systematik
Feedback zeigt sich weiterhin optimierungsbedürftig.
Tabelle 5 gibt einen Überblick über Cronbach`s Alpha (α) vor und nach der Itemselektion.
91 Um eine möglichst große Differenzierung zu ermöglichen, soll der Mittelwert für die sechs-stufige Skala zwischen 2.5 - 4.5 liegen und die Standardabweichung >1.2 sein. 92 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.115; 93 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.115; 94 Ergebnisse siehe externer Anhang
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
93
Tabelle 5: Cronbach`s Alpha vor und nach Itemselektion
Anm.: als Kriterium der Güteprüfung gilt α>.7
Trotz der größtenteils sehr guten Indikatorreliabilität bleiben manche Items unterhalb der
geforderten Grenzen der Item-to-Total-Korrelation sowie der Inter-Item-Korrelation.
Bis auf u_49 würde sich aber bei ihrer Eliminierung für kein Item eine Verbesserung
hinsichtlich Cronbach`s Alpha ergeben. Deshalb sowie aus inhaltlich-konzeptionellen
Gründen, werden die Items vorerst in den Mess-Skalen belassen und evtl. zu einem späteren
Zeitpunkt der Reliabilitäts- und Validitätsanalyse eliminiert.
Die gesamte Skala Systematik Feedback muss als kritisch beurteilt werden, evtl. muss diese
später von der Berechnung ausgeschlossen werden.
Tabelle 6 gibt abschließend einen Überblick über die noch kritischen Items hinsichtlich der
Kriterien Item-to-Total- und Inter-Item-Korrelation.
Skala/ latente Variable α vor
Selektion Anzahl
α nach Selektion
Anzahl
Expertise .84 4 .85
3
Subjektive Entscheidungsregeln .87 6 .87
6
Schemata .73 13 .82
7
Rechenschaftsverpflichtung .77 5 .78
4
Systematik Feedback .11 5 .51
3
Strukturiertheit Interview .76 5 .84
3
Konkretheit Anforderungsprofil .54 6 .81
3
Verantwortlichkeitsgefühl .71 6 .71
6
Kenntnis Anforderungsprofil .75 5 .78
4
Analytik Urteils- Entscheidungsprozess .75 19 .82
13
Entscheidungsdissonanz .71 4 .71 4
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
94
Tabelle 6: Übersicht über noch kritische Items nach Itemselektion
Anm.: Darstellung der Korrelationskoeffizienten r; als Kriterien der Güteprüfung gelten Item-to-Total >.5, Inter-Item-Korrelation >.3;
Validitätsanalyse
1. Inhalts- und Expertenvalidität
Inhalts- oder auch Expertenvalidität besteht dann, wenn eine fundierte Konzeptualisierung
oder Expertenbeurteilung erfolgt ist und hohe Interkorrelationen zwischen den multiplen und
semantisch ähnlichen Items einer Skala vorliegen (vgl. Hildebrandt, 1984, S.4295).
Obwohl für die vorliegenden Items keine Expertenbeurteilung erfolgt ist, wurden sie eng am
theoretischen Hintergrund (Kapitel 1-5) sowie auf Basis der Ergebnisse der Vorstudie
entwickelt, in denen eignungsdiagnostische Experten bzw. praktisch tätige Recruiter
interviewt wurden96.
Ebenfalls zeigen obige Reliabilitätsberechnungen ausreichend bis hohe Interkorrelationen der
Items je Skala. Deshalb kann die Inhaltsvalidität als gegeben angesehen werden.
2. Exploratorische Faktorenanalyse
In einer exploratorischen Faktorenanalyse über alle Skalen soll überprüft werden, ob die
einzelnen Items auch faktorenanalytisch den jeweils zugehörigen Konstrukten zugeordnet
werden. Als Extraktionsmethode wird die Hauptkomponentenanalyse97 gewählt, als Rotation
95 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.128; 96 Ergebnisse siehe externer Anhang 97 Die Faktorextraktion nach der Hauptkomponentenanalyse unterstellt, „dass die Varianz einer Ausgangsvariablen vollständig durch die Extraktion von Faktoren erklärt werden kann“ (Backhaus et al., 2006, S.291). Es wird also kein Messfehler berücksichtigt, die Kommunalität von 1 wird vollständig reproduziert (ebd.) „Das Ziel der Hauptkomponentenanalyse liegt in der möglichst umfassenden Reproduktion der Datenstruktur durch möglichst wenige Faktoren“ (ebd.).
Skala/ latente Variable Item Item-to-
Total Inter-Item
Schemata u_49 .34 .15 Verantwortlichkeitsgefühl u_58 .39 .21 Verantwortlichkeitsgefühl u_59 .32 .14 Verantwortlichkeitsgefühl u_61 .31 .15 Kenntnis Anforderungsprofil u_64 .50 .25 Systematik Feedback u_101 .29 .09 Systematik Feedback u_102 .37 .14 Systematik Feedback u_103 .33 .11 Analytik Urteils- Entscheidungsprozess u_116 .36 .24 Analytik Urteils- Entscheidungsprozess u_117 .39 .27 Analytik Urteils- Entscheidungsprozess u_121 .35 .29 Analytik Urteils- Entscheidungsprozess u_129 .34 .14 Entscheidungsdissonanz u_140 .34 .14
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
95
wird die Varimax-Rotation98 gewählt. Zur Bestimmung der Dimensionalität der
Faktorenstruktur wird wie gehabt auf das Kaiser-Kriterium zurückgegriffen.
Mit einem KMO-Maß von .80 und einem signifikanten Bartlett-Test (p=.000) war die
Stichprobe für eine Faktorenanalyse gut geeignet. Es konnten 15 Faktoren mit einem
Eigenwert >1 und einer Varianzaufklärung von 67,5% identifiziert werden99. Alle
Kommunalitäten liegen oberhalb >.5, dies bedeutet, dass die Varianzaufklärung der
einzelnen Items durch die jeweiligen Faktoren als gut zu bewerten ist (Weiber & Mühlhaus,
2010, S.107).
Eine Übersicht über die Faktorenstruktur gibt Tabelle 7100.
Tabelle 7: Faktorenstruktur
Faktoren
Item 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15u_51 .819
u_50 .816
u_43 .724
u_44 .699
u_128 -.692
u_46 .577 .486
u_37 .828
u_41 .796
u_40 .769
u_39 .731
u_42 .722
u_38 .695
u_116 .697
u_115 .598
u_124 .556
u_120 .544 .440
u_117 .535
u_119 .533
u_65 .804
u_66 .743
u_64 .635
u_63 .616
98 Bei der Varimax-Rotation werden die extrahierten Faktoren orthogonal zueinander rotiert, dies bedeutet, dass die Faktoren nicht untereinander korrelieren (Backhaus et al., 2006, S.318). 99 Ergebnisse siehe externer Anhang 100 Die Faktorladungsmatrizen wurden sortiert, mit einer Unterdrückung der Faktorladungen <.40, ausgegeben, um eine schnelle Übersicht über die Faktorenstruktur zu gewährleisten.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
96
u_11 .857
u_13 .828
u_12 .774
u_94 .873
u_93 .810
u_95 .780
u_108 .801
u_109 .781
u_106 .639
u_105 .500
u_133 .780
u_127 .763
u_126 .714
u_140 -.700
u_139 -.632
u_61 .543
u_49 -.511
u_129 .459
u_60 .728
u_58 .696
u_56 .621
u_57 .579
u_59 .431
u_70 .890
u_69 .825
u_72 .749
u_138 .751
u_137 .723
u_121 .796
u_123 .575
u_102 .721
u_103 .434
u_101 .411
u_47 .507 .564
Anm.: Rotierte Komponentenmatrix der exploratorischen Faktorenanalyse über alle Items (Hauptkomponenten-analyse, Varimax-Rotation); Darstellung der Faktorladungen; Kreuzladungen auf verschiedenen Faktoren sind jeweils markiert;
Die inhaltliche Interpretation der Faktorenstruktur zeigt eine perfekte Abbildung der Skalen:
- subjektive Entscheidungsregeln: Faktor 2
- Kenntnis Anforderungsprofil: Faktor 4
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
97
- Expertise: Faktor 5
- Strukturiertheit Interview: Faktor 6
- Rechenschaftsverpflichtung: Faktor 7
- Konkretheit Anforderungsprofil: Faktor 11
- Systematik Feedback: Faktor 14
Faktor 1 repräsentiert die Skala Schemata, allerdings ohne u_49101, dafür wird u_128102 mit
aufgeführt. Die Faktoren 3, 8 und 13 repräsentieren die verschiedenen Aspekte der Skala
Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses, aber ohne das Item u_129103. Die Skala
Verantwortlichkeitsgefühl wird durch Faktor 10, allerdings ohne das Item u_61104
repräsentiert.
Die Skala Entscheidungsdissonanz wird schließlich durch den Faktor 12 dargestellt,
allerdings ohne die Items u_139105 und u_140106. Problematisch zeigt sich die Interpretation
des Faktors 9. Dort sind die bislang fehlenden Items u_49, u_61, u_129, u_139 und u_140
enthalten.
Deshalb wird zum Vergleich noch eine weitere konfirmatorische Faktorenanalyse berechnet,
bevor die Skalen evtl. weiter verändert werden107.
Inhaltliche Abweichungen gibt es dabei kaum, die Faktorenstruktur spiegelt auch hier die
jeweiligen Konstrukte treffend wieder.
Allerdings kann hier die Skala Entscheidungsdissonanz (inkl. Items u_139, u_140) vollständig
dem Faktor 5 zugeordnet werden, ebenfalls wird das Item u_49 vom Faktor 1
schemagetriebene Entscheidung repräsentiert.
Die Items u_61 und u_129 können nicht eindeutig einem Faktor zugeordnet werden. Da sie
auch oben hinsichtlich ihrer Skala-Korrelation und Trennschärfe als kritisch bewertet wurden,
werden sie deshalb nun aus den Mess-Skalen ausgeschlossen.
101 „In Bewerbungsgesprächen treffe ich manchmal Schlussfolgerungen, die eher auf meine Erfahrung als auf die Äußerungen eines Bewerbers zurück zu führen sind.“ 102 „In Bewerbungsgesprächen kann ich häufig schon frühzeitig eine Entscheidung treffen.“ 103 „In Bewerbungsgesprächen kann ich meine Eindrücke nicht immer explizit begründen.“ 104 „Wenn ich ehrlich bin, gehe ich manchmal etwas nachlässig oder oberflächlich bei meinen eignungs-diagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen vor.“ 105 „Nach einer eignungsdiagnostischen Entscheidung bin ich mir häufig unsicher, ob meine Einschätzungen und Entscheidungen tatsächlich richtig waren. 106 „Nach einer eignungsdiagnostischen Entscheidung hat sich schon häufiger herausgestellt, dass ich mich in meiner Prognose geirrt habe.“ 107 Ergebnisse siehe externer Anhang
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
98
6.2.6.2 Gütekriterien der zweiten Generation
Reliabilitätsanalyse
Die Gütekriterien der zweiten Generation werden aus den Ergebnissen der konfirmatorischen
Faktorenanalyse abgeleitet. Charakteristisch für die konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA)
ist, dass die Faktoren nicht wie bei der exploratorischen Faktorenanalyse aus der
Datenstruktur extrahiert, sondern a priori definiert werden (vgl. Weiber & Mühlhaus, 2010,
S.120). Die CFA kann auch als „Spezialfall eines kompletten Strukturgleichungsmodells“
(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.119) verstanden werden, da sich die Ablaufschritte größtenteils
mit denen der Strukturgleichungsmodellierung decken. Lediglich die kausalen Elemente
entfallen.
Als relevante Reliabilitätskriterien zur Prüfung der Indikator- und Konstruktreliabilität innerhalb
der konfirmatorischen Faktorenanalyse gelten nach Weiber & Mühlhaus (2010, S.122) die
Indikatorreliabilität (Squared Multiple Correlation = SMC), die Faktorreliabilität oder auch
Composite Reliability (CR) und die durchschnittliche je Faktor extrahierte Varianz (DEV),
auch Average Variance Extracted (AVE) genannt.
Die Indikatorreliabilität (SMC), oder auch Faktorladung, „gibt den Anteil der Varianz eines
Indikators an, der durch das Konstrukt erklärt wird“ (ebd.). Sie sollte mindestens .4 betragen
(Homburg & Giering, 1996, S.16108).
Die Faktorreliabilität oder auch Composite Reliability (CR) entspricht analog zu Cronbach`s
Alpha der Indikatorreliabilität auf Konstruktebene und sollte >.6 ausfallen (Bagozzi & Yi, 1988,
S. 80109).
Die DEV oder AVE zeigt schließlich, „wie viel Prozent der Streuung des latenten Konstruktes
über die Indikatoren durchschnittlich erklärt wird“ (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.123). Die
AVE zeigt also, wie gut eine latente Variable durch alle ihr zugeordneten Indikatoren
gemessen werden kann. Das Fornell-Larcker-Kriterium (1981, S.45f) fordert dabei die AVE
>.5.
Validitätsanalyse
Validitätskriterien überprüfen die konzeptionelle Gültigkeit der Messung für das zu erhebende
Konstrukt. Grundsätzlich wird dabei zwischen Inhalts-, Kriteriums- und Konstruktvalidität
unterschieden (vgl. Bortz & Döring, 2006, S.200).
108 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.122; 109 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.123;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
99
Inhalts- oder auch Expertenvalidität besteht dann, wenn eine fundierte Konzeptualisierung
oder Expertenbeurteilung erfolgt ist und hohe Interkorrelationen zwischen den multiplen und
semantisch ähnlichen Items einer Skala vorliegen (vgl. Hildebrandt, 1984, S.42110). Dies kann
für die vorliegende Untersuchung bestätigt werden (siehe Abschnitt oben).
Die Überprüfung der Kriteriumsvalidität kann nur mit Hilfe eines validen Außenkriteriums
erfolgen. Diese wurden in der vorliegenden Untersuchung nicht erhoben, da es sich auch bei
den Außenkriterien um latente Konstrukte handelt, die wiederum operationalisiert werden
müssten.
Die Konstruktvalidität hingegen liegt vor, wenn die Messung ohne systematische Fehler
erfolgt ist. Sie kann durch Konvergenz- und Diskriminanzvalidität überprüft werden (Weiber &
Mühlhaus, 2010, S.131).
Konvergenzvalidität untersucht dabei die Zusammenhänge zwischen Indikatoren und
Konstrukten, die Diskriminanzvalidität hingegen die Trennschärfe zwischen den Konstrukten.
Dies bedeutet, dass sich die Indikatoren verschiedener Konstrukte signifikant voneinander
unterscheiden und jeweils zum zugeordneten Konstrukt die stärkste Relation aufweisen
müssen. Auf die Konvergenzvalidität kann durch das Fornell-Larcker-Kriterium geschlossen
werden, wenn die AVE >.5 ausfällt (ebd.).
Die Diskriminanzvalidität wird sowohl durch die Ergebnisse einer exploratorischen
Faktorenanalyse über alle Konstrukte angezeigt111, als auch durch das Verhältnis zwischen
AVE und den quadrierten Korrelationen anderer Faktoren.
Die AVE muss dabei größer sein als die quadrierte Korrelation desselben Faktors mit einem
anderen Faktor (Fornell & Larcker, 1981, S.46). Ebenfalls liefern die Kriterien der Maximum
Shared Squared Variance (MSV) sowie der Average Shared Squared Variance (ASV)
wichtige Hinweise auf Diskriminanzvalidität, es gilt MSV < ASV sowie ASV < AVE (Gaskin,
2012; Hair et al., 2010).
Im Folgenden werden nun die Ergebnisse der CFA sowie die Güteprüfung anhand der
vorgestellten Kriterien SMC >.4, CR >.6, AVE >.5, MSV < ASV und ASV < AVE dargestellt.
Abbildung 8 gibt zunächst einen Überblick über das grafische Mess-Modell in AMOS 19.
110 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.128; 111 Ergebnisse siehe Tabelle 7: Faktorenstruktur konnte Konstrukte eindeutig repräsentieren
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
100
Abbildung 8: Grafische Darstellung CFA Anm.: Darstellung der standardisierten Pfadkoeffizienten; die nicht-beobachtbaren latenten Variablen werden als ovale Ellipsen, die beobachtbaren manifesten Indikatoren als Rechtecke, die Fehlervariablen als Kreise dargestellt; das reflektive Mess-Modell einer latenten Variablen enthält immer die operationalisierten Indikatoren mit jeweils einer Fehlervariablen (Pfade); zur Berechnung der CFA wurden alle latenten Variablen miteinander kovariiert (Doppelpfade);
Tabelle 8 zeigt neben den Standardfehlern (S.E.) und Critical Ratio-Werten (C.R.), die nicht-
standardisierten (b) und standardisierten Regressionsgewichte (β) sowie Faktorladungen
(SMC) als Ergebnisse der CFA.
Alle Pfadkoeffizienten sind dabei hochsignifikant112. Alle Standardfehler (S.E.) liegen
zwischen .067-.209, ebenso sind alle Critical Ratio-Werte (C.R.) >1.96 und liefern somit einen
hochsignifikanten Erklärungsbeitrag zum Mess-Modell. Allerdings liegen manche
Regressionsgewichte unter .5 sowie einige Faktorladungen (SMC) <.4 und sind damit als
112 zweiseitig getestet, Signifikanzniveau von p=.001
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
101
kritisch zu bewerten. Auch hier lassen sich einige Überschneidungen zu den schon oben als
kritisch identifizierten Items erkennen.
Tabelle 8: Ergebnisse CFA
Item Skala Pfad S.E C.R. b β SMC
u_11 <--- Exp 1 .89 .78
u_12 <--- Exp b59 .067 14.87 .99 .82 .68
u_13 <--- Exp b1 .072 13.25 .96 .74 .54
u_37 <--- subjE b4 .111 12.72 1.42 .84 .71
u_38 <--- subjE b2 .103 10.09 1.04 .66 .43
u_39 <--- subjE b3 .111 10.95 1.21 .71 .51
u_40 <--- subjE 1 .71 .51
u_42 <--- subjE b5 .099 11.21 1.11 .73 .53
u_41 <--- subjE b6 .091 11.26 1.02 .73 .54
u_43 <--- Sche 1 .68 .46
u_44 <--- Sche b7 .104 9.36 .97 .63 .40
u_46 <--- Sche b8 .087 7.35 .64 .49 .24
u_47 <--- Sche b9 .093 6.38 .59 .42 .18
u_49 <--- Sche b11 .114 5.89 .67 .39 .15
u_50 <--- Sche b12 .126 11.49 1.45 .81 .65
u_51 <--- Sche b13 .132 12.13 1.6 .87 .76
u_56 <--- Ver 1 .83 .69
u_57 <--- Ver b28 .082 12.91 1.06 .84 .70
u_58 <--- Ver b29 .09 4.94 .45 .32 .10
u_59 <--- Ver b30 .086 4.28 .37 .28 .08
u_60 <--- Ver b31 .077 7.94 .61 .50 .25
u_63 <--- KeA 1 .61 .38
u_64 <--- KeA b33 .127 7.55 .96 .56 .32
u_65 <--- KeA b34 .108 9.48 1.02 .79 .62
u_66 <--- KeA b35 .12 9.59 1.15 .81 .65
u_105 <--- Rech 1 .57 .33
u_106 <--- Rech b36 .175 7.88 1.38 .64 .41
u_108 <--- Rech b37 .2 8.96 1.79 .82 .68
u_109 <--- Rech b38 .197 8.50 1.68 .73 .53
u_101 <--- SysF b39 .192 4.8 .91 .48 .23
u_102 <--- SysF 1 .50 .25
u_103 <--- SysF b40 .201 5.1 1.02 .56 .31
u_93 <--- StrI 1 .72 .52
u_94 <--- StrI b41 .088 12.89 1.14 .97 .94
u_95 <--- StrI b42 .073 11.78 .86 .73 .53
u_69 <--- KoA b43 .077 11.20 .86 .72 .52
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
102
u_70 <--- KoA 1 .97 .93
u_72 <--- KoA b45 .07 10.12 .71 .64 .41
u_115 <--- Ana b20 .147 6.59 .97 .54 .29
u_116 <--- Ana b14 .126 4.89 .62 .36 .13
u_117 <--- Ana b15 .102 5.47 .56 .41 .17
u_119 <--- Ana b16 .141 6.40 .91 .51 .26
u_120 <--- Ana b17 .147 6.37 .94 .51 .26
u_121 <--- Ana b18 .155 5.01 .78 .37 .14
u_123 <--- Ana b19 .146 6.08 .89 .48 .23
u_124 <--- Ana 1 .51 .26
u_126 <--- Ana b21 .209 7.71 1.62 .70 .50
u_127 <--- Ana b22 .205 7.15 1.46 .61 .38
u_128 <--- Ana b23 .176 6.75 1.19 .56 .31
u_133 <--- Ana b60 .198 7.2 1.42 .62 .38
u_137 <--- Diss b25 .089 8.85 .78 .66 .43
u_138 <--- Diss 1 .84 .70
u_139 <--- Diss b26 .112 7.76 .87 .55 .30
u_140 <--- Diss b27 .102 5.62 .57 .39 .15
Anm.: Darstellung der einzelnen Faktorladungen inkl. Pfadlabel, Standardfehler der Parameterschätzung (S.E.), Critical-Ratio-Werte (C.R.), nicht-standardisierten Pfadkoeffizienten (b), standardisierten Regressionsgewichte (β) und der Faktorladung (SMC); die jeweils kritischen Items hinsichtlich β und SMC sind markiert (als Kriterien der Güteprüfung gelten: β >.5, SMC >.4);
Die quadrierte Korrelationsmatrix der Mess-Skalen sowie die Gütekriterien CR, AVE, MSV
und ASV wurden mit dem Excel-Tool Stats Tool Package (Gaskin, 2012) berechnet und
zeigen folgende Ergebnisse:
Tabelle 9: Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen
Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen
Skala StrI Exp subjE Sche Ana Diss Ver KeA Rech SysF KoA StrI .81
Exp .04 .82
subjE -.14 -.34 .73
Sche -.11 -.09 .13 .64
Ana .39 .21 -.32 -.52 .52
Diss -.17 -.35 .20 -.08 -.24 .63
Ver .21 .39 -.43 -.18 .42 -.37 .60
KeA .28 .27 -.03 .20 .17 -.14 .14 .70
Rech .14 .24 -.37 -.37 .60 -.11 .44 -.04 .70
SysF .14 .12 -.03 .23 -.12 -.28 .23 .58 -.14 .51
KoA .22 .18 -.19 .00 .16 -.09 .09 .25 .10 .15 .79
Anm.: markiert sind jeweils die kritischen Faktorkorrelationen, die größer als die AVE des jeweiligen Faktors ausfallen (Diskriminanzvalidität);
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
103
Tabelle 10: Kriterien der Güteprüfung hinsichtlich Konvergenz- und Diskriminanzvalidität
CR AVE MSV ASV
StrI .85 .66 .15 .04
Exp .86 .67 .15 .06
subjE .87 .54 .18 .07
Sche .82 .41 .27 .06
Ana .81 .27 .36 .12
Diss .71 .40 .14 .05
Ver .71 .37 .20 .10
KeA .79 .49 .34 .07
Rech .79 .49 .36 .09
SysF .52 .26 .34 .06
KoA .83 .62 .06 .02
Anm.: als Kriterien der Güteprüfung gelten: CR >.6, AVE >.5, MSV < ASV und ASV < AVE; markiert sind jeweils die kritischen Werte;
In der Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen wird deutlich, dass die durchschnittlich
erfasste Varianz eines Faktors (AVE) nicht immer größer ist, als jede quadrierte Korrelation
dieses Faktors mit einem anderen Faktor. Dies ist zwar teilweise auf inhaltslogische
Zusammenhänge zurückzuführen, dennoch zeigt sich hinsichtlich der diskriminanten Validität
Optimierungsbedarf. Vor allem die AVE von Analytik fällt mit .27 viel zu gering aus, sodass es
hier zu einigen problematischen quadrierten Faktorkorrelationen >.27 kommt. Dies indiziert
auch Optimierungsbedarf hinsichtlich der konvergenten Validität.
Auch innerhalb der Skala Systematik Feedback gibt es Validitätsprobleme. Dort fällt die AVE
mit .26 und – ebenso wie in Analytik – MSV > AVE aus. Ebenso zeigen sich mit CR <.6, wie
auch schon oben festgestellt, zusätzlich moderate Reliabilitätsprobleme.
Deshalb muss das Modell weiter modifiziert werden. Zunächst wird dafür die Modellgüte
betrachtet.
Auch im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse mit AMOS 19 werden die Maße der
Modellgüte ausgegeben. Damit diese schon weiter genutzt werden können, sollen sie an
dieser Stelle kurz aufgegriffen bzw. aufgezählt werden, bevor sie in Kapitel 6.2.8
(Modellschätzung und Evaluation des Strukturgleichungsmodells) inhaltlich genauer erläutert
werden.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
104
Die Evaluation der Modellgüte bzw. Anpassung des Modells an die empirischen Daten erfolgt
nach Weiber & Mühlhaus (2010, S.158) sowie Hair et al. (2010, S.654) anhand folgender
wichtiger Kriterien und Cut-Off-Werte:
- Inferenzstatistische Gütemaße:
o RMSEA: <.05 - .08; PCLOSE: >.05;
o CMIN/DF: < 2.5
- Deskriptive Goodness of Fit-Maße:
o Absolut: RMR <.10
o Relativ: GFI: >.9 und AGFI: >.9
Tabelle 11 zeigt die Anpassungsgüte der berechneten CFA.
Tabelle 11: Anpassungsgüte des Ausgangsmodells – CFA
Anpassungsgüte des Ausgangsmodells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI
.07 .000 2.17 .14 .69 .65
Die inferenzstatistischen Gütemaße zeigen zwar eine recht gute Anpassung des Modells an
die vorliegenden Daten, allerdings ist der RMSEA-Wert nicht mit einer Irrtums-
wahrscheinlichkeit von <.05 bestätigt, wenn der PCLOSE-Wert nicht >.05 ausfällt.
Auch die deskriptiven Gütemaße fordern eine Modelloptimierung.
Deshalb wurden im Rahmen der CFA die von AMOS ausgegebenen Parameterschätzungen
sowie Residuen und Modification Indices betrachtet, die Hinweise zur Modifikation der
Modellstruktur geben. Hierbei können zwei Strategien verfolgt werden – Parameter
ausschließen oder aufnehmen (vgl. Weiber & Mühlhaus, 2010, S.190).
Die Vereinfachung der Modellstruktur erfolgt auf Basis der Standardfehler der Schätzung
(S.E.), sowie dem Critical Ratio (C.R.)-Wert. Diese liefern Hinweise darauf, welche Items
keinen Erklärungsbeitrag zum Modell liefern. Deshalb sollten Parameter mit sehr hohen
Standardfehlern sowie C.R.-Werten < 1.96 aus dem Modell ausgeschlossen werden.
Dies ist jedoch in der vorliegenden CFA nicht erforderlich.
Die Erweiterung der Modellstruktur hingegen, erfolgt durch die Betrachtung der
standardisierten Residuen sowie der Modification Indices. Hier gelten sowohl standardisierte
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
105
Residuen beitragsmäßig > 2 als kritisch, als auch hohe Modification Indices (M.I.), die zu
einer deutlichen Verringerung des Chi-Quadrat-Wertes führen (ebd., S.192).
Unter Berücksichtigung der M.I.-Werte wurde so sukzessive ein in seiner Anpassungsgüte
verbessertes Modell erstellt.
Der erste Modifikationsschritt war die Aufnahme neuer Kovarianzen zwischen den
Fehlervariablen sowie die Verschiebung des Items u_128 zur Skala Schemata wegen sehr
hoher M.I.-Werte und einer gleichzeitig starken Verringerung des Chi-Quadrat-Wertes.
Dadurch konnte der Modell-Fit deutlich verbessert werden. Der RMSEA-Wert wird nun mit
einer nur sehr geringen Irrtumswahrscheinlichkeit bestätigt. Auch die deskriptiven Gütemaße
zeigen eine Verbesserung.
Tabelle 12: Anpassungsgüte des modifizierten Modells – CFA
Anpassungsgüte des modifizierten Modells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI
.05 .88 1.61 .13 .79 .78
Durch diese Modellmodifikation verschieben sich allerdings auch standardisierte
Regressionsgewichte sowie Faktorladungen als Ergebnisse der CFA.
Dies trifft insbesondere auf die Skala Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses zu,
da dort ein Item hinzugekommen ist. Tabelle 13 zeigt den Vergleich der kritischen Items im
Ausgangsmodell sowie modifizierten Modell bezogen auf die standardisierten
Regressionskoeffizienten (β) und Faktorladungen (SMC).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
106
Tabelle 13: Vergleich Ergebnisse CFA im Ausgangsmodell und modifizierten Modell
Start Modifiziert
Item Skala β SMC β SMC
u_46 <--- Sche .49 .24 .43 .19
u_47 <--- Sche .42 .18 .38 .14
u_49 <--- Sche .39 .15 .41 .17
u_116 <--- Ana .36 .13 .48 .23
u_117 <--- Ana .41 .17 .54 .29
u_121 <--- Ana .37 .14 .41 .17
u_123 <--- Ana .48 .23 .55 .30
u_126 <--- Ana .70 .50 .46 .21
u_127 <--- Ana .61 .38 .32 .10
u_133 <--- Ana .62 .38 .29 .09
u_140 <--- Diss .39 .15 .31 .10
u_58 <--- Ver .32 .10 .28 .08
u_59 <--- Ver .28 .08 .27 .07
Anm.: Darstellung der standardisierten Regressionsgewichte (β) und Faktorladungen (SMC) als Kriterien der Güteprüfung: es gilt β >.5, SMC >.4; die jeweils kritischen Items sind markiert;
Auch die Matrizen der standardisierten Residuen werden überprüft. Dort zeigen sich vor
allem u_49, u_127, u_133, u_140 mit gehäuften hohen Residuen problematisch.
Deshalb werden im nächsten Schritt die Items u_47, u_49, u_121, u_127, u_133, u_140,
u_58 und u_59 ausgeschlossen.
Dadurch verbessert sich die Anpassungsgüte des Modells abermals und kann somit als sehr
gut beurteilt werden.
Tabelle 14: Anpassungsgüte des weiter modifizierten Modells – CFA
Anpassungsgüte des weiter modifizierten Modells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI
.05 .93 1.57 .12 .82 .79
Ebenso zeigen auch die Faktorkorrelationsmatrix sowie die Validitätskriterien deutlich
verbesserte Ergebnisse.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
107
Tabelle 15: Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen im modifizierten Modell
Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen
Skala StrI Exp subjE Sche Ana Diss Ver KeA Rech SysF KoA StrI .81
Exp .04 .82
subjE -.15 -.35 .72
Sche -.13 -.11 .13 .71
Ana .43 .25 -.27 -.25 .57
Diss -.19 -.34 .20 -.08 -.31 .69
Ver .22 .38 -.44 -.20 .50 -.37 .74
KeA .28 .27 -.04 .18 .28 -.15 .13 .70
Rech .13 .33 -.45 -.33 .69 -.24 .57 .06 .65
SysF .14 .12 -.05 .24 .02 -.31 .23 .58 -.04 .52
KoA .22 .18 -.20 -.02 .20 -.08 .09 .25 .13 .14 .79
Anm.: markiert sind jeweils die kritischen Faktorkorrelationen, die größer als die AVE des jeweiligen Faktors ausfallen (Diskriminanzvalidität);
Tabelle 16: Kriterien der Güteprüfung im modifizierten Modell hinsichtlich Konvergenz- und Diskriminanzvalidität
CR AVE MSV ASV
StrI .85 .66 .18 .05
Exp .86 .67 .15 .07
subjE .86 .52 .21 .07
Sche .69 .50 .11 .04
Ana .79 .32 .48 .13
Diss .72 .48 .14 .06
Ver .77 .55 .33 .12
KeA .79 .49 .33 .07
Rech .75 .43 .48 .13
SysF .52 .27 .33 .06
KoA .82 .62 .06 .03
Anm.: als Kriterien der Güteprüfung gelten: CR >.6, AVE >.5, MSV < ASV und ASV < AVE; markiert sind jeweils die kritischen Werte;
Nur noch die Skalen Analytik und Systematik Feedback weisen nunmehr eine optimierbare
konvergente Validität auf, da das Fornell-Larcker-Kriterium (AVE >.5) mit .32 für Analytik und
.27 für Systematik Feedback nicht voll erfüllt werden konnte und somit, bezogen auf die
diskriminante Validität, auch MSV minimal größer als AVE ausfällt. Dieses Defizit ist aber
nicht als substantiell zu bewerten.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
108
Auch die Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen zeigt eine deutliche Verbesserung der
diskriminanten Validität der geprüften Skalen. Es werden primär inhaltslogische
Zusammenhänge zwischen den Variablen deutlich, gehäuft für die Variable
Rechenschaftsverpflichtung.
Obwohl keine Items aus der Skala eliminiert wurden, hat sich hier die AVE durch die
Modifikation anderer Skalen leicht von .49 auf .43 verschlechtert, was sich auch in knapp
höheren Faktorkorrelationen mit anderen Faktoren niederschlägt. Diese sind aber
möglicherweise schon auf kausale Effekte zurückzuführen, denn inhaltlich lassen sich die
Items der Rechenschaftsverpflichtung eindeutig von denen anderer Faktoren abgrenzen.
Abschließend wird nochmal Cronbach`s Alpha für die veränderten Skalen Schemata (α=.85),
Verantwortlichkeitsgefühl (α=.75), Analytik (α=.79) und Entscheidungsdissonanz (α=.69)
berechnet.
Die Güteprüfung kann somit abgeschlossen werden. Als Resultat der Güteprüfung, kann
insgesamt auf hinreichende Reliabilität und Validität der Mess-Modelle geschlossen werden.
Somit können die Mess-Skalen bzw. Variablen nun für die weitere Berechnung einer
bivariaten Korrelationsanalyse, per arithmetischem Mittel fertig gestellt werden113.
6.2.7 Bivariate Korrelationsanalyse
Durch die Berechnung bivariater Korrelationen nach Pearson können schon erste
Zusammenhänge zwischen den Variablen identifiziert werden.
Korrelationen stellen zwar ein notwendiges Kriterium für eine Ursache-Wirkungsbeziehung
dar, aber kein hinreichendes (Preacher & Hayes, 2008, S.879), da Korrelationen keine
Informationen über die Richtung des kausalen Effektes geben. Jedoch geben sie Auskunft
über die Kovarianz zweier Variablen.
Die Korrelationsmatrix unterstützt insgesamt die Stimmigkeit der vorgenommenen
Konstruktoperationalisierung. Die Ergebnisse der bivariaten Korrelationsanalyse sind
größtenteils hypothesenkonform.
Sie werden nun in Tabelle 17 dargestellt und anschließend kurz erläutert.
113 Berechnung siehe externer Anhang
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
109
Tabelle 17: Bivariate Korrelationsmatrix nach Pearson
Korrelationsmatrix der Variablen des SGM`s
Exp subjE Sche Ver KeA KoA StrI SysF Rech Ana Diss Exp 1.00 -.31 -.04 .35 .20 .18 .04 .09 .21 .20 -.33
subjE -.31** 1.00 .11 -.35 .02 -.18 -.10 .01 -.34 -.25 .21
Sche -.04 .11 1.00 -.13 .21 .02 -.11 .16 -.29 -.21 -.06
Ver .35** -.35** -.13* 1.00 .13 .14 .16 .14 .38 .40 -.30
KeA .20** .02 .21** .13* 1.00 .23 .26 .41 -.03 .18 -.08
KoA .18** -.18** .02 .14* .23** 1.00 .19 .11 .12 .20 -.15
StrI .04 -.10 -.11 .16** .26** .19** 1.00 .09 .13 .39 -.10
SysF .09 .01 .16** .14* .41** .11 .09 1.00 -.08 .01 -.13
Rech .21** -.35** -.29** .38** -.03 .12 .13* -.08 1.00 .51 -.14
Ana .20** -.25** -.21** .40** .18** .20** .39** .01 .51** 1.00 -.28
Diss -.33** .21** -.06 -.30** -.08 -.15* -.10 -.13* -.14* -.28** 1.00
Anm.: Darstellung des Korrelationskoeffizienten r, mit dem zweiseitigen Signifikanzniveau p: **=p<.01, *=p<.05; die signifikanten Korrelationen wurden jeweils markiert; Die Lernprozesse des Recruiters (Themenfeld 1) korrelieren erwartungsgemäß positiv
(Expertise: r=.20**) sowie negativ (subjektive Entscheidungsregeln: r=-.25**, Schemata: r=-
.21**) mit einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess bei Einstellungsinterviews.
Innerhalb des zweiten Themenfeldes organisationale Rahmenbedingungen zeigen die
Ergebnisse ebenfalls – bis auf eine Ausnahme – signifikante Ergebnisse.
Die stärkste Korrelation zeigt Rechenschaftsverpflichtung (r=.51**), ebenso korrelieren aber
auch die Konkretheit des Anforderungsprofils (r=.20**) und die Strukturiertheit des Interviews
(r=.39**) positiv mit einem analytisch geprägten Urteils- und Entscheidungsprozess. Nur die
Variable Systematik des Feedbacks zeigt hier keinen signifikanten Zusammenhang (r=.01,
p=.93).
Die Mediatoren (Themenfeld 3) Verantwortlichkeitsgefühl und Kenntnis des
Anforderungsprofils hängen hypothesenkonform positiv mit der Analytik des Urteils- und
Entscheidungsprozesses zusammen (r=.40** sowie r=.18**)
Auch der negativ postulierte Zusammenhang zwischen der Analytik des Urteils- und
Entscheidungsprozesses und der wahrgenommenen Entscheidungsdissonanz wird
ersichtlich (r=-.28**). Ebenso sind für alle Variablen außer für die subjektiven
Entscheidungsregeln negative Zusammenhänge mit Entscheidungsdissonanz erkennbar.
Hoch-signifikant fallen dabei Expertise (r=-.33**) und Verantwortlichkeitsgefühl (r=-.30**) aus.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
110
Die subjektiven Entscheidungsregeln korrelieren hingegen positiv mit der wahrgenommenen
Entscheidungsdissonanz (r=.21**).
Für Rechenschaftsverpflichtung ist auch der positive Zusammenhang mit
Verantwortlichkeitsgefühl (r=.38**), für Systematik des Feedbacks ist der positive
Zusammenhang mit Kenntnis des Anforderungsprofils (r=.41**) hypothesenrelevant.
Auch für die Strukturiertheit des Interviews (r=.26**) sowie die Konkretheit des
Anforderungsprofils (r=.23**) lassen sich positive Zusammenhänge mit der Kenntnis des
Anforderungsprofils feststellen. Auch hier unterstützen die Zusammenhänge die postulierten
Hypothesen.
Die Korrelationsmatrix der Variablen stellt also erste inhaltslogische und thesenrelevante
Zusammenhänge dar.
Die kausalen Effekte werden im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung nun mit dem
kovarianzanalytischen Ansatz überprüft.
6.2.8 Kovarianzanalytische Modellschätzung – Evaluation des Gesamtmodells
In diesem Kapitel soll nun das Strukturgleichungsmodell nach der Maximum-Likelihood-
Methode geschätzt und evaluiert werden.
Eine hohe Anpassungsgüte ist dabei dann gegeben, „wenn die mit Hilfe der Parameter-
schätzer berechneten Varianzen und Kovarianzen möglichst gut mit den empirisch
gewonnenen Varianzen und Kovarianzen übereinstimmen“ (Weiber & Mühlhaus, 2010,
S.160).
Wie bereits oben schon aufgelistet, lassen sich die wichtigsten Gütekriterien der
Anpassungsgüte unterscheiden nach:
- Inferenzstatistischen Gütemaßen:
o RMSEA: <.05 - .08; PCLOSE: <.05;
o CMIN/DF: < 2.5
- Deskriptiven Goodness of Fit-Maßen:
o Absolut: RMR <.10
o Relativ: GFI: >.9 und AGFI: >.9
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
111
Der χ²-Anpassungstest bildet zwar das wichtigste inferenzstatistische Kriterium, da er die
vollständige Übereinstimmung zwischen empirischen Daten und Strukturgleichungsmodell
bzw. den perfekten Modell-Fit misst114. Allerdings reagiert der χ²-Anpassungstest sehr
sensitiv auf den Stichprobenumfang und kann weiterhin nicht den Fehler 2. Art abschätzen
(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.161).
Deshalb liefert der RMSEA (Root Mean Square of Approximation) aussagekräftigere
Ergebnisse und wird bei <.05 als gut sowie bei <.08 als akzeptabel bewertet (Brown &
Cudeck, 1993, S.136ff115). Der RMSEA prüft die Annäherung eines Modells an die Daten und
bereinigt dabei die Modellkomplexität durch Berücksichtigung der Freiheitsgrade.
Der PCLOSE-Wert prüft zudem die Nullhypothese der Irrtumswahrscheinlichkeit zum
RMSEA, bei >.05 kann deshalb auf einen guten Modell-Fit geschlossen werden (Weiber &
Mühlhaus, 2010, S.162).
CMIN/DF ist die Bezeichnung des Quotienten des χ²-Wertes in Relation zu den
Freiheitsgraden. Dieser Quotient sollte laut Homburg & Baumgartner (1995, S.172116) < 2.5
sein. Je kleiner CMIN/DF, desto besser ist die Anpassungsgüte des Modells.
Der Test von Hoelter gibt die kritische Stichprobengröße an, bei welcher der χ²-Test gerade
noch akzeptiert würde.
Absolute deskriptive Goodness of Fit-Maße wie der RMR (Root Mean Square Residual)
setzen den χ²-Wert in Relation zur Komplexität des Modells. Je kleiner RMR ausfällt, desto
gelungener ist dabei die Anpassung des Modells an die empirischen Daten (Weiber &
Mühlhaus, 2010, S.165). Ein guter Modell-Fit ergibt sich für <.10 (ebd.).
Die relativen deskriptiven Goodness of Fit-Maße GFI und AGFI entsprechen dem
Bestimmtheitsmaß R² (GFI) bzw. dem korrigierten R² (AGFI) (Weiber & Mühlhaus, 2010,
S.166f). Sie messen die relative Menge der vom Modell abgebildeten Kovarianzen und
Varianzen und sind deshalb unabhängig von der Stichprobengröße. Sie beschreiben letztlich
die Varianzaufklärung des getesteten Modells. Ein guter Modell-Fit ergibt sich jeweils für >.9
(ebd.).
114 Das χ²- Anpassungsmaß entspricht dabei einer Likelihood-Ratio-Teststatistik, mit der Nullhypothese, dass die modelltheoretische Kovarianz-Matrix der empirischen Kovarianz-Matrix entspricht. Der χ²-Wert fällt umso kleiner aus, je geringer die Differenz zwischen der modelltheoretischen und empirischen Kovarianz-Matrix ist. 115 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.162; 116 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.162;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
112
Nach Sichtung der Anpassungsgüte des Modells, liefern die Parameterschätzungen Auskunft
über die postulierten Beziehungen der latenten Variablen.
Die Stärke und Richtung der kausalen Effekte wird über die standardisierten
Pfadkoeffizienten bzw. Regressionsgewichte untersucht. Sie zeigen analog zu den β-
Gewichten in Regressionen, ob der Kausalzusammenhang positiv oder negativ ist und wie
stark der Effekt ist. Pfadkoeffizienten von einer Größe ab .2 (Chin, 1998, S.8117) werden als
bedeutsam bezeichnet.
Weiterhin werden die Squared Multiple Correlations (SMC) ausgegeben.
Sie geben die jeweilige Varianzaufklärung einer endogenen Variable durch die anderen
Variablen an und können deshalb analog zum Bestimmtheitsmaß R² bei der
Regressionsanalyse interpretiert werden (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.181). Chin (1998,
S.323118) bewertet dabei SMC-Werte von .19 als schwach, von .33 als moderat und von .66
als substantiell.
Der Standardfehler der Parameterschätzung (S.E.) gibt an, wie zuverlässig der Parameter
geschätzt werden konnte. Ebenfalls kann mit dem Critical Ratio-Wert (C.R.) geprüft werden,
welche Parameter keinen Erklärungsbeitrag zur Modellstruktur liefern. Deshalb sollten
Parameter mit sehr hohen Standardfehlern sowie C.R. Werten <1.96 in den folgenden
Schritten der Modellmodifikation aus dem Modell ausgeschlossen werden119 (Weiber &
Mühlhaus, 2010, S.180).
Abbildung 9 zeigt nun das grafische Strukturgleichungsmodell in AMOS 19.
117 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.181; 118 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.181; 119 Der Cut-Off Wert von 1.96 entspricht dabei dem t-Wert eines 2-seitigen Signifikanztests, mit p=.05, und der Nullhypothese, dass die geschätzten Werte sich nicht signifikant von 0 unterscheiden.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
113
Abbildung 9: Grafisches Strukturgleichungsmodell – Ausgangsmodell
Tabelle 18 gibt weiterhin einen Überblick über die einzelnen Pfadkoeffizienten im
berechneten Strukturgleichungsmodell.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
114
Tabelle 18: Pfadkoeffizienten im SGM-Ausgangsmodell
Wirkungs-zusammenhang
Pfad S.E C.R. b β p Hypothese
subjE <--- Exp b39 .06 -4.94 -.28 -.35 *** 1.4
KoA <--- StrI b66 .06 3.43 .21 .22 *** 2.7
KeA <--- Exp b45 .05 3.21 .16 .22 ** 3.7
KeA <--- KoA b47 .05 2.19 .10 .14 .03 3.10
KeA <--- StrI b48 .05 3.19 .15 .21 ** 3.9
Ver <--- Rech b52 .07 6.16 .44 .49 *** 3.4
KeA <--- SysF b57 .11 4.16 .45 .50 *** 3.8
Sche <--- Rech b67 .05 -4.15 -.21 -.32 *** 2.5
Ver <--- SysF b70 .07 2.31 .17 .19 .02 3.5
Ver <--- StrI b40 .04 2.60 .11 .16 * 3.6
Sche <--- Exp b41 .04 -.27 -.01 -.02 .79 1.5
Ver <--- Exp b44 .05 4.17 .20 .27 *** 3.3
Sche <--- subjE b62 .05 -.08 .00 -.01 .93 1.6
Sche <--- StrI b56 .03 -1.46 -.05 -.09 .15 2.6
KeA <--- Rech b60 .06 -.98 -.06 -.07 .33 3.11
Ana <--- subjE b42 .05 1.02 .05 .06 .31 1.2
Ana <--- StrI b49 .04 4.30 .17 .29 *** 2.3
Ana <--- Ver b50 .07 1.55 .11 .13 .12 3.1
Ana <--- KoA b53 .03 .38 .01 .02 .70 2.4
Ana <--- KeA b54 .08 2.79 .22 .27 * 3.2
Ana <--- Rech b55 .08 5.67 .43 .59 *** 2.1
Ana <--- Exp b68 .04 .06 .00 .00 .95 1.1
Ana <--- SysF b69 .08 -1.61 -.13 -.17 .11 2.2
Ana <--- Sche b43 .07 -.24 -.02 -.02 .81 1.3
Diss <--- Ana b46 .08 -1.61 -.12 -.14 .11 4.1
Diss <--- Exp b71 .04 -3.13 -.13 -.23 ** 4.2
Diss <--- Ver b51 .07 -2.35 -.16 -.22 ** 4.3
Anm.: Darstellung der Wirkungszusammenhänge zwischen den latenten Variablen, der Pfadlabel, der Standardfehler der Parameterschätzung (S.E.), der Critical-Ratio-Werte (C.R.), der nicht-standardisierten Pfadkoeffizienten (b), der standardisierten Regressionsgewichte (β), dem Signifikanzniveau (p) und der jeweils zugehörigen Hypothese; für p gilt: ***=p<.001, **=p<.005, *=p<.010; die nicht-signifikanten Wirkungszusammen-hänge sind jeweils markiert;
Obwohl die meisten Regressionsgewichte signifikant sind und damit die postulierten
Hypothesen bestätigen, zeigen die Pfade b41, b42, b43, b53, b60, b62 und b68 (Hypothesen
1.1-1.3 sowie 1.5-1.6, 2.4 und 3.11) mit C.R. Werten <1.96 sowie nicht-signifikanten
Regressionsgewichten, unzureichende Erklärungsbeiträge im Gesamtmodell.
Betroffen ist hier vor allem das erste Themenfeld der Lernprozesse.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
115
Auch die Übersicht der standardisierten totalen Effekte zeigt analog die nur geringen
Wirkungsbeziehungen zwischen den Lernprozessen und der Analytik der Urteils- und
Entscheidungsprozesses der Recruiter. Auch die organisationale Rahmenbedingung des
konkreten Anforderungsprofils zeigt hier keinen Effekt auf Analytik.
Tabelle 19: Standardisierte totale Effekte im SGM-Ausgangsmodell
Skala StrI SysF Rech Exp subjE KoA KeA Ver Sche Ana Diss
subjE 0 0 0 -.354 0 0 0 0 0 0 0
KoA .218 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
KeA .245 .495 -.068 .216 0 .142 0 0 0 0 0
Ver .159 .189 .489 .269 0 0 0 0 0 0 0
Sche -.093 0 -.323 -.017 -.006 0 0 0 0 0 0
Ana .383 -.011 .639 .076 .063 .06 .269 .132 -.015 0 0
Diss -.088 -.04 -.196 -.302 -.009 -.008 -.037 -.239 .002 -.139 0
Anm.: Darstellung der standardisierten Regressionsgewichte (β); die unbedeutsamen Wirkungszusammenhänge sind jeweils markiert;
Die Anpassungsgüte des Modells kann mit einem RMSEA=.05 und PCLOSE=.66 als sehr gut
beurteilt werden. Ebenfalls spricht der CMIN/DF-Wert von 1.65 für eine sehr gute
Modellanpassung an die Daten.
Lediglich die deskriptiven Gütemaße zeigen leichte Abweichungen von den geforderten
Grenzwerten (RMR <.10, GFI/AGFI <.90) einer guten Modellanpassung bzw. vollständigen
Varianzaufklärung durch das Modell.
Dennoch lässt sich die Anpassungsgüte insgesamt als gut beurteilen.
Tabelle 20: Anpassungsgüte des SGM-Ausgangsmodells
Anpassungsgüte des Ausgangsmodells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI
.05 .66 1.65 .18 .80 .78
Eine Optimierung der Modellgüte kann durch eine Modellmodifikation erzielt werden, bei der
irrelevante Wirkungsbeziehungen aus dem Gesamtgefüge ausgeschlossen werden.
Bevor jedoch die kritischen Wirkungszusammenhänge aus dem Modell eliminiert werden,
sollen zunächst die postulierten Mediationshypothesen überprüft werden, denn
möglicherweise können auch multiple Mediator- bzw. Suppressoreffekte (vgl. Preacher &
Hayes, 2008, S.881) dafür verantwortlich sein, dass manche Wirkungsbeziehungen in dem
recht komplexen Strukturgleichungsmodell nicht signifikant ausfallen.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
116
6.2.8.1 Hypothesenprüfung und Interpretation – Analyse der direkten und mediierenden
Effekte im Strukturgleichungsmodell
Baron & Kenny (1986, S.1176) definieren intervenierende Variablen, die den kausalen
Zusammenhang zwischen einer unabhängigen und abhängigen Variable beeinflussen, als
Mediatoren. Mediatoren beschreiben dabei, warum ein Effekt von der unabhängigen auf die
abhängige Variable auftritt, Moderatoren beschreiben im Gegensatz dazu, wann ein solcher
Effekt auftritt. Mediatoren können rechnerisch identifiziert werden, wenn folgende
Bedingungen erfüllt sind:
- ein direkter Effekt der unabhängigen auf die abhängige Variable,
- ein direkter Effekt der unabhängigen Variable auf die mediierende Variable,
- ein direkter Effekt der mediierenden Variable auf die abhängige Variable sowie
- ein reduzierter direkter Effekt zwischen unabhängiger und abhängiger Variable, wenn
die mediierende Variable kontrolliert wird.
Dabei liegt eine partielle Mediation vor, wenn der direkte Effekt der UV auf die AV im
Vergleich reduziert wird, hingegen eine totale Mediation, wenn der direkte Effekt mit dem
Einschluss des Mediators (intervenierende Variable - IV) vollständig verschwindet (ebd.).
Zur Prüfung von mediierenden Effekten innerhalb Strukturgleichungsmodellen empfehlen
Cheung & Lau (2007, S.297f) sowie Preacher & Hayes (2008, S.880) die Methode des bias-
korrigierten Bootstrapping.
Cheung & Lau (2007) verglichen acht verschiedene Berechnungsmethoden zur Prüfung von
Mediator- und Suppressoreffekten miteinander und stellten fest, dass die Bootstrapping-
Methode in AMOS die besten Ergebnisse liefert, wenn es darum geht, Mediator- oder
Suppressoreffekte in komplexen kausalen Modellen zu prüfen.
Die logische Vorgehensweise unterscheidet sich bei der Prüfung von Mediator- oder
Suppressoreffekten nicht, nur fällt die Interpretation jeweils etwas anders aus.
Als Vorgehensweise wird empfohlen, die Signifikanz der direkten und indirekten Effekte eines
vollständigen Modells, mit der Signifikanz der direkten Effekte eines um die Mediatorvariablen
reduzierten Modells zu vergleichen.
Zur Signifikanzprüfung wird dabei die Methode des Bootstrapping eingesetzt (vgl. Efron &
Tibshirani, 1993). Hierbei werden Teilstichproben gebildet und deren Pfadkoeffizienten
miteinander verglichen (Preacher & Hayes, 2008, S.883; vgl. auch Hair et al., 2010, S.751-
755). In der vorliegenden Untersuchung werden zweiseitige Signifikanz-Tests mit einer
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
117
üblichen Anzahl von 1000 Teilstichproben, der Maximum-Likelihood-Methode und einem
Signifikanzniveau von p=.05 berechnet (vgl. ebd.).
Dabei gilt nach Cheung & Lau (2007):
- Es liegt eine partielle Mediation vor, wenn
o die direkten und indirekten Effekte des vollständigen wie auch die direkten
Effekte des reduzierten Modells signifikant sind.
- Es liegt eine totale Mediation vor, wenn
o der indirekte Effekt im vollständigen Modell signifikant ist und
o die Signifikanz des direkten Effekts des reduzierten Modells im vollständigen
Modell verschwindet.
- Es liegt ein indirekter Effekt vor, wenn
o die direkten Effekte sowohl im vollständigen als auch reduzierten Modell nicht
signifikant sind und
o der indirekte Effekt im vollständigen Modell signifikant ist.
Die Prüfung der postulierten mediierenden Effekte soll nach diesem Schema erfolgen.
Deshalb werden die Mediationsmodelle im weiteren Berechnungsverlauf vom Gesamtmodell
isoliert und jeweils ein vollständiges und ein um die Mediatorvariablen reduziertes Modell
berechnet, in dem sowohl die direkten als auch die indirekten Effekte genauer betrachtet
werden.
Das vollständige Modell beinhaltet dabei drei Pfade zwischen der unabhängigen,
mediierenden und abhängigen Variable120. Das reduzierte Modell in diesem Kontext bezieht
sich ausschließlich auf den direkten Zusammenhang zwischen der unabhängigen und
abhängigen Variable und beinhaltet nur einen Pfad.
Vollständiges Modell Reduziertes Modell
Abbildung 10: Vollständiges und reduziertes Modell zur Prüfung von Mediator-Effekten Anm.: UV= unabhängige Variable, IV= intervenierende Variable (Mediator), AV= abhängige Variable;
120 Im Kontext der Strukturgleichungsmodellierung wird hier auch von exogener, intervenierender und endogener Variable gesprochen.
UV AVUV
IV
AV
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118
Die standardisierten direkten sowie indirekten Effekte der vollständigen Modelle werden mit
den standardisierten direkten Effekten der reduzierten Modelle nach dem Schema Cheung &
Lau`s (2007) verglichen und gemeinsam in jeweils einer Tabelle pro Hypothese abgebildet.
Durch die Gegenüberstellung eines solchen vollständigen und reduzierten Modells kann
schnell und übersichtlich dargestellt werden, ob es sich jeweils um eine partielle oder totale
Mediation, oder um einen indirekten Effekt handelt.
Ebenfalls kann eindeutig identifiziert werden, welche einzelnen Variablen letztlich als
Mediatoren fungieren. Damit werden auch die postulierten Hypothesen genau überprüft.
Zusätzlich zu den mediierenden Hypothesen werden aber auch die direkten Hypothesen
isoliert vom Gesamtmodell überprüft, um einen vollständigen Überblick über die Ergebnisse
zu geben. Ebenfalls werden die Ergebnisse schon an dieser Stelle interpretiert.
Die Tabellen 21-37 stellen nun die standardisierten Regressionsgewichte inklusive
Signifikanzniveau je Hypothese dar.
Hypothese 1.4
Tabelle 21: Hypothese 1.4
Skala Exp Hypothese 1.4: Exp-subjE-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
partiell
subjE -.343 .002
Ana .172 .044 .072 .007 .242 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 1.4 lässt sich eine negative partielle Mediation des positiven
Zusammenhangs zwischen Expertise und Analytik durch die Variable subjektive
Entscheidungsregeln bestätigen.
Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.
Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt von Expertise auf Analytik durch den
negativen Mediator subjektive Entscheidungsregeln in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz
(β =.172, p=.044 im Vergleich zu β =.242, p=.002) abgeschwächt.
Dies bedeutet, dass Expertise – wie vermutet – vor allem mit der Anwendung expliziter statt
subjektiver Entscheidungsregeln einher geht (β =-.343, p=.002), die dem Recruiter entweder
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
119
während seiner Einarbeitung explizit vermittelt wurden oder die er eigenständig expliziert hat,
um diese im weiteren Lernprozess weiter zu evaluieren und modifizieren.
Der Faktor Erfahrung führt somit zwangsläufig zu der Verfestigung von Entscheidungsregeln,
die entweder in subjektiv-intuitiver Form (Routine) oder aber explizit-evaluierter Form
(Expertise) vorliegen und den Entscheidungsmodus dementsprechend prägen. Der Effekt
von Expertise auf Analytik wird also durch die individuellen Entscheidungsregeln vermittelt.
Im Ergebnis des reduzierten Modells zeigt sich weiterhin ein positiver Effekt von Expertise auf
Analytik. Dieser zeigt sich allerdings nur isoliert vom Gesamtmodell121. Die Expertise eines
Recruiters begünstigt damit analytische Urteils- und Entscheidungsprozesse (Hypothese 1.1).
Dies kann durch stark ausdifferenziertes Erfahrungswissen erklärt werden, welches der
Recruiter durch zahlreiche Bewerbungsgespräche mit den unterschiedlichsten Personen und
für die unterschiedlichsten Stellen erworben hat. Jenes hat er im Laufe seiner individuellen
Lerngeschichte immer wieder modifiziert und evaluiert, was letztlich zu treffsicheren
Entscheidungen führt.
Das Ergebnis spricht somit für die in Kapitel 4.1 formulierte Annahme, dass ein Recruiter sein
Expertenwissen explizit formulieren kann, trotzdem er es mittlerweile automatisch anwendet
und sich primär auf die relevanten Cues und Inferenzen konzentriert.
In diesem Kontext könnte, in Analogie zur Methodik der Strukturgleichungsmodellierung, von
einer kontinuierlichen kognitiven Modellanpassung an die vorliegenden empirischen
Bewerberdaten gesprochen werden. Aus je mehr Variablen und Wirkungsbeziehungen das
kognitive Modell des Recruiters besteht und je häufiger diese Wirkungsbeziehungen an
Bewerberstichproben überprüft wurden (vgl. Kapitel 3.1), desto genauer kann letztlich durch
dieses Experten-Schema die Realität abgebildet und valide Prognosen daraus abgeleitet
werden.
Somit kann ein differenziertes und evaluiertes Expertenmodell, letztlich ein Schema reich an
Expertenwissen, wertvolle Basis für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen sein.
Wenn diese Entscheidungsregeln auch für Andere expliziert und zugänglich gemacht
werden, kann ein solches Expertenmodell auch als Lernmodell und Evaluationsinstrument für
eignungsdiagnostische Entscheidungen fungieren122.
121 β =.004, p=.951 für b68 siehe Tabelle 18 122 vgl. Methode der Hypothesenagglutination nach Wottawa, 1985/1987 sowie Methodik der simultanen Optierung multipler Cut-Offs nach Montel, 2006; siehe Kapitel 3.2
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
120
Fazit
Hypothesen 1.1 und 1.4 können bestätigt werden:
- Hypothese 1.1: Die eignungsdiagnostische Expertise des Recruiters wirkt positiv auf
die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 1.4: Die subjektiven Entscheidungsregeln des Recruiters mediieren den
positiven Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines
Urteils- und Entscheidungsprozesses negativ.
Hypothese 1.5
Tabelle 22: Hypothese 1.5
Skala Exp Hypothese 1.5: Exp-Sche-Ana
β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt
Mediation:
keine
Sche -.104 .163
Ana .218 .004 .024 .104 .242 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 1.5 lässt sich keine negative Mediation des positiven Zusammenhangs
zwischen Expertise und Analytik durch die Variable Schemata bestätigen. Dies haben auch
die Ergebnisse im Gesamtmodell (Tabelle 18) indiziert, da auch schon dort der erwartete
signifikante Effekt zwischen unabhängiger und mediierender Variable ausgeblieben ist.
Der Vollständigkeit halber wurde die Hypothese aber trotzdem isoliert vom Gesamtmodell
überprüft. Obwohl ein knapp-signifikanter indirekter Effekt im vollständigen Modell
nachgewiesen werden kann (β =.024, p=.104), kann die Mediations-Hypothese nicht bestätigt
werden.
Fazit
Hypothese 1.5 kann nicht bestätigt werden:
- Hypothese 1.5: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den positiven
Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses NICHT.
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121
Hypothese 1.6
Tabelle 23: Hypothese 1.6
Skala subjE Hypothese 1.6: subjE-Sche-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
partiell
Sche .138 .055
Ana -.241 .002 -.030 .049 -.270 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 1.6 lässt sich eine positive partielle Mediation des negativen
Zusammenhangs zwischen subjektiven Entscheidungsregeln und Analytik durch die Variable
Schemata bestätigen.
Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.10 signifikant.
Im vollständigen Modell wird der direkte negative Effekt der subjektiven Entscheidungsregeln
auf Analytik durch den positiven Mediator Schemata in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz
(β =-.241, p=.002 im Vergleich zu β =-.270, p=.002) abgeschwächt. Ebenfalls begünstigen
subjektive Entscheidungsregeln die Anwendung von Schemata in Einstellungsinterviews
(β =.138, p=.055).
Dies bedeutet, dass ein Recruiter, der seine eignungsdiagnostischen Entscheidungen auf der
Basis subjektiver Entscheidungsregeln trifft, auch in stärkerem Umfang urteilsverzerrende
Schemata anwendet, welche wiederum mit wenig analytischen Entscheidungsmustern in
Zusammenhang stehen. Der Effekt subjektiver Entscheidungsregeln auf Analytik wird also
durch diejenigen kognitiven Strukturen vermittelt, die durch die jeweils explizit-regelbasierten
oder subjektiv-heuristischen Entscheidungsregeln aktiviert werden.
Hier zeigt sich somit ebenfalls die hohe Bedeutung der Explikation von Entscheidungsregeln
als Grundlage für professionelle eignungsdiagnostische Entscheidungen.
Je höher der Anteil der übernommenen oder eigens erworbenen subjektiven
Entscheidungsregeln ausfällt, umso stärker greift somit die These Wottawas & Oennings
(2002), dass sich nicht-evaluierte Entscheidungsmuster durch Wiederholung in der
eignungsdiagnostischen Praxis verfestigen (siehe Kapitel 4.3).
Das Ergebnis zeigt ebenfalls einen direkten negativen Zusammenhang zwischen subjektiven
Entscheidungsregeln und Analytik (β =-.270, p=.022), wie in Hypothese 1.2 formuliert.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
122
Auch hier zeigt sich dieser Effekt nur isoliert vom Gesamtmodell123. Aufgrund der komplexen
Wechselwirkungen im Gesamtmodell scheint es innerhalb des ersten Themenfeldes zu
sogenannten Suppressoreffekten gekommen zu sein, sodass die einzelnen Effekte nur
isoliert nachgewiesen werden können.
Deshalb wird an dieser Stelle auch der direkte Effekt von Schemata auf Analytik nochmals
isoliert vom Gesamtmodell überprüft (Hypothese 1.3). Auch dieser zeigt sich mit β =-.253,
p=.012124 signifikant. Somit führt schemagetriebene Wahrnehmung hypothesenkonform zu
wenig analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen (siehe Kapitel 3.1).
Fazit
Hypothesen 1.2, 1.3 und 1.6 können somit bestätigt werden:
- Hypothese 1.2: Die subjektiven Entscheidungsregeln des Recruiters wirken negativ
auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 1.3: Die Anwendung von Schemata des Recruiters wirkt negativ auf die
Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 1.6: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den negativen
Effekt subjektiver Entscheidungsregeln auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses positiv.
Hypothese 2.5
Tabelle 24: Hypothese 2.5
Skala Rech Hypothese 2.5: Rech-Sche-Ana
β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt
Mediation:
keine
Sche -.333 .004
Ana .672 .002 .010 .758 .682 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 2.5 lässt sich keine Mediation des positiven Zusammenhangs zwischen
Rechenschaftsverpflichtung und Analytik durch die Variable Schemata bestätigen.
Allerdings zeigt sich mit β=-.333, p=.004 ein bedeutsamer negativer direkter Effekt zwischen
der unabhängigen und mediierenden Variable. Dieser Effekt ist hypothesenkonform.
123 β =.063, p=.308 für b42 siehe Tabelle 18 124 siehe externer Anhang, vorher β =-.015, p=.807 für b43 siehe Tabelle 18
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123
Ebenfalls fallen die direkten Wirkungsbeziehungen zwischen Rechenschaftsverpflichtung und
Analytik mit p<.005 und substantiellen Regressionsgewichten von β =.672/.682 signifikant
aus (Hypothese 2.1).
Allerdings zeigt sich mit p=.758 kein signifikanter indirekter Effekt, weshalb die
Mediationshypothese abgelehnt werden muss. Rechenschaftsverpflichtung hat somit auch
unabhängig von intervenierenden Variablen einen substantiellen Effekt auf Analytik.
Die Ergebnisse zeigen trotzdem, dass durch die organisationale Rahmenbedingung der
Rechenschaftsverpflichtung auch schematisch-heuristischen Entscheidungsmustern von
Recruitern entgegengewirkt werden kann. Dadurch, dass der Recruiter seine
eignungsdiagnostische Entscheidung vor Kollegen, Vorgesetzten oder Auftraggebern im
Nachhinein begründen und rechtfertigen muss, werden seine schematisch-heuristischen
Informationsverarbeitungsprozesse kontrolliert und statt dessen ein analytischer
Verarbeitungsmodus aktiviert.
Dieser Zusammenhang entspricht dem postulierten positiven Effekt von
Rechenschaftsverpflichtung auf einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des
Recruiters (siehe Kapitel 2.3.3).
Fazit
Hypothese 2.1 kann mit substantiellen Regressionsgewichten überzeugend belegt werden
(vgl. auch Ergebnisse im Gesamtmodell):
- Hypothese 2.1: Die Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters wirkt positiv auf die
Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
Hypothese 2.5 muss jedoch aufgrund des nicht-signifikanten indirekten Effektes abgelehnt
werden. Es liegt kein Mediator-Effekt vor:
- Hypothese 2.5: Die Anwendung von Schemata mediiert den positiven Effekt der
Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses NICHT.
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124
Hypothese 2.6
Tabelle 25: Hypothese 2.6
Skala StrI Hypothese 2.6: StrI-Sche-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
partiell
Sche -.125 .045
Ana .403 .002 .025 .040 .428 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 2.6 lässt sich eine negative partielle Mediation des positiven
Zusammenhangs zwischen der Strukturiertheit des Interviews und der Analytik des Urteils-
und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die Variable
Schemata bestätigen.
Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.
Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf
Analytik durch den Mediator Schemata in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz (β=.403,
p=.002 im Vergleich zu β=.428, p=.002) abgeschwächt.
Dies bedeutet, dass der Einsatz strukturierter Interviews die Anwendung von subjektiven
Schemata in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen tatsächlich
effektiv vermindern kann. Der substantielle direkte positive Effekt der Strukturiertheit auf die
Analytik (Hypothese 2.3, vgl. auch mit Ergebnissen im Gesamtmodell) bestätigt ebenfalls den
bedeutsamen Kontrollmechanismus, welcher durch die Strukturierung des Interviews auf die
Informationsverarbeitung des Recruiters ausgeübt wird (siehe Kapitel 2.3.1). Die kleine
kontrollierende Maßnahme der Strukturierung zeigt sich – wie schon mehrfach empirisch
belegt – auch in der vorliegenden Arbeit somit als sehr effektiv.
Fazit
Die Hypothesen 2.3 sowie 2.6 können bestätigt werden:
- Hypothese 2.3: Die Strukturiertheit des Interviews wirkt positiv auf die Analytik des
Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters.
- Hypothese 2.6: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den positiven
Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses negativ.
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125
Hypothese 2.7
Tabelle 26: Hypothese 2.7
Skala StrI Hypothese 2.7: StrI-KoA-Ana
β v. p β i.v. p β r. p knapp bestätigt
Mediation:
partiell
KoA .222 .003
Ana .404 .002 .024 .109 .428 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 2.7 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven
Zusammenhangs zwischen der Strukturiertheit des Interviews und der Analytik des Urteils-
und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die Variable
Konkretheit des Anforderungsprofils knapp bestätigen.
Die direkten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant, der indirekte Effekt ist mit
p=.109 nur knapp signifikant. Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der
Strukturiertheit des Interviews auf Analytik durch den Mediator Konkretheit des
Anforderungsprofils in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz (β =.404, p=.002 im Vergleich zu
β =.428, p=.002) abgeschwächt.
Der Effekt der Interviewstrukturierung auf Analytik wird also durch das jeweils im Interview
verankerte Anforderungsprofil vermittelt.
Dies bedeutet, dass die Effektivität strukturierter Interviews sich vor allem dadurch begründen
lässt, dass diese zumeist konkrete Anforderungen beinhalten und damit auch
Entscheidungsregeln vorgeben, an denen sich der Recruiter bei seiner Beurteilung und
Entscheidung orientieren muss. Die Qualität des Anforderungsprofils ist damit wesentliche
Voraussetzung für die Effektivität strukturierter Interviews sowie analytisch geprägter
eignungsdiagnostischer Entscheidungen.
Fazit
Hypothese 2.7 kann bestätigt werden:
- Hypothese 2.7: Die Konkretheit des Anforderungsprofils mediiert den positiven Effekt
der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik des Urteils- und
Entscheidungsprozesses des Recruiters positiv.
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126
Hypothese 3.3
Tabelle 27: Hypothese 3.3
Skala Exp Hypothese 3.3: Exp-Ver-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
total
Ver .377 .002
Ana .066 .412 .178 .001 .242 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Bei Prüfung der Hypothese 3.3 zeigt sich ein besonders interessanter Effekt: eine totale
Mediation. Der positive direkte Effekt von Expertise auf Analytik wird vollständig durch den
Mediator Verantwortlichkeitsgefühl mediiert.
Die Signifikanz des direkten Effektes im reduzierten Modell (β=.242, p=.002) verschwindet
bei Integration des Mediators vollständig (β=.066, p=.412) und wird durch den
hochsignifikanten indirekten Wirkungseffekt vermittelt (β=.178, p=.001). Deshalb zeigt sich
auch im Gesamtmodell der direkte Effekt von Expertise auf Analytik als nicht-signifikant. Der
Effekt von Expertise auf Analytik wird also vollständig durch das individuelle
Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters vermittelt.
Dies bedeutet, dass Expertise besonders das Verantwortlichkeitsgefühl eines Recruiters
erhöht (β=.377, p=.002, Hypothese 3.1), was dann wiederum, konform zu der Theorie des
persönlichen Involvements (siehe Kapitel 5.1), zu einem analytischen Entscheidungsmodus
führt. Die Tatsache, dass sich ein Recruiter als „Experte“ beschreibt, führt hier also nicht
dazu, dass er, sich selbst überschätzend, seine eignungsdiagnostischen Entscheidungen
weniger systematisch und gewissenhaft trifft (siehe Kapitel 4.3). Im Gegenteil wird sogar
deutlich, dass sein (subjektiver) Expertenstatus sein persönliches Verantwortlichkeitsgefühl
substantiell steigert.
Deshalb kann mit diesem Ergebnis das persönliche Involvement als entscheidende
mediierende Variable für den Entscheidungsmodus im Kontext von Einstellungsinterviews
bestätigt werden. Dieser Zusammenhang sollte somit auch in künftigen Forschungsarbeiten
berücksichtigt werden.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
127
Fazit
Die Hypothesen 3.1 und 3.3 können somit bestätigt werden:
- Hypothese 3.1: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters wirkt positiv auf die
Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 3.3: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven
Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses positiv.
Hypothese 3.4
Tabelle 28: Hypothese 3.4
Skala Rech Hypothese 3.4: Rech-Ver-Ana
β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt
Mediation:
keine
Ver .590 .002
Ana .602 .001 .084 .178 .682 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 3.4 lässt sich keine Mediation des positiven Zusammenhangs zwischen
Rechenschaftsverpflichtung und Analytik durch die Variable Verantwortlichkeitsgefühl
bestätigen. Allerdings zeigt sich mit β =.590, p=.002 ein substantieller positiver direkter Effekt
zwischen der unabhängigen und mediierenden Variable. Dieser Effekt ist hypothesen-
konform.
Ebenfalls fallen die direkten Wirkungsbeziehungen zwischen Rechenschaftsverpflichtung und
Analytik mit p<.005 und substantiellen Regressionsgewichten von β =.602/.682 erneut hoch-
signifikant aus. Es zeigt sich mit p=.178 allerdings kein ausreichend signifikanter indirekter
Effekt, obwohl β=.084 dies indiziert. Deshalb muss die Mediationshypothese in dieser
Untersuchung letztlich abgelehnt werden. Rechenschaftsverpflichtung zeigt somit auch hier
unabhängig von intervenierenden Variablen einen substantiellen Effekt auf Analytik.
Es bleibt aber festzuhalten, dass die organisationale Rahmenbedingung Rechenschafts-
verpflichtung einen substantiellen Effekt auf das persönliche Involvement des Recruiters in
eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ausübt und das
Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters sowie seine Selbstaufmerksamkeit auf eignungs-
diagnostisch relevante Kriterien maßgeblich erhöht (siehe Kapitel 5).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
128
Auch hier zeigt die kontextuelle Rahmenbedingung der Rechenschaftsverpflichtung eine
große Wirkung, sowohl auf die motivationalen Faktoren des Recruiters, als auch auf seine
Informationsverarbeitung.
Fazit
Hypothese 3.4 muss letztlich aufgrund des nicht ausreichend signifikanten indirekten Effektes
abgelehnt werden. Es liegt kein Mediator-Effekt vor:
- Hypothese 3.4: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven
Effekt der Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters auf die Analytik seines Urteils-
und Entscheidungsprozesses NICHT.
Hypothese 3.5
Tabelle 29: Hypothese 3.5
Skala SysF Hypothese 3.5: SysF-Ver-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
indirekter Effekt
Ver .246 .017
Ana -.103 .239 .127 .011 .023 .889
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 3.5 zeigt sich ein signifikanter positiver indirekter Effekt von Systematik
des Feedbacks auf Analytik (β =.127, p=.011). Positiv vermittelt wird der indirekte Effekt
durch die Variable Verantwortlichkeitsgefühl (β =.246, p=.017).
Dies bedeutet, dass die Evaluation des eignungsdiagnostischen Urteils- und
Entscheidungsprozesses nur dann einen Effekt auf einen analytischen Entscheidungsmodus
des Recruiters zeigt, wenn das Feedback auch einen Effekt auf das Verantwortlichkeitsgefühl
des Recruiters ausübt, der Recruiter sich also persönlich involviert fühlt. Systematisches
Feedback wirkt also nur indirekt auf Analytik ein, und zwar vermittelt durch die
intervenierende motivationale Variable Verantwortlichkeitsgefühl.
Hier ist deshalb vor allem die durch den Recruiter wahrgenommene Relevanz und
Sinnhaftigkeit der evaluativen Maßnahmen entscheidend, damit das Feedback zu einer
Erhöhung des persönlichen Involvements führen kann. Ebenfalls kommt der Ausgestaltung
des Feedbacks eine besondere Relevanz zu, die in Kapitel 7 noch genauer ausgeführt wird.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
129
Der direkte Effekt der Systematik des Feedbacks auf das Verantwortlichkeitsgefühl ist
ebenfalls hypothesenkonform.
Evaluative Maßnahmen erhöhen dabei das persönliche Involvement sowie die
Selbstaufmerksamkeit des Recruiters und aktivieren damit einen analytischen
Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsmodus.
Dies ist konform zu den Studien Chaiken`s et al. (1980/1989/1996), die das persönliche
Involvement als entscheidende Determinante für einen systematischen
Informationsverarbeitungsmodus identifizieren konnten (siehe Kapitel 5.1). Dieser
Zusammenhang besteht auch in der vorliegenden Arbeit.
Fazit
Für Hypothese 3.5 kann somit ein indirekter Effekt bestätigt werden:
- Hypothese 3.5: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven
Effekt des systematischen Feedbacks über die Qualität der Einstellungsentscheidung
auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses INDIREKT.
Hypothese 3.6
Tabelle 30: Hypothese 3.6
Skala StrI Hypothese 3.6: StrI-Ver-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
partiell
Ver .216 .004
Ana .336 .002 .092 .002 .428 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 3.6 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven
Zusammenhangs zwischen der Strukturiertheit des Interviews und der Analytik des Urteils-
und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die Variable
Verantwortlichkeitsgefühl bestätigen.
Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.
Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf
Analytik durch den Mediator Verantwortlichkeitsgefühl in seiner Bedeutsamkeit und
Signifikanz (β=.336, p=.002 im Vergleich zu β =.428, p=.002) abgeschwächt. Der Effekt der
Strukturiertheit des Interviews auf Analytik wird also durch das individuelle
Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters vermittelt.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
130
Dies bedeutet, dass die Strukturierung des Interviews das persönliche Involvement des
Recruiters hinsichtlich der wahrgenommen Bedeutsamkeit der Entscheidungssituation
erhöht. Durch ein strukturiertes Interview wird dem Recruiter also die Wichtigkeit der
Einstellungsentscheidung verstärkt bewusst, was sich dann in einem erhöhten
Verantwortlichkeitsgefühl manifestiert (vgl. auch Chen et al., 2008).
Das Ergebnis bedeutet aber auch, dass die Strukturierung des Interviews besonders für hoch
involvierte Recruiter positive Konsequenzen auf die Analytik ihres Urteils- und
Entscheidungsprozesses hat.
So könnte es zum Beispiel auch noch andere motivationale oder persönliche Variablen
geben, die das generelle persönliche Involvement bzw. das persönliche
Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters positiv oder negativ und somit auch den Mediations-
Effekt beeinflussen. Dies sollte in weiteren Forschungsarbeiten genauer untersucht werden.
Das Ergebnis zeigt weiterhin, dass sich die befragten Recruiter durch ein strukturiertes
Einstellungsinterview nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit und eignungsdiagnostischen
Entscheidungsfindung eingeschränkt und weniger verantwortlich für diese fühlen.
Das Ergebnis zeigt im Gegenteil, dass sich die Recruiter der weit reichenden Konsequenzen
ihrer eignungsdiagnostischen Entscheidungen noch stärker bewusst werden. Ein negativer
Effekt der Strukturierung (vgl. Kapitel 2.3.1) kann somit in dieser Untersuchung nicht
gefunden werden.
Fazit
Hypothese 3.6 kann bestätigt werden:
- Hypothese 3.6: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven
Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines Urteils- und
Entscheidungsprozesses positiv.
Hypothese 3.7
Tabelle 31: Hypothese 3.7
Skala Exp Hypothese 3.7: Exp-KeA-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
partiell
KeA .264 .003
Ana .108 .032 .063 .010 .242 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
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131
Für die Hypothese 3.7 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven
Zusammenhangs zwischen Expertise und Analytik durch die Variable Kenntnis des
Anforderungsprofils bestätigen.
Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.
Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt von Expertise auf Analytik durch den
positiven Mediator Kenntnis des Anforderungsprofils in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz
(β =.108, p=.002 im Vergleich zu β =.242, p=.032) abgeschwächt.
Dies bedeutet, dass sich der positive Effekt von Expertise auf Analytik vor allem dadurch
begründen lässt, dass Expertise sich in einer besseren Kenntnis des Anforderungsprofils
niederschlägt, welches im Entscheidungsprozess als wichtiger Beurteilungsmaßstab fungiert
(vgl. Kapitel 2.3.2). Der Effekt von Expertise auf Analytik wird also durch die individuelle
Kenntnis des Anforderungsprofils vermittelt. Der Faktor konkrete Kenntnis des
Anforderungsprofils ist somit auch relevant, wenn es um die Differenzierung zwischen
Routine- und Expertenwissen geht.
Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle auch nochmals der vom Gesamtmodell
isolierte direkte Effekt von Kenntnis des Anforderungsprofils auf Analytik berechnet. Dieser
fällt mit β =.280, p=.007 allerdings nur unwesentlich höher aus als im Gesamtmodell (vgl.
Tabelle 18).
Fazit
Hypothesen 3.2 und 3.7 können bestätigt werden:
- Hypothese 3.2: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters wirkt
positiv auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.
- Hypothese 3.7: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik
seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
132
Hypothese 3.8
Tabelle 32: Hypothese 3.8
Skala SysF Hypothese 3.8: SysF-KeA-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
indirekter Effekt
KeA .580 .002
Ana -.224 .057 .240 .001 .023 .889
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 3.8 zeigt sich im vollständigen Modell ein bedeutsamer positiver indirekter
Effekt von Systematik des Feedbacks auf Analytik (β=.240, p=.001). Positiv und substantiell
vermittelt wird der indirekte Effekt durch die Variable Kenntnis des Anforderungsprofils
(β=.580, p=.002). Es zeigt sich also zunächst ein substantieller direkter positiver Effekt
zwischen unabhängiger und intervenierender Variable.
Dies bedeutet, dass systematisches Feedback über die Qualität der eignungsdiagnostischen
Entscheidung in erster Linie einen starken Effekt auf die konkrete Kenntnis der jeweiligen
Anforderungen ausübt. Dieser Effekt wird dann weiter auf den Entscheidungsmodus des
Recruiters transportiert, da das jeweils individuell kognitiv verfügbare Anforderungsprofil als
Beurteilungsmaßstab dient. So führen evaluative Maßnahmen erwartungsgemäß zu einer
verstärkten Auseinandersetzung mit den konkreten Anforderungen der Stelle.
Weiterhin zeigt das Ergebnis ein Vorzeichenwechsel im Vergleich des vollständigen und
reduzierten Modells, der durch den substantiellen Zusammenhang zwischen unabhängiger
und mediierender Variable zu erklären ist. Somit zeigt das Ergebnis des reduzierten Modells
auch, dass sich ohne die intervenierende Variable Kenntnis des Anforderungsprofils, kein
direkter positiver Effekt von Systematik des Feedbacks auf Analytik nachweisen lässt, wie in
Hypothese 2.2 postuliert wurde125. Dies wurde auch schon bei Prüfung der Hypothese 3.5
festgestellt.
Die Evaluation des eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozesses hat also
nur dann einen positiven, nämlich indirekten Effekt auf einen analytischen
Entscheidungsmodus des Recruiters, wenn das Feedback auch zu einer Modifikation des
125 Im Gesamtmodell zeigte sich dieser mit β =-.169, p=.107 für b69 noch knapp signifikant (siehe Tabelle 18).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
133
individuell kognitiv verankerten Anforderungsprofils führt, der Recruiter also Anstrengungen
unternimmt, sich mit den konkreten Anforderungen der Tätigkeit auseinanderzusetzen.
Auch hier könnte die Berücksichtigung weiterer motivationaler oder persönlicher Faktoren
interessant für die zukünftige Forschung sein. Ebenfalls sollten diejenigen Bedingungen
identifiziert werden, unter denen Feedback einen positiven direkten, einen indirekten oder
sogar negativen Effekt auf den Informationsverarbeitungsprozess eines Recruiters ausübt.
Dieser Aspekt wird auch in Kapitel 7 nochmals aufgegriffen.
Fazit
Die in Hypothese 2.2 formulierte Annahme eines direkten Effektes kann abgelehnt werden:
- Hypothese 2.2: Systematisches Feedback über die Qualität der Einstellungs-
entscheidung wirkt NICHT auf die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses
des Recruiters.
Für Hypothese 3.8 kann allerdings ein indirekter Effekt bestätigt werden:
- Hypothese 3.8: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt des systematischen Feedbacks über die Qualität der
Einstellungsentscheidung auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungs-
prozesses INDIREKT.
Hypothese 3.9
Tabelle 33: Hypothese 3.9
Skala StrI Hypothese 3.9: StrI-KeA-Ana
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
partiell
KeA .276 .003
Ana .383 .002 .048 .038 .428 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 3.9 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven
Zusammenhangs zwischen der Strukturiertheit des Interviews und der Analytik des Urteils-
und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die Variable
Kenntnis des Anforderungsprofils bestätigen.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
134
Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.
Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf
Analytik durch den Mediator Kenntnis des Anforderungsprofils in seiner Bedeutsamkeit und
Signifikanz (β=.383, p=.002 im Vergleich zu β =.428, p=.002) abgeschwächt.
Der Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf Analytik wird also auch durch die individuelle
Kenntnis des Anforderungsprofils eines Recruiters vermittelt.
Dies bedeutet, dass die in einem strukturierten Interview formulierten Tätigkeits-
anforderungen sich auch in den kognitiven Strukturen des Recruiters verankern, was im
idealen Fall dann zu einer besseren Kenntnis der Anforderungen und somit valideren
Entscheidungsgrundlage führt.
Auch hier ist deshalb wieder die Fundierung des Anforderungsprofils ein entscheidender
Faktor für die Qualität der eignungsdiagnostischen Entscheidung.
Fazit
Die Hypothese 3.9 kann bestätigt werden:
- Hypothese 3.9: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines
Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.
Hypothese 3.10
Tabelle 34: Hypothese 3.10
Skala KoA Hypothese 3.10: KoA-KeA-Ana
β v. p β i.v. p β r. p knapp bestätigt
Mediation:
partiell
KeA .245 .003
Ana .133 .112 .059 .007 .193 .031
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 3.10 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven
Zusammenhangs zwischen der Konkretheit des Anforderungsprofils und der Analytik des
Urteils- und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die
Variable Kenntnis des Anforderungsprofils knapp bestätigen.
Die direkte Wirkungsbeziehung ist im vollständigen Modell mit p=.112 nur knapp signifikant.
Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der Konkretheit des
Anforderungsprofils auf Analytik durch den Mediator Kenntnis des Anforderungsprofils in
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
135
seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz (β =.133, p=.112 im Vergleich zu β =.193, p=.031)
abgeschwächt.
Ein konkretes Anforderungsprofil führt also auch erwartungsgemäß zu einer besseren
Kenntnis des Anforderungsprofils, der Wirkungseffekt auf den eignungsdiagnostischen
Urteils- und Entscheidungsprozess wird hier vermittelt.
Ebenfalls zeigt sich mit β =.193, p=.031 im Ergebnis eine signifikante direkte positive
Wirkungsbeziehung zwischen Konkretheit des Anforderungsprofils und Analytik (Hypothese
2.4), die im Gesamtmodell nicht zu erkennen ist126. Die Relevanz eines konkreten
Anforderungsprofils für analytische Urteils- und Entscheidungsprozesse wird somit erneut
untermauert.
Fazit
Hypothese 2.4 sowie 3.10 können bestätigt werden:
- Hypothese 2.4: Die Konkretheit des Anforderungsprofils wirkt positiv auf die Analytik
des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters.
- Hypothese 3.10: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt der Konkretheit des Anforderungsprofils auf die Analytik
seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.
Hypothese 3.11
Tabelle 35: Hypothese 3.11
Skala Rech Hypothese 3.11: Rech-KeA-Ana
β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt
Mediation:
keine
KeA .053 .510
Ana .667 .002 .013 .501 .682 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 3.11 lässt sich keine positive Mediation des positiven Zusammenhangs
zwischen Rechenschaftsverpflichtung und Analytik durch die Variable Kenntnis des
Anforderungsprofils bestätigen. Dies haben auch die Ergebnisse im Gesamtmodell (Tabelle
18) indiziert, da auch schon dort der erwartete signifikante Effekt zwischen unabhängiger und
126 β =.022, p=.702 für b53 (siehe Tabelle 18)
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
136
mediierender Variable ausgeblieben ist. Der Vollständigkeit halber wurde die Hypothese aber
trotzdem isoliert vom Gesamtmodell überprüft.
Der Mediations-Effekt kann nicht bestätigt werden.
Fazit
Hypothese 3.11 kann nicht bestätigt werden:
- Hypothese 3.11: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters
mediiert den positiven Effekt der Rechenschaftsverpflichtung auf die Analytik seines
Urteils- und Entscheidungsprozesses NICHT.
Hypothese 4.4
Tabelle 36: Hypothese 4.4
Skala Exp Hypothese 4.4: Exp-Ana-Diss
β v. p β i.v. p β r. p bestätigt
Mediation:
partiell
Ana .242 .002
Diss -.281 .002 -.059 .001 -.316 .006
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Für die Hypothese 4.4 lässt sich eine positive partielle Mediation des negativen
Zusammenhangs zwischen der Expertise und Entscheidungsdissonanz von Recruitern in
Einstellungsinterviews durch die Variable Analytik im Urteils- und Entscheidungsprozess
bestätigen.
Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.01 signifikant.
Im vollständigen Modell wird der direkte negative Effekt der Expertise auf
Entscheidungsdissonanz durch den Mediator Analytik in seiner Bedeutsamkeit und
Signifikanz (β =-.281, p=.002 im Vergleich zu β =-.316, p=.006) abgeschwächt.
Der Effekt der Expertise auf die Entscheidungsdissonanz des Recruiters wird also durch den
individuellen Entscheidungsmodus vermittelt. Dies bedeutet, dass Expertise zu einem
analytisch geprägten Entscheidungsmodus und dieser wiederum zu geringerer
Entscheidungsdissonanz führt.
Zum einen hat also Expertise einen positiven Effekt auf Analytik (siehe Hypothese 1.1), zum
anderen aber auch mit β=-.316, p=.006 einen bedeutsamen negativen Effekt auf
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
137
Entscheidungsdissonanz (Hypothese 4.2, vgl. auch Gesamtmodell), weshalb auch der
indirekte Effekt negativ ausfällt (β =-.059, p=.001).
Hier zeigt sich, dass Recruiter, die sich als Experten beschreiben, sich auch ihren
eignungsdiagnostischen Entscheidungen im Nachhinein sicher sind. Dieser Zusammenhang
wird entscheidend durch den analytischen Entscheidungsmodus vermittelt.
Deshalb wird an dieser Stelle zusätzlich auch der direkte Effekt von Analytik auf
Entscheidungsdissonanz (Hypothese 4.1) isoliert vom Gesamtmodell überprüft. Dieser fällt
hier mit β=-.275, p=.025 bedeutsam signifikant aus127. Somit kann auch Hypothese 4.1
bestätigt werden.
Ein analytischer Entscheidungsmodus führt im Rahmen eignungsdiagnostischer
Entscheidungen zu verringerter Entscheidungsdissonanz. Bewusstes und rationales
Abwägen gibt dabei dem Recruiter die subjektive Sicherheit, objektiv richtig entschieden zu
haben.
Fazit
Hypothesen 4.1, 4.2 und 4.4 können bestätigt werden:
- Hypothese 4.1: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters
wirkt negativ auf seine wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.
- Hypothese 4.2: Die eignungsdiagnostische Expertise des Recruiters wirkt negativ auf
seine wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.
- Hypothese 4.4: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters
mediiert den negativen Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf seine
wahrgenommene Entscheidungsdissonanz positiv.
127 im Vergleich zum Gesamtmodell: β =-.139, p=.108 für b46 (siehe Tabelle 18)
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
138
Hypothese 4.5
Tabelle 37: Hypothese 4.5
Skala Ver Hypothese 4.5: Ver-Ana-Diss
β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt
Mediation:
keine
Ana .496 .002
Diss -.276 .010 -.079 .142 -.341 .002
Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;
Im Rahmen der Hypothesenprüfung 4.5 lässt sich keine Mediation des negativen
Zusammenhangs zwischen Verantwortlichkeitsgefühl und Entscheidungsdissonanz durch die
Variable Analytik bestätigen.
Allerdings zeigt sich mit β=.496, p=.002 erneut ein substantieller positiver direkter Effekt
zwischen der unabhängigen und mediierenden Variable, wie in Hypothese 3.1 formuliert.
Ebenfalls fallen die direkten Wirkungsbeziehungen zwischen Verantwortlichkeitsgefühl und
Entscheidungsdissonanz mit p<.010 und bedeutsamen Regressionsgewichten von β =-.341/.-
276 signifikant aus (Hypothese 4.3, vgl. auch Ergebnisse im Gesamtmodell). Es zeigt sich mit
p=.142 nur kein ausreichend signifikanter indirekter Effekt, obwohl β=-.079 dies indiziert.
Deshalb muss die Mediationshypothese in dieser Untersuchung letztlich abgelehnt werden.
Verantwortlichkeitsgefühl zeigt somit auch unabhängig von intervenierenden Variablen einen
bedeutsamen Effekt auf Entscheidungsdissonanz.
Dies bedeutet, dass wenn sich der Recruiter stark involviert bzw. verantwortlich für seine
eignungsdiagnostischen Entscheidungen fühlt, er seine Entscheidungen im Nachhinein auch
weniger anzweifelt, da er sich sicher sein kann, nach bestem Wissen und Gewissen
entschieden zu haben.
Fazit
Hypothese 4.3 kann bestätigt werden:
- Hypothese 4.3: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters wirkt negativ auf seine
wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.
Hypothese 4.5 muss letztlich aufgrund des nicht ausreichend signifikanten indirekten Effektes
abgelehnt werden. Es liegt kein Mediator-Effekt vor:
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
139
- Hypothese 4.5: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters
mediiert den negativen Effekt seines Verantwortlichkeitsgefühls auf seine
wahrgenommene Entscheidungsdissonanz NICHT.
Gesamtfazit der Hypothesenprüfung
Die Ergebnisse bestätigen den Großteil der postulierten Hypothesen.
Alle getesteten Mediationshypothesen außer 1.5 und 3.11 (wie auch schon im Gesamtmodell
ersichtlich) zeigen signifikante direkte Zusammenhänge zwischen der jeweils unabhängigen
und mediierenden Variable. Allerdings können für die Hypothesen 2.5, 3.4 und 4.5 keine
signifikanten indirekten Effekte gefunden werden. Somit müssen diese Mediationshypothesen
in der vorliegenden Untersuchung abgelehnt werden.
Für die Variable Systematik des Feedbacks (Hypothesen 3.5 und 3.8) wurden ausschließlich
indirekte Effekte gefunden, diese Besonderheit wird in Kapitel 7 als Anregung für zukünftige
Forschungsarbeiten noch genauer diskutiert.
Für die Hypothese 3.3 wurde sogar eine totale Mediation gefunden, auch dieser
Zusammenhang wird in Kapitel 7 nochmals aufgegriffen.
Alle anderen Mediations-Hypothesen können mit partieller Mediation bestätigt werden.
Weiterhin zeigen sich bis auf Hypothese 2.2 alle postulierten direkten Effekte isoliert vom
Gesamtmodell signifikant.
Dies ist durch das komplexe Wirkungsgefüge des Strukturgleichungsmodells zu erklären.
Dadurch werden einige Wirkungseffekte unterdrückt und im Gesamtmodell als nicht-
signifikant angezeigt, obwohl sie tatsächlich signifikant sind.
Tabelle 38 zeigt nun die Ergebnisse der Hypothesenprüfung übersichtlich zusammengefasst.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
140
Tabelle 38: Zusammenfassung der Hypothesenprüfung
AV/IV UV Richtung Hypothese Direkter Effekt? Mediator? Bestätigt?
Ana <--- Exp Pos. 1.1 Ja, nur isoliert . Ja
Ana <--- subjE Neg. 1.2 Ja, nur isoliert . Ja
Ana <--- Sche Neg. 1.3 Ja, nur isoliert . Ja
subjE <--- Exp Neg. 1.4 . Partiell Ja
Sche <--- Exp Neg. 1.5 . Nein Nein
Sche <--- subjE Pos. 1.6 . Partiell Ja
Ana <--- Rech Pos. 2.1 Ja . Ja
Ana <--- SysF Pos. 2.2 Nein . Nein
Ana <--- StrI Pos. 2.3 Ja . Ja
Ana <--- KoA Pos. 2.4 Ja, nur isoliert . Ja
Sche <--- Rech Neg. 2.5 . Nein Nein
Sche <--- StrI Neg. 2.6 . Partiell Ja
KoA <--- StrI Pos. 2.7 . Partiell Ja
Ana <--- Ver Pos. 3.1 Ja . Ja
Ana <--- KeA Pos. 3.2 Ja . Ja
Ver <--- Exp Pos. 3.3 . Total Ja
Ver <--- Rech Pos. 3.4 . Nein Nein
Ver <--- SysF Pos. 3.5 . Indirekt Ja
Ver <--- StrI Pos. 3.6 . Partiell Ja
KeA <--- Exp Pos. 3.7 . Partiell Ja
KeA <--- SysF Pos. 3.8 . Indirekt Ja
KeA <--- StrI Pos. 3.9 . Partiell Ja
KeA <--- KoA Pos. 3.10 . Partiell Ja
KeA <--- Rech Pos. 3.11 . Nein Nein
Diss <--- Ana Neg. 4.1 Ja, nur isoliert . Ja
Diss <--- Exp Neg. 4.2 Ja . Ja
Diss <--- Ver Neg. 4.3 Ja . Ja
Ana <--- Exp Pos. 4.4 . Partiell Ja
Ana <--- Ver Pos. 4.5 . Nein Nein
Anm.: Darstellung der Wirkungsbeziehung, der Wirkungsrichtung, der direkten und mediierenden Effekte sowie der Ergebnisse der Hypothesenprüfung; die nicht-bestätigten Wirkungszusammenhänge sind jeweils markiert;
6.2.8.2 Modellmodifikation
Auf Basis dieser Ergebnisse soll nun das Strukturgleichungsmodell fertig gestellt werden,
indem nicht-signifikante Pfade ausgeschlossen werden.
Dies trifft ausschließlich auf die Pfade b41 (Hypothese 1.5) sowie b60 (Hypothese 3.11) zu,
da auch die abgelehnten Mediationshypothesen 2.5, 3.4 und 4.5 bei ihrer Prüfung signifikante
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
141
direkte Effekte zwischen unabhängiger und mediierender Variable gezeigt haben und
deshalb einen Erklärungsbeitrag im Modell liefern. Auch wird b69 (Hypothese 2.2) im Modell
belassen, da signifikante indirekte Effekte für die Variable Systematik des Feedbacks
nachgewiesen werden konnten.
Abbildung 11 stellt nun die grafische Abbildung des Endmodells dar.
Abbildung 11: Grafisches Strukturgleichungsmodell – Endmodell
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
142
Ebenfalls werden die Wirkungszusammenhänge des Gesamtmodells abschließend
dargestellt.
Tabelle 39: Pfadkoeffizienten im SGM-Endmodell
Wirkungs-zusammenhang
Pfad S.E C.R. b β p Hypothese
subjE <--- Exp b39 .06 -4.93 -.28 -.35 *** 1.4
KoA <--- StrI b66 .06 3.43 .21 .22 *** 2.7
KeA <--- Exp b45 .05 2.99 .15 .20 ** 3.7
KeA <--- KoA b47 .05 2.14 .10 .14 * 3.10
KeA <--- StrI b48 .05 3.12 .15 .21 ** 3.9
Ver <--- Rech b52 .07 6.21 .44 .49 *** 3.4
KeA <--- SysF b57 .11 4.17 .46 .50 *** 3.8
Sche <--- Rech b67 .05 -4.10 -.21 -.32 *** 2.5
Ver <--- SysF b70 .07 2.27 .17 .18 * 3.5
Ver <--- StrI b40 .04 2.60 .11 .16 *** 3.6
Ver <--- Exp b44 .05 4.14 .20 .27 *** 3.3
Sche <--- subjE b62 .05 0.05 .00 .00 .96 1.6
Sche <--- StrI b56 .03 -1.46 -.05 -.09 .15 2.6
Ana <--- subjE b42 .05 1.01 .05 .06 .31 1.2
Ana <--- StrI b49 .04 4.37 .17 .29 *** 2.3
Ana <--- Ver b50 .07 1.53 .11 .13 .13 3.1
Ana <--- KoA b53 .03 0.43 .01 .02 .67 2.4
Ana <--- KeA b54 .08 2.72 .21 .25 ** 3.2
Ana <--- Rech b55 .07 5.66 .42 .58 *** 2.1
Ana <--- Exp b68 .04 0.11 .01 .01 .91 1.1
Ana <--- SysF b69 .08 -1.56 -.12 -.16 .12 2.2
Ana <--- Sche b43 .07 -0.28 -.02 -.02 .78 1.3
Diss <--- Ana b46 .08 -1.62 -.12 -.14 .11 4.1
Diss <--- Exp b71 .04 -3.14 -.13 -.23 ** 4.2
Diss <--- Ver b51 .07 -2.34 -.16 -.22 * 4.3
Anm.: Darstellung der Wirkungszusammenhänge zwischen den latenten Variablen, der Pfadlabel, der Standardfehler der Parameterschätzung (S.E.), der Critical-Ratio-Werte (C.R.), der nicht-standardisierten Pfadkoeffizienten (b), der standardisierten Regressionsgewichte (β), dem Signifikanzniveau (p) und der jeweils zugehörigen Hypothese; für p gilt: **=p<.010, *=p<.050;
Tabelle 40 zeigt abschließend die Anpassungsgüte des modifizierten Strukturgleichungs-
modells an die empirischen Daten.
Diese ist fast identisch zum Ausgangsmodell. Die inferenzstatistischen Gütemaße indizieren
eine sehr gute Modellanpassung, wohingegen die deskriptiven Gütemaße auf eine noch nicht
vollständige Varianzaufklärung des Modells hinweisen.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
143
Schließlich handelt es sich bei dem vorgeschlagenen Rahmenmodell um ein sehr komplexes
theoretisches Modell. Es bildet die Realität der empirischen Daten dieser Untersuchung zwar
nicht perfekt, aber in einem hohen Maße ab und kann deshalb als empirische Basis für
praktisch relevante Ableitungen sowie Anregung für weitere empirische Studien genutzt
werden.
Deshalb kann die Anpassungsgüte insgesamt als sehr gut bis gut beurteilt und das
vorgeschlagene theoretische Modell im Kontext der vorliegenden Untersuchung bestätigt
werden.
Tabelle 40: Anpassungsgüte des SGM-Endmodells
Anpassungsgüte des Endmodells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI
.05 .67 1.65 .18 .80 .78
Ebenfalls wird die Varianzaufklärung der einzelnen endogenen latenten Variablen
abschließend noch aufgeführt.
Tabelle 41: Varianzaufklärung (SMC) der endogenen Variablen
Skala SMC
subjE .125
KoA .047
KeA .368
Ver .372
Sche .11
Ana .626
Diss .184
Die endogenen Variablen zeigen sowohl wenig bedeutsame als auch substantielle
Varianzaufklärungen, was nicht zuletzt durch die Anzahl der relevanten exogenen Variablen
zu erklären ist. Die substantiellste Varianzaufklärung erfährt die zentrale Variable dieser
Untersuchung, die Variable Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses mit 62,6%.
Auch die mediierenden Variablen zwischen organisationalen Rahmenbedingungen und dem
Entscheidungsmodus, nämlich Verantwortlichkeitsgefühl sowie Kenntnis des Anforderungs-
profils als Indikatoren für das persönliche Involvement des Recruiters erfahren moderate
Varianzaufklärungen von 37,2% und 36,8% durch die organisationalen Rahmenbedingungen.
Die persönlichen Lernprozesse des Recruiters fungieren primär als exogene Variablen und
zeigen deshalb nur geringe Varianzaufklärungen.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
144
6.2.9 Fazit und methodische Optimierungsvorschläge
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, ein kausales Modell zu den Determinanten analytisch
geprägter Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern in Einstellungsinterviews zu
entwickeln und dieses empirisch zu überprüfen.
Dies ist insofern gelungen, als dass der Prozess der Strukturgleichungsmodellierung mit
einer sehr guten Anpassungsgüte des theoretisch erarbeiteten Modells an die empirischen
Daten abgeschlossen werden konnte.
Im Rahmen der Hypothesenprüfung wurden nahezu alle postulierten Wirkungsbeziehungen –
direkte wie mediierende Effekte – bestätigt. Durch das komplexe Wirkungsgefüge des
Strukturgleichungsmodells erfolgte die Prüfung der einzelnen Hypothesen dabei mit der
Methode des bias-korrigierten Bootstrapping isoliert vom Gesamtmodell (vgl. Preacher &
Hayes, 2008; Cheung & Lau, 2007).
Die vorherige Güteprüfung des Strukturgleichungsmodells indizierte eine ausreichende Güte
der Operationalisierung der reflektiven Mess-Indikatoren. Dennoch bleibt hier im Hinblick auf
replizierende Studien noch Optimierungsbedarf bestehen, insbesondere für die Skalen
Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses und Systematik des Feedbacks.
Trotzdem die Datenerhebung vollständig anonym erfolgte, können Effekte sozialer
Erwünschtheit nicht gänzlich ausgeschlossen werden, wie die insgesamt recht hoch
ausgeprägten Mittelwerte der Skalen Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses
sowie Verantwortlichkeitsgefühl gezeigt haben. Hier hätte ein Vortest möglicherweise dazu
beitragen können, noch trennschärfere Items für diese beiden Skalen zu erhalten.
Grundsätzlich ist auch das common-method-Problem für das vorliegende
Strukturgleichungsmodell relevant.
Podsakoff et al. (2003, S.879) beschreiben den common-method-Effekt als denjenigen Effekt,
der die Wirkungsbeziehung zwischen einer unabhängigen und abhängigen Variablen dann
systematisch beeinflusst, wenn beide Konstrukte mit derselben Methode erhoben wurden.
Dies trifft auch auf die Variablen des vorliegenden Strukturgleichungsmodells zu.
Obwohl einem potenziellen common-method-Effekt im Rahmen der vorbereitenden
Berechnungen mit Hilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse bereits statistisch
widersprochen werden konnte (Kapitel 6.2.5), könnte dennoch ein gewisser Anteil an
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
145
Varianzaufklärung auf den für alle latenten Variablen verwendeten Online-Fragebogen zurück
zu führen sein.
Podsakoff et al. (2003, S.887) schlagen dementsprechend vor, sowohl die
Erhebungsmethoden zwischen den einzelnen Variablen, als auch die zugeordneten
Studienteilnehmer für die einzelnen Variablen zu separieren. Letzteres macht jedoch für den
Kontext dieser Arbeit, mit der Fragestellung individueller Entscheidungsmuster und dessen
Determinanten, eher wenig Sinn. Allerdings könnte für zukünftige Studien eine Variation der
Erhebungsmethoden zwischen den Variablen angedacht werden.
Auch eine zeitliche Separierung zwischen der Messung exogener und endogener Variablen
(Podsakoff et al., 2003, S.888) wäre theoretisch möglich. Bei einer Erhebung von Prädiktor-
und Kriteriumsvariablen zu verschiedenen Messzeitpunkten, sollte allerdings eine
ausreichende Stichprobengröße bzw. Rücklaufquote sicher gestellt werden, da hier
besonders die Gefahr des drop-outs besteht.
Deshalb wurde in der vorliegenden Arbeit auf ein Untersuchungsdesign mit verschiedenen
Messzeitpunkten verzichtet.
Weiterhin sollte die Option der ausbalancierten Darbietungsreihenfolge der Items (Podsakoff
et al., 2003, S.888) zukünftig stärker berücksichtigt werden.
In der vorliegenden Studie wurden die Variablen allen Teilnehmern in aufeinander
aufbauender Reihenfolge dargeboten (exogene – intervenierende – endogene Variablen).
Somit konnte das Problem der reversen kausalen Effekte (Kenny, 2012) vermindert werden.
Dies tritt dann auf, wenn die abhängigen Variablen zeitlich vor den unabhängigen Variablen
erhoben werden. Unter dieser Bedingung kann der Wirkungseffekt dann nicht mehr eindeutig
auf die unabhängige Variable zurück geführt werden.
Dieses potenzielle Risiko könnte mit einer randomisierten und gruppenbezogenen
ausbalancierten Darbietungsreihenfolge der Items noch weiter minimiert werden – und zwar
mit sehr geringem Aufwand.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
146
6.3 Kausaleffekte in der Fallstudie – Analyse der Gruppenunterschiede anhand
multivariater allgemeiner Modelle
6.3.1 Versuchsdesign
Um die kausalen Effekte der organisationalen Rahmenbedingungen
Rechenschaftsverpflichtung und Konkretheit des Anforderungsprofils auf den
Entscheidungsmodus des Recruiters auch experimentell zu überprüfen, wurde ein fiktives
Fallbeispiel über Frau Mustermann konstruiert. Frau Mustermann hat sich als Trainee HRM in
einem international agierenden Konzern beworben und erfüllt die fachlichen
Voraussetzungen sehr gut.
Frau Meier hat als stellvertretende Personalreferentin das Bewerbungsgespräch mit Frau
Mustermann geführt und darüber eine Zusammenfassung verfasst.
Anhand dieses Gesprächsprotokolls sollen als abhängige Variablen zum einen die Analytik
der Beurteilung von Frau Meier sowie zum anderen die eigene Analytik der Entscheidung des
Recruiters zur Bewerberin Frau Mustermann erhoben werden.
Experimentell manipuliert wurden dabei die organisationalen Rahmenbedingungen
Konkretheit des Anforderungsprofils und Rechenschaftsverpflichtung.
So enthält
- Bedingung A: ein konkretes und verhaltensbezogen ausformuliertes Anforderungs-
profil sowie den Hinweis, dass die eignungsdiagnostische Entscheidung im
Nachhinein vor Vorgesetzten begründet werden muss
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
147
Wichtige Info: All Ihre eignungsdiagnostischen Entscheidungen müssen Sie grundsätzlich vor den zukünftigen Vorgesetzten der Trainees sowie vor Ihrem eigenen Vorgesetzten begründen können! Anforderungen für Trainees HRM: Komplexität im Denken: - kann komplexe Zusammenhänge analysieren und Strategien ableiten - kann komplizierte Zusammenhänge verständlich darstellen Kommunikation/ Rhetorik: - kann sich gut ausdrücken - argumentiert strukturiert - kann frei und flüssig vor einer Gruppe sprechen - hört aufmerksam zu - hält Blickkontakt Teamfähigkeit: - kann sich gut in ein Team integrieren und Kompromisse eingehen - engagiert sich für ein gemeinsames Ziel - kann eigene Interessen zurückstecken Leistungsbereitschaft: - stellt hohe Ansprüche an die eigene Leistung - arbeitet zielorientiert und engagiert - setzt sich hohe, aber realistische Ziele Motivation und Identifikation: - zeigt starkes Interesse, stellt inhaltlich relevante Fragen - kann sich mit dem Unternehmen und Inhalten identifizieren - begründet Interesse an und Identifikation mit Unternehmen detailliert und nachvollziehbar Kritik- und Konfliktfähigkeit: - reflektiert eigenes Verhalten und Misserfolge - übernimmt Verantwortung für Fehler und Misserfolge - weicht Konflikten nicht aus - reagiert sachlich und diplomatisch auf Konflikte Zuverlässigkeit - arbeitet genau und sorgfältig - hält Absprachen und Vorschriften ein - bringt angefangene Aufgaben auch zu Ende
Abbildung 12: Bedingung A in der Fallstudie
- Bedingung B: ein abstrakt formuliertes Anforderungsprofil und keinen Hinweis darauf,
dass die eignungsdiagnostische Entscheidung im Nachhinein vor Vorgesetzten
begründet werden muss
Anforderungen für Trainees HRM:
- hohe Komplexität im Denken - gute Kommunikation/ Rhetorik - Teamfähigkeit - Leistungsbereitschaft - Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen - Kritik- und Konfliktfähigkeit - Zuverlässigkeit
Abbildung 13: Bedingung B in der Fallstudie
Das Gesprächsprotokoll von Frau Meier bezieht sich vor allem auf eigenschaftsbezogene
und persönliche Eindrücke, die aber größtenteils konform mit den in Bedingung B genannten
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
148
Anforderungen sind. Die verhaltensbezogenen Anforderungen, die in Anforderungsprofil A
formuliert sind, werden dagegen nicht im Gesprächsprotokoll aufgeführt.
Zusammenfassung des Bewerbungsgespräches mit Frau Mustermann:
- ist sehr nett und sympathisch - ist höflich und eher zurückhaltend - wirkt bescheiden und gutmütig - kann sich gut ausdrücken, braucht manchmal aber Zeit zum Überlegen - nennt als Bewerbungsmotiv die globale Ausrichtung des Konzerns sowie die internationale Karriereperspektive - Interesse an HRM hat sich durch Praktika gefestigt: vor allem Personalauswahl sei interessant, wegen dem
persönlichen Kontakt zu Menschen - konnte in Praktika erste Erfahrungen im Bewerbermanagement und in der Seminarorganisation sammeln - Ziel für die nächsten 3 Jahre: Trainee-Programm gut abschließen, übernommen werden, langfristig gerne an
Auslandsprojekten mitarbeiten - nennt als Stärken: Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit und Ehrgeiz - nennt als Schwächen: Zurückhaltung, zu hoher Perfektionismus, manchmal zu sensibel zu sein - sagt, sie arbeite gerne und sei sehr fleißig - ihre Antworten wirken ehrlich und spontan Fazit: sympathisch, ehrgeizig, zuverlässig und motiviert;
Abbildung 14: Gesprächsprotokoll in der Fallstudie
Deshalb werden für Bedingung A signifikant höhere Ausprägungen der abhängigen Variablen
Analytische Beurteilung und Analytische Entscheidung postuliert, als für Bedingung B.
Diese Hypothese wird demzufolge mit einem einfaktoriellen between-subjects-Design
überprüft.
6.3.2 Operationalisierung und Reliabilität der abhängigen Variablen
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die operationalisierten Items der abhängigen
Variablen128.
Als Mess-Skalierung wurde auch hier eine sechs-stufige Likert-Skala129 gewählt, ebenfalls
wurden die Items zur weiteren Berechnung umkodiert130.
128 Die vollständigen Items sind in Anhang 2 einzusehen. 129 1: „trifft voll zu“ bis 6: „trifft überhaupt nicht zu“ 130 immer nach demselben Schema: v_141 wird umkodiert in u_141 usw.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
149
Tabelle 42: Konstruktoperationalisierung in der Fallstudie
AV Items Zahl Beispiel-Items
Analytische Beurteilung
u_141-u_156
16 Die Einschätzungen und Beurteilungen von Frau Meier wirken auf mich... v_142: analytisch v_146: logisch nachvollziehbar v_148: anforderungsbezogen v_154: vollständig
Analytische Entscheidung
u_157-u_162
6 Zu welcher Entscheidung gelangen Sie nun aufgrund der Zusammen-fassung von Frau Meier? v_158: Ich werde Frau Mustermann die Stelle anbieten. v_160: Ich kann noch keine Entscheidung treffen, da ich nicht genügend Informationen über die Erfüllung der einzelnen Anforderungen besitze. v_161: Ich kann keine zuverlässige Aussage darüber treffen, ob Frau Mustermann die Anforderungen für die Stelle erfüllt. v_162: Ich werde noch ein weiteres Bewerbungsgespräch mit Frau Mustermann führen, um eine Entscheidung treffen zu können.
Anm.: Darstellung von je vier Beispiel-Items für jede abhängige Variable, außerdem Gesamtzahl der Items pro Skala;
In dem für dieses Untersuchungsdesign genutzten Datensatz wurden diejenigen Teilnehmer
eliminiert, die fehlende Werte in den Items v_141 – v_162 aufwiesen, somit lag ein Datensatz
mit 219 vollständigen Datensätzen vor131.
Im Rahmen der Reliabilitätsanalyse wurden die Items u_143, u_145, u_147 wegen zu
geringer Korrelation mit der Gesamtskala (Item-to-Total-Korrelation) sowie zu geringer
Trennschärfe (Inter-Item-Korrelation) aus den Skalen eliminiert132.
Cronbach`s Alpha liegt somit für Analytik der Beurteilung bei α=.91 (13 Items) und Analytik
der Entscheidung (6 Items) bei α=.82.
Der Kolmogorov-Smirnoff-Test bestätigt mit p=.185 für die Skala Analytik der Beurteilung
sowie p=.004 für die Skala Analytik der Entscheidung die univariate Normalverteilungs-
annahme für letztere Skala nicht. Allerdings fallen die Schiefe- und Wölbungsmaße nicht >1
aus, sodass nur eine moderate Verletzung der Normalverteilungsannahme vorliegt (Temme
& Hildebrandt, 2009, S.166133).
131 Datensätze siehe externer Anhang 132 siehe externer Anhang 133 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.146;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
150
6.3.3 Ergebnisse der Fallstudie – multivariate allgemeine lineare Modelle
Zur Überprüfung der Gruppenunterschiede zwischen Bedingung A und B werden multivariate
allgemeine lineare Modelle (ALM) in SPSS 19 berechnet.
Diese bieten im Vergleich zur einfaktoriellen ANOVA den Vorteil, dass auch
Parameterschätzungen (β) abgegeben werden können.
Das ALM kombiniert dabei die Prozeduren Varianz- und Regressionsanalysen miteinander
(vgl. Brosius, 2008, S.614).
Die Prüfgröße F testet bei univariaten allgemeinen linearen Modellen die mittlere Streuung
zwischen den Stichproben im Verhältnis zur mittleren Streuung innerhalb der Stichproben.
Ist die mittlere Streuung zwischen den Stichproben größer als innerhalb den Stichproben,
wird die Nullhypothese identischer Erwartungswerte zum α - Niveau abgelehnt (Handl, 2002,
S.299; Backhaus et al., 2006, S.139f134).
Bei multivariaten allgemeinen linearen Modellen bilden die multivariaten Tests
- Pillai-Bartlett Spurkriterium (Pillai, 1960)
- Wilks Lambda (Wilks, 1932)
- Hotelling-Lawley Spurkriterium (Hotelling, 1951; Lawley, 1938)
- Roy's Maximalwurzel (Roy, 1957)
die relevanten Prüfgrößen (Moosbrugger, 1978; Timm, 1975; Olson, 1976135).
Bezüglich der Voraussetzungen der Varianzanalyse testet der Box-M-Test die Homogenität
der Varianz-Kovarianz Matrizen (Homoskedastizität). Der Levene-Test testet weiterhin die
Varianzhomogenität der Vergleichsgruppen.
Backhaus et al. (2006, S.151) sowie Field (2009, S.360) bemerken allerdings, dass sich die
Varianzanalyse grundsätzlich robust gegenüber leichten Verletzungen der Normalverteilung,
der Homogenität der Varianz-Kovarianz Matrizen sowie auch der Varianzhomogenität zeigt,
vor allem wenn vergleichbare Stichprobengrößen vorhanden sind.
134 Nach Backhaus et al. (2006, S.129) bildet die theoretische F-Verteilung den „Maßstab zur Beurteilung des empirischen F-Wertes“. Auf einen faktoriellen Einfluss kann dabei dann geschlossen werden, wenn der empirische F-Wert größer als der theoretische F-Wert ausfällt (ebd.). SPSS berechnet zusätzlich zum empirischen F-Wert das Signifikanzniveau. Ist die Signifikanz kleiner als das vorgegebene Testniveau, kann die Nullhypothese abgelehnt werden. Der Vergleich mit dem theoretischen F-Wert in einer Tabelle entfällt dadurch (ebd., S.146f). 135 Das Pillai-Bartlett Spurkriterium testet die Gruppenunterschiede der einzelnen abhängigen Variablen. Dieser Test zeigt sich besonders robust gegenüber Verletzungen der Annahmen der multivariaten Normalverteilung, der Homogenität der Varianz-Kovarianz Matrizen (Homoskedastizität), der Linearität der Zusammenhänge und der fehlenden Multikollinearität der abhängigen Variablen (vgl. Backhaus et al., 2006, S.150). Wilks Lamda testet das Verhältnis der Matrix der Zwischengruppeneffekte zu der Matrix der Innergruppeneffekte. Der Hotelling-Test testet auf die Gleichheit der Mittelwertsvektoren aller abhängigen Variablen zwischen beiden Gruppen. Roy`s größter Eigenwert testet die Gruppenunterschiede auf der gemeinsamen Dimension aller abhängigen Variablen.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
151
Grundsätzlich sollten deshalb möglichst gleichgroße Zellstichproben zur Berechnung
angestrebt werden.
Das partielle Eta² beschreibt schließlich jeweils den Anteil des jeweiligen Haupteffektes bzw.
Parameters an der Gesamtvarianz (Brosius, 2008, S.629). Der berechnete Erklärungsanteil
ist dabei „um die Einflüsse der übrigen im Modell enthaltenen Faktoren bereinigt“ (Backhaus
et al., 2006, S.147).
Tabellengruppe 1 zeigt nun die Ergebnisse des Mittelwertvergleiches für den Faktor
Bedingung A oder B bezogen auf die abhängigen Variablen (AV) Analytik Beurteilung (AnaB)
und Analytik Entscheidung (AnaEnt).
Tabellengruppe 1: Multivariates ALM Fallstudie
Faktor Bedingung A vs. B auf AnaB, AnaEntTest der Zwischen-Gruppen-Unterschiede
Variable AV F(1, 217) p Eta² R² Korr.R²
Bedingung AnaB .214 .644 .001 .001 -.004
AnaEnt .186 .667 .001 .001 -.004
Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;
Multivariate Tests Wert F(2, 216) p Eta²
Pillai-Spur .005 .495 .610 .005
Wilks-Lambda .995 .495 .610 .005
Hotelling-Spur .005 .495 .610 .005
Größte charakt. Wurzel Roy .005 .495 .610 .005
Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix=1.65, F(3, 1814165)=.55, p=.651; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Analytik Beurteilung F(1, 217)=2.06, p=.153; für Analytik Entscheidung F(1, 217)=.006, p=.937;
Übersicht der Parameterschätzer AV Bedingung N MW SD β p Eta²
AnaB A 114 4.04 .86 .051 .644 .001
B 105 3.99 .76 0 . .
AnaEnt A 114 4.56 1.07 -.061 .667 .001
B 105 4.62 1.03 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
152
Es können mit F(1, 217)=.214, p=.644 und F(1, 217)=.186, p=.667 keine signifikanten
Mittelwertsunterschiede zwischen den Bedingungen A und B für die erhobenen abhängigen
Variablen nachgewiesen werden.
Die Mittelwerte der beiden Gruppen sind nahezu identisch. Hierbei fällt auf, dass die
Mittelwerte der abhängigen Variablen insgesamt recht hoch ausfallen (MW=3.99 - 4.04 für
AnaB und MW=4.56 - 4.62 für AnaEnt), besonders für Analytik der Entscheidung (vgl. auch
Prüfung der Normalverteilung136). Dies zeigt, dass die meisten Teilnehmer keine
Entscheidung bezogen auf Frau Mustermann mit den vorliegenden Informationen treffen
wollen.
Möglicherweise ist hier die Operationalisierung des Gesprächsprotokolls, welches als
Grundlage der fiktiven Beurteilung und Entscheidung diente, insgesamt zu offensichtlich
optimierungsbedürftig ausgefallen, sodass es nicht ausreichend zwischen analytischer und
weniger analytischer Beurteilung differenziert.
Ebenfalls könnte der Fokus auf nur schriftlich vorliegende Informationen über die fiktive
Bewerberin zu einer stärker analytischen Prägung der Beurteilung und Entscheidung geführt
haben, da eigene subjektive Eindrücke nicht gewonnen werden konnten.
Das Studiendesign könnte deshalb mit einem Videobeispiel als Beurteilungsgrundlage einen
stärkeren realen Bezug erhalten und dadurch optimiert werden.
Nicht zuletzt ist auch eine Beeinflussung des Entscheidungsmodus durch die vorhergehende
Befragung zu den Determinanten analytischer Urteils- und Entscheidungsprozesse in
Einstellungsinterviews nicht auszuschließen. Es könnte ein Priming-Effekt aufgetreten sein,
welcher die Selbstaufmerksamkeit des Teilnehmers im Hinblick auf seine eigenen
eignungsdiagnostischen Entscheidungsmuster erhöht und somit die Ergebnisse verfälscht
haben könnte.
Die Variation der organisationalen Rahmenbedingungen des Anforderungsprofils und der
Rechenschaftsverpflichtung zeigt hier also zunächst keinen Effekt auf den analytischen
Entscheidungsmodus der befragten Recruiter.
136 siehe externer Anhang
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
153
Allerdings lassen sich signifikante Unterschiede zwischen Bedingung A und B für die Gruppe
der Psychologen (N=30) sowie für die Gruppe derjenigen Recruiter feststellen, die im
demografischen Teil erhöhten eignungsdiagnostischen Weiterbildungsbedarf (N=69)
angeben.
Die folgende Tabellengruppe 2 zeigt die signifikanten Unterschiede für diejenigen Recruiter,
die als Fachrichtung des qualifizierenden Studiums Psychologie angegeben haben.
Tabellengruppe 2: Multivariates ALM Fallstudie Gruppe Psychologen
Gruppe Psychologen: Faktor Bedingung A vs. B auf AnaB, AnaEntTest der Zwischen-Gruppen-Unterschiede
Variable AV F(1, 28) p Eta² R² Korr.R²
Bedingung AnaB 10.05 .004 .264 .264 .238
AnaEnt .15 .702 .005 .005 -.030
Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;
Multivariate Tests Wert F(2, 27) p Eta²
Pillai-Spur .341 7.0 .004 .341
Wilks-Lambda .659 7.0 .004 .341
Hotelling-Spur .518 7.0 .004 .341
Größte charakt. Wurzel Roy .518 7.0 .004 .341
Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix=4.97, F(3, 27005)=1.52, p=.207; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Analytik Beurteilung F(1, 28)=4.42, p=.045; für Analytik Entscheidung F(1, 28)=3.26, p=.082;
Übersicht der Parameterschätzer AV Bedingung N MW SD β p Eta²
AnaB A 18 4.57 .41 .669 .004 .264
B 12 3.90 .74 0 . .
AnaEnt A 18 5.08 .74 .125 .702 .005
B 12 4.96 1.04 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;
Der Faktor Bedingung erklärt für die Gruppe Psychologen mit 26,4% einen Großteil der
Varianz der zu erklärenden abhängigen Variable Analytik der Beurteilung (F(1, 28)=10.05,
p=.004, Eta²=.264, korr.R² für das Gesamtmodell=.238).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
154
Weiterhin zeigt sich mit β =.669, p=.004 ein substantieller Unterschied für die Ausprägung der
Analytik der Beurteilung bei Bedingung A (MW=4.57) im Vergleich zu Bedingung B
(MW=3.90). Psychologen haben das Gesprächsprotokoll von Frau Meier also wie postuliert
signifikant analytischer beurteilt, wenn sie ein konkretes Anforderungsprofil als Referenz
nutzen konnten und sich außerdem zu Rechenschaft verpflichtet fühlten.
Dies indiziert, dass die befragten Psychologen tatsächlich die in dem Gesprächsprotokoll
aufgeführten Informationen mit dem dargebotenen Anforderungsprofil verglichen und das
Anforderungsprofil somit als Beurteilungsgrundlage genutzt haben.
Dies ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass Psychologen aufgrund ihrer fachlichen
Ausbildung erfahrener als andere Berufsgruppen darin sind, Anforderungsprofile für
eignungsdiagnostische Beurteilungen zu nutzen.
Allerdings haben auch sie, unabhängig der Bedingung A oder B, die Entscheidung über die
Einstellung von Frau Mustermann nicht treffen wollen. Es konnte kein signifikanter
Haupteffekt nachgewiesen werden (F(1, 28)=.15, p=.702).
Somit konnte, bezogen auf die AV Analytik der Entscheidung, auch hier kein signifikanter
Gruppenunterschied zwischen Bedingung A und B gefunden werden.
Der Levene-Test zeigt mit F(1, 28)=4.42, p=.045 für AnaB und F(1, 28)=3.26, p=.082 für
AnaEnt leichte Verletzungen der Homogenitätsannahme der Fehlervarianzen, was
möglicherweise auf die eher kleine Zellstichprobengröße zurück zu führen sein kann.
Der multivariate Test nach Roy zeigt sich aber dennoch mit F(2, 27)=7, p=.004 signifikant und
indiziert eine hohe Varianzaufklärung von Eta²=.341.
Weiterhin wurden signifikante Unterschiede für diejenigen Studienteilnehmer gefunden, die
im demografischen Teil einen erhöhten eignungsdiagnostischen Weiterbildungsbedarf
angegeben haben. Diese werden in Tabellengruppe 3 dargestellt.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
155
Tabellengruppe 3: Multivariates ALM Fallstudie Gruppe erhöhter Weiterbildungsbedarf
Gruppe erhöhter Weiterbildungsbedarf: Bedingung A vs. B auf AnaB, AnaEntTest der Zwischen-Gruppen-Unterschiede
Variable AV F(1, 67) p Eta² R² Korr.R²
Bedingung AnaB 1.00 .321 .015 .015 .000
AnaEnt 4.71 .033 .066 .066 .052
Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;
Multivariate Tests Wert F(2, 66) p Eta²
Pillai-Spur .075 2.69 .075 .075
Wilks-Lambda .925 2.69 .075 .075
Hotelling-Spur .081 2.69 .075 .075
Größte charakt. Wurzel Roy .081 2.69 .075 .075
Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix=1.19, F(3, 831236)=.38, p=.766; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Analytik Beurteilung F(1, 67)=.04, p=.837; für Analytik Entscheidung F(1, 67)=.52, p=.473;
Übersicht der Parameterschätzer AV Bedingung N MW SD β p Eta²
AnaB A 35 3.75 .87 -.214 .321 .015
B 34 3.97 .91 0 . .
AnaEnt A 35 4.03 1.21 -.599 .033 .066
B 34 4.63 1.08 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;
Es zeigt sich mit F(1, 67)=4.71, p=.033 ein signifikanter Haupteffekt des Faktors Bedingung A
vs. B auf die Ausprägung der Analytik der Entscheidung. Ebenfalls wird mit β=-.599 ein
substantieller negativer Unterschied zwischen Bedingung A (MW=4.03) und Bedingung B
(MW=4.63) für AnaEnt festgestellt.
Damit zeigt sich hier der gegenteilige Effekt, ein globales Anforderungsprofil führt hier zu
positiveren Einstellungsentscheidungen über Frau Mustermann, als ein konkretes
Anforderungsprofil. Dies indiziert, dass die Recruiter sich bei ihrer Beurteilung und
Entscheidung nicht auf die in den Anforderungsprofilen formulierten Informationen bezogen
und diese weiterhin nicht mit den im Gesprächsprotokoll aufgeführten Charakteristika
systematisch verglichen haben.
Dies indiziert zum einen tatsächlich erhöhten Weiterbildungsbedarf bei den befragten
Recruitern, zum anderen könnte es hier aber auch zu einer Überlastung der
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
156
Informationsverarbeitungskapazität gekommen sein, da sich das Anforderungsprofil gemerkt
werden musste. Nachdem es einmal gelesen wurde, konnte es nicht wieder aufgerufen
werden. Da die Fallstudie sequentiell aufgebaut war, musste der Teilnehmer das
Anforderungsprofil während seiner Beurteilung des Gesprächsprotoskolls aus dem
Gedächtnis abrufen.
Auch diesbezüglich könnte das Forschungsdesign weiter optimiert und an reale
Beurteilungssituationen angepasst werden.
6.3.4 Fazit und methodische Optimierungsvorschläge
Die experimentelle Überprüfung der im Strukturgleichungsmodell überzeugend belegten
Effekte von organisationalen Rahmenbedingungen auf die Urteils- und Entscheidungs-
prozesse von Recruitern zeigt sich in der vorliegenden Fallstudie nur eingeschränkt
erfolgreich. Es konnten nur für die Subgruppen Psychologen und erhöhter
eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf signifikante Unterschiede zwischen Bedingung
A und B für jeweils eine abhängige Variable gefunden werden.
Die Begutachtung der insgesamt hoch ausgeprägten Mittelwerte der erhobenen abhängigen
Variablen zeigt, insbesondere für die Skala Analytik der Entscheidung, dass die meisten
Teilnehmer keine Entscheidung bezogen auf Frau Mustermann mit den vorliegenden
Informationen treffen wollen.
Vermutet wurde hier, dass das Gesprächsprotokoll nicht ausreichend zwischen analytischer
und weniger analytischer Beurteilung differenziert, da es objektiv optimierungsbedürftig
erscheint. Hier könnte ein Vortest die Güte des Stimulusmaterials zukünftig verbessern.
Eine andere mögliche Erklärung könnte die zu wenig realistische Entscheidungssituation
sein, die den Teilnehmern das Treffen der Entscheidung erschwert haben könnte.
Deshalb sollte, als wichtige Anregung zur Optimierung des Studiendesigns, der Versuch zur
Nachbildung einer stärker realen eignungsdiagnostischen Entscheidungssituation
unternommen werden.
Mit einer Videosequenz als Beurteilungsgrundlage könnten auch subjektive Eindrücke über
den fiktiven Bewerber gebildet und erhoben werden. Dies war in der aktuellen Studie kaum
möglich, da das Stimulusmaterial ausschließlich schriftlich vorlag.
Problematische Randbedingung ist hierbei jedoch die Gewinnung der Stichprobe, denn
idealerweise sollten die Wirkungseffekte, wie auch in der vorliegenden Fallstudie, an einer
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
157
populationsvaliden Stichprobe von praktisch tätigen Recruitern überprüft werden. Dies konnte
in der vorliegenden Studie mit immerhin 219 Recruitern, die das Fallbeispiel nach der
Haupterhebung noch vollständig bearbeitet haben, erreicht werden.
Ebenfalls sollte solch eine experimentelle Studie zukünftig von anderen Erhebungen isoliert
werden, da es in der vorliegenden Arbeit möglicherweise zu einem Priming-Effekt (vgl.
Podsakoff et al., 2003) durch die vorherige Befragung über die Determinanten analytischer
Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern in Einstellungsinterviews gekommen sein
könnte. Dadurch könnte ebenfalls die sehr analytische Prägung der Studienteilnehmer in der
Auseinandersetzung mit dem Stimulusmaterial zu erklären sein. Da die Teilnehmer zuvor
Auskunft über ihre analytisch oder intuitiv geprägten eignungsdiagnostischen
Entscheidungsmuster geben und sich somit selber hinterfragen mussten, könnten die
Ergebnisse bezogen auf die Fallstudie somit verfälscht worden sein.
Deshalb bleiben die im Strukturgleichungsmodell bestätigten Wirkungseffekte mit zukünftigen
Forschungsarbeiten noch experimentell zu belegen.
Interessant für die weitere Forschung könnten dabei Gruppenunterschiede zwischen
Psychologen und Recruitern anderer Fachrichtungen sein.
6.4 Clusteranalyse zur Identifikation von spezifischen Recruiter-Typen
Zur Differenzierung von Recruiter-Typen innerhalb der Stichprobe soll besonderer Fokus auf
ähnlich geartete individuelle Lernprozesse sowie ähnliche organisationale
Rahmenbedingungen gelegt werden, unter denen die Recruiter eignungsdiagnostische
Entscheidungen treffen. Dazu soll die Methode der Clusteranalyse eingesetzt werden.
Die Clusteranalyse ist eine Analysemethode zur Identifizierung „homogener Teilmengen von
Objekten“ aus einer „heterogenen Gesamtheit von Objekten“ (Backhaus et al., 2006, S.490).
Die klassischen Ablaufschritte einer Clusteranalyse sind:
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
158
- die Bestimmung der Ähnlichkeiten, wofür die Ausgangsdaten in eine Ähnlichkeits-
oder Distanzmatrix überführt und anhand von Ähnlichkeits- oder Distanzmaßen
quantifiziert werden137 (ebd., S.493f)
- die Auswahl des Fusionierungsalgorithmus zur Zusammenfassung der Gruppen138
(ebd., S.511) und
- die Bestimmung der Clusteranzahl anhand des Elbow-Kriteriums139 (ebd., S.534).
In der vorliegenden Arbeit wird die Methode der Two-Step-Clusterbildung140 gewählt, da bei
dieser Methode sowohl kontinuierliche als auch kategoriale Variablen sowie Evaluationsfelder
berücksichtigt werden können (Brosius, 2008, S.745).
Ebenfalls wird als Distanzmaß auch bei stetigen Variablen die Log-Likelihood-Methode
gewählt. Diese Methode folgt der Annahme, dass die Variable in der Grundgesamtheit einer
Normalverteilung (bei kontinuierlichen Variablen) oder multinomialen Verteilung (bei
kategorialen Variablen) folgt. Somit lässt sich die Wahrscheinlichkeit errechnen, mit der in
einer Stichprobe die tatsächlich beobachteten Mittelwerte und Varianzen auftreten, wenn die
Cluster jeweils repräsentativ für die Grundgesamtheit sind (ebd., S.752).
Demnach wird ein Fall dann einem Cluster zugeordnet, wenn diese Zuordnung mit einer
höheren Wahrscheinlichkeit verbunden ist.
Es wurden insgesamt 10 verschiedene Clusterlösungen berechnet, von denen die beiden
interessantesten im Folgenden dargestellt werden141.
137 In der Praxis ist das Proximitätsmaß der quadrierten euklidischen Distanz besonders bedeutsam, die quadrierten Differenzwerte werden dabei addiert, aus dieser Summe wird wiederum die Wurzel gezogen (Backhaus et al., 2006, S.504). 138 In der Praxis sind vor allem hierarchisch-agglomerative Verfahren bedeutsam. Hier werden, begonnen mit der feinsten Partition, die Cluster mit der jeweils geringsten Distanz zueinander anhand der Single-Linkage- (jeweils kleinste Distanz), Complete-Linkage- (größte Distanz) oder Ward-Methode (geringste Streuung) zu einem neuen Cluster gruppiert (ebd., S.514-527). Die Ward-Methode verspricht nach Bergs (1981, S.96f) „sehr gute Partitionen“, neigt allerdings dazu, etwa gleich große Gruppen zu bilden (aus Backhaus et al., 2006, S.528). 139 Vergleich der Heterogenitätsentwicklung mit der Clusteranzahl 140 Der Rechenalgorithmus der zweistufigen Cluster-Analyse basiert auf dem BIRCH-Algorithmus (Balanced Iterative Reducing and Clustering using Hierarchies): zunächst werden mit Hilfe von Heuristiken und einem sequentiellen groben Clusterverfahren ein sogenannter Cluster-Baum erstellt, dessen Äste danach im zweiten Schritt hierarchisch agglomeriert werden (Brosius, 2008, S.746). 141 alle anderen berechneten Clusterlösungen siehe externer Anhang
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
159
6.4.1 Clusterlösung 2 – basierend auf persönlichen Lernprozessen
Die Clusterlösung 2 berücksichtigt die kontinuierlichen Variablen subjektive
Entscheidungsregeln und Expertise, also die persönlichen Lernprozesse des Recruiters, als
Klassifikationskriterien für das Evaluationskriterium Analytik des Urteils- und
Entscheidungsprozesses.
Abbildung 15 stellt die Cluster vergleichend im Hinblick auf die Mediane der relevanten
Variablen dar.
Clusterlösung 2: Kontinuierliche Variablen: subjE & Exp, Evaluationskriterium: Ana
Cluster 1 (29% bzw. 79 Fälle) Cluster 2 (27,6% bzw. 75 Fälle)
Exp
subjE
Ana
Mediane Mittelwerte
Exp=4.01, subjE=3.83, Ana=4.5
Exp=4.28, subjE=4.02, Ana=4.49
Exp=5.01, subjE=2.17, Ana=4.87
Exp=5.08, subjE=2.15, Ana=4.76
Cluster 3 (25,7% bzw. 70 Fälle) Cluster 4 (17,6% bzw. 48 Fälle)
Exp
subjE
Ana
Mediane Mittelwerte
Exp=3.33, subjE=2.17, Ana=4.63
Exp=3.1, subjE=2.15, Ana=4.64
Exp=2, subjE=4.33, Ana=4.25
Exp=1.94, subjE=4.46, Ana=4.22
Abbildung 15: Übersicht über Clusterlösung 2 mit 4 Clustern Anm.: Darstellung der Clustermediane im Verhältnis zu den Medianen der Gesamtverteilung (Exp=4, subjE=3, Ana=4.57); Mittelwerte sind informationshalber zusätzlich dargestellt;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
160
Die dargestellten Cluster lassen sich wie folgt charakterisieren:
- Cluster 1 repräsentiert Recruiter, die sich zwar tendenziell als Experten bezeichnen,
aber trotzdem starken Gebrauch von subjektiven Entscheidungsregeln machen und
somit in ihrer Ausprägung von Analytik auch noch knapp unter dem Gesamt-Median
bleiben.
- Im Cluster 2 allerdings, lassen sich die echten Experten identifizieren. Diese Recruiter
ordnen sich eindeutig der Expertengruppe zu, benutzen vor allem explizite
Entscheidungsregeln bei der Entscheidungsfindung und entscheiden schließlich auch
stark analytisch geprägt.
- Im Cluster 3 zeigen sich die Recruiter eher vorsichtig, sich der Gruppe der Experten
hinzu zu ordnen, dennoch nutzen sie ebenfalls eindeutig explizite
Entscheidungsregeln und entscheiden auch etwas analytischer als der Gesamt-
Median der Verteilung.
- Cluster 4 schließlich repräsentiert die Nicht-Experten-Gruppe, diese Recruiter nutzen
vor allem subjektive Entscheidungsregeln, entscheiden wenig analytisch und
charakterisieren sich auch dementsprechend selbstkritisch als Nicht-Experten.
Die Ergebnisse sind somit ebenfalls im Hinblick auf die schwierige Differenzierung zwischen
echter Expertise und nicht-evaluierter Routine interessant (Kapitel 4.2 und 4.3).
So lassen sich die Cluster weiter durch folgende demografische Variablen charakterisieren:
Tabelle 43: Charakterisierung der Clusterlösung 2 anhand demografischer Variablen
Charakterisierung der Cluster – demografische Variablen
Cluster Alter Erfahrung m/w Fach Status Unt.größe W.bildung W.bedarf
1 41.32 9.42 46% m 30% Wiwi 69% int 28% >2000 49% 1-3 48% mittel
54% w 11% Psy 17% ext 22% 150-500 19% >5 27% hoch
2 39.63 9.88 37% m 40% Wiwi 59% int 25% >2000 47% 1-3 40% mittel
63% w 19% Psy 32% ext 20%<50 23% >5 28% gering
3 32.67 4.66 21% m 47% Wiwi 53% int 30% <50 50% 1-3 50% mittel
79% w 11% Psy 41% ext 23% >2000 26% keine 27% hoch
4 34.13 5.19 10% m 52% Wiwi 56% int 38% <50 60% keine 42% mittel
90% w 10% Psy/Sowi 27% ext 21% 150-500 40% 1-3 33% hoch
Anm.: Darstellung deskriptiver Statistik (MW für Alter und praktische Erfahrung in der Durchführung eignungs-diagnostischer Interviews) sowie prozentuale Häufigkeiten für Geschlecht, Fachgruppe, Recruiting-Status, Unternehmensgröße, Häufigkeit Weiterbildung und Weiterbildungsbedarf; die beiden am häufigsten genannten Aspekte sind jeweils aufgeführt; relevante Unterschiede sind markiert;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
161
Cluster 1 und 2 sowie 3 und 4 ähneln sich grundsätzlich in der jeweiligen Erfahrung in der
praktischen Durchführung von Einstellungsinterviews.
Die Recruiter der Cluster 1 und 2 weisen 9-10 jahrelange Erfahrung auf, die Recruiter der
Cluster 3 und 4 nur etwa halb so viel. Der Unterschied ist mit F(3, 268)=14.86, p=.000,
Eta²=.143 auch statistisch signifikant142.
Cluster 1 und 2 lassen sich aber auch insofern voneinander differenzieren, als dass sich im
Cluster 2 ein höherer Anteil an Psychologen, an externen Personaldienstleistern, an kleinen
Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sowie ein gegensätzlicher Anteil von 28% der
Recruiter, die ihren Weiterbildungsbedarf nur als gering einschätzen befindet, während im
Cluster 1 der persönliche Weiterbildungsbedarf mit 27% als hoch eingeschätzt wird.
Dies ist auch konform zu dem Ergebnis, dass die Recruiter in Cluster 1 vor allem subjektive
Entscheidungsregeln für ihre eignungsdiagnostischen Entscheidungen nutzen.
Auch Cluster 3 und 4 zeigen Unterschiede im Hinblick auf den Anteil externer
Personaldienstleister, der in Cluster 3 höher ausfällt, sowie dort auch ein höherer Anteil
großer Unternehmen mit über 2000 Mitarbeitern.
Wesentlich ist auch hier der Unterschied zwischen der Häufigkeit von eignungsdiagnostischer
Weiterbildung. So haben in Cluster 4 60% der Recruiter noch keine Weiterbildungen besucht,
in Cluster 3 sind es hingegen nur 26% der Befragten, die noch keine eignungsdiagnostische
Weiterbildung absolviert haben.
Mithilfe eines multivariaten allgemeinen linearen Modells werden nun auch die
Gruppenunterschiede der einzelnen Cluster hinsichtlich ihrer Ausprägungen für die
abhängigen Variablen Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses, der
Entscheidungsdissonanz sowie des Verantwortlichkeitsgefühls für die den Clustern
zugeordneten Recruiter untersucht.
Der Test auf Zwischen-Gruppen-Unterschiede zeigt mit F(3, 268)=7.39 für Ana, F(3,
268)=16.74 für Ver, F(3, 268)=7.81 für Diss für alle abhängigen Variablen hoch-signifikante
Haupteffekte (p<.001) für den Faktor Clusterzugehörigkeit. Besonders für die abhängige
Variable Verantwortlichkeitsgefühl ergibt sich mit Eta²=.158 und korr.R²=.148 eine hohe
Varianzaufklärung.
142 siehe externer Anhang
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
162
Tabellengruppe 4: Multivariates ALM Clusterlösung 2
Faktor Cluster auf die zu erklärenden Variablen Ana, Ver, DissTest der Zwischen-Gruppen-Unterschiede
Clusterlösung AV F(3, 268) p Eta² R² Korr.R²
2:subjE, Exp
Ana 7.39 .000 .076 .076 .066
Ver 16.74 .000 .158 .158 .148
Diss 7.81 .000 .080 .080 .070
Anm.:Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;
Multivariate Tests Wert F df1 df2 p Eta²
Pillai-Spur .21 6.58 9 804 .000 .069
Wilks-Lambda .80 7.03 9 648 .000 .073
Hotelling-Spur .25 7.39 9 794 .000 .077
Größte charakt. Wurzel Roy .24 21.11 3 268 .000 .191
Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 61.13, F(18, 183651)=3.32, p=.000; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Ana F(3, 268)=1.71, p=.165; für Ver F(3, 268)=5.51, p=.001; für Diss F(3, 268)=8.66, p=.000;
Clusterlösung 2: subjE/Exp auf Ana, Ver, Diss Übersicht der Parameterschätzer
AV Cluster N MW SD β p Eta²
Ana 1 79 4.49 .55 .26 .028 .018
2 75 4.76 .76 .53 .000 .069
3 70 4.64 .62 .42 .001 .042
4 48 4.22 .64 0 . .
Ver 1 79 4.49 .82 .61 .000 .052
2 75 4.97 .69 1.1 .000 .149
3 70 4.73 .83 .86 .000 .094
4 48 3.88 1.19 0 . .
Diss 1 79 2.33 .59 -.35 .004 .031
2 75 2.10 .47 -.58 .000 .079
3 70 2.30 .72 -.29 .022 .019
4 48 2.68 .89 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;
Innerhalb der Clusterlösung 2 zeigen sich für alle abhängigen Variablen mit p<.05 hoch-
signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen identifizierten Clustern.
Die größte Varianzaufklärung erfährt die Variable Verantwortlichkeitsgefühl (Eta²=.149).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
163
So weisen die echten Experten in Cluster 2 mit β=1.1, p=.000 und einem MW=4.97 das am
stärksten ausgeprägte Verantwortlichkeitsgefühl auf. Ebenfalls zeigen die Recruiter in Cluster
2 mit β=.53, p=.000 und einem MW=4.76 auch die am stärksten analytisch geprägten
Entscheidungsmuster. Demzufolge ist sich die Expertengruppe in Cluster 2 auch der Qualität
ihrer eignungsdiagnostischen Entscheidungen signifikant sicherer als die Recruiter anderer
Cluster, was sich mit einem substantiellen Unterschied von β=-.58, p=.000 und dem
geringsten MW=2.10 für die abhängige Variable Entscheidungsdissonanz zeigt.
Die Nicht-Expertengruppe in Cluster 4 zeigt erwartungskonform sowohl die niedrigsten
Ausprägungen in Analytik (MW=4.22) und Verantwortlichkeitsgefühl (MW=3.88), als auch die
höchsten Ausprägungen in der Entscheidungsdissonanz (MW=2.68).
Cluster 3 unterscheidet sich insofern von Cluster 1, als dass Cluster 3 mit MW=4.64 (β=.42,
p=.001) stärker analytisch geprägte Entscheidungsmuster als Cluster 1 (MW=4.49, β=.26,
p=.028) sowie ebenfalls mit MW=4.73 (β=.86, p=.000) höheres persönliches Involvement als
Cluster 1 (MW=4.49, β=.61, p=.000) aufweist. Cluster 3 scheint also diejenigen Recruiter zu
repräsentieren, die sich auf dem Weg zum eignungsdiagnostischen Experten befinden.
Sowohl der Box-M-Test als auch der Levene-Test fallen signifikant aus. Obwohl sich die
Varianzanalyse grundsätzlich robust gegenüber diesen Verletzungen der Annahmen der
Homogenität der Varianz-Kovarianz Matrizen sowie auch der Varianzhomogenität zeigt
(Backhaus et al., 2006, S.151; Field, 2009, S.360), könnte die Aussagekraft der
Varianzanalyse dennoch etwas beeinträchtigt sein, da der Cluster 4 mit N=48 eine
abweichende Stichprobengröße als Cluster 1-3 (N=70-79) aufweist. Dennoch zeigt sich der
multivariate Test nach Roy mit F(3, 268)=21.11, p=.000 hoch-signifikant und indiziert eine
hohe Varianzaufklärung von Eta²=.191.
6.4.2 Clusterlösung 4 – basierend auf organisationalen Rahmenbedingungen
Clusterlösung 4 hingegen, berücksichtigt die kontinuierlichen Variablen Konkretheit des
Anforderungsprofils, Strukturiertheit des Interviews sowie Rechenschaftsverpflichtung, also
organisationale Rahmenbedingungen, als Klassifikationskriterien für die Evaluationskriterien
Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses sowie dem Verantwortlichkeitsgefühl als
Indikator des persönlichen Involvements des Recruiters.
Abbildung 16 stellt die Cluster vergleichend im Hinblick auf die Mediane der relevanten
Variablen dar.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
164
Clusterlösung 4: Kontinuierliche Variablen: Rech, StrI & KoA, Evaluationskriterien: Ver & Ana
Cluster 1 (23,5% bzw. 64 Fälle) Cluster 2 (18,8% bzw. 51 Fälle)
KoA
Rech
StrI
Ana
Ver
Mediane Mittelwerte
KoA=4.67, Rech=4.76, StrI=3.5, Ana=4.5, Ver=4.67
KoA=4.7, Rech=4.79, StrI=3.09, Ana=4.52, Ver=4.71
KoA=2.66, Rech=3.51, StrI=4.01 Ana=4.13, Ver=4.34
KoA=2.46, Rech=3.76, StrI=3.86 Ana=4.31, Ver=4.33
Cluster 3 (29,8% bzw. 81 Fälle) Cluster 4 (27,9% bzw. 76 Fälle)
KoA
Rech
StrI
Ana
Ver
Mediane Mittelwerte
KoA=5, Rech=3.01, StrI=4.67 Ana=4.25, Ver=4.34
KoA=4.76, Rech=2.86, StrI=4.69 Ana=4.31, Ver=4.29
KoA=5, Rech=5.26, StrI=5.67 Ana=5, Ver=5
KoA=4.88, Rech=5.3, StrI=5.47 Ana=5.01, Ver=4.93
Abbildung 16: Übersicht über Clusterlösung 4 mit 4 Clustern
Anm.: Darstellung der Clustermediane im Verhältnis zu den Medianen der Gesamtverteilung (KoA=4.67, Rech=4.26, StrI=4.67, Ana=4.57, Ver=4.67); Mittelwerte sind informationshalber zusätzlich dargestellt;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
165
Die dargestellten Cluster lassen sich wie folgt charakterisieren:
- Cluster 1 repräsentiert Recruiter, die zur Rechenschaft über ihre eignungs-
diagnostischen Entscheidungen verpflichtet sind, aber keinen Gebrauch von
strukturierten Einstellungsinterviews machen. Sie bleiben in ihrer Ausprägung von
Analytik knapp unter dem Gesamt-Median und entsprechen diesem hinsichtlich ihres
Verantwortlichkeitsgefühls genau. Die Konkretheit des Anforderungsprofils zeigt sich
ebenfalls gleich dem Gesamt-Median.
- Im Cluster 2 profitieren die Recruiter weder von einem strukturierten Interview, noch
von einem konkreten Anforderungsprofil. Weiterhin müssen sie keine Rechenschaft
über ihre eignungsdiagnostischen Entscheidungen abgeben. Dadurch zeigen sich
auch ihr Verantwortlichkeitsgefühl sowie die Ausprägung von Analytik nur sehr wenig.
- Im Cluster 3 müssen die Recruiter ihre Entscheidungen zwar nicht begründen, sie
nutzen aber die Vorteile eines strukturierten Interviews sowie eines konkreten
Anforderungsprofils. Dennoch fallen Verantwortlichkeitsgefühl und Analytik weit unter
dem Gesamt-Median aus.
- Cluster 4 schließlich repräsentiert diejenigen Recruiter, die bei ihren
eignungsdiagnostischen Entscheidungen durch alle aufgeführten organisationalen
Rahmenbedingungen profitieren. Sie nutzen ein konkretes Anforderungsprofil, ein
strukturiertes Interview und sind auch zu Rechenschaft über ihre
eignungsdiagnostischen Entscheidungen verpflichtet. Dementsprechend zeigen auch
die Evaluationsfelder Verantwortlichkeitsgefühl und Analytik sehr starke
Ausprägungen.
Weiterhin lassen sich die Cluster durch folgende demografische Variablen charakterisieren:
Tabelle 44: Charakterisierung der Clusterlösung 4 anhand demografischer Variablen
Charakterisierung der Cluster – demografische Variablen
Cluster Recruiting-Status Unternehmensgröße Weiterbildung
1 75% int, 22% ext 22% <50, 22% 150-500 41% 1-3, 25% keine
2 55% int, 33% ext 31% <50, 26% >2000 49% 1-3, 29% keine
3 49% int, 40% ext 27% <50, 24% >2000 44% 1-3, 27% keine
4 62% int, 21% ext 32% >2000, 21% 500-1000 54% 1-3, 17% 3-5
Anm.: Darstellung prozentualer Häufigkeiten für Recruiting-Status, Unternehmensgröße, Häufigkeit Weiterbildung; die beiden am häufigsten genannten Aspekte sind jeweils aufgeführt; relevante Unterschiede sind markiert;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
166
Die demografischen Ergebnisse zeigen, dass sich besonders Cluster 4 von den anderen
Clustern differenzieren lässt.
Wesentliche Unterschiede bestehen in der Unternehmensgröße sowie in der Häufigkeit der
Weiterbildung. So zeigt sich für Cluster 4, dass vor allem in Großunternehmen die für
eignungsdiagnostische Entscheidungen relevanten organisationalen Rahmenbedingungen
erfolgreich implementiert sind und deren positive Effekte noch durch Weiterbildungen ergänzt
werden.
Mithilfe eines multivariaten allgemeinen linearen Modells werden nun auch die
Gruppenunterschiede der einzelnen Cluster hinsichtlich ihrer Ausprägungen für die
abhängigen Variablen Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses, der
Entscheidungsdissonanz sowie des Verantwortlichkeitsgefühls für die den Clustern
zugeordneten Recruiter untersucht.
Der Test auf Zwischen-Gruppen-Unterschiede zeigt mit F(3, 268)=21.38 für Ana, F(3,
268)=8.15 für Ver, F(3, 268)=2.06 für Diss für die erst genannten abhängigen Variablen hoch-
signifikante Haupteffekte (p<.001). Für Entscheidungsdissonanz fällt der Haupteffekt nur
knapp-signifikant (p=.106) aus.
Besonders für die abhängige Variable Analytik ergibt sich mit Eta²=.193 und korr.R²=184 eine
hohe Varianzaufklärung.
Tabellengruppe 5: Multivariates ALM Clusterlösung 4
Faktor Cluster auf Ana, Ver Diss, Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede
Clusterlösung AV F(3, 268) p Eta² R² Korr.R²
4:Rech, StrI,
KoA
Ana 21.38 .000 .193 .193 .184
Ver 8.15 .000 .084 .084 .073
Diss 2.06 .106 .023 .023 .012
Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;
Multivariate Tests Wert F df1 df2 p Eta²
Pillai-Spur .22 7.10 9 804 .000 .074
Wilks-Lambda .78 7.63 9 648 .000 .079
Hotelling-Spur .27 8.05 9 794 .000 .084
Größte charakt. Wurzel Roy .26 23.03 3 268 .000 .205
Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 41.60, F(18, 196579)=2.26, p=.002; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Ana F(3, 268)=3.29, p=.021; für Ver F(3, 268)=2.5, p=.060; für Diss F(3, 268)=2.28, p=.080;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
167
Clusterlösung 4: Rech/StrI/KoA auf Ana, Ver, DissÜbersicht der Parameterschätzer
AV Cluster N MW SD β p Eta²
Ana 1 64 4.52 .59 -.49 .000 .078
2 51 4.31 .74 -.70 .000 .131
3 81 4.31 .60 -.70 .000 .162
4 76 5.01 .52 0 . .
Ver 1 64 4.71 .80 -.21 .169 .007
2 51 4.33 .92 -.59 .000 .046
3 81 4.29 1.07 -.63 .000 .067
4 76 4.93 .78 0 . .
Diss 1 64 2.38 .69 .19 .098 .010
2 51 2.37 .74 .28 .023 .019
3 81 2.38 .73 .19 .075 .012
4 76 2.19 .56 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; die signifikanten Ergebnisse sind markiert;
Innerhalb der Clusterlösung 4 zeigen sich für fast alle abhängigen Variablen mit p<.10
signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Clustern.
Diejenigen Recruiter in Cluster 4, die von allen in der Clusterbildung berücksichtigten
organisationalen Rahmenbedingungen profitieren, zeigen mit MW=5.01 erwartungsgemäß
die stärksten analytischen Ausprägungen hinsichtlich ihrer eignungsdiagnostischen
Entscheidungsmuster, das am stärksten ausgeprägte Verantwortlichkeitsgefühl (MW=4.93)
sowie die geringsten Ausprägungen in der Entscheidungsdissonanz (MW=2.19).
Weiterhin zeigen die Recruiter in Cluster 1 mit β=-.49, p=.000 und einem MW=4.52 für
Analytik sowie β=-.21, p=.169 und einem MW=4.71 für Verantwortlichkeitsgefühl tendenziell
noch ähnliche Ausprägungen, die vor allem auf den Effekt der Rechenschaftsverpflichtung
zurück zu führen sind (siehe Abbildung 16).
Somit zeigen sich auch hier, analog zu den Ergebnissen der Strukturgleichungsmodellierung,
die positiven Effekte organisationaler Rahmenbedingungen, insbesondere für die Variable
Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters.
Dennoch fallen auch hier der Box-M Test und Levene-Test für alle Variablen signifikant aus,
da auch hier der Cluster 2 (N= 51) in seiner Stichprobengröße von den anderen Clustern
abweicht. Doch auch hier zeigt sich mit F(3, 268)=23.03, p=.000 der multivariate Test nach
Roy hoch-signifikant und indiziert trotzdem eine hohe Varianzaufklärung von Eta²=.205.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
168
6.5 Analyse von Gruppenunterschieden – uni- und multivariate allgemeine lineare
Modelle
Nachdem konform zu dem dynamisch-interaktionistischen Paradigma der Psychologie sowie
den postulierten Hypothesen nachgewiesen wurde, dass sowohl die Lernprozesse des
Recruiters als auch die organisationalen Rahmenbedingungen die Analytik seines Urteils-
und Entscheidungsprozesses bei Einstellungsinterviews beeinflussen (Kapitel 6.2), gilt es
nun, den Einfluss demografischer Variablen (Kapitel 6.5.1) auf die Analytik der Urteils- und
Entscheidungsprozesse von Recruitern zu spezifizieren.
Ebenfalls sollen die Einflüsse von Unternehmensgröße und Recruitingstatus als interne
Personalfachkraft oder externer Personaldienstleister auf die jeweiligen Ausprägungen der
organisationalen Rahmenbedingungen Rechenschaftsverpflichtung, Strukturiertheit des
Interviews, Konkretheit des Anforderungsprofils und Systematik des Feedbacks untersucht
werden (Kapitel 6.5.2).
Zur Berechnung der Gruppenunterschiede werden uni- und multivariate allgemeine lineare
Modelle (ALM) mit SPSS 19 berechnet.
6.5.1 Einfluss demografischer Variablen auf die Analytik des eignungs-
diagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozesses
Von allen erhobenen demografischen Variablen zeigt nur der Faktor Dauer der
Unternehmenszugehörigkeit keinen Effekt auf die Analytik des Urteils- und
Entscheidungsprozesses eines Recruiters. Diese Ergebnisse werden deshalb nicht
aufgeführt143.
Vorab sollte noch festgehalten werden, dass die im folgenden Kapitel aufgenommene
abhängige Variable Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses trotz Normalverteilung
nur eine sehr geringe Streuung aufweist, weshalb sich die dargestellten Gruppen-Mittelwerte
der Skala grundsätzlich nicht stark voneinander unterscheiden (MW=4.55, SD=.67, Min=2.63,
Max=6.00, vgl. auch Kapitel 6.2.5).
Dennoch wurden für einige Faktoren signifikante Gruppenunterschiede gefunden. Diese
werden nun dargestellt und im Gesamtkontext der Arbeit interpretiert.
143 Sie sind aber im externen Anhang einsehbar.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
169
Fachrichtung des qualifizierenden Studiums
Tabelle 45: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Fachrichtung des Studiums
Gruppenunterschiede für Fachrichtung des Studiums auf AnaÜbersicht der Parameterschätzer
Fachrichtung N MW SD β p Eta²
o.A. 44 4.39 .63 .02 .870 .000
Wirtschaft 112 4.52 .65 .15 .234 .005
Psychologie 36 4.94 .60 .57 .000 .048
Recht 13 4.69 .59 .32 .129 .009
Erziehung 12 4.58 .59 .22 .326 .004
SoWi 21 4.62 .62 .25 .167 .007
Sonstiges 34 4.37 .78 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(6, 265)=3.21, p=.005; Eta² = .068, R²=.068, korr.R²=.047; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(6, 265)=.69, p=.656;
Die Ergebnisse zeigen mit einem substantiellen Haupteffekt von F(6, 265)=3.21, p=.005
sowie β=.57, einem Mittelwert von 4.94 und einem Erklärungsanteil des Faches Psychologie
an der Gesamtvarianz von 4,8%144 eine signifikant höhere Ausprägung der Analytik des
Urteils- und Entscheidungsprozesses bei Psychologen im Vergleich zu anderen
Fachrichtungen (Streuung von β=.02-.32 und MW 4.37-4.69 bei den anderen
Fachrichtungen).
Dies indiziert, dass sich Psychologen aufgrund ihrer Ausbildung und fachlich relevanten
Kompetenzen in ihrer Beurteilung und Entscheidung tatsächlich stärker an den konkreten
Anforderungen ausrichten und diese im Einstellungsinterview analytisch abtesten sowie
systematisch zu bestätigen oder zu widerlegen suchen.
Dieses Ergebnis unterstützt die Forderung der DIN 33430, dass nur eignungsdiagnostisch
qualifizierte Personen Personalbeurteilungen vornehmen sollten (siehe Kapitel 2.1).
Die geringsten analytischen Ausprägungen zeigen diejenigen Recruiter, die keine Angaben
gemacht (MW=4.39) oder Sonstiges (MW=4.37) angegeben haben. Eventuell liegt hier sogar
keine fachliche Berufsqualifizierung vor.
Danach folgen die Wirtschaftswissenschaftler (β=.15 MW=4.52), die mit 112 Personen auch
den größten Anteil der Stichprobe ausmachen.
144 gesamtes partielles Eta² für den Faktor Fachrichtung nur .068 = 6,8% Varianzaufklärung;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
170
Die Teilnehmer mit dem fachlichen Hintergrund Rechts-, Erziehungs- und
Sozialwissenschaften (β=.32, MW=4.69, β=.22, MW=4.58 und β=.25, MW=4.62) zeigen im
Vergleich ebenfalls tendenziell analytischere Urteils- und Entscheidungsmuster als die
Teilnehmer mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausbildung.
Um die Unterschiede für den demografischen Faktor Fachrichtung noch weiter für die
Variablen Entscheidungsdissonanz und Expertise zu spezifizieren, wurde dafür noch ein
weiteres multivariates allgemeines lineares Modell berechnet.
Hier zeigt sich mit F(6, 265)=2.74, p=.013 und Eta²=.058 ein signifikanter Haupteffekt auf die
abhängige Variable Expertise. Der Effekt auf Entscheidungsdissonanz fällt mit F(6,
265)=1.74, p=.111 hingegen nur knapp signifikant aus.
Die Ergebnisse sind in der Tabellengruppe 6 dargestellt.
Tabellengruppe 6: Multivariates ALM – Fachrichtung auf Entscheidungsdissonanz und Expertise
Faktor Fachrichtung auf Entscheidungsdissonanz und Expertise Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede
Variable AV F(6, 265) p Eta² R² Korr.R²
Fachrichtung Diss 1.74 .111 .038 .038 .016
Exp 2.74 .013 .058 .058 .037
Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;
Multivariate Tests Wert F df1 df2 p Eta²
Pillai-Spur .11 2.48 12 530 .004 .053
Wilks-Lambda .90 2.48 12 528 .004 .053
Hotelling-Spur .11 2.48 12 526 .004 .054
Größte charakt. Wurzel Roy .08 3.42 6 265 .003 .072
Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 10.24, F(18, 24359)=.55, p=.937; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Entscheidungsdissonanz F(6, 265)=.57, p=.754; für Expertise F(6, 265)=.78, p=.588;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
171
Übersicht der Parameterschätzer AV Fach N MW SD β p Eta²
Diss
o.A. 44 2.21 .60 -.33 .036 .017
Wirtschaft 112 2.27 .66 -.27 .047 .015
Psychologie 36 2.39 .72 -.15 .355 .003
Recht 13 2.28 .57 -.26 .246 .005
Erziehung 12 2.75 .81 .21 .356 .003
SoWi 21 2.41 .71 -.13 .502 .002
Sonstiges 34 2.54 .76 0 . .
Exp
o.A. 44 4.17 1.20 .08 .793 .000
Wirtschaft 112 3.65 1.27 -.45 .074 .012
Psychologie 36 4.06 1.44 -.04 .889 .000
Recht 13 3.26 1.33 -.84 .043 .015
Erziehung 12 3.47 1.53 -.63 .143 .008
SoWi 21 3.21 1.12 -.89 .012 .024
Sonstiges 34 4.10 1.11 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;
Interessant ist hierbei, dass die Gruppe der Wirtschaftswissenschaftler, trotz einem signifikant
geringeren analytischen Entscheidungsstil als alle anderen Fachrichtungen (siehe Tabelle
45), dennoch signifikant weniger Entscheidungsdissonanz bezogen auf ihre eignungs-
diagnostischen Entscheidungen empfinden (β=-.27, MW=2.27, Eta²=.015) als Gruppen
anderer Fachrichtungen.
Dies impliziert, dass sich die Gruppe der Wirtschaftswissenschaftler deutlich sicherer als die
Gruppen anderer Fachrichtungen bei Personalentscheidungen fühlt und ihre Urteile weniger
kritischer hinterfragt und anzweifelt, als es zum Beispiel Erziehungswissenschaftler (mit
MW=2.75 höchste Ausprägung), Sozialwissenschaftler und Psychologen tun.
Ebenfalls beschreibt sich die Gruppe der Wirtschaftswissenschaftler (β=-.45, MW=3.65,
Eta²=.012) – ungerechtfertigt wie in Tabelle 45 ersichtlich – eher als Gruppe von „Experten“,
als es auch hier wieder alle anderen Fachgruppen, außer die der Psychologen tun (Streuung
von β=-.63 bis β=-.89 sowie MW=3.21-3.47 für Rechts-, Erziehungs- und Sozial-
wissenschaftler).
Dies weist auf die Gefahr hin, dass sich besonders bei „Nicht-Eignungsdiagnostikern“ wenig
analytische Entscheidungsmuster durch simple Wiederholung verfestigen und somit zu dem
Phänomen der intuitiven Selbstüberschätzung (nach Kahneman & Klein, 2009, S.518) führen
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
172
können. Dadurch steigt dann zwar die subjektive Sicherheit bei der Entscheidungsfindung,
allerdings nicht die eignungsdiagnostische Objektivität und Gültigkeit der Entscheidung (siehe
Kapitel 4.3).
Die befragten Psychologen, beschreiben sich mit MW=4.06 am eindeutigsten als
eignungsdiagnostische Experten, was aber auch in Kongruenz zu ihrem stark analytisch
geprägten Entscheidungsstil steht.
Recruitingstatus als interne Personalfachkraft vs. externer Personaldienstleister
Tabelle 46: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Recruitingstatus
Gruppenunterschiede für Recruitingstatus auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer
Recruitingstatus N MW SD β p Eta²
Interne Personalfachkraft 163 4.61 .63 .18 .061 .015
Externer Personaldienstleister 79 4.44 .77 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(1, 240)=3.54, p=.061; Eta² = .015, R²=.015, korr.R²=.010; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(1, 240)=3.42, p=.066;
Zwischen intern angestellten Personalfachkräften und externen Personaldienstleistern zeigen
sich ebenfalls signifikante Unterschiede bezogen auf die Analytik des Urteils- und
Entscheidungsprozesses (Haupteffekt von F(1, 240)=3.54, p=.061).
So entscheiden interne Personalangestellte etwas analytischer als externe
Personaldienstleister (β=.18, MW=4.61 im Vergleich zu MW=4.44, Eta²=.015).
Erklären lässt sich dies womöglich durch die konkretere Kenntnis der
unternehmensspezifischen Anforderungen bei internen Personalfachkräften, die dann im
Beurteilungsprozess als Referenz fungieren. Ebenfalls bieten sich einem
Personalangestellten im Vergleich zu einem externen Personaldienstleister mehr
Möglichkeiten, seine Beurteilungen auch im Nachhinein noch mit Hilfe konkreter Erfahrungen,
Mitarbeiter-Beurteilungen sowie -Gesprächen zu reflektieren und zu evaluieren. So kann sich
ein ehemaliger Bewerber als Mitarbeiter in konkreten Arbeitssituationen möglicherweise
anders verhalten, als es der Recruiter im Einstellungsinterview prognostiziert hat. Dies führt
dann mit erhöhter Wahrscheinlichkeit dazu, dass der Recruiter sein Urteil und seine
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
173
eignungsdiagnostischen Entscheidungsregeln hinterfragt und modifiziert, als es ein externer
Personaldienstleister kann, der dieses Feedback nicht erhält (siehe auch Kapitel 2.3.3).
Um diese Erklärungen auch varianzanalytisch belegen zu können, wurde ein weiteres
multivariates ALM berechnet, in diesem Fall mit dem Faktor Recruitingstatus für die zu
erklärenden Variablen Systematik des Feedbacks, Konkretheit des Anforderungsprofils sowie
Kenntnis des Anforderungsprofils.
Der Vergleich der Mittelwerte bestätigt die geäußerten Zusammenhänge145, allerdings
bestehen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der genannten Variablen146.
Auch hinsichtlich der eingeschätzten Expertise und wahrgenommenen
Entscheidungsdissonanz unterscheiden sich interne Personalfachkräfte und externe
Personaldienstleister nicht weiter signifikant voneinander147.
Praktische Erfahrung in der Durchführung von Einstellungsinterviews
Tabelle 47: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Erfahrung in Einstellungsinterviews auf Analytik
Gruppenunterschiede für Erfahrung auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer
Gruppe Erfahrung
N MW SD β p Eta²
bis 3 Jahre 76 4.39 .68 -.23 .010 .025
über 3 Jahre 196 4.62 .66 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(1, 270)=6.81, p=.010; Eta² = .025, R²=.025, korr.R²=.021; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(1, 270)=.21, p=.648;
Auch der Faktor Erfahrung in der praktischen Durchführung von Einstellungsinterviews hat
einen signifikanten Haupteffekt auf die Analytik im Urteils- und Entscheidungsprozess: F(1,
270)=6.81, p=.010.
Die Recruiter mit wenig Erfahrung (< 3 Jahre) entscheiden auch weniger analytisch als die
Recruiter mit mehr Erfahrung (> 3 Jahre) (β=-.23, MW=4.39 im Vergleich zu MW=4.62,
145 KoA: MW=4.42 für interne im Vergleich zu MW=4.22 für externe Personaler; KeA: MW=3.67 für interne im Vergleich zu MW=3.52 für externe Personaler; SysF nur minimaler Unterschied: MW=3.01 für interne im Vergleich zu MW=2.93 für externe Personaler; 146 F(1, 240)=.20, p=.656 für SysF, F(1, 240)=1.64, p=.202 für KoA, F(1, 240)=.96, p=.328 für KeA; siehe externer Anhang; 147 F(1, 240)=.33, p=.566 für Exp, F(1, 240)=1.60, p=.207 für Diss; siehe externer Anhang;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
174
Eta²=.025). Es lässt sich also ein positiver Effekt von Erfahrung auf eignungsdiagnostische
Informationsverarbeitungsprozesse feststellen.
Die Annahme, dass Erfahrung vor allem zur Verfestigung subjektiver Entscheidungsregeln
bzw. nicht-evaluierter Routine führt (vgl. Kapitel 4.3), kann in der vorliegenden Untersuchung
somit nicht bestätigt werden.
Dies wird auch in der folgenden Berechnung deutlich:
Tabelle 48: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Erfahrung in Einstellungsinterviews auf Expertise
Gruppenunterschiede für Erfahrung auf ExpertiseÜbersicht der Parameterschätzer
Gruppe Erfahrung
N MW SD β p Eta²
bis 3 Jahre 76 2.90 1.03 -1.23 .000 .182
über 3 Jahre 196 4.13 1.31 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(1, 270)=60.23, p=.000; Eta² = .182, R²=.182, korr.R²=.179; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(1, 270)=3.6, p=.059;
Der Faktor Erfahrung erklärt hierbei mit 18,2% einen Großteil der Varianz der zu erklärenden
Variable Expertise (F(1, 270)=60.23, p=.000, Eta²=.182).
Die objektive Erfahrung des Recruiters hängt also sehr stark mit der subjektiven
Einschätzung „Ich bin ein eignungsdiagnostischer Experte“ zusammen (β=-1.23, MW=2.90
für Recruiter mit <3 Jahren Erfahrung im Vergleich zu MW=4.13 für Recruiter mit >3 Jahren
Erfahrung) und führt tatsächlich zu einem analytischen Entscheidungsmodus.
Erfahrene Interviewer weisen somit einen stärker analytisch geprägten Entscheidungsmodus
auf, als weniger erfahrene Interviewer.
Somit kann die These, dass sich eignungsdiagnostische Erfahrung vor allem in
ungerechtfertigter überhöhter Selbsteinschätzung manifestiert (siehe Kapitel 4.3), in dieser
Arbeit nicht bestätigt werden.
Vielmehr zeigen die Ergebnisse den gegenteiligen Zusammenhang. Auch dieser sollte durch
weitere Forschungsarbeiten weiter untersucht werden.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
175
Unternehmensgröße
Tabelle 49: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Unternehmensgröße
Gruppenunterschiede für Unternehmensgröße auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer
Unternehmens-größe
N MW SD β p Eta²
< 50 MA 64 4.38 .73 -.26 .024 .019
50-150 MA 29 4.38 .66 -.27 .071 .012
150-500 MA 52 4.58 .70 -.07 .574 .001
500-1000 MA 35 4.78 .62 .13 .351 .003
1000-2000 MA 24 4.57 .47 -.08 .620 .001
>2000 MA 66 4.65 .64 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(6, 265)=2.08, p=.056; Eta² = .045, R²=.45, korr.R²=.023; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(6, 265)=1.15, p=.336;
Die Ergebnisse zeigen weiterhin für den Faktor Unternehmensgröße einen signifikanten
Haupteffekt (F(6, 265)=2.08, p=.056) auf den individuellen Entscheidungsmodus der
befragten Recruiter.
Die Ergebnisse zeigen mit β=-.26 (MW=4.38, Eta²=.019) bei Recruitern in kleinen
Unternehmen mit <50 MA (N=64) und β=-.27 (MW=4.38, Eta²=.012) bei Recruitern in
Unternehmen mit 50-150 MA (N=29) eine signifikant niedrigere Ausprägung der Analytik des
Urteils- und Entscheidungsprozesses im Vergleich zu Recruitern in größeren Unternehmen
(Streuung von β=-.07-.13 und MW 4.57-4.78148).
Die höchsten Mittelwerte zeigen Recruiter in Unternehmen mit 500-1000 MA (N=35, β=.13,
MW=4.78, Eta²=.003).
Den größten Anteil an der Stichprobe sind mit N=66 Recruiter aus Großunternehmen oder
Konzernen mit über 2000 Mitarbeitern und einem Mittelwert von 4.65, was ebenfalls auf die
dortige stark analytisch geprägte eignungsdiagnostische Praxis hinweist.
Dies indiziert, konform zu den Ergebnissen Stephan`s & Westhoff`s (2002) sowie den
Ergebnissen der Clusteranalyse (Kapitel 6.4), dass vor allem in kleinen und mittelständischen
Unternehmen eignungsdiagnostischer Handlungsbedarf und Optimierungspotenzial
bestehen. Dies wird auch in Kapitel 6.5.2 noch weiter untersucht.
148 2 Personen, die keine Angaben zur Unternehmensgröße gemacht haben, wurden aus der tabellarischen Darstellung ausgeschlossen;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
176
Unternehmensbranche
Tabelle 50: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Unternehmensbranche
Gruppenunterschiede für Unternehmensbranche auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer
Branche N MW SD β p Eta²
o.A. 4 4.25 1.30 -.96 .055 .015
Automobil 17 4.95 .71 -.26 .525 .002
Bau 1 4.50 . -.71 .347 .004
Bildung 1 4.75 . -.46 .543 .002
Chemie 5 4.58 .77 -.63 .184 .007
Dienstleistung 26 4.56 .48 -.65 .105 .011
Einzelhandel 2 3.63 .00 -1.58 .008 .028
Energie 6 5.19 .39 -.02 .964 .000
Finanzen/Versicherung 34 4.63 .66 -.58 .138 .009
Gesundheit 4 4.38 .87 -.83 .095 .011
Handel 6 4.23 .22 -.98 .034 .018
Immobilien 4 4.22 .30 -.99 .048 .016
Industrie 45 4.64 .55 -.56 .148 .009
IT 6 4.00 .44 -1.21 .009 .028
Konsumgüter 2 4.63 .00 -.58 .327 .004
Logistik 5 4.55 .34 -.66 .167 .008
Luft- & Raumfahrt 2 4.25 .88 -.96 .108 .011
Medien 4 4.59 .85 -.62 .218 .006
Medizintechnik 1 4.63 . -.58 .439 .002
öffentlicher Dienst 6 4.67 .26 -.54 .241 .006
Personaldienstleistung 62 4.31 .77 -.89 .021 .022
Pharmazie 1 4.00 . -1.21 .109 .011
Telekommunikation 1 4.50 . -.71 .347 .004
Textil 2 4.75 1.41 -.46 .441 .002
Tourismus 2 4.50 .53 -.71 .235 .006
Transport 1 4.75 . -.46 .543 .002
Unternehmensberatung 17 4.91 .59 -.30 .468 .002
Verkehr 1 4.50 . -.71 .347 .004
Verpackungen 1 4.25 . -.96 .204 .007
Versorgung 3 5.21 .89 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(29, 242)=1.51, p=.050; Eta² = .154, R²=.154, korr.R²=.052; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(29, 242)=2.31, p=.000;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
177
Auch die Unternehmensbranche zeigt mit einer Varianzaufklärung von 15,4% einen
signifikanten Haupteffekt (F(29, 242)=1.51, p=.050) hinsichtlich der Analytik der Urteils- und
Entscheidungsprozesse der agierenden Recruiter.
Die Streuung fällt mit MW von 4.00-5.21 recht breit aus und zeigt besonders für die Branchen
Automobil (MW=4.95), Energie (MW=5.19), Unternehmensberatung (MW=4.91) und
Versorgung (MW=5.21) besonders stark analytisch geprägte Urteils- und
Entscheidungsmuster der dort handelnden Recruiter.
Signifikant abweichende Urteils- und Entscheidungsprozesse lassen sich für die in
Minderheiten vertretenen Branchen Einzelhandel, Gesundheit, Handel, Immobilien, IT, Luft &
Raumfahrt, Pharmazie und o.A. feststellen (N gesamt =19, Streuung von β=-1.58 bis β=-.83
und MW=3.63 - 4.38).
Allerdings zeigt auch die Branche Personaldienstleistung (β=-.89, MW=4.31, Eta²=.022; mit
N=62 größter Branchenanteil der Stichprobe) signifikant niedrigere Ausprägungen der
Analytik im Urteils- und Entscheidungsprozess.
Analog zu den in Tabelle 46 bereits dargestellten Ergebnissen zum Recruitingstatus intern
vs. extern, kann diese deutliche Abweichung besonders deshalb als problematisch
interpretiert werden, da externe Personaldienstleister aufgrund ihrer fachlichen
Spezialisierung im Bereich Recruiting, Personalauswahl oder auch Personalentwicklung, in
der Regel als Experten engagiert werden, um Unternehmen bei Personalauswahlprozessen
extern zu unterstützen, diese zu optimieren oder sogar für das Unternehmen zu übernehmen.
Im Wiederspruch dazu zeigen sich bei Personaldienstleistern in der vorliegenden Arbeit
allerdings keine stärker analytisch geprägten Entscheidungsmuster, die letztlich als Indikator
für die Güte der eignungsdiagnostischen Entscheidung fungieren, als bei internen
Personalfachkräften.
Deshalb mag der eignungsdiagnostische Nutzen von Personaldienstleistungen womöglich in
der Gestaltung und Durchführung von Assessment Centern oder anderen Elementen der
Personalauswahl oder -entwicklung liegen, bezogen auf die Durchführung von
Einstellungsinterviews allerdings, lässt sich der Nutzen einer Personaldienstleitung aufgrund
der vorliegenden Ergebnisse vorerst anzweifeln.
Zur weiteren Klärung des Zusammenhanges sollte auch die zukünftige Forschung beitragen.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
178
Häufigkeit der eignungsdiagnostischen Weiterbildung
Tabelle 51: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Häufigkeit eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf Analytik
Gruppenunterschiede Häufigkeit Weiterbildung auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer
Weiterbildung N MW SD β p Eta²
mehr als 5 mal 42 4.47 .73 .08 .529 .001
3-5 mal 37 4.69 .68 .31 .025 .019
1-3 mal 128 4.63 .62 .25 .016 .022
noch nicht 65 4.38 .70 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(3, 268)=2.76, p=.043; Eta² = .030, R²=.030, korr.R²=.019; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(3, 268)=.76, p=.515;
Auch der Faktor eignungsdiagnostischer Weiterbildung zeigt einen signifikanten Haupteffekt
auf die Analytik im Urteils- und Entscheidungsprozess der befragten Recruiter (F(3,
268)=2.76, p=.043; vgl. auch Kapitel 2.3.3 zum Interviewertraining).
Die Recruiter mit bereits 1-3 und 3-5 absolvierten Weiterbildungen entscheiden signifikant
analytischer als diejenigen Recruiter, die noch keine Weiterbildung besucht haben (β=.31,
MW=4.69 für die Gruppe 3-5 Weiterbildungen; β=.25, MW=4.63 für die Gruppe 1-3
Weiterbildungen im Vergleich zu MW=4.38 für die Gruppe ohne Weiterbildungen).
Der positive Trainingseffekt erreicht allerdings bei mehr als 5 absolvierten Weiterbildungen
einen Deckeneffekt, denn ein positiver Effekt bzw. eine weitere Steigerung der Analytik im
Urteils- und Entscheidungsprozess durch noch mehr Weiterbildungen lässt sich hier nicht
feststellen. Die Gruppe der Recruiter, die schon an mehr als 5 Weiterbildungen
teilgenommen hat, zeigt mit einem MW=4.47 wieder niedrigere Ausprägungen.
Interessant ist hierbei in diesem Zusammenhang, dass die eingeschätzte Expertise fast linear
mit der Anzahl der absolvierten Weiterbildungen steigt, wie bei Sichtung der jeweiligen
Parameterschätzer des ALM`s in Tabelle 52 ersichtlich wird.
Der Faktor Häufigkeit eignungsdiagnostischer Weiterbildung erklärt hierbei mit 22,3% einen
Großteil der Varianz der zu erklärenden Variable Expertise (Haupteffekt von F(3, 268)=25.62,
p=.000, Eta²=.223).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
179
Trotzdem also diejenigen Recruiter, die schon an mehr als 5 Weiterbildungen teilgenommen
haben, wieder niedrigere analytische Ausprägungen zeigen, beschreiben sie sich dennoch
am eindeutigsten – und ungerechtfertigt wie in Tabelle 51 ersichtlich – als Experten (β=1.8,
MW=4.69, Eta²=.190). Die anderen Gruppen zeigen sich dort selbstkritischer (Streuung
β=.87-1.52, MW=2.89 - 4.41).
Tabelle 52: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Häufigkeit eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf Expertise
Gruppenunterschiede für Häufigkeit Weiterbildung auf ExpertiseÜbersicht der Parameterschätzer
Weiterbildung N MW SD β p Eta²
mehr als 5 mal 42 4.69 .86 1.8 .000 .190
3-5 mal 37 4.41 1.03 1.52 .000 .134
1-3 mal 128 3.76 1.16 .87 .000 .084
noch nicht 65 2.89 1.32 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(3, 268)=25.62, p=.000; Eta² = .223, R²=.223, korr.R²=.214; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(3, 268)=1.88, p=.133;
Eingeschätzter eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf
Tabelle 53: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf auf Analytik
Gruppenunterschiede für Weiterbildungsbedarf auf Analytik Übersicht der Parameterschätzer
Weiterbildungs-bedarf
N MW SD β p Eta²
sehr hoch 13 4.49 .47 -.85 .006 .028
hoch 72 4.60 .65 -.74 .005 .029
mittel 123 4.47 .68 -.87 .001 .041
gering 57 4.59 .64 -.75 .005 .029
kein Bedarf 7 5.34 .79 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(4, 267)=3.15, p=.015; Eta² = .045, R²=.045, korr.R²=.031; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(4, 267)=1.03, p=.390;
Zum Schluss findet sich auch für den eingeschätzten eignungsdiagnostischen
Weiterbildungsbedarf der Recruiter ein signifikanter Haupteffekt auf die Analytik ihres Urteils-
und Entscheidungsprozesses (F(4, 267)=3.15, p=.015, Eta²=.045).
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
180
Interessant ist, dass die Streuung zwischen den Gruppen sehr hoher bis geringer
Weiterbildungsbedarf nur sehr gering ist (MW=4.47-4.60), die subjektive Einschätzung sich
also nicht mit den tatsächlichen Fakten deckt.
Allerdings gibt es eine kleine Gruppe von Recruitern (N=7), die keinen Weiterbildungsbedarf
angibt und auch sehr hohe analytische Ausprägungen in ihrem Entscheidungsstil aufweist
(MW=5.34). Somit unterscheiden sich die anderen Gruppen sehr stark (β=-.74 bis β=-.87)
von dieser Experten-Gruppe.
Der eingeschätzte eignungsdiagnostische Weiterbildungsbedarf verläuft auch hier wieder fast
linear mit der eingeschätzten Expertise der befragten Recruiter.
Auch hier beschreiben sich diejenigen Recruiter, die am stärksten analytisch entscheiden und
demzufolge auch keinen Weiterbildungsbedarf angeben, mit einem Mittelwert von 4.81
eindeutig als Experten (F(4, 267)=1.52, p=.195).
Tabelle 54: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf auf Expertise
Gruppenunterschiede für Weiterbildungsbedarf auf ExpertiseÜbersicht der Parameterschätzer
Weiterbildungs-bedarf
N MW SD β p Eta²
sehr hoch 13 3.46 1.35 -1.35 .026 .018
hoch 72 3.71 1.41 -1.1 .032 .017
mittel 123 3.75 1.17 -1.06 .034 .017
gering 57 3.91 1.34 -.90 .081 .011
kein Bedarf 7 4.81 1.44 0
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; die signifkanten Ergebnisse sind markiert; Nicht-signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(4, 267)=1.52, p=.195; Eta² = .022, R²=.022, korr.R²=.008; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(4, 267)=1.24, p=.292;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
181
6.5.2 Einfluss der Unternehmensgröße und des Recruitingstatus auf die
organisationalen Rahmenbedingungen eignungsdiagnostischer
Entscheidungen
Im Folgenden sollen die organisationalen Rahmenbedingungen unter denen Recruiter
eignungsdiagnostische Entscheidungen treffen, anhand der Faktoren Unternehmensgröße
und Recrutingstatus intern vs. extern voneinander differenziert werden.
Der Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede zeigt zunächst, ob signifikante Haupteffekte
für die jeweiligen Faktoren bestätigt werden können.
Es können signifikante Haupteffekte für beide Faktoren Unternehmensgröße und
Recruitingstatus zunächst nur für die abhängige Variable Rechenschaftsverpflichtung
gefunden werden (Unternehmensgröße: F(6, 265)=4.26, p=.000, Eta²=.088; Recruitingstatus:
F(1, 240)=16.24, p=.000, Eta²=.063).
Tabelle 55: Faktoren Unternehmensgröße und Recruitingstatus auf organisationale Rahmenbedingungen – Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede
Faktoren Unternehmensgröße und Recruitingstatus auf Rech, StrI, SysF, KoA Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede
Variable AV F p Eta² R² Korr.R²
Unternehmens-
größe
Rech 4.26 .000 .088 .088 .067
StrI 1.13 .345 .025 .025 .003
SysF 1.29 .263 .028 .028 .006
KoA 1.09 .366 .024 .024 .002
Recruiting-
status
Rech 16.24 .000 .063 .063 .059
StrI 1.29 .258 .005 .005 .001
SysF .20 .656 .001 .001 -.003
KoA 1.64 .202 .007 .007 .003
Anm.: Darstellung Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(6, 265) für Unternehmensgröße, F(1, 240) für Recruitingstatus; Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;
Im Folgenden wird zunächst der Faktor Unternehmensgröße betrachtet.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
182
Tabellengruppe 7: Multivariates ALM – Unternehmensgröße auf organisationale Rahmenbedingungen
Multivariate Tests Wert F df1 df2 p Eta²
Pillai-Spur .16 1.82 24 1060 .009 .040
Wilks-Lambda .85 1.84 24 915 .008 .040
Hotelling-Spur .17 1.85 24 1042 .008 .041
Größte charakt. Wurzel Roy .11 4.77 6 265 .000 .097
Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 50.03, F(50, 55197)=.96, p=.564; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Rech F(6, 265)=3.81, p=.001; für StrI F(6, 265)=1.14, p=.339; für SysF F(6, 265)=.39, p=.883; für KoA F(6, 265)=.38, p=.894;
Unternehmensgröße auf organisationale RahmenbedingungenÜbersicht der Parameterschätzer
AV Gruppe N MW SD β p Eta²
Rech o.A. 2 4.25 2.37 -.23 .799 .000
< 50 MA 64 3.73 1.50 -.75 .001 .042
50-150 MA 29 3.50 1.37 -.98 .001 .044
150-500 MA 52 4.24 1.21 -.24 .304 .004
500-1000 MA 35 4.53 1.00 .05 .857 .000
1000-2000 MA 24 4.58 1.05 .10 .734 .000
>2000 MA 66 4.48 1.16 0 . .
StrI o.A. 2 5.00 .00 .32 .749 .000
< 50 MA 64 4.26 1.25 -.43 .080 .011
50-150 MA 29 4.06 1.65 -.62 .044 .015
150-500 MA 52 4.42 1.37 -.26 .315 .004
500-1000 MA 35 4.37 1.47 -.31 .285 .004
1000-2000 MA 24 4.08 1.28 -.60 .071 .012
>2000 MA 66 4.68 1.40 0 . .
SysF o.A. 2 2.00 1.41 -.86 .330 .004
< 50 MA 64 2.86 1.28 .00 .997 .000
50-150 MA 29 3.25 1.08 .39 .150 .008
150-500 MA 52 3.31 1.24 .46 .046 .015
500-1000 MA 35 3.05 1.13 .19 .461 .002
1000-2000 MA 24 2.97 1.24 .11 .697 .001
>2000 MA 66 2.86 1.26 0 . .
KoA
o.A. 2 5.00 .94 .52 .527 .002
< 50 MA 64 4.17 1.15 -.31 .117 .009
50-150 MA 29 4.28 1.09 -.21 .409 .003
150-500 MA 52 4.17 1.25 -.31 .139 .008
500-1000 MA 35 4.55 1.12 .07 .776 .000
1000-2000 MA 24 4.57 1.01 .09 .755 .000
>2000 MA 66 4.48 1.09 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
183
Die Ergebnisse zeigen mit einem Unterschied von β=-.75, MW=3.73, Eta²=.042 bei
Recruitern in kleinen Unternehmen mit < 50 MA (N=64) und β=-.98, MW=3.5, Eta²=.044 bei
Recruitern in Unternehmen mit 50-150 MA (N=29) eine signifikant niedrigere Ausprägung der
organisationalen Rahmenbedingung Rechenschaftsverpflichtung als in größeren
Unternehmen (Streuung β=.05 bis β=-.24 und MW=4.24-4.53).
Dies kann möglicherweise darauf zurück zu führen sein, dass Recruiter in kleinen
Unternehmen auch innerhalb kleinerer Teams Personalentscheidungen treffen, vielleicht
sogar gänzlich eigenverantwortlich, ohne dass die Entscheidungen noch vor Vorgesetzten
oder Teamkollegen begründet werden müssen.
Da der Faktor Rechenschaftsverpflichtung in der vorliegenden Arbeit aber als sehr effektive
kontextuelle Rahmenbedingung zur Kontrolle intuitiver Entscheidungsmuster identifiziert
worden ist, sollte dieses Potenzial auch von kleineren Unternehmen stärker berücksichtigt
werden. Hier zeigt sich also vor allem in kleineren Unternehmen noch dringender
Optimierungsbedarf.
Die Ergebnisse zeigen weiterhin mit einem Unterschied von β=-.43, MW=4.26, Eta²=.011 bei
Recruitern in kleinen Unternehmen mit < 50 MA (N=64) und β=-.62, MW=4.06, Eta²=.015 bei
Recruitern in Unternehmen mit 50-150 MA (N=29) sowie auch in größeren Unternehmen mit
1000-2000 MA mit β=-.60, MW=4.08, Eta²=.012 (N=24) eine substantiell niedrigere
Ausprägung der organisationalen Rahmenbedingung Strukturiertheit des Interviews als in
den anderen Unternehmen (Streuung MW=4.37 - 4.68).
Auch hier besteht also Optimierungsbedarf hinsichtlich der Standardisierung von
Personalauswahlprozessen. Überraschend ist, dass in dieser Stichprobe auch in großen
Unternehmen noch wenig strukturierte Einstellungsinterviews durchgeführt werden, obwohl
deren Effektivität vielfach überzeugend belegt wurde (Kapitel 2.3.1), auch in dieser Studie.
Die höchste Strukturierung weisen die Einstellungsinterviews in Unternehmen mit mehr als
2000 MA auf (MW=4.68).
Die höchste Ausprägung bezogen auf die Systematik des Feedbacks zeigen Unternehmen
mit 150-500 MA (β=.46, MW=3.31, Eta²=.015; N=52), die niedrigsten Ausprägungen zeigen
mit einem Mittelwert von 2.86 kleine Unternehmen mit <50 MA sowie auch große
Unternehmen mit >2000 MA.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
184
Innerhalb kleiner Unternehmen sollten potenzielle Evaluationskriterien grundsätzlich leichter
verfügbar sein als in Unternehmen mit größeren Strukturen, bei denen die Personalabteilung
häufig von den Fachabteilungen isoliert ist. Dieser Vorteil sollte deshalb in der Praxis
ausgenutzt werden.
Bei Betrachtung der Skala Systematik des Feedbacks wird mit durchgängig geringeren
Mittelwerten als bei allen anderen Skalen (vgl. auch Kapitel 6.2.5) deutlich, dass das Thema
Evaluation in der eignungsdiagnostischen Praxis grundsätzlich stark vernachlässigt wird,
unabhängig von der Unternehmensgröße.
Deshalb ist grundsätzlich hohes eigeninitiatives Engagement des Recruiters gefragt, wenn er
seine eignungsdiagnostischen Entscheidungsregeln und Prognosen mittels konkreter
Outcome-Variablen wie beruflichen Erfolgen des Mitarbeiters evaluieren möchte. Abhilfe
kann hier eine systematisch durchgeführte unternehmensweite Evaluation des
Entscheidungsprozesses schaffen. So könnte die standardisierte Auswertung des
Einstellungsinterviews im Vergleich zu der standardisierten Vorgesetztenbeurteilung des
Mitarbeiters ein erster Schritt auf dem Wege zu einer professionellen eignungsdiagnostischen
Praxis sein.
Die geringsten Ausprägungen bezogen auf die Konkretheit des Anforderungsprofils zeigen
Unternehmen mit <50 MA und Unternehmen mit 150-500 MA (jeweils β=.-31, MW=4.17,
Eta²=.009 bzw Eta²=.008). Hier zeigen größere Unternehmen stärkere Ausprägungen
(Streuung von MW 4.28-4.57).
Auch hier wird somit der Optimierungsbedarf in kleineren Unternehmen hinsichtlich der
professionellen Gestaltung von Personalauswahlprozessen erneut verdeutlicht.
Vor allem in kleineren Unternehmen sollte dabei der Vorteil der leichten Zugänglichkeit sowie
Verfügbarkeit von stellen- und anforderungsrelevanten Informationen zur Erstellung von
Anforderungsprofilen ausgenutzt werden.
Tabellengruppe 8 zeigt die Ergebnisse nun für den Faktor Recruitingstatus im Detail.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
185
Tabellengruppe 8: Multivariates ALM – Recruitingstatus auf organisationale Rahmenbedingungen
Multivariate Tests Wert F(4, 237) p Eta²
Pillai-Spur .08 5.26 .000 .082
Wilks-Lambda .92 5.26 .000 .082
Hotelling-Spur .09 5.26 .000 .082
Größte charakt. Wurzel Roy .09 5.26 .000 .082
Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 21.5, F(10, 115723)=2.1, p=.021; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Rech F(1, 240)=18.76, p=.000; für StrI F(1, 240)=.47, p=.494; für SysF F(1, 240)=1.12, p=.292; für KoA F(1, 240)=.80, p=.372;
Gruppenunterschiede für Recruitingstatus auf organisationale Rahmenbedingungen Übersicht der Parameterschätzer
AV Gruppe N MW SD β p Eta²
Rech Interner Personaler 163 4.37 1.13 .70 .000 .063
Externer Dienstleister 79 3.67 1.51 0 . .
StrI Interner Personaler 163 4.25 1.42 -.22 .258 .005
Externer Dienstleister 79 4.46 1.35 0 . .
SysF Interner Personaler 163 3.01 1.20 .08 .656 .001
Externer Dienstleister 79 2.93 1.32 0 . .
KoA Interner Personaler 163 4.42 1.08 .19 .202 .007
Externer Dienstleister 79 4.22 1.15 0 . .
Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;
Obwohl sich die organisationalen Rahmenbedingungen zwischen intern angestellten
Personalfachkräften und externen Personaldienstleistern auf fast allen Variablen
unterscheiden, wird der Unterschied nur für den Faktor Rechenschaftsverpflichtung als
signifikant ausgewiesen.
Dieser Unterschied ist mit β=.70, p=.000, MW=4.37 für interne Personalfachkräfte im
Vergleich zu MW=3.67 für externe Personaldienstleister (Eta²=.063), allerdings substantiell.
Dies verwundert insofern, als dass externe Personaldienstleister im Regelfall als Berater von
einem Unternehmen engagiert werden und eine wesentliche Aufgabe der beratenden
Tätigkeit deshalb auch in der Begründung von Empfehlungen liegen sollte.
Das Ergebnis indiziert im Gegensatz dazu, dass der Dienstleister aufgrund seines
vermeintlichen Expertenstatus (vgl. auch Ergebnisse in Tabelle 46) seine
eignungsdiagnostischen Urteile und Entscheidungen im Nachhinein weniger rechtfertigen
und begründen muss, als ein unternehmenseigener Mitarbeiter.
6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________
186
Dies ist im Hinblick auf die eignungsdiagnostische Qualitätssicherung als kritisch zu
bewerten.
Weiterhin zeigen sich auch für die Variablen Strukturiertheit des Interviews sowie Konkretheit
des Anforderungsprofils leichte Unterschiede zwischen intern angestellten Personalfach-
kräften und externen Personaldienstleistern, die sich aber nicht als signifikant (p>.100)
darstellen (StrI: β=-.22, MW=4.25 für interne im Vergleich zu MW=4.46 für externe
Personaler, Eta²=.005; KoA: β=.19, MW=4.42 für interne im Vergleich zu MW=4.22 für
externe Personaler, Eta²=.005).
So verwenden externe Dienstleister zwar häufiger strukturierte Interviews als interne
Personalangestellte, was grundsätzlich positiv zu bewerten ist, allerdings bleibt der
postulierte Effekt auf analytisch geprägtere Urteils- und Entscheidungsprozesse dabei für
Personaldienstleister in dieser Untersuchung aus (siehe Ergebnisse Tabelle 46).
Hier sind die Relevanz sowie eignungsdiagnostische Fundierung des Anforderungsprofils die
entscheidenden Größen für die Konstruktion valider strukturierter Interviews (vgl. auch
Hypothese 2.7 zum Mediatoreffekt für Konkretheit des Anforderungsprofils). Da
Personaldienstleister weniger konkrete Anforderungsprofile als interne Personalangestellte
nutzen, bleiben somit die erhofften positiven Effekte aus.
Fehlt das Fundament des Anforderungsprofils, hilft also auch die bloße Strukturierung des
Einstellungsinterviews nicht weiter.
Hier sind deshalb die Unternehmen als Auftraggeber gefordert, gemeinsam mit den Beratern
ein fundiertes und verhaltensbezogenes Anforderungsprofil zu entwickeln, das zur
Konstruktion valider Einstellungsinterviews dient (zur wissenschaftlich empfohlenen
Vorgehensweise siehe Kapitel 2.3.2).
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
187
7. Zusammenfassung und Implikationen für die
eignungsdiagnostische Forschung und Praxis
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, ein kausales Modell zu den Determinanten analytisch
geprägter Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern in Einstellungsinterviews zu
entwickeln und dieses empirisch zu überprüfen. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Prüfung
von mediierenden Variablen, um diejenigen intervenierenden kausalen Mechanismen zu
identifizieren, welche die Informationsverarbeitungsprozesse von Recruitern entscheidend
prägen.
Dies wurde mit der Methodik der Strukturgleichungsmodellierung erfolgreich umgesetzt.
Konform zu dem dynamisch-interaktionistischen Paradigma der Psychologie, wurden dabei
als Determinanten sowohl organisationale Rahmenbedingungen sowie persönliche
Lernprozesse und motivationale Faktoren des Recruiters berücksichtigt.
Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells haben gezeigt, dass die subjektiv
wahrgenommene Expertise eines Recruiters positiv mit einem analytischen
eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozess zusammenhängt.
Dies unterstützt zum einen die in dieser Arbeit formulierte Annahme, dass ein Recruiter sein
Expertenwissen explizit formulieren kann, obwohl er es mittlerweile automatisch anwendet
und sich primär auf die relevanten Cues und Inferenzen konzentriert. Damit unterscheidet
sich ein eignungsdiagnostischer Experte möglicherweise deutlich von Experten anderer
Fachgebiete.
Die Differenzierung und inhaltliche Kategorisierung von explizitem und implizitem
eignungsdiagnostischen Expertenwissen bei Recruitern könnte deshalb aufbauend
interessanter Gegenstand zukünftiger Untersuchungen und Grundlage für die inhaltliche
Konzeption von Interviewertrainings sein.
Zum anderen zeigt der positive Zusammenhang zwischen Expertise und Analytik in der
vorliegenden Arbeit, dass die Tatsache, dass sich ein Recruiter als „Experte“ beschreibt,
nicht dazu führt, dass er aufgrund dieser Selbsteinschätzung seine eignungsdiagnostischen
Entscheidungen weniger systematisch oder gewissenhaft trifft und seine eignungs-
diagnostischen Fähigkeiten dabei überschätzt.
Im Gegenteil wird sogar deutlich, dass sein (subjektiver) Expertenstatus sowohl sein
persönliches Verantwortlichkeitsgefühl, als Indikator seines persönlichen Involvements, als
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
188
auch die Analytik seiner Informationsverarbeitungsprozesse substantiell steigert. Die Variable
Verantwortlichkeitsgefühl fungierte dabei als totaler Mediator.
Auch die Ergebnisse allgemeiner linearer Modelle unterstützen diesen Zusammenhang.
Es konnte gezeigt werden, dass erfahrene Recruiter analytischere Ausprägungen ihres
Entscheidungsmodus als wenig erfahrene Recruiter aufweisen. Der objektive Faktor
Erfahrung hängt hier folglich positiv mit der subjektiven Einschätzung als Experte zusammen.
Das Phänomen der intuitiven Selbstüberschätzung bei vermeintlichen Experten (Kahneman
& Klein, 2009; Kleinmuntz, 1990; Einhorn & Hogarth, 1978) sowie negative Effekte für den
Faktor diagnostische Erfahrung (Gehrlein et al., 1993) können in der vorliegenden Arbeit
somit nicht festgestellt werden.
In diesem Zusammenhang könnte sich die weitere Untersuchung mediierender und auch
moderierender Variablen als fruchtbar erweisen, um diejenigen Bedingungen zu
identifizieren, unter denen eignungsdiagnostische Erfahrung positive oder negative Effekte
auf die Urteilsvalidität ausübt. Wichtiger zu berücksichtigender Kontext ist dabei die Validität
der Lernumgebung des Recruiters (Kahneman & Klein, 2009).
Weiterhin kann mit den Ergebnissen des Strukturgleichungsmodells das persönliche
Involvement als entscheidende mediierende Variable zwischen organisationalen
Rahmenbedingungen sowie persönlichen Lernprozessen und des Entscheidungsmodus des
Recruiters im Kontext von Einstellungsinterviews bestätigt werden.
Dieser intervenierende Zusammenhang sollte somit auch in künftigen Forschungsarbeiten
berücksichtigt werden.
Auch lassen sich hier noch weitere motivationale Faktoren oder Persönlichkeitsfaktoren als
intervenierende Variablen für einen eher analytisch oder intuitiv geprägten
Entscheidungsmodus vermuten.
Der Einfluss weiterer motivationaler oder persönlicher Faktoren des Recruiters auf seinen
Entscheidungsmodus könnte sich als ergiebiges Forschungsfeld für die Zukunft erweisen und
ebenfalls als theoretische Basis für die Konstruktion von Interviewertrainings dienen. Auch
die individuelle Präferenz eines Recruiters für einen analytischen bzw. deliberaten oder
intuitiven Entscheidungsstil (Betsch, 2004) könnte dabei eine Rolle spielen.
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
189
Bezogen auf die organisationalen Rahmenbedingungen unter denen Recruiter entscheiden,
konnte in der vorliegenden Arbeit vor allem der positive Effekt der
Rechenschaftsverpflichtung, sowohl auf motivationale Variablen, aber auch auf den Urteils-
und Entscheidungsprozess des Recruiters, mit substantiellen Wirkungseffekten bestätigt
werden.
In der Implementierung von Rechenschaftsverpflichtung für Einstellungsentscheidungen liegt
somit großes Potenzial, um die Qualität eignungsdiagnostischer Urteils- und
Entscheidungsprozesse in der Praxis zu optimieren.
Hierbei sollte die unterschiedliche Effektivität von Rechenschaft über das Ergebnis im
Vergleich zu Rechenschaft über den Prozess berücksichtigt werden (Brtek & Motowidlo,
2002). Anzustreben ist die Rechenschaftsverpflichtung über den eignungsdiagnostischen
Prozess. Eine praktische Maßnahme wäre zum Beispiel eine (halb-)standardisierte
Auswertung des Einstellungsinterviews, bei der mit Hilfe einer Checkliste auch von Kollegen
oder Vorgesetzten nachvollzogen werden kann, ob die relevanten Anforderungen objektiv als
erfüllt betrachtet werden können. Dieses Protokoll könnte somit als Grundlage für eine
Konsensdiskussion dienen oder aber im Rahmen von regelmäßigen Qualitätszirkeln mit
anderen Recruitern diskutiert werden. Dies setzt natürlich eine angemessene Selbstreflektion
und Diskussionsbereitschaft der Recruiter voraus.
Weiterhin wurden auch für die Strukturiertheit des Interviews sowie für die Konkretheit des
Anforderungsprofils bedeutsame Kontrollmechanismen auf den Informationsverarbeitungs-
modus sowie auch auf motivationale Faktoren des Recruiters belegt.
Die Effektivität strukturierter Interviews lässt sich dabei vor allem dadurch begründen, dass
diese zumeist konkrete Anforderungen beinhalten und damit Entscheidungsregeln vorgeben,
an denen sich der Recruiter bei seiner Beurteilung und Entscheidung orientieren muss.
Dieser Zusammenhang konnte mit signifikanten Mediator-Effekten belegt werden.
Die stellenrelevante Fundierung des Anforderungsprofils ist damit wesentliche Voraussetzung
für die Effektivität strukturierter Interviews sowie analytisch geprägter eignungsdiagnostischer
Entscheidungen.
Dies konnte zusätzlich mit den Ergebnissen der allgemeinen linearen Modelle belegt werden.
Die bloße Strukturierung eines Interviews zeigt nur einen geringen Wirkungseffekt, wenn das
zugrunde liegende Anforderungsprofil nicht verhaltensbezogen, konkret und stellenrelevant
konstruiert wurde. Hier könnten auch Moderator-Analysen in zukünftigen Forschungsarbeiten
den kausalen Zusammenhang weiter belegen.
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
190
Für das Feedback konnten nur indirekte Effekte auf den eignungsdiagnostischen Urteils- und
Entscheidungsprozess eines Recruiters gefunden werden.
Als entscheidende intervenierende Variable konnte hier das Verantwortlichkeitsgefühl des
Recruiters als Indikator seines persönlichen Involvements identifiziert werden.
Dies bedeutet, dass das Feedback über die Qualität der eignungsdiagnostischen
Entscheidung nur dann einen Effekt auf einen analytischen Entscheidungsmodus des
Recruiters zeigt, wenn es einen Effekt auf das Verantwortlichkeitsgefühl bzw. Engagement
des Recruiters ausübt, der Recruiter sich also persönlich involviert fühlt.
Dieses Ergebnis schließt an die Studie von Hammond, Summers & Deane (1973) sowie an
die Meta-Analyse von Kluger & DeNisi (1996) an.
Während Hammond et al. (1973) sogar negative Effekte für Outcome-Feedback nachweisen
konnten, haben Kluger & DeNisi (1996) zwar einen allgemeinen positiven Effekt von
Feedback auf Performance (d=.41) nachweisen können, allerdings fanden sie auch bei einem
Drittel der berücksichtigten Arbeiten einen negativen Effekt. Durch eine Moderatoranalyse
konnten sie nachweisen, dass das Feedback die Leistung dann vermindert, wenn es die
Aufmerksamkeit von der Aufgabe hin zum Selbst verschiebt (ebd., S.278).
Auch Hattie & Timperley (2007, S.87) haben vier Feedbackebenen voneinander
unterschieden, um die Bedingungen, unter denen positive oder negative Effekte von
Feedback auftreten, besser verstehen zu können. Sie unterscheiden Feedback über die
Aufgabe, Feedback über den Prozess, Feedback über die Selbstregulation und Feedback
über das Selbst voneinander.
Analog zu Kluger & DeNisi (1996) schreiben die Autoren dem Feedback über das Selbst die
geringste Effektivität zu (ebd., S.90). Hingegen bescheinigen sie dem aufgabenbezogenen
und selbstregulatorischen Feedback eine besondere Funktion für den Erwerb von
Expertenwissen.
Womöglich ließe sich mit diesem konzeptionellen Ansatz auch die Effektivität des Feedbacks,
welches die Recruiter über ihre eignungsdiagnostischen Tätigkeit erhalten, besser erklären.
Die Untersuchung relevanter moderierender Variablen, die zu positiven oder negativen
Effekten von Feedback über eignungsdiagnostische Entscheidungen führen, sollte sich
besonders bedeutsam für die systematische Implementierung von Feedback in der
eignungsdiagnostischen Praxis erweisen.
Jelley & Goffin (2001) konnten zum Beispiel zeigen, dass bestimmte Priming-Effekte dazu
genutzt werden können, genaueres und diagnostisch nützlicheres Feedback zu erhalten.
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
191
Hier kommt also der formalen wie inhaltlichen Ausgestaltung des Feedbacks eine besondere
praxisrelevante Rolle zu.
Eine wichtige noch offene Forschungsfrage ist deshalb grundsätzlich, wie
aufgabenbezogenes und selbstregulatorisches Feedback in der Praxis ausgestaltet und
idealerweise unternehmensweit implementiert werden können.
Durch den Fokus auf tatsächlich wirksame evaluative Maßnahmen, können somit auch
Fehlinvestitionen verhindert werden.
Weiterhin kann aufgrund der vorliegenden Ergebnisse der Explikation von Entscheidungs-
regeln, z.B. durch eine systematische Einarbeitung des Recruiters, eine besondere
Bedeutung für einen analytischen Entscheidungsmodus und letztlich auch für den Erwerb von
Expertenwissen zugeschrieben werden.
Als entscheidende Bedingungen für die Ausbildung von expertise-basierter statt heuristischer
Intuition wurden in der vorliegenden Arbeit zum einen die Validität der Lernumgebung
(Kahneman & Klein, 2009) und zum anderen ein disziplinierter analytischer Urteils- und
Entscheidungsprozess angenommen, der im gesamten Lernprozess immer wieder kritisch
reflektiert und modifiziert wird. Am Anfang des Lernprozesses zum Experten steht somit
immer die Explikation von eignungsdiagnostischen Entscheidungsregeln, die dann
schrittweise evaluiert werden.
In diesem Kontext könnte – in Analogie zur Methodik der Strukturgleichungsmodellierung –
von einer kontinuierlichen kognitiven Modellanpassung an die vorliegenden empirischen
Bewerberdaten gesprochen werden. Aus je mehr Variablen und Wirkungsbeziehungen das
kognitive Modell des Recruiters besteht und je häufiger diese Wirkungsbeziehungen an
Bewerberstichproben überprüft wurden, desto genauer können letztlich durch dieses
Experten-Schema die Realität abgebildet und valide Prognosen daraus abgeleitet werden.
Somit kann ein differenziertes und evaluiertes Expertenmodell wertvolle Basis für valide
eignungsdiagnostische Entscheidungen sein. Wenn diese Entscheidungsregeln auch für
Andere expliziert und zugänglich gemacht werden, kann ein solches Expertenmodell auch als
Lernmodell und Evaluationsinstrument für eignungsdiagnostische Entscheidungen fungieren
(Montel, 2006; Wottawa, 1985/1987). Auch an dieser Stelle eröffnet sich somit erheblicher
Forschungsbedarf, schwierige Randbedingung ist allerdings die Gewinnung der Stichprobe
an Recruitern, deren eignungsdiagnostische Entscheidungen jeweils am Einzelfall in ein
mathematisches Modell überführt werden müssten.
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
192
Eine im Vergleich sehr unkompliziert umzusetzende praktische Maßnahme ist deshalb die
Explikation und Diskussion von Entscheidungsregeln während der Einarbeitungsphase.
Dadurch, dass der Fokus nicht einfach auf der Übereinstimmung zwischen der Entscheidung
des vermeintlichen Experten und Novizen liegt, sondern auf der Reflektion der verwendeten
Entscheidungsregeln, erhalten der Novize (aber auch der erfahrene Kollege) die Möglichkeit,
diese Entscheidungsregeln an Einzelfällen explizit anzuwenden und zu validieren.
Voraussetzung ist deshalb ein hohes Maß an Analytik, Selbstreflektion und die Bereitschaft
zur Diskussion bei den bereits praktisch tätigen Recruitern.
Auch das persönliche Involvement des Recruiters erhält eine wichtige Funktion, wenn es für
den praktisch tätigen Recruiter darum geht, aus nicht-validen eignungsdiagnostischen
Lernumgebungen schrittweise validere eignungsdiagnostische Lernumgebungen zu schaffen
und sich Evaluationskriterien verfügbar zu machen.
Da seine normale Lernumgebung in der Regel nur wenig Möglichkeiten zur Evaluation
bereitstellt, muss der Recruiter eigene Anstrengungen unternehmen, damit er seine
Prognosen auch anhand konkreter Outcome-Variablen evaluieren kann. Dies funktioniert vor
allem in größeren Unternehmen nur dann, wenn der Recruiter sich die entsprechenden
Informationen durch den aktiven Austausch mit Fachvorgesetzten, Kollegen oder dem
Mitarbeiter selbst einholt. Mögliche Outcome-Variablen, die ihm als Evaluationskriterien
dienen könnten, können sich in konkreter beruflicher Leistung wie Projekterfolgen,
Führungsakzeptanz, Teamintegration oder in Form anderer Indikatoren manifestieren.
Auch hier können die standardisierte Dokumentation und Auswertung von
Einstellungsinterviews wie auch standardisierte evaluative Maßnahmen oder
Mitarbeiterbeurteilungen den zeitlich intensiven Aufwand für den einzelnen Recruiter
maßgeblich reduzieren und wichtige Meilensteine auf dem Wege zu einer professionellen
eignungsdiagnostischen Praxis sein.
Abschließend wurde für einen analytischen eignungsdiagnostischen Entscheidungsmodus
auch ein negativer Effekt auf die Entscheidungsdissonanz des Recruiters nachgewiesen.
Dieser Effekt wird in diversen Forschungsarbeiten für komplexe Entscheidungen auch positiv
nachgewiesen (z.B. Betsch, 2004). Im Rahmen eignungsdiagnostischer Entscheidungen
allerdings, gibt eine systematische Informationsverarbeitung subjektive Sicherheit über die
Validität der Entscheidung. Auch dieser Zusammenhang könnte mit replizierenden Arbeiten
noch weiter untersucht werden.
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
193
Die vorliegende Arbeit liefert somit im Kontext des Einstellungsinterviews einen
Forschungsbeitrag, der substantielle Ergebnisse für organisationale Einflussfaktoren, vor
allem für die Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters, aber auch für persönliche und
motivationale Einflussfaktoren, insbesondere für das persönliche Involvement des Recruiters,
belegt.
Ebenfalls baut die Arbeit auf der Diskussion von eignungsdiagnostischer Erfahrung als
Determinante von Expertise oder nicht-evaluierter Routine sowie auf der Kontroverse zur
Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven Entscheidungsmodus bei komplexen
Entscheidungen auf.
Deskriptive wie normative Entscheidungstheorien wurden dabei auf den Kontext des
Einstellungsinterviews übertragen und als Resultat dessen, wurden besonders die Validität
der Lernumgebung und ein analytischer Urteils- und Entscheidungsmodus des Recruiters als
wichtige Prämissen für den Erwerb von eignungsdiagnostischem Expertenwissen identifiziert.
Ebenfalls wurde in der vorliegenden Arbeit ein analytischer Entscheidungsmodus als
Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen und damit einem intuitiven
Entscheidungsmodus als überlegen angenommen.
Die letztliche Prüfung der Validität analytischer im Vergleich zu intuitiven
eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen steht allerdings noch aus.
Dies konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geklärt werden.
Hier gilt es deshalb im Rahmen zukünftiger Forschungsarbeiten, die Wirkungs-
zusammenhänge im Hinblick auf ein Außenkriterium zu überprüfen.
Problematische Randbedingungen sind dabei die Verfügbarkeit solch eignungsdiagnostischer
Außenkriterien und damit auch die Gewinnung einer ausreichend großen populationsvaliden
Stichprobe.
Bezogen auf die Kontroverse zur Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven
Entscheidungsmodus bei Einstellungsinterviews sollte auch die Kombination beider
Entscheidungsmodi aufgrund neuerer Forschungsergebnisse in Betracht gezogen und weiter
überprüft werden.
So haben Nordgren, Bos & Dijksterhuis (2011, S.509ff) gezeigt, dass sich bei komplexen
Entscheidungen die Kombination von zunächst bewusster und darauf folgender unbewusster
Informationsverarbeitung als besonders effektiv erweist. Auch Glöckner (2008) sowie
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
194
Glöckner & Betsch (2008) belegen das Potenzial, das in der Integration von beiden
Entscheidungsmodi liegt.
Im Kontext von Einstellungsinterviews stellt sich somit die Frage, welche konkreten Elemente
analytisch-bewusst verarbeitet werden sollten und welche Elemente intuitiv-unbewusst
verarbeitet werden dürfen. Auch an dieser Stelle ergeben sich somit weitere
Forschungsansätze, die direkte praktische Relevanz besitzen.
Im Hinblick auf methodische Optimierungsvorschläge für das vorliegende
Strukturgleichungsmodell wurde insbesondere der common-method-Effekt diskutiert (vgl.
Podsakoff et al., 2003). Da zur Erhebung aller latenter Variablen derselbe Online-Fragebogen
eingesetzt wurde, könnte ein gewisser Anteil an Varianzaufklärung auf diese
Erhebungsmethode zurück zu führen sein.
Deshalb könnte das verwendete Untersuchungsdesign durch die Variation der
Erhebungsmethoden zwischen den Variablen sowie die zeitliche Separierung der Messung
exogener und endogener Variablen (Podsakoff et al., 2003, S.887f) optimiert werden.
Bei einer Erhebung von Prädiktor- und Kriteriumsvariablen zu verschiedenen
Messzeitpunkten, sollte allerdings eine ausreichende Stichprobengröße bzw. Rücklaufquote
sicher gestellt werden, da hier besonders die Gefahr des drop-outs besteht. Deshalb wurde in
der vorliegenden Arbeit auf ein Untersuchungsdesign mit verschiedenen Messzeitpunkten
verzichtet.
Weiterhin sollte die Option der ausbalancierten Darbietungsreihenfolge der Items (Podsakoff
et al., 2003, S.888) zukünftig stärker berücksichtigt werden.
In der vorliegenden Studie wurden die Variablen allen Teilnehmern in aufeinander
aufbauender Reihenfolge dargeboten (exogene – intervenierende – endogene Variablen),
womit das Problem der reversen kausalen Effekte (Kenny, 2012) zwar vermindert werden
konnte, aber dennoch durch eine gruppenbezogene randomisierte ausbalancierte Darbietung
noch weiter minimiert werden könnte.
Hinsichtlich der Gütekriterien bzw. Operationalisierung der reflektiven Mess-Indikatoren bleibt
noch Optimierungsbedarf für die Skala Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses
und Systematik des Feedbacks bestehen.
Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells wurden weiterhin durch die Ergebnisse einer
experimentellen Fallstudie (einfaktorielles between-subjects-Design), einer Clusteranalyse
zur Identifizierung von spezifischen Recruiter-Typen (basierend auf persönlichen
Lernprozessen und organisationalen Rahmenbedingungen) sowie uni- und multivariater
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
195
allgemeiner Modelle ergänzt, welche den Erklärungsbeitrag demografischer Faktoren für die
analytische Ausprägung des Entscheidungsmodus des Recruiters und die Ausprägung
unternehmensinterner organisationaler Rahmenbedingungen spezifiziert haben.
Die experimentelle Überprüfung der im Strukturgleichungsmodell überzeugend belegten
Effekte von organisationalen Rahmenbedingungen auf die Urteils- und Entscheidungs-
prozesse von Recruitern zeigte sich dabei in der vorliegenden Arbeit nur eingeschränkt
erfolgreich. Es konnten nur für die Subgruppen Psychologen und erhöhter
eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf bedeutsame signifikante Unterschiede
zwischen der randomisiert dargebotenen Bedingung A und B, bei denen die Variablen
Rechenschaftsverpflichtung und Konkretheit des Anforderungsprofils für eine fiktive
Entscheidungssituation variiert wurden, für jeweils eine abhängige Variable gefunden
werden.
Als Anregung zur Optimierung des Studiendesigns wurden Vorschläge hinsichtlich einer
stärker realen eignungsdiagnostischen Entscheidungssituation, in der auch subjektive
Eindrücke über den fiktiven Bewerber gewonnen werden können (z.B. Darbietung einer
Videosequenz), unterbreitet. Wichtige praktische Randbedingung ist hierbei allerdings
ebenfalls die Gewinnung einer ausreichend großen populationsvaliden Stichprobe.
Auch die Operationalisierung des Gesprächsprotokolls, welches als Grundlage der fiktiven
Beurteilung und Entscheidung in der Fallstudie diente, könnte noch optimiert werden.
Möglicherweise ist diese zu wenig trennscharf ausgefallen.
Weiterhin wurde ein Priming-Effekt (vgl. Podsakoff et al., 2003) durch die vorherige
Befragung über die Determinanten analytischer Urteils- und Entscheidungsprozesse von
Recruitern in Einstellungsinterviews als Erklärung für die sehr analytische Prägung der
Ergebnisse in der Fallstudie herangezogen. Deshalb sollte die experimentelle Überprüfung
der postulierten Effekte in Zukunft isoliert von einer weiteren Befragung erfolgen.
Grundsätzlich sollten die im Strukturgleichungsmodell identifizierten kausalen Effekte
experimentell überprüfbar sein. Diesbezüglich liefert die vorliegende Arbeit einen ergiebigen
empirischen Rahmen, wenn es um die Fragestellung geht, welche Determinanten und
intervenierenden Variablen bei der Konstruktion solcher Versuchsdesigns berücksichtigt und
operationalisiert werden sollten.
Die experimentelle Überprüfung der kausalen Effekte steht somit noch aus und ist eine
wichtige Aufgabe, die in zukünftigen Forschungsarbeiten angegangen werden sollte.
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
196
Die Ergebnisse der uni- und multivariaten allgemeinen Modelle haben weiterhin für die an der
Studie teilnehmenden Psychologen interessante Unterschiede hinsichtlich ihrer
eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozesse im Vergleich zu anderen
Fachgruppen ergeben.
So zeigen die Ergebnisse, wie auch schon in der Fallstudie, dass sich Psychologen in ihrer
Beurteilung und Entscheidung tatsächlich stärker als andere Fachgruppen an den konkreten
Anforderungen ausrichten und diese im Einstellungsinterview analytisch zu bestätigen oder
zu widerlegen suchen.
Auch Lievens & De Paepe (2004, S.36/40) haben einen ähnlichen Zusammenhang zwischen
einer psychologischen Ausbildung und einer stärkeren Nutzung von hoch-strukturierten
Interviews angenommen. Diesen konnten sie in ihrer Studie allerdings nicht bestätigen.
Hier zeigt sich deshalb weiterer Untersuchungsbedarf.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit zeigt sich jedenfalls die Wichtigkeit von psychologischem
und eignungsdiagnostischem Fachwissen im Hinblick auf analytische eignungsdiagnostische
Entscheidungen.
Da die Mehrheit der praktisch tätigen Recruiter, wie auch in der vorliegenden Stichprobe,
aber in der Regel aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich stammt und somit keine
eignungsdiagnostische Ausbildung absolviert hat, kommt psychologisch fundierten
eignungsdiagnostischen Weiterbildungen eine besondere Bedeutung in der Qualitäts-
sicherung eignungsdiagnostischer Entscheidungsprozesse in der Praxis zu.
Positive Effekte eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf die Urteils- und
Entscheidungsprozesse der Recruiter haben sich in dieser Arbeit im Rahmen der ALM, aber
auch der Clusteranalyse gezeigt.
Allerdings erreichte dieser positive Trainingseffekt bei mehr als 5 absolvierten
Weiterbildungen einen Deckeneffekt, der in weiteren Forschungsarbeiten noch genauer
untersucht werden könnte. In diesem Zusammenhang könnte auch die fachliche Fundierung
der jeweiligen Weiterbildung relevant zur Erklärung des Deckeneffektes und Gegenstand
weiterer Arbeiten sein.
Auch zwischen unternehmensinternen Personalfachkräften und externen Personaldienst-
leistern wurden wichtige praxisrelevante Unterschiede festgestellt.
So weisen interne Personalfachkräfte stärker analytisch geprägte Entscheidungsmuster als
externe Personaldienstleister auf, was sich durch die konkretere Kenntnis der
7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________
197
unternehmensspezifischen Anforderungen sowie leichteren Verfügbarkeit von
Evaluationskriterien erklären lässt, die zu einer Explikation und Modifizierung
eignungsdiagnostischer Entscheidungsregeln beitragen.
Dieses Ergebnis indiziert somit einen verminderten Nutzen, wenn externe
Personaldienstleister im Auftrag für Unternehmen Einstellungsinterviews durchführen.
Ebenfalls wurde für externe Personaldienstleister festgestellt, dass diese aufgrund ihres
vermeintlichen Expertenstatus weniger zur Rechenschaft über ihre eignungsdiagnostischen
Entscheidungen verpflichtet sind, was im Hinblick auf die eignungsdiagnostische
Qualitätssicherung, als besonders kritisch zu bewerten ist.
Auch diesbezüglich eröffnet sich somit weiterer Forschungsbedarf, um die gefundenen
Effekte weiter zu unterstützen oder zu widerlegen.
Erhöhter eignungsdiagnostischer Handlungsbedarf hinsichtlich der Implementierung
nützlicher organisationaler Rahmenbedingungen zeigt sich in der vorliegenden Arbeit vor
allem für kleinere und mittelständische Unternehmen (vgl. auch Stephan & Westhoff, 2002).
Da die einzelnen Faktoren Rechenschaftsverpflichtung, Strukturiertheit des Interviews,
Konkretheit des Anforderungsprofils und Systematik des Feedbacks als sehr effektive
kontextuelle Rahmenbedingungen zur Kontrolle intuitiver Entscheidungsmuster identifiziert
werden konnten, sollten deren positive Effekte auch von kleineren Unternehmen stärker
ausgenutzt werden. Hier zeigt sich für alle aufgeführten Faktoren allerdings noch dringender
Optimierungsbedarf.
Die Evaluation des eignungsdiagnostischen Prozesses zeigt sich in der vorliegenden Arbeit
grundsätzlich – auch in Großunternehmen – unzureichend.
Hier könnten kleinere Unternehmen insofern einen Vorteil genießen, als dass dort potenzielle
Evaluationskriterien leichter verfügbar sein sollten als in Unternehmen mit komplexeren
Strukturen. Hier liegen also möglicherweise validere Lernumgebungen für den einzelnen
Recruiter vor. Dies gilt auch für stellenrelevante Informationen, die für die Erstellung von
Anforderungsprofilen genutzt werden können.
Grundsätzlich ist eine standardisierte unternehmensweite Evaluation des eignungs-
diagnostischen Entscheidungsprozesses anzustreben, die aktuell allerdings eher
theoretisches Ideal als gelebte Praxis zu sein scheint. Auch dieses Thema sollte in
zukünftigen Forschungsarbeiten stärker berücksichtigt werden. Die Entwicklung von
Leitfäden könnte dabei ein wichtiger Schritt für die Implementierung sinnvoller und effektiver
evaluativer Elemente in der eignungsdiagnostischen Praxis sein.
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Stephan, U. & Westhoff, K. (2002). Personalauswahlgespräche im Führungskräftebereich des deutschen Mittelstandes: Bestandsaufnahme und Einsparungspotential durch strukturierte Gespräche. Wirtschafts-psychologie, 4, 3-17. Strobel, A. & Westhoff, K. (2009). DIPA - Diagnoseinstrument zur Erfassung der Interviewerkompetenz in der Personalauswahl. Frankfurt a. M.: Pearson. Szucko, J. J. & Kleinmuntz, B. (1981). Statistical versus clinical lie detection. American Psychologist, 36, 488-496. Tajfel, H. (1978). Differentiation Between Social Groups: Studies in the Social Psychology of Intergroup Relations. London: Academic Press. Thorndike, E. L. (1920). Intelligence and its uses. Harper’s Magazine, 140, 227-235. Thorndike, E. L. (1898). Animal Intelligence: An Experimental Study of the Associative Processes in Animals. Psychological Review, Monograph Supplements, No. 8. New York: Macmillan. Timm, N. H. (1975). Multivariate analysis with applications in education and psychology. Monterey: Brooks/Cole. Todd, P. M. & Gigerenzer, G. (2001). Putting naturalistic decision making into the adaptive toolbox. Journal of Behavioral Decision Making, 14(5), 381–383. Todd, P. M. & Gigerenzer, G. (2000). Précis of Simple heuristics that make us smart. Behavioral and Brain Sciences, 23(5), 727–741. Usher, M., Russo, Z., Weyers, M., Brauner, R. & Zakay, D. (2011). The Impact of the Mode of Thought in Complex Decisions: Intuitive Decisions are Better. Frontiers in psychology, 2, 13. Von der Linde, B. & Schustereit, S. (2008). Personalauswahl – schnell und sicher Top-Mitarbeiter finden. Haufe. Webster, E. C. (1982). The Employment Interview: A Social Judgement Process. Schomberg, Ontario: SIP Publications. Weiber, R. & Mühlhaus, D. (2010). Strukturgleichungsmodellierung. Eine anwendungsorientierte Einführung in die Kausalanalyse mit Hilfe von AMOS, SmartPLS und SPSS. Springer: Heidelberg. Westhoff, K. (2009). Das Entscheidungsorientierte Gespräch (EOG) als Eignungsinterview. Lengerich: Pabst. Westhoff, K., Hornke, L.F. & Westmeyer, H. (2003). Richtlinien für den diagnostischen Prozess. report psychologie 28. Westhoff, K. & Kluck, M.-L. (2003). Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen (4. Aufl.). Berlin: Springer. Westmeyer, H. (1972). Logik der Diagnostik. Grundlagen einer normativen Diagnostik. Stuttgart: Kohlhammer. Weuster, A. (2008). Personalauswahl: Anforderungsprofil, Bewerbersuche, Vorauswahl und Vorstellungsgespräch. Wiesbaden: Gabler. Wexley, K.R. & Latham, G.P. (1991). Developing and Training Human Resources In Organisations. Harper Collins. New York. Wiel, M. W. & Meeuwesen, E. W. (2009). Expertise Effects on Immediate, Deliberate and Unconscious Thought in Complex Decision Making. Analysis, 733–738. Wiener, Y. & Schneiderman, M. L. (1974). Use of job information as a criterion in employment decisions of interviewers. Journal of Applied Psychology, 59(6), 699-704. Wiesner, W. H. & Cronshaw, S. F. (1988). A meta-analytic investigation of the impact of interview format and degree of structure on the validity of the employment interview . Society, 275–290. Wiggins, J. S. (1981). Clinical and statistical prediction: Where Are We and Where Do We Go From Here? Clinical Psychology Review, 1(1), 3–18.
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- zur Datenerhebung: EFS-Survey verfügbar unter www.unipark.info
- zur statistischen Datenauswertung:
IBM SPSS 19 und AMOS 19
- zur Literaturverwaltung: Mendeley Desktop verfügbar unter www.mendeley.com
genutzt.
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
212
9. Anhang
Anhang 1: Online-Erhebung in unipark
1. Demografischer Teil
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
213
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
214
2. Persönliche Lernprozesse
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
215
3. Persönliches Involvement
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
216
4. Organisationale Rahmenbedingungen
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
217
5. Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
218
6. Entscheidungsdissonanz
7. Fallstudie
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
219
Bedingung A
Bedingung B
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
220
Gesprächsprotokoll als Beurteilungsgrundlage
Skala Analytik der Beurteilung
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
221
Skala Analytik der Entscheidung
ENDE
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
222
8. Fragebogenaufbau
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
223
Anhang 2: Übersicht über alle Items
Skala Expertise Nun folgen Fragen zu Ihrer berufsspezifischen Erfahrung, die Sie bisher gesammelt haben. Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. (q_4219031 - Typ 311)
v_10 Ich stehe noch am Anfang meiner Recruiting-Karriere.
v_11 Ich beschreibe mich als eignungsdiagnostisch sehr erfahren.
v_12 Ich bin ein eignungsdiagnostischer Experte.
v_13 Ich bin noch wenig routiniert in der eignungsdiagnostischen Entscheidungsfindung.
Skala subjektive Entscheidungsregeln
Zu Beginn meiner Tätigkeit als Recruiter/in... (q_4219103 - Typ 311)
v_37 wurde ich systematisch eingearbeitet und habe dabei von dem eignungsdiagnostischen Wissen Anderer profitiert.
v_38 habe ich zu keiner Zeit auf das Wissen erfahrener Kollegen zurückgreifen können.
v_39
gab es entweder keine praxiserprobten Erfahrungswerte, um „richtige“ eignungsdiagnostische Entscheidungen zu treffen, oder mir wurden diese nicht bekannt gemacht.
v_40 habe ich im Rahmen der Einarbeitung bewährte Entscheidungsregeln erlernt, und diese für meine eignungsdiagnostischen Entscheidungen übernommen.
v_41 habe ich explizit vermittelt bekommen, was einen „geeigneten“ Mitarbeiter auszeichnet.
v_42 musste ich völlig selbstständig ein Gefühl dafür entwickeln, wie der „geeignete“ Mitarbeiter sein soll.
Skala Anwendung von Schemata
In Bewerbungsgesprächen... (q_4219136 - Typ 311)
v_43 kann ich den Typ eines Bewerbers schnell kategorisieren.
v_44 kann ich die Gesamtpersönlichkeit eines Bewerbers schnell erfassen.
v_45 fällt es mir leicht, Eigenschaften zu erkennen und zu beschreiben, wenn sie den meinen ähneln.
v_46 hilft mir meine Erfahrung dabei, den Bewerber richtig einzuschätzen.
v_47 hilft mir meine Erfahrung dabei, die richtigen Ableitungen zu treffen.
v_48 zeigen sich häufig starke Parallelen zu anderen Bewerbern.
v_49
treffe ich manchmal Schlussfolgerungen, die eher auf meine Erfahrung als auf die Äußerungen eines Bewerbers zurück zu führen sind.
v_50 weiß ich in der Regel schon nach wenigen Minuten, ob jemand zum Unternehmen passt oder nicht.
v_51 weiß ich in der Regel schon nach wenigen Minuten, ob jemand für die Stelle geeignet ist oder nicht.
v_52 hat sich mein Ersteindruck häufig nicht bestätigt.
v_53 versuche ich stets, Erfahrungen mit anderen Bewerbern auszublenden.
v_54 behindert mich meine Erfahrung manchmal dabei, den Bewerber objektiv einzuschätzen.
v_55
ist die Fähigkeit, fundierte eignungsdiagnostische Entscheidungen treffen zu können, nicht von der Erfahrung abhängig.
Skala Verantwortlichkeitsgefühl
Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. (q_4219142 - Typ 311)
v_56
Ich fühle mich verpflichtet, stets eine fachkompetente und differenzierte eignungsdiagnostische Entscheidung zu treffen.
v_57
Ich stelle hohe fachliche Ansprüche an meine eignungsdiagnostische Kompetenz und entwickle diese stets aktiv weiter.
v_58
Ich fühle mich verantwortlich für den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg eines Bewerbers auf einer bestimmten Stelle.
v_59
Letztlich haben meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen nur wenig Einfluss auf den tatsächlichen Erfolg eines Bewerbers.
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
224
v_60
Meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten.
v_61
Wenn ich ehrlich bin, gehe ich manchmal etwas nachlässig oder oberflächlich bei meinen eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen vor.
Skala Kenntnis des Anforderungsprofils
Über das offizielle Anforderungsprofil hinaus... (q_4219143 - Typ 311)
v_62
informiere ich mich grundsätzlich durch ein detailliertes Gespräch mit dem Vorgesetzten oder anderen Stelleninhabern über die Anforderungen der Stelle.
v_63
schaue ich mir den Arbeitsalltag immer gezielt vor Ort an, um die konkreten Anforderungen wirklich zu kennen.
v_64
habe ich in der Regel selber konkrete Arbeitserfahrungen auf der Stelle bzw. in der Abteilung sammeln können.
v_65
kann ich die relevanten Arbeitsabläufe und konkreten Tätigkeiten bei einer Stelle ganz genau beschreiben.
v_66
könnte ich bei Bedarf konkrete stellenspezifische Arbeitssituationen im Bewerbungsgespräch simulieren.
Skala Rechenschaftsverpflichtung Nun folgen Fragen zu den organisationalen Rahmenbedingen Ihrer eignungsdiagnostischen Tätigkeit. Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. (q_4224200 - Typ 311) v_105
Ich muss meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen gegenüber Kollegen, Vorgesetzten oder Auftraggebern differenziert begründen können.
v_106
Finale eignungsdiagnostische Entscheidungen werden in der Regel von mehreren Entscheidungsträgern nach einer intensiven Diskussion getroffen.
v_107
Ich bin dazu verpflichtet, über jede meiner eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen ein ausführliches Protokoll oder Gutachten anzufertigen.
v_108
Ich muss meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen oder Entscheidungen in der Regel nicht erklären.
v_109 Ich muss meine Entscheidungen „eingestellt“ oder „abgelehnt“ vor niemandem begründen.
Skala Konkretheit des Anforderungsprofils
Das Anforderungsprofil für eine bestimmte Stelle ist in der Regel...formuliert. (q_4224190 - Typ 311)
v_69 abstrakt
v_70 konkret
v_71 schlagwortartig
v_72 detailliert
v_73 eigenschaftsbezogen
v_74 verhaltensbezogen
Skala Strukturiertheit des Interviews
Das Bewerbungsgespräch beinhaltet in der Regel... (q_4224196 - Typ 311)
v_93 den standardisierten Einsatz eines Interviewleitfadens.
v_94 standardisierte anforderungsbezogene Fragen.
v_95 standardisierte situative Fragen.
v_96 kleine anforderungsbezogene Rollenspiele.
v_97 ein ausführliches Protokoll des Gespräches.
Skala Systematik des Feedbacks
Feedback über die Qualität meiner eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen erhalte ich in der Regel durch... (q_4224197 - Typ 311)
v_99 die Probezeit bzw. Übernahmequote.
v_100 informelle Gespräche mit dem Vorgesetzten.
v_101 die direkte Zusammenarbeit mit dem zukünftigen Mitarbeiter.
v_102 die Ergebnisse von standardisierten Mitarbeiterbeurteilungen oder Mitarbeitergesprächen.
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
225
v_103 die systematische Evaluation der Einstellungsentscheidungen.
Skala Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses Nun folgen Fragen zu Ihren ganz individuellen und für Sie persönlich typischen eignungsdiagnostischen Entscheidungsprozessen. Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. In Bewerbungsgesprächen... (q_4224213 - Typ 311)
v_126 gehe ich eher intuitiv vor.
v_127 verlasse ich mich vor allem auf mein Bauchgefühl.
v_128 kann ich häufig schon frühzeitig eine Entscheidung treffen.
v_129 kann ich meine Eindrücke nicht immer explizit begründen.
v_130
lasse ich den Bewerber sich selbst beschreiben, um einen Eindruck von seinen Eigenschaften zu bekommen.
v_131
versuche ich, einen möglichst ganzheitlichen Eindruck über die Eigenschaften und die Persönlichkeit des Bewerbers zu bekommen.
v_132 ist mein Gesamteindruck von dem Bewerber wichtig, um eine Entscheidung treffen zu können.
v_133 nutze ich meine Intuition, um eine Entscheidung treffen zu können.
v_115 gehe ich eher rational-analytisch vor.
v_116 überlege ich mir genau, welche Informationen ich erhalten möchte.
v_117 sind meine Fragen strukturiert und zielgerichtet.
v_118 suche ich systematisch nach Argumenten für sowie gegen den Bewerber.
v_119 teste ich alle relevanten Anforderungen durch gezieltes Fragen systematisch ab.
v_120 versuche ich grundsätzlich, jeden von mir gewonnenen Eindruck mit konkreten Argumenten zu untermauern.
v_121 lasse ich mir alle relevanten Anforderungen mit konkreten Verhaltensbeispielen vom Bewerber schildern.
v_122
leite ich aus den einzelnen Schilderungen und Verhaltensweisen des Bewerbers jeweils Eigenschaften oder Kompetenzen ab.
v_123
begründe ich meine Einschätzungen mit konkreten Verhaltenshinweisen und Schilderungen des Bewerbers.
v_124
wäge ich systematisch alle relevanten Aspekte in einem Für und Wider ab, um eine Entscheidung treffen zu können.
v_125
nutze ich für meine Entscheidung Schwellen- oder Grenzwerte, z.B. ob ein Bewerber die Anforderungen erfüllt oder nicht.
Skala Entscheidungsdissonanz Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. Nach einer eignungsdiagnostischen Entscheidung... (q_4224218 - Typ 311)
v_137 bin ich vollkommen zufrieden mit meiner eignungsdiagnostischen Einschätzung.
v_138 bin ich grundsätzlich sicher, die richtigen Ableitungen und Entscheidungen getroffen zu haben.
v_139 bin ich mir häufig unsicher, ob meine Einschätzungen und Entscheidungen tatsächlich richtig waren.
v_140 hat sich schon häufiger herausgestellt, dass ich mich in meiner Prognose geirrt habe.
Skala Analytik Beurteilung Nehmen Sie nun bitte Stellung zu den Einschätzungen von Frau Meier! Die Einschätzungen und Beurteilungen von Frau Meier wirken auf mich... (q_4224299 - Typ 311)
v_141 subjektiv
v_142 analytisch
v_143 intuitiv
v_144 konkret
v_145 abstrakt
v_146 logisch nachvollziehbar
v_147 mehrdeutig interpretierbar
9 Anhang __________________________________________________________________________________________
226
v_148 anforderungsbezogen
v_149 zu wenig bezogen auf die Anforderungen
v_150 fundiert
v_151 oberflächlich
v_152 fachkompetent
v_153 lückenhaft
v_154 vollständig
v_155 strukturiert
v_156 willkürlich
Skala Analytik Entscheidung Zu welcher Entscheidung gelangen Sie nun auf Grund der Zusammenfassung von Frau Meier? (q_4224304 - Typ 311)
v_157 Ich kann Frau Mustermann mit gutem Gewissen als geeignet empfehlen.
v_158 Ich werde Frau Mustermann die Stelle anbieten.
v_159 Ich werde Frau Mustermann die Stelle vorerst nicht anbieten.
v_160 Ich kann noch keine Entscheidung treffen, da ich nicht genügend Informationen über die Erfüllung der einzelnen Anforderungen besitze.
v_161
Ich kann keine zuverlässige Aussage darüber treffen, ob Frau Mustermann die Anforderungen für die Stelle erfüllt.
v_162
Ich werde noch ein weiteres Bewerbungsgespräch mit Frau Mustermann führen, um eine Entscheidung treffen zu können.
Erklärung __________________________________________________________________________________________
227
Erklärung zur eigenständigen Verfassung der Dissertation
Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die
angegeben Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Die vorliegende Dissertation hat vorher noch keiner anderen Fakultät oder Universität
vorgelegen.
Nadja Koppers
Lebenslauf Nadja Koppers
PERSÖNLICHE DATEN
Geburtsdatum und -ort: 11.März 1985 in Aachen
Familienstand: ledig
HOCHSCHULBILDUNG UND AKADEMISCHE PRÜFUNGEN
10.`07 - 10.`09 Studium M.Sc. Psychologie
Schwerpunkt: Organisations- und Wirtschaftspsychologie
an der Ruhr-Universität Bochum
Tag der Prüfung: 12.10.2009
10.`04 - 08.`07 Studium B.Sc. Wirtschaftspsychologie
an der Ruhr-Universität Bochum
Tag der Prüfung: 24.08.2007
SCHULBILDUNG
09.`95 - 06.`04 Pestalozzi Gymnasium Unna
Abschluss: Allgemeine Hochschulreife
BERUFSERFAHRUNG
07.`09 - 09.`12 Beratende Psychologin bei Leonard Consulting, Essen
Personalauswahl und -entwicklung
11.`06 - 06.`09 Werkstudentin bei Leonard Consulting
09.`06 - 10.`06 Praktikantin bei Leonard Consulting
Nadja Koppers
Unna, 02. Oktober 2012