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Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven Urteils- und Entscheidungsprozessen von Recruitern in Einstellungsinterviews Inaugural – Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors in Philosophie in der Fakultät für Psychologie der RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM vorgelegt von: Nadja Koppers

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Page 1: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven

Urteils- und Entscheidungsprozessen von Recruitern in

Einstellungsinterviews

Inaugural – Dissertation

zur

Erlangung des Grades eines Doktors in Philosophie

in der

Fakultät für Psychologie

der

RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

vorgelegt von:

Nadja Koppers

Page 2: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

Gedruckt mit Genehmigung der Fakultät für Psychologie an der

RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

Referent: Prof. Dr. Heinrich Wottawa

Korreferent: Prof. Dr. Marc Solga

Tag der mündlichen Prüfung: 30.01.2013

Page 3: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit untersucht die Forschungsfrage, welche Determinanten und

intervenierenden Variablen den individuellen Urteils- und Entscheidungsprozess von

Recruitern in Einstellungsinterviews analytisch oder intuitiv prägen. Die Analyse der kausalen

Strukturen zielt auf ein besseres Verständnis jener kognitiven Prozesse, welche in dieser

Arbeit als wesentlich für die Validität von Einstellungsinterviews angenommen werden.

Vor dem Hintergrund bisheriger Studien zur Validität des Einstellungsinterviews sowie

normativer und deskriptiver Theorien zur Erklärung menschlicher Informationsverarbeitungs-,

Entscheidungs- und Lernprozesse, werden die relevanten Determinanten für den jeweils

individuellen eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozess eines Recruiters bei

Einstellungsinterviews empirisch überprüft. Konform zum dynamisch-interaktionistischen

Paradigma werden dabei die kontextuellen Einflüsse organisationaler Rahmenbedingungen

sowie die persönlichen und motivationalen Einflüsse der Person des Recruiters hinsichtlich

seiner Lernprozesse und seines Involvements berücksichtigt.

Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als

Datenbasis wird eine populationsvalide Stichprobe von 272 praktisch tätigen Recruitern

genutzt, die internetgestützt erhoben wurde.

Die Ergebnisse zeigen hypothesenkonform, dass die operationalisierten Variablen Expertise,

Verantwortlichkeitsgefühl und Kenntnis des Anforderungsprofils sowie auch die Variablen

Rechenschaftsverpflichtung, Strukturiertheit des Interviews, Konkretheit des Anforderungs-

profils und Systematik des Feedbacks einen analytischen eignungsdiagnostischen Urteils-

und Entscheidungsprozess begünstigen. Ebenfalls hypothesenkonform hängen die Variablen

subjektive Entscheidungsregeln und Schemata negativ mit diesem zusammen.

Es können weiterhin diverse mediierende Zusammenhänge, insbesondere für die Variablen

des persönlichen Involvements nachgewiesen werden.

Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells werden durch eine experimentelle Fallstudie

(einfaktorielles between-subjects-Design) ergänzt, bei der zwei randomisierte Bedingungen

hinsichtlich der kontextuellen Faktoren Rechenschaftsverpflichtung und Konkretheit des

Anforderungsprofils für eine fiktive Entscheidungssituation variiert werden. Ebenfalls werden

die Ergebnisse von Cluster- und Varianzanalysen, welche den Zusammenhang zwischen

demografischen Variablen, organisationalen Rahmenbedingungen und dem jeweiligen

Entscheidungsmodus spezifizieren, im Gesamtkontext der Arbeit diskutiert. Abschließend

werden praktische Implikationen sowie Anregungen für die weitere Forschung aufgeführt.

Page 4: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei denjenigen Menschen bedanken, die direkt oder indirekt

zum Gelingen meiner Dissertation beigetragen haben.

Zuerst möchte ich Herrn Prof. Dr. Heinrich Wottawa für die Übernahme der Erstbegutachtung

sowie für hilfreiche Anregungen und Denkanstöße danken. Herrn Prof. Dr. Marc Solga danke

ich für die Zweitbegutachtung und zusätzliche Impulse für meine Arbeit.

Vor allem sind es aber die Teilnehmer, die ganz wesentlich zum Gelingen der Studie

beigetragen haben, für deren Zeit, Interesse und Engagement ich mich an dieser Stelle noch

einmal herzlich bedanken möchte.

Besonderer Dank geht auch an meine Familie und Freunde, für ihre Unterstützung in vielen

Bereichen.

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Inhaltsverzeichnis

1.  Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und

Entscheidungsprozessen ................................................................................................... 1 

1.1  Das Einstellungsinterview in der Praxis – Einflussfaktoren und Probleme ................. 1 

1.2  Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ............................................................................... 3 

2.  Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ................. 5 

2.1  Der diagnostische Prozess – die normative Perspektive ............................................ 5 

2.2  Zur Überlegenheit der statistischen gegenüber der klinischen Urteilsbildung .......... 10 

2.3  Einflussfaktoren auf die Güte von Einstellungsinterviews ......................................... 13 

2.3.1  Strukturiertheit des Einstellungsinterviews ................................................................ 13 

2.3.2  Relevanz des Anforderungsprofils ............................................................................. 17 

2.3.3  Interviewertraining, Feedback und Rechenschaftsverpflichtung ............................... 19 

2.4  Zum Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren auf die Güte von

Einstellungsinterviews und analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ..... 23 

3.  Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters –

ist Analytik nur ein theoretisches Ideal? ........................................................................ 29 

3.1  Grundlagen sozialer Wahrnehmung und Urteilsbildung ............................................ 30 

3.2  Der „homo heuristicus“ – die pragmatische Perspektive ........................................... 35 

4.  Intuition als Indikator für Expertise? .............................................................................. 39 

4.1  Vom „Novizen“ zum „Experten“ – von expliziten Entscheidungsregeln und intuitiver

Mustererkennung bei Urteils- und Entscheidungsprozessen ................................... 39 

4.2  Zur Validität der Lernumgebung als Prämisse für den Erwerb von Expertenwissen 45 

4.3  Lernen ohne Feedback? – zum Dilemma „richtiger“ intuitiver

eignungsdiagnostischer Entscheidungen .................................................................. 48 

5.  Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ............................................. 54 

5.1  Zwei-Prozess-Modelle und das persönliche Involvement als relevanter Faktor für

den Urteils- und Entscheidungsmodus ...................................................................... 54 

5.2  Zur Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven Entscheidungsmodus –

Empirische Befunde ................................................................................................... 59

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6.  Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge .................................................... 64 

6.1  Methodik der Strukturgleichungsmodellierung ........................................................... 64 

6.1.1  Charakteristika von Strukturgleichungsmodellen ...................................................... 64 

6.1.2  Abgrenzung von Pfadanalyse und Strukturgleichungsmodellen ............................... 65 

6.2  Prozess der Strukturgleichungsmodellierung für die vorliegende Untersuchung ..... 69 

6.2.1  Hypothesen- und Modellbildung ................................................................................. 69 

6.2.2  Konstruktoperationalisierung: Formulierung reflektiver Mess-Indikatoren ................ 76 

6.2.3  Untersuchungsaufbau und Datenerhebung ............................................................... 78 

6.2.4  Stichprobe ................................................................................................................... 81 

6.2.5  Vorbereitung des Datensatzes, Prüfung der multivariaten Verteilungsannahme ..... 87 

6.2.6  Güteprüfung der reflektiven Mess-Modelle ................................................................ 89 

6.2.6.1  Gütekriterien der ersten Generation .......................................................................... 90 

6.2.6.2  Gütekriterien der zweiten Generation ........................................................................ 98 

6.2.7  Bivariate Korrelationsanalyse ................................................................................... 108 

6.2.8  Kovarianzanalytische Modellschätzung – Evaluation des Gesamtmodells ............ 110 

6.2.8.1  Hypothesenprüfung und Interpretation – Analyse der direkten und mediierenden

Effekte im Strukturgleichungsmodell ....................................................................... 116 

6.2.8.2  Modellmodifikation ................................................................................................... 140 

6.2.9  Fazit und methodische Optimierungsvorschläge ..................................................... 144 

6.3  Kausaleffekte in der Fallstudie – Analyse der Gruppenunterschiede anhand

multivariater allgemeiner Modelle ............................................................................ 146 

6.3.1  Versuchsdesign ........................................................................................................ 146 

6.3.2  Operationalisierung und Reliabilität der abhängigen Variablen .............................. 148 

6.3.3  Ergebnisse der Fallstudie – multivariate allgemeine lineare Modelle ..................... 150 

6.3.4  Fazit und methodische Optimierungsvorschläge ..................................................... 156 

6.4  Clusteranalyse zur Identifikation von spezifischen Recruiter-Typen ....................... 157 

6.4.1  Clusterlösung 2 – basierend auf persönlichen Lernprozessen ............................... 159 

6.4.2  Clusterlösung 4 – basierend auf organisationalen Rahmenbedingungen .............. 163 

6.5  Analyse von Gruppenunterschieden – uni- und multivariate allgemeine lineare

Modelle ..................................................................................................................... 168 

6.5.1  Einfluss demografischer Variablen auf die Analytik des eignungsdiagnostischen

Urteils- und Entscheidungsprozesses ..................................................................... 168 

6.5.2  Einfluss der Unternehmensgröße und des Recruitingstatus auf die organisationalen

Rahmenbedingungen eignungsdiagnostischer Entscheidungen ............................ 181 

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7.  Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung

und Praxis ........................................................................................................................ 187 

8.  Literatur ............................................................................................................................ 198 

9.  Anhang ............................................................................................................................. 212 

Anhang 1: Online-Erhebung in unipark .................................................................................... 212 

Anhang 2: Übersicht über alle Items ........................................................................................ 223 

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:  Übersicht über die Struktur der Online-Erhebung ....................................... 79 

Abbildung 2:   Balkendiagramm – Übersicht über die Fachrichtung des

berufsqualifizierenden Studiums der befragten Recruiter ........................... 82 

Abbildung 3:  Balkendiagramm – Übersicht über den Anteil an Einstellungsinterviews

innerhalb der beruflichen Tätigkeit der befragten Recruiter ........................ 83 

Abbildung 4:  Balkendiagramm – Übersicht über die in der vorliegenden Stichprobe

vertretenen Unternehmensgrößen ............................................................... 84 

Abbildung 5:  Balkendiagramm – Übersicht über die in der vorliegenden Stichprobe

vertretenen Unternehmensbranchen ........................................................... 85 

Abbildung 6:  Balkendiagramm – Übersicht über die Häufigkeit eignungsdiagnostischer

Weiterbildung der befragten Recruiter ......................................................... 86 

Abbildung 7:  Balkendiagramm – Übersicht über den persönlichen

eignungsdiagnostischen Weiterbildungsbedarf der befragten Recruiter .... 86 

Abbildung 8:  Grafische Darstellung CFA ......................................................................... 100 

Abbildung 9:  Grafisches Strukturgleichungsmodell – Ausgangsmodell ......................... 113 

Abbildung 10:  Vollständiges und reduziertes Modell zur Prüfung von Mediator-Effekten 117 

Abbildung 11:  Grafisches Strukturgleichungsmodell – Endmodell ................................... 141 

Abbildung 12:  Bedingung A in der Fallstudie .................................................................... 147 

Abbildung 13:  Bedingung B in der Fallstudie .................................................................... 147 

Abbildung 14:  Gesprächsprotokoll in der Fallstudie .......................................................... 148 

Abbildung 15:  Übersicht über Clusterlösung 2 mit 4 Clustern .......................................... 159 

Abbildung 16:  Übersicht über Clusterlösung 4 mit 4 Clustern .......................................... 164 

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:  Zusammenfassung der Hypothesen ................................................................. 75 

Tabelle 2:  Konstruktoperationalisierung ............................................................................. 77 

Tabelle 3:  Deskriptive Statistik und K.-S.-Test der Skalen nach kompletter Güteprüfung 88 

Tabelle 4:  Exploratorische Faktorenanalysen zur Prüfung auf Eindimensionalität ........... 91 

Tabelle 5:  Cronbach`s Alpha vor und nach Itemselektion ................................................. 93 

Tabelle 6:  Übersicht über noch kritische Items nach Itemselektion ................................... 94 

Tabelle 7:  Faktorenstruktur ................................................................................................. 95 

Tabelle 8:  Ergebnisse CFA ............................................................................................... 101 

Tabelle 9:  Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen ..................................................... 102 

Tabelle 10:  Kriterien der Güteprüfung hinsichtlich Konvergenz- und Diskriminanz-

validität ............................................................................................................. 103 

Tabelle 11:  Anpassungsgüte des Ausgangsmodells – CFA .............................................. 104 

Tabelle 12:  Anpassungsgüte des modifizierten Modells – CFA ........................................ 105 

Tabelle 13:  Vergleich Ergebnisse CFA im Ausgangsmodell und modifizierten Modell .... 106 

Tabelle 14:  Anpassungsgüte des weiter modifizierten Modells – CFA ............................. 106 

Tabelle 15:  Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen im modifizierten Modell .............. 107 

Tabelle 16:  Kriterien der Güteprüfung im modifizierten Modell hinsichtlich Konvergenz- und

Diskriminanzvalidität ........................................................................................ 107 

Tabelle 17:  Bivariate Korrelationsmatrix nach Pearson ..................................................... 109 

Tabelle 18:  Pfadkoeffizienten im SGM-Ausgangsmodell .................................................. 114 

Tabelle 19:  Standardisierte totale Effekte im SGM-Ausgangsmodell ............................... 115 

Tabelle 20:  Anpassungsgüte des SGM-Ausgangsmodells ............................................... 115 

Tabelle 21:  Hypothese 1.4.................................................................................................. 118 

Tabelle 22:  Hypothese 1.5.................................................................................................. 120 

Tabelle 23:  Hypothese 1.6.................................................................................................. 121 

Tabelle 24:  Hypothese 2.5.................................................................................................. 122 

Tabelle 25:  Hypothese 2.6.................................................................................................. 124 

Tabelle 26:  Hypothese 2.7.................................................................................................. 125 

Tabelle 27:  Hypothese 3.3.................................................................................................. 126 

Tabelle 28:  Hypothese 3.4.................................................................................................. 127 

Tabelle 29:  Hypothese 3.5.................................................................................................. 128 

Tabelle 30:  Hypothese 3.6.................................................................................................. 129 

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Tabelle 31:  Hypothese 3.7.................................................................................................. 130 

Tabelle 32:  Hypothese 3.8.................................................................................................. 132 

Tabelle 33:  Hypothese 3.9.................................................................................................. 133 

Tabelle 34:  Hypothese 3.10 ............................................................................................... 134 

Tabelle 35:  Hypothese 3.11 ............................................................................................... 135 

Tabelle 36:  Hypothese 4.4.................................................................................................. 136 

Tabelle 37:  Hypothese 4.5.................................................................................................. 138 

Tabelle 38:  Zusammenfassung der Hypothesenprüfung ................................................... 140 

Tabelle 39:  Pfadkoeffizienten im SGM-Endmodell ............................................................ 142 

Tabelle 40:  Anpassungsgüte des SGM-Endmodells ......................................................... 143 

Tabelle 41:  Varianzaufklärung (SMC) der endogenen Variablen ...................................... 143 

Tabelle 42:  Konstruktoperationalisierung in der Fallstudie ................................................ 149 

Tabelle 43:  Charakterisierung der Clusterlösung 2 anhand demografischer Variablen ... 160 

Tabelle 44:  Charakterisierung der Clusterlösung 4 anhand demografischer Variablen ... 165 

Tabelle 45:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Fachrichtung des Studiums .... 169 

Tabelle 46:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Recruitingstatus ...................... 172 

Tabelle 47:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Erfahrung in

Einstellungsinterviews auf Analytik ................................................................. 173 

Tabelle 48:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Erfahrung in

Einstellungsinterviews auf Expertise ............................................................... 174 

Tabelle 49:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Unternehmensgröße ............... 175 

Tabelle 50:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Unternehmensbranche ........... 176 

Tabelle 51:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Häufigkeit

eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf Analytik ........................................ 178 

Tabelle 52:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Häufigkeit

eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf Expertise ..................................... 179 

Tabelle 53:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für eignungsdiagnostischer

Weiterbildungsbedarf auf Analytik ................................................................... 179 

Tabelle 54:  Univariates ALM – Gruppenunterschiede für eignungsdiagnostischer

Weiterbildungsbedarf auf Expertise ................................................................ 180 

Tabelle 55:  Faktoren Unternehmensgröße und Recruitingstatus auf organisationale

Rahmenbedingungen – Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede .............. 181 

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Tabellengruppenverzeichnis

Tabellengruppe 1:  Multivariates ALM Fallstudie ................................................................. 151 

Tabellengruppe 2:  Multivariates ALM Fallstudie Gruppe Psychologen .............................. 153 

Tabellengruppe 3:  Multivariates ALM Fallstudie Gruppe erhöhter Weiterbildungsbedarf .. 155 

Tabellengruppe 4:  Multivariates ALM Clusterlösung 2 ....................................................... 162 

Tabellengruppe 5:  Multivariates ALM Clusterlösung 4 ....................................................... 166 

Tabellengruppe 6:  Multivariates ALM – Fachrichtung auf Entscheidungsdissonanz und

Expertise ................................................................................................ 170 

Tabellengruppe 7:  Multivariates ALM – Unternehmensgröße auf organisationale

Rahmenbedingungen ............................................................................ 182 

Tabellengruppe 8:  Multivariates ALM – Recruitingstatus auf organisationale

Rahmenbedingungen ............................................................................ 185 

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Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungen Bezeichnungen

AGFI Adjusted Goodness of Fit Index

ALM Allgemeines lineares Modell

Ana Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses

AnaB Analytik der Beurteilung

AnaEnt Analytik der Entscheidung

ANOVA einfaktorielle Varianzanalyse

ASV Average Shared Squared Variance

AV Abhängige Variable

AVE Average Variance Extracted

CFA konfirmatorische Faktorenanalyse

CMIN/DF Quotient ChiQuadrat in Relation zu Freiheitsgraden

CR Composite Reliability

C.R. Critical Ratio

DEV durchschnittliche je Faktor extrahierte Varianz

df Freiheitsgrade

Diss Entscheidungsdissonanz

EFA exploratorische Faktorenanalyse

Exp Expertise

GFI Goodness of Fit Index

HB Heuristics and Biases

IV Intervenierende Variable

KeA Kenntnis des Anforderungsprofils

KMO-Maß Kaiser-Meyer-Olkin-Maß

KoA Konkretheit des Anforderungsprofils

K.S.-Test Kolmogrorov-Smirnoff-Test

MA Mitarbeiter

M.I. Modification Indices

ML-Methode Maximum-Likelihood-Methode

MSV Maximum Shared Squared Variance

NDM Naturalistic Decison Making

R² Bestimmtheitsmaß

Rech Rechenschaftsverpflichtung

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Abkürzungen Bezeichnungen

RMSEA Root Mean Square Error of Approximation

RMR Root Mean Square Residual

Sche Schemata

S.E. Standardized Error/ Standardfehler

SGM Strukturgleichungsmodell

SMC Squared Multiple Correlations

StrI Strukturiertheit des Einstellungsinterview

subjE subjektive Entscheidungsregeln

SysF Systematik des Feedbacks

UV Unabhängige Variable

Ver Verantwortlichkeitsgefühl

VIF Variable Inflation Factor

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1 Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ___________________________________________________________________________________________

1

1. Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und

Entscheidungsprozessen

1.1 Das Einstellungsinterview in der Praxis – Einflussfaktoren und Probleme

Personaleinstellungen gehören zu den strategisch wichtigsten Entscheidungen im Hinblick

auf die Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolges (vgl. Weuster, 2008, S.6). Das

Bewerbungsinterview ist dabei, neben der Analyse von Bewerbungsunterlagen, die am

häufigsten verwendete Methode für Einstellungsentscheidungen in Deutschland (Schuler et

al., 2007, S.61; Hell et al., 2006, S.3; Stephan & Westhoff, 2002, S.13; Schuler, Frier &

Kaufmann, 1993, S.34).

Die Qualität von Einstellungsinterviews, gemessen in Objektivität, Reliabilität und Validität

(vgl. Lienert & Raatz, 1994), hängt jedoch stark von der Person des Recruiters1 ab. Seine

Aufgabe ist es, die Passung des Bewerbers zur Stelle und/ oder zum Unternehmen zu

beurteilen und daraus eine möglichst richtige Entscheidung abzuleiten.

Die dabei wirkenden Urteils- und Entscheidungsprozesse werden sowohl durch die

Persönlichkeit des Recruiters, seine individuellen Erfahrungen und Kompetenzen beeinflusst,

als auch durch die situativen und organisationalen Rahmenbedingungen des

Einstellungsinterviews und das Verhalten des Bewerbers2.

Folglich laufen diese Urteils- und Entscheidungsprozesse inter- und intraindividuell

unterschiedlich ab, was sich auf die Güte und Nachvollziehbarkeit von

Einstellungsentscheidungen nachteilig auswirken kann.

Obwohl die wissenschaftliche Eignungsdiagnostik bereits zahlreiche Handlungs- und

Gestaltungsempfehlungen für objektive, reliable und valide durchgeführte Einstellungs-

interviews geliefert hat (vgl. zusammenfassend Strobel & Westhoff, 2009), werden die

meisten Einstellungsentscheidungen in der Praxis losgelöst von wissenschaftlichen

Empfehlungen noch immer aus dem Bauch heraus, nach Sympathie oder wegen der

überzeugenden Persönlichkeit getroffen (Kleebaur, 2007, S.49ff/130ff; Kanning et al., 2007,

1 In der vorliegenden Arbeit wird zur besseren Lesbarkeit des Textes durchgängig die männliche Form verwendet. Unabhängig davon sind dabei sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint. 2 ausgehend von dem dynamisch-interaktionistischen Paradigma der Psychologie zur Erklärung menschlichen Verhaltens und Erlebens durch Personen- und Situationsvariablen (Mischel & Shoda, 1995; Endler & Magnusson, 1976);

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1 Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ___________________________________________________________________________________________

2

S.164; Stephan & Westhoff, 2002, S.11f). In der Praxis dominieren intuitive Elemente die

Personalentscheidung (Highhouse, 2008, S.333f).

Intuitives Entscheiden wird in normativen Forschungsansätzen vor allem mit Heuristiken und

Urteilsfehlern in Verbindung gebracht (vgl. Heuristics-and-Biases-Ansatz nach Gilovich,

Griffin & Kahneman, 2002; Kahneman, Slovic & Tversky, 1982).

Die Arbeiten Gigerenzers, Todd`s & the ABC Group (1999/2000) zur Adaptiven Toolbox

(auch Todd & Gigerenzer, 2001; Gigerenzer & Selten, 2001) beschreiben im Gegensatz

dazu, welche Vorteile Heuristiken in komplexen Situationen (Gigerenzer & Gaissmaier, 2011;

Gigerenzer & Brighton, 2009; Gigerenzer, 2008) und unter Unsicherheit (Goldstein &

Gigerenzer, 2011; Cosmides & Tooby, 1996) bieten.

Im Unterschied zur heuristischen Definition, wird intuitives Entscheiden im Zusammenhang

mit Expertenwissen durch vielfältiges Erfahrungswissen charakterisiert (Patterson et al.,

2010; Gobet & Chassy, 2008; Ericsson & Smith, 1991). Das intuitive Entscheidungsmuster

eines Experten ist damit das Ergebnis von komplexen Lernprozessen und durch assoziative

Mechanismen geprägt (Plessner, Betsch & Betsch, 2008; Lieberman, 2000).

Dementsprechend belegen auch einige Arbeiten die Überlegenheit intuitiver

Entscheidungsstrategien in komplexen Situationen (Dijksterhuis & Nordgren, 2006) sowie für

Managemententscheidungen (Salas et al., 2009; Matzler et al. 2007; Pratt, 2007; Sinclair et

al., 2002).

Der intuitive Trend wird dabei auch von dem aus der kognitiv-emotionalen

neurowissenschaftlichen Forschung hervorgegangenen Paradigmenwechsel der Relevanz

emotionaler statt rationaler Aspekte bei Entscheidungen unterstützt. So belegen einige

Wissenschaftler, dass Entscheidungen grundsätzlich unbewusst im limbischen System

vorbereitet werden und dort auch schon einige Sekunden vor der Entscheidung lokalisierbar

sind. Der Mensch versuche dabei nur, seine Entscheidungen im Nachhinein mit rationalen

Argumenten zu rechtfertigen (Soon et al., 2008; vgl. auch Roth, 2003).

Dennoch kann ein intuitiver Entscheidungsmodus auch ausschließlich auf subjektiven

Entscheidungsregeln aufgebaut sein, wenn kein evaluiertes Erfahrungswissen im

Lernprozess aufgebaut werden konnte. Dieser ist besonders anfällig für Urteilsfehler, da er

sich meist auf nur wenige Hinweisreize (sogenannte cues, vgl. Czerlinski, Gigerenzer &

Goldstein, 1999) stützt.

Da Personalentscheidungen in der Regel sehr komplex sind und verschiedene

Wahrnehmungs- und Integrationsprozesse beinhalten, kann intuitives oder „ganzheitliches“

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1 Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ___________________________________________________________________________________________

3

Beurteilen und Entscheiden in der Personalauswahl deshalb große Risiken von

Fehleinschätzungen bergen (Kanning, 2004, S.58).

Die Folge einer unzureichenden Prüfung von stellenrelevanten Fertigkeiten und

Kompetenzen ist der Verlust von bedeutendem personalen und damit unternehmerischem

Potenzial (Stephan & Westhoff, 2002, S.16). Fehlentscheidungen können somit sowohl

finanzielle als auch arbeitsorganisatorische Konsequenzen haben (Weuster, 2008, S.324).

Ebenso hat eine „intuitive“ Personalauswahl auch arbeitsrechtliche wie ethische Relevanz

(Schuler, 2002, S.128f).

Die fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit solcher Entscheidungen lässt nicht nur an

der Einstellungsentscheidung, sondern auch an der Kompetenz von Personalentscheidern

zweifeln, die sich ihrer guten „Menschenkenntnis“ (vgl. Kanning, 2004, S.58) rühmen. So

stellt Kanning (ebd.) fest: „Die subjektive Gewissheit [über die Richtigkeit der getroffenen

Entscheidung3] ist somit kein geeignetes Wahrheitskriterium“ (vgl. auch Kahneman & Klein,

2009, S.524: „Subjektive Gewissheit ist deshalb kein zuverlässiger Indikator für die Validität

eines intuitiven Urteils oder einer intuitiven Entscheidung“4).

Nicht zuletzt sollte der ethische Anspruch einer professionellen und fairen Personaldiagnostik

darin liegen, nicht nur das Unternehmen und die Organisation, sondern auch den Bewerber

vor Fehlentscheidungen und den verbundenen langfristigen Kosten zu schützen.

Deshalb bedürfen intuitive Entscheidungselemente, ob schematisch-heuristisch oder

erfahrungsbasiert, bei der Personalauswahl einer besonderen Kontrolle.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Den obigen Ausführungen folgend, widmet sich diese Arbeit einer wissenschaftlich fundierten

Personaldiagnostik mit der Forschungsfrage, welche Determinanten den individuellen Urteils-

und Entscheidungsprozess von Recruitern eher analytisch oder intuitiv prägen und welche

intervenierenden Variablen dabei berücksichtigt werden müssen.

Zunächst werden eignungsdiagnostische Beurteilungen und Entscheidungen auf normativer

Ebene diskutiert und die Relevanz von Analytik für valide eignungsdiagnostische

Entscheidungen erläutert. Zudem werden bisherige empirische Befunde sowie theoretische

3 Anmerkung der Autorin 4 Übersetzung der Autorin

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1 Analytik und Intuition in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ___________________________________________________________________________________________

4

Überlegungen zu den Determinanten analytischer Urteils- und Entscheidungsprozesse

zusammengefasst (Kapitel 2).

Daran anschließend werden grundlegende Mechanismen der Personenwahrnehmung und

-beurteilung beleuchtet. Im Kontext der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des

Menschen werden ebenfalls die Problematik vollständig analytischer Entscheidungen in der

eignungsdiagnostischen Praxis, sowie die daraus resultierende Nützlichkeit von Heuristiken

und Schemata bei Personalentscheidungen erläutert (Kapitel 3).

Darauf aufbauend werden die Lernprozesse von Recruitern und in diesem Kontext auch der

Zusammenhang zwischen Intuition und Expertenwissen näher beleuchtet. Die heuristische

und die expertise-basierte Definition von Intuition werden hierbei voneinander abgegrenzt.

Weiterhin wird erklärt, warum intuitive Entscheidungsmuster im eignungsdiagnostischen

Kontext nicht eindeutig als Indikator für umfangreiches Expertenwissen interpretierbar sind,

sondern auch nicht-evaluiertes Routinewissen indizieren können (Kapitel 4).

Anschließend wird mit Hilfe sogenannter Zwei-Prozess-Modelle der analytische und der

intuitive Urteils- und Entscheidungsmodus voneinander abgegrenzt und erklärt, warum diese

in der vorliegenden Untersuchung nicht als stabile Präferenz, sondern als kontextabhängig

und damit als grundsätzlich variabel angenommen werden (Kapitel 5).

Die relevanten Einflussfaktoren auf analytische und intuitive Urteils- und

Entscheidungsprozesse werden also zunächst durch Analyse und Diskussion bisheriger

Arbeiten auf theoretischer wie empirischer Ebene identifiziert (Kapitel 1-5), danach in ein

theoretisches Rahmenmodell integriert und schließlich empirisch überprüft (Kapitel 6).

Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient dabei die Strukturgleichungsmodellierung.

Innerhalb des postulierten Modells werden sowohl die Lernprozesse des Recruiters und

motivationale Faktoren als persönliche Einflussvariablen, sowie verschiedene organisationale

Einflussvariablen untersucht.

Die Analyse der kausalen Strukturen und intervenierenden Variablen zielt auf ein besseres

Verständnis der Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern in Einstellungs-

interviews. Damit soll empirisches Fundament für die Ableitung konkreter Maßnahmen

geschaffen werden, um eignungsdiagnostische Urteils- und Entscheidungsprozesse in der

Praxis nachhaltig optimieren zu können.

Abschließend werden die Ergebnisse im Hinblick auf praktische Implikationen sowie

Anregungen für die weitere Forschung zusammengefasst (Kapitel 7).

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2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________

5

2. Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische

Entscheidungen

2.1 Der diagnostische Prozess – die normative Perspektive

Im folgenden Abschnitt werden relevante Arbeiten, die sich besonders mit den

Anforderungen an diagnostische Entscheidungen und Prozesse befassen und diese auf

normativer Ebene betrachten, dargestellt und zusammengefasst. Die Auswahl der Arbeiten

ist exemplarisch zu verstehen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Der diagnostische Prozess nach Westmeyer (1972)

Der diagnostische Prozess nach Westmeyer (1972, S.22) basiert auf dem deduktiven Modell

Hempel & Oppenheims (1948), in welchem das Explanans („Erklärendes“) die Begründung

für ein Explanandum („zu Erklärendes“) liefert. So führen Antezendenzbedingungen aufgrund

bestimmter Gesetzmäßigkeiten oder Wahrscheinlichkeiten zu bestimmten Ergebnissen. Der

diagnostische Prozess hat nun zum Ziel, entweder das Explanans zu erklären, oder aber das

Explanandum zu prognostizieren (Westmeyer, 1972, S.24).

Entscheidende Voraussetzung für die Gültigkeit dieser Diagnose oder Prognose ist jedoch,

dass die Schlussfolgerung logisch aus allgemeingültigen und empirisch bestätigten

Gesetzmäßigkeiten hergeleitet wird (ebd., S.23).

Diese allgemeingültigen Gesetze liegen dem Diagnostiker allerdings nicht in vollständiger

und empirisch genügend fundierter Form vor. Die Diagnose oder Prognose bleibt immer ein

Stück unsicher, da sie zumeist sogar nur auf Wahrscheinlichkeiten beruht (ebd., S.39).

Westmeyer (1972, S.142) beschreibt dies als grundsätzliches Problem innerhalb der

Eignungsdiagnostik und fordert deshalb, die vorliegenden Gesetzmäßigkeiten empirisch zu

überprüfen, um daraus die „notwendige Datenbank“ für diagnostische Entscheidungen

entwickeln zu können.

Der diagnostische Prozess nach Jäger (1986)

Jäger (1986, S.11) beschreibt den diagnostischen Prozess als „Ablauf von Maßnahmen, mit

deren Hilfe und unter Anwendung diagnostischer Methoden eine mit diagnostischer

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2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________

6

Zielsetzung vorgegebene Fragestellung so beantwortet wird, dass für einen Auftraggeber

eine Entscheidungshilfe bzw. eine Entscheidung herbeigeführt werden kann“.

Die Teilschritte des diagnostischen Prozesses beinhalten dabei nach Jäger (19865):

- die Formulierung einer Fragestellung, aus der sich auch die Zielsetzung des

diagnostischen Prozesses ableitet6

- die Formulierung von Hypothesen, die zur Erklärung oder Prognose eines

Phänomens dienen sollen,

- die Datengewinnung, die der Hypothesenprüfung dienen soll,

- die Urteilsbildung, innerhalb dieser „der Diagnostiker die ihm zunächst vorliegenden

Informationen über den Diagnostikanten zu einem neuen, aus vorhandenen Daten

aggregiertem Datum reduziert, um es diagnostisch oder prognostisch zu nutzen“

(Jäger, 1986, S.235) und sodann

- die Indikation oder Entscheidung ableitet.

Bei der diagnostischen Urteilsbildung sind Verknüpfungsregeln zwischen diagnostischen

Informationen und Urteilen notwendig, um den Einfluss von Subjektivität durch den

Diagnostiker zu verringern.

Da es an solchen empirisch geprüften Verknüpfungsregeln zwischen beobachtbaren

Indikatoren und latenten Verhaltensmerkmalen jedoch grundsätzlich mangelt, muss der

Diagnostiker seine Intuition und Erfahrung zu Hilfe nehmen, um die Indikatoren zu einem

diagnostischen Urteil zu integrieren (Jäger, 1986, S.236ff; Jäger & Petermann, 1995, S.461-

467).

DIN 33430 (2002)

Im Jahre 2002 wurde die DIN 33430 – „Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei

berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen“ – veröffentlicht. Sie beschreibt „Qualitätskriterien

und -standards für berufsbezogene Eignungsbeurteilungen sowie Qualifikations-

anforderungen an die an der Eignungsbeurteilung beteiligten Personen“ (DIN e.V., 2002,

S.3).

5 aus Jäger & Petermann (1995, S.450-453); 6 vgl. vier Dimensionen diagnostischer Zielsetzungen nach Pawlik, 1976: Status- oder Prozessdiagnostik, Norm- oder Kriteriumsorientierung, Testen oder Inventarisieren, Messung oder Behandlung;

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2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________

7

Das Anforderungsprofil spielt eine wesentliche Rolle in der Qualitätssicherung des

eignungsdiagnostischen Prozesses. So soll das Anforderungsprofil „die Basis einer

Eignungsbeurteilung sein“ (DIN e.V., 2002, S. 12) sowie „die Merkmale eines Arbeitsplatzes,

einer Ausbildung bzw. eines Studiums, eines Berufs oder einer beruflichen Tätigkeit ermitteln,

die für den beruflichen Erfolg und die berufliche Zufriedenheit bedeutsam sind“ (ebd.).

Weiterhin sollten aus der Anforderungsanalyse „diejenigen Eignungsmerkmale mit ihren

Ausprägungsgraden abgeleitet werden, die zur Erfüllung der Anforderungen nötig sind“

(ebd.).

Ebenfalls dürfen für die berufsbezogene Eignungsbeurteilung „nur solche Verfahren

eingeplant werden, die nachweislich einen Bezug zu den Anforderungen haben“ (DIN e.V.,

2002, S.6) und „eine für die Fragestellung möglichst hohe Gültigkeit aufweisen“ (DIN e.V.,

2002, S.7).

Weiterhin fordert die DIN: „Es sind Regeln festzulegen und zu dokumentieren, anhand derer

die Ergebnisse zur Eignungsbeurteilung führen“ (DIN e.V., 2002, S.8).

Außerdem sollen alle an der Durchführung und Auswertung von Eignungsinterviews,

Verhaltensbeobachtungen und -beurteilungen Beteiligten über profunde Kenntnis folgender

Themen verfügen (DIN e.V., 2002, S.11):

- Verhaltensbeobachtungen und -beurteilungen

o Beobachtung & Systematik der Beobachtung

o Operationalisierungen von Eignungsmerkmalen

o Definition und Abgrenzung von Beobachtungseinheiten

o Dokumentation & Auswertung der Beobachtungen

o Bezugsmaßstab

o Formen der Urteilsbildung (statistisch und nicht-statistisch)

o Beobachtungsfehler

o Gütekriterien

- Eignungsinterviews

o Interviewklassifikationen

o Interviewleitfäden & Fragetechniken

o Beurteilungsbereiche

o Rechtliche Zulässigkeit

Die DIN fordert also eine explizit-regelgeleitete Eignungsbeurteilung, die durch eine

sorgfältige Anforderungsanalyse validiert und rational nachvollziehbar ist.

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2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________

8

Die Interpretation der Ergebnisse lässt hier keinen Raum für subjektive oder intuitive

Elemente, sondern fordert eine klare Operationalisierung von Eignungsmerkmalen in

Beobachtungseinheiten, welche dann anhand expliziter Regeln in eine Eignungsbeurteilung

münden.

Richtlinien für den diagnostischen Prozess nach Westhoff, Hornke & Westmeyer (2003)

In ihrem Beitrag „Richtlinien für den diagnostischen Prozess“7 formulieren Westhoff, Hornke &

Westmeyer (2003) solche Richtlinien und stellen diese zur Diskussion.

Sie kennzeichnen den komplexen Prozess des Diagnostizierens mit drei Hauptmerkmalen:

Entscheidungen treffen8, Probleme lösen9 und Entwicklung und Prüfung von Hypothesen10.

Weiterhin beschreiben sie den diagnostischen Prozess mit folgenden Schritten, die als

Richtlinien für die Praxis psychologischer Diagnostik, aber auch für die Ausbildung und das

Training von Diagnostikern dienen sollen11:

1. Analysieren des Falles

- Analysieren der Anforderungen und/ oder Ziele

- Formulieren prüfbarer diagnostischer Hypothesen zum Fall

- Erheben von Informationen

- Verarbeiten der Informationen, Beziehen der gesammelten Daten auf die

diagnostischen Fragen

2. Organisieren und Berichten der Ergebnisse

- Integrieren der Ergebnisse

- Erstatten des Gutachtens

- Diskutieren und Entscheiden

3. Planen der Intervention

- Auswählen und Prüfen spezifischer Interventionshypothesen

4. Durchführung der Intervention

5. Evaluation und Nachuntersuchung

7 basierend auf dem Original: Fernandez-Ballesteros, R., De Bruyn, E.E.J., Godoy, A., Hornke, L.F., Ter Laak, J., Vizcarro, C., Westhoff, K., Westmeyer, H. & Zaccagnini, J.L. (2001). Guidelines for the Assessment Process (GAP): A Proposal for Discussion. European Journal of Psychological Assessment, 17, 187-200. 8 zitiert nach McReynolds, 1971, S.7; Maloney & Ward, 1976, S.5; jeweils aus Westhoff et al. (2003); 9 zitiert nach Sloves, Doherty & Schneider, 1979, S.30-32; Maloney & Ward, 1976, S.5; jeweils aus Westhoff et al. (2003); 10 zitiert nach Shapiro, 1970, S.652; Fernández-Ballesteros & Staats, 1992, S.5; jeweils aus Westhoff et al. (2003); 11 entnommen aus Tabelle 1, S.510; in: Westhoff, K., Hornke, L.F. & Westmeyer, H. (2003). Richtlinien für den diagnostischen Prozess. report psychologie 28.;

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9

- Erheben von Daten zu Interventionseffekten

- Analysieren von Interventionsergebnissen

- Nachuntersuchung (Follow-Up)

Auch dieser Beitrag verdeutlicht das analytische Vorgehen im diagnostischen Prozess. Nach

der Formulierung expliziter bzw. prüfbarer Hypothesen, sollen die relevanten Daten erhoben

und hinsichtlich der Hypothesen zu Ergebnissen integriert werden, bevor sich daraus

wiederum konkrete Interventionsmaßnahmen und deren Evaluation ableiten.

Fazit zu Kapitel 2.1:

Der diagnostische Prozess – die normative Perspektive

Die beschriebenen Arbeiten verdeutlichen den wissenschaftlichen Anspruch, der an praktisch

tätige Eignungsdiagnostiker herangetragen wird.

Der Diagnostiker soll spezifische Hypothesen entwickeln und überprüfen, ebenfalls sollen die

diagnostischen Informationen nach empirisch gültigen Gesetzmäßigkeiten und expliziten

Regeln integriert und verrechnet werden, bevor die Entscheidung abgeleitet werden kann.

Auch Jäger & Petermann (1995, S.11) definieren den diagnostischen Prozess als „das

systematische Sammeln und Aufbereiten von Informationen mit dem Ziel, Entscheidungen

und daraus resultierende Handlungen zu begründen, zu kontrollieren und zu optimieren“.

Bezogen auf die berufliche Eignungsdiagnostik bedeutet dies, dass auf Basis einer

sorgfältigen Anforderungsanalyse explizite Hypothesen formuliert und im

Bewerbungsgespräch mit operationalisierten Beobachtungseinheiten überprüft werden

sollen. Das geforderte analytisch-hypothesengeleitete oder auch explizit-regelgeleitete

Vorgehen ähnelt damit eher einer wissenschaftlichen Datenerhebung und Untersuchung, als

einem klassischen Bewerbungsgespräch, wie es in der Realität tatsächlich praktiziert wird.

Nach Wottawa & Oenning (2002, S.56) macht die DIN in diesem Kontext auf das innerhalb

der Eignungsdiagnostik verbreitete Problem aufmerksam, dass sich die Entscheider mit einer

„nur sehr schwach fundierten empirischen Grundlage ihrer Eignungsbeurteilungen zufrieden

geben“. Die Autoren resümieren weiterhin (ebd., S.47), dass es an validen eignungs-

diagnostischen Entscheidungsregeln mangelt.

Die Forderung ist also eindeutig: Der Einfluss von Subjektivität und Intuition soll innerhalb des

diagnostischen Prozesses minimiert werden.

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2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________

10

Dennoch berücksichtigen die erstgenannten Autoren auch das grundsätzliche Problem

innerhalb der Eignungsdiagnostik.

Da es an empirisch fundierten Verknüpfungsregeln zwischen den beobachtbaren Daten und

der Diagnose bzw. Prognose mangelt, ist der Diagnostiker letztlich gezwungen, auf seine

Erfahrung und Intuition zurückzugreifen, um diese Lücken zu füllen. Auf die daraus

resultierende Problematik wird später noch im Detail eingegangen (Kapitel 4).

Der normative Anspruch an eine analytische, rational begründete Eignungsdiagnostik bleibt

allerdings bestehen. Eignungsdiagnostische Entscheidungen sollten auf analytisch geprägten

Urteils- und Entscheidungsprozessen basieren.

2.2 Zur Überlegenheit der statistischen gegenüber der klinischen Urteilsbildung

Grundsätzlich kann zwischen klinischer und statistischer Urteilsbildung unterschieden

werden, aus der eine diagnostische Entscheidung abgeleitet wird.

Basierend auf dem oben beschriebenen diagnostischen Prozess nach Jäger (1986, S.236ff),

erfolgt die Datenerhebung im Rahmen der klinischen Urteilsbildung nach einer zumeist

subjektiv geprägten Anamnese des Diagnostikers, während innerhalb der statistischen

Urteilsbildung eine reliable und valide Datenerhebung postuliert wird, die auf expliziten

Regeln basiert.

Die auf der Anamnese bzw. Datenerhebung aufbauende Datenintegration unterscheidet sich

deshalb ebenfalls voneinander. Die klinische Datenintegration erfolgt nach impliziten und

individuell verschiedenen Mechanismen, da es jeweils dem Diagnostiker überlassen bleibt,

nach welchen subjektiv erworbenen Regeln und Kompetenzen er die gewonnen Daten in ein

Urteil integriert (ebd., S.240). Die statistische Dateninterpretation hingegen, benötigt explizite

Verrechnungsregeln, z.B. mathematische Algorithmen, um aus den vorliegenden Prädiktoren

auf ein möglichst valides Kriterium zu schließen (vgl. Grove, 2005).

Als Methoden stehen dabei lineare Methoden (z.B. Diskriminanzanalyse,

Regressionsanalyse) oder nicht-lineare Methoden (z.B. konfigurale Methoden wie künstliche

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11

neuronale Netze) zur Verfügung (Häusler & Sommer, 200612; Ganzach, 1995; Dawes, 1979;

Hammond & Summers, 1965).

Lineare Methoden verwenden häufig ein gewichtetes Modell der einzelnen Prädiktoren, um

die Expertenentscheidung nachzubilden (Einhorn & Hogarth, 1975; Meehl, 1954).

Es konnte sogar nachgewiesen werden, dass solch ein statistisches Modell letztlich besser

entscheidet als der Experte selbst (Kleinmuntz, 1990; Johnson, 1988; Wiggins, 1981; Dawes,

1979). Dies kann durch die geringere Fehleranfälligkeit des Modells bei der Integration von

Einzelinformationen begründet werden (Kleinmuntz, 1990, S.301f; Dawes, 1979, S.575).

Mit seiner Arbeit “Clinical versus statistical prediction: a theoretical analysis and a review of

the evidence“ eröffnete Meehl (1954) die heute mittlerweile als klassisch bezeichnete

kontroverse Diskussion über die Validität der statistischen Urteilsbildung im Vergleich zur

klinischen Urteilsbildung. Durch eine Metaanalyse von 22 Untersuchungen konnte er zeigen,

dass klinisch gebildete Urteile den statistisch aggregierten Urteilen bezogen auf ihre Validität

unterlegen sind.

Sawyer (1966) hat diese Ergebnisse in einer weiteren Metaanalyse von 45 Untersuchungen

(Meehls eingeschlossen) bestätigt.

Auch Grove et al. (2000, S.21f) konnten die Überlegenheit der statistischen Urteilsbildung in

ihrer Meta-Analyse von 136 Studien aus dem psychologischen wie medizinischen Kontext

bestätigen. Für 63 Studien konnte die Überlegenheit statistischer Datenaggregation bestätigt

werden, 65 Studien zeigten keine signifikanten Unterschiede und 8 Studien zeigten die

Überlegenheit der klinischen Urteilsbildung.

Ebenfalls haben Ganzach, Kluger & Klayman (2000) die Genauigkeit der statistischen

(optimal weights combination) mit der klinischen Informationsintegration (global judgement)

jeweils miteinander und in Kombination bei einer großen Bewerber-Stichprobe der

israelischen Armee verglichen.

Als Grundlage der Beurteilung dienten dabei strukturierte Einstellungsinterviews, deshalb ist

diese Studie für den Kontext dieser Arbeit besonders interessant.

12 Häusler & Sommer (2006) konnten in ihrer Studie zeigen, dass die nichtlineare Methode künstlicher neuronaler Netze zur Erhöhung der prognostischen Validität eignungsdiagnostischer statistischer Entscheidungsmodelle führt. Somit können künstliche neuronale Netze als innovative und leistungsfähige Option für die statistische Modellierung von eignungsdiagnostischen Urteilen fungieren und lineare Methoden in Zukunft ablösen.

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12

Die statistische Urteilsbildung ist auch hier der klinischen überlegen. Die Autoren wiesen

Korrelationskoeffizienten des Urteils mit dem Kriterium von r=.23 für global judgement im

Vergleich zu r=.28 für optimal weights combination nach (ebd., S.12). Allerdings übertrifft die

Kombination beider Methoden noch ein wenig die Urteilsgenauigkeit der einzelnen Methoden

(r=.30, ebd.). Dies bedeutet, dass statistische Methoden auch von der individuellen Erfahrung

des Diagnostikers profitieren können.

In einer neueren Meta-Analyse von Aegisdottir et al. (2006) konnte die Überlegenheit der

statistischen Urteilsbildung im Vergleich zur klinischen ebenfalls bestätigt werden. Die

Wahrscheinlichkeit für genaue Urteile erhöhte sich um 13%, wenn die statistische statt

klinische Datenaggregation für die Urteilsbildung genutzt wurde (ebd., S.359).

Fazit zu Kapitel 2.2:

Zur Überlegenheit der statistischen gegenüber der klinischen Urteilsbildung

Obwohl auch wenige widersprüchliche Arbeiten veröffentlicht worden sind (Lindsey, 1965;

Holt, 1958) zeigen die empirischen Befunde insgesamt, dass statistisch gebildete Urteile

genauer ausfallen, als klinisch gebildete Urteile.

Die statistische Urteilsbildung entspricht hierbei den oben beschriebenen rational-

analytischen sowie normativen Kriterien der Eignungsdiagnostik.

Die klinische Urteilsbildung entspricht eher der intuitiven Entscheidungsfindung, da sie von

der jeweils individuellen Erfahrung und Intuition des Experten geprägt ist.

Folglich wird auch durch diese Befunde die Forderung nach analytisch geprägten Urteils- und

Entscheidungsprozessen in der Eignungsdiagnostik unterstützt.

Im nächsten Abschnitt soll nun das Einstellungsinterview, als eines der wichtigsten

Instrumente in der Personalauswahl und Gegenstand dieser Untersuchung, vorgestellt

werden.

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13

2.3 Einflussfaktoren auf die Güte von Einstellungsinterviews

Das Einstellungsinterview kann als alleiniges Auswahlinstrument, als Bestandteil eines

sequentiellen Auswahlprozesses, oder aber auch im Rahmen eines Assessment Centers

eingesetzt werden (Krause & Gebert, 2003, S.302).

Das Einstellungsinterview als Methode der Personalauswahl bietet die Gelegenheit zum

Austausch personen-, arbeits- und organisationsbezogener Informationen (Schuler, 2002,

S.1). Thematisch können grundsätzlich sowohl tätigkeitsspezifische oder allgemeine

berufliche Voraussetzungen, Fertigkeiten und Kompetenzen des Bewerbers, als auch

Persönlichkeitseigenschaften, Werte und Einstellungen erhoben werden13.

Das Einstellungsinterview kann grundsätzlich alle genannten Konstrukte erfassen. Deshalb

wird es häufig auch als Breitbanddiagnostikum bezeichnet. Wie valide jedoch das

Einstellungsinterview diese Konstrukte erfasst, hängt jeweils von seiner Ausgestaltung, vom

Interviewer und den Rahmenbedingungen der Anwendung ab.

Welche Faktoren im Detail Einfluss auf die Güte von Einstellungsinterviews nehmen, soll in

den nächsten Kapiteln dargestellt werden.

2.3.1 Strukturiertheit des Einstellungsinterviews

Das Einstellungsinterview lässt sich hinsichtlich seines Strukturierungsgrades unterscheiden.

Das unstrukturierte Interview ist das in der Praxis am häufigsten eingesetzte Verfahren (van

der Zee, Bakker & Bakker, 2002, S.176ff; Stephan & Westhoff, 2002, S.9). Es ist

gekennzeichnet durch eine freie Gesprächsführung, dessen Inhalt, Durchführung und

Auswertung nicht standardisiert erfolgen und somit bei jedem Gespräch unterschiedlich

ausfallen können.

13 Nach Kristof-Brown (2000) unterscheiden Personaldienstleister bei Auswahlentscheidungen zwischen dem person-job-fit und dem person-organization-fit. Relevant für die Eignungsentscheidung bezogen auf die Stelle (person-job) seien vor allem die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Bewerbers. Für die Eignungsentscheidung bezogen auf die Organisation (person-organization), seien vor allem die Eigenschaften und Werte des Bewerbers entscheidend (vgl. auch Kristof-Brown & Jansen, 2007). In einer neueren Studie belegt Huffcutt (2011), dass zwischen stellenspezifischen, performance-spezifischen oder bewerberspezifischen Konstrukten, vor allem die performancespezifischen Konstrukte relevant für die Einstellungsentscheidung sind.

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14

Damit hängen Inhalt und Ausgestaltung des Interviews völlig von der Person des Recruiters

und seiner eignungsdiagnostischen Kompetenz sowie auch von situativen Einflussfaktoren

und der Person des Bewerbers ab.

Das strukturierte Interview hingegen, zeichnet sich durch einen hohen Grad der

Standardisierung im Inhalt, in der Durchführung und der Auswertung aus. Ziel ist es, eine

hohe Objektivität, Reliabilität sowie Validität des Verfahrens zu erreichen.

Das hoch strukturierte Interview basiert nach Campion, Palmer & Campion (1997, S.657ff)

sowie Anderson & Shackleton (1993, S.71) und Pulakos et al. (1996, S.86f) auf einem

differenzierten Anforderungsprofil mit operationalisierten und gewichteten Auswahlkriterien.

Die anforderungsbezogenen Fragen werden jedem Bewerber standardisiert und in derselben

Reihenfolge gestellt. Thematische Abweichungen oder Ergänzungsfragen sind nicht

gestattet. Die Auswertung erfolgt ebenfalls systematisch und standardisiert nach vorher

definierten Kriterien.

Mayfield (1964) und Schmitt (1976) stellten bei strukturierten Interviews eine höhere

Beurteiler-Übereinstimmung als bei unstrukturierten Interviews fest.

Auch Conway, Jako & Goodman (1995, S.571/575) konnten in ihrer Meta-Analyse diesen

positiven Effekt der Strukturiertheit auf die Objektivität von Einstellungsinterviews finden.

Für die Strukturierung von Einstellungsinterviews konnte in Metaanalysen zudem ein hoher

Validitätsgewinn nachgewiesen werden:

- Wiesner & Cronshaw (1988, S.284): korrigierte mittlere Validitätskoeffizienten von

r=.62 für strukturierte Interviews im Vergleich zu r=.31 für unstrukturierte Interviews

(150 Studien berücksichtigt);

- Marchese & Muchinsky (1993, S.22ff): korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.45 für

strukturierte Interviews; Strukturiertheit des Interviews konnte als Moderator für die

Validität des Interviews identifiziert werden (31 Studien berücksichtigt);

- Huffcutt & Arthur (1994, S.186ff): korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.56 für

strukturierte Interviews im Vergleich zu r=.35 für unstrukturierte Interviews;

- McDaniel et al. (1994, S.606ff): korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.44 für

strukturierte und r=.33 für unstrukturierte Interviews;

- Conway, Jako & Goodman (1995, S.570f): korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.67

für strukturierte und r=.34 für unstrukturierte Interviews;

- Schmidt & Hunter (1998, S.266ff): mittlere korrigierte Validitätskoeffizienten von r=.51

für strukturierte und r=.38 für unstrukturierte Interviews;

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15

Die wissenschaftlichen Belege sprechen also eindeutig für den Einsatz von strukturierten

Interviews bei der Personalentscheidung.

Trotz der nachgewiesenen prognostischen Überlegenheit, werden diese in der Praxis jedoch

nur in der Minderheit eingesetzt (Lievens & De Paepe, 2004, S.30; van der Zee et al., 2002,

S.176ff; Stephan & Westhoff, 2002, S.9/13). Gründe dafür liegen in dem mit der Konzeption,

Durchführung und Auswertung verbundenen zeitlichen und kostenintensiven Aufwand sowie

in der eingeschränkten Autonomie der Interviewer (vgl. Kleebaur, 2007, S.41; Dipboye &

Jackson, 1999, S.263).

Stephan & Westhoff (2002, S.16) stellten in diesem Kontext die Opportunitätskosten der

Verwendung unstrukturierter Interviews dem langfristigen Nutzen der Verwendung

strukturierter Einstellungsinterviews im deutschen Mittelstand gegenüber. Sie konnten

zeigen, dass sich auch bei konservativer Schätzung der verwendeten Kennziffern die

Investition in die Implementierung strukturierter Auswahlgespräche bereits schon nach 3-4

Monaten amortisieren würde.

Als weitere Begründung für den geringen Einsatz strukturierter Interviews kann auch der

erschwerte Informationsaustausch und Dialog mit dem Bewerber in der standardisierten

Gesprächssituation angeführt werden. Dies kann negative Konsequenzen für die vom

Bewerber wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität nach sich ziehen (Kohn & Dipboye, 1998,

S.829).

Chen, Tsai & Hu (2008, S.1062ff) konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass die

Komplexität der Stelle sowie organisationale Faktoren eine positive Einstellung der

Interviewer gegenüber einem hoch-strukturierten Interview begünstigen. Ebenfalls zeigten die

Autoren, dass eine analytische Prägung des Informationsverarbeitungsprozesses zu einer

positiveren Einstellung des Interviewers gegenüber einem hoch-strukturierten Interview

führte. Die besondere Relevanz eines analytischen Informationsverarbeitungsprozesses wird

auch in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt.

Ein Kompromiss zu einem hoch-strukturierten Interview ist das teilstrukturierte Interview,

welches mithilfe eines Interviewleitfadens die operationalisierten Anforderungen beinhaltet,

aber flexibel gehandhabt werden kann. Konkretisierungen, Ergänzungen sowie

Verständnisfragen sind hierbei zulässig.

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16

Für eine Teilstrukturierung von Einstellungsinterviews spricht auch der sogenannte

Deckeneffekt.

Huffcutt & Arthur (1994, S.188) zeigten, dass die Validität von Einstellungsinterviews zwar mit

zunehmender Strukturierung steigt, der Validitätszuwachs allerdings mit dem höchsten

Strukturierungsgrad nur noch gering ausfällt (Vergleich von 4 Strukturierungsgraden:

Validitätskoeffizient von r=.56 für teilstrukturierte Interviews im Vergleich zu r=.57 für

hochstrukturierte Interviews).

Teilstrukturierte Interviews sind das situational interview (Latham & Sue-Chan, 1999; Latham,

Saari, Pursell & Campion, 1980) und das multimodale Interview (Schuler, 1992).

Die hohe Validität des situational interviews und des multimodalen Interviews wurde vielfach

belegt (Latham & Sue-Chan, 1999; Latham et al., 1980; zusammenfassend siehe Weuster,

2008 sowie Mussel, 2007).

Auch das entscheidungsorientierte Interview (Westhoff, 2009) oder Leitfäden für die

professionelle Durchführung eignungsdiagnostischer Interviews (z.B. Strobel & Westhoff,

2009; von der Linde & Schustereit, 2008; Westhoff & Kluck, 2003; Schuler, 2002) helfen bei

der Gestaltung und Durchführung strukturierter Interviews, in denen auch die

stellenrelevanten Anforderungen konkret operationalisiert werden.

Die Vorteile eines Interviewleitfadens liegen nach Westhoff & Kluck (2003) in der

Vollständigkeit und Einheitlichkeit der erhobenen Informationen durch die standardisierte

Durchführung. Dadurch werden subjektive Einflüsse und Urteilsfehler minimiert.

Die vorgegebene Gesprächsstruktur entlastet den Interviewer zusätzlich in seiner

Informationsverarbeitung. Ebenso wird die Relevanz der erhobenen Informationen für die

spezielle Stelle erhöht, wenn dem Interviewleitfaden ein konkretes und valides

Anforderungsprofil zugrunde liegt.

Wie wichtig ein stellenrelevantes Anforderungsprofil für die Auswahlentscheidung ist, soll im

nächsten Kapitel erläutert werden.

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2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________

17

2.3.2 Relevanz des Anforderungsprofils

In der Eignungsdiagnostik kommt besonders der Anforderungsanalyse eine zentrale

Bedeutung zu.

Die Anforderungsanalyse beschreibt den „inhaltlich-logischen Zusammenhang zwischen

Person- und Arbeitsplatzmerkmalen“ (Schuler, 2002, S.128) und ist damit Grundlage der

Eignungsbeurteilung.

Die wichtigsten inhaltlichen Ebenen eines Anforderungsprofils sind die Aufgabenebene, die

Verhaltensebene und die Eigenschaftsebene.

Schuler (2002, S.131) empfiehlt, ein besonderes Augenmerk auf die Verhaltensebene des

Anforderungsprofils zu legen – „erfolgskritisches Verhalten lässt sich nämlich mit höherer

Objektivität bestimmen, als erfolgsrelevante Eigenschaften“.

Zur Erstellung eines solchen verhaltensbezogenen Anforderungsprofils empfiehlt Schuler

(2002, S.135) folgenden schematischen Ablauf:

- Qualitative Phase:

o Auswertung schriftlicher allgemeiner Informationen

(z.B. Stellenbeschreibungen)

o Experteninterviews

o Extremgruppenanalysen

o Sammlung von Critical Incidents (nach Flanagan, 1954)

- Auswertung, Zusammenstellung, Überprüfung der qualitativen Ergebnisse

- Quantitative Phase:

o Ausarbeitung Endversion eines Fragebogens

o Bearbeitung eines Fragebogens durch Vorgesetzte und erfahrene Arbeits-

platzinhaber

o Faktorenanalytische Auswertung, Bildung von Anforderungsdimensionen

Anhand dieser Vorgehensweise können sehr konkrete, verhaltensbezogene und spezifische

Anforderungsprofile erstellt werden, die sowohl Personalauswahl- als auch zukünftige

Personalentwicklungsprozesse auf ein solides Fundament stellen.

Das Anforderungsprofil fungiert dann als Vergleichsmaßstab und kann auch explizite

Entscheidungsregeln vorgeben, an denen sich der Recruiter bei der Beurteilung und

Entscheidung orientieren kann. Zeigt der Bewerber das im Anforderungsprofil geforderte

erfolgskritische Verhalten, oder kann er es aus seiner beruflichen Vergangenheit mit

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2 Analytik als Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen ___________________________________________________________________________________________

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verschiedenen konkreten Beispielen belegen, kann der Recruiter diese Anforderung als erfüllt

beurteilen (zur grundsätzlichen Problematik richtiger Inferenzen zu Eignungsmerkmalen auf

Basis von Verhaltenshinweisen siehe Kapitel 3). So kann er hinterher eine begründete und

damit nachvollziehbare Entscheidung treffen.

Lang von Wins et al. (2008) fordern zudem eine stärkere Berücksichtigung von Kompetenzen

als diagnostisches Bewertungskriterium. Die Eignungsdiagnostik soll stärker als Potenzial-

diagnostik fungieren, da aufgrund einer dynamischen und sich stetig verändernden

Arbeitswelt auch zukünftige Anforderungen im Profil berücksichtigt werden sollten.

Inhalte eines Anforderungsprofils können somit die fachlichen Kenntnisse und

Qualifikationen, die Berufs- und Führungserfahrung, das Persönlichkeitsprofil, Fertigkeiten

und Kompetenzen sowie ganz konkretes Verhalten in wichtigen stellenspezifisch

erfolgskritischen Situationen sein. Auch Rahmenbedingungen, wie Reisetätigkeit, können

eine Rolle spielen (vgl. Weuster, 2008).

Wichtig ist jedoch vor allem, dass das Anforderungsprofil tatsächlich diejenigen

Anforderungen, welche für die erfolgreiche Erfüllung der jeweiligen Position relevant sind,

beschreibt. Je konkreter, verhaltensbezogener und stellenspezifischer das Anforderungsprofil

dabei formuliert ist, desto valider ist das Fundament für nachfolgende eignungsdiagnostische

Entscheidungen. Auch Strobel & Westhoff (2009) und Westhoff (2009) betonen den

Verhaltensbezug und die Konkretheit des Anforderungsprofils als wichtige Voraussetzung für

valide Einstellungsinterviews und daraus abgeleitete Einstellungsentscheidungen.

In diesem Kontext wurde auch empirisch bestätigt, dass ein differenziertes Anforderungsprofil

zu einer höheren Interrater-Reliabilität bzw. Beurteilungsübereinstimmung führt (z.B. r=.87 im

Vergleich zu r=.35 nach Langdale & Weitz, 1973, S.24f; vgl. auch Hahn & Dipboye, 1988).

Ergebnisse aus Metaanalysen (Wiesner & Cronshaw, 1988, S.287) bestätigen zusätzlich den

positiven Einfluss eines differenzierten Anforderungsprofils auf die Validität der

Einstellungsentscheidung. Strukturierte Interviews auf Basis gründlicher Stellenanalysen

erreichten so eine durchschnittliche korrigierte Validität von r=.87, strukturierte Interviews auf

Basis oberflächlicher Stellenanalysen hingegen nur r=.59 (ebd.).

Dies konnten auch McDaniel et al. (1994, S.606f) nachweisen: der korrigierte

Validitätskoeffizient für strukturierte Interviews mit situativen Fragen betrug r=.50 im Vergleich

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zu strukturierten Interviews ohne Anforderungsbezug (r=.44) und unstrukturierten Interviews

(r=.33).

Kanning et al. (2007, S.160ff; auch Kanning, 2004, S.74) sowie Stephan & Westhoff (2002,

S.9/14) stellen jedoch fest, dass der Großteil der in Unternehmen eingesetzten

Anforderungsprofile nur aus einer groben Auflistung von Eigenschaften statt konkreten

Verhaltensbeschreibungen besteht.

Auch Wottawa & Oenning (2002, S.44) bemängeln, dass die meisten Personalauswahl-

prozesse in der Praxis ohne ein klar definiertes Anforderungsprofil durchgeführt werden.

Auch hier klaffen wissenschaftlicher Anspruch und eignungsdiagnostische Praxis also weit

auseinander. Die Gründe dafür liegen vor allem wieder in dem mit der Konstruktion

verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand. Allerdings ist auch hier ein sehr hoher und

vor allem langfristiger Nutzen zu vermuten, wenn das Anforderungsprofil erst einmal erstellt

wurde.

2.3.3 Interviewertraining, Feedback und Rechenschaftsverpflichtung

Interviewertraining

Posthuma, Morgeson & Campion (2002, S.32) resümieren, dass es bis dato nur wenige

empirische Beweise für die Effektivität von Interviewertrainings auf die Validität der

Einstellungsentscheidungen gibt (vgl. auch Arvey & Campion, 1982).

Sie erklären dies dadurch, dass sich die Inhalte von Interviewertrainings meist auf die

Implementierung strukturierter Interviewformen konzentrieren, deren Effektivität auf die

Validität der Entscheidung ausreichend belegt ist.

Huffcutt & Woehr (1999, S.555ff) wiesen allerdings in ihrer Meta-Analyse einen korrigierten

Korrelationskoeffizienten von r=.41 zwischen Interviewertraining und Validität des Interviews

nach. Weiterhin konnten diverse Arbeiten einen positiven Effekt auf die Interviewer-

Reliabilität finden (Conway, Jako & Goodman ,1995, S.571/575; vgl. auch Hahn & Dipboye,

1988; Borman, 1979).

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Einen Überblick über die Effektivität von Trainingsmaßnahmen im Hinblick auf erhöhte

Reliabilität und Validität, verringerte Beurteilungsfehler sowie erhöhtem Anforderungsbezug

geben auch Palmer, Campion & Green (1999, S.338ff)14.

Obwohl die empirischen Belege insgesamt noch lückenhaft ausfallen (Posthuma et al., 2002,

S.49), sollten Interviewertrainings grundsätzlich einen Effekt auf die Validität der

eignungsdiagnostischen Entscheidung ausüben.

Hier sind vor allem die praktische Relevanz, die Realitätsnähe und strukturelle Ähnlichkeit

zwischen Lern- und Transfersituation entscheidend (Sonntag, 2006; Wexley & Latham, 1991;

Wottawa & Thierau, 1990), damit ein reibungsloser Praxistransfer erfolgen kann (Schuler,

2002, S.233ff; vgl. auch Solga, 2008).

Auch die theoretische Fundierung des Trainings ist wichtig, damit eignungsdiagnostisch

sinnvolle Inhalte vermittelt werden (siehe thematische Forderungen der DIN 33430 in Kapitel

2.1). Sonntag (2006, S.290) empfiehlt grundsätzlich vor allem das behaviour modelling

training15, bei dem das Zielverhalten am Beispiel eines Modells trainiert wird.

Rechenschaftsverpflichtung

Ein weiterer positiver Effekt auf die Validität von Eignungsurteilen kann für die

Rechenschaftspflicht des Interviewers angenommen werden (vgl. Dipboye, 2005, S.130;

Eder, 1999, S.206ff).

Rechenschaftspflicht kann bedeuten, dass Interviewer ihre Urteils- und

Entscheidungsprozesse oder die Entscheidung begründen und diskutieren müssen, oder die

Qualität ihrer eignungsdiagnostischen Entscheidung sogar direkter Bestandteil ihrer eigenen

Leistungsbeurteilung ist.

Palmer & Feldman (2005) konnten nachweisen, dass sich die Urteilsgenauigkeit unter der

Bedingung der Rechenschaftsverpflichtung erhöht und Urteilsfehler wie Halo- und

Kontrasteffekte abnehmen.

Auch Mero & Motowidlo (1995) sowie Mero, Motowidlo & Anna (2003) konnten einen

signifikanten Effekt auf die Urteilsgenauigkeit durch die Bedingung Rechenschafts-

14 In ihrer Metaanalyse belegen Arthur et al. (2003, S.238f) zudem bedeutsame Effektstärken von d=.60-.63 für generelles organisationales Training. Für lernbezogene Kriterien konnten mit d=.63 die höchsten Effektstärken gefunden werden. Diese Ergebnisse sind zwar nicht unbedingt auf Interviewertrainings generalisierbar, indizieren aber, dass Trainingsmaßnahmen vor allem auf kognitive Outcome-Variablen Wirkungseffekte aufzeigen. 15 basierend auf der Theorie des sozialen Lernens nach Bandura, 1979;

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verpflichtung nachweisen. Ebenfalls fanden sie einen mediierenden Effekt für die Variable

Selbstaufmerksamkeit (Mero et al., 2003).

Wiesner & Cronshaw (1988, S.282) zeigten analog einen positiven Effekt einer

Konsensdiskussion auf die korrigierte prädiktive Validität strukturierter Interviews: r=.64 im

Vergleich zu r=.41, wenn die Einzelurteile nur gemittelt wurden.

Auch Jetter (2003) schlägt eine Beurteilungsdiskussion direkt nach dem Interview vor, um

den Einfluss subjektiver Urteilsfehler des Einzelnen zu minimieren.

Grundsätzlich lässt sich zwischen der Rechenschaft für den Prozess und der Rechenschaft

für das Ergebnis unterscheiden.

Brtek & Motowidlo (2002, S.185ff) konnten zeigen, dass Entscheider zu valideren Urteilen

gelangten, wenn sie Rechenschaft über den Urteilsprozess (r=.26) im Vergleich zur

Rechenschaft über das Ergebnis (r=-.17) ablegen mussten. Die Selbstaufmerksamkeit der

Teilnehmer mediierte dabei den Effekt der Rechenschaft für den Prozess auf die Validität der

Einschätzung vollständig.

Gordon, Rozelle & Baxter (1989, S.27/29ff) hingegen, fanden einen negativen Effekt für

Rechenschaftsverpflichtung. Sie zeigten, dass Beurteiler dann ältere Bewerber positiver

beurteilten als jüngere, wenn sie Rechenschaft für ihre Entscheidung ablegen mussten.

Dies bedeutet, dass sich die Beurteiler unter der Bedingung der Rechenschaftsverpflichtung

des einfachen Stereotyps je älter, desto erfahrener und damit geeigneter bedient haben. Hier

konnte folglich kein positiver Effekt von Rechenschaftsverpflichtung auf einen analytischen

Urteils- und Entscheidungsprozess festgestellt werden.

Gegen den positiven Effekt von Rechenschaftsverpflichtung bzw. einer Konsensdiskussion

auf die Validität des Einstellungsinterviews sprechen auch Prozesse der sozialen

Beeinflussung (vgl. Milgram, 1988; Bandura, 1979; Tajfel, 1978; Asch, 1956).

Diese greifen besonders dann, wenn ein anders geartetes Urteil gegenüber einem

Vorgesetzten oder einer Mehrheit verteidigt werden muss. Häufig wird das Urteil dann an die

Gruppe oder Autoritätsperson assimiliert (vgl. auch Kanning, 2004, S.69).

Auch Palmer & Loveland (2008) untersuchten das Phänomen der Gruppenpolarisierung im

Kontext von Eignungsbeurteilungen und konnten zeigen, dass eine Gruppendiskussion von

Beurteilern zum einen in ungenaueren Urteilen und stärkeren Polarisierungen bzw.

Kontrasteffekten der Urteile resultierten, sowie zum anderen einen positiven Halo-Effekt der

Urteile begünstigten.

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Auch Conway, Jako & Goodman (1995, S.575f) zeigten, dass die Strukturiertheit der

Interviewfragen besonders dann einen positiven Effekt auf die Zuverlässigkeit bzw. Interrater-

Reliabilität der Beurteilungen moderierte, wenn Einzel- statt Gruppenurteile als abhängige

Variable herangezogen wurden.

Rechenschaftsverpflichtung sollte also vor allem dann einen positiven Einfluss auf die

Interviewervalidität ausüben, wenn der Anspruch an die Durchführung und Interpretation von

Einstellungsinterviews sich an den normativen Kriterien der Eignungsdiagnostik orientiert und

nicht an Vorgesetztenmeinungen, unternehmensinternen politischen Gefügen oder

Autoritätspersonen, die Urteilsverzerrungen in diesem Zusammenhang eher begünstigen

statt minimieren.

Feedback/ Evaluation

Für das Feedback als Einflussfaktor auf die Validität der Einstellungsentscheidung lassen

sich nur wenige empirische Belege finden. Dies ist nicht zuletzt durch die nur ungenügende

Evaluation des eignungsdiagnostischen Entscheidungsprozesses in der Praxis zu erklären

(siehe Kapitel 4.3).

Dennoch wurden die Effekte von Feedback auf allgemeine Lernprozesse vielfach empirisch

belegt (Kluger et al., 1996; Farr, 1991; Balzer et al., 1989) und sollten deshalb auch auf den

Kontext von Einstellungsinterviews transferierbar sein.

Nach der klassischen Lerntheorie erhöhen positive Konsequenzen die Auftretens-

wahrscheinlichkeit von Verhalten (law of effect nach Thorndike, 1898).

Dies gilt auch für Entscheidungen. Haben bestimmte Entscheidungen die gewünschten

positiven Konsequenzen, wird der Entscheider die genutzte Entscheidungsregel auch in der

Zukunft präferieren (vgl. Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.112f). Daher ist das Feedback

ein wichtiger Lernmechanismus.

Lerneffekte sollten sich vor allem dann einstellen und zu einer Reflektion der im

eignungsdiagnostischen Prozess verwendeten Entscheidungsregeln führen, wenn entweder

der Entscheidungsprozess systematisch evaluiert wird oder aber der Recruiter den

ehemaligen Bewerber als Mitarbeiter in seinem beruflichen Arbeitsalltag erlebt.

Allerdings treffen beide Bedingungen in der eignungsdiagnostischen Praxis nur selten zu. Nur

die wenigsten Recruiter arbeiten zukünftig mit dem jeweiligen Bewerber zusammen oder

erleben ihn in seinem beruflichen Alltag, so dass sie ihre Prognosen an konkreten

Verhaltensweisen evaluieren können. Somit beschränkt sich das Feedback häufig auf nur

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sehr globale Kriterien, wie die Information Mitarbeiter xy wurde nach der Probezeit

übernommen (vgl. Kanning, 2004, S.75 sowie ausführlicher Kapitel 4.3).

Sollte aber ein systematisches Feedback über die Qualität der eignungsdiagnostischen

Entscheidung vorliegen, darf ein Zusammenhang mit valideren Einstellungsentscheidungen

angenommen werden. Ein solches Feedback könnte sich dabei auf die Passung zwischen

Prognose und Outcome16 oder auf die Passung zwischen Entscheidungsregel und Outcome

beziehen17. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Prognosen oder Entscheidungsregeln

expliziert werden (dazu später noch mehr in Kapitel 4).

2.4 Zum Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren auf die Güte von

Einstellungsinterviews und analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen

Unbestritten ist, dass es Unterschiede in der Beurteilungs- und Entscheidungsvalidität

zwischen Interviewern gibt.

Graves & Karren (1996, S.165ff) stellten zwischen verschiedenen Interviewern derselben

Organisation eine Schwankungsbreite von 6-56% der Akzeptanzquote von Bewerbern fest.

Auch Dipboye, Gaugler & Hayes (1990) zeigten starke Unterschiede in den

Interviewervaliditäten (Streuung von korrigiertem r=.02 bis korrigiertem r=.4418).

Ebenfalls wiesen Pulakos et al. (1996, S.92f) in ihrer Meta-Analyse eine starke Streuung der

Interviewervaliditäten von r=-.10 bis r=.65 nach, sie führten diese aber größtenteils auf

Stichprobenfehler zurück.

Graves (1993, S.352ff/357ff) nennt unter anderem zusammenfassend folgende Faktoren als

Ursache für Validitätsunterschiede zwischen den Eignungsbeurteilungen von Interviewern:

- Interviewermerkmale: Erfahrung, Lebenslauf, Ähnlichkeit mit Bewerber

- Kognitive Strukturen: Vorstellungen des idealen Bewerbers, implizite Persönlichkeits-

theorien, Anwendung von Attributionsregeln, Informationsverarbeitung

16 z.B. Vergleich expliziter Kriterien von standardisierter Vorgesetztenbeurteilung mit der standardisierten Auswertung des strukturierten Einstellungsinterviews 17 z.B. Entscheidungsregel Absolventen mit einem Notendurchschnitt von besser als 2,0 sind ehrgeizig und fleißig könnte durch gegenteilige konkrete Erfahrungen modifiziert werden 18 aus Schuler, 2002, S.70;

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- Interviewkontext: Rechenschaftspflicht, Aufgabenklarheit, Zwang zu einer schnellen

Entscheidung, Strukturierung

Die Autorin berücksichtigt sowohl die Person des Interviewers mit seinen kognitiven

Strukturen, als auch den Kontext des Interviews als relevante Einflussvariablen auf die

Interviewvalidität. Sie resümiert, dass die bisherige Forschung die Quellen für

unterschiedliche Interviewervaliditäten und deren kausale Wirkungseffekte bisher nicht

eindeutig identifizieren konnte. Deshalb besteht hier besonderer Forschungsbedarf.

Bezogen auf den Kontext des Interviews, wurden in den vorherigen Abschnitten die Befunde

zu wichtigen organisationalen Rahmenbedingungen als erklärende Faktoren für

unterschiedliche Interviewervaliditäten zusammengefasst.

Vor allem die Effekte strukturierter Interviews sowie stellenrelevanter Anforderungsprofile auf

die Validität von Einstellungsinterviews können als empirisch fundiert und abgesichert gelten

(Kapitel 2.3.1 und 2.3.2).

Noch uneinheitliche Belege finden sich bisher für die Effekte von Rechenschaftsverpflichtung

und Interviewertraining auf die Validität von Einstellungsinterviews. Auch die Befunde für die

Effektivität von Feedback bzw. Evaluation der eignungsdiagnostischen Entscheidung liegen

in nur ungenügender Menge vor (Kapitel 2.3.3).

Warum führen nun strukturierte Interviews, verhaltensbezogene Anforderungsprofile,

möglicherweise auch Rechenschaftsverpflichtung, systematisches Feedback und

Interviewertraining als kontextuelle Einflussvariablen zu valideren Einstellungs-

entscheidungen?

Vor allem scheinen durch strukturierte Interviews subjektive Urteilsfehler während des Urteils-

und Entscheidungsprozesses reduziert zu werden, was dann zu einer valideren

Entscheidung führt.

Pulakos et al. (1996) führten in diesem Kontext unterschiedliche Interviewervaliditäten vor

allem auf Stichprobenfehler (sampling error) zurück und betonten damit die Bedeutung von

Interviewertraining und Strukturierung von Einstellungsinterviews zur Reduzierung solcher

Urteilsfehler.

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Auch der Einfluss subjektiver Idealvorstellungen über den idealen Bewerber (Guion &

Highhouse, 2006, S.308ff), Ähnlichkeitseffekte (Cable & Judge, 199719; Howard & Ferris,

1996; Anderson & Shackleton, 199020), Reihenfolge-Effekte (vgl. zusammenfassend Forgas,

1992, S.64f21), Halo-Effekte (Thorndike, 192022) sowie Attributionsfehler (Ross, 197723)

lassen sich als verzerrende Urteilsfehler häufiger bei unstrukturierten Interviews finden.

Ebenfalls wurde festgestellt, dass die eignungsdiagnostische Entscheidung in

unstrukturierten Interviews meist schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt getroffen wird

(Mayfield, 1964; Webster, 1982). Dies weist auf einen eher intuitiven und subjektiv geprägten

Urteils- und Entscheidungsprozess bei unstrukturierten Einstellungsinterviews hin.

Auch Conway et al. (1995, S.575) haben in ihrer Meta-Analyse belegt, dass strukturierte

Interviews zu differenzierteren Beurteilungen führen.

Graves & Karren (1992) konnten ebenfalls nachweisen, dass sich effektive Interviewer durch

eine bewusste Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung auszeichnen.

Auch Dipboye & Gaugler (1993) erklären die Überlegenheit strukturierter Interviews

gegenüber unstrukturierten Interviews durch den geringeren subjektiven Einfluss der

beteiligten Personen sowie durch die Verwendung validerer Prädiktoren bei der

Eignungsbeurteilung und somit validerer Schlussfolgerungen.

Bezogen auf den Anforderungsbezug der im Interview erhobenen Informationen, konnten

Huffcutt et al. (2001, S.905f) zeigen, dass unstrukturierte und strukturierte Interviews im

19 Die Ähnlichkeit zwischen Interviewer und Bewerber fungiert als Indikator für den person-organization-fit (tatsächlich ist es aber der applicant-interviewer fit) und resultiert in positiveren Eignungsbeurteilungen des Bewerbers. Cable & Judge (1997, S.553) konnten nachweisen, dass besonders die wahrgenommene Wertkongruenz zwischen Bewerber und Organisation (β=.55), weniger die Berufserfahrung (β=.17) oder der Notendurchschnitt (β=.04), zu einer positiven Bewertung des person-organization-fits und damit zu einer Einstellungsempfehlung (β=.66) führt. 20 Die Autoren haben gezeigt, dass die Eignungsbeurteilung zu r=.64 mit der Sympathie und zu r=.50 mit der eingeschätzten Ähnlichkeit zur eigenen Person korreliert (ebd., S.70f). 21 Dem ersten Eindruck bzw. den ersten Informationen wird ein besonderer Effekt auf das Urteil zugeschrieben, da aufgrund der ersten Information eine Erwartung ausgebildet wird, die dann zu bestätigen versucht wird (Gawronski et al., 2002; aus Kanning, 2004, S.67). Dies konnten auch Dougherty et al. (1994) bei Einstellungsinterviews nachweisen. Sie zeigten, dass Interviewer bei positiven Vorerwartungen über den Bewerber ihr Unternehmen besonders positiv präsentierten und einen höheren Redeanteil besaßen. Allerdings konnten Barrick et al. (2010) zeigen, dass der erste Eindruck auch bei strukturierten Interviews die Beurteilung des Bewerbers beeinflusst (r=.42). 22 Kernaussage: ein vermeintlich dominantes Merkmal, z.B. Attraktivität des Bewerbers (Schuler & Berger, 1979; Marlowe et al., 1996; Metaanalyse nach Hosoda et al., 2003, jeweils aus Kanning, 2004, S.63f) oder ethnische Informationen (Segrestpurkiss et al., 2006) „überstrahlt“ andere Merkmale 23 Kernaussage: Tendenz zu interner und stabiler Ursachenzuschreibung bei der Wahrnehmung anderer Personen

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Vergleich unterschiedliche Konstrukte messen. Das strukturierte Interview konzentriert sich

demnach stärker als unstrukturierte Interviews auf eignungsdiagnostisch relevante Inhalte,

wie anforderungsbezogene Erfahrungen und Fertigkeiten sowie angewandte mentale und

soziale Kompetenzen des Bewerbers.

Salgado & Moscoso (2002, S.310ff) belegen ebenfalls, dass strukturierte Interviews vor allem

berufliche Fachkenntnisse, Berufserfahrung und situative Beurteilungs- und Verhaltens-

tendenzen erfassen, während unstrukturierte Interviews globale Persönlichkeitsmerkmale,

kognitive Fähigkeiten und soziale Kompetenzen erfassen.

Auch Schmidt & Zimmerman (2004, S.555ff) unterstützen diesen Befund, indem sie belegen,

dass Interviewer bei unstrukturierten Interviews stärker zu globalen Persönlichkeits-

beurteilungen der Bewerber tendieren, anstatt die Eignung des Bewerbers im Hinblick auf die

relevanten Anforderungen zu überprüfen24.

Die Informationsverarbeitung bei strukturierten Interviews scheint also systematischer und

anforderungsbezogener zu erfolgen (vgl. Harris, 1989).

Posthuma et al. (2002, S.42) schlagen dementsprechend für die zukünftige Forschung vor,

die Differenzen in der individuellen Interviewervalidität im Zusammenhang mit

unterschiedlichen Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsstrategien sowie mentalen

Fähigkeiten zu untersuchen.

Die unterschiedlichen Informationsverarbeitungsstrategien von Recruitern in Einstellungs-

interviews sollen auch in der vorliegenden Arbeit untersucht werden (analytische vs. intuitiv

geprägte Urteils- und Entscheidungsstrategien).

Macan (2009, S.210ff) sowie Posthuma et al. (2002, S.51) stellen ebenfalls eine

Forschungslücke für kontextuelle Variablen fest, die das Einstellungsinterview und dessen

Validität beeinflussen können (vgl. auch Judge, Higgins & Cable, 2000; Graves, 1993; Arvey

& Campion, 1982).

24 Der Fokus auf Persönlichkeitseigenschaften bei der Personalauswahl eignet sich, entgegen der Annahme in der eignungsdiagnostischen Praxis, dass diese wünschenswert seien (siehe Stephan & Westhoff, 2002, S.14), dabei nicht. Cliffordson (2002, S.200ff) hat in diesem Zusammenhang belegt, dass der Faktor Persönlichkeit nicht als valider Prädiktor für die zukünftige Arbeitsleistung fungieren kann. Auch der Persönlichkeitsfaktor Extraversion wird zwar häufig als Erfolgsvoraussetzung genannt, jedoch zeigen empirische Ergebnisse hier ebenfalls, dass Extraversion kein valider Prädiktor ist (vgl. Schuler & Höft, 2001). Der einzige Persönlichkeitsfaktor, der im Zusammenhang mit beruflichem Erfolg als Prädiktor fungieren könnte, ist die Gewissenhaftigkeit (Barrick & Mount, 1991; aus Schuler, 2002, S.157), als stabile Disposition ebenfalls die Intelligenz (Schuler, 2002, S.146f).

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Auch dieser Forschungslücke wird mit der vorliegenden Arbeit begegnet, indem die

jeweiligen kausalen Effekte der kontextuellen Determinanten identifiziert und empirisch

überprüft werden.

Somit werden die folgenden von Posthuma et al. (2002, S.49) formulierten

Forschungsempfehlungen in der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt:

- Untersuchung der komplexen kausalen Mechanismen, denen Einstellungsinterviews

unterliegen

- Fokus auf die Entscheidungsfindung des Interviewers

- Anwendung von Theorien aus dem Bereich der Entscheidungsforschung auf das

Themenfeld des Einstellungsinterviews

- Untersuchung der Einflüsse kontextueller Variablen innerhalb von Organisationen

Fazit zu Kapitel 2.4:

Zum Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren auf die Güte von Einstellungs-

interviews und analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen

Den obigen Ausführungen folgend, sollte also ein differenzierter und analytisch geprägter

eignungsdiagnostischer Urteils- und Entscheidungsprozess stattfinden, wenn strukturierte

Interviews sowie konkrete Anforderungsprofile als kontextuelle Rahmenbedingungen

gegeben sind.

Ein strukturiertes Interview sowie ein konkretes verhaltensbezogenes Anforderungsprofil

sollten somit einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des Recruiters, so wie er

in den normativen Theorien der eignungsdiagnostischen Entscheidungsfindung (Kapitel 2.1)

postuliert wird, unterstützen.

Auch der Faktor Rechenschaftsverpflichtung als kontextuelle Rahmenbedingung sollte einen

positiven Einfluss auf einen analytisch geprägten Urteils- und Entscheidungsprozess des

Recruiters ausüben. Der Fokus des Recruiters auf eignungsdiagnostisch relevante Inhalte im

Interview – und damit auch eine analytisch-systematische Informationsverarbeitung – sollte

durch seine Erwartung forciert werden, die Entscheidung im Nachhinein konkret zu

argumentieren oder sogar verteidigen zu müssen.

Analog sollte auch die Antizipation der Evaluation oder eines Feedbacks über die Qualität der

Entscheidung zum einen die Selbstaufmerksamkeit des Recruiters (vgl. Ausführungen in

Kapitel 5) dahingehend erhöhen, dass er versucht, diejenigen Entscheidungsregeln für seine

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Entscheidung zu nutzen, die sich in der bisherigen Praxis als erfolgreich erwiesen und damit

empirisch bewährt haben.

Zum anderen sollte auch der Lerneffekt durch systematisches Feedback positive

Konsequenzen auf die Validität der genutzten Entscheidungsregeln haben.

Somit sollte ein Recruiter, dessen Entscheidungsregeln systematisch evaluiert werden,

differenziertere Entscheidungsstrategien und damit validere Entscheidungsregeln nutzen, als

ein Recruiter, der in seiner bisherigen eignungsdiagnostischen Tätigkeit noch kein Feedback

erhalten hat.

Die dabei grundsätzliche Problematik der Evaluation eignungsdiagnostischer

Entscheidungsprozesse wird noch in Kapitel 4.2 und 4.3 genauer erläutert.

Folglich können die organisationalen Rahmenbedingungen:

- Strukturiertheit des Interviews

- Konkretheit des Anforderungsprofils

- Rechenschaftsverpflichtung

- Systematik des Feedbacks

als entscheidende Determinanten für einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess

eines Recruiters angenommen werden. Es sollte ein positiver kausaler Zusammenhang

bestehen.

Der analytische Urteils- und Entscheidungsprozess eines Recruiters wird dabei in dieser

Arbeit als wesentliche Determinante für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen

angenommen.

In den folgenden Kapiteln sollen nun, zusätzlich zu den kontextuellen Einflussvariablen, auch

die persönlichen Einflussvariablen auf analytische oder intuitive eignungsdiagnostische

Urteils- und Entscheidungsprozesse identifiziert werden.

Im Fokus stehen hier die durch individuelle Lernprozesse erworbenen kognitiven Strukturen

des Recruiters sowie auch motivationale Faktoren.

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3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?

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3. Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -

verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein

theoretisches Ideal?

Normative Theorien zur diagnostischen Urteilsbildung beschreiben also, wie induktive Urteile

idealerweise gebildet werden sollten: basierend auf empirisch gültigen Gesetzmäßigkeiten,

sollen vorliegende Daten nach statistischen Inferenzprinzipien oder mathematischen

Algorithmen zu einem Gesamturteil verdichtet werden (vgl. Betsch et al., 2011, S.36 sowie

Ausführungen in Kapitel 2.1). Für deduktive Urteile gilt entsprechend logisches

Schlussfolgern (ebd.).

Auch nach der normativen Nutzen x Erwartungs-Theorie nach Pascal bzw. subjektiver

Nutzen x Erwartungs-Theorie nach Bernoulli (1954)25 muss der Entscheider alle möglichen

Optionen mit den jeweiligen Konsequenzen und Eintrittswahrscheinlichkeiten vollständig

kennen, verarbeiten und in ein Urteil integrieren, um eine optimale nutzenmaximierte

Entscheidung treffen zu können.

Übertragen auf die Urteilsbildung im Einstellungsinterview bedeutet dies, dass der Recruiter

für jeden Bewerber eine Prognose darüber erstellen müsste, wie wahrscheinlich und in

welchem Ausmaß der Bewerber die jeweils tätigkeitsspezifischen Anforderungen erfüllen

wird, damit er diese Kriterien dann nach einem mathematischen Algorithmus verrechnen und

somit in ein Urteil münden lassen kann.

Die Prognose über die Eignung des Bewerbers basiert dabei auf den vorher

operationalisierten anforderungsspezifischen Beobachtungseinheiten. Diese Beobachtungs-

einheiten beziehen sich auf die geschilderten wie gezeigten Verhaltensweisen des

Bewerbers im Interview sowie auf seinen Werdegang und seine belegten Fachkenntnisse.

Das grundsätzliche Problem der Personenwahrnehmung und -beurteilung liegt allerdings

darin, dass das jeweilige zu prognostizierende Eignungsmerkmal nur durch Hinweise bzw.

Indikatoren indirekt erschlossen werden kann und deshalb den subjektiven Einflüssen des

Recruiters ausgesetzt ist26.

25 vgl. auch ANOVA-Modell nach Kelley (1967); jeweils aus Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.18/70f; 26 vgl. Forschungsfeld Social Cognition nach Fiske & Taylor (2008), Theorie des Stichprobenziehens nach Fiedler (2000), sowie Linsenmodell nach Brunswik (1943) und Social Judgement Theorie nach Hammond et al. (1975): Kernaussagen: Menschen können ihr Urteil über eine distale bzw. verborgene Variable nur über beobachtbare proximale Cues/ Hinweisreize/Stichproben erschließen;

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3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?

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30

Aus dieser Problematik resultiert die Forderung, dass jene Schlussfolgerungen nach

empirisch geprüften Gesetzmäßigkeiten sowie nach expliziten Regeln erfolgen sollen, um

den subjektiven Einfluss zu verringern (Wottawa & Oenning, 2002; Westmeyer 1972).

Das Problem besteht nun aber hier wiederum darin, dass es an solchen empirisch geprüften

Gesetzmäßigkeiten mangelt (siehe Kapitel 2.1) und die eignungsdiagnostische Beurteilung

deshalb grundsätzlich durch die menschlichen Mechanismen der Wahrnehmung und

Beurteilung determiniert ist.

Diese Mechanismen der sozialen Wahrnehmung und Beurteilung sollen im folgenden Kapitel

kurz erläutert werden.

3.1 Grundlagen sozialer Wahrnehmung und Urteilsbildung

Bless, Fiedler & Strack (2004) haben den Prozess der Urteilsbildung in verschiedene Stufen

untergliedert: Wahrnehmung – Kategorisierung – Abgleich mit Gedächtnisinhalten –

Informationsintegration – Urteil. Urteilen impliziert demnach den Abruf von individuellen

Gedächtnisinhalten und ist folglich stets subjektiv geprägt.

In der Psychologie wird grundsätzlich von einem „seriellen Flaschenhals“ (Anderson, 2001,

S.75) der menschlichen Informationsverarbeitung gesprochen27. Dies bedeutet, dass der

Mensch nicht alle vorliegenden Informationen parallel verarbeiten kann, sondern

Informationen nur selektiv wahrgenommen und verarbeitet werden können.

Das Aktivierungspotenzial eines Reizes ist dabei ein wichtiger Faktor für die Aufmerksamkeit

in der Wahrnehmung. Das Aktivierungspotenzial ist dann besonders hoch, wenn ein Reiz

genügend salient ist, um Aufmerksamkeit zu erregen oder bereits erhöhte Aufmerksamkeit

für einen bestimmten Reiz besteht, durch aktivierte Schemata oder Erwartungen (Betsch et

al., 2011, S.25). Die Salienz eines Reizes ist wiederum abhängig von seiner Distinktheit,

Intensität, Neuigkeit und Lebhaftigkeit (ebd.).

27 vgl. auch Filtertheorie nach Broadbent, 1958; sowie das modale Gedächtnismodell nach Atkinson & Shiffrin, 1968;

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3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?

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31

Grundsätzlich besteht der Wahrnehmungsprozess aus der Interaktion von

informationsgetriebenen Bottom-Up-Prozessen und schemagesteuerten Top-Down-

Prozessen (Forgas, 1999).

Wenn der Reiz bzw. Stimulus die Wahrnehmung steuert (z.B. aufgrund der hohen Salienz

eines Reizes) wird von Bottom-Up-Prozessen gesprochen. Wenn die Wahrnehmung durch

Gedächtnisinhalte bzw. ein aktiviertes Schema gesteuert wird, wird von Top-Down-

Prozessen gesprochen (Anderson, 2001, S.63).

Die Aufnahme, Verarbeitung und Interpretation von Informationen erfolgt also aus der

Interaktion von Person und Situation (Mischel & Shoda, 2008/1995). Das grundlegende

Paradigma hierbei ist das dynamisch-interaktionistische Paradigma.

Der Mensch – als Interaktionssystem – weist dabei mittelfristig stabile Dispositionen auf,

unterliegt jedoch langfristigen Veränderungs- und Anpassungsprozessen durch die Umwelt

bzw. individuellen Lernprozessen (Asendorpf, 2004; Endler & Magnusson, 1976).

Eine wichtige Rolle in der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -integration spielen somit

auch durch Lernprozesse und Erfahrungen erworbene kognitive Strukturen, die

bedeutungsbezogenes Wissen repräsentieren.

Solche kognitiven Strukturen, oder auch mentale Repräsentationen, sind dadurch

charakterisiert, dass sie den Bedeutungsgehalt von Informationen und die Beziehungen

zwischen den wahrgenommenen Elementen abstrahieren, kategorisieren und abspeichern

(Bless & Schwarz, 2002, S.260ff; Anderson, 2001, S.153).

Durch den Vorgang der Abstraktion wird konzeptuelles Wissen geschaffen, das in

sogenannten Schemata organisiert ist (Bartlett, 1932). Schemata erlauben nach Anderson

(2001, S.157) die „Enkodierung kategorialer Regelhaftigkeiten“ und sind „Abstraktionen

spezifischer Exemplare, die zu Schlussfolgerungen über Exemplare der in Schemata

repräsentierten Konzepte genutzt werden können“.

Deshalb können mit Hilfe der in einem aktivierten Schema abgespeicherten Information, auch

lückenhaft vorliegende Informationen im Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozess

vervollständigt werden. Anderson (2001, S.158) beschreibt dies als „nützlichen

Schlussfolgemechanismus“.

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3 Zu den Grenzen der Informationswahrnehmung und -verarbeitung des Recruiters – ist Analytik nur ein theoretisches Ideal?

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32

Allerdings zeigten Owens, Bower & Black (197928) sowie Hamilton et al. (1990), dass dieser

Mechanismus auch dazu führen kann, den tatsächlichen Sachverhalt bei dessen

Reproduktion durch plausible Inferenzen zu erweitern. Die Gefahr besteht hier darin,

zusätzliche und womöglich falsche schemarelevante Informationen in einen bestimmten

Sachverhalt hinein zu interpretieren, oder aber die Information an das aktivierte Schema zu

assimilieren29. Schemata beeinflussen somit die Informationsintegration.

Aber auch der Prozess der Informationssammlung bzw. die Wahrnehmung wird durch

aktivierte Schemata beeinflusst.

Auf Basis seiner abgespeicherten Schemata baut ein Individuum Erwartungen und

Hypothesen bezüglich des Verhaltens seines Umfelds auf.

Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung (Bruner & Postman, 1951; Lilli & Frey,

1993) beschreibt Wahrnehmung in diesem Kontext als einen Kompromiss zwischen einer

subjektiven Erwartungshypothese (Top-Down) und den tatsächlichen Wahrnehmungsreizen

(Bottom-Up). Wie stark die Wahrnehmung durch solch eine Erwartungshypothese beeinflusst

wird, hängt dabei von ihrer Stärke und Verfügbarkeit ab.

Das Ziel eines Wahrnehmungsprozesses liegt grundsätzlich in der Bestätigung dieser

Erwartungshypothese. Die auf den individuellen Schemata basierenden Hypothesen lenken

dabei die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung auf die schemarelevanten Reize, die dann

weiter klassifiziert und interpretiert werden.

Schemata erleichtern deshalb die Wahrnehmung und Verarbeitung von schemakongruenten

Informationen. Dies wird auch als Bestätigungstendenz innerhalb der sozialen Wahrnehmung

bezeichnet (vgl. Snyder & Swann, 1978; Chapman & Chapman, 1967).

Individuen streben also grundsätzlich danach, ihr Hypothesen-System bzw. ihre Schemata zu

bestätigen30.

Diese Tendenz lässt sich sowohl durch die Entlastung in der Informationsverarbeitung

(Betsch et al., 2011, S.33) aber auch durch die kognitive Dissonanztheorie nach Festinger

(1978) erklären. Hiernach streben Menschen nach kognitiver Konsistenz. Dissonante,

miteinander unvereinbare Kognitionen erzeugen einen aversiven Spannungszustand,

welcher durch Veränderung der jeweiligen Kognitionen wieder aktiv ausgeglichen werden

28 aus Anderson, 2001, S.220f; 29 vgl. Assimilationseffekt nach Kelley, 1950; sowie Theorie der Kategorisierung/Stereotypisierung nach Feldman (1981); 30 vgl. auch das aus der Wechselwirkung zwischen Erwartungen und Verhaltensweisen resultierende Phänomen der Sich-selbst-erfüllenden Prophezeiung nach Rosenthal, 1968;

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33

kann (vgl. spreading apart effect nach Brehm, 1957; sowie auch Frey & Gaska, 1993; Frey,

198131). Ebenfalls werden schemakonsistente Informationen auch besser erinnert. Gibt es

jedoch sehr auffällige Abweichungen im Wahrnehmungsprozess, werden schema-

inkonsistente Informationen besser erinnert (Stangor & McMillan, 199232).

Komplexe Wissensstrukturen werden auch mit dem Begriff mentaler Modelle oder impliziten

Persönlichkeitstheorien beschrieben. Diese sind „die Summe akkumulierter Erfahrungen und

Hypothesen darüber, wie Attribute und Persönlichkeitszüge bei anderen Menschen

organisiert sind“ (Forgas, 1999, S.36). Sie können auch Kategoriensysteme menschlicher

Persönlichkeit bzw. Eignungsmerkmale beinhalten und sind deshalb auch im Kontext der

Eignungsbeurteilung relevant (Schuler, 2002, S.86f).

Wahrnehmungs-, Informationsverarbeitungs- sowie Urteilsprozesse erfolgen also immer

selektiv sowie subjektiv und sind maßgeblich durch die Lernprozesse des Individuums

geprägt.

Auch Kühn, Platte & Wottawa (2006, S.75) definieren Beurteilung als „das Ergebnis von

Lernprozessen, die sich auf Sammlung, Klassifikation und Ordnung von Daten, auf deren

Verarbeitung und auf den Beurteilungsmaßstab beziehen“. Beurteilungen zeigen dabei

„interindividuelle Differenzen (Unterschiede zwischen Beurteilern aufgrund deren

Persönlichkeit und Lerngeschichte) und intraindividuelle Differenzen (Unterschiede bei einem

Beurteiler in Abhängigkeit von Beurteilungssituation und den beurteilten Personen“ (ebd.).

Somit unterliegen auch die Informationswahrnehmung und -verarbeitung im Kontext von

Einstellungsinterviews den individuellen Schemata und darauf basierenden Erwartungen und

Hypothesen des jeweiligen Recruiters. Schemata können deshalb zu Verzerrungen in der

Wahrnehmung und im Urteil führen (siehe auch Kapitel 2.4).

Analog zu den obigen theoretischen Erläuterungen zeigen Anderson & Shackleton (1990,

S.70f), dass Interviewer nicht dazu in der Lage sind, alle im Einstellungsinterview verfügbaren

Informationen aufzunehmen und optimal zu gewichten.

Auch Kanning & Leisten (2004)33 haben belegt, dass Beobachter in einem Assessment

Center die verbalen Äußerungen ausblenden und statt dessen vor allem die nonverbalen

31 jeweils aus Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.118; 32 aus Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.32; 33 aus Kanning, 2004, S.61;

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34

Informationen in ihr Urteil einbeziehen, da sich diese besonders schnell und ohne großen

kognitiven Aufwand verarbeiten lassen.

Fazit zu Kapitel 3.1:

Grundlagen sozialer Wahrnehmung und Urteilsbildung

Im Rahmen eignungsdiagnostischer Entscheidungen werden Prognosen über die Eignung

des Bewerbers erstellt.

Diese Prognosen resultieren aus Induktions- Repräsentations-, Korrelations- oder

Analogieschlüssen (Kühn, Platte & Wottawa, 2006, S.103) auf Basis des selektiv

wahrgenommenen Verhaltens des Bewerbers und sind deshalb grundsätzlich subjektiv

behaftet.

Dipboye (1992, S.14f) skizziert die Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung des

Interviewers in folgenden Schritten:

- Selektive Informationsaufnahme

- Attribution von Bewerberverhalten und Verhaltensergebnissen im Abgleich mit

Kategorisierungen

- Beurteilung

- Entscheidung

Durch Erwartungen aktivierte Schemata (bei Dipboye Kategorisierungen) steuern also die

selektive Informationsaufnahme des Recruiters.

Schema-aktivierende Erwartungen entstehen durch Vorinformationen über den Bewerber,

z.B. durch Bewerbungsunterlagen. Die tendenziell schemakongruente Information wird dann

in das aktivierte Schema integriert, kategorisiert und im Abgleich mit den Gedächtnisinhalten

interpretiert, bevor dann letztlich die eignungsdiagnostische Beurteilung und Entscheidung

erfolgt.

Die schemagetriebene Informationsverarbeitung (Top-Down) zeichnet sich dabei durch einen

geringen kognitiven Aufwand aus und kann deshalb schneller und automatischer, sogar

unbewusst erfolgen als eine systematisch-analytische Informationsverarbeitung (Bottom-Up)

(siehe auch Kapitel 5 zur Differenzierung der beiden grundsätzlichen Informations-

verarbeitungssysteme des Menschen).

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35

Die subjektive Komponente der schematischen Wahrnehmung und Beurteilung kann dabei

für eignungsdiagnostische Entscheidungsprozesse als besonders problematisch beurteilt

werden. Ein schematischer Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsprozess

entspricht damit nicht den normativen Kriterien einer analytisch geprägten

Eignungsdiagnostik, sondern besitzt einen eher intuitiv-kategorialen Charakter und sollte

deshalb das Risiko für undifferenzierte Entscheidungen und Urteilsfehler erhöhen.

Somit kann ein Zusammenhang zwischen schemagetriebener Wahrnehmung und einem

intuitiv geprägten Urteils- und Entscheidungsprozess von Recruitern angenommen werden.

Folglich kann für den auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters basierenden Faktor:

- Anwendung von Schemata

ein negativer kausaler Zusammenhang mit einem analytischen Urteils- und

Entscheidungsprozess postuliert werden.

Der Einfluss von individuellen Schemata auf die Einstellungsentscheidung sollte also

entsprechend den normativen eignungsdiagnostischen Forderungen minimiert werden.

Allerdings gibt es auch Arbeiten, die im Gebrauch von Schemata bzw. verkürzten

Urteilsstrategien einen Vorteil sehen, da diese die einzige Option für den Menschen

darstellen, in komplexen Entscheidungsrealitäten überhaupt Entscheidungen treffen zu

können.

Normative Entscheidungstheorien postulieren nach Gigerenzer, Todd & the ABC Group

(1999) dabei unerreichbare theoretische Ideale, die in der Praxis nicht anwendbar sind. Ein

Überblick über die Forschungsrichtung Nützlichkeit und Rationalität von Heuristiken

(Gigerenzer & Gaissmaier, 2011; Gigerenzer, Todd & the ABC Group, 1999; Gigerenzer,

1991) soll deshalb im folgenden Kapitel gegeben werden.

3.2 Der „homo heuristicus“ – die pragmatische Perspektive

Simon (2000) formulierte die These der begrenzten Rationalität, um menschliche

Entscheidungen zu beschreiben. Danach kann der Mensch deshalb nur begrenzt rational

entscheiden und handeln, weil er auch die Informationen seiner Umwelt nur begrenzt

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36

aufnehmen und verarbeiten kann34. Nach Simon (ebd., S.36) kann die ökonomisch geprägte

Maxime der Nutzenmaximierung deshalb nicht aufrecht erhalten werden.

Eine erfolgreiche Strategie zur Reduktion komplexer Informationen in der

Entscheidungsrealität ist dabei die Anwendung von Heuristiken.

Heuristiken sind verkürzte Urteilsstrategien, sogenannte Faustregeln, die Kapazität sparen,

aber auch zu systematischen Fehlern führen können (Betsch et al., 2011, S.38).

Auch Kahneman & Tversky (Gilovich, Griffin & Kahneman, 2002; Kahneman, Slovic &

Tversky, 1982) haben in ihrem Forschungsprogramm Heuristics-and-biases gezeigt, dass

Menschen von den normativen Entscheidungsmodellen abweichen und dabei systematische

Urteilsfehler produzieren35.

Allerdings erlauben Heuristiken in komplexen Situationen (Gigerenzer & Gaissmaier, 2011;

Gigerenzer, 2008; Todd & Gigerenzer, 2000) oder unter Unsicherheit (Goldstein &

Gigerenzer, 2011; Cosmides & Tooby, 1996), Entscheidungen überhaupt treffen zu können.

Gigerenzer und Kollegen haben deshalb auf der Kritik Simon`s am Konzept des homo

oeconomicus aufgebaut und das Konzept des homo heuristicus entwickelt (Gigerenzer &

Brighton, 2009; Gigerenzer, 2004).

Sie greifen mit dem Forschungsprogramm der Adaptiven Toolbox (Todd & Gigerenzer, 2001;

Gigerenzer & Selten, 2001; Gigerenzer, Todd & the ABC Group, 1999) folgende

Komponenten des Konzepts der begrenzten Rationalität auf: „die Grenzen menschlicher

Verarbeitungsfähigkeit und die Informationsstrukturen der Umgebungen, in denen Menschen

Urteile und Entscheidungen treffen müssen“ (Hoffrage, Hertwig & Gigerenzer, 2005, S.70).

Weil „optimale Strategien im Regelfall ein unerreichbares Ideal“ darstellen und somit

komplexen Realitäten nicht gerecht werden (ebd.), können einfache Such- und

Entscheidungsmechanismen somit als funktionale Anpassungsstrategie des Menschen an

komplexe Umwelten verstanden werden (vgl. auch Goldstein & Gigerenzer, 2002).

34 zu wahrnehmungspsychologischen Voraussetzungen siehe vorheriges Kapitel 35 Besonders gut erforschte Heuristiken sind nach Betsch, Funke & Plessner, 2011, S.18/38f jeweils die

- Verfügbarkeitsheuristik: Leichtigkeit und Schnelligkeit mit der Gedächtnisinhalte abgerufen werden, bestimmen die geschätzte Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses (Combs & Slovic, 1979);

- Repräsentativitätsheuristik: Zuordnung von Wahrscheinlichkeit für ein spezielles Ereignis als Indikator eines allgemeinen Ereignisses; wie repräsentativ/typisch ein spezielles Ereignis wahrgenommen wird (Tversky & Kahneman, 1983);

- Ankerheuristik: Menschen generieren einen Bezugspunkt/ Anker, in dessen Richtung ihr Urteil verzerrt wird (Tversky & Kahneman, 1974; Ankereffekt auch belegt im Rahmen von Einstellungsinterviews: Kataoka et al., 1997);

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37

Die Rationalität von Heuristiken liegt deshalb in ihrer spezifischen Passung zu den

vorliegenden physikalischen und sozialen strukturellen Bedingungen der jeweiligen Situation

(Gigerenzer, 2001, S.38). Eine Heuristik sei folglich “nicht gut oder schlecht, rational oder

irrational per se, sondern relativ zu den vorliegenden Umweltbedingungen” (Gigerenzer,

2004, S.6536). Dies wird auch als ökologische Rationalität bezeichnet.

Gigerenzer (1991, S.22) sowie Cosmides & Tooby (1996, S.59ff) haben in diesem Kontext

ebenfalls den Begriff intuitiver Statistiker geprägt und gezeigt, dass sich viele vermeintliche

Urteilsfehler (bias) bei statistischer Überprüfung doch als genaue Urteile entpuppen, da das

heuristische Urteil jeweils auf spezifischen Wahrscheinlichkeitsberechnungen basiert.

Vor allem im Kontext der Unsicherheit zeigen Cosmides & Tooby (1996, S.62/64) damit, dass

Heuristiken als rationale und effektive Entscheidungsstrategie fungieren können (vgl. auch

Gigerenzer & Brighton, 2009).

Zwei zentrale effektive Heuristiken sind nach Goldstein & Gigerenzer (1999/2002) sowie

Hilbig et al. (2010) die Wiedererkennungsheuristik (recognition heuristic), bei welcher

zwischen zwei Alternativen diejenige gewählt wird, die den höchsten Wiedererkennungswert

aufweist, sowie die take-the-best-Heuristik37, die auf der satisficing rule nach Simon (1982)

aufbaut. Nach der satifsficing rule (Simon, 1982) wird diejenige erstbeste Option gewählt,

welche gleich oder besser dem Anspruchsniveau des Entscheiders entspricht. So ist der

Mensch in der Lage, auch in kurzer Zeit effektive, wenn auch nicht optimierte,

Entscheidungen zu treffen, da der Vergleich zwischen mehreren Alternativen entfällt, sobald

es eine Option gibt, die alle Kriterien erfüllt38.

36 Übersetzung der Autorin 37 oder auch lexicographic rule nach Fishburn, 1974; 38 Entscheidungen können grundsätzlich danach voneinander differenziert werden, ob sie kompensatorisch ausgerichtet sind oder nicht. Kompensatorische Entscheidungsstrategien erlauben den Ausgleich von positiven und negativen Merkmalsausprägungen, da die Konsequenzen einer Option mit ihren jeweiligen Nutzenwerten betrachtet werden. Bei nichtkompensatorischen Strategien werden die einzelnen Merkmalsdimensionen verschiedener Alternativen miteinander verglichen (Betsch et al., 2011, S.97f). Kompensatorische Entscheidungsregeln entsprechen dabei der Maximierungsregel, da erst alle Informationen integriert und verrechnet werden müssen, bevor eine Entscheidung getroffen werden kann. Nichtkompensatorische Strategien können schneller erfolgen, da der Informationssuchprozess dann abgebrochen werden kann, wenn eine passende Alternative bzw. ein spezifischer Cut-Off erreicht wurde (ebd.).

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38

Fazit zu Kapitel 3.2:

Der „homo heuristicus“ – die pragmatische Perspektive

Auch eignungsdiagnostische Entscheidungen scheinen in der Praxis zumeist auf

schematischen oder heuristischen Prozessen zu beruhen39.

Da der Recruiter in seiner Informationsverarbeitungskapazität begrenzt ist, muss er letztlich

auf verkürzte Urteilsstrategien zurückgreifen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, auch

wenn dies von einem streng analytischen Vorgehen abweicht.

Die normative Forderung nach einer vollständig systematisch-analytischen Informations-

verarbeitung stößt in der eignungsdiagnostischen Praxis also an ihre Grenzen.

Dies muss aber nicht zwingend bedeuten, dass verkürzte Urteilsstrategien und Schemata

eines Recruiters grundsätzlich Fehleinschätzungen produzieren müssen.

Möglicherweise können schematisch-heuristische Urteils- und Entscheidungsprozesse dann

in ihrer Validität gesteigert werden, wenn sie auf komplexem wie evaluiertem

Erfahrungswissen basieren. Durch evaluiertes Erfahrungswissen könnte der Recruiter im

Laufe seiner Tätigkeit ein ausdifferenziertes kognitives Hypothesen-System erworben haben,

welches ihn dazu befähigt, valide eignungsdiagnostische Entscheidungen zu treffen.

Deshalb soll im nächsten Kapitel, zusätzlich zur eben dargestellten schematisch-

heuristischen Charakterisierung von intuitiven Urteils- und Entscheidungsprozessen, auch

der Einfluss von Erfahrung und Expertise auf Intuition näher beleuchtet werden.

39 Der heuristische Entscheidungsprozess eines Recruiters kann jedoch mit Hilfe der Formulierung expliziter Entscheidungsregeln und Definition von Cut-Offs in mathematische Entscheidungsmodelle überführt und einer zukünftigen Evaluation zugänglich gemacht werden. Montel (2006) hat in seiner Arbeit das Konzept der simultanen Optimierung multipler Cutoffs entwickelt, um explizierte Entscheidungsregeln in ein disjunktives Expertenmodell zu überführen. Die Evaluation solcher Entscheidungsmodelle bietet dann die Möglichkeit, explizite sowie empirisch prüfbare Entscheidungsregeln für die Praxis abzuleiten und kann deshalb als viel versprechender Ansatz gewertet werden auf dem Weg zu einer analytischen Eignungsdiagnostik, wie in der normativen Theorie gefordert.

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

39

4. Intuition als Indikator für Expertise?

4.1 Vom „Novizen“ zum „Experten“ – von expliziten Entscheidungsregeln und

intuitiver Mustererkennung bei Urteils- und Entscheidungsprozessen

Grundsätzlich lässt sich zwischen expliziten und impliziten Gedächtnisinhalten unterscheiden.

Wissen, welches bewusst abgerufen werden kann, wird explizites Wissen genannt, das

Wissen, welches nicht oder nicht vollständig reproduziert werden kann, sich aber bei der

Ausführung einer Handlung zeigt, wird implizites Wissen genannt (Anderson, 2001, S.234).

Weiterhin wird zwischen prozeduralem und deklarativem Wissen unterschieden.

Implizites Wissen kann sowohl perzeptuelle (wahrnehmungsbezogene) als auch prozedurale

(tätigkeits- bzw. ablaufbezogene) Wissensinhalte abbilden. Deklaratives Wissen wird explizit

abgespeichert.

Implizit abgespeichertes, durch Erfahrung erworbenes Wissen wird häufig als Intuition

bezeichnet (Plessner, Betsch & Betsch, 2008; Lieberman, 2000). Intuition basiert demnach

auf implizit abgespeichertem Wissen, das durch assoziative Lernprozesse erworben wurde

(Lieberman, 2000). Auch Experten beschreiben ihre Entscheidungsprozesse mit Intuition.

Deshalb soll im Folgenden der Zusammenhang zwischen Expertenwissen und Intuition

genauer erläutert werden.

Wesentliche Arbeiten, die zum Verständnis des Erwerbs von Expertenwissen beigetragen

haben, sind die Untersuchungen von Chase & Simon (1973) und Hayes (1985).

Ericsson et al. (1993) sowie Bloom (1985) nehmen analog zu Hayes (1985) an, dass

Expertise nur durch großen Zeitaufwand bzw. Übung erreicht wird (vgl. auch Charness,

Krampe & Mayr, 1996).

Auch Anderson (2001, S.305) resümiert: „alle Belege deuten darauf hin, dass eine besondere

Gabe 90 Prozent harte Arbeit und 10 Prozent Inspiration bedeutet“. Hierbei ist, analog zum

Prinzip der Verarbeitungstiefe, eine zielgerichtete Übung die Voraussetzung für eine bessere

Gedächtnisleistung (ebd.).

Den Erwerb spezieller Fertigkeiten bzw. den Erwerb von Expertenwissen beschreiben

Anderson (1983) sowie Fitts & Posner (1967)40 mit drei aufeinander folgenden Lernphasen:

40 aus Anderson, 2001, S.282;

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

40

- Kognitive Phase

- Assoziative Phase

- Autonome Phase

In der kognitiven Phase „bilden Menschen eine deklarative Enkodierung der Fertigkeit aus“

(Anderson, 2001, S.282). Die einzelnen Wissenselemente werden explizit, Schritt für Schritt,

abgespeichert und auch abgerufen.

In der assoziativen Phase werden diese einzelnen Elemente oder Abfolgen stärker

miteinander verbunden, ebenfalls werden Fehler aufgedeckt und korrigiert. Das deklarative

Wissen wird in prozedurales Wissen überführt, dabei „wird die Verwendung deklarativen

Wissens durch die unmittelbare Anwendung prozeduralen Wissens abgelöst“ (Anderson,

2001, S.291). Das Wissen wird dann implizit-prozedural abgespeichert und wird auch

bevorzugt prozedural angewendet (vgl. Sweller, Mawer & Ward, 198341).

Dennoch können deklarative und prozedurale Wissensinhalte auch nebeneinander existieren,

dass heißt trotzdem noch explizit abgerufen werden (Anderson, 2001, S.283).

In der autonomen Phase automatisiert sich schließlich die Prozedur, sie benötigt immer

weniger Kapazität an Aufmerksamkeit und Verarbeitung, ebenfalls verbessern sich mit

zunehmender Übung auch Geschwindigkeit und Genauigkeit der Ausführung42 (ebd.).

Jenkins et al. (199443) konnten zeigen, dass sich die Lernphasen auch in unterschiedlich

aktivierten Hirnarealen niederschlagen. So zeigt sich, dass bei dem expliziten Abruf von

Wissen besonders der präfrontale Cortex aktiviert ist, bei der implizit-prozeduralen

Anwendung des Wissens hingegen stärker der posteriore Cortex aktiviert ist.

Dies spricht dafür, dass mit zunehmender Übung prozedurales Wissen aus dem Gedächtnis

abgerufen wird.

Auch Shiffrin & Schneider (1977, S.161) haben schon zwischen kontrollierten und

automatischen Prozessen der Informationsverarbeitung unterschieden und diese mit

Lernprozessen in Verbindung gebracht. So werden mentale Operationen bei neuen

Situationen kontrolliert ausgeführt, mit zunehmender Gewöhnung erfolgen sie aber immer

automatischer und mit zunehmender Performance.

41 aus Anderson, 2001, S.291; 42 vgl. Potenzgesetz des Lernens: Barnes (1979), Crossman (1959), Neves & Anderson (1981), Kolers (1979); sowie das Prinzip des Taktischen Lernens: Greeno (1974), Logan (1988); aus Anderson, 2001; 43 aus Anderson, 2001, S.293;

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

41

Ähnlich beschreiben auch Dreyfus & Dreyfus (1980/1986) den Erwerb von Expertenwissen.

Sie unterscheiden dabei folgende Stufen voneinander:

- Novize: ein Novize entscheidet nach explizit definierten Regeln, ohne den jeweiligen

Kontext mit in die Entscheidungssituation zu beziehen (Dreyfus & Dreyfus, 1986,

S.43f);

- Fortgeschrittener Anfänger: der fortgeschrittene Anfänger speichert situative

Elemente in spezifischen Erfahrungssituationen mit ab und erwirbt dadurch nach und

nach mehr kontextbezogenes Wissen (ebd., S.45f);

- Kompetenz: Kompetenz entwickelt sich im weiteren Lernprozess durch konkrete

Erfahrungen; die Angemessenheit der Entscheidungsregeln wird jeweils basierend

auf ihrer spezifischen Passung zum Kontext überprüft und als Richtlinie oder

Handlungsplan hierarchisch organisiert abgespeichert (ebd., S.46f);

- Profi: der Profi erkennt durch zunehmende praktische Erfahrung Muster und

Ähnlichkeiten zwischen einzelnen Situationen und speichert die jeweils relevanten

bzw. salienten Entscheidungshinweise (cues) ab; dadurch kann er die passende

Handlungsstrategie im weiteren Lernprozess intuitiv identifizieren (ebd., S.52f);

- Expertise: bei dem Experten erfolgt die Informationswahrnehmung und -verarbeitung

nach dem Prinzip der Mustererkennung schnell, unbewusst sowie hoch automatisiert

und triggert deshalb intuitiv die passende Handlung; diese intuitive Reaktion ist

deshalb möglich, da für jede Situation die passende Handlungsoption abgespeichert

und schnell verfügbar ist (ebd., S.53f);

Seine Entscheidungen begründet der Experte dann meist mit Intuition, da er die

entscheidungsrelevanten Prozesse nicht mehr schrittweise nachvollziehen und explizieren

kann. Tatsächlich sind hierbei jedoch komplexe und hoch automatisierte kognitive

Verarbeitungsprozesse wirksam, die flexibel und situationsadäquat angewendet werden

können (Plessner et al., 2008).

Die Informationsverarbeitung und Wissensreproduktion entwickelt sich im Prozess des

Erwerbs von Expertenwissen also von explizit hin zu implizit bzw. von deklarativ hin zu

prozedural.

Weiterhin stellen Larkin (1981) sowie Simon & Simon (1978) im Vergleich der

Problemlösungen von Novizen und Experten fest, dass Novizen primär rückwärtsgerichtete

Lösungsstrategien (Zwischenziele, Mittel-Ziel-Produktionen), Experten hingegen primär

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

42

vorwärtsgerichtete Lösungsstrategien verwenden. Experten konzentrieren sich dabei auf die

relevanten Inferenzen und greifen auf umfangreiches Fallwissen zurück.

Damit nutzen Novizen Top-Down-Prozesse, Experten hingegen Bottom-Up-Prozesse.

Auch Ross, Lussier & Klein (2005) nehmen in diesem Kontext an, dass sich Experten auf die

wichtigsten Aspekte der Entscheidung fokussieren und diese gründlicher verarbeiten.

Nach Anderson (2001, S.296) ist dies auch ein Hauptcharakteristikum des Erwerbs von

Expertenwissen: „Experten lernen, verschiedene Inferenzen mit unterschiedlichen

Merkmalsmustern des gestellten Problems in Zusammenhang zu bringen“.

Ebenfalls stellt Anderson (2001, S.297) fest, dass Experten Problemlösungen zuerst in die

Breite generieren, da „eine gesamte Ebene des Problembaums auf einmal erzeugt wird“,

während Novizen eine Teillösung zunächst in die Tiefe ausarbeiten, bevor sie sich dem

nächsten Schritt zuwenden (ebd.). Auch metakognitive Fähigkeiten scheinen bei Experten

stärker ausgebildet zu sein (Larkin, 1983).

Ein weiteres bedeutsames Prinzip des Erwerbs von Expertenwissen ist das Prinzip der

Mustererkennung (Connors et al., 2011; Gobet & Simon, 200044).

De Groot (1965) konnte bei Schachspielern zeigen, dass sich Experten von Novizen dadurch

unterscheiden, dass sie innerhalb von nur wenigen Sekunden die Positionen von über 20

vorher kurz dargebotenen Schachfiguren perfekt rekonstruieren konnten, während die

Novizen nur 4-5 Figuren korrekt aufstellen konnten.

Experten integrieren die vorliegenden Informationen in ihre komplexen durch Erfahrung

erworbenen kognitiven Strukturen und speichern somit ganze Muster, statt einzelne

Positionen ab (auch Connors, Burns & Campitelli, 2011; Chase & Simon, 1973).

Letztlich handelt es sich hier um komplexe Schemata. Das Schachmuster-Schema hilft dem

Experten allerdings dann nicht mehr weiter, wenn die Figuren nur zufällig angeordnet

dargeboten werden. Dies spiegelt sich dann entsprechend in nur wenig richtig

Reproduktionen wieder (De Groot, 1965; Charness, 1976; vgl. auch Hacker, 1994 sowie

Carraher et al., 1985 zum beschränkten Transfer von Expertenwissen).

Newell & Simon (1972) erklären die Überlegenheit von Schachexperten auch dadurch, dass

einzelne wieder erkannte Muster (Wenn-Bedingung) kognitiv direkt mit einer passenden

44 aus Gobet & Charness, 2006, S.533;

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43

Problemlösung (Dann-Handlung) verknüpft sind. Diese Problemlösung ist damit Teil des

komplexen Experten-Schemas und muss nicht, wie bei Novizen, erst generiert werden (vgl.

auch Gobet & Charness, 2006, S.531).

Dadurch verfügen Experten ebenfalls über eine erhöhte Speicherkapazität für Informationen

aus ihrem Spezialgebiet (Charness, 1976; Chase & Simon, 1973). Experten können sich

somit zum Beispiel sowohl größere als auch mehr Schachmuster (Reingold et al., 200145;

Chase & Simon, 1973) sowie längere Ziffernfolgen (Chase & Ericsson, 1982) merken und

diese auch wieder abrufen.

Eine Übersicht über weitere Studien zu Expertise bieten Gobet & Charness (2006), Clancey

(2006), Starkes & Ericsson (2003) sowie Ericsson & Smith (1991).

Fazit zu Kapitel 4.1:

Vom „Novizen“ zum „Experten“ – von expliziten Entscheidungsregeln und intuitiver

Mustererkennung bei Urteils- und Entscheidungsprozessen

Intuition wird im Kontext von Expertenwissen vor allem durch das Prinzip der

Mustererkennung beschrieben.

Simon (1992, S.15546) hat Intuition dementsprechend wie folgt definiert: „Die Situation gibt

einen Cue vor: dieser Cue aktiviert das im Gedächtnis gespeicherte Wissen des Experten

und führt zu einer Antwort. Intuition ist nicht mehr oder weniger als Wiedererkennung“

(recognition47). Auch laut Lieberman (2000) erkennen Experten eine Situation bzw. einen Cue

als relevant und können deshalb schnell aus dem Gedächtnis die passende Reaktion

abrufen48.

Übertragen auf den Prozess eignungsdiagnostischer Urteile und Entscheidungen könnte der

Erwerb von Expertenwissen somit seinen Anfang in der Anwendung expliziter

Entscheidungsregeln nehmen, die mit zunehmender Erfahrung auch auf die Passung zu

spezifischen Situationen und Kontexten hin überprüft und abgespeichert werden.

45 aus Gobet & Charness, 2006, S.529; 46 aus Kahneman & Klein, 2009, S.520; Übersetzung der Autorin; 47 Diese expertenspezifische Mustererkennung wird allerdings von der verkürzten Urteilsstrategie der Wiedererkennungsheuristik (recognition heuristic) nach Goldstein & Gigerenzer (1999, siehe auch Kapitel 3.2) unterschieden (ebd.). 48 Dies wird auch mit dem Begriff recognition primed decision beschrieben (Klein, 1989). Lokalisiert wird intuitives Entscheiden im limbischen System. Handlungsabsichten entstehen hier durch den Abgleich von Situationen mit den neuronal abgespeicherten Reizmustern. Soon et al. (2008) konnte sogar zeigen, dass Handlungsimpulse schon bis zu ca. 8 Sekunden vorher im limbischen System neuronal sichtbar wurden, bevor die Handlung tatsächlich ausgeführt wurde.

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

44

Durch verschiedene Einstellungsinterviews mit verschiedenen Bewerbern wird der Recruiter

so im Laufe seiner Tätigkeit Ähnlichkeiten und Muster zwischen einzelnen Bewerbern und

deren Verhaltensweisen erkennen und diese in sein stellenspezifisches kognitives Schema

integrieren.

Seine Entscheidungsregeln kann er dann in neuen Kontexten und Situationen mit anderen

Bewerbern überprüfen und evaluieren. So kann er sich über den Zeitverlauf verschiedene

stellenrelevante kognitive Hypothesen-Systeme erarbeiten, die er in jedem neuen

Einstellungsinterview auf deren Validität prüft und im Gespräch mit dem Bewerber

systematisch abtestet, um zu einer eignungsdiagnostischen Entscheidung zu gelangen.

Dies setzt allerdings einen konsequent analytischen Prozess der Urteils- und

Entscheidungsfindung sowie eine disziplinierte Selbstreflektion voraus.

Ebenfalls muss der Recruiter explizite Entscheidungsregeln formulieren, die er mit

zunehmender Erfahrung systematisch überprüft, modifiziert und ausdifferenziert.

Ob diese Bedingungen in der eignungsdiagnostischen Praxis tatsächlich zutreffen, bleibt

vorerst anzuzweifeln (siehe Kapitel 4.2 und 4.3).

Falls der Lernprozess im Einzelfall jedoch wie beschrieben erfolgen sollte, bleibt weiterhin

fraglich, ob der Entscheidungsprozess eines Recruiters tatsächlich die Entwicklung von

expliziter hin zu impliziter Informationsverarbeitung durchläuft, da als Voraussetzung für den

Erwerb eignungsdiagnostischer Expertise ein explizit-analytischer Informationsverarbeitungs-

prozess angenommen werden muss.

Ein eignungsdiagnostischer Experte, der seine Entscheidungsregeln jahrelang kritisch

reflektiert und modifiziert hat, sollte somit zwar schneller und treffsicherer in seinen

Ableitungen und Beurteilungen werden, da er sich direkt auf die relevanten Cues und

Inferenzen konzentriert. Er sollte allerdings trotzdem noch dazu in der Lage sein, diese

Entscheidungsregeln auch explizit zu formulieren.

So kann, bezogen auf den Abruf des Expertenwissens, möglicherweise ein Unterschied

zwischen einem Schachexperten und einem eignungsdiagnostischen Experten bestehen.

Letzterem sollte es leichter fallen, seine Entscheidungsregeln, die er wie auch der

Schachexperte automatisch und intuitiv anwendet, zu explizieren.

Dieser Aspekt soll auch in der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt werden.

Eignungsdiagnostische Expertise wird hier also im Kontrast zu den bisher vorliegenden

theoretischen Arbeiten, nicht mit intuitiven Urteils- und Entscheidungsprozessen sondern mit

analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen in Verbindung gebracht.

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

45

Folglich wird für den auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters basierenden Faktor:

- Expertise

ein positiver kausaler Zusammenhang mit einem analytischen Urteils- und

Entscheidungsprozess angenommen.

4.2 Zur Validität der Lernumgebung als Prämisse für den Erwerb von

Expertenwissen

Yates (2001, S.24) hat am Stufenmodell des Erwerbs von Expertenwissen kritisiert, dass das

Modell den Kontext bzw. die Validität der Lernumgebung nicht berücksichtigt. Dieser Einwand

ist im Zusammenhang der Diskussion um Expertenwissen von Recruitern von besonderer

Bedeutung und wird im Folgenden noch weiter ausgeführt.

Kahneman & Klein (2009) haben sich der Lernumgebung als entscheidende Bedingung für

den Erwerb von Expertise gewidmet. Sie haben die Gegensätze wie Gemeinsamkeiten

zwischen den Forschungsrichtungen Heuristics and Biases und Naturalistic Decision Making

bezogen auf die jeweilige Definition von Intuition beschrieben.

Ausgehend von der Tatsache, dass sich intuitive Expertenentscheidungen in der Realität

sowohl außerordentlich zutreffend, manchmal aber auch außerordentlich fehlerbehaftet

zeigen (ebd., S.518), erklären die Autoren die Bedingungen, die intuitive Expertise (true

intuitive skill) von intuitiver Selbstüberschätzung (overconfident and biased impressions)

unterscheiden.

Die Forschungsrichtung NDM (Naturalistic Decision Making) fokussiert sich grundsätzlich auf

die positiven Aspekte von Intuition und wurzelt in der Expertise-Forschung (siehe vorheriges

Kapitel). Hier wird Intuition als Mustererkennung beschrieben.

Das Validitätskriterium an dem sich die Beurteilung des Expertenurteils ausrichtet, ist dabei

das Expertenurteil selbst (Kahneman & Klein, 2009, S.519).

Analog zu Shanteau`s (1992, S.25549) Definition „Experten werden definiert, als diejenigen,

die innerhalb ihrer Profession das höchste Level ihrer Fertigkeiten erworben haben“50, fehlt

hier also das Außenkriterium.

49 aus Kahneman & Klein, 2009, S.519; 50 Übersetzung der Autorin

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46

Der Forschungsschwerpunkt liegt auf realen (naturalistic) Entscheidungssituationen, deshalb

ist die Forschungsrichtung NDM den deskriptiven Entscheidungstheorien zu zuordnen.

Die Forschungsrichtung HB (Heuristics and Biases) hingegen, nutzt die Ergebnisse

mathematischer Modelle als Validitätskriterium und ist damit den normativen Ansätzen der

Entscheidungstheorien hinzu zu ordnen.

Demzufolge definieren Vertreter der Forschungsrichtung NDM Intuition als erfahrungsbasiert

bzw. basierend auf Expertenwissen (im Folgenden expertise-basiert), Vertreter der HB

hingegen als heuristisch und damit fehlerbehaftet (ebd., S.519).

Als entscheidende differenzierende Faktoren zwischen heuristischer oder expertise-basierter

Intuition nennen Kahneman & Klein (2009, S.519f) zum einen valide Lernumgebungen und

zum anderen Möglichkeiten der Evaluation. Die Lernumgebung muss also valide Cues für die

jeweilige Lernsituation bereitstellen und Möglichkeiten bieten, diese relevanten Cues auch zu

evaluieren.

Valide Lernumgebungen werden dabei als „kausale und statistische Struktur“ (ebd., S.520)

verstanden. Diese Bedingungen bleiben in der Entscheidungsrealität jedoch häufig unerfüllt,

entweder dadurch, dass die Lernumgebung bzw. der Kontext schlicht nicht prognostizierbar

ist oder weil keine expliziten Entscheidungsregeln verfügbar sind, die erlernt werden könnten

(ebd., S.521).

Hoch-valide Lernumgebungen zeichnen sich dadurch aus, dass stabile Beziehungen

zwischen „objektiv identifizierbaren Cues“ und deren „Outcomes“ vorliegen (ebd., S.524).

Kahneman & Klein (2009, S.524) resümieren: „Wenn eine Lernumgebung sowohl valide

Cues als auch eindeutiges Feedback zur Verfügung stellt, wird sich expertenbasierte Intuition

entwickeln“51. Die Validität und die Unsicherheit einer Lernumgebung schließen sich dabei

nicht aus (ebd.).

Auch Hogarth (2002) hat die Lernumgebung als wesentliche Voraussetzung für die

Entstehung intuitiver Expertise berücksichtigt. Er unterscheidet positive Lernumgebungen

(kind), in denen eindeutiges Feedback über die Güte von Entscheidungen vorhanden ist, von

negativen Lernumgebungen (wicked), in denen falsches oder unvollständiges Feedback

vorherrscht.

51 Übersetzung der Autorin

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

47

Fazit zu Kapitel 4.2:

Zur Validität der Lernumgebung als Prämisse für den Erwerb von Expertenwissen

Experten scheinen nach dem Prinzip der Mustererkennung zu entscheiden.

Sie haben komplexe kognitive Schemata erworben, die es ihnen erlauben, aufgrund eines

spezifischen Cue automatisch und intuitiv die passende Handlungsstrategie zu generieren.

Ein vermeintliches Experten-Schema kann aber auch zu Urteilsfehlern und falschen

Entscheidungen führen, wenn keine validen Lernumgebungen für den Erwerb von

Expertenwissen zur Verfügung gestanden haben.

Entscheidende Bedingungen für die Ausbildung von expertise-basierter statt heuristischer

Intuition sind somit die Validität der Lernumgebung und ein disziplinierter analytischer Urteils-

und Entscheidungsprozess, der im gesamten Lernprozess immer wieder kritisch reflektiert

und modifiziert wird.

Bezogen auf die Validität der Lernumgebung des Recruiters kann an dieser Stelle bereits

festgehalten werden, dass für den Kontext des Einstellungsinterviews weder objektiv

identifizierbare Cues noch stabile Beziehungen zwischen den Cues und deren prognostischer

Outcomes vorliegen, da die jeweiligen Eignungsmerkmale nur aus individuell unterschied-

lichen Verhaltenshinweisen erschlossen werden können (siehe Kapitel 3.1).

Wie auch in Kapitel 2.1 erläutert, liegen für den Recruiter dabei keine bzw. nur unzureichend

empirisch fundierte explizite Entscheidungsregeln vor, die für den Lernprozess zum Experten

aber zwingende Voraussetzung sind52.

Deshalb muss der Recruiter seine eigenen individuellen Entscheidungsregeln explizieren und

im weiteren Lernprozess evaluieren, um potenziell von expertise-basierter Intuition profitieren

zu können.

Die Schwierigkeit liegt dabei schlicht in der unzureichenden Verfügbarkeit evaluativer

Elemente in der Praxis. Dadurch wird der Erwerb von eignungsdiagnostischem

Expertenwissen noch weiter erschwert (siehe nächstes Kapitel), da es auch hier an stabilen

Relationen zwischen Cues und Outcomes mangelt.

Die Lernumgebung des Recruiters und damit verbunden die schwierige Überprüfung der

Validität eignungsdiagnostischer Entscheidungen soll im nächsten Kapitel abschließend

erläutert werden. 52 Dies spricht auch für den Einsatz sequentieller Personalauswahlverfahren, in denen das Einstellungsinterview durch psychologische Messverfahren ergänzt wird.

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

48

Dabei werden der Lernprozess des Recruiters beschrieben sowie intuitive

Entscheidungsmuster hinsichtlich der kontroversen Perspektive Expertenwissen oder doch

nur nicht-evaluierte Routine53? diskutiert.

4.3 Lernen ohne Feedback? – zum Dilemma „richtiger“ intuitiver

eignungsdiagnostischer Entscheidungen

Die Evaluation von eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen sollte zu

einer Reflektion des eigenen Vorgehens sowie zu einer Modifizierung genutzter

Entscheidungsregeln führen. Dies sollte, wie oben bereits erläutert, im weiteren Verlauf zum

Aufbau von Expertenwissen und valideren eignungsdiagnostischen Urteilen und

Entscheidungen führen.

Die Evaluation der prognostischen Validität einzelner eignungsdiagnostischer

Entscheidungsfälle, und damit auch die Entwicklung eignungsdiagnostischer Expertise, zeigt

sich grundsätzlich allerdings deshalb problematisch, da Recruiter in nur wenigen

Unternehmen und Organisationen überhaupt eine Rückmeldung über den Erfolg ihrer

Entscheidungen erhalten bzw. sich darum bemühen (Schuler, 2002, S.122).

Personaldiagnostische Defizite lassen sich auch nach Kanning (2004, S.75) nur schwierig

entdecken. Ohne eine systematische Evaluation werden meist nur extreme

Fehlentscheidungen (z.B. außerordentliche Kündigungen) erkannt, deren Ursachen dann

nicht eindeutig dem eignungsdiagnostischen Prozess zugeordnet werden können.

Zudem bleibt auch das mögliche Outcome-Feedback immer nur einseitig, da in

Validitätsstudien nur diejenigen Personen berücksichtigt werden können, die auch eingestellt

wurden (Fiedler, 1995). Über die abgelehnten Bewerber gibt es gar keine Rückmeldung

(Schuler, 2002, S.122).

Da eine potenzielle Rückmeldung über die Bewährung des Mitarbeiters somit wenn

überhaupt nur sporadisch und zeitversetzt erfolgt, können in der Regel keine

Schlussfolgerungen mehr darüber, an welchen Punkten die Urteilsstrategie des Recruiters

fehlerbehaftet gewesen ist, sowie entsprechende Optimierungsansätze aus dem Feedback

abgeleitet werden.

53 im Sinne Kahneman`s & Klein`s (2009, S.518) intuitiver Selbstüberschätzung

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49

Deshalb fordern Wottawa & Hossiep (1987, S.62ff) sowie Wottawa & Oenning (2002, S.50ff)

eine kontinuierliche Verbesserung des diagnostischen Entscheidungssystems, welches auf

dem einzelfallbezogenen Lernen in der Praxis aufbauen soll (vgl. auch Montel, 2006).

Es mangelt also nicht nur an stabilen Relationen zwischen Cues und Outcomes, sondern

zusätzlich noch an Möglichkeiten der Evaluation. Diese Bedingungen sind jedoch, wie im

vorherigen Kapitel bereits ausgeführt, essentiell für den Aufbau von Expertenwissen (vgl.

auch Einhorn & Hogarth, 1978).

Doch wie lernen Recruiter zu entscheiden, wenn sie kaum oder nur ungenügendes Feedback

über die Qualität ihrer Entscheidungen erhalten?

Wottawa & Oenning (2002, S.50) sowie Wottawa & Hossiep (1987, S.61) beschreiben den

Lernprozess eines Diagnostikers anhand des Paradigmas Lernen am Modell bzw. Lernen

durch Nachahmung (vgl. Bandura, 1979): „Man begleite den „Experten“ bei seiner

diagnostischen Vorgehensweise und erarbeite sich durch „Nachahmen“ ein implizites

Regelsystem“ (Wottawa & Oenning, 2002, S.50). Ein Novize wird in der Regel solange

geschult, bis seine Entscheidungen größtmöglich mit denen des vermeintlichen Experten

übereinstimmen. Das Entscheidungssystem des Vorgängers ist dabei in der Regel entweder

durch seine eigenen subjektiven Erfahrungen oder durch institutionelle Normen des

jeweiligen Unternehmens geprägt (ebd.).

Wenn kein Regelsystem vorliegt, das übernommen werden könnte, muss der Diagnostiker

„unter dem Entscheidungsdruck“ ein individuelles subjektives Regelsystem aufbauen, um

Entscheidungen treffen zu können, denn „irgendetwas muss ja über den Bewerber gesagt

werden“ (ebd.).

Wenn also die evaluative Komponente fehlt, wird das erworbene implizite Regelsystem “nach

dem Prinzip Lernen durch Wiederholung immer weiter verstärkt“ (ebd.) und führt somit zu

einer Verfestigung subjektiver Entscheidungsregeln und einem illusorischen Vertrauen in das

vermeintliche diagnostische Expertenwissen.

Somit bleibt die Validität von subjektiven und übernommenen Entscheidungsregeln

grundsätzlich anzuzweifeln, wenn diese nicht evaluiert wurden.

Durch die Übernahme oder den eigenen Erwerb solch subjektiver Entscheidungsregeln

könnte folglich der Fall eintreten, dass ein „Experte“ jahrelang intuitiv und sicher, aber

objektiv falsch entscheidet.

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

50

Das vermeintliche Expertenwissen eines Recruiters könnte sich daher auch als bloßes nicht-

evaluiertes routiniertes Schema erweisen.

Routinierte Entscheidungen zeichnen sich dabei wie Expertenentscheidungen durch nur

geringe Nutzung kognitiver Ressourcen aus. Der kognitive Aufwand besteht primär im

matching der vorliegenden Entscheidungssituation mit den im Gedächtnis abgespeicherten

Schemata für diese Situation (siehe Kapitel 4.1 zum Prinzip der Mustererkennung).

Betsch et al. (2001) konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass bei wiederkehrenden

Entscheidungen widersprüchliche Informationen an Einfluss verlieren. Routinierte

Entscheidungen verstärken also noch die Bestätigungstendenz innerhalb der

Informationswahrnehmung und -verarbeitung und erhöhen damit die Gefahr von

Urteilsfehlern.

Auch die uneinheitlichen Befunde zu positiven und negativen Effekten von Erfahrung auf die

Interviewervalidität bestätigen die schwierige Differenzierung zwischen Expertise und

Routine.

Ausgehend von den Erläuterungen über das Phänomen der Expertise ließe sich vermuten,

dass „Interviewexperten“, aufgrund ihrer schnellen und differenzierten Mustererkennung

sowie jahrelangen Erfahrung, im Vergleich zu „Interviewnovizen“, auch zu mehr treffsicheren

Personalentscheidungen gelangen.

Diese Annahme konnte bisher allerdings nicht eindeutig bestätigt werden (Ryan & Sackett,

1989; Szucko & Kleinmuntz, 1981; Wiener & Schneiderman, 1974; Oskamp, 1962; Goldberg,

1959). Allerdings konnte ein Milde-Effekt für unerfahrene Interviewer nachgewiesen werden

(Furnham & Burbek, 1989, S. 398ff).

Dipboye & Jackson (1999) konnten ebenfalls zeigen, dass sich die Urteile erfahrener

Interviewer nicht von den Einschätzungen der Interviewer ohne Interviewerfahrung

unterscheiden. Sie folgerten daraus, dass Erfahrung nur dann einen positiven Effekt hat,

wenn sie mit erhöhter kognitiver Komplexität assoziiert ist (vgl. auch Graves, 1993).

Gehrlein, Dipboye & Shahani (1993, S.462ff) konnten sogar einen negativen Effekt von

Erfahrung auf die Validität einer Beurteilung nachweisen. So erreichten unerfahrene

Interviewer in der Beurteilung von Bewerbern auf zwölf Motivations- und

Kommunikationsskalen eine höhere Gesamtvalidität als erfahrene Interviewer. Die

erfahrenen Interviewer dagegen, beschwerten sich über die vorgegebenen Strukturen und

berücksichtigten bei ihrer Beurteilung nicht alle Ratingskalen.

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

51

Die Befunde belegen also, dass im Rahmen eignungsdiagnostischer Entscheidungen

Erfahrung nicht nur als Indikator für Expertise, sondern gleichermaßen als Indikator für nicht-

evaluierte Routine fungieren kann.

Zur Differenzierung zwischen Expertise und Routine hilft somit auch hier die

Berücksichtigung der Validität der Lernumgebung sowie der Möglichkeit zu Evaluation.

Erfahrene Interviewer besitzen jedoch mehr Sicherheit über ihre eigenen Leistungen und

beurteilen diese dementsprechend positiver als weniger erfahrene Interviewer (Einhorn &

Hogarth, 1978; Fischhoff, Slovic & Lichtenstein, 1977).

Auch Kleinmuntz (1990, S.298) hat das Phänomen des overconfidence beschrieben, was so

viel bedeutet wie übersteigertes Selbstvertrauen (vgl. auch Kahneman & Klein, 2009, S.518f;

Kap 4.2). Er stellte fest, dass Diagnostiker, die ein überhöhtes und zumeist ungerechtfertigtes

Vertrauen in die eigenen diagnostischen Fähigkeiten besitzen, besonders starke

Bestätigungstendenzen bei ihrer Urteilsfindung aufweisen. Dies behindert sie anschließend

auch dabei, aus den Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu lernen (vgl. auch Einhorn &

Hogarth, 1978).

Posthuma, Morgan & Campion (2002, S.32) resümieren, dass die zukünftige Forschung die

relevanten Einflussfaktoren auf positive oder negative Effekte von Erfahrung identifizieren

sollte, da aufgrund der bisherigen Ergebnisse keine eindeutigen Schlussfolgerungen gezogen

werden können.

Dies liegt letztlich auch an der nur ungenügenden Evaluation des eignungsdiagnostischen

Prozesses und der dadurch schwierigen Verfügbarkeit von Evaluationskriterien.

Fazit zu Kapitel 4.3:

Lernen ohne Feedback? – zum Dilemma „richtiger“ intuitiver eignungsdiagnostischer

Entscheidungen

Der Lernprozess von Recruitern scheint in der Regel aus der Übernahme der subjektiven

Entscheidungsregeln des Vorgängers oder dem Erwerb eigener subjektiver

Entscheidungsregeln zu bestehen.

Deshalb kommt auch der Einarbeitung eines Recruiters eine besondere Bedeutung im

Hinblick auf die analytische Ausprägung seines eignungsdiagnostischen Urteils- und

Entscheidungsprozesses zu.

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

52

Eine systematische Einarbeitung, bei der explizite (möglicherweise auch objektiv falsche)

Entscheidungsregeln formuliert und schließlich eigenständig angewendet werden, sollte sich

in einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess manifestieren, da die expliziten

Entscheidungsregeln dem Novizen als Bezugsrahmen für seine Entscheidungen dienen und

er diese folglich auch bewusst explizit anwendet, vielleicht sogar im weiteren Lernprozess

validiert und modifiziert.

Am Anfang des Validierungsprozesses eignungsdiagnostischer Entscheidungsregeln steht

somit immer die Explikation derselbigen.

Sind aber keine expliziten Entscheidungsregeln während der Einarbeitung verfügbar, oder

unternimmt der Recruiter keine Anstrengungen, seine eigenen subjektiven und zumeist

implizit abgespeicherten Entscheidungsregeln zu explizieren, steigt das Risiko für

schematisch-heuristische Entscheidungsstrategien und die Verfestigung dieser durch die

simple Wiederholung derjenigen.

Somit kann ein Zusammenhang zwischen subjektiven Entscheidungsregeln sowie

schemagetriebener Wahrnehmung und einem intuitiv geprägten Urteils- und

Entscheidungsprozess von Recruitern angenommen werden.

Folglich kann für den auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters basierenden Faktor:

- Subjektive Entscheidungsregeln

ein negativer kausaler Zusammenhang mit einem analytischen Urteils- und

Entscheidungsprozess postuliert werden.

Der Einfluss solch impliziter subjektiver Entscheidungsregeln auf die Einstellungs-

entscheidung sollte also entsprechend den normativen eignungsdiagnostischen Forderungen

minimiert werden.

Gemäß der Annahme, dass der Recruiter seine subjektiven Entscheidungsregeln explizieren

und im weiteren Lernprozess evaluieren muss, um potenziell von Expertenwissen profitieren

zu können, bedeutet dies ebenfalls, dass er eigene Anstrengungen zur Evaluation

unternehmen muss, da seine normale Lernumgebung ansonsten nur wenig Möglichkeiten zur

Evaluation bereitstellt.

Mögliche Outcome-Variablen, die ihm als Evaluationskriterien dienen könnten, können sich

zum Beispiel in konkreter beruflicher Leistung wie Projekterfolgen, Führungsakzeptanz,

Teamintegration oder Kundenzufriedenheit niederschlagen.

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4 Intuition als Indikator für Expertise? ___________________________________________________________________________________________

53

Diese sollten dann am leichtesten verfügbar sein, wenn der Recruiter und der ehemalige

Bewerber zusammenarbeiten. Wenn jedoch, wie im Normalfall, nach der Einstellungs-

entscheidung kein Kontakt mehr zwischen Recruiter und ehemaligem Bewerber besteht, liegt

es in der Eigenverantwortung des Recruiters, seine Prognosen zu evaluieren und sich dafür

die entsprechenden Informationen verfügbar zu machen.

Deshalb sollten auch motivationale Faktoren einen Einfluss auf entweder analytische oder

intuitive Informationsverarbeitungsstrategien eines Recruiters haben.

Der Zusammenhang zwischen persönlichem Involvement und den Entscheidungsmodi

analytisch vs. intuitiv wird deshalb im nächsten Kapitel erläutert.

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

54

5. Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte

5.1 Zwei-Prozess-Modelle und das persönliche Involvement als relevanter Faktor

für den Urteils- und Entscheidungsmodus

Um menschliche Informationsverarbeitungs- sowie Urteils- und Entscheidungsprozesse zu

beschreiben und in ihrer Tiefe und Elaboration voneinander zu unterscheiden, dienen

sogenannte Zwei-Prozess-Modelle als theoretischer Rahmen für die empirische

Entscheidungsforschung.

Es werden grundsätzlich zwei verschiedene Systeme der Informationsverarbeitung und

Urteilsbildung voneinander abgegrenzt (zur Übersicht Plessner et al., 2008; Stanovich &

West, 2000; Chaiken & Trope, 1999; Sloman, 1996).

Die Informationsverarbeitungssysteme werden inhaltlich zwar mit denselben Konstrukten

beschrieben, aber teilweise unterschiedlich benannt. Grundsätzlich wird zwischen einem

assoziativen und einem regelbasierten System der Urteilsbildung unterschieden.

Dem assoziativen System werden implizite, automatische, assoziative und unbewusste

Prozesse zugeordnet, die nur schwer verbalisierbar sind. Dem regelbasierten System werden

bewusste Aufmerksamkeit, kognitive Anstrengung, regelbasiertes und explizites Entscheiden

zugeordnet.

Das implizite und das explizite System spielen auch eine besondere Rolle im Erwerb von

Expertenwissen. Hier wurde gezeigt, dass mit zunehmender Expertise vor allem implizite

Informationsverarbeitungsprozesse an Bedeutung gewinnen (siehe Kapitel 4.1).

Im Folgenden soll die Differenzierung zwischen den beiden Urteilsmodi anhand einiger

exemplarisch ausgewählter Arbeiten detaillierter dargestellt werden.

Usher et al. (2011, S.1) differenzieren, basierend auf mittlerweile 20 Jahren kognitiver

Forschung54, das erfahrungsbasiert-intuitive System und das rational-deliberate System

voneinander.

54 Epstein, 1994; Sloman, 1996; Evans, 2003/2008; Kahneman, 2003; Ferreira et al., 2006; Kahneman & Frederick, 2007; Keren & Schul, 2009; jeweils aus Usher et al. (2011, S.1)

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

55

Das erfahrungsbasiert-intuitive System verarbeitet Informationen „schnell, affektiv, parallel,

assoziativ und holistisch“ (ebd.55). Das Ergebnis der Informationsverarbeitung wird dabei

bewusst wahrgenommen, die vorhergehenden mentalen Operationen gelangen allerdings

nicht ins Bewusstsein (ebd., S.10). Das rational-deliberate System verarbeitet Informationen

hingegen „sequentiell, regelbasiert und bewusst“ (ebd. 56).

Ebenfalls resümieren die Autoren, dass es empirische Beweise dafür gibt, dass die beiden

Informationsverarbeitungssysteme auch mit unterschiedlichen kognitiven Strukturen bzw.

unterschiedlichen Übertragungsmechanismen im Gehirn assoziiert sind. So wird das implizite

System mit dem Transmitter Dopamin assoziiert.

Hogarth (2001, S.190f) unterscheidet ebenfalls ein intuitives (tacit) und deliberatives System

voneinander. Das intuitive System operiert automatisch und wird durch das deliberate

System ergänzt, wenn die Situation bewusstes Nachdenken und Entscheiden erfordert.

Er beschreibt das deliberate System als regelgetrieben, systematisch sowie elaboriert.

Weiterhin ordnet er die Charakteristika bewusste Aufmerksamkeit und Beanspruchung

kognitiver Kapazitäten zu. Dem intuitiven (tacit) System hingegen, ordnet er automatische

Verarbeitungsprozesse zu, die assoziativ und ohne bewusste Aufmerksamkeit erfolgen, so

auch die expertise-basierte Mustererkennung (ebd.).

Sloman (1996, S.4) unterscheidet zwischen einem assoziativen und regelbasierten System.

Das assoziative System basiert auf Ähnlichkeitsstrukturen, die durch Erfahrung erworben

wurden. Es enkodiert ähnliche Strukturen und Wahrscheinlichkeiten zwischen verschiedenen

Kontexten und weist damit eine statistische Struktur auf. Inferenzen erfolgen reproduktiv, auf

Basis von Ähnlichkeit und Kontiguität.

Das regelbasierte System basiert im Kontrast dazu auf expliziten Regeln, symbolischen

Strukturen und Verknüpfungen. Es ist produktiv, da es verschiedene Regen kombinieren und

daraus neue Regeln erschaffen kann, weiterhin verarbeitet es Informationen systematisch

nach logischen und kausalen Strukturen (ebd., S.4/7). Das regelbasierte System kann das

assoziative System zwar unterdrücken, aber nicht ganz behindern (ebd., S.7).

Die physiologische Existenz der beschriebenen unterschiedlichen Informationsverarbeitungs-

systeme konnte auch empirisch nachgewiesen werden.

55 Übersetzung d. Autorin 56 Übersetzung d. Autorin

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

56

So haben Darlow & Sloman (2010, S.382) gezeigt, dass die deliberate Informations-

verarbeitung das Arbeitsgedächtnis beansprucht, während die intuitive Informations-

verarbeitung auf dem Abruf von Inhalten aus dem Langzeitgedächtnis basiert.

Auch De Neys (2006, S.432) konnte nachweisen, dass das heuristische System automatisch

operiert und das systematische System auf kognitive Ressourcen angewiesen ist. Dabei

können Urteilsfehler kausal auf die limitierten Informationsverarbeitungskapazitäten der

exekutiven Ressourcen zurückgeführt werden.

Auch Kuo et al. (2009) konnten den intuitiven und deliberaten Entscheidungsstil in ihrer

fMRT-Studie mit verschiedenen Hirnarealen sowie geringer und erhöhter kognitiver Kapazität

in Verbindung bringen (auch Sarter, Givens & Bruno, 2001).

Ausschlaggebend für die jeweils situationsspezifische Dominanz des assoziativen oder

deliberaten Entscheidungsmodus sind folgende Faktoren:

Expertise bzw. Routine (Betsch & Haberstroh, 2005), Stimmung (De Vries, Holland &

Witteman, 2007; Hänze, 1996; Bohner et al., 1992), verfügbare kognitive Ressourcen

(Dijksterhuis & Nordgren, 2006; siehe nächstes Kapitel), persönliche Präferenzen (Betsch,

2004) sowie Motivation bzw. das persönliche Involvement (Chaiken, Liberman & Eagly, 1989;

Petty & Cacioppo, 1984; Petty, Cacioppo & Goldman, 1981).

In der vorliegenden Untersuchung kommt dem persönlichen Involvement als motivationaler

Faktor eine besondere Bedeutung zu.

Ein besonders relevantes und empirisch gut belegtes Modell ist in diesem Kontext das

Heuristic-Systematic Model nach Chaiken (1980), Chaiken, Liberman & Eagly (1989) sowie

Chaiken, Wood & Eagly (1996). Das Zwei-Prozess-Modell im Bereich der Persuasion

unterscheidet heuristische und systematische Prozesse der Informationsverarbeitung

voneinander (vgl. auch Petty & Cacioppo, 1986).

Der systematischen Informationsverarbeitung werden, wie auch oben für den deliberaten

bzw. regelbasierten Entscheidungsmodus erläutert, analytische sowie explizit-datengeleitete

Operationen (Bottom-Up-Prozesse) und die Verwendung komplexer Entscheidungsregeln

zugeordnet. Der heuristischen Informationsverarbeitung hingegen werden, ebenfalls analog

zu dem oben dargestellten assoziativen bzw. intuitiven Entscheidungsmodus, schematisch-

heuristische Entscheidungsmechanismen zugeordnet (Top-Down-Prozesse), die automatisch

und assoziativ ablaufen.

Wichtige Determinante für den jeweiligen Verarbeitungsmechanismus ist das persönliche

Involvement der jeweiligen Person. So verarbeiten hoch involvierte Personen vorliegende

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

57

Informationen systematisch-analytisch, dies bedeutet, dass sie von einer Botschaft überzeugt

werden müssen. Wenig involvierte Personen hingegen urteilen eher automatisch-heuristisch,

sie lassen sich überreden. Dieser Effekt wurde mehrfach empirisch belegt (Chaiken,

Liberman & Eagly, 1989; Petty & Cacioppo, 1984; Petty, Cacioppo & Goldman, 1981).

Somit fungiert das persönliche Involvement als wichtige Determinante für einen analytischen

Informationsverarbeitungsprozess.

Fazit zu Kapitel 5.1:

Zwei-Prozess-Modelle und das persönliche Involvement als relevanter Faktor für den

Urteils- und Entscheidungsmodus

Grundsätzlich lassen sich analytische und intuitive Informationsverarbeitungsstrategien bzw.

Entscheidungsmodi voneinander unterscheiden.

Auch in der vorliegenden Untersuchung wird zwischen analytisch und intuitiv geprägten

Urteils- und Entscheidungsprozessen von Recruitern unterschieden.

Analytische Entscheidungsstrategien entsprechen hierbei dem beschriebenen explizit-

deliberaten Entscheidungsmodus sowie auch den normativen Forderungen der

Eignungsdiagnostik.

Intuitive Entscheidungsstrategien entsprechen hingegen dem beschriebenen implizit-

assoziativen Entscheidungsmodus, welcher für die vorliegende Arbeit durch Schemata,

Heuristiken und subjektive Entscheidungsregeln charakterisiert wird, da für das

Expertenwissen bei Recruitern angenommen wird, dass dieses explizierbar ist und sich damit

in einem analytischen Urteilsprozess manifestiert.

Recruiting-Expertise sollte hier also nicht zu einem intuitiven, sondern zu einem analytischen

Urteils- und Entscheidungsprozess führen (siehe Kapitel 4.1).

Einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess werden in dieser Arbeit folgende

Charakteristika zugeordnet57:

- Systematische Informationswahrnehmung, -verarbeitung und -integration

- Explizite Entscheidungsregeln

- Rationales Abwägen

- Bewusste Aufmerksamkeit

- Hohe Beanspruchung kognitiver Ressourcen

- Ergebnis: differenziertes Urteil

57 Diese werden auch in der Operationalisierung (siehe Kapitel 6.2.2) berücksichtigt.

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

58

Einem intuitiven Urteils- und Entscheidungsprozess werden in dieser Arbeit folgende

Charakteristika zugeordnet58:

- Assoziative Informationswahrnehmung, -verarbeitung und -integration

- Schemata, Heuristiken, implizite subjektive Entscheidungsregeln

- Schnelles, automatisches Entscheiden

- Geringe Aufmerksamkeit

- Geringe Beanspruchung kognitiver Ressourcen

- Ergebnis: globales Urteil

Als wichtige Determinante und mediierende Variable für einen analytischen oder intuitiven

Urteils- und Entscheidungsprozess wird das persönliche Involvement des Recruiters

berücksichtigt.

Dieses manifestiert sich im Kontext von Einstellungsinterviews in einem hohen fachlichen

Anspruch an die eigene eignungsdiagnostische Kompetenz sowie einem damit verbundenen

hohen Verantwortlichkeitsgefühl für die getroffenen eignungsdiagnostischen Entscheidungen.

Ebenfalls sollte sich das persönliche Involvement, letztlich das Engagement eines Recruiters,

in einer stärkeren Auseinandersetzung mit den konkreten Anforderungen einer Stelle sowie

verstärkten Bemühungen zur Evaluation des eigenen eignungsdiagnostischen Urteils- und

Entscheidungsprozesses niederschlagen.

Die Evaluation des eigenen Urteils- und Entscheidungsprozesses sollte wiederum zu einer

Validierung bzw. besseren Kenntnis der stellenrelevanten Anforderungen führen, die als

Grundlage für die eignungsdiagnostische Entscheidung dienen.

Deshalb werden die Variablen Verantwortlichkeitsgefühl und konkrete Kenntnis des

Anforderungsprofils in der vorliegenden Untersuchung als Indikatoren für das persönliche

Involvement des Recruiters angenommen.

Da das persönliche Involvement als wichtiger Einflussfaktor für einen systematischen

Informationsverarbeitungsstil identifiziert werden konnte (siehe obige Erläuterungen), wird

dieser Zusammenhang auch in der vorliegenden Arbeit angenommen.

Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters und seine konkrete Kenntnis des

Anforderungsprofils sollten seine Selbstaufmerksamkeit und seine Bemühungen

dahingehend erhöhen, möglichst anforderungsbezogene und differenzierte eignungs-

diagnostische Entscheidungen zu treffen.

58 Diese werden auch in der Operationalisierung (siehe Kapitel 6.2.2) berücksichtigt.

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

59

Insofern können für die motivationalen Variablen des persönlichen Involvements:

- Verantwortlichkeitsgefühl

- Konkrete Kenntnis des Anforderungsprofils

positive kausale Zusammenhänge mit einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess

des Recruiters angenommen werden.

5.2 Zur Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven Entscheidungsmodus –

Empirische Befunde

In den letzten Jahren haben sich zahlreiche Arbeiten mit der Kontroverse beschäftigt, ob der

analytische oder der intuitive Entscheidungsmodus zu genaueren Urteilen bzw. „besseren“

Entscheidungen führt. Dazu werden die Entscheidungsmodi häufig im Hinblick auf die

verfügbare kognitive Kapazität manipuliert und experimentell miteinander verglichen. Die

Befunde sind jedoch noch widersprüchlich.

De Vries, Witteman, Holland & Dijksterhuis (2010, S.579f) konnten zeigen, dass im klinischen

Kontext unbewusste Informationsverarbeitung im Vergleich zu bewusster

Informationsverarbeitung zu korrekteren psychiatrischen Diagnosen im Sinne des DSM59

führte.

Auch Dijksterhuis (2004) sowie Dijksterhuis & Nordgren (2006) konnten die Überlegenheit

unbewusster Informationsverarbeitung (deliberation-without-attention) bei komplexen

Entscheidungen nachweisen.

Mamede et al. (2010) haben hingegen die konträre Hypothese untersucht. Die Annahme

lautete, dass Experten dann bessere Entscheidungen treffen, wenn sie bewusstes

Nachdenken als Entscheidungsstrategie bei komplexen Entscheidungssituationen

verwenden, Novizen hingegen von dem deliberation-without-attention - Effekt profitieren, also

bessere Entscheidungen treffen, wenn ihre Aufmerksamkeit abgelenkt wird.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass sich die Qualität der Expertenentscheidung

(bei Medizinern) durch bewusstes Nachdenken bei komplexen Entscheidungen verbesserte

und nur Novizen von dem deliberation-without-attention - Effekt bei simplen Entscheidungen

profitierten (ebd., S.587). Damit schließen die Autoren die Annahmen Dijksterhuis` und

Kollegen für die Zielgruppe der Experten aus und belegten statt dessen sogar den 59 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

60

gegenteiligen Zusammenhang (ebd., S.589). Experten profitieren somit nicht von dem

deliberation-without-attention - Effekt bei komplexen Entscheidungen (auch nachgewiesen

durch Wiel & Meeuwesen, 2009; Pretz, 2008).

Dies ist nach Mamede et al. (2010, S.589) insofern logisch, als dass Experten ihr Wissen

nach dem Prinzip der Mustererkennung aus dem Langzeitgedächtnis mit nur wenigem

kognitiven Aufwand abrufen. Novizen hingegen, profitieren bei simplen Entscheidungen von

unbewusster Informationsverarbeitung, da sie kein passendes Wissen aus dem

Langzeitgedächtnis abrufen können und somit den Beschränkungen des

Arbeitsgedächtnisses unterliegen.

Auch Calvillo & Penaloza (2009, S.516) konnten den deliberation-without-attention - Effekt in

mehreren Studien nicht replizieren und resümieren, analog zu Acker (2008) sowie Newell et

al. (2009), dass komplexe Entscheidungen nicht ohne sorgfältiges Abwägen, Reflektieren

und bewusste Aufmerksamkeit getroffen werden sollten.

Kruglanski & Gigerenzer (2011) argumentieren innerhalb dieser Kontroverse analog zu

Gigerenzer und Kollegen (siehe Kapitel 3.2).

Sie nehmen an, dass deliberate Urteile nicht automatisch genauer als intuitive Urteile

ausfallen, sondern dass die Genauigkeit des Urteils von dessen ökologischer Rationalität,

heißt von der spezifischen Passung zwischen Entscheidungsstrategie und

Entscheidungsumgebung abhängt.

Auch Norman & Eva (2010) zeigten dementsprechend, dass Urteilsfehler sowohl unter

intuitiven als auch deliberaten Informationsverarbeitungsprozessen entstehen können.

Das analytische System kann somit nicht als vollkommen fehlerfrei angenommen werden.

Die Autoren konnten weiterhin zeigen, dass eine Kombination beider Entscheidungs-

strategien zu einer leichten Verbesserung der Urteilsgenauigkeit führt.

Auch die Anwendung von Heuristiken kann nicht eindeutig nur dem intuitiven

Entscheidungsstil zugeordnet werden. So hat Glöckner (2008) gezeigt, dass sich auch

Heuristiken in regelbasiert-sequentielle sowie schnell-parallele Heuristiken experimentell

voneinander differenzieren lassen.

Hilbig et al. (2010) konnten weiterhin nachweisen, dass die Wiedererkennungsheuristik

(recognition heuristic) häufiger unter deliberaten als intuitiven Entscheidungsstrategien

eingesetzt wurde. Dementsprechend resümieren die Autoren, dass die Anwendung von

Heuristiken nicht unbedingt eine Konsequenz intuitiver Informationsverarbeitung ist, sondern

sich besonders bei deliberaten Entscheidungen als profitabel erweist.

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

61

Die Kontroverse über die vermeintliche Überlegenheit von analytischen oder intuitiven Urteils-

und Entscheidungsprozessen ist also, obwohl schon in den 50er Jahren angestoßen, bis

heute nicht abgeschlossen.

Da für den Kontext von Einstellungsinterviews in der vorliegenden Untersuchung aber

eindeutig analytische Urteils- und Entscheidungsprozesse als entscheidende Prämisse für

valide eignungsdiagnostische Entscheidungen identifiziert wurden (Kapitel 2), werden hier für

einen analytischen Entscheidungsmodus grundsätzlich auch validere bzw. „bessere“

eignungsdiagnostische Entscheidungen angenommen.

Dies konnte auch von Seibt (2006) für Einstellungsinterviews belegt werden. Seibt (2006) hat

die kognitiven Stile im Kontext der Personalauswahl experimentell untersucht. Die Autorin

konnte zeigen, dass intuitive Entscheidungsstrategien in einer stärkeren Bestätigungstendenz

und ungenaueren Urteilen resultierten als analytische Entscheidungsstrategien (ebd., S.30ff).

Da Betsch (2004) zeigen konnte, dass Menschen einen individuellen Entscheidungsstil bzw.

eine Präferenz für eine Entscheidungsstrategie aufweisen, wird dieser Aspekt auch für die

vorliegende Untersuchung aufgegriffen.

Diese Präferenz hat sich nach Betsch (2004) durch jeweils unterschiedliche Lernerfahrungen

entwickelt und gefestigt. Mit dem Inventar Präferenz für Intuition und Deliberation (PID)

konnte Betsch die beiden Entscheidungsstile orthogonal voneinander empirisch belegen60.

Auch Witteman et al. (2009) konnten die Präferenz für einen intuitiven oder rationalen

Entscheidungsstil an drei europäischen Stichproben nachweisen.

In der vorliegenden Arbeit wird ebenfalls angenommen, dass der Entscheidungsmodus des

Recruiters durch Lernerfahrungen geprägt wird und somit in einer eher analytischen oder

intuitiven Prägung seines Urteils- und Entscheidungsprozesses resultiert.

Als prägende Determinanten werden persönliche und motivationale, aber auch kontextuelle

Faktoren berücksichtigt. Allerdings wird diese individuelle Tendenz, die auch durch

60 Die Autorin differenziert analog zu Hogarth (2001) zwischen einem intuitiven und deliberaten Entscheidungsstil, wobei der intuitive Entscheidungsstil als automatisch sowie affektbasiert definiert wird und heuristische Informationsverarbeitung ausschließt. Der deliberate Entscheidungsstil basiert auf elaborierten Kognitionen. Für den intuitiven Entscheidungsmodus konnten Zusammenhänge mit der Entscheidungsschnelligkeit sowie den Persönlichkeitsmerkmalen Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit, außerdem Risikosensivität gefunden werden. Für einen reflektiven Entscheidungsmodus konnten Zusammenhänge mit Gewissenhaftigkeit, Perfektionismus, Bedürfnis nach Strukturiertheit sowie Maximierungsbestreben nachgewiesen werden, was sich letztlich auch in erhöhter Entscheidungsdissonanz manifestierte.

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

62

kontextuelle Variablen verursacht angenommen wird, nicht als grundsätzlich stabil, sondern

als grundsätzlich variabel angenommen.

So sollte sich dann ein Effekt auf den individuell eher analytisch oder intuitiv geprägten

Urteilsmodus zeigen, wenn zum Beispiel der kontextuelle Einfluss organisationaler

Rahmenbedingungen experimentell manipuliert wird.

Auch dies soll in der vorliegenden Arbeit überprüft werden.

Fazit zu Kapitel 5.2:

Zur Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven Entscheidungsmodus –

Empirische Befunde

In der vorliegenden Arbeit werden als kontextuelle Einflussfaktoren die organisationalen

Rahmenbedingungen:

- Strukturiertheit des Interviews

- Konkretheit des Anforderungsprofils

- Rechenschaftsverpflichtung

- Systematik des Feedbacks

sowie der auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters beruhende Faktor:

- Expertise

und die motivationalen Variablen des persönlichen Involvements:

- Verantwortlichkeitsgefühl

- Kenntnis des Anforderungsprofils

als Determinanten für einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des Recruiters

angenommen.

Ebenfalls werden die motivationalen Faktoren des persönlichen Involvements

- Verantwortlichkeitsgefühl

- Kenntnis des Anforderungsprofils

als Mediatoren zwischen organisationalen Rahmenbedingungen sowie persönlichen

Lernprozessen und einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des Recruiters

angenommen.

Weiterhin werden die auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters beruhenden Faktoren:

- subjektive Entscheidungsregeln

- Anwendung heuristischer Schemata

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5 Analytik und Intuition als kontextabhängige Konstrukte ___________________________________________________________________________________________

63

als Determinanten für einen intuitiven bzw. wenig analytischen Urteils- und

Entscheidungsprozess des Recruiters angenommen.

Neben dem jeweils individuell geprägten Entscheidungsmodus wird als zusätzliche Outcome-

Variable die wahrgenommene Entscheidungsdissonanz des Recruiters berücksichtigt.

Dabei wird vor allem für intuitive Urteils- und Entscheidungsprozesse ein positiver kausaler

Zusammenhang mit Entscheidungsdissonanz angenommen, da bei diesem

Entscheidungsmodus diejenigen Evaluationskriterien nicht expliziert sind, die dem Recruiter

Sicherheit über die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung vermitteln würden61.

61 Dijksterhuis & Vanolden (2006) zeigten jedoch, dass unbewusste Informationsverarbeitung bzw. eine spontane Entscheidung zu erhöhter Zufriedenheit mit derselbigen führt. Jedoch handelte es sich hierbei auch um eine simple Sympathieentscheidung (Kunstgemälde), weshalb dieses Ergebnis nicht auf komplexe Entscheidungen, wie eignungsdiagnostische Einstellungsentscheidungen, übertragbar ist. Auch Betsch (2004) zeigte analog, dass ein rationaler kognitiver Stil subjektive Entscheidungsdissonanzen eher erhöht, statt minimiert.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

64

6. Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge

Im folgenden zentralen Kapitel wird zunächst der theoretische Hintergrund der

Strukturgleichungsmodellierung vorgestellt und von der Pfadanalyse als weitere

kausalanalytische Methode abgegrenzt (Kapitel 6.1). Danach wird der gesamte Prozess der

Strukturgleichungsmodellierung für die vorliegende empirische Untersuchung dargestellt:

angefangen bei der Hypothesen- und Modellbildung, weiter über die Konstrukt-

operationalisierung, dem Untersuchungsaufbau und der Güteprüfung des Kausalmodells, bis

hin zu dessen Evaluation (Kapitel 6.2). Im Anschluss wird das kausale Modell durch die

experimentellen Ergebnisse der Fallstudie (Kapitel 6.3), die Ergebnisse von Clusteranalysen

zur Kategorisierung von Recruiter-Typen (Kapitel 6.4) sowie uni- und multivariater

allgemeiner linearer Modelle zur Bestimmung von Gruppenunterschieden (Kapitel 6.5)

ergänzt.

6.1 Methodik der Strukturgleichungsmodellierung

Zentrale Berechnungsmethode dieser Untersuchung ist die Strukturgleichungsmodellierung.

Deshalb wird der methodisch-theoretische Hintergrund im Folgenden kurz vorgestellt.

6.1.1 Charakteristika von Strukturgleichungsmodellen

Strukturgleichungsmodelle ermöglichen die empirische Prüfung komplexer kausaler

Hypothesen-Systeme. Ziel ist es, die „a priori formulierten Wirkungszusammenhänge in

einem linearen Gleichungssystem abzubilden und die Modellparameter so zu schätzen, dass

die zu den Variablen erhobenen Ausgangsdaten möglichst gut reproduziert werden“ (Weiber

& Mühlhaus, 2010, S.17).

Ein kausaler Zusammenhang ist dabei laut Cook & Campbell (1979, S.3162) dann gegeben,

wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

1. Systematische Veränderungen der unabhängigen Variable (UV, vgl. Explanans im

Hempel-Oppenheim-Schema) führen zu systematischen Veränderungen der

abhängigen Variable (AV, vgl. Explanandum im Hempel-Oppenheim-Schema);

UV und AV kovariieren also miteinander;

62 zitiert nach Weiber & Mühlhaus, 2010, S.7;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

65

2. Logik in der zeitlichen Abfolge: UV verändert sich vor AV;

3. UV ist die einzige sachlogische Ursache für die Veränderung der AV;

Charakteristisch für Strukturgleichungsmodelle ist nach Weiber & Mühlhaus (2010, S.17f)

ebenfalls, dass

- sowohl manifeste Variablen63 als auch latente64 Variablen abgebildet werden können,

- in einem Modell mehrere AV`s enthalten sein können,

- AV`s gleichzeitig als UV`s fungieren können (intervenierende Variablen) und

- alle Kausalhypothesen gleichzeitig betrachtet, heißt deren Pfadkoeffizienten simultan

geschätzt werden können.

Demnach wird in Strukturgleichungsmodellen zwischen exogenen Variablen, endogenen

Variablen sowie intervenierenden Variablen unterschieden. Die exogenen Variablen

fungieren hierbei als Prädiktoren für die endogenen Variablen (Kriteriumsvariablen).

Grundsätzlich wird auch zwischen rekursiven, teil-rekursiven und nicht-rekursiven Modellen

unterschieden. Als rekursiv gilt ein Modell dann, wenn eine eindeutige Wirkungsrichtung

festzustellen ist und keine Rückkoppelungen zwischen den Variablen bestehen.

Sind in einem Modell alle potenziell möglichen Pfade aufgenommen, gilt es als saturiert. Teil-

und nicht rekursive Modelle, die Rückkoppelungen enthalten, erfordern die Methodik der

Strukturgleichungsmodellierung (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.28).

Die Pfadkoeffizienten geben jeweils die Richtung und Stärke der kausalen Effekte an.

Kausale Effekte können dabei in direkte und indirekte kausale Effekte zerlegt werden. Ein

totaler kausaler Effekt wird durch Addition des direkten und indirekten Effektes berechnet. Ein

indirekter Effekt berechnet sich durch die Multiplikation der Pfadkoeffizienten über die

entsprechenden Pfade (ebd., S.186; Backhaus et al. 2006, S.406).

6.1.2 Abgrenzung von Pfadanalyse und Strukturgleichungsmodellen

Pfadanalyse bei manifesten Variablen

Die Pfadanalyse ist dann die geeignete Berechnungsmethode, wenn das Strukturmodell nur

aus manifesten Variablen mit komplexen Wechselwirkungen besteht (Weiber & Mühlhaus,

2010, S.19). Ebenso kann die Pfadanalyse nur rekursive Modelle abbilden (ebd., S.28).

63 messbar, empirisch direkt beobachtbar 64 erst mithilfe geeigneter Mess-Modelle zu operationalisieren

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

66

Wie auch bei der Strukturgleichungsmodellierung, ist ebenso bei der Pfadanalyse die a-priori

Formulierung sachlogischer kausaler Zusammenhänge eine wesentliche Prämisse. Die

Prüfung der Kausalstrukturen erfolgt dann mittels Regressionsgleichungen (Kleinst-Quadrate-

Methode), die für alle endogenen Variablen, basierend auf ihrer standardisierten Varianz-

Kovarianz-Matrix, berechnet werden (ebd., S.22). Die Pfadkoeffizienten berechnen sich aus

den standardisierten partiellen Regressionskoeffizienten. Durch die Aufnahme von

Fehlervariablen gilt das Pfadmodell als „vollständig determiniert“ (ebd., S.23).

Voraussetzungen für die Methode der Pfadanalyse sind metrisch skalierte und

standardisierte Variablen, normalverteilte Residuen und keine Multikollinearität zwischen den

Variablen (ebd., S.30).

Strukturgleichungsmodellierung bei latenten Variablen

Sollen komplexe Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen latenten Variablen

kausalanalytisch überprüft werden, ist das Strukturgleichungsmodell die Methode der Wahl.

Auch nicht-rekursive Modelle können abgebildet werden. Prämisse der

Strukturgleichungsmodellierung ist die Operationalisierung der latenten Variablen. Nach

Weiber & Mühlhaus (2010, S.31) besteht ein Strukturgleichungsmodell aus drei Teilmodellen:

1. Strukturmodell: Zusammenhänge zwischen den exogenen und endogenen Variablen

2. Mess-Modell der latenten exogenen Variablen: empirische Operationalisierung der

latenten exogenen Variablen

3. Mess-Modell der latenten endogenen Variablen: empirische Operationalisierung der

latenten endogenen Variablen

Die Strukturgleichungsanalyse erfolgt dann in folgenden Schritten (im Original zitiert nach

Weiber & Mühlhaus, 2010, S.32):

1. Klassifizierung der latenten Variablen nach endogenen und exogenen Variablen

2. Erstellung des Strukturmodells (Hypothesenformulierung je endogener Variable)

3. Formulierung der Mess-Modelle für jede latente Variable

4. Graphische Verdeutlichung des Kausalmodells (Pfaddiagramm-Erstellung)

5. Überführung des Pfaddiagramms in ein lineares Gleichungssystem

6. Schätzung des Gleichungssystems nach dem kovarianzanalytischen oder

varianzanalytischen Ansatz

Ein besonders wichtiger Schritt im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung ist die

Formulierung der Mess-Modelle für jede latente Variable. Dies ist aus der Testtheorie auch

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

67

als Konstruktoperationalisierung bekannt. Unterschieden wird hierbei zwischen dem

reflektiven und formativen Ansatz.

Ein reflektives Mess-Modell nimmt an, dass die manifesten, direkt beobachtbaren Indikatoren

von der latenten Variablen kausal beeinflusst werden (vgl. Bollen, 1989, S.182; Edwards &

Bagozzi, 2000, S.157f). Die latente Variable fungiert als unabhängige Variable. Die

Indikatoren innerhalb reflektiver Mess-Modelle sollten deshalb auch idealerweise miteinander

kovariieren, da sie denselben Inhalt haben bzw. als unterschiedliche Erscheinungsformen

desselben Konstruktes verstanden werden (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.37f; Jarvis et al.,

2003, S.2000).

Bei formativen Mess-Modellen ist es umgekehrt. Hier wird die latente Variable als abhängige

Variable verstanden, demnach führen Veränderungen in den Indikatoren auch zu

Veränderungen der latenten Variable (MacCallum & Browne, 1993, S.533). Der formative

Ansatz basiert auf der Regressionsanalyse, der reflektive Ansatz hingegen auf der

Faktorenanalyse.

Die kausalanalytische Überprüfung des Strukturgleichungsmodells kann ebenfalls

unterschiedlich erfolgen. Der kovarianzanalytische Ansatz analysiert primär reflektive Mess-

Modelle, der varianzanalytische Ansatz auch formative Mess-Modelle.

Der kovarianzanalytische Ansatz basiert auf der konfirmatorischen Faktorenanalyse und

ermöglicht die simultane Schätzung aller Modellparameter eines Strukturgleichungsmodells

auf Basis der empirischen Varianz-Kovarianzmatrix und der Maximum-Likelihood-Methode

(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.47; vgl. auch Jöreskog, 1973). Die latenten Variablen werden

hierbei „als Faktoren interpretiert, die „hinter“ den Messvariablen stehen“ (ebd.).

Der kovarianzanalytische Ansatz ist dann geeignet, wenn die latenten Variablen als Faktoren

im Sinne der Faktorenanalyse verstanden werden können, wenn die gesamte Kausalstruktur

simultan geschätzt werden soll und die Variablen mulitinormalverteilt sind. Außerdem können

mit dem kovarianzanalytischen Ansatz auch nicht-rekursive Modelle überprüft werden

(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.57).

Der varianzanalytische Ansatz hingegen, basiert auf der Regressionsanalyse und ist vor

allem dann zu wählen, wenn nur kleine Stichproben oder eine eher prognostische

Zielsetzung vorliegen. Hierbei werden die Parameter sukzessive nach dem partial-least-

square-Ansatz (nach Wold, 1966) geschätzt, sodass die Schätzung des Strukturmodells

letztlich auf konkreten Messwerten basiert. Das Ziel ist eine möglichst gute Reproduktion der

Ausgangsdatenmatrix (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.66).

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

68

Da die vorliegende Untersuchung vor allem die empirische Überprüfung des noch

auszuformulierenden Hypothesen-Systems zum Ziel hat und die gesamte Kausalstruktur mit

latenten Variablen simultan geschätzt werden soll, wird der kovarianzanalytische Ansatz zur

Überprüfung des Strukturgleichungsmodells gewählt.

Zunächst wird jedoch erst der Prozess der Strukturgleichungsmodellierung angelehnt an

Weiber & Mühlhaus (2010, S.74) für die vorliegende Untersuchung dargestellt und durch

weitere relevante Punkte wie Untersuchungsaufbau und Datenerhebung, die Beschreibung

der Stichprobe sowie vorbereitende Berechnungen (multivariate Normalverteilungsannahme

und bivariate Korrelationsanalyse) und abschließende methodische Optimierungsvorschläge

ergänzt.

Das nächste, für die vorliegende Arbeit wesentliche Kapitel 6.2 orientiert sich deshalb an

folgender Struktur65:

1. Hypothesen- und Modellbildung

2. Konstrukt-Operationalisierung: Formulierung reflektiver Mess-Indikatoren für jede

latente Variable

3. Untersuchungsaufbau und Datenerhebung

4. Stichprobe

5. Vorbereitung des Datensatzes, Prüfung der multivariaten Verteilungsannahme

6. Güteprüfung der reflektiven Mess-Modelle

7. Bivariate Korrelationsanalyse

8. Kovarianzanalytische Modellschätzung – Evaluation des Gesamtmodells

8.1 Hypothesenprüfung und Interpretation – Analyse der direkten und

mediierenden Effekte im Strukturgleichungsmodell

8.2 Modellmodifikation

9. Fazit und methodische Optimierungsvorschläge

65 angelehnt an Weiber & Mühlhaus, 2010, S.74;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

69

6.2 Prozess der Strukturgleichungsmodellierung für die vorliegende Untersuchung

6.2.1 Hypothesen- und Modellbildung

Die bisherigen Studien zur Validität von Einstellungsinterviews konzentrieren sich vor allem

auf die Zusammenhänge zwischen der Strukturiertheit des Interviews sowie der Konkretheit

des Anforderungsprofils und der Validität der Einstellungsentscheidung.

Die intervenierenden Prozesse, insbesondere die Informationsverarbeitungsprozesse des

Recruiters mit deren kausalen Mechanismen werden dabei nicht berücksichtigt (vgl. auch

Kapitel 2.4: Posthuma et al., 2002, S.42/49).

Ebenfalls wurden weitere kontextuelle Einflussfaktoren, wie Interviewertraining,

Rechenschaftsverpflichtung und Feedback über die eignungsdiagnostische Entscheidung

sowie auch persönliche Lernprozesse des Recruiters, insbesondere die Effekte von Expertise

und subjektiven Entscheidungsregeln auf individuelle eignungsdiagnostische Urteils- und

Entscheidungsprozesse, bisher nur unzureichend oder gar nicht im Kontext des

Einstellungsinterviews untersucht. Auch das persönliche Involvement des Recruiters als

relevanter Einflussfaktor auf seinen Entscheidungsmodus wurde in diesem Kontext bisher in

der empirischen Forschung vernachlässigt.

Die bisher veröffentlichten Studien konzentrieren sich weiterhin primär auf spezifische

Aspekte, die isoliert untersucht wurden. Deshalb soll in der vorliegenden Studie ein kausales

Modell entwickelt und empirisch überprüft werden, welches die Determinanten der

individuellen Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern möglichst vollständig

identifiziert und die kausalen Mechanismen analytischer eignungsdiagnostischer

Informationsverarbeitungsprozesse ebenso vollständig erklärt. Ein besonderes Augenmerk

soll in dieser Untersuchung deshalb auf die mediierenden Variablen und Prozesse gelegt

werden.

Ziel der Arbeit ist es, die Determinanten analytisch geprägter Urteils- und

Entscheidungsprozesse von Recruitern zu identifizieren, um daraus später Ansätze zur

Optimierung eignungsdiagnostischer Entscheidungen ableiten zu können, sowohl in der

Person des Recruiters selbst, als auch in den organisationalen Rahmenbedingungen seiner

eignungsdiagnostischen Tätigkeit.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

70

Die forschungsleitenden Fragen lassen sich wie folgt formulieren:

Welchen kausalen Einfluss haben

o die persönlichen Lernprozesse des Recruiters:

Expertise

subjektive Entscheidungsregeln

Anwendung von Schemata

o die motivationalen Faktoren des persönlichen Involvements des Recruiters:

Verantwortlichkeitsgefühl

Kenntnis des Anforderungsprofils

o sowie die kontextuellen Faktoren organisationaler Rahmenbedingungen des

Unternehmens:

Strukturiertheit des Interviews

Konkretheit des Anforderungsprofils

Rechenschaftsverpflichtung

Systematik des Feedbacks

auf die individuelle analytische Ausprägung des Urteils- und Entscheidungsprozesses

eines Recruiters?

Im Gesamtmodell der vorliegenden Arbeit werden deshalb, wie auch schon in Kapitel 5.2

zusammengefasst, als kontextuelle Einflussvariablen die organisationalen Rahmen-

bedingungen:

- Strukturiertheit des Interviews

- Konkretheit des Anforderungsprofils

- Rechenschaftsverpflichtung

- Systematik des Feedbacks

sowie die auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters beruhende Variable:

- Expertise

und die motivationalen Variablen des persönlichen Involvements:

- Verantwortlichkeitsgefühl

- Kenntnis des Anforderungsprofils

als Determinanten für einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des Recruiters

angenommen.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

71

Ebenfalls werden die Variablen des persönlichen Involvements:

- Verantwortlichkeitsgefühl

- Kenntnis des Anforderungsprofils

als Mediatoren zwischen einzelnen organisationalen Rahmenbedingungen sowie

persönlichen Lernprozessen und einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des

Recruiters angenommen.

Weiterhin werden die auf persönlichen Lernprozessen des Recruiters beruhenden Variablen:

- subjektive Entscheidungsregeln

- Anwendung heuristischer Schemata

als Determinanten für einen wenig analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des

Recruiters angenommen, da die Variable als kontinuierliche Skala operationalisiert wird.

Als zusätzliche Outcome-Variable wird die wahrgenommene Entscheidungsdissonanz des

Recruiters berücksichtigt, hier wird ein negativer Zusammenhang mit der Analytik des Urteils-

und Entscheidungsprozesses postuliert.

Im Folgenden werden nun alle postulierten und im Strukturgleichungsmodell empirisch zu

prüfenden Hypothesen ausformuliert:

Themenfeld 1: Die persönlichen Lernprozesse des Recruiters

Direkte Effekte:

- Hypothese 1.1: Die eignungsdiagnostische Expertise des Recruiters wirkt positiv auf

die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 1.2: Die subjektiven Entscheidungsregeln des Recruiters wirken negativ

auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 1.3: Die Anwendung von Schemata des Recruiters wirkt negativ auf die

Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

Mediierende Zusammenhänge:

- Hypothese 1.4: Die subjektiven Entscheidungsregeln des Recruiters mediieren den

positiven Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines

Urteils- und Entscheidungsprozesses negativ.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

72

- Hypothese 1.5: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den positiven

Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses negativ.

- Hypothese 1.6: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den negativen

Effekt subjektiver Entscheidungsregeln auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses positiv.

Themenfeld 2: Organisationale Rahmenbedingungen

Direkte Zusammenhänge:

- Hypothese 2.1: Die Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters wirkt positiv auf die

Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 2.2: Systematisches Feedback über die Qualität der Einstellungs-

entscheidung wirkt positiv auf die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses

des Recruiters.

- Hypothese 2.3: Die Strukturiertheit des Interviews wirkt positiv auf die Analytik des

Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters.

- Hypothese 2.4: Die Konkretheit des Anforderungsprofils wirkt positiv auf die Analytik

des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters.

Mediierende Zusammenhänge:

- Hypothese 2.5: Die Anwendung von Schemata mediiert den positiven Effekt der

Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses negativ.

- Hypothese 2.6: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den positiven

Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses negativ.

- Hypothese 2.7: Die Konkretheit des Anforderungsprofils mediiert den positiven Effekt

der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik des Urteils- und

Entscheidungsprozesses des Recruiters positiv.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

73

Themenfeld 3: Das persönliche Involvement des Recruiters

Direkte Zusammenhänge:

- Hypothese 3.1: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters wirkt positiv auf die

Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 3.2: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters wirkt

positiv auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

Mediierende Zusammenhänge:

- Hypothese 3.3: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven

Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses positiv.

- Hypothese 3.4: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven

Effekt der Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters auf die Analytik seines Urteils-

und Entscheidungsprozesses positiv.

- Hypothese 3.5: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven

Effekt des systematischen Feedbacks über die Qualität der Einstellungsentscheidung

auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.

- Hypothese 3.6: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven

Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses positiv.

- Hypothese 3.7: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik

seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.

- Hypothese 3.8: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt des systematischen Feedbacks über die Qualität der

Einstellungsentscheidung auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses positiv.

- Hypothese 3.9: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines

Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.

- Hypothese 3.10: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt der Konkretheit des Anforderungsprofils auf die Analytik

seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

74

- Hypothese 3.11: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt der Rechenschaftsverpflichtung auf die Analytik seines

Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.

Themenfeld 4: Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses als Prädiktor für

Entscheidungssicherheit bzw. geringe Entscheidungsdissonanz

Direkte Zusammenhänge:

- Hypothese 4.1: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters

wirkt negativ auf seine wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.

- Hypothese 4.2: Die eignungsdiagnostische Expertise des Recruiters wirkt negativ auf

seine wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.

- Hypothese 4.3: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters wirkt negativ auf seine

wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.

Mediierende Zusammenhänge:

- Hypothese 4.4: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters

mediiert den negativen Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf seine

wahrgenommene Entscheidungsdissonanz positiv. (s. direkter Effekt, Hypothese 1.1)

- Hypothese 4.5: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters

mediiert den negativen Effekt seines Verantwortlichkeitsgefühls auf seine

wahrgenommene Entscheidungsdissonanz positiv. (s. direkter Effekt, Hypothese 3.1)

Ebenfalls werden die Hypothesen tabellarisch übersichtlich zusammengefasst66.

66 Bei den mediierenden Zusammenhängen sind dabei zur leichteren Übersicht nur die unabhängige und intervenierende Variable dargestellt. Die abhängige Variable ist in allen Fällen, außer bei Themenfeld 4, die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses. Bei Themenfeld 4 ist es die Entscheidungsdissonanz.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

75

Tabelle 1: Zusammenfassung der Hypothesen

AV/IV UV Richtung Hypothese

Ana <--- Exp Pos. 1.1

Ana <--- subjE Neg. 1.2

Ana <--- Sche Neg. 1.3

subjE <--- Exp Neg. 1.4

Sche <--- Exp Neg. 1.5

Sche <--- subjE Pos. 1.6

Ana <--- Rech Pos. 2.1

Ana <--- SysF Pos. 2.2

Ana <--- StrI Pos. 2.3

Ana <--- KoA Pos. 2.4

Sche <--- Rech Neg. 2.5

Sche <--- StrI Neg. 2.6

KoA <--- StrI Pos. 2.7

Ana <--- Ver Pos. 3.1

Ana <--- KeA Pos. 3.2

Ver <--- Exp Pos. 3.3

Ver <--- Rech Pos. 3.4

Ver <--- SysF Pos. 3.5

Ver <--- StrI Pos. 3.6

KeA <--- Exp Pos. 3.7

KeA <--- SysF Pos. 3.8

KeA <--- StrI Pos. 3.9

KeA <--- KoA Pos. 3.10

KeA <--- Rech Pos. 3.11

Diss <--- Ana Neg. 4.1

Diss <--- Exp Neg. 4.2

Diss <--- Ver Neg. 4.3

Ana <--- Exp Pos. 4.4

Ana <--- Ver Pos. 4.5

Anm.: Darstellung der Wirkungsbeziehungen mit Variablenlabel, Wirkungsrichtung und jeweils zugehörigen Hypothese;

Um den kausalen Effekt organisationaler Rahmenbedingungen auch experimentell zu

überprüfen, wird im Anschluss an die Strukturgleichungsmodellierung ebenfalls ein

einfaktorieller Versuchsplan konstruiert.

Hierbei werden die Variablen Konkretheit des Anforderungsprofils sowie

Rechenschaftsverpflichtung experimentell manipuliert und deren Wirkungseffekt hinsichtlich

der analytischen Ausprägung des Recruiters bei einer fiktiven eignungsdiagnostischen

Beurteilung und Entscheidung zwischen den Experimentalgruppen verglichen (Kapitel 6.3).

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

76

6.2.2 Konstruktoperationalisierung: Formulierung reflektiver Mess-Indikatoren

Als latente Variablen für die vorliegende Untersuchung gelten für das

- Themenfeld 1: Persönliche Lernprozesse

o Eingeschätzte Expertise, Subjektive Entscheidungsregeln, Anwendung von

Schemata;

- Themenfeld 2: Organisationale Rahmenbedingungen

o Rechenschaftsverpflichtung, Systematik des Feedbacks, Strukturiertheit des

Interviews, Konkretheit des Anforderungsprofils;

- Themenfeld 3: Persönliches Involvement

o Verantwortlichkeitsgefühl, Konkrete Kenntnis des Anforderungsprofils;

- Themenfeld 4: Analytik und Entscheidungsdissonanz

o Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses, Entscheidungsdissonanz;

Somit müssen 11 latente Variablen in Form reflektiver Mess-Indikatoren operationalisiert

werden. Die Itemformulierung orientiert sich dabei an der Methodik der klassischen

Testkonstruktion (Moosbrugger & Kevala, 2008, S.27-70) sowie an den Empfehlungen

Weibers & Mühlhaus (2010, S.85-102) zur Operationalisierung reflektiver Mess-Modelle.

Inhaltlich werden die in Kapitel 5.1 formulierten Charakteristika zur Operationalisierung der

Entscheidungsmodi und des persönlichen Involvements sowie die theoretischen Grundlagen

in Kapitel 2.3 zur Operationalisierung der organisationalen Rahmenbedingungen sowie jene

in Kapitel 3 und 4 zur Operationalisierung der persönlichen Lernprozesse des Recruiters

genutzt. Weiterhin wurden im Rahmen einer Vorstudie, die primär zur Abgrenzung der

Fragestellungen sowie zur Hypothesenformulierung diente, insgesamt 22 teilstrukturierte

Interviews mit praktisch tätigen Recruitern geführt. Die qualitative Auswertung dieser

Interviews lieferte dabei ebenfalls Anhaltspunkte, die zur Konstruktoperationalisierung und

Itemformulierung genutzt werden konnten67.

Im Hinblick auf zukünftige Reliabilitäts- und Validitätsberechnungen werden grundsätzlich

multiple Items pro latenter Variable formuliert. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über

die Anzahl der Mess-Indikatoren bzw. Items pro Variable, ebenfalls werden je zwei Beispiel-

Items vorgestellt. Die gesamte inhaltliche Übersicht über alle Items je Variable befindet sich

in Anhang 2.

67 Übersicht und Ergebnisse der Vorstudie siehe externer Anhang

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

77

Tabelle 2: Konstruktoperationalisierung

Latente Variable Label Zahl Beispiel-Items

Eignungsdiagnostische Expertise

Exp 4 v_11: Ich beschreibe mich als eignungsdiagnostisch sehr erfahren. v_12: Ich bin ein eignungsdiagnostischer Experte.

Subjektive Entscheidungsregeln

subjE 6 Zu Beginn meiner Tätigkeit als Recruiter/in... v_40: habe ich im Rahmen der Einarbeitung bewährte Entscheidungsregeln erlernt, und diese für meine eignungs-diagnostischen Entscheidungen übernommen. v_42: musste ich völlig selbstständig ein Gefühl dafür entwickeln, wie der „geeignete“ Mitarbeiter sein soll.

Anwendung von Schemata

Sche 13 In Bewerbungsgesprächen... v_43: kann ich den Typ eines Bewerbers schnell kategorisieren. v_46: hilft mir meine Erfahrung dabei, den Bewerber richtig einzuschätzen.

Rechenschafts-verpflichtung

Rech 5 v_105: Ich muss meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen gegenüber Kollegen, Vorgesetzten oder Auftraggebern differenziert begründen können. v_109: Ich muss meine Entscheidungen „eingestellt“ oder „abgelehnt“ vor niemandem begründen.

Systematik des Feedbacks

SysF 5 Feedback über die Qualität meiner eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen erhalte ich in der Regel durch... v_102: die Ergebnisse von standardisierten Mitarbeiterbeurteilungen oder Mitarbeitergesprächen. v_103: die systematische Evaluation der Einstellungsentscheidungen.

Strukturiertheit des Interviews

StrI 5 Das Bewerbungsgespräch beinhaltet in der Regel... v_93: den standardisierten Einsatz eines Interviewleitfadens. v_94: standardisierte anforderungsbezogene Fragen.

Konkretheit des Anforderungsprofils

KoA 6 Das Anforderungsprofil für eine bestimmte Stelle ist in der Regel...formuliert. v_69: abstrakt v_72: detailliert

Verantwortlichkeits-gefühl

Ver 6 v_56: Ich fühle mich verpflichtet, stets eine fachkompetente und differenzierte eignungsdiagnostische Entscheidung zu treffen. v_58: Ich fühle mich verantwortlich für den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg eines Bewerbers auf einer bestimmten Stelle.

Kenntnis des Anforderungsprofils

KeA 5 Über das offizielle Anforderungsprofil hinaus... v_63: schaue ich mir den Arbeitsalltag immer gezielt vor Ort an, um die konkreten Anforderungen wirklich zu kennen. v_65: kann ich die relevanten Arbeitsabläufe und konkreten Tätigkeiten bei einer Stelle ganz genau beschreiben.

Analytik des Urteils-und Entscheidungs-prozesses

Ana 19 In Bewerbungsgesprächen... v_119: teste ich alle relevanten Anforderungen durch gezieltes Fragen systematisch ab. v_124: wäge ich systematisch alle relevanten Aspekte in einem Für und Wider ab, um eine Entscheidung treffen zu können.

Entscheidungs-dissonanz

Diss 4 Nach einer eignungsdiagnostischen Entscheidung... v_138: bin ich grundsätzlich sicher, die richtigen Ableitungen und Entscheidungen getroffen zu haben. v_139: bin ich mir häufig unsicher, ob meine Einschätzungen und Entscheidungen tatsächlich richtig waren.

Anm.: Darstellung von je 2 Beispiel-Items für jede latente Variable, außerdem Variablenlabel und Gesamtzahl der Items pro Skala;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

78

Die Operationalisierung der Variablen beinhaltet durchgängig Selbsteinschätzungen der

befragten Recruiter. Somit ist auch die Variable Expertise kein objektiver, sondern ein

subjektiver Indikator für die tatsächliche Expertise des befragten Recruiters.

Für die Variable Expertise werden deshalb bei der Ergebnisinterpretation auch

Zusammenhänge mit den abhängigen Variablen Analytik und Entscheidungsdissonanz, aber

auch Zusammenhänge mit demografischen Variablen wie praktische eignungsdiagnostische

Erfahrung in Jahren sowie Weiterbildung genauer betrachtet, um echte Expertise genauer

von intuitiver Selbstüberschätzung bzw. nicht-evaluierter Routine differenzieren zu können

(Kapitel 6.4 und 6.5).

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es dabei allerdings nicht, das objektive End-Kriterium

Expertise bzw. Entscheidungsvalidität zu messen, sondern die intervenierenden Variablen

mit deren kausalen Mechanismen zu erklären. Alle Variablen werden dabei ausschließlich

anonym erhoben, um den Einfluss sozialer Erwünschtheit in diesem Zusammenhang

möglichst zu minimieren.

Als Mess-Skalierung wurde eine sechs-stufige Likert-Skala68 gewählt. Damit ist die metrische

Skalierung der Messwerte als Voraussetzung für die Berechnung von

Strukturgleichungsmodellen gewährleistet. Die Items sind sowohl positiv als auch negativ

formuliert, daher werden sie für nachfolgende Analysen umkodiert69.

6.2.3 Untersuchungsaufbau und Datenerhebung

Die zur Prüfung des theoretischen Rahmenmodells benötigten empirischen Daten wurden

mithilfe eines vollständig anonymen Fragebogens erhoben, der über Unipark ausschließlich

online bearbeitet werden konnte. Der Fragebogen wurde dabei von der Autorin in Unipark mit

der Befragungssoftware EFS-Survey programmiert und enthält alle oben entwickelten Items.

Um nach dem Einsatz der entwickelten Mess-Skalen den kausalen Effekt zusätzlich auch

experimentell überprüfen zu können, wurde im Anschluss an den Fragebogen eine fiktive

Fallstudie mit experimentalem Charakter integriert. Auch diese wurde in EFS-Survey erstellt.

Die Fallstudie enthält zwei randomisiert dargebotene Bedingungen, unter denen der

Teilnehmer die Eignung einer Bewerberin für die Stelle Trainee HRM in einem international

tätigen Konzern anhand eines Gesprächsprotokolls beurteilen und eine Einstellungs-

68 1: „trifft voll zu“ bis 6: „trifft überhaupt nicht zu“ 69 immer nach demselben Schema: v_10 wurde umkodiert in u_10 usw.

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entscheidung treffen muss. Auch das Gesprächsprotokoll bzw. die daraus abgeleitete

eingeschätzte eignungsdiagnostische Kompetenz der Kollegin Frau Meier, die das

Bewerbungsgespräch mit der Bewerberin Frau Mustermann stellvertretend geführt hat, soll

zusätzlich beurteilt werden (abhängige Variablen: Analytik der Beurteilung sowie Analytik der

Entscheidung).

Als Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage für die Einstellungsentscheidung dient jeweils

das Anforderungsprofil für die Stelle Trainee HRM, welches entsprechend der Bedingung A

oder B hinsichtlich der organisationalen Rahmenbedingungen Rechenschaftsverpflichtung

und Konkretheit des Anforderungsprofils variiert wird.

Der genaue Versuchsaufbau ist in Kapitel 6.3 dargestellt, ebenfalls kann die gesamte Online-

Erhebung anhand der Screenshots in Anhang 1 nachvollzogen werden.

Folglich bestand die Online-Erhebung aus zwei Teilen, aus dem Fragebogen Determinanten

von analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen bei Recruitern in Einstellungs-

interviews und der Fallstudie, und war strukturell wie folgt aufgebaut:

Abbildung 1: Übersicht über die Struktur der Online-Erhebung

Die sechs-stufige Zustimmungsskala wurde für alle Items in beiden Erhebungsteilen

durchgängig verwendet, damit ein einheitliches Antwortformat gewährleistet werden konnte.

Startseite: Herzlich Willkommen!

Demografischer Teil

Skalen zu Involvement

Skalen zu organisationalen

Rahmenbedingungen

Skala zu Analytik

Skalen zu Lernprozessen

Skala zu

Entscheidungsdissonanz

Fallstudie: Instruktion

Bedingung A

Gesprächsprotokoll

Skalen zu Analytik der

Beurteilung & Entscheidung

Bedingung B

Endseite

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

80

Die gesamten Antwortmatrizen für die einzelnen Items wurden als Pflichtfelder gestaltet,

wodurch die Daten vollständig erhoben werden konnten.

Auf jeder Fragebogenseite war ein Weiter-Button eingefügt, der nur bei vollständiger

Beantwortung der Items funktionierte, bei unvollständiger Bearbeitung wurde der Teilnehmer

darauf hingewiesen. Die Zurück-Option wurde nicht angeboten. Bei Abbruch der Bearbeitung

war es möglich, die Bearbeitung zu einem späteren Zeitpunkt von derselben IP-Adresse

fortzusetzen.

Die Objektivität der Datenerhebung ist daher durch den hohen Grad ihrer Standardisierung

gegeben.

Der Fragebogen war vom 27.01.2012 bis 02.05.2012 zur Bearbeitung frei geschaltet.

Die durchschnittliche Bearbeitungszeit der beiden Fragebogenteile Determinanten von

analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen bei Recruitern in Einstellungsinterviews

und Fallstudie betrug insgesamt 20-23 Minuten.

Obwohl der Fragebogen 667 Mal aufgerufen wurde, setzten nur 528 Teilnehmer die

Bearbeitung fort, von denen wiederum nur 219 die Bearbeitung absolut vollständig mit beiden

Fragebogenteilen abschlossen. Den ersten Fragebogenteil schlossen immerhin 273

Teilnehmer ab. Dies ist eine gute Voraussetzung für das geplante

Strukturgleichungsmodell70.

Rekrutiert wurden die Teilnehmer deutschlandweit persönlich von der Autorin primär per

Telefon, aber auch ohne vorherigen Anruf per E-Mail und Ansprache in Online-Netzwerken

(vor allem www.xing.de). Die Akquise-E-Mails enthielten grundsätzlich einen kurzen

Überblick über die Zielgruppe und das Thema der Studie sowie einen Hyperlink zur Startseite

der Online-Studie71.

Zielgruppe waren Recruiter, die in ihrer Kerntätigkeit eignungsdiagnostische Entscheidungen

treffen und regelmäßig Einstellungsinterviews mit Bewerbern führen.

Dies können sowohl Personalreferenten, Personal- oder Ausbildungsleiter, Mitarbeiter des

Recruitingteams oder Personalmanagements, aber auch Personalberater oder Consultants

sein, die Unternehmen extern bei diversen Personalauswahlprozessen unterstützen.

70 zur Übersicht über die Statistik der Datenerhebung siehe externer Anhang 71 zur Einsicht der Akquise-E-Mails siehe externer Anhang

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

81

Für die telefonische Kontaktaufnahme oder Anfrage per E-Mail dienten vor allem die

Kontaktdaten aus Stellenanzeigen, von Karriere-Webseiten sowie Kontakt-Webseiten

einzelner Niederlassungen großer Personaldienstleister.

Über www.xing.de wurden weiterhin gezielt diejenigen Mitglieder angeschrieben, die in ihrem

persönlichen Profil als Tätigkeit „Personalreferent“, „Consultant“, „Personalleiter“, „HR“,

„Recruiter“, „Personalauswahl“ oder ähnliches angegeben hatten. Ebenfalls wurden Aufrufe

zur Teilnahme an der Studie in den Gruppen „Arbeits- und Organisationspsychologie“, „HR-

Human Resources“, „Personal“, „Personalbeschaffung“, „Employee Selection“ und

„Berufliche Eignungsdiagnostik“ veröffentlicht.

Somit kann die Stichprobe als populationsvalide gelten.

6.2.4 Stichprobe

Es nahmen insgesamt 272 Personen72 an der Studie teil, die den ersten Teil des Online-

Fragebogens vollständig beantworteten. 219 Personen beantworteten auch das Fallbeispiel

absolut vollständig.

Geschlecht und Alter

Von den Befragten sind 84 männlich (30,9%) und 188 weiblich (69,1%).

Die Altersverteilung liegt zwischen 22 und 62 Jahren (MW = 32,36 Jahre, SD = 9,2 Jahre),

wobei die Altersgruppe 30-40 Jahre am stärksten vertreten ist (45,5%).

Berufsqualifikation

Die Verteilung der Berufsqualifikation zeigt eine größtenteils akademisch ausgebildete

Stichprobe, 215 Personen (79%) haben ein Studium abgeschlossen, 53 Personen (19,5%)

haben eine Berufsausbildung abgeschlossen. Drei weitere Personen haben eine Promotion

(1,1%), eine weitere Person hat eine Habilitation (0,4%) abgeschlossen.

Fachrichtung des qualifizierenden Studiums

Die dominante Fachrichtung des qualifizierenden Studiums sind Wirtschaftswissenschaften

(41,2%), danach folgen Psychologie (13,2%) sowie Sozialwissenschaften (7,7%). Nur gering

vertreten sind Rechtswissenschaften (4,8%) und Erziehungswissenschaften (4,4%).

72 1 Teilnehmer wurde ausgeschlossen, siehe Kapitel 6.2.5

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82

16,2% der Befragten haben die Fachrichtung ihres Studiums nicht angegeben, 12,5%

wählten „Sonstiges“. Hierunter zeigte sich die Fachrichtung Verwaltungswissenschaften (8

Nennungen) neben diversen Einzelnennungen dominant.

Abbildung 2: Balkendiagramm – Übersicht über die Fachrichtung des berufsqualifizierenden Studiums der befragten Recruiter

Recruitingstatus als interne Personalfachkraft vs. externer Personaldienstleister

Die Mehrzahl der Teilnehmer (163 Personen bzw. 59,9%) sind als angestellte

Personalfachkraft in einem Unternehmen tätig, 79 Personen (29%) sind hingegen als externe

Personaldienstleister für verschiedene Unternehmen tätig. 14 Personen (5,1%) führen als

Fachvorgesetzte regelmäßig Einstellungsinterviews.

Zielgruppe der Einstellungsinterviews

74,6% aller Befragten führen regelmäßig Einstellungsinterviews mit Fachkräften. 48,5% der

befragten Recruiter zählen auch Führungskräfte sowie Hochschulabsolventen (48,2% der

Recruiter) zu ihren primären Zielgruppen. Nur 26,5% der Recruiter führen vor allem mit

Schulabsolventen oder Praktikanten (16,5% der Recruiter) Einstellungsinterviews.

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83

Praktische Erfahrung und Unternehmenszugehörigkeit

Recht äquivalent zeigen sich die angegebene praktische Erfahrung in der Durchführung von

Einstellungsinterviews (MW=7,57 Jahre) und die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit

(MW=7,29 Jahre) der Recruiter. Dabei besitzt die Mehrzahl der Stichprobe 1-8 Jahre (68

kum.%) praktische Erfahrung in der Durchführung von Einstellungsinterviews. Auch die

Unternehmenszugehörigkeit beläuft sich im Schwerpunkt auf 1-8 Jahre (70,3 kum.%).

Anteil Einstellungsinterviews

32,7% der Befragten schätzen den Anteil an durchgeführten Einstellungsinterviews innerhalb

ihrer Tätigkeit mit 20-40% ein, 28,3% sogar mit 40-60%. Dagegen verbringen aber auch

22,1% der Teilnehmer weniger als 20% ihrer Arbeitszeit mit Einstellungsinterviews.

Die Minderheit der Teilnehmer führen als Kerntätigkeit Einstellungsinterviews (11% der

Befragten schätzen den Anteil 60-80% ein, 5,9% noch höher).

Abbildung 3: Balkendiagramm – Übersicht über den Anteil an Einstellungsinterviews innerhalb der beruflichen Tätigkeit der befragten Recruiter

Unternehmensgröße

Die Unternehmensgröße der befragten Recruiter zeigt Abbildung 4. Sowohl kleine (< 50 MA:

23,5%) als auch große Unternehmen (> 2000 MA: 24,3%) sind ausgeglichen vertreten.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

84

Abbildung 4: Balkendiagramm – Übersicht über die in der vorliegenden Stichprobe vertretenen Unternehmensgrößen

Unternehmensbranche

Der Schwerpunkt der Stichprobe bezogen auf die Unternehmensbranchen liegt im

beratenden bzw. dienstleistenden Sektor. Die Branche Personaldienstleistung (22,8%) ist am

stärksten vertreten.

Danach folgen die Branchen der Industrie (16,5%), Finanzen & Versicherungen (12,5%),

Dienstleistungen im Allgemeinen (9,6%), Automobil (6,3%) und Unternehmensberatungen

(6,3%).

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

85

Abbildung 5: Balkendiagramm – Übersicht über die in der vorliegenden Stichprobe vertretenen Unternehmensbranchen

Häufigkeit der eignungsdiagnostischen Weiterbildung

Die Mehrzahl der befragten Teilnehmer (47,1%) hat bereits 1-3 Mal an

eignungsdiagnostischen Weiterbildungen teilgenommen, während 23,9% der Recruiter noch

an keinen Weiterbildungen teilgenommen haben. 15,4% der Recruiter haben schon mehr als

5 Mal an solchen Schulungen teilgenommen.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

86

Abbildung 6: Balkendiagramm – Übersicht über die Häufigkeit eignungsdiagnostischer Weiterbildung der befragten Recruiter

Eingeschätzter eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf

Der eingeschätzte eignungsdiagnostische Weiterbildungsbedarf zeigt sich recht

normalverteilt. So schätzen die meisten Recruiter (45,2%) ihren individuellen Bedarf als

„mittel“ ein. 26,5% schätzen ihn als „hoch“ und 21% als „gering“ ein.

Abbildung 7: Balkendiagramm – Übersicht über den persönlichen eignungsdiagnostischen Weiterbildungsbedarf der befragten Recruiter

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

87

6.2.5 Vorbereitung des Datensatzes, Prüfung der multivariaten Verteilungsannahme

Bevor die Güteprüfung und Modellschätzung vorgenommen wird, sollte der Datensatz

hinsichtlich fehlender Werte, univariater und multivariater Ausreißer und verschiedener

Verteilungsannahmen vorbereitet werden (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.141; vgl. auch Field,

2009).

In dem für diese Untersuchung genutzten Datensatz wurden diejenigen Teilnehmer eliminiert,

die fehlende Werte in den Items v_1 – v_140 aufwiesen, da diese im Strukturgleichungs-

modell benötigt werden und deshalb vollständig vorliegen müssen. Somit lag ein

Ausgangsdatensatz mit 273 vollständigen Datensätzen vor73.

Die Identifikation von univariaten Ausreißern erfolgte mit Hilfe eines Box-Plots. Ein

Teilnehmer wurde dabei nach der Reliabilitätsanalyse ausgeschlossen, so dass der

Datensatz im weiteren Verlauf 272 Teilnehmer enthält74.

Anhand der Mahalanobis-Distanz wurden im Laufe der Berechnungen in AMOS 19 auch

multivariate Ausreißer identifiziert. Da sich die Anpassungsgüte des Modells aber

verschlechtert, wenn diejenigen Datensätze ausgeschlossen werden, die mit einem

Signifikanzniveau von <.05 als Ausreißer identifiziert werden, wurden innerhalb der

Strukturgleichungsmodellierung keine weiteren Ausreißer eliminiert.

Ebenfalls wurde mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, in der nur ein Faktor extrahiert

wurde, im Vorhinein das Problem des common-method-Effektes (Harman’s single-factor test,

vgl. Podsakoff et al., 2003; siehe auch Kapitel 6.2.9) ausgeschlossen75.

Auch die Multikollinearität der unabhängigen Variablen wurde mit der Überprüfung des

Variable Inflation Factor (VIF) (vgl. Field, 2009) ausgeschlossen. Dafür wurde jede UV als AV

in eine multiple Regressionsanalyse eingegeben, alle anderen Variablen dienten als UV. So

wurden insgesamt neun Regressionsanalysen berechnet, in denen die VIF`s aller

aufgenommenen Variablen <376 waren und Multikollinearität damit ausgeschlossen werden

konnte77.

73 Datensätze siehe externer Anhang 74 Box-Plots siehe externer Anhang, Ausschluss von lfd 588; Stichprobe wurde im vorherigen Kapitel anhand der 272 verbliebenen TN dargestellt; 75 geringe Varianzaufklärung von 15,73%, KMO:.80, Bartlett-Test auf Sphärizität p =.000 ; Ergebnisse siehe externer Anhang; 76 Tatsächlich sogar <1,5. Die Grenze für Multikollinearitätsprobleme liegt nach Field (2009) bei 3. 77 Ergebnisse siehe externer Anhang, als Berechnungsgrundlage dienten diejenigen Variablen die nach der kompletten Güteprüfung berechnet wurden;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

88

Da die Modellschätzung mit der Maximum-Likelihood-Methode erfolgen soll, wurde auch die

Multinormalverteilungsannahme überprüft: zunächst univariat, anhand des Kolmogorov-

Smirnoff-Tests (K.-S.-Test) sowie Schiefe- und Wölbungsmaßen; später auch multivariat,

anhand Mardia`Maß im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse mit AMOS 19.

Der Kolmogorov-Smirnoff-Test bestätigt nur für die Skalen Kenntnis des Anforderungsprofils

sowie Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses die univariate Normalverteilungs-

annahme.

Tabelle 3: Deskriptive Statistik und K.-S.-Test der Skalen nach kompletter Güteprüfung

Anm.: Darstellung des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), des K.-S.-Wertes sowie des Signifikanzniveaus p; die normalverteilten Skalen sind markiert;

Allerdings weisen Weiber & Mühlhaus (2010, S.147) darauf hin, dass solch statistische Tests

zur Prüfung der Normalverteilung „im Rahmen der SGA78 zu restriktiv“ erscheinen, da nur

aufgrund substantieller Abweichung von der Normalverteilungsannahme tatsächlich von ihr

Abstand genommen werden sollte. Ebenfalls reagiert der K.-S.-Test sehr sensitiv auf große

Stichproben (Yazici & Yolacan, 2007), so auch hier mit 272 Datensätzen. Deshalb werden

weiter die Schiefe- und Wölbungsmaße untersucht.

Schiefe- und Wölbungsmaße sollten laut Temme & Hildebrandt (2009, S.16679)

beitragsmäßig nicht >1 sein. Für West et al. (1994, S.7480) hingegen gelten Werte

beitragsmäßig >2 für die Schiefe und >7 für die Wölbung erst als substantielle Abweichung

von einer Normalverteilung. 78 Strukturgleichungsmodellierung, Anmerkung d. Autorin; 79 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.146; 80 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.146;

Skala/ latente Variable MW SD K.S.-Wert p

Expertise 3.78 1.29 1.92 .001

Subjektive Entscheidungsregeln 3.10 1.21 1.55 .016

Schemata 4.32 .88 1.92 .001

Rechenschaftsverpflichtung 4.17 1.31 1.93 .001

Systematik Feedback 3.02 1.23 1.42 .035

Strukturiertheit Interview 4.38 1.39 2.06 .000

Konkretheit Anforderungsprofil 4.35 1.14 2.58 .000

Verantwortlichkeitsgefühl 4.58 .94 2.39 .000

Kenntnis Anforderungsprofil 3.70 1.09 1.19 .118

Analytik Urteils- Entscheidungsprozess 4.55 .67 .90 .397

Entscheidungsdissonanz 2.34 .68 3.24 .000

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

89

Somit kann die univariate Normalverteilungsannahme für die untersuchten Skalen bestätigt

werden, lediglich die Skalen Verantwortlichkeitsgefühl81 und Entscheidungsdissonanz82

zeigen leichte Verletzungen, die aber nicht als substantiell zu bewerten sind83.

Mardia`Maß misst die multivariate Normalverteilung der Skalen, welche bei einem Wert

signifikant von 0 verschieden und C.R.< 1.96 bzw. < 2.5784 als gegeben betrachtet werden

kann (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.148).

Auch bezogen auf Mardia`Maß85 kann für den vorliegenden Datensatz also keine

nennenswerte Verletzung der multivariaten Normalverteilungsannahme festgestellt werden.

Somit kann im Rahmen der Modellschätzung jene mit der Maximum-Likelihood-Methode

erfolgen. Die ML-Methode ist die in der Praxis am häufigsten verwendete Schätzmethode, da

sie die Berechnung von Inferenzstatistiken erlaubt sowie die präzisesten Schätzungen liefert

(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.155).

6.2.6 Güteprüfung der reflektiven Mess-Modelle

Weiber und Mühlhaus (2010, S.105) empfehlen die Überprüfung der Gütekriterien reflektiver

Mess-Modelle zunächst anhand den Gütekriterien der ersten Generation und anschließend,

mit Hilfe der konfirmatorischen Faktorenanalyse, anhand den Gütekriterien der zweiten

Generation, um schließlich die endgültigen Mess-Modelle für das Strukturgleichungsmodell

definieren zu können.

Dieser Ablauf soll auch in der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt werden.

Deshalb wird sich die Güteprüfung an folgender Struktur orientieren (nach Weiber &

Mühlhaus, 2010, Übersicht S.104):

Gütekriterien der ersten Generation:

- Reliabilitätsanalyse:

o Prüfung auf Eindimensionalität, exploratorische Faktorenanalyse (EFA) je

Konstrukt

o Indikatorebene: Item-to-total-Korrelation, Cronbach`s Alpha ohne Item

o Konstruktebene: Cronbach`s Alpha, Inter-Item-Korrelation

81 Wölbung 1,25 82 Wölbung 1,65 83 Ergebnisse siehe externer Anhang; als Berechnungsgrundlage dienten ebenfalls diejenigen Variablen die nach der kompletten Güteprüfung berechnet wurden; 84 strenge bzw. moderate Prüfung der Annahme 85 siehe externer Anhang - Strukturgleichungsmodellierung

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

90

- Validitätsanalyse:

o Inhalts- und Expertenvalidität

o EFA über alle Konstrukte

Gütekriterien der zweiten Generation – Konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA):

- Reliabilitätsanalyse CFA:

o Indikatorebene: Indikatorreliabilität

o Konstruktebene: Faktorreliabilität, durchschnittliche extrahierte Varianz

- Validitätsanalyse CFA:

o Kriteriumsvalidität

o Konstruktvalidität: Konvergenz-, Diskriminanzvalidität

6.2.6.1 Gütekriterien der ersten Generation

Reliabilitätsanalyse

1. Prüfung auf Eindimensionalität

Zunächst werden die entwickelten Skalen auf Eindimensionalität überprüft, dazu wird je

Konstrukt eine exploratorische Faktorenanalyse mit SPSS 19 berechnet86.

Als Extraktionsmethode wird die Hauptachsenanalyse gewählt, als Rotation wird die

schiefwinklige Rotation Promax gewählt, da die Items demselben Konstrukt zugeordnet sind

(vgl. Weiber & Mühlhaus, 2010, S.107). Zur Bestimmung der Dimensionalität der Faktoren-

struktur wird auf das Kaiser-Kriterium zurückgegriffen, demnach diejenigen Faktoren

berücksichtigt werden, deren Eigenwerte >1 sind (vgl. Kaiser, 1974, S.31ff87).

Die Ergebnisse der Faktorenanalyse zeigen mit durchgängig ausreichend hohen KMO-

Werten88 um .70 und hoch-signifikanten Bartlett-Tests (p<.001), sowie mit der Extraktion

zumeist nur eines Faktors, dass die Eindimensionalität für die Skalen größtenteils bestätigt

werden kann. Tabelle 4 fasst die Ergebnisse übersichtlich zusammen.

86 Grundsätzliches Ziel der Faktorenanalyse ist es, latente Datenstrukturen durch eine neue Zuordnung der Daten auf abstraktere Komponenten zu identifizieren. Dadurch wird die Komplexität der Daten reduziert und die Interpretierbarkeit der Daten durch die Zuordnung zu Faktoren vereinfacht (vgl. Backhaus et al., 2006, S.260). 87 zitiert nach Weiber & Mühlhaus, 2010, S.107; 88 Nach Backhaus et al. (2006, S.276) wird ein Kaiser-Meyer-Olkin-Maß von >.70 als „gut“ befunden. Durch das KMO-Maß wird basierend auf der Anti-Image-Korrelationsmatrix beurteilt, ob die Ausgangsvariablen der Korrelationsmatrix für eine Faktorenanalyse geeignet sind (ebd.). Auch der Bartlett-Test auf Sphärizität misst die Eignung der Stichprobe für eine Faktorenanalyse. Nach Backhaus et al. (2006, S.274) überprüft der Bartlett-Test „die Hypothese, dass die Stichprobe aus einer Grundgesamtheit entstammt, in der die Variablen unkorreliert sind“. Voraussetzung ist Normalverteilung der Ausgangsdaten.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

91

Tabelle 4: Exploratorische Faktorenanalysen zur Prüfung auf Eindimensionalität

Skala/ latente Variable KMO p

Bartlett Extrahierte Faktoren

Varianzaufklärung

Expertise

.78 .000 1 57,98%

Subjektive Entscheidungsregeln

.85 .000 1 53,77%

Schemata

.76 .000 4 42,92%

Rechenschaftsverpflichtung

.74 .000 1 42,5%

Systematik Feedback

.64 .000 2 34,71%

Strukturiertheit Interview

.71 .000 1 44,4%

Konkretheit Anforderungsprofil

.63 .000 2 45,65%

Verantwortlichkeitsgefühl

.67 .000 2 42,38%

Kenntnis Anforderungsprofil

.72 .000 2 54,52%

Analytik Urteils- Entscheidungsprozess

.83 .000 4 40,06%

Entscheidungsdissonanz .62 .000 1 39,45% Anm.: Darstellung des KMO-Maßes, des Signifikanzniveaus p für den Bartlett-Test auf Sphärizität, der extrahierten Faktoren und der jeweiligen Varianzaufklärung;

Lediglich für die Skalen Schemata sowie Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses

bestehen Probleme der Eindimensionalität, da jeweils 4 Faktoren extrahiert werden89.

Dies soll im nächsten Schritt, der klassischen Reliabilitätsanalyse bzw. Itemselektion weiter

untersucht werden.

2. Prüfung der Indikator- und Konstruktreliabilität

Reflektive Indikatoren können untereinander austauschbar sein, da sie einen „gemeinsamen

Kern“ (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.91) besitzen. Folglich liefert Cronbach`s Alpha

(Cronbach, 1947) als Maß der Skalenhomogenität bzw. internen Skalenkonsistenz90 wichtige

Hinweise auf die Indikatorenreliabilität. Nunnally`s (1978, S.245) Forderung nach Cronbach`s

Alpha α >.7 besitzt hierbei breite Akzeptanz.

89 Ergebnisse siehe externer Anhang 90 durchschnittliche Interkorrelation der Items einer Skala

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92

Im Rahmen der Itemselektion werden als erste Kriterien der Mittelwert, der als Indikator für

die Itemschwierigkeit dienen soll, außerdem die Standardabweichung genutzt91.

Wichtige Selektionskriterien sind auch die Korrelation des Items mit der Gesamtskala (auch

Item-to-Total-Korrelation) sowie die Trennschärfe (auch Inter-Item-Korrelation).

Die Item-to-Total-Korrelation repräsentiert die Korrelation einer Indikatorvariablen mit der

Summe aller Indikatoren, die demselben Faktor zugeordnet sind (Homburg & Giering, 1996,

S.8). Nach Bearden et al. (1989, S.47592) sollte diese >.5 ausfallen. Die Inter-Item-Korrelation

beschreibt die durchschnittliche Korrelation aller Items eines Konstruktes. Robinson, Shaver

& Wrightsman (1991, S.1393) fordern hier die Inter-Item-Korrelation >.3.

Hinsichtlich der Items u_10, u_45, u_48, u_52, u_53, u_54, u_55, u_62, u_71, u_73, u_74,

u_96, u_97, u_107, u_118, u_122, u_125, u_99, u_100, u_130, u_131, u_132 zeigt sich

dringender Optimierungsbedarf.

Wie schon oben erkannt, zeigen sich die größten Probleme innerhalb der Skalen Schemata

sowie Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses. Ebenfalls scheint es für die Skala

Systematik Feedback große Schwierigkeiten zu geben.

Die aufgezählten Items werden somit wegen zu geringer korrigierter Item-Skala-Korrelationen

sowie Inter-Item-Korrelationen für weitere Berechnungen aus den Skalen eliminiert94.

Danach zeigt sich, dass fast alle konstruierten Skalen hinsichtlich ihrer internen

Skalenkonsistenz als sehr geeignet beurteilt werden können. Lediglich die Skala Systematik

Feedback zeigt sich weiterhin optimierungsbedürftig.

Tabelle 5 gibt einen Überblick über Cronbach`s Alpha (α) vor und nach der Itemselektion.

91 Um eine möglichst große Differenzierung zu ermöglichen, soll der Mittelwert für die sechs-stufige Skala zwischen 2.5 - 4.5 liegen und die Standardabweichung >1.2 sein. 92 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.115; 93 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.115; 94 Ergebnisse siehe externer Anhang

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

93

Tabelle 5: Cronbach`s Alpha vor und nach Itemselektion

Anm.: als Kriterium der Güteprüfung gilt α>.7

Trotz der größtenteils sehr guten Indikatorreliabilität bleiben manche Items unterhalb der

geforderten Grenzen der Item-to-Total-Korrelation sowie der Inter-Item-Korrelation.

Bis auf u_49 würde sich aber bei ihrer Eliminierung für kein Item eine Verbesserung

hinsichtlich Cronbach`s Alpha ergeben. Deshalb sowie aus inhaltlich-konzeptionellen

Gründen, werden die Items vorerst in den Mess-Skalen belassen und evtl. zu einem späteren

Zeitpunkt der Reliabilitäts- und Validitätsanalyse eliminiert.

Die gesamte Skala Systematik Feedback muss als kritisch beurteilt werden, evtl. muss diese

später von der Berechnung ausgeschlossen werden.

Tabelle 6 gibt abschließend einen Überblick über die noch kritischen Items hinsichtlich der

Kriterien Item-to-Total- und Inter-Item-Korrelation.

Skala/ latente Variable α vor

Selektion Anzahl

α nach Selektion

Anzahl

Expertise .84 4 .85

3

Subjektive Entscheidungsregeln .87 6 .87

6

Schemata .73 13 .82

7

Rechenschaftsverpflichtung .77 5 .78

4

Systematik Feedback .11 5 .51

3

Strukturiertheit Interview .76 5 .84

3

Konkretheit Anforderungsprofil .54 6 .81

3

Verantwortlichkeitsgefühl .71 6 .71

6

Kenntnis Anforderungsprofil .75 5 .78

4

Analytik Urteils- Entscheidungsprozess .75 19 .82

13

Entscheidungsdissonanz .71 4 .71 4

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94

Tabelle 6: Übersicht über noch kritische Items nach Itemselektion

Anm.: Darstellung der Korrelationskoeffizienten r; als Kriterien der Güteprüfung gelten Item-to-Total >.5, Inter-Item-Korrelation >.3;

Validitätsanalyse

1. Inhalts- und Expertenvalidität

Inhalts- oder auch Expertenvalidität besteht dann, wenn eine fundierte Konzeptualisierung

oder Expertenbeurteilung erfolgt ist und hohe Interkorrelationen zwischen den multiplen und

semantisch ähnlichen Items einer Skala vorliegen (vgl. Hildebrandt, 1984, S.4295).

Obwohl für die vorliegenden Items keine Expertenbeurteilung erfolgt ist, wurden sie eng am

theoretischen Hintergrund (Kapitel 1-5) sowie auf Basis der Ergebnisse der Vorstudie

entwickelt, in denen eignungsdiagnostische Experten bzw. praktisch tätige Recruiter

interviewt wurden96.

Ebenfalls zeigen obige Reliabilitätsberechnungen ausreichend bis hohe Interkorrelationen der

Items je Skala. Deshalb kann die Inhaltsvalidität als gegeben angesehen werden.

2. Exploratorische Faktorenanalyse

In einer exploratorischen Faktorenanalyse über alle Skalen soll überprüft werden, ob die

einzelnen Items auch faktorenanalytisch den jeweils zugehörigen Konstrukten zugeordnet

werden. Als Extraktionsmethode wird die Hauptkomponentenanalyse97 gewählt, als Rotation

95 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.128; 96 Ergebnisse siehe externer Anhang 97 Die Faktorextraktion nach der Hauptkomponentenanalyse unterstellt, „dass die Varianz einer Ausgangsvariablen vollständig durch die Extraktion von Faktoren erklärt werden kann“ (Backhaus et al., 2006, S.291). Es wird also kein Messfehler berücksichtigt, die Kommunalität von 1 wird vollständig reproduziert (ebd.) „Das Ziel der Hauptkomponentenanalyse liegt in der möglichst umfassenden Reproduktion der Datenstruktur durch möglichst wenige Faktoren“ (ebd.).

Skala/ latente Variable Item Item-to-

Total Inter-Item

Schemata u_49 .34 .15 Verantwortlichkeitsgefühl u_58 .39 .21 Verantwortlichkeitsgefühl u_59 .32 .14 Verantwortlichkeitsgefühl u_61 .31 .15 Kenntnis Anforderungsprofil u_64 .50 .25 Systematik Feedback u_101 .29 .09 Systematik Feedback u_102 .37 .14 Systematik Feedback u_103 .33 .11 Analytik Urteils- Entscheidungsprozess u_116 .36 .24 Analytik Urteils- Entscheidungsprozess u_117 .39 .27 Analytik Urteils- Entscheidungsprozess u_121 .35 .29 Analytik Urteils- Entscheidungsprozess u_129 .34 .14 Entscheidungsdissonanz u_140 .34 .14

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95

wird die Varimax-Rotation98 gewählt. Zur Bestimmung der Dimensionalität der

Faktorenstruktur wird wie gehabt auf das Kaiser-Kriterium zurückgegriffen.

Mit einem KMO-Maß von .80 und einem signifikanten Bartlett-Test (p=.000) war die

Stichprobe für eine Faktorenanalyse gut geeignet. Es konnten 15 Faktoren mit einem

Eigenwert >1 und einer Varianzaufklärung von 67,5% identifiziert werden99. Alle

Kommunalitäten liegen oberhalb >.5, dies bedeutet, dass die Varianzaufklärung der

einzelnen Items durch die jeweiligen Faktoren als gut zu bewerten ist (Weiber & Mühlhaus,

2010, S.107).

Eine Übersicht über die Faktorenstruktur gibt Tabelle 7100.

Tabelle 7: Faktorenstruktur

Faktoren

Item 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15u_51 .819

u_50 .816

u_43 .724

u_44 .699

u_128 -.692

u_46 .577 .486

u_37 .828

u_41 .796

u_40 .769

u_39 .731

u_42 .722

u_38 .695

u_116 .697

u_115 .598

u_124 .556

u_120 .544 .440

u_117 .535

u_119 .533

u_65 .804

u_66 .743

u_64 .635

u_63 .616

98 Bei der Varimax-Rotation werden die extrahierten Faktoren orthogonal zueinander rotiert, dies bedeutet, dass die Faktoren nicht untereinander korrelieren (Backhaus et al., 2006, S.318). 99 Ergebnisse siehe externer Anhang 100 Die Faktorladungsmatrizen wurden sortiert, mit einer Unterdrückung der Faktorladungen <.40, ausgegeben, um eine schnelle Übersicht über die Faktorenstruktur zu gewährleisten.

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96

u_11 .857

u_13 .828

u_12 .774

u_94 .873

u_93 .810

u_95 .780

u_108 .801

u_109 .781

u_106 .639

u_105 .500

u_133 .780

u_127 .763

u_126 .714

u_140 -.700

u_139 -.632

u_61 .543

u_49 -.511

u_129 .459

u_60 .728

u_58 .696

u_56 .621

u_57 .579

u_59 .431

u_70 .890

u_69 .825

u_72 .749

u_138 .751

u_137 .723

u_121 .796

u_123 .575

u_102 .721

u_103 .434

u_101 .411

u_47 .507 .564

Anm.: Rotierte Komponentenmatrix der exploratorischen Faktorenanalyse über alle Items (Hauptkomponenten-analyse, Varimax-Rotation); Darstellung der Faktorladungen; Kreuzladungen auf verschiedenen Faktoren sind jeweils markiert;

Die inhaltliche Interpretation der Faktorenstruktur zeigt eine perfekte Abbildung der Skalen:

- subjektive Entscheidungsregeln: Faktor 2

- Kenntnis Anforderungsprofil: Faktor 4

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97

- Expertise: Faktor 5

- Strukturiertheit Interview: Faktor 6

- Rechenschaftsverpflichtung: Faktor 7

- Konkretheit Anforderungsprofil: Faktor 11

- Systematik Feedback: Faktor 14

Faktor 1 repräsentiert die Skala Schemata, allerdings ohne u_49101, dafür wird u_128102 mit

aufgeführt. Die Faktoren 3, 8 und 13 repräsentieren die verschiedenen Aspekte der Skala

Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses, aber ohne das Item u_129103. Die Skala

Verantwortlichkeitsgefühl wird durch Faktor 10, allerdings ohne das Item u_61104

repräsentiert.

Die Skala Entscheidungsdissonanz wird schließlich durch den Faktor 12 dargestellt,

allerdings ohne die Items u_139105 und u_140106. Problematisch zeigt sich die Interpretation

des Faktors 9. Dort sind die bislang fehlenden Items u_49, u_61, u_129, u_139 und u_140

enthalten.

Deshalb wird zum Vergleich noch eine weitere konfirmatorische Faktorenanalyse berechnet,

bevor die Skalen evtl. weiter verändert werden107.

Inhaltliche Abweichungen gibt es dabei kaum, die Faktorenstruktur spiegelt auch hier die

jeweiligen Konstrukte treffend wieder.

Allerdings kann hier die Skala Entscheidungsdissonanz (inkl. Items u_139, u_140) vollständig

dem Faktor 5 zugeordnet werden, ebenfalls wird das Item u_49 vom Faktor 1

schemagetriebene Entscheidung repräsentiert.

Die Items u_61 und u_129 können nicht eindeutig einem Faktor zugeordnet werden. Da sie

auch oben hinsichtlich ihrer Skala-Korrelation und Trennschärfe als kritisch bewertet wurden,

werden sie deshalb nun aus den Mess-Skalen ausgeschlossen.

101 „In Bewerbungsgesprächen treffe ich manchmal Schlussfolgerungen, die eher auf meine Erfahrung als auf die Äußerungen eines Bewerbers zurück zu führen sind.“ 102 „In Bewerbungsgesprächen kann ich häufig schon frühzeitig eine Entscheidung treffen.“ 103 „In Bewerbungsgesprächen kann ich meine Eindrücke nicht immer explizit begründen.“ 104 „Wenn ich ehrlich bin, gehe ich manchmal etwas nachlässig oder oberflächlich bei meinen eignungs-diagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen vor.“ 105 „Nach einer eignungsdiagnostischen Entscheidung bin ich mir häufig unsicher, ob meine Einschätzungen und Entscheidungen tatsächlich richtig waren. 106 „Nach einer eignungsdiagnostischen Entscheidung hat sich schon häufiger herausgestellt, dass ich mich in meiner Prognose geirrt habe.“ 107 Ergebnisse siehe externer Anhang

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

98

6.2.6.2 Gütekriterien der zweiten Generation

Reliabilitätsanalyse

Die Gütekriterien der zweiten Generation werden aus den Ergebnissen der konfirmatorischen

Faktorenanalyse abgeleitet. Charakteristisch für die konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA)

ist, dass die Faktoren nicht wie bei der exploratorischen Faktorenanalyse aus der

Datenstruktur extrahiert, sondern a priori definiert werden (vgl. Weiber & Mühlhaus, 2010,

S.120). Die CFA kann auch als „Spezialfall eines kompletten Strukturgleichungsmodells“

(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.119) verstanden werden, da sich die Ablaufschritte größtenteils

mit denen der Strukturgleichungsmodellierung decken. Lediglich die kausalen Elemente

entfallen.

Als relevante Reliabilitätskriterien zur Prüfung der Indikator- und Konstruktreliabilität innerhalb

der konfirmatorischen Faktorenanalyse gelten nach Weiber & Mühlhaus (2010, S.122) die

Indikatorreliabilität (Squared Multiple Correlation = SMC), die Faktorreliabilität oder auch

Composite Reliability (CR) und die durchschnittliche je Faktor extrahierte Varianz (DEV),

auch Average Variance Extracted (AVE) genannt.

Die Indikatorreliabilität (SMC), oder auch Faktorladung, „gibt den Anteil der Varianz eines

Indikators an, der durch das Konstrukt erklärt wird“ (ebd.). Sie sollte mindestens .4 betragen

(Homburg & Giering, 1996, S.16108).

Die Faktorreliabilität oder auch Composite Reliability (CR) entspricht analog zu Cronbach`s

Alpha der Indikatorreliabilität auf Konstruktebene und sollte >.6 ausfallen (Bagozzi & Yi, 1988,

S. 80109).

Die DEV oder AVE zeigt schließlich, „wie viel Prozent der Streuung des latenten Konstruktes

über die Indikatoren durchschnittlich erklärt wird“ (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.123). Die

AVE zeigt also, wie gut eine latente Variable durch alle ihr zugeordneten Indikatoren

gemessen werden kann. Das Fornell-Larcker-Kriterium (1981, S.45f) fordert dabei die AVE

>.5.

Validitätsanalyse

Validitätskriterien überprüfen die konzeptionelle Gültigkeit der Messung für das zu erhebende

Konstrukt. Grundsätzlich wird dabei zwischen Inhalts-, Kriteriums- und Konstruktvalidität

unterschieden (vgl. Bortz & Döring, 2006, S.200).

108 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.122; 109 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.123;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

99

Inhalts- oder auch Expertenvalidität besteht dann, wenn eine fundierte Konzeptualisierung

oder Expertenbeurteilung erfolgt ist und hohe Interkorrelationen zwischen den multiplen und

semantisch ähnlichen Items einer Skala vorliegen (vgl. Hildebrandt, 1984, S.42110). Dies kann

für die vorliegende Untersuchung bestätigt werden (siehe Abschnitt oben).

Die Überprüfung der Kriteriumsvalidität kann nur mit Hilfe eines validen Außenkriteriums

erfolgen. Diese wurden in der vorliegenden Untersuchung nicht erhoben, da es sich auch bei

den Außenkriterien um latente Konstrukte handelt, die wiederum operationalisiert werden

müssten.

Die Konstruktvalidität hingegen liegt vor, wenn die Messung ohne systematische Fehler

erfolgt ist. Sie kann durch Konvergenz- und Diskriminanzvalidität überprüft werden (Weiber &

Mühlhaus, 2010, S.131).

Konvergenzvalidität untersucht dabei die Zusammenhänge zwischen Indikatoren und

Konstrukten, die Diskriminanzvalidität hingegen die Trennschärfe zwischen den Konstrukten.

Dies bedeutet, dass sich die Indikatoren verschiedener Konstrukte signifikant voneinander

unterscheiden und jeweils zum zugeordneten Konstrukt die stärkste Relation aufweisen

müssen. Auf die Konvergenzvalidität kann durch das Fornell-Larcker-Kriterium geschlossen

werden, wenn die AVE >.5 ausfällt (ebd.).

Die Diskriminanzvalidität wird sowohl durch die Ergebnisse einer exploratorischen

Faktorenanalyse über alle Konstrukte angezeigt111, als auch durch das Verhältnis zwischen

AVE und den quadrierten Korrelationen anderer Faktoren.

Die AVE muss dabei größer sein als die quadrierte Korrelation desselben Faktors mit einem

anderen Faktor (Fornell & Larcker, 1981, S.46). Ebenfalls liefern die Kriterien der Maximum

Shared Squared Variance (MSV) sowie der Average Shared Squared Variance (ASV)

wichtige Hinweise auf Diskriminanzvalidität, es gilt MSV < ASV sowie ASV < AVE (Gaskin,

2012; Hair et al., 2010).

Im Folgenden werden nun die Ergebnisse der CFA sowie die Güteprüfung anhand der

vorgestellten Kriterien SMC >.4, CR >.6, AVE >.5, MSV < ASV und ASV < AVE dargestellt.

Abbildung 8 gibt zunächst einen Überblick über das grafische Mess-Modell in AMOS 19.

110 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.128; 111 Ergebnisse siehe Tabelle 7: Faktorenstruktur konnte Konstrukte eindeutig repräsentieren

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100

Abbildung 8: Grafische Darstellung CFA Anm.: Darstellung der standardisierten Pfadkoeffizienten; die nicht-beobachtbaren latenten Variablen werden als ovale Ellipsen, die beobachtbaren manifesten Indikatoren als Rechtecke, die Fehlervariablen als Kreise dargestellt; das reflektive Mess-Modell einer latenten Variablen enthält immer die operationalisierten Indikatoren mit jeweils einer Fehlervariablen (Pfade); zur Berechnung der CFA wurden alle latenten Variablen miteinander kovariiert (Doppelpfade);

Tabelle 8 zeigt neben den Standardfehlern (S.E.) und Critical Ratio-Werten (C.R.), die nicht-

standardisierten (b) und standardisierten Regressionsgewichte (β) sowie Faktorladungen

(SMC) als Ergebnisse der CFA.

Alle Pfadkoeffizienten sind dabei hochsignifikant112. Alle Standardfehler (S.E.) liegen

zwischen .067-.209, ebenso sind alle Critical Ratio-Werte (C.R.) >1.96 und liefern somit einen

hochsignifikanten Erklärungsbeitrag zum Mess-Modell. Allerdings liegen manche

Regressionsgewichte unter .5 sowie einige Faktorladungen (SMC) <.4 und sind damit als

112 zweiseitig getestet, Signifikanzniveau von p=.001

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101

kritisch zu bewerten. Auch hier lassen sich einige Überschneidungen zu den schon oben als

kritisch identifizierten Items erkennen.

Tabelle 8: Ergebnisse CFA

Item Skala Pfad S.E C.R. b β SMC

u_11 <--- Exp 1 .89 .78

u_12 <--- Exp b59 .067 14.87 .99 .82 .68

u_13 <--- Exp b1 .072 13.25 .96 .74 .54

u_37 <--- subjE b4 .111 12.72 1.42 .84 .71

u_38 <--- subjE b2 .103 10.09 1.04 .66 .43

u_39 <--- subjE b3 .111 10.95 1.21 .71 .51

u_40 <--- subjE 1 .71 .51

u_42 <--- subjE b5 .099 11.21 1.11 .73 .53

u_41 <--- subjE b6 .091 11.26 1.02 .73 .54

u_43 <--- Sche 1 .68 .46

u_44 <--- Sche b7 .104 9.36 .97 .63 .40

u_46 <--- Sche b8 .087 7.35 .64 .49 .24

u_47 <--- Sche b9 .093 6.38 .59 .42 .18

u_49 <--- Sche b11 .114 5.89 .67 .39 .15

u_50 <--- Sche b12 .126 11.49 1.45 .81 .65

u_51 <--- Sche b13 .132 12.13 1.6 .87 .76

u_56 <--- Ver 1 .83 .69

u_57 <--- Ver b28 .082 12.91 1.06 .84 .70

u_58 <--- Ver b29 .09 4.94 .45 .32 .10

u_59 <--- Ver b30 .086 4.28 .37 .28 .08

u_60 <--- Ver b31 .077 7.94 .61 .50 .25

u_63 <--- KeA 1 .61 .38

u_64 <--- KeA b33 .127 7.55 .96 .56 .32

u_65 <--- KeA b34 .108 9.48 1.02 .79 .62

u_66 <--- KeA b35 .12 9.59 1.15 .81 .65

u_105 <--- Rech 1 .57 .33

u_106 <--- Rech b36 .175 7.88 1.38 .64 .41

u_108 <--- Rech b37 .2 8.96 1.79 .82 .68

u_109 <--- Rech b38 .197 8.50 1.68 .73 .53

u_101 <--- SysF b39 .192 4.8 .91 .48 .23

u_102 <--- SysF 1 .50 .25

u_103 <--- SysF b40 .201 5.1 1.02 .56 .31

u_93 <--- StrI 1 .72 .52

u_94 <--- StrI b41 .088 12.89 1.14 .97 .94

u_95 <--- StrI b42 .073 11.78 .86 .73 .53

u_69 <--- KoA b43 .077 11.20 .86 .72 .52

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102

u_70 <--- KoA 1 .97 .93

u_72 <--- KoA b45 .07 10.12 .71 .64 .41

u_115 <--- Ana b20 .147 6.59 .97 .54 .29

u_116 <--- Ana b14 .126 4.89 .62 .36 .13

u_117 <--- Ana b15 .102 5.47 .56 .41 .17

u_119 <--- Ana b16 .141 6.40 .91 .51 .26

u_120 <--- Ana b17 .147 6.37 .94 .51 .26

u_121 <--- Ana b18 .155 5.01 .78 .37 .14

u_123 <--- Ana b19 .146 6.08 .89 .48 .23

u_124 <--- Ana 1 .51 .26

u_126 <--- Ana b21 .209 7.71 1.62 .70 .50

u_127 <--- Ana b22 .205 7.15 1.46 .61 .38

u_128 <--- Ana b23 .176 6.75 1.19 .56 .31

u_133 <--- Ana b60 .198 7.2 1.42 .62 .38

u_137 <--- Diss b25 .089 8.85 .78 .66 .43

u_138 <--- Diss 1 .84 .70

u_139 <--- Diss b26 .112 7.76 .87 .55 .30

u_140 <--- Diss b27 .102 5.62 .57 .39 .15

Anm.: Darstellung der einzelnen Faktorladungen inkl. Pfadlabel, Standardfehler der Parameterschätzung (S.E.), Critical-Ratio-Werte (C.R.), nicht-standardisierten Pfadkoeffizienten (b), standardisierten Regressionsgewichte (β) und der Faktorladung (SMC); die jeweils kritischen Items hinsichtlich β und SMC sind markiert (als Kriterien der Güteprüfung gelten: β >.5, SMC >.4);

Die quadrierte Korrelationsmatrix der Mess-Skalen sowie die Gütekriterien CR, AVE, MSV

und ASV wurden mit dem Excel-Tool Stats Tool Package (Gaskin, 2012) berechnet und

zeigen folgende Ergebnisse:

Tabelle 9: Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen

Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen

Skala StrI Exp subjE Sche Ana Diss Ver KeA Rech SysF KoA StrI .81

Exp .04 .82

subjE -.14 -.34 .73

Sche -.11 -.09 .13 .64

Ana .39 .21 -.32 -.52 .52

Diss -.17 -.35 .20 -.08 -.24 .63

Ver .21 .39 -.43 -.18 .42 -.37 .60

KeA .28 .27 -.03 .20 .17 -.14 .14 .70

Rech .14 .24 -.37 -.37 .60 -.11 .44 -.04 .70

SysF .14 .12 -.03 .23 -.12 -.28 .23 .58 -.14 .51

KoA .22 .18 -.19 .00 .16 -.09 .09 .25 .10 .15 .79

Anm.: markiert sind jeweils die kritischen Faktorkorrelationen, die größer als die AVE des jeweiligen Faktors ausfallen (Diskriminanzvalidität);

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103

Tabelle 10: Kriterien der Güteprüfung hinsichtlich Konvergenz- und Diskriminanzvalidität

CR AVE MSV ASV

StrI .85 .66 .15 .04

Exp .86 .67 .15 .06

subjE .87 .54 .18 .07

Sche .82 .41 .27 .06

Ana .81 .27 .36 .12

Diss .71 .40 .14 .05

Ver .71 .37 .20 .10

KeA .79 .49 .34 .07

Rech .79 .49 .36 .09

SysF .52 .26 .34 .06

KoA .83 .62 .06 .02

Anm.: als Kriterien der Güteprüfung gelten: CR >.6, AVE >.5, MSV < ASV und ASV < AVE; markiert sind jeweils die kritischen Werte;

In der Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen wird deutlich, dass die durchschnittlich

erfasste Varianz eines Faktors (AVE) nicht immer größer ist, als jede quadrierte Korrelation

dieses Faktors mit einem anderen Faktor. Dies ist zwar teilweise auf inhaltslogische

Zusammenhänge zurückzuführen, dennoch zeigt sich hinsichtlich der diskriminanten Validität

Optimierungsbedarf. Vor allem die AVE von Analytik fällt mit .27 viel zu gering aus, sodass es

hier zu einigen problematischen quadrierten Faktorkorrelationen >.27 kommt. Dies indiziert

auch Optimierungsbedarf hinsichtlich der konvergenten Validität.

Auch innerhalb der Skala Systematik Feedback gibt es Validitätsprobleme. Dort fällt die AVE

mit .26 und – ebenso wie in Analytik – MSV > AVE aus. Ebenso zeigen sich mit CR <.6, wie

auch schon oben festgestellt, zusätzlich moderate Reliabilitätsprobleme.

Deshalb muss das Modell weiter modifiziert werden. Zunächst wird dafür die Modellgüte

betrachtet.

Auch im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse mit AMOS 19 werden die Maße der

Modellgüte ausgegeben. Damit diese schon weiter genutzt werden können, sollen sie an

dieser Stelle kurz aufgegriffen bzw. aufgezählt werden, bevor sie in Kapitel 6.2.8

(Modellschätzung und Evaluation des Strukturgleichungsmodells) inhaltlich genauer erläutert

werden.

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104

Die Evaluation der Modellgüte bzw. Anpassung des Modells an die empirischen Daten erfolgt

nach Weiber & Mühlhaus (2010, S.158) sowie Hair et al. (2010, S.654) anhand folgender

wichtiger Kriterien und Cut-Off-Werte:

- Inferenzstatistische Gütemaße:

o RMSEA: <.05 - .08; PCLOSE: >.05;

o CMIN/DF: < 2.5

- Deskriptive Goodness of Fit-Maße:

o Absolut: RMR <.10

o Relativ: GFI: >.9 und AGFI: >.9

Tabelle 11 zeigt die Anpassungsgüte der berechneten CFA.

Tabelle 11: Anpassungsgüte des Ausgangsmodells – CFA

Anpassungsgüte des Ausgangsmodells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI

.07 .000 2.17 .14 .69 .65

Die inferenzstatistischen Gütemaße zeigen zwar eine recht gute Anpassung des Modells an

die vorliegenden Daten, allerdings ist der RMSEA-Wert nicht mit einer Irrtums-

wahrscheinlichkeit von <.05 bestätigt, wenn der PCLOSE-Wert nicht >.05 ausfällt.

Auch die deskriptiven Gütemaße fordern eine Modelloptimierung.

Deshalb wurden im Rahmen der CFA die von AMOS ausgegebenen Parameterschätzungen

sowie Residuen und Modification Indices betrachtet, die Hinweise zur Modifikation der

Modellstruktur geben. Hierbei können zwei Strategien verfolgt werden – Parameter

ausschließen oder aufnehmen (vgl. Weiber & Mühlhaus, 2010, S.190).

Die Vereinfachung der Modellstruktur erfolgt auf Basis der Standardfehler der Schätzung

(S.E.), sowie dem Critical Ratio (C.R.)-Wert. Diese liefern Hinweise darauf, welche Items

keinen Erklärungsbeitrag zum Modell liefern. Deshalb sollten Parameter mit sehr hohen

Standardfehlern sowie C.R.-Werten < 1.96 aus dem Modell ausgeschlossen werden.

Dies ist jedoch in der vorliegenden CFA nicht erforderlich.

Die Erweiterung der Modellstruktur hingegen, erfolgt durch die Betrachtung der

standardisierten Residuen sowie der Modification Indices. Hier gelten sowohl standardisierte

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105

Residuen beitragsmäßig > 2 als kritisch, als auch hohe Modification Indices (M.I.), die zu

einer deutlichen Verringerung des Chi-Quadrat-Wertes führen (ebd., S.192).

Unter Berücksichtigung der M.I.-Werte wurde so sukzessive ein in seiner Anpassungsgüte

verbessertes Modell erstellt.

Der erste Modifikationsschritt war die Aufnahme neuer Kovarianzen zwischen den

Fehlervariablen sowie die Verschiebung des Items u_128 zur Skala Schemata wegen sehr

hoher M.I.-Werte und einer gleichzeitig starken Verringerung des Chi-Quadrat-Wertes.

Dadurch konnte der Modell-Fit deutlich verbessert werden. Der RMSEA-Wert wird nun mit

einer nur sehr geringen Irrtumswahrscheinlichkeit bestätigt. Auch die deskriptiven Gütemaße

zeigen eine Verbesserung.

Tabelle 12: Anpassungsgüte des modifizierten Modells – CFA

Anpassungsgüte des modifizierten Modells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI

.05 .88 1.61 .13 .79 .78

Durch diese Modellmodifikation verschieben sich allerdings auch standardisierte

Regressionsgewichte sowie Faktorladungen als Ergebnisse der CFA.

Dies trifft insbesondere auf die Skala Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses zu,

da dort ein Item hinzugekommen ist. Tabelle 13 zeigt den Vergleich der kritischen Items im

Ausgangsmodell sowie modifizierten Modell bezogen auf die standardisierten

Regressionskoeffizienten (β) und Faktorladungen (SMC).

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106

Tabelle 13: Vergleich Ergebnisse CFA im Ausgangsmodell und modifizierten Modell

Start Modifiziert

Item Skala β SMC β SMC

u_46 <--- Sche .49 .24 .43 .19

u_47 <--- Sche .42 .18 .38 .14

u_49 <--- Sche .39 .15 .41 .17

u_116 <--- Ana .36 .13 .48 .23

u_117 <--- Ana .41 .17 .54 .29

u_121 <--- Ana .37 .14 .41 .17

u_123 <--- Ana .48 .23 .55 .30

u_126 <--- Ana .70 .50 .46 .21

u_127 <--- Ana .61 .38 .32 .10

u_133 <--- Ana .62 .38 .29 .09

u_140 <--- Diss .39 .15 .31 .10

u_58 <--- Ver .32 .10 .28 .08

u_59 <--- Ver .28 .08 .27 .07

Anm.: Darstellung der standardisierten Regressionsgewichte (β) und Faktorladungen (SMC) als Kriterien der Güteprüfung: es gilt β >.5, SMC >.4; die jeweils kritischen Items sind markiert;

Auch die Matrizen der standardisierten Residuen werden überprüft. Dort zeigen sich vor

allem u_49, u_127, u_133, u_140 mit gehäuften hohen Residuen problematisch.

Deshalb werden im nächsten Schritt die Items u_47, u_49, u_121, u_127, u_133, u_140,

u_58 und u_59 ausgeschlossen.

Dadurch verbessert sich die Anpassungsgüte des Modells abermals und kann somit als sehr

gut beurteilt werden.

Tabelle 14: Anpassungsgüte des weiter modifizierten Modells – CFA

Anpassungsgüte des weiter modifizierten Modells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI

.05 .93 1.57 .12 .82 .79

Ebenso zeigen auch die Faktorkorrelationsmatrix sowie die Validitätskriterien deutlich

verbesserte Ergebnisse.

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107

Tabelle 15: Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen im modifizierten Modell

Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen

Skala StrI Exp subjE Sche Ana Diss Ver KeA Rech SysF KoA StrI .81

Exp .04 .82

subjE -.15 -.35 .72

Sche -.13 -.11 .13 .71

Ana .43 .25 -.27 -.25 .57

Diss -.19 -.34 .20 -.08 -.31 .69

Ver .22 .38 -.44 -.20 .50 -.37 .74

KeA .28 .27 -.04 .18 .28 -.15 .13 .70

Rech .13 .33 -.45 -.33 .69 -.24 .57 .06 .65

SysF .14 .12 -.05 .24 .02 -.31 .23 .58 -.04 .52

KoA .22 .18 -.20 -.02 .20 -.08 .09 .25 .13 .14 .79

Anm.: markiert sind jeweils die kritischen Faktorkorrelationen, die größer als die AVE des jeweiligen Faktors ausfallen (Diskriminanzvalidität);

Tabelle 16: Kriterien der Güteprüfung im modifizierten Modell hinsichtlich Konvergenz- und Diskriminanzvalidität

CR AVE MSV ASV

StrI .85 .66 .18 .05

Exp .86 .67 .15 .07

subjE .86 .52 .21 .07

Sche .69 .50 .11 .04

Ana .79 .32 .48 .13

Diss .72 .48 .14 .06

Ver .77 .55 .33 .12

KeA .79 .49 .33 .07

Rech .75 .43 .48 .13

SysF .52 .27 .33 .06

KoA .82 .62 .06 .03

Anm.: als Kriterien der Güteprüfung gelten: CR >.6, AVE >.5, MSV < ASV und ASV < AVE; markiert sind jeweils die kritischen Werte;

Nur noch die Skalen Analytik und Systematik Feedback weisen nunmehr eine optimierbare

konvergente Validität auf, da das Fornell-Larcker-Kriterium (AVE >.5) mit .32 für Analytik und

.27 für Systematik Feedback nicht voll erfüllt werden konnte und somit, bezogen auf die

diskriminante Validität, auch MSV minimal größer als AVE ausfällt. Dieses Defizit ist aber

nicht als substantiell zu bewerten.

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108

Auch die Matrix der quadrierten Faktorkorrelationen zeigt eine deutliche Verbesserung der

diskriminanten Validität der geprüften Skalen. Es werden primär inhaltslogische

Zusammenhänge zwischen den Variablen deutlich, gehäuft für die Variable

Rechenschaftsverpflichtung.

Obwohl keine Items aus der Skala eliminiert wurden, hat sich hier die AVE durch die

Modifikation anderer Skalen leicht von .49 auf .43 verschlechtert, was sich auch in knapp

höheren Faktorkorrelationen mit anderen Faktoren niederschlägt. Diese sind aber

möglicherweise schon auf kausale Effekte zurückzuführen, denn inhaltlich lassen sich die

Items der Rechenschaftsverpflichtung eindeutig von denen anderer Faktoren abgrenzen.

Abschließend wird nochmal Cronbach`s Alpha für die veränderten Skalen Schemata (α=.85),

Verantwortlichkeitsgefühl (α=.75), Analytik (α=.79) und Entscheidungsdissonanz (α=.69)

berechnet.

Die Güteprüfung kann somit abgeschlossen werden. Als Resultat der Güteprüfung, kann

insgesamt auf hinreichende Reliabilität und Validität der Mess-Modelle geschlossen werden.

Somit können die Mess-Skalen bzw. Variablen nun für die weitere Berechnung einer

bivariaten Korrelationsanalyse, per arithmetischem Mittel fertig gestellt werden113.

6.2.7 Bivariate Korrelationsanalyse

Durch die Berechnung bivariater Korrelationen nach Pearson können schon erste

Zusammenhänge zwischen den Variablen identifiziert werden.

Korrelationen stellen zwar ein notwendiges Kriterium für eine Ursache-Wirkungsbeziehung

dar, aber kein hinreichendes (Preacher & Hayes, 2008, S.879), da Korrelationen keine

Informationen über die Richtung des kausalen Effektes geben. Jedoch geben sie Auskunft

über die Kovarianz zweier Variablen.

Die Korrelationsmatrix unterstützt insgesamt die Stimmigkeit der vorgenommenen

Konstruktoperationalisierung. Die Ergebnisse der bivariaten Korrelationsanalyse sind

größtenteils hypothesenkonform.

Sie werden nun in Tabelle 17 dargestellt und anschließend kurz erläutert.

113 Berechnung siehe externer Anhang

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109

Tabelle 17: Bivariate Korrelationsmatrix nach Pearson

Korrelationsmatrix der Variablen des SGM`s

Exp subjE Sche Ver KeA KoA StrI SysF Rech Ana Diss Exp 1.00 -.31 -.04 .35 .20 .18 .04 .09 .21 .20 -.33

subjE -.31** 1.00 .11 -.35 .02 -.18 -.10 .01 -.34 -.25 .21

Sche -.04 .11 1.00 -.13 .21 .02 -.11 .16 -.29 -.21 -.06

Ver .35** -.35** -.13* 1.00 .13 .14 .16 .14 .38 .40 -.30

KeA .20** .02 .21** .13* 1.00 .23 .26 .41 -.03 .18 -.08

KoA .18** -.18** .02 .14* .23** 1.00 .19 .11 .12 .20 -.15

StrI .04 -.10 -.11 .16** .26** .19** 1.00 .09 .13 .39 -.10

SysF .09 .01 .16** .14* .41** .11 .09 1.00 -.08 .01 -.13

Rech .21** -.35** -.29** .38** -.03 .12 .13* -.08 1.00 .51 -.14

Ana .20** -.25** -.21** .40** .18** .20** .39** .01 .51** 1.00 -.28

Diss -.33** .21** -.06 -.30** -.08 -.15* -.10 -.13* -.14* -.28** 1.00

Anm.: Darstellung des Korrelationskoeffizienten r, mit dem zweiseitigen Signifikanzniveau p: **=p<.01, *=p<.05; die signifikanten Korrelationen wurden jeweils markiert; Die Lernprozesse des Recruiters (Themenfeld 1) korrelieren erwartungsgemäß positiv

(Expertise: r=.20**) sowie negativ (subjektive Entscheidungsregeln: r=-.25**, Schemata: r=-

.21**) mit einem analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess bei Einstellungsinterviews.

Innerhalb des zweiten Themenfeldes organisationale Rahmenbedingungen zeigen die

Ergebnisse ebenfalls – bis auf eine Ausnahme – signifikante Ergebnisse.

Die stärkste Korrelation zeigt Rechenschaftsverpflichtung (r=.51**), ebenso korrelieren aber

auch die Konkretheit des Anforderungsprofils (r=.20**) und die Strukturiertheit des Interviews

(r=.39**) positiv mit einem analytisch geprägten Urteils- und Entscheidungsprozess. Nur die

Variable Systematik des Feedbacks zeigt hier keinen signifikanten Zusammenhang (r=.01,

p=.93).

Die Mediatoren (Themenfeld 3) Verantwortlichkeitsgefühl und Kenntnis des

Anforderungsprofils hängen hypothesenkonform positiv mit der Analytik des Urteils- und

Entscheidungsprozesses zusammen (r=.40** sowie r=.18**)

Auch der negativ postulierte Zusammenhang zwischen der Analytik des Urteils- und

Entscheidungsprozesses und der wahrgenommenen Entscheidungsdissonanz wird

ersichtlich (r=-.28**). Ebenso sind für alle Variablen außer für die subjektiven

Entscheidungsregeln negative Zusammenhänge mit Entscheidungsdissonanz erkennbar.

Hoch-signifikant fallen dabei Expertise (r=-.33**) und Verantwortlichkeitsgefühl (r=-.30**) aus.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

110

Die subjektiven Entscheidungsregeln korrelieren hingegen positiv mit der wahrgenommenen

Entscheidungsdissonanz (r=.21**).

Für Rechenschaftsverpflichtung ist auch der positive Zusammenhang mit

Verantwortlichkeitsgefühl (r=.38**), für Systematik des Feedbacks ist der positive

Zusammenhang mit Kenntnis des Anforderungsprofils (r=.41**) hypothesenrelevant.

Auch für die Strukturiertheit des Interviews (r=.26**) sowie die Konkretheit des

Anforderungsprofils (r=.23**) lassen sich positive Zusammenhänge mit der Kenntnis des

Anforderungsprofils feststellen. Auch hier unterstützen die Zusammenhänge die postulierten

Hypothesen.

Die Korrelationsmatrix der Variablen stellt also erste inhaltslogische und thesenrelevante

Zusammenhänge dar.

Die kausalen Effekte werden im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung nun mit dem

kovarianzanalytischen Ansatz überprüft.

6.2.8 Kovarianzanalytische Modellschätzung – Evaluation des Gesamtmodells

In diesem Kapitel soll nun das Strukturgleichungsmodell nach der Maximum-Likelihood-

Methode geschätzt und evaluiert werden.

Eine hohe Anpassungsgüte ist dabei dann gegeben, „wenn die mit Hilfe der Parameter-

schätzer berechneten Varianzen und Kovarianzen möglichst gut mit den empirisch

gewonnenen Varianzen und Kovarianzen übereinstimmen“ (Weiber & Mühlhaus, 2010,

S.160).

Wie bereits oben schon aufgelistet, lassen sich die wichtigsten Gütekriterien der

Anpassungsgüte unterscheiden nach:

- Inferenzstatistischen Gütemaßen:

o RMSEA: <.05 - .08; PCLOSE: <.05;

o CMIN/DF: < 2.5

- Deskriptiven Goodness of Fit-Maßen:

o Absolut: RMR <.10

o Relativ: GFI: >.9 und AGFI: >.9

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

111

Der χ²-Anpassungstest bildet zwar das wichtigste inferenzstatistische Kriterium, da er die

vollständige Übereinstimmung zwischen empirischen Daten und Strukturgleichungsmodell

bzw. den perfekten Modell-Fit misst114. Allerdings reagiert der χ²-Anpassungstest sehr

sensitiv auf den Stichprobenumfang und kann weiterhin nicht den Fehler 2. Art abschätzen

(Weiber & Mühlhaus, 2010, S.161).

Deshalb liefert der RMSEA (Root Mean Square of Approximation) aussagekräftigere

Ergebnisse und wird bei <.05 als gut sowie bei <.08 als akzeptabel bewertet (Brown &

Cudeck, 1993, S.136ff115). Der RMSEA prüft die Annäherung eines Modells an die Daten und

bereinigt dabei die Modellkomplexität durch Berücksichtigung der Freiheitsgrade.

Der PCLOSE-Wert prüft zudem die Nullhypothese der Irrtumswahrscheinlichkeit zum

RMSEA, bei >.05 kann deshalb auf einen guten Modell-Fit geschlossen werden (Weiber &

Mühlhaus, 2010, S.162).

CMIN/DF ist die Bezeichnung des Quotienten des χ²-Wertes in Relation zu den

Freiheitsgraden. Dieser Quotient sollte laut Homburg & Baumgartner (1995, S.172116) < 2.5

sein. Je kleiner CMIN/DF, desto besser ist die Anpassungsgüte des Modells.

Der Test von Hoelter gibt die kritische Stichprobengröße an, bei welcher der χ²-Test gerade

noch akzeptiert würde.

Absolute deskriptive Goodness of Fit-Maße wie der RMR (Root Mean Square Residual)

setzen den χ²-Wert in Relation zur Komplexität des Modells. Je kleiner RMR ausfällt, desto

gelungener ist dabei die Anpassung des Modells an die empirischen Daten (Weiber &

Mühlhaus, 2010, S.165). Ein guter Modell-Fit ergibt sich für <.10 (ebd.).

Die relativen deskriptiven Goodness of Fit-Maße GFI und AGFI entsprechen dem

Bestimmtheitsmaß R² (GFI) bzw. dem korrigierten R² (AGFI) (Weiber & Mühlhaus, 2010,

S.166f). Sie messen die relative Menge der vom Modell abgebildeten Kovarianzen und

Varianzen und sind deshalb unabhängig von der Stichprobengröße. Sie beschreiben letztlich

die Varianzaufklärung des getesteten Modells. Ein guter Modell-Fit ergibt sich jeweils für >.9

(ebd.).

114 Das χ²- Anpassungsmaß entspricht dabei einer Likelihood-Ratio-Teststatistik, mit der Nullhypothese, dass die modelltheoretische Kovarianz-Matrix der empirischen Kovarianz-Matrix entspricht. Der χ²-Wert fällt umso kleiner aus, je geringer die Differenz zwischen der modelltheoretischen und empirischen Kovarianz-Matrix ist. 115 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.162; 116 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.162;

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112

Nach Sichtung der Anpassungsgüte des Modells, liefern die Parameterschätzungen Auskunft

über die postulierten Beziehungen der latenten Variablen.

Die Stärke und Richtung der kausalen Effekte wird über die standardisierten

Pfadkoeffizienten bzw. Regressionsgewichte untersucht. Sie zeigen analog zu den β-

Gewichten in Regressionen, ob der Kausalzusammenhang positiv oder negativ ist und wie

stark der Effekt ist. Pfadkoeffizienten von einer Größe ab .2 (Chin, 1998, S.8117) werden als

bedeutsam bezeichnet.

Weiterhin werden die Squared Multiple Correlations (SMC) ausgegeben.

Sie geben die jeweilige Varianzaufklärung einer endogenen Variable durch die anderen

Variablen an und können deshalb analog zum Bestimmtheitsmaß R² bei der

Regressionsanalyse interpretiert werden (Weiber & Mühlhaus, 2010, S.181). Chin (1998,

S.323118) bewertet dabei SMC-Werte von .19 als schwach, von .33 als moderat und von .66

als substantiell.

Der Standardfehler der Parameterschätzung (S.E.) gibt an, wie zuverlässig der Parameter

geschätzt werden konnte. Ebenfalls kann mit dem Critical Ratio-Wert (C.R.) geprüft werden,

welche Parameter keinen Erklärungsbeitrag zur Modellstruktur liefern. Deshalb sollten

Parameter mit sehr hohen Standardfehlern sowie C.R. Werten <1.96 in den folgenden

Schritten der Modellmodifikation aus dem Modell ausgeschlossen werden119 (Weiber &

Mühlhaus, 2010, S.180).

Abbildung 9 zeigt nun das grafische Strukturgleichungsmodell in AMOS 19.

117 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.181; 118 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.181; 119 Der Cut-Off Wert von 1.96 entspricht dabei dem t-Wert eines 2-seitigen Signifikanztests, mit p=.05, und der Nullhypothese, dass die geschätzten Werte sich nicht signifikant von 0 unterscheiden.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

113

Abbildung 9: Grafisches Strukturgleichungsmodell – Ausgangsmodell

Tabelle 18 gibt weiterhin einen Überblick über die einzelnen Pfadkoeffizienten im

berechneten Strukturgleichungsmodell.

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114

Tabelle 18: Pfadkoeffizienten im SGM-Ausgangsmodell

Wirkungs-zusammenhang

Pfad S.E C.R. b β p Hypothese

subjE <--- Exp b39 .06 -4.94 -.28 -.35 *** 1.4

KoA <--- StrI b66 .06 3.43 .21 .22 *** 2.7

KeA <--- Exp b45 .05 3.21 .16 .22 ** 3.7

KeA <--- KoA b47 .05 2.19 .10 .14 .03 3.10

KeA <--- StrI b48 .05 3.19 .15 .21 ** 3.9

Ver <--- Rech b52 .07 6.16 .44 .49 *** 3.4

KeA <--- SysF b57 .11 4.16 .45 .50 *** 3.8

Sche <--- Rech b67 .05 -4.15 -.21 -.32 *** 2.5

Ver <--- SysF b70 .07 2.31 .17 .19 .02 3.5

Ver <--- StrI b40 .04 2.60 .11 .16 * 3.6

Sche <--- Exp b41 .04 -.27 -.01 -.02 .79 1.5

Ver <--- Exp b44 .05 4.17 .20 .27 *** 3.3

Sche <--- subjE b62 .05 -.08 .00 -.01 .93 1.6

Sche <--- StrI b56 .03 -1.46 -.05 -.09 .15 2.6

KeA <--- Rech b60 .06 -.98 -.06 -.07 .33 3.11

Ana <--- subjE b42 .05 1.02 .05 .06 .31 1.2

Ana <--- StrI b49 .04 4.30 .17 .29 *** 2.3

Ana <--- Ver b50 .07 1.55 .11 .13 .12 3.1

Ana <--- KoA b53 .03 .38 .01 .02 .70 2.4

Ana <--- KeA b54 .08 2.79 .22 .27 * 3.2

Ana <--- Rech b55 .08 5.67 .43 .59 *** 2.1

Ana <--- Exp b68 .04 .06 .00 .00 .95 1.1

Ana <--- SysF b69 .08 -1.61 -.13 -.17 .11 2.2

Ana <--- Sche b43 .07 -.24 -.02 -.02 .81 1.3

Diss <--- Ana b46 .08 -1.61 -.12 -.14 .11 4.1

Diss <--- Exp b71 .04 -3.13 -.13 -.23 ** 4.2

Diss <--- Ver b51 .07 -2.35 -.16 -.22 ** 4.3

Anm.: Darstellung der Wirkungszusammenhänge zwischen den latenten Variablen, der Pfadlabel, der Standardfehler der Parameterschätzung (S.E.), der Critical-Ratio-Werte (C.R.), der nicht-standardisierten Pfadkoeffizienten (b), der standardisierten Regressionsgewichte (β), dem Signifikanzniveau (p) und der jeweils zugehörigen Hypothese; für p gilt: ***=p<.001, **=p<.005, *=p<.010; die nicht-signifikanten Wirkungszusammen-hänge sind jeweils markiert;

Obwohl die meisten Regressionsgewichte signifikant sind und damit die postulierten

Hypothesen bestätigen, zeigen die Pfade b41, b42, b43, b53, b60, b62 und b68 (Hypothesen

1.1-1.3 sowie 1.5-1.6, 2.4 und 3.11) mit C.R. Werten <1.96 sowie nicht-signifikanten

Regressionsgewichten, unzureichende Erklärungsbeiträge im Gesamtmodell.

Betroffen ist hier vor allem das erste Themenfeld der Lernprozesse.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

115

Auch die Übersicht der standardisierten totalen Effekte zeigt analog die nur geringen

Wirkungsbeziehungen zwischen den Lernprozessen und der Analytik der Urteils- und

Entscheidungsprozesses der Recruiter. Auch die organisationale Rahmenbedingung des

konkreten Anforderungsprofils zeigt hier keinen Effekt auf Analytik.

Tabelle 19: Standardisierte totale Effekte im SGM-Ausgangsmodell

Skala StrI SysF Rech Exp subjE KoA KeA Ver Sche Ana Diss

subjE 0 0 0 -.354 0 0 0 0 0 0 0

KoA .218 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

KeA .245 .495 -.068 .216 0 .142 0 0 0 0 0

Ver .159 .189 .489 .269 0 0 0 0 0 0 0

Sche -.093 0 -.323 -.017 -.006 0 0 0 0 0 0

Ana .383 -.011 .639 .076 .063 .06 .269 .132 -.015 0 0

Diss -.088 -.04 -.196 -.302 -.009 -.008 -.037 -.239 .002 -.139 0

Anm.: Darstellung der standardisierten Regressionsgewichte (β); die unbedeutsamen Wirkungszusammenhänge sind jeweils markiert;

Die Anpassungsgüte des Modells kann mit einem RMSEA=.05 und PCLOSE=.66 als sehr gut

beurteilt werden. Ebenfalls spricht der CMIN/DF-Wert von 1.65 für eine sehr gute

Modellanpassung an die Daten.

Lediglich die deskriptiven Gütemaße zeigen leichte Abweichungen von den geforderten

Grenzwerten (RMR <.10, GFI/AGFI <.90) einer guten Modellanpassung bzw. vollständigen

Varianzaufklärung durch das Modell.

Dennoch lässt sich die Anpassungsgüte insgesamt als gut beurteilen.

Tabelle 20: Anpassungsgüte des SGM-Ausgangsmodells

Anpassungsgüte des Ausgangsmodells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI

.05 .66 1.65 .18 .80 .78

Eine Optimierung der Modellgüte kann durch eine Modellmodifikation erzielt werden, bei der

irrelevante Wirkungsbeziehungen aus dem Gesamtgefüge ausgeschlossen werden.

Bevor jedoch die kritischen Wirkungszusammenhänge aus dem Modell eliminiert werden,

sollen zunächst die postulierten Mediationshypothesen überprüft werden, denn

möglicherweise können auch multiple Mediator- bzw. Suppressoreffekte (vgl. Preacher &

Hayes, 2008, S.881) dafür verantwortlich sein, dass manche Wirkungsbeziehungen in dem

recht komplexen Strukturgleichungsmodell nicht signifikant ausfallen.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

116

6.2.8.1 Hypothesenprüfung und Interpretation – Analyse der direkten und mediierenden

Effekte im Strukturgleichungsmodell

Baron & Kenny (1986, S.1176) definieren intervenierende Variablen, die den kausalen

Zusammenhang zwischen einer unabhängigen und abhängigen Variable beeinflussen, als

Mediatoren. Mediatoren beschreiben dabei, warum ein Effekt von der unabhängigen auf die

abhängige Variable auftritt, Moderatoren beschreiben im Gegensatz dazu, wann ein solcher

Effekt auftritt. Mediatoren können rechnerisch identifiziert werden, wenn folgende

Bedingungen erfüllt sind:

- ein direkter Effekt der unabhängigen auf die abhängige Variable,

- ein direkter Effekt der unabhängigen Variable auf die mediierende Variable,

- ein direkter Effekt der mediierenden Variable auf die abhängige Variable sowie

- ein reduzierter direkter Effekt zwischen unabhängiger und abhängiger Variable, wenn

die mediierende Variable kontrolliert wird.

Dabei liegt eine partielle Mediation vor, wenn der direkte Effekt der UV auf die AV im

Vergleich reduziert wird, hingegen eine totale Mediation, wenn der direkte Effekt mit dem

Einschluss des Mediators (intervenierende Variable - IV) vollständig verschwindet (ebd.).

Zur Prüfung von mediierenden Effekten innerhalb Strukturgleichungsmodellen empfehlen

Cheung & Lau (2007, S.297f) sowie Preacher & Hayes (2008, S.880) die Methode des bias-

korrigierten Bootstrapping.

Cheung & Lau (2007) verglichen acht verschiedene Berechnungsmethoden zur Prüfung von

Mediator- und Suppressoreffekten miteinander und stellten fest, dass die Bootstrapping-

Methode in AMOS die besten Ergebnisse liefert, wenn es darum geht, Mediator- oder

Suppressoreffekte in komplexen kausalen Modellen zu prüfen.

Die logische Vorgehensweise unterscheidet sich bei der Prüfung von Mediator- oder

Suppressoreffekten nicht, nur fällt die Interpretation jeweils etwas anders aus.

Als Vorgehensweise wird empfohlen, die Signifikanz der direkten und indirekten Effekte eines

vollständigen Modells, mit der Signifikanz der direkten Effekte eines um die Mediatorvariablen

reduzierten Modells zu vergleichen.

Zur Signifikanzprüfung wird dabei die Methode des Bootstrapping eingesetzt (vgl. Efron &

Tibshirani, 1993). Hierbei werden Teilstichproben gebildet und deren Pfadkoeffizienten

miteinander verglichen (Preacher & Hayes, 2008, S.883; vgl. auch Hair et al., 2010, S.751-

755). In der vorliegenden Untersuchung werden zweiseitige Signifikanz-Tests mit einer

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

117

üblichen Anzahl von 1000 Teilstichproben, der Maximum-Likelihood-Methode und einem

Signifikanzniveau von p=.05 berechnet (vgl. ebd.).

Dabei gilt nach Cheung & Lau (2007):

- Es liegt eine partielle Mediation vor, wenn

o die direkten und indirekten Effekte des vollständigen wie auch die direkten

Effekte des reduzierten Modells signifikant sind.

- Es liegt eine totale Mediation vor, wenn

o der indirekte Effekt im vollständigen Modell signifikant ist und

o die Signifikanz des direkten Effekts des reduzierten Modells im vollständigen

Modell verschwindet.

- Es liegt ein indirekter Effekt vor, wenn

o die direkten Effekte sowohl im vollständigen als auch reduzierten Modell nicht

signifikant sind und

o der indirekte Effekt im vollständigen Modell signifikant ist.

Die Prüfung der postulierten mediierenden Effekte soll nach diesem Schema erfolgen.

Deshalb werden die Mediationsmodelle im weiteren Berechnungsverlauf vom Gesamtmodell

isoliert und jeweils ein vollständiges und ein um die Mediatorvariablen reduziertes Modell

berechnet, in dem sowohl die direkten als auch die indirekten Effekte genauer betrachtet

werden.

Das vollständige Modell beinhaltet dabei drei Pfade zwischen der unabhängigen,

mediierenden und abhängigen Variable120. Das reduzierte Modell in diesem Kontext bezieht

sich ausschließlich auf den direkten Zusammenhang zwischen der unabhängigen und

abhängigen Variable und beinhaltet nur einen Pfad.

Vollständiges Modell Reduziertes Modell

Abbildung 10: Vollständiges und reduziertes Modell zur Prüfung von Mediator-Effekten Anm.: UV= unabhängige Variable, IV= intervenierende Variable (Mediator), AV= abhängige Variable;

120 Im Kontext der Strukturgleichungsmodellierung wird hier auch von exogener, intervenierender und endogener Variable gesprochen.

UV AVUV

IV

AV

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

118

Die standardisierten direkten sowie indirekten Effekte der vollständigen Modelle werden mit

den standardisierten direkten Effekten der reduzierten Modelle nach dem Schema Cheung &

Lau`s (2007) verglichen und gemeinsam in jeweils einer Tabelle pro Hypothese abgebildet.

Durch die Gegenüberstellung eines solchen vollständigen und reduzierten Modells kann

schnell und übersichtlich dargestellt werden, ob es sich jeweils um eine partielle oder totale

Mediation, oder um einen indirekten Effekt handelt.

Ebenfalls kann eindeutig identifiziert werden, welche einzelnen Variablen letztlich als

Mediatoren fungieren. Damit werden auch die postulierten Hypothesen genau überprüft.

Zusätzlich zu den mediierenden Hypothesen werden aber auch die direkten Hypothesen

isoliert vom Gesamtmodell überprüft, um einen vollständigen Überblick über die Ergebnisse

zu geben. Ebenfalls werden die Ergebnisse schon an dieser Stelle interpretiert.

Die Tabellen 21-37 stellen nun die standardisierten Regressionsgewichte inklusive

Signifikanzniveau je Hypothese dar.

Hypothese 1.4

Tabelle 21: Hypothese 1.4

Skala Exp Hypothese 1.4: Exp-subjE-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

partiell

subjE -.343 .002

Ana .172 .044 .072 .007 .242 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 1.4 lässt sich eine negative partielle Mediation des positiven

Zusammenhangs zwischen Expertise und Analytik durch die Variable subjektive

Entscheidungsregeln bestätigen.

Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.

Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt von Expertise auf Analytik durch den

negativen Mediator subjektive Entscheidungsregeln in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz

(β =.172, p=.044 im Vergleich zu β =.242, p=.002) abgeschwächt.

Dies bedeutet, dass Expertise – wie vermutet – vor allem mit der Anwendung expliziter statt

subjektiver Entscheidungsregeln einher geht (β =-.343, p=.002), die dem Recruiter entweder

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

119

während seiner Einarbeitung explizit vermittelt wurden oder die er eigenständig expliziert hat,

um diese im weiteren Lernprozess weiter zu evaluieren und modifizieren.

Der Faktor Erfahrung führt somit zwangsläufig zu der Verfestigung von Entscheidungsregeln,

die entweder in subjektiv-intuitiver Form (Routine) oder aber explizit-evaluierter Form

(Expertise) vorliegen und den Entscheidungsmodus dementsprechend prägen. Der Effekt

von Expertise auf Analytik wird also durch die individuellen Entscheidungsregeln vermittelt.

Im Ergebnis des reduzierten Modells zeigt sich weiterhin ein positiver Effekt von Expertise auf

Analytik. Dieser zeigt sich allerdings nur isoliert vom Gesamtmodell121. Die Expertise eines

Recruiters begünstigt damit analytische Urteils- und Entscheidungsprozesse (Hypothese 1.1).

Dies kann durch stark ausdifferenziertes Erfahrungswissen erklärt werden, welches der

Recruiter durch zahlreiche Bewerbungsgespräche mit den unterschiedlichsten Personen und

für die unterschiedlichsten Stellen erworben hat. Jenes hat er im Laufe seiner individuellen

Lerngeschichte immer wieder modifiziert und evaluiert, was letztlich zu treffsicheren

Entscheidungen führt.

Das Ergebnis spricht somit für die in Kapitel 4.1 formulierte Annahme, dass ein Recruiter sein

Expertenwissen explizit formulieren kann, trotzdem er es mittlerweile automatisch anwendet

und sich primär auf die relevanten Cues und Inferenzen konzentriert.

In diesem Kontext könnte, in Analogie zur Methodik der Strukturgleichungsmodellierung, von

einer kontinuierlichen kognitiven Modellanpassung an die vorliegenden empirischen

Bewerberdaten gesprochen werden. Aus je mehr Variablen und Wirkungsbeziehungen das

kognitive Modell des Recruiters besteht und je häufiger diese Wirkungsbeziehungen an

Bewerberstichproben überprüft wurden (vgl. Kapitel 3.1), desto genauer kann letztlich durch

dieses Experten-Schema die Realität abgebildet und valide Prognosen daraus abgeleitet

werden.

Somit kann ein differenziertes und evaluiertes Expertenmodell, letztlich ein Schema reich an

Expertenwissen, wertvolle Basis für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen sein.

Wenn diese Entscheidungsregeln auch für Andere expliziert und zugänglich gemacht

werden, kann ein solches Expertenmodell auch als Lernmodell und Evaluationsinstrument für

eignungsdiagnostische Entscheidungen fungieren122.

121 β =.004, p=.951 für b68 siehe Tabelle 18 122 vgl. Methode der Hypothesenagglutination nach Wottawa, 1985/1987 sowie Methodik der simultanen Optierung multipler Cut-Offs nach Montel, 2006; siehe Kapitel 3.2

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120

Fazit

Hypothesen 1.1 und 1.4 können bestätigt werden:

- Hypothese 1.1: Die eignungsdiagnostische Expertise des Recruiters wirkt positiv auf

die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 1.4: Die subjektiven Entscheidungsregeln des Recruiters mediieren den

positiven Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines

Urteils- und Entscheidungsprozesses negativ.

Hypothese 1.5

Tabelle 22: Hypothese 1.5

Skala Exp Hypothese 1.5: Exp-Sche-Ana

β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt

Mediation:

keine

Sche -.104 .163

Ana .218 .004 .024 .104 .242 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 1.5 lässt sich keine negative Mediation des positiven Zusammenhangs

zwischen Expertise und Analytik durch die Variable Schemata bestätigen. Dies haben auch

die Ergebnisse im Gesamtmodell (Tabelle 18) indiziert, da auch schon dort der erwartete

signifikante Effekt zwischen unabhängiger und mediierender Variable ausgeblieben ist.

Der Vollständigkeit halber wurde die Hypothese aber trotzdem isoliert vom Gesamtmodell

überprüft. Obwohl ein knapp-signifikanter indirekter Effekt im vollständigen Modell

nachgewiesen werden kann (β =.024, p=.104), kann die Mediations-Hypothese nicht bestätigt

werden.

Fazit

Hypothese 1.5 kann nicht bestätigt werden:

- Hypothese 1.5: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den positiven

Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses NICHT.

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121

Hypothese 1.6

Tabelle 23: Hypothese 1.6

Skala subjE Hypothese 1.6: subjE-Sche-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

partiell

Sche .138 .055

Ana -.241 .002 -.030 .049 -.270 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 1.6 lässt sich eine positive partielle Mediation des negativen

Zusammenhangs zwischen subjektiven Entscheidungsregeln und Analytik durch die Variable

Schemata bestätigen.

Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.10 signifikant.

Im vollständigen Modell wird der direkte negative Effekt der subjektiven Entscheidungsregeln

auf Analytik durch den positiven Mediator Schemata in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz

(β =-.241, p=.002 im Vergleich zu β =-.270, p=.002) abgeschwächt. Ebenfalls begünstigen

subjektive Entscheidungsregeln die Anwendung von Schemata in Einstellungsinterviews

(β =.138, p=.055).

Dies bedeutet, dass ein Recruiter, der seine eignungsdiagnostischen Entscheidungen auf der

Basis subjektiver Entscheidungsregeln trifft, auch in stärkerem Umfang urteilsverzerrende

Schemata anwendet, welche wiederum mit wenig analytischen Entscheidungsmustern in

Zusammenhang stehen. Der Effekt subjektiver Entscheidungsregeln auf Analytik wird also

durch diejenigen kognitiven Strukturen vermittelt, die durch die jeweils explizit-regelbasierten

oder subjektiv-heuristischen Entscheidungsregeln aktiviert werden.

Hier zeigt sich somit ebenfalls die hohe Bedeutung der Explikation von Entscheidungsregeln

als Grundlage für professionelle eignungsdiagnostische Entscheidungen.

Je höher der Anteil der übernommenen oder eigens erworbenen subjektiven

Entscheidungsregeln ausfällt, umso stärker greift somit die These Wottawas & Oennings

(2002), dass sich nicht-evaluierte Entscheidungsmuster durch Wiederholung in der

eignungsdiagnostischen Praxis verfestigen (siehe Kapitel 4.3).

Das Ergebnis zeigt ebenfalls einen direkten negativen Zusammenhang zwischen subjektiven

Entscheidungsregeln und Analytik (β =-.270, p=.022), wie in Hypothese 1.2 formuliert.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

122

Auch hier zeigt sich dieser Effekt nur isoliert vom Gesamtmodell123. Aufgrund der komplexen

Wechselwirkungen im Gesamtmodell scheint es innerhalb des ersten Themenfeldes zu

sogenannten Suppressoreffekten gekommen zu sein, sodass die einzelnen Effekte nur

isoliert nachgewiesen werden können.

Deshalb wird an dieser Stelle auch der direkte Effekt von Schemata auf Analytik nochmals

isoliert vom Gesamtmodell überprüft (Hypothese 1.3). Auch dieser zeigt sich mit β =-.253,

p=.012124 signifikant. Somit führt schemagetriebene Wahrnehmung hypothesenkonform zu

wenig analytischen Urteils- und Entscheidungsprozessen (siehe Kapitel 3.1).

Fazit

Hypothesen 1.2, 1.3 und 1.6 können somit bestätigt werden:

- Hypothese 1.2: Die subjektiven Entscheidungsregeln des Recruiters wirken negativ

auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 1.3: Die Anwendung von Schemata des Recruiters wirkt negativ auf die

Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 1.6: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den negativen

Effekt subjektiver Entscheidungsregeln auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses positiv.

Hypothese 2.5

Tabelle 24: Hypothese 2.5

Skala Rech Hypothese 2.5: Rech-Sche-Ana

β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt

Mediation:

keine

Sche -.333 .004

Ana .672 .002 .010 .758 .682 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 2.5 lässt sich keine Mediation des positiven Zusammenhangs zwischen

Rechenschaftsverpflichtung und Analytik durch die Variable Schemata bestätigen.

Allerdings zeigt sich mit β=-.333, p=.004 ein bedeutsamer negativer direkter Effekt zwischen

der unabhängigen und mediierenden Variable. Dieser Effekt ist hypothesenkonform.

123 β =.063, p=.308 für b42 siehe Tabelle 18 124 siehe externer Anhang, vorher β =-.015, p=.807 für b43 siehe Tabelle 18

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

123

Ebenfalls fallen die direkten Wirkungsbeziehungen zwischen Rechenschaftsverpflichtung und

Analytik mit p<.005 und substantiellen Regressionsgewichten von β =.672/.682 signifikant

aus (Hypothese 2.1).

Allerdings zeigt sich mit p=.758 kein signifikanter indirekter Effekt, weshalb die

Mediationshypothese abgelehnt werden muss. Rechenschaftsverpflichtung hat somit auch

unabhängig von intervenierenden Variablen einen substantiellen Effekt auf Analytik.

Die Ergebnisse zeigen trotzdem, dass durch die organisationale Rahmenbedingung der

Rechenschaftsverpflichtung auch schematisch-heuristischen Entscheidungsmustern von

Recruitern entgegengewirkt werden kann. Dadurch, dass der Recruiter seine

eignungsdiagnostische Entscheidung vor Kollegen, Vorgesetzten oder Auftraggebern im

Nachhinein begründen und rechtfertigen muss, werden seine schematisch-heuristischen

Informationsverarbeitungsprozesse kontrolliert und statt dessen ein analytischer

Verarbeitungsmodus aktiviert.

Dieser Zusammenhang entspricht dem postulierten positiven Effekt von

Rechenschaftsverpflichtung auf einen analytischen Urteils- und Entscheidungsprozess des

Recruiters (siehe Kapitel 2.3.3).

Fazit

Hypothese 2.1 kann mit substantiellen Regressionsgewichten überzeugend belegt werden

(vgl. auch Ergebnisse im Gesamtmodell):

- Hypothese 2.1: Die Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters wirkt positiv auf die

Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

Hypothese 2.5 muss jedoch aufgrund des nicht-signifikanten indirekten Effektes abgelehnt

werden. Es liegt kein Mediator-Effekt vor:

- Hypothese 2.5: Die Anwendung von Schemata mediiert den positiven Effekt der

Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses NICHT.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

124

Hypothese 2.6

Tabelle 25: Hypothese 2.6

Skala StrI Hypothese 2.6: StrI-Sche-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

partiell

Sche -.125 .045

Ana .403 .002 .025 .040 .428 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 2.6 lässt sich eine negative partielle Mediation des positiven

Zusammenhangs zwischen der Strukturiertheit des Interviews und der Analytik des Urteils-

und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die Variable

Schemata bestätigen.

Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.

Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf

Analytik durch den Mediator Schemata in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz (β=.403,

p=.002 im Vergleich zu β=.428, p=.002) abgeschwächt.

Dies bedeutet, dass der Einsatz strukturierter Interviews die Anwendung von subjektiven

Schemata in eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen tatsächlich

effektiv vermindern kann. Der substantielle direkte positive Effekt der Strukturiertheit auf die

Analytik (Hypothese 2.3, vgl. auch mit Ergebnissen im Gesamtmodell) bestätigt ebenfalls den

bedeutsamen Kontrollmechanismus, welcher durch die Strukturierung des Interviews auf die

Informationsverarbeitung des Recruiters ausgeübt wird (siehe Kapitel 2.3.1). Die kleine

kontrollierende Maßnahme der Strukturierung zeigt sich – wie schon mehrfach empirisch

belegt – auch in der vorliegenden Arbeit somit als sehr effektiv.

Fazit

Die Hypothesen 2.3 sowie 2.6 können bestätigt werden:

- Hypothese 2.3: Die Strukturiertheit des Interviews wirkt positiv auf die Analytik des

Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters.

- Hypothese 2.6: Die Anwendung von Schemata des Recruiters mediiert den positiven

Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses negativ.

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125

Hypothese 2.7

Tabelle 26: Hypothese 2.7

Skala StrI Hypothese 2.7: StrI-KoA-Ana

β v. p β i.v. p β r. p knapp bestätigt

Mediation:

partiell

KoA .222 .003

Ana .404 .002 .024 .109 .428 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 2.7 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven

Zusammenhangs zwischen der Strukturiertheit des Interviews und der Analytik des Urteils-

und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die Variable

Konkretheit des Anforderungsprofils knapp bestätigen.

Die direkten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant, der indirekte Effekt ist mit

p=.109 nur knapp signifikant. Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der

Strukturiertheit des Interviews auf Analytik durch den Mediator Konkretheit des

Anforderungsprofils in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz (β =.404, p=.002 im Vergleich zu

β =.428, p=.002) abgeschwächt.

Der Effekt der Interviewstrukturierung auf Analytik wird also durch das jeweils im Interview

verankerte Anforderungsprofil vermittelt.

Dies bedeutet, dass die Effektivität strukturierter Interviews sich vor allem dadurch begründen

lässt, dass diese zumeist konkrete Anforderungen beinhalten und damit auch

Entscheidungsregeln vorgeben, an denen sich der Recruiter bei seiner Beurteilung und

Entscheidung orientieren muss. Die Qualität des Anforderungsprofils ist damit wesentliche

Voraussetzung für die Effektivität strukturierter Interviews sowie analytisch geprägter

eignungsdiagnostischer Entscheidungen.

Fazit

Hypothese 2.7 kann bestätigt werden:

- Hypothese 2.7: Die Konkretheit des Anforderungsprofils mediiert den positiven Effekt

der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik des Urteils- und

Entscheidungsprozesses des Recruiters positiv.

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126

Hypothese 3.3

Tabelle 27: Hypothese 3.3

Skala Exp Hypothese 3.3: Exp-Ver-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

total

Ver .377 .002

Ana .066 .412 .178 .001 .242 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Bei Prüfung der Hypothese 3.3 zeigt sich ein besonders interessanter Effekt: eine totale

Mediation. Der positive direkte Effekt von Expertise auf Analytik wird vollständig durch den

Mediator Verantwortlichkeitsgefühl mediiert.

Die Signifikanz des direkten Effektes im reduzierten Modell (β=.242, p=.002) verschwindet

bei Integration des Mediators vollständig (β=.066, p=.412) und wird durch den

hochsignifikanten indirekten Wirkungseffekt vermittelt (β=.178, p=.001). Deshalb zeigt sich

auch im Gesamtmodell der direkte Effekt von Expertise auf Analytik als nicht-signifikant. Der

Effekt von Expertise auf Analytik wird also vollständig durch das individuelle

Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters vermittelt.

Dies bedeutet, dass Expertise besonders das Verantwortlichkeitsgefühl eines Recruiters

erhöht (β=.377, p=.002, Hypothese 3.1), was dann wiederum, konform zu der Theorie des

persönlichen Involvements (siehe Kapitel 5.1), zu einem analytischen Entscheidungsmodus

führt. Die Tatsache, dass sich ein Recruiter als „Experte“ beschreibt, führt hier also nicht

dazu, dass er, sich selbst überschätzend, seine eignungsdiagnostischen Entscheidungen

weniger systematisch und gewissenhaft trifft (siehe Kapitel 4.3). Im Gegenteil wird sogar

deutlich, dass sein (subjektiver) Expertenstatus sein persönliches Verantwortlichkeitsgefühl

substantiell steigert.

Deshalb kann mit diesem Ergebnis das persönliche Involvement als entscheidende

mediierende Variable für den Entscheidungsmodus im Kontext von Einstellungsinterviews

bestätigt werden. Dieser Zusammenhang sollte somit auch in künftigen Forschungsarbeiten

berücksichtigt werden.

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127

Fazit

Die Hypothesen 3.1 und 3.3 können somit bestätigt werden:

- Hypothese 3.1: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters wirkt positiv auf die

Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 3.3: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven

Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses positiv.

Hypothese 3.4

Tabelle 28: Hypothese 3.4

Skala Rech Hypothese 3.4: Rech-Ver-Ana

β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt

Mediation:

keine

Ver .590 .002

Ana .602 .001 .084 .178 .682 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 3.4 lässt sich keine Mediation des positiven Zusammenhangs zwischen

Rechenschaftsverpflichtung und Analytik durch die Variable Verantwortlichkeitsgefühl

bestätigen. Allerdings zeigt sich mit β =.590, p=.002 ein substantieller positiver direkter Effekt

zwischen der unabhängigen und mediierenden Variable. Dieser Effekt ist hypothesen-

konform.

Ebenfalls fallen die direkten Wirkungsbeziehungen zwischen Rechenschaftsverpflichtung und

Analytik mit p<.005 und substantiellen Regressionsgewichten von β =.602/.682 erneut hoch-

signifikant aus. Es zeigt sich mit p=.178 allerdings kein ausreichend signifikanter indirekter

Effekt, obwohl β=.084 dies indiziert. Deshalb muss die Mediationshypothese in dieser

Untersuchung letztlich abgelehnt werden. Rechenschaftsverpflichtung zeigt somit auch hier

unabhängig von intervenierenden Variablen einen substantiellen Effekt auf Analytik.

Es bleibt aber festzuhalten, dass die organisationale Rahmenbedingung Rechenschafts-

verpflichtung einen substantiellen Effekt auf das persönliche Involvement des Recruiters in

eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen ausübt und das

Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters sowie seine Selbstaufmerksamkeit auf eignungs-

diagnostisch relevante Kriterien maßgeblich erhöht (siehe Kapitel 5).

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

128

Auch hier zeigt die kontextuelle Rahmenbedingung der Rechenschaftsverpflichtung eine

große Wirkung, sowohl auf die motivationalen Faktoren des Recruiters, als auch auf seine

Informationsverarbeitung.

Fazit

Hypothese 3.4 muss letztlich aufgrund des nicht ausreichend signifikanten indirekten Effektes

abgelehnt werden. Es liegt kein Mediator-Effekt vor:

- Hypothese 3.4: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven

Effekt der Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters auf die Analytik seines Urteils-

und Entscheidungsprozesses NICHT.

Hypothese 3.5

Tabelle 29: Hypothese 3.5

Skala SysF Hypothese 3.5: SysF-Ver-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

indirekter Effekt

Ver .246 .017

Ana -.103 .239 .127 .011 .023 .889

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 3.5 zeigt sich ein signifikanter positiver indirekter Effekt von Systematik

des Feedbacks auf Analytik (β =.127, p=.011). Positiv vermittelt wird der indirekte Effekt

durch die Variable Verantwortlichkeitsgefühl (β =.246, p=.017).

Dies bedeutet, dass die Evaluation des eignungsdiagnostischen Urteils- und

Entscheidungsprozesses nur dann einen Effekt auf einen analytischen Entscheidungsmodus

des Recruiters zeigt, wenn das Feedback auch einen Effekt auf das Verantwortlichkeitsgefühl

des Recruiters ausübt, der Recruiter sich also persönlich involviert fühlt. Systematisches

Feedback wirkt also nur indirekt auf Analytik ein, und zwar vermittelt durch die

intervenierende motivationale Variable Verantwortlichkeitsgefühl.

Hier ist deshalb vor allem die durch den Recruiter wahrgenommene Relevanz und

Sinnhaftigkeit der evaluativen Maßnahmen entscheidend, damit das Feedback zu einer

Erhöhung des persönlichen Involvements führen kann. Ebenfalls kommt der Ausgestaltung

des Feedbacks eine besondere Relevanz zu, die in Kapitel 7 noch genauer ausgeführt wird.

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129

Der direkte Effekt der Systematik des Feedbacks auf das Verantwortlichkeitsgefühl ist

ebenfalls hypothesenkonform.

Evaluative Maßnahmen erhöhen dabei das persönliche Involvement sowie die

Selbstaufmerksamkeit des Recruiters und aktivieren damit einen analytischen

Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsmodus.

Dies ist konform zu den Studien Chaiken`s et al. (1980/1989/1996), die das persönliche

Involvement als entscheidende Determinante für einen systematischen

Informationsverarbeitungsmodus identifizieren konnten (siehe Kapitel 5.1). Dieser

Zusammenhang besteht auch in der vorliegenden Arbeit.

Fazit

Für Hypothese 3.5 kann somit ein indirekter Effekt bestätigt werden:

- Hypothese 3.5: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven

Effekt des systematischen Feedbacks über die Qualität der Einstellungsentscheidung

auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses INDIREKT.

Hypothese 3.6

Tabelle 30: Hypothese 3.6

Skala StrI Hypothese 3.6: StrI-Ver-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

partiell

Ver .216 .004

Ana .336 .002 .092 .002 .428 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 3.6 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven

Zusammenhangs zwischen der Strukturiertheit des Interviews und der Analytik des Urteils-

und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die Variable

Verantwortlichkeitsgefühl bestätigen.

Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.

Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf

Analytik durch den Mediator Verantwortlichkeitsgefühl in seiner Bedeutsamkeit und

Signifikanz (β=.336, p=.002 im Vergleich zu β =.428, p=.002) abgeschwächt. Der Effekt der

Strukturiertheit des Interviews auf Analytik wird also durch das individuelle

Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters vermittelt.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

130

Dies bedeutet, dass die Strukturierung des Interviews das persönliche Involvement des

Recruiters hinsichtlich der wahrgenommen Bedeutsamkeit der Entscheidungssituation

erhöht. Durch ein strukturiertes Interview wird dem Recruiter also die Wichtigkeit der

Einstellungsentscheidung verstärkt bewusst, was sich dann in einem erhöhten

Verantwortlichkeitsgefühl manifestiert (vgl. auch Chen et al., 2008).

Das Ergebnis bedeutet aber auch, dass die Strukturierung des Interviews besonders für hoch

involvierte Recruiter positive Konsequenzen auf die Analytik ihres Urteils- und

Entscheidungsprozesses hat.

So könnte es zum Beispiel auch noch andere motivationale oder persönliche Variablen

geben, die das generelle persönliche Involvement bzw. das persönliche

Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters positiv oder negativ und somit auch den Mediations-

Effekt beeinflussen. Dies sollte in weiteren Forschungsarbeiten genauer untersucht werden.

Das Ergebnis zeigt weiterhin, dass sich die befragten Recruiter durch ein strukturiertes

Einstellungsinterview nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit und eignungsdiagnostischen

Entscheidungsfindung eingeschränkt und weniger verantwortlich für diese fühlen.

Das Ergebnis zeigt im Gegenteil, dass sich die Recruiter der weit reichenden Konsequenzen

ihrer eignungsdiagnostischen Entscheidungen noch stärker bewusst werden. Ein negativer

Effekt der Strukturierung (vgl. Kapitel 2.3.1) kann somit in dieser Untersuchung nicht

gefunden werden.

Fazit

Hypothese 3.6 kann bestätigt werden:

- Hypothese 3.6: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters mediiert den positiven

Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines Urteils- und

Entscheidungsprozesses positiv.

Hypothese 3.7

Tabelle 31: Hypothese 3.7

Skala Exp Hypothese 3.7: Exp-KeA-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

partiell

KeA .264 .003

Ana .108 .032 .063 .010 .242 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

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Für die Hypothese 3.7 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven

Zusammenhangs zwischen Expertise und Analytik durch die Variable Kenntnis des

Anforderungsprofils bestätigen.

Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.

Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt von Expertise auf Analytik durch den

positiven Mediator Kenntnis des Anforderungsprofils in seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz

(β =.108, p=.002 im Vergleich zu β =.242, p=.032) abgeschwächt.

Dies bedeutet, dass sich der positive Effekt von Expertise auf Analytik vor allem dadurch

begründen lässt, dass Expertise sich in einer besseren Kenntnis des Anforderungsprofils

niederschlägt, welches im Entscheidungsprozess als wichtiger Beurteilungsmaßstab fungiert

(vgl. Kapitel 2.3.2). Der Effekt von Expertise auf Analytik wird also durch die individuelle

Kenntnis des Anforderungsprofils vermittelt. Der Faktor konkrete Kenntnis des

Anforderungsprofils ist somit auch relevant, wenn es um die Differenzierung zwischen

Routine- und Expertenwissen geht.

Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle auch nochmals der vom Gesamtmodell

isolierte direkte Effekt von Kenntnis des Anforderungsprofils auf Analytik berechnet. Dieser

fällt mit β =.280, p=.007 allerdings nur unwesentlich höher aus als im Gesamtmodell (vgl.

Tabelle 18).

Fazit

Hypothesen 3.2 und 3.7 können bestätigt werden:

- Hypothese 3.2: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters wirkt

positiv auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungsprozesses.

- Hypothese 3.7: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf die Analytik

seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.

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132

Hypothese 3.8

Tabelle 32: Hypothese 3.8

Skala SysF Hypothese 3.8: SysF-KeA-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

indirekter Effekt

KeA .580 .002

Ana -.224 .057 .240 .001 .023 .889

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 3.8 zeigt sich im vollständigen Modell ein bedeutsamer positiver indirekter

Effekt von Systematik des Feedbacks auf Analytik (β=.240, p=.001). Positiv und substantiell

vermittelt wird der indirekte Effekt durch die Variable Kenntnis des Anforderungsprofils

(β=.580, p=.002). Es zeigt sich also zunächst ein substantieller direkter positiver Effekt

zwischen unabhängiger und intervenierender Variable.

Dies bedeutet, dass systematisches Feedback über die Qualität der eignungsdiagnostischen

Entscheidung in erster Linie einen starken Effekt auf die konkrete Kenntnis der jeweiligen

Anforderungen ausübt. Dieser Effekt wird dann weiter auf den Entscheidungsmodus des

Recruiters transportiert, da das jeweils individuell kognitiv verfügbare Anforderungsprofil als

Beurteilungsmaßstab dient. So führen evaluative Maßnahmen erwartungsgemäß zu einer

verstärkten Auseinandersetzung mit den konkreten Anforderungen der Stelle.

Weiterhin zeigt das Ergebnis ein Vorzeichenwechsel im Vergleich des vollständigen und

reduzierten Modells, der durch den substantiellen Zusammenhang zwischen unabhängiger

und mediierender Variable zu erklären ist. Somit zeigt das Ergebnis des reduzierten Modells

auch, dass sich ohne die intervenierende Variable Kenntnis des Anforderungsprofils, kein

direkter positiver Effekt von Systematik des Feedbacks auf Analytik nachweisen lässt, wie in

Hypothese 2.2 postuliert wurde125. Dies wurde auch schon bei Prüfung der Hypothese 3.5

festgestellt.

Die Evaluation des eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozesses hat also

nur dann einen positiven, nämlich indirekten Effekt auf einen analytischen

Entscheidungsmodus des Recruiters, wenn das Feedback auch zu einer Modifikation des

125 Im Gesamtmodell zeigte sich dieser mit β =-.169, p=.107 für b69 noch knapp signifikant (siehe Tabelle 18).

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133

individuell kognitiv verankerten Anforderungsprofils führt, der Recruiter also Anstrengungen

unternimmt, sich mit den konkreten Anforderungen der Tätigkeit auseinanderzusetzen.

Auch hier könnte die Berücksichtigung weiterer motivationaler oder persönlicher Faktoren

interessant für die zukünftige Forschung sein. Ebenfalls sollten diejenigen Bedingungen

identifiziert werden, unter denen Feedback einen positiven direkten, einen indirekten oder

sogar negativen Effekt auf den Informationsverarbeitungsprozess eines Recruiters ausübt.

Dieser Aspekt wird auch in Kapitel 7 nochmals aufgegriffen.

Fazit

Die in Hypothese 2.2 formulierte Annahme eines direkten Effektes kann abgelehnt werden:

- Hypothese 2.2: Systematisches Feedback über die Qualität der Einstellungs-

entscheidung wirkt NICHT auf die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses

des Recruiters.

Für Hypothese 3.8 kann allerdings ein indirekter Effekt bestätigt werden:

- Hypothese 3.8: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt des systematischen Feedbacks über die Qualität der

Einstellungsentscheidung auf die Analytik seines Urteils- und Entscheidungs-

prozesses INDIREKT.

Hypothese 3.9

Tabelle 33: Hypothese 3.9

Skala StrI Hypothese 3.9: StrI-KeA-Ana

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

partiell

KeA .276 .003

Ana .383 .002 .048 .038 .428 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 3.9 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven

Zusammenhangs zwischen der Strukturiertheit des Interviews und der Analytik des Urteils-

und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die Variable

Kenntnis des Anforderungsprofils bestätigen.

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Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.05 signifikant.

Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf

Analytik durch den Mediator Kenntnis des Anforderungsprofils in seiner Bedeutsamkeit und

Signifikanz (β=.383, p=.002 im Vergleich zu β =.428, p=.002) abgeschwächt.

Der Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf Analytik wird also auch durch die individuelle

Kenntnis des Anforderungsprofils eines Recruiters vermittelt.

Dies bedeutet, dass die in einem strukturierten Interview formulierten Tätigkeits-

anforderungen sich auch in den kognitiven Strukturen des Recruiters verankern, was im

idealen Fall dann zu einer besseren Kenntnis der Anforderungen und somit valideren

Entscheidungsgrundlage führt.

Auch hier ist deshalb wieder die Fundierung des Anforderungsprofils ein entscheidender

Faktor für die Qualität der eignungsdiagnostischen Entscheidung.

Fazit

Die Hypothese 3.9 kann bestätigt werden:

- Hypothese 3.9: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt der Strukturiertheit des Interviews auf die Analytik seines

Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.

Hypothese 3.10

Tabelle 34: Hypothese 3.10

Skala KoA Hypothese 3.10: KoA-KeA-Ana

β v. p β i.v. p β r. p knapp bestätigt

Mediation:

partiell

KeA .245 .003

Ana .133 .112 .059 .007 .193 .031

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 3.10 lässt sich eine positive partielle Mediation des positiven

Zusammenhangs zwischen der Konkretheit des Anforderungsprofils und der Analytik des

Urteils- und Entscheidungsprozesses von Recruitern in Einstellungsinterviews durch die

Variable Kenntnis des Anforderungsprofils knapp bestätigen.

Die direkte Wirkungsbeziehung ist im vollständigen Modell mit p=.112 nur knapp signifikant.

Im vollständigen Modell wird der direkte positive Effekt der Konkretheit des

Anforderungsprofils auf Analytik durch den Mediator Kenntnis des Anforderungsprofils in

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

135

seiner Bedeutsamkeit und Signifikanz (β =.133, p=.112 im Vergleich zu β =.193, p=.031)

abgeschwächt.

Ein konkretes Anforderungsprofil führt also auch erwartungsgemäß zu einer besseren

Kenntnis des Anforderungsprofils, der Wirkungseffekt auf den eignungsdiagnostischen

Urteils- und Entscheidungsprozess wird hier vermittelt.

Ebenfalls zeigt sich mit β =.193, p=.031 im Ergebnis eine signifikante direkte positive

Wirkungsbeziehung zwischen Konkretheit des Anforderungsprofils und Analytik (Hypothese

2.4), die im Gesamtmodell nicht zu erkennen ist126. Die Relevanz eines konkreten

Anforderungsprofils für analytische Urteils- und Entscheidungsprozesse wird somit erneut

untermauert.

Fazit

Hypothese 2.4 sowie 3.10 können bestätigt werden:

- Hypothese 2.4: Die Konkretheit des Anforderungsprofils wirkt positiv auf die Analytik

des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters.

- Hypothese 3.10: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt der Konkretheit des Anforderungsprofils auf die Analytik

seines Urteils- und Entscheidungsprozesses positiv.

Hypothese 3.11

Tabelle 35: Hypothese 3.11

Skala Rech Hypothese 3.11: Rech-KeA-Ana

β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt

Mediation:

keine

KeA .053 .510

Ana .667 .002 .013 .501 .682 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 3.11 lässt sich keine positive Mediation des positiven Zusammenhangs

zwischen Rechenschaftsverpflichtung und Analytik durch die Variable Kenntnis des

Anforderungsprofils bestätigen. Dies haben auch die Ergebnisse im Gesamtmodell (Tabelle

18) indiziert, da auch schon dort der erwartete signifikante Effekt zwischen unabhängiger und

126 β =.022, p=.702 für b53 (siehe Tabelle 18)

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

136

mediierender Variable ausgeblieben ist. Der Vollständigkeit halber wurde die Hypothese aber

trotzdem isoliert vom Gesamtmodell überprüft.

Der Mediations-Effekt kann nicht bestätigt werden.

Fazit

Hypothese 3.11 kann nicht bestätigt werden:

- Hypothese 3.11: Die Kenntnis des konkreten Anforderungsprofils des Recruiters

mediiert den positiven Effekt der Rechenschaftsverpflichtung auf die Analytik seines

Urteils- und Entscheidungsprozesses NICHT.

Hypothese 4.4

Tabelle 36: Hypothese 4.4

Skala Exp Hypothese 4.4: Exp-Ana-Diss

β v. p β i.v. p β r. p bestätigt

Mediation:

partiell

Ana .242 .002

Diss -.281 .002 -.059 .001 -.316 .006

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Für die Hypothese 4.4 lässt sich eine positive partielle Mediation des negativen

Zusammenhangs zwischen der Expertise und Entscheidungsdissonanz von Recruitern in

Einstellungsinterviews durch die Variable Analytik im Urteils- und Entscheidungsprozess

bestätigen.

Sowohl die direkten als auch die indirekten Wirkungsbeziehungen sind mit p<.01 signifikant.

Im vollständigen Modell wird der direkte negative Effekt der Expertise auf

Entscheidungsdissonanz durch den Mediator Analytik in seiner Bedeutsamkeit und

Signifikanz (β =-.281, p=.002 im Vergleich zu β =-.316, p=.006) abgeschwächt.

Der Effekt der Expertise auf die Entscheidungsdissonanz des Recruiters wird also durch den

individuellen Entscheidungsmodus vermittelt. Dies bedeutet, dass Expertise zu einem

analytisch geprägten Entscheidungsmodus und dieser wiederum zu geringerer

Entscheidungsdissonanz führt.

Zum einen hat also Expertise einen positiven Effekt auf Analytik (siehe Hypothese 1.1), zum

anderen aber auch mit β=-.316, p=.006 einen bedeutsamen negativen Effekt auf

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

137

Entscheidungsdissonanz (Hypothese 4.2, vgl. auch Gesamtmodell), weshalb auch der

indirekte Effekt negativ ausfällt (β =-.059, p=.001).

Hier zeigt sich, dass Recruiter, die sich als Experten beschreiben, sich auch ihren

eignungsdiagnostischen Entscheidungen im Nachhinein sicher sind. Dieser Zusammenhang

wird entscheidend durch den analytischen Entscheidungsmodus vermittelt.

Deshalb wird an dieser Stelle zusätzlich auch der direkte Effekt von Analytik auf

Entscheidungsdissonanz (Hypothese 4.1) isoliert vom Gesamtmodell überprüft. Dieser fällt

hier mit β=-.275, p=.025 bedeutsam signifikant aus127. Somit kann auch Hypothese 4.1

bestätigt werden.

Ein analytischer Entscheidungsmodus führt im Rahmen eignungsdiagnostischer

Entscheidungen zu verringerter Entscheidungsdissonanz. Bewusstes und rationales

Abwägen gibt dabei dem Recruiter die subjektive Sicherheit, objektiv richtig entschieden zu

haben.

Fazit

Hypothesen 4.1, 4.2 und 4.4 können bestätigt werden:

- Hypothese 4.1: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters

wirkt negativ auf seine wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.

- Hypothese 4.2: Die eignungsdiagnostische Expertise des Recruiters wirkt negativ auf

seine wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.

- Hypothese 4.4: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters

mediiert den negativen Effekt seiner eignungsdiagnostischen Expertise auf seine

wahrgenommene Entscheidungsdissonanz positiv.

127 im Vergleich zum Gesamtmodell: β =-.139, p=.108 für b46 (siehe Tabelle 18)

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138

Hypothese 4.5

Tabelle 37: Hypothese 4.5

Skala Ver Hypothese 4.5: Ver-Ana-Diss

β v. p β i.v. p β r. p abgelehnt

Mediation:

keine

Ana .496 .002

Diss -.276 .010 -.079 .142 -.341 .002

Anm.: Darstellung der standardisierten direkten Effekte im vollständigen Modell (β v.), der standardisierten indirekten Effekte im vollständigen Modell (β i.v.) und der standardisierten direkten Effekte im reduzierten Modell (β r.) sowie jeweils des Signifikanzniveaus p; die signifikanten Effekte sind jeweils markiert;

Im Rahmen der Hypothesenprüfung 4.5 lässt sich keine Mediation des negativen

Zusammenhangs zwischen Verantwortlichkeitsgefühl und Entscheidungsdissonanz durch die

Variable Analytik bestätigen.

Allerdings zeigt sich mit β=.496, p=.002 erneut ein substantieller positiver direkter Effekt

zwischen der unabhängigen und mediierenden Variable, wie in Hypothese 3.1 formuliert.

Ebenfalls fallen die direkten Wirkungsbeziehungen zwischen Verantwortlichkeitsgefühl und

Entscheidungsdissonanz mit p<.010 und bedeutsamen Regressionsgewichten von β =-.341/.-

276 signifikant aus (Hypothese 4.3, vgl. auch Ergebnisse im Gesamtmodell). Es zeigt sich mit

p=.142 nur kein ausreichend signifikanter indirekter Effekt, obwohl β=-.079 dies indiziert.

Deshalb muss die Mediationshypothese in dieser Untersuchung letztlich abgelehnt werden.

Verantwortlichkeitsgefühl zeigt somit auch unabhängig von intervenierenden Variablen einen

bedeutsamen Effekt auf Entscheidungsdissonanz.

Dies bedeutet, dass wenn sich der Recruiter stark involviert bzw. verantwortlich für seine

eignungsdiagnostischen Entscheidungen fühlt, er seine Entscheidungen im Nachhinein auch

weniger anzweifelt, da er sich sicher sein kann, nach bestem Wissen und Gewissen

entschieden zu haben.

Fazit

Hypothese 4.3 kann bestätigt werden:

- Hypothese 4.3: Das Verantwortlichkeitsgefühl des Recruiters wirkt negativ auf seine

wahrgenommene Entscheidungsdissonanz.

Hypothese 4.5 muss letztlich aufgrund des nicht ausreichend signifikanten indirekten Effektes

abgelehnt werden. Es liegt kein Mediator-Effekt vor:

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139

- Hypothese 4.5: Die Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses des Recruiters

mediiert den negativen Effekt seines Verantwortlichkeitsgefühls auf seine

wahrgenommene Entscheidungsdissonanz NICHT.

Gesamtfazit der Hypothesenprüfung

Die Ergebnisse bestätigen den Großteil der postulierten Hypothesen.

Alle getesteten Mediationshypothesen außer 1.5 und 3.11 (wie auch schon im Gesamtmodell

ersichtlich) zeigen signifikante direkte Zusammenhänge zwischen der jeweils unabhängigen

und mediierenden Variable. Allerdings können für die Hypothesen 2.5, 3.4 und 4.5 keine

signifikanten indirekten Effekte gefunden werden. Somit müssen diese Mediationshypothesen

in der vorliegenden Untersuchung abgelehnt werden.

Für die Variable Systematik des Feedbacks (Hypothesen 3.5 und 3.8) wurden ausschließlich

indirekte Effekte gefunden, diese Besonderheit wird in Kapitel 7 als Anregung für zukünftige

Forschungsarbeiten noch genauer diskutiert.

Für die Hypothese 3.3 wurde sogar eine totale Mediation gefunden, auch dieser

Zusammenhang wird in Kapitel 7 nochmals aufgegriffen.

Alle anderen Mediations-Hypothesen können mit partieller Mediation bestätigt werden.

Weiterhin zeigen sich bis auf Hypothese 2.2 alle postulierten direkten Effekte isoliert vom

Gesamtmodell signifikant.

Dies ist durch das komplexe Wirkungsgefüge des Strukturgleichungsmodells zu erklären.

Dadurch werden einige Wirkungseffekte unterdrückt und im Gesamtmodell als nicht-

signifikant angezeigt, obwohl sie tatsächlich signifikant sind.

Tabelle 38 zeigt nun die Ergebnisse der Hypothesenprüfung übersichtlich zusammengefasst.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

140

Tabelle 38: Zusammenfassung der Hypothesenprüfung

AV/IV UV Richtung Hypothese Direkter Effekt? Mediator? Bestätigt?

Ana <--- Exp Pos. 1.1 Ja, nur isoliert . Ja

Ana <--- subjE Neg. 1.2 Ja, nur isoliert . Ja

Ana <--- Sche Neg. 1.3 Ja, nur isoliert . Ja

subjE <--- Exp Neg. 1.4 . Partiell Ja

Sche <--- Exp Neg. 1.5 . Nein Nein

Sche <--- subjE Pos. 1.6 . Partiell Ja

Ana <--- Rech Pos. 2.1 Ja . Ja

Ana <--- SysF Pos. 2.2 Nein . Nein

Ana <--- StrI Pos. 2.3 Ja . Ja

Ana <--- KoA Pos. 2.4 Ja, nur isoliert . Ja

Sche <--- Rech Neg. 2.5 . Nein Nein

Sche <--- StrI Neg. 2.6 . Partiell Ja

KoA <--- StrI Pos. 2.7 . Partiell Ja

Ana <--- Ver Pos. 3.1 Ja . Ja

Ana <--- KeA Pos. 3.2 Ja . Ja

Ver <--- Exp Pos. 3.3 . Total Ja

Ver <--- Rech Pos. 3.4 . Nein Nein

Ver <--- SysF Pos. 3.5 . Indirekt Ja

Ver <--- StrI Pos. 3.6 . Partiell Ja

KeA <--- Exp Pos. 3.7 . Partiell Ja

KeA <--- SysF Pos. 3.8 . Indirekt Ja

KeA <--- StrI Pos. 3.9 . Partiell Ja

KeA <--- KoA Pos. 3.10 . Partiell Ja

KeA <--- Rech Pos. 3.11 . Nein Nein

Diss <--- Ana Neg. 4.1 Ja, nur isoliert . Ja

Diss <--- Exp Neg. 4.2 Ja . Ja

Diss <--- Ver Neg. 4.3 Ja . Ja

Ana <--- Exp Pos. 4.4 . Partiell Ja

Ana <--- Ver Pos. 4.5 . Nein Nein

Anm.: Darstellung der Wirkungsbeziehung, der Wirkungsrichtung, der direkten und mediierenden Effekte sowie der Ergebnisse der Hypothesenprüfung; die nicht-bestätigten Wirkungszusammenhänge sind jeweils markiert;

6.2.8.2 Modellmodifikation

Auf Basis dieser Ergebnisse soll nun das Strukturgleichungsmodell fertig gestellt werden,

indem nicht-signifikante Pfade ausgeschlossen werden.

Dies trifft ausschließlich auf die Pfade b41 (Hypothese 1.5) sowie b60 (Hypothese 3.11) zu,

da auch die abgelehnten Mediationshypothesen 2.5, 3.4 und 4.5 bei ihrer Prüfung signifikante

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

141

direkte Effekte zwischen unabhängiger und mediierender Variable gezeigt haben und

deshalb einen Erklärungsbeitrag im Modell liefern. Auch wird b69 (Hypothese 2.2) im Modell

belassen, da signifikante indirekte Effekte für die Variable Systematik des Feedbacks

nachgewiesen werden konnten.

Abbildung 11 stellt nun die grafische Abbildung des Endmodells dar.

Abbildung 11: Grafisches Strukturgleichungsmodell – Endmodell

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

142

Ebenfalls werden die Wirkungszusammenhänge des Gesamtmodells abschließend

dargestellt.

Tabelle 39: Pfadkoeffizienten im SGM-Endmodell

Wirkungs-zusammenhang

Pfad S.E C.R. b β p Hypothese

subjE <--- Exp b39 .06 -4.93 -.28 -.35 *** 1.4

KoA <--- StrI b66 .06 3.43 .21 .22 *** 2.7

KeA <--- Exp b45 .05 2.99 .15 .20 ** 3.7

KeA <--- KoA b47 .05 2.14 .10 .14 * 3.10

KeA <--- StrI b48 .05 3.12 .15 .21 ** 3.9

Ver <--- Rech b52 .07 6.21 .44 .49 *** 3.4

KeA <--- SysF b57 .11 4.17 .46 .50 *** 3.8

Sche <--- Rech b67 .05 -4.10 -.21 -.32 *** 2.5

Ver <--- SysF b70 .07 2.27 .17 .18 * 3.5

Ver <--- StrI b40 .04 2.60 .11 .16 *** 3.6

Ver <--- Exp b44 .05 4.14 .20 .27 *** 3.3

Sche <--- subjE b62 .05 0.05 .00 .00 .96 1.6

Sche <--- StrI b56 .03 -1.46 -.05 -.09 .15 2.6

Ana <--- subjE b42 .05 1.01 .05 .06 .31 1.2

Ana <--- StrI b49 .04 4.37 .17 .29 *** 2.3

Ana <--- Ver b50 .07 1.53 .11 .13 .13 3.1

Ana <--- KoA b53 .03 0.43 .01 .02 .67 2.4

Ana <--- KeA b54 .08 2.72 .21 .25 ** 3.2

Ana <--- Rech b55 .07 5.66 .42 .58 *** 2.1

Ana <--- Exp b68 .04 0.11 .01 .01 .91 1.1

Ana <--- SysF b69 .08 -1.56 -.12 -.16 .12 2.2

Ana <--- Sche b43 .07 -0.28 -.02 -.02 .78 1.3

Diss <--- Ana b46 .08 -1.62 -.12 -.14 .11 4.1

Diss <--- Exp b71 .04 -3.14 -.13 -.23 ** 4.2

Diss <--- Ver b51 .07 -2.34 -.16 -.22 * 4.3

Anm.: Darstellung der Wirkungszusammenhänge zwischen den latenten Variablen, der Pfadlabel, der Standardfehler der Parameterschätzung (S.E.), der Critical-Ratio-Werte (C.R.), der nicht-standardisierten Pfadkoeffizienten (b), der standardisierten Regressionsgewichte (β), dem Signifikanzniveau (p) und der jeweils zugehörigen Hypothese; für p gilt: **=p<.010, *=p<.050;

Tabelle 40 zeigt abschließend die Anpassungsgüte des modifizierten Strukturgleichungs-

modells an die empirischen Daten.

Diese ist fast identisch zum Ausgangsmodell. Die inferenzstatistischen Gütemaße indizieren

eine sehr gute Modellanpassung, wohingegen die deskriptiven Gütemaße auf eine noch nicht

vollständige Varianzaufklärung des Modells hinweisen.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

143

Schließlich handelt es sich bei dem vorgeschlagenen Rahmenmodell um ein sehr komplexes

theoretisches Modell. Es bildet die Realität der empirischen Daten dieser Untersuchung zwar

nicht perfekt, aber in einem hohen Maße ab und kann deshalb als empirische Basis für

praktisch relevante Ableitungen sowie Anregung für weitere empirische Studien genutzt

werden.

Deshalb kann die Anpassungsgüte insgesamt als sehr gut bis gut beurteilt und das

vorgeschlagene theoretische Modell im Kontext der vorliegenden Untersuchung bestätigt

werden.

Tabelle 40: Anpassungsgüte des SGM-Endmodells

Anpassungsgüte des Endmodells RMSEA PCLOSE CMIN/DF RMR GFI AGFI

.05 .67 1.65 .18 .80 .78

Ebenfalls wird die Varianzaufklärung der einzelnen endogenen latenten Variablen

abschließend noch aufgeführt.

Tabelle 41: Varianzaufklärung (SMC) der endogenen Variablen

Skala SMC

subjE .125

KoA .047

KeA .368

Ver .372

Sche .11

Ana .626

Diss .184

Die endogenen Variablen zeigen sowohl wenig bedeutsame als auch substantielle

Varianzaufklärungen, was nicht zuletzt durch die Anzahl der relevanten exogenen Variablen

zu erklären ist. Die substantiellste Varianzaufklärung erfährt die zentrale Variable dieser

Untersuchung, die Variable Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses mit 62,6%.

Auch die mediierenden Variablen zwischen organisationalen Rahmenbedingungen und dem

Entscheidungsmodus, nämlich Verantwortlichkeitsgefühl sowie Kenntnis des Anforderungs-

profils als Indikatoren für das persönliche Involvement des Recruiters erfahren moderate

Varianzaufklärungen von 37,2% und 36,8% durch die organisationalen Rahmenbedingungen.

Die persönlichen Lernprozesse des Recruiters fungieren primär als exogene Variablen und

zeigen deshalb nur geringe Varianzaufklärungen.

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144

6.2.9 Fazit und methodische Optimierungsvorschläge

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, ein kausales Modell zu den Determinanten analytisch

geprägter Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern in Einstellungsinterviews zu

entwickeln und dieses empirisch zu überprüfen.

Dies ist insofern gelungen, als dass der Prozess der Strukturgleichungsmodellierung mit

einer sehr guten Anpassungsgüte des theoretisch erarbeiteten Modells an die empirischen

Daten abgeschlossen werden konnte.

Im Rahmen der Hypothesenprüfung wurden nahezu alle postulierten Wirkungsbeziehungen –

direkte wie mediierende Effekte – bestätigt. Durch das komplexe Wirkungsgefüge des

Strukturgleichungsmodells erfolgte die Prüfung der einzelnen Hypothesen dabei mit der

Methode des bias-korrigierten Bootstrapping isoliert vom Gesamtmodell (vgl. Preacher &

Hayes, 2008; Cheung & Lau, 2007).

Die vorherige Güteprüfung des Strukturgleichungsmodells indizierte eine ausreichende Güte

der Operationalisierung der reflektiven Mess-Indikatoren. Dennoch bleibt hier im Hinblick auf

replizierende Studien noch Optimierungsbedarf bestehen, insbesondere für die Skalen

Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses und Systematik des Feedbacks.

Trotzdem die Datenerhebung vollständig anonym erfolgte, können Effekte sozialer

Erwünschtheit nicht gänzlich ausgeschlossen werden, wie die insgesamt recht hoch

ausgeprägten Mittelwerte der Skalen Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses

sowie Verantwortlichkeitsgefühl gezeigt haben. Hier hätte ein Vortest möglicherweise dazu

beitragen können, noch trennschärfere Items für diese beiden Skalen zu erhalten.

Grundsätzlich ist auch das common-method-Problem für das vorliegende

Strukturgleichungsmodell relevant.

Podsakoff et al. (2003, S.879) beschreiben den common-method-Effekt als denjenigen Effekt,

der die Wirkungsbeziehung zwischen einer unabhängigen und abhängigen Variablen dann

systematisch beeinflusst, wenn beide Konstrukte mit derselben Methode erhoben wurden.

Dies trifft auch auf die Variablen des vorliegenden Strukturgleichungsmodells zu.

Obwohl einem potenziellen common-method-Effekt im Rahmen der vorbereitenden

Berechnungen mit Hilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse bereits statistisch

widersprochen werden konnte (Kapitel 6.2.5), könnte dennoch ein gewisser Anteil an

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

145

Varianzaufklärung auf den für alle latenten Variablen verwendeten Online-Fragebogen zurück

zu führen sein.

Podsakoff et al. (2003, S.887) schlagen dementsprechend vor, sowohl die

Erhebungsmethoden zwischen den einzelnen Variablen, als auch die zugeordneten

Studienteilnehmer für die einzelnen Variablen zu separieren. Letzteres macht jedoch für den

Kontext dieser Arbeit, mit der Fragestellung individueller Entscheidungsmuster und dessen

Determinanten, eher wenig Sinn. Allerdings könnte für zukünftige Studien eine Variation der

Erhebungsmethoden zwischen den Variablen angedacht werden.

Auch eine zeitliche Separierung zwischen der Messung exogener und endogener Variablen

(Podsakoff et al., 2003, S.888) wäre theoretisch möglich. Bei einer Erhebung von Prädiktor-

und Kriteriumsvariablen zu verschiedenen Messzeitpunkten, sollte allerdings eine

ausreichende Stichprobengröße bzw. Rücklaufquote sicher gestellt werden, da hier

besonders die Gefahr des drop-outs besteht.

Deshalb wurde in der vorliegenden Arbeit auf ein Untersuchungsdesign mit verschiedenen

Messzeitpunkten verzichtet.

Weiterhin sollte die Option der ausbalancierten Darbietungsreihenfolge der Items (Podsakoff

et al., 2003, S.888) zukünftig stärker berücksichtigt werden.

In der vorliegenden Studie wurden die Variablen allen Teilnehmern in aufeinander

aufbauender Reihenfolge dargeboten (exogene – intervenierende – endogene Variablen).

Somit konnte das Problem der reversen kausalen Effekte (Kenny, 2012) vermindert werden.

Dies tritt dann auf, wenn die abhängigen Variablen zeitlich vor den unabhängigen Variablen

erhoben werden. Unter dieser Bedingung kann der Wirkungseffekt dann nicht mehr eindeutig

auf die unabhängige Variable zurück geführt werden.

Dieses potenzielle Risiko könnte mit einer randomisierten und gruppenbezogenen

ausbalancierten Darbietungsreihenfolge der Items noch weiter minimiert werden – und zwar

mit sehr geringem Aufwand.

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146

6.3 Kausaleffekte in der Fallstudie – Analyse der Gruppenunterschiede anhand

multivariater allgemeiner Modelle

6.3.1 Versuchsdesign

Um die kausalen Effekte der organisationalen Rahmenbedingungen

Rechenschaftsverpflichtung und Konkretheit des Anforderungsprofils auf den

Entscheidungsmodus des Recruiters auch experimentell zu überprüfen, wurde ein fiktives

Fallbeispiel über Frau Mustermann konstruiert. Frau Mustermann hat sich als Trainee HRM in

einem international agierenden Konzern beworben und erfüllt die fachlichen

Voraussetzungen sehr gut.

Frau Meier hat als stellvertretende Personalreferentin das Bewerbungsgespräch mit Frau

Mustermann geführt und darüber eine Zusammenfassung verfasst.

Anhand dieses Gesprächsprotokolls sollen als abhängige Variablen zum einen die Analytik

der Beurteilung von Frau Meier sowie zum anderen die eigene Analytik der Entscheidung des

Recruiters zur Bewerberin Frau Mustermann erhoben werden.

Experimentell manipuliert wurden dabei die organisationalen Rahmenbedingungen

Konkretheit des Anforderungsprofils und Rechenschaftsverpflichtung.

So enthält

- Bedingung A: ein konkretes und verhaltensbezogen ausformuliertes Anforderungs-

profil sowie den Hinweis, dass die eignungsdiagnostische Entscheidung im

Nachhinein vor Vorgesetzten begründet werden muss

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

147

Wichtige Info: All Ihre eignungsdiagnostischen Entscheidungen müssen Sie grundsätzlich vor den zukünftigen Vorgesetzten der Trainees sowie vor Ihrem eigenen Vorgesetzten begründen können! Anforderungen für Trainees HRM: Komplexität im Denken: - kann komplexe Zusammenhänge analysieren und Strategien ableiten - kann komplizierte Zusammenhänge verständlich darstellen Kommunikation/ Rhetorik: - kann sich gut ausdrücken - argumentiert strukturiert - kann frei und flüssig vor einer Gruppe sprechen - hört aufmerksam zu - hält Blickkontakt Teamfähigkeit: - kann sich gut in ein Team integrieren und Kompromisse eingehen - engagiert sich für ein gemeinsames Ziel - kann eigene Interessen zurückstecken Leistungsbereitschaft: - stellt hohe Ansprüche an die eigene Leistung - arbeitet zielorientiert und engagiert - setzt sich hohe, aber realistische Ziele Motivation und Identifikation: - zeigt starkes Interesse, stellt inhaltlich relevante Fragen - kann sich mit dem Unternehmen und Inhalten identifizieren - begründet Interesse an und Identifikation mit Unternehmen detailliert und nachvollziehbar Kritik- und Konfliktfähigkeit: - reflektiert eigenes Verhalten und Misserfolge - übernimmt Verantwortung für Fehler und Misserfolge - weicht Konflikten nicht aus - reagiert sachlich und diplomatisch auf Konflikte Zuverlässigkeit - arbeitet genau und sorgfältig - hält Absprachen und Vorschriften ein - bringt angefangene Aufgaben auch zu Ende

Abbildung 12: Bedingung A in der Fallstudie

- Bedingung B: ein abstrakt formuliertes Anforderungsprofil und keinen Hinweis darauf,

dass die eignungsdiagnostische Entscheidung im Nachhinein vor Vorgesetzten

begründet werden muss

Anforderungen für Trainees HRM:

- hohe Komplexität im Denken - gute Kommunikation/ Rhetorik - Teamfähigkeit - Leistungsbereitschaft - Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen - Kritik- und Konfliktfähigkeit - Zuverlässigkeit

Abbildung 13: Bedingung B in der Fallstudie

Das Gesprächsprotokoll von Frau Meier bezieht sich vor allem auf eigenschaftsbezogene

und persönliche Eindrücke, die aber größtenteils konform mit den in Bedingung B genannten

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

148

Anforderungen sind. Die verhaltensbezogenen Anforderungen, die in Anforderungsprofil A

formuliert sind, werden dagegen nicht im Gesprächsprotokoll aufgeführt.

Zusammenfassung des Bewerbungsgespräches mit Frau Mustermann:

- ist sehr nett und sympathisch - ist höflich und eher zurückhaltend - wirkt bescheiden und gutmütig - kann sich gut ausdrücken, braucht manchmal aber Zeit zum Überlegen - nennt als Bewerbungsmotiv die globale Ausrichtung des Konzerns sowie die internationale Karriereperspektive - Interesse an HRM hat sich durch Praktika gefestigt: vor allem Personalauswahl sei interessant, wegen dem

persönlichen Kontakt zu Menschen - konnte in Praktika erste Erfahrungen im Bewerbermanagement und in der Seminarorganisation sammeln - Ziel für die nächsten 3 Jahre: Trainee-Programm gut abschließen, übernommen werden, langfristig gerne an

Auslandsprojekten mitarbeiten - nennt als Stärken: Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit und Ehrgeiz - nennt als Schwächen: Zurückhaltung, zu hoher Perfektionismus, manchmal zu sensibel zu sein - sagt, sie arbeite gerne und sei sehr fleißig - ihre Antworten wirken ehrlich und spontan Fazit: sympathisch, ehrgeizig, zuverlässig und motiviert;

Abbildung 14: Gesprächsprotokoll in der Fallstudie

Deshalb werden für Bedingung A signifikant höhere Ausprägungen der abhängigen Variablen

Analytische Beurteilung und Analytische Entscheidung postuliert, als für Bedingung B.

Diese Hypothese wird demzufolge mit einem einfaktoriellen between-subjects-Design

überprüft.

6.3.2 Operationalisierung und Reliabilität der abhängigen Variablen

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die operationalisierten Items der abhängigen

Variablen128.

Als Mess-Skalierung wurde auch hier eine sechs-stufige Likert-Skala129 gewählt, ebenfalls

wurden die Items zur weiteren Berechnung umkodiert130.

128 Die vollständigen Items sind in Anhang 2 einzusehen. 129 1: „trifft voll zu“ bis 6: „trifft überhaupt nicht zu“ 130 immer nach demselben Schema: v_141 wird umkodiert in u_141 usw.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

149

Tabelle 42: Konstruktoperationalisierung in der Fallstudie

AV Items Zahl Beispiel-Items

Analytische Beurteilung

u_141-u_156

16 Die Einschätzungen und Beurteilungen von Frau Meier wirken auf mich... v_142: analytisch v_146: logisch nachvollziehbar v_148: anforderungsbezogen v_154: vollständig

Analytische Entscheidung

u_157-u_162

6 Zu welcher Entscheidung gelangen Sie nun aufgrund der Zusammen-fassung von Frau Meier? v_158: Ich werde Frau Mustermann die Stelle anbieten. v_160: Ich kann noch keine Entscheidung treffen, da ich nicht genügend Informationen über die Erfüllung der einzelnen Anforderungen besitze. v_161: Ich kann keine zuverlässige Aussage darüber treffen, ob Frau Mustermann die Anforderungen für die Stelle erfüllt. v_162: Ich werde noch ein weiteres Bewerbungsgespräch mit Frau Mustermann führen, um eine Entscheidung treffen zu können.

Anm.: Darstellung von je vier Beispiel-Items für jede abhängige Variable, außerdem Gesamtzahl der Items pro Skala;

In dem für dieses Untersuchungsdesign genutzten Datensatz wurden diejenigen Teilnehmer

eliminiert, die fehlende Werte in den Items v_141 – v_162 aufwiesen, somit lag ein Datensatz

mit 219 vollständigen Datensätzen vor131.

Im Rahmen der Reliabilitätsanalyse wurden die Items u_143, u_145, u_147 wegen zu

geringer Korrelation mit der Gesamtskala (Item-to-Total-Korrelation) sowie zu geringer

Trennschärfe (Inter-Item-Korrelation) aus den Skalen eliminiert132.

Cronbach`s Alpha liegt somit für Analytik der Beurteilung bei α=.91 (13 Items) und Analytik

der Entscheidung (6 Items) bei α=.82.

Der Kolmogorov-Smirnoff-Test bestätigt mit p=.185 für die Skala Analytik der Beurteilung

sowie p=.004 für die Skala Analytik der Entscheidung die univariate Normalverteilungs-

annahme für letztere Skala nicht. Allerdings fallen die Schiefe- und Wölbungsmaße nicht >1

aus, sodass nur eine moderate Verletzung der Normalverteilungsannahme vorliegt (Temme

& Hildebrandt, 2009, S.166133).

131 Datensätze siehe externer Anhang 132 siehe externer Anhang 133 aus Weiber & Mühlhaus, 2010, S.146;

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150

6.3.3 Ergebnisse der Fallstudie – multivariate allgemeine lineare Modelle

Zur Überprüfung der Gruppenunterschiede zwischen Bedingung A und B werden multivariate

allgemeine lineare Modelle (ALM) in SPSS 19 berechnet.

Diese bieten im Vergleich zur einfaktoriellen ANOVA den Vorteil, dass auch

Parameterschätzungen (β) abgegeben werden können.

Das ALM kombiniert dabei die Prozeduren Varianz- und Regressionsanalysen miteinander

(vgl. Brosius, 2008, S.614).

Die Prüfgröße F testet bei univariaten allgemeinen linearen Modellen die mittlere Streuung

zwischen den Stichproben im Verhältnis zur mittleren Streuung innerhalb der Stichproben.

Ist die mittlere Streuung zwischen den Stichproben größer als innerhalb den Stichproben,

wird die Nullhypothese identischer Erwartungswerte zum α - Niveau abgelehnt (Handl, 2002,

S.299; Backhaus et al., 2006, S.139f134).

Bei multivariaten allgemeinen linearen Modellen bilden die multivariaten Tests

- Pillai-Bartlett Spurkriterium (Pillai, 1960)

- Wilks Lambda (Wilks, 1932)

- Hotelling-Lawley Spurkriterium (Hotelling, 1951; Lawley, 1938)

- Roy's Maximalwurzel (Roy, 1957)

die relevanten Prüfgrößen (Moosbrugger, 1978; Timm, 1975; Olson, 1976135).

Bezüglich der Voraussetzungen der Varianzanalyse testet der Box-M-Test die Homogenität

der Varianz-Kovarianz Matrizen (Homoskedastizität). Der Levene-Test testet weiterhin die

Varianzhomogenität der Vergleichsgruppen.

Backhaus et al. (2006, S.151) sowie Field (2009, S.360) bemerken allerdings, dass sich die

Varianzanalyse grundsätzlich robust gegenüber leichten Verletzungen der Normalverteilung,

der Homogenität der Varianz-Kovarianz Matrizen sowie auch der Varianzhomogenität zeigt,

vor allem wenn vergleichbare Stichprobengrößen vorhanden sind.

134 Nach Backhaus et al. (2006, S.129) bildet die theoretische F-Verteilung den „Maßstab zur Beurteilung des empirischen F-Wertes“. Auf einen faktoriellen Einfluss kann dabei dann geschlossen werden, wenn der empirische F-Wert größer als der theoretische F-Wert ausfällt (ebd.). SPSS berechnet zusätzlich zum empirischen F-Wert das Signifikanzniveau. Ist die Signifikanz kleiner als das vorgegebene Testniveau, kann die Nullhypothese abgelehnt werden. Der Vergleich mit dem theoretischen F-Wert in einer Tabelle entfällt dadurch (ebd., S.146f). 135 Das Pillai-Bartlett Spurkriterium testet die Gruppenunterschiede der einzelnen abhängigen Variablen. Dieser Test zeigt sich besonders robust gegenüber Verletzungen der Annahmen der multivariaten Normalverteilung, der Homogenität der Varianz-Kovarianz Matrizen (Homoskedastizität), der Linearität der Zusammenhänge und der fehlenden Multikollinearität der abhängigen Variablen (vgl. Backhaus et al., 2006, S.150). Wilks Lamda testet das Verhältnis der Matrix der Zwischengruppeneffekte zu der Matrix der Innergruppeneffekte. Der Hotelling-Test testet auf die Gleichheit der Mittelwertsvektoren aller abhängigen Variablen zwischen beiden Gruppen. Roy`s größter Eigenwert testet die Gruppenunterschiede auf der gemeinsamen Dimension aller abhängigen Variablen.

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151

Grundsätzlich sollten deshalb möglichst gleichgroße Zellstichproben zur Berechnung

angestrebt werden.

Das partielle Eta² beschreibt schließlich jeweils den Anteil des jeweiligen Haupteffektes bzw.

Parameters an der Gesamtvarianz (Brosius, 2008, S.629). Der berechnete Erklärungsanteil

ist dabei „um die Einflüsse der übrigen im Modell enthaltenen Faktoren bereinigt“ (Backhaus

et al., 2006, S.147).

Tabellengruppe 1 zeigt nun die Ergebnisse des Mittelwertvergleiches für den Faktor

Bedingung A oder B bezogen auf die abhängigen Variablen (AV) Analytik Beurteilung (AnaB)

und Analytik Entscheidung (AnaEnt).

Tabellengruppe 1: Multivariates ALM Fallstudie

Faktor Bedingung A vs. B auf AnaB, AnaEntTest der Zwischen-Gruppen-Unterschiede

Variable AV F(1, 217) p Eta² R² Korr.R²

Bedingung AnaB .214 .644 .001 .001 -.004

AnaEnt .186 .667 .001 .001 -.004

Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;

Multivariate Tests Wert F(2, 216) p Eta²

Pillai-Spur .005 .495 .610 .005

Wilks-Lambda .995 .495 .610 .005

Hotelling-Spur .005 .495 .610 .005

Größte charakt. Wurzel Roy .005 .495 .610 .005

Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix=1.65, F(3, 1814165)=.55, p=.651; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Analytik Beurteilung F(1, 217)=2.06, p=.153; für Analytik Entscheidung F(1, 217)=.006, p=.937;

Übersicht der Parameterschätzer AV Bedingung N MW SD β p Eta²

AnaB A 114 4.04 .86 .051 .644 .001

B 105 3.99 .76 0 . .

AnaEnt A 114 4.56 1.07 -.061 .667 .001

B 105 4.62 1.03 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²;

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152

Es können mit F(1, 217)=.214, p=.644 und F(1, 217)=.186, p=.667 keine signifikanten

Mittelwertsunterschiede zwischen den Bedingungen A und B für die erhobenen abhängigen

Variablen nachgewiesen werden.

Die Mittelwerte der beiden Gruppen sind nahezu identisch. Hierbei fällt auf, dass die

Mittelwerte der abhängigen Variablen insgesamt recht hoch ausfallen (MW=3.99 - 4.04 für

AnaB und MW=4.56 - 4.62 für AnaEnt), besonders für Analytik der Entscheidung (vgl. auch

Prüfung der Normalverteilung136). Dies zeigt, dass die meisten Teilnehmer keine

Entscheidung bezogen auf Frau Mustermann mit den vorliegenden Informationen treffen

wollen.

Möglicherweise ist hier die Operationalisierung des Gesprächsprotokolls, welches als

Grundlage der fiktiven Beurteilung und Entscheidung diente, insgesamt zu offensichtlich

optimierungsbedürftig ausgefallen, sodass es nicht ausreichend zwischen analytischer und

weniger analytischer Beurteilung differenziert.

Ebenfalls könnte der Fokus auf nur schriftlich vorliegende Informationen über die fiktive

Bewerberin zu einer stärker analytischen Prägung der Beurteilung und Entscheidung geführt

haben, da eigene subjektive Eindrücke nicht gewonnen werden konnten.

Das Studiendesign könnte deshalb mit einem Videobeispiel als Beurteilungsgrundlage einen

stärkeren realen Bezug erhalten und dadurch optimiert werden.

Nicht zuletzt ist auch eine Beeinflussung des Entscheidungsmodus durch die vorhergehende

Befragung zu den Determinanten analytischer Urteils- und Entscheidungsprozesse in

Einstellungsinterviews nicht auszuschließen. Es könnte ein Priming-Effekt aufgetreten sein,

welcher die Selbstaufmerksamkeit des Teilnehmers im Hinblick auf seine eigenen

eignungsdiagnostischen Entscheidungsmuster erhöht und somit die Ergebnisse verfälscht

haben könnte.

Die Variation der organisationalen Rahmenbedingungen des Anforderungsprofils und der

Rechenschaftsverpflichtung zeigt hier also zunächst keinen Effekt auf den analytischen

Entscheidungsmodus der befragten Recruiter.

136 siehe externer Anhang

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153

Allerdings lassen sich signifikante Unterschiede zwischen Bedingung A und B für die Gruppe

der Psychologen (N=30) sowie für die Gruppe derjenigen Recruiter feststellen, die im

demografischen Teil erhöhten eignungsdiagnostischen Weiterbildungsbedarf (N=69)

angeben.

Die folgende Tabellengruppe 2 zeigt die signifikanten Unterschiede für diejenigen Recruiter,

die als Fachrichtung des qualifizierenden Studiums Psychologie angegeben haben.

Tabellengruppe 2: Multivariates ALM Fallstudie Gruppe Psychologen

Gruppe Psychologen: Faktor Bedingung A vs. B auf AnaB, AnaEntTest der Zwischen-Gruppen-Unterschiede

Variable AV F(1, 28) p Eta² R² Korr.R²

Bedingung AnaB 10.05 .004 .264 .264 .238

AnaEnt .15 .702 .005 .005 -.030

Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;

Multivariate Tests Wert F(2, 27) p Eta²

Pillai-Spur .341 7.0 .004 .341

Wilks-Lambda .659 7.0 .004 .341

Hotelling-Spur .518 7.0 .004 .341

Größte charakt. Wurzel Roy .518 7.0 .004 .341

Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix=4.97, F(3, 27005)=1.52, p=.207; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Analytik Beurteilung F(1, 28)=4.42, p=.045; für Analytik Entscheidung F(1, 28)=3.26, p=.082;

Übersicht der Parameterschätzer AV Bedingung N MW SD β p Eta²

AnaB A 18 4.57 .41 .669 .004 .264

B 12 3.90 .74 0 . .

AnaEnt A 18 5.08 .74 .125 .702 .005

B 12 4.96 1.04 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;

Der Faktor Bedingung erklärt für die Gruppe Psychologen mit 26,4% einen Großteil der

Varianz der zu erklärenden abhängigen Variable Analytik der Beurteilung (F(1, 28)=10.05,

p=.004, Eta²=.264, korr.R² für das Gesamtmodell=.238).

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154

Weiterhin zeigt sich mit β =.669, p=.004 ein substantieller Unterschied für die Ausprägung der

Analytik der Beurteilung bei Bedingung A (MW=4.57) im Vergleich zu Bedingung B

(MW=3.90). Psychologen haben das Gesprächsprotokoll von Frau Meier also wie postuliert

signifikant analytischer beurteilt, wenn sie ein konkretes Anforderungsprofil als Referenz

nutzen konnten und sich außerdem zu Rechenschaft verpflichtet fühlten.

Dies indiziert, dass die befragten Psychologen tatsächlich die in dem Gesprächsprotokoll

aufgeführten Informationen mit dem dargebotenen Anforderungsprofil verglichen und das

Anforderungsprofil somit als Beurteilungsgrundlage genutzt haben.

Dies ist möglicherweise dadurch zu erklären, dass Psychologen aufgrund ihrer fachlichen

Ausbildung erfahrener als andere Berufsgruppen darin sind, Anforderungsprofile für

eignungsdiagnostische Beurteilungen zu nutzen.

Allerdings haben auch sie, unabhängig der Bedingung A oder B, die Entscheidung über die

Einstellung von Frau Mustermann nicht treffen wollen. Es konnte kein signifikanter

Haupteffekt nachgewiesen werden (F(1, 28)=.15, p=.702).

Somit konnte, bezogen auf die AV Analytik der Entscheidung, auch hier kein signifikanter

Gruppenunterschied zwischen Bedingung A und B gefunden werden.

Der Levene-Test zeigt mit F(1, 28)=4.42, p=.045 für AnaB und F(1, 28)=3.26, p=.082 für

AnaEnt leichte Verletzungen der Homogenitätsannahme der Fehlervarianzen, was

möglicherweise auf die eher kleine Zellstichprobengröße zurück zu führen sein kann.

Der multivariate Test nach Roy zeigt sich aber dennoch mit F(2, 27)=7, p=.004 signifikant und

indiziert eine hohe Varianzaufklärung von Eta²=.341.

Weiterhin wurden signifikante Unterschiede für diejenigen Studienteilnehmer gefunden, die

im demografischen Teil einen erhöhten eignungsdiagnostischen Weiterbildungsbedarf

angegeben haben. Diese werden in Tabellengruppe 3 dargestellt.

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155

Tabellengruppe 3: Multivariates ALM Fallstudie Gruppe erhöhter Weiterbildungsbedarf

Gruppe erhöhter Weiterbildungsbedarf: Bedingung A vs. B auf AnaB, AnaEntTest der Zwischen-Gruppen-Unterschiede

Variable AV F(1, 67) p Eta² R² Korr.R²

Bedingung AnaB 1.00 .321 .015 .015 .000

AnaEnt 4.71 .033 .066 .066 .052

Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;

Multivariate Tests Wert F(2, 66) p Eta²

Pillai-Spur .075 2.69 .075 .075

Wilks-Lambda .925 2.69 .075 .075

Hotelling-Spur .081 2.69 .075 .075

Größte charakt. Wurzel Roy .081 2.69 .075 .075

Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix=1.19, F(3, 831236)=.38, p=.766; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Analytik Beurteilung F(1, 67)=.04, p=.837; für Analytik Entscheidung F(1, 67)=.52, p=.473;

Übersicht der Parameterschätzer AV Bedingung N MW SD β p Eta²

AnaB A 35 3.75 .87 -.214 .321 .015

B 34 3.97 .91 0 . .

AnaEnt A 35 4.03 1.21 -.599 .033 .066

B 34 4.63 1.08 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;

Es zeigt sich mit F(1, 67)=4.71, p=.033 ein signifikanter Haupteffekt des Faktors Bedingung A

vs. B auf die Ausprägung der Analytik der Entscheidung. Ebenfalls wird mit β=-.599 ein

substantieller negativer Unterschied zwischen Bedingung A (MW=4.03) und Bedingung B

(MW=4.63) für AnaEnt festgestellt.

Damit zeigt sich hier der gegenteilige Effekt, ein globales Anforderungsprofil führt hier zu

positiveren Einstellungsentscheidungen über Frau Mustermann, als ein konkretes

Anforderungsprofil. Dies indiziert, dass die Recruiter sich bei ihrer Beurteilung und

Entscheidung nicht auf die in den Anforderungsprofilen formulierten Informationen bezogen

und diese weiterhin nicht mit den im Gesprächsprotokoll aufgeführten Charakteristika

systematisch verglichen haben.

Dies indiziert zum einen tatsächlich erhöhten Weiterbildungsbedarf bei den befragten

Recruitern, zum anderen könnte es hier aber auch zu einer Überlastung der

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156

Informationsverarbeitungskapazität gekommen sein, da sich das Anforderungsprofil gemerkt

werden musste. Nachdem es einmal gelesen wurde, konnte es nicht wieder aufgerufen

werden. Da die Fallstudie sequentiell aufgebaut war, musste der Teilnehmer das

Anforderungsprofil während seiner Beurteilung des Gesprächsprotoskolls aus dem

Gedächtnis abrufen.

Auch diesbezüglich könnte das Forschungsdesign weiter optimiert und an reale

Beurteilungssituationen angepasst werden.

6.3.4 Fazit und methodische Optimierungsvorschläge

Die experimentelle Überprüfung der im Strukturgleichungsmodell überzeugend belegten

Effekte von organisationalen Rahmenbedingungen auf die Urteils- und Entscheidungs-

prozesse von Recruitern zeigt sich in der vorliegenden Fallstudie nur eingeschränkt

erfolgreich. Es konnten nur für die Subgruppen Psychologen und erhöhter

eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf signifikante Unterschiede zwischen Bedingung

A und B für jeweils eine abhängige Variable gefunden werden.

Die Begutachtung der insgesamt hoch ausgeprägten Mittelwerte der erhobenen abhängigen

Variablen zeigt, insbesondere für die Skala Analytik der Entscheidung, dass die meisten

Teilnehmer keine Entscheidung bezogen auf Frau Mustermann mit den vorliegenden

Informationen treffen wollen.

Vermutet wurde hier, dass das Gesprächsprotokoll nicht ausreichend zwischen analytischer

und weniger analytischer Beurteilung differenziert, da es objektiv optimierungsbedürftig

erscheint. Hier könnte ein Vortest die Güte des Stimulusmaterials zukünftig verbessern.

Eine andere mögliche Erklärung könnte die zu wenig realistische Entscheidungssituation

sein, die den Teilnehmern das Treffen der Entscheidung erschwert haben könnte.

Deshalb sollte, als wichtige Anregung zur Optimierung des Studiendesigns, der Versuch zur

Nachbildung einer stärker realen eignungsdiagnostischen Entscheidungssituation

unternommen werden.

Mit einer Videosequenz als Beurteilungsgrundlage könnten auch subjektive Eindrücke über

den fiktiven Bewerber gebildet und erhoben werden. Dies war in der aktuellen Studie kaum

möglich, da das Stimulusmaterial ausschließlich schriftlich vorlag.

Problematische Randbedingung ist hierbei jedoch die Gewinnung der Stichprobe, denn

idealerweise sollten die Wirkungseffekte, wie auch in der vorliegenden Fallstudie, an einer

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157

populationsvaliden Stichprobe von praktisch tätigen Recruitern überprüft werden. Dies konnte

in der vorliegenden Studie mit immerhin 219 Recruitern, die das Fallbeispiel nach der

Haupterhebung noch vollständig bearbeitet haben, erreicht werden.

Ebenfalls sollte solch eine experimentelle Studie zukünftig von anderen Erhebungen isoliert

werden, da es in der vorliegenden Arbeit möglicherweise zu einem Priming-Effekt (vgl.

Podsakoff et al., 2003) durch die vorherige Befragung über die Determinanten analytischer

Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern in Einstellungsinterviews gekommen sein

könnte. Dadurch könnte ebenfalls die sehr analytische Prägung der Studienteilnehmer in der

Auseinandersetzung mit dem Stimulusmaterial zu erklären sein. Da die Teilnehmer zuvor

Auskunft über ihre analytisch oder intuitiv geprägten eignungsdiagnostischen

Entscheidungsmuster geben und sich somit selber hinterfragen mussten, könnten die

Ergebnisse bezogen auf die Fallstudie somit verfälscht worden sein.

Deshalb bleiben die im Strukturgleichungsmodell bestätigten Wirkungseffekte mit zukünftigen

Forschungsarbeiten noch experimentell zu belegen.

Interessant für die weitere Forschung könnten dabei Gruppenunterschiede zwischen

Psychologen und Recruitern anderer Fachrichtungen sein.

6.4 Clusteranalyse zur Identifikation von spezifischen Recruiter-Typen

Zur Differenzierung von Recruiter-Typen innerhalb der Stichprobe soll besonderer Fokus auf

ähnlich geartete individuelle Lernprozesse sowie ähnliche organisationale

Rahmenbedingungen gelegt werden, unter denen die Recruiter eignungsdiagnostische

Entscheidungen treffen. Dazu soll die Methode der Clusteranalyse eingesetzt werden.

Die Clusteranalyse ist eine Analysemethode zur Identifizierung „homogener Teilmengen von

Objekten“ aus einer „heterogenen Gesamtheit von Objekten“ (Backhaus et al., 2006, S.490).

Die klassischen Ablaufschritte einer Clusteranalyse sind:

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158

- die Bestimmung der Ähnlichkeiten, wofür die Ausgangsdaten in eine Ähnlichkeits-

oder Distanzmatrix überführt und anhand von Ähnlichkeits- oder Distanzmaßen

quantifiziert werden137 (ebd., S.493f)

- die Auswahl des Fusionierungsalgorithmus zur Zusammenfassung der Gruppen138

(ebd., S.511) und

- die Bestimmung der Clusteranzahl anhand des Elbow-Kriteriums139 (ebd., S.534).

In der vorliegenden Arbeit wird die Methode der Two-Step-Clusterbildung140 gewählt, da bei

dieser Methode sowohl kontinuierliche als auch kategoriale Variablen sowie Evaluationsfelder

berücksichtigt werden können (Brosius, 2008, S.745).

Ebenfalls wird als Distanzmaß auch bei stetigen Variablen die Log-Likelihood-Methode

gewählt. Diese Methode folgt der Annahme, dass die Variable in der Grundgesamtheit einer

Normalverteilung (bei kontinuierlichen Variablen) oder multinomialen Verteilung (bei

kategorialen Variablen) folgt. Somit lässt sich die Wahrscheinlichkeit errechnen, mit der in

einer Stichprobe die tatsächlich beobachteten Mittelwerte und Varianzen auftreten, wenn die

Cluster jeweils repräsentativ für die Grundgesamtheit sind (ebd., S.752).

Demnach wird ein Fall dann einem Cluster zugeordnet, wenn diese Zuordnung mit einer

höheren Wahrscheinlichkeit verbunden ist.

Es wurden insgesamt 10 verschiedene Clusterlösungen berechnet, von denen die beiden

interessantesten im Folgenden dargestellt werden141.

137 In der Praxis ist das Proximitätsmaß der quadrierten euklidischen Distanz besonders bedeutsam, die quadrierten Differenzwerte werden dabei addiert, aus dieser Summe wird wiederum die Wurzel gezogen (Backhaus et al., 2006, S.504). 138 In der Praxis sind vor allem hierarchisch-agglomerative Verfahren bedeutsam. Hier werden, begonnen mit der feinsten Partition, die Cluster mit der jeweils geringsten Distanz zueinander anhand der Single-Linkage- (jeweils kleinste Distanz), Complete-Linkage- (größte Distanz) oder Ward-Methode (geringste Streuung) zu einem neuen Cluster gruppiert (ebd., S.514-527). Die Ward-Methode verspricht nach Bergs (1981, S.96f) „sehr gute Partitionen“, neigt allerdings dazu, etwa gleich große Gruppen zu bilden (aus Backhaus et al., 2006, S.528). 139 Vergleich der Heterogenitätsentwicklung mit der Clusteranzahl 140 Der Rechenalgorithmus der zweistufigen Cluster-Analyse basiert auf dem BIRCH-Algorithmus (Balanced Iterative Reducing and Clustering using Hierarchies): zunächst werden mit Hilfe von Heuristiken und einem sequentiellen groben Clusterverfahren ein sogenannter Cluster-Baum erstellt, dessen Äste danach im zweiten Schritt hierarchisch agglomeriert werden (Brosius, 2008, S.746). 141 alle anderen berechneten Clusterlösungen siehe externer Anhang

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159

6.4.1 Clusterlösung 2 – basierend auf persönlichen Lernprozessen

Die Clusterlösung 2 berücksichtigt die kontinuierlichen Variablen subjektive

Entscheidungsregeln und Expertise, also die persönlichen Lernprozesse des Recruiters, als

Klassifikationskriterien für das Evaluationskriterium Analytik des Urteils- und

Entscheidungsprozesses.

Abbildung 15 stellt die Cluster vergleichend im Hinblick auf die Mediane der relevanten

Variablen dar.

Clusterlösung 2: Kontinuierliche Variablen: subjE & Exp, Evaluationskriterium: Ana

Cluster 1 (29% bzw. 79 Fälle) Cluster 2 (27,6% bzw. 75 Fälle)

Exp

subjE

Ana

Mediane Mittelwerte

Exp=4.01, subjE=3.83, Ana=4.5

Exp=4.28, subjE=4.02, Ana=4.49

Exp=5.01, subjE=2.17, Ana=4.87

Exp=5.08, subjE=2.15, Ana=4.76

Cluster 3 (25,7% bzw. 70 Fälle) Cluster 4 (17,6% bzw. 48 Fälle)

Exp

subjE

Ana

Mediane Mittelwerte

Exp=3.33, subjE=2.17, Ana=4.63

Exp=3.1, subjE=2.15, Ana=4.64

Exp=2, subjE=4.33, Ana=4.25

Exp=1.94, subjE=4.46, Ana=4.22

Abbildung 15: Übersicht über Clusterlösung 2 mit 4 Clustern Anm.: Darstellung der Clustermediane im Verhältnis zu den Medianen der Gesamtverteilung (Exp=4, subjE=3, Ana=4.57); Mittelwerte sind informationshalber zusätzlich dargestellt;

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160

Die dargestellten Cluster lassen sich wie folgt charakterisieren:

- Cluster 1 repräsentiert Recruiter, die sich zwar tendenziell als Experten bezeichnen,

aber trotzdem starken Gebrauch von subjektiven Entscheidungsregeln machen und

somit in ihrer Ausprägung von Analytik auch noch knapp unter dem Gesamt-Median

bleiben.

- Im Cluster 2 allerdings, lassen sich die echten Experten identifizieren. Diese Recruiter

ordnen sich eindeutig der Expertengruppe zu, benutzen vor allem explizite

Entscheidungsregeln bei der Entscheidungsfindung und entscheiden schließlich auch

stark analytisch geprägt.

- Im Cluster 3 zeigen sich die Recruiter eher vorsichtig, sich der Gruppe der Experten

hinzu zu ordnen, dennoch nutzen sie ebenfalls eindeutig explizite

Entscheidungsregeln und entscheiden auch etwas analytischer als der Gesamt-

Median der Verteilung.

- Cluster 4 schließlich repräsentiert die Nicht-Experten-Gruppe, diese Recruiter nutzen

vor allem subjektive Entscheidungsregeln, entscheiden wenig analytisch und

charakterisieren sich auch dementsprechend selbstkritisch als Nicht-Experten.

Die Ergebnisse sind somit ebenfalls im Hinblick auf die schwierige Differenzierung zwischen

echter Expertise und nicht-evaluierter Routine interessant (Kapitel 4.2 und 4.3).

So lassen sich die Cluster weiter durch folgende demografische Variablen charakterisieren:

Tabelle 43: Charakterisierung der Clusterlösung 2 anhand demografischer Variablen

Charakterisierung der Cluster – demografische Variablen

Cluster Alter Erfahrung m/w Fach Status Unt.größe W.bildung W.bedarf

1 41.32 9.42 46% m 30% Wiwi 69% int 28% >2000 49% 1-3 48% mittel

54% w 11% Psy 17% ext 22% 150-500 19% >5 27% hoch

2 39.63 9.88 37% m 40% Wiwi 59% int 25% >2000 47% 1-3 40% mittel

63% w 19% Psy 32% ext 20%<50 23% >5 28% gering

3 32.67 4.66 21% m 47% Wiwi 53% int 30% <50 50% 1-3 50% mittel

79% w 11% Psy 41% ext 23% >2000 26% keine 27% hoch

4 34.13 5.19 10% m 52% Wiwi 56% int 38% <50 60% keine 42% mittel

90% w 10% Psy/Sowi 27% ext 21% 150-500 40% 1-3 33% hoch

Anm.: Darstellung deskriptiver Statistik (MW für Alter und praktische Erfahrung in der Durchführung eignungs-diagnostischer Interviews) sowie prozentuale Häufigkeiten für Geschlecht, Fachgruppe, Recruiting-Status, Unternehmensgröße, Häufigkeit Weiterbildung und Weiterbildungsbedarf; die beiden am häufigsten genannten Aspekte sind jeweils aufgeführt; relevante Unterschiede sind markiert;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

161

Cluster 1 und 2 sowie 3 und 4 ähneln sich grundsätzlich in der jeweiligen Erfahrung in der

praktischen Durchführung von Einstellungsinterviews.

Die Recruiter der Cluster 1 und 2 weisen 9-10 jahrelange Erfahrung auf, die Recruiter der

Cluster 3 und 4 nur etwa halb so viel. Der Unterschied ist mit F(3, 268)=14.86, p=.000,

Eta²=.143 auch statistisch signifikant142.

Cluster 1 und 2 lassen sich aber auch insofern voneinander differenzieren, als dass sich im

Cluster 2 ein höherer Anteil an Psychologen, an externen Personaldienstleistern, an kleinen

Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sowie ein gegensätzlicher Anteil von 28% der

Recruiter, die ihren Weiterbildungsbedarf nur als gering einschätzen befindet, während im

Cluster 1 der persönliche Weiterbildungsbedarf mit 27% als hoch eingeschätzt wird.

Dies ist auch konform zu dem Ergebnis, dass die Recruiter in Cluster 1 vor allem subjektive

Entscheidungsregeln für ihre eignungsdiagnostischen Entscheidungen nutzen.

Auch Cluster 3 und 4 zeigen Unterschiede im Hinblick auf den Anteil externer

Personaldienstleister, der in Cluster 3 höher ausfällt, sowie dort auch ein höherer Anteil

großer Unternehmen mit über 2000 Mitarbeitern.

Wesentlich ist auch hier der Unterschied zwischen der Häufigkeit von eignungsdiagnostischer

Weiterbildung. So haben in Cluster 4 60% der Recruiter noch keine Weiterbildungen besucht,

in Cluster 3 sind es hingegen nur 26% der Befragten, die noch keine eignungsdiagnostische

Weiterbildung absolviert haben.

Mithilfe eines multivariaten allgemeinen linearen Modells werden nun auch die

Gruppenunterschiede der einzelnen Cluster hinsichtlich ihrer Ausprägungen für die

abhängigen Variablen Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses, der

Entscheidungsdissonanz sowie des Verantwortlichkeitsgefühls für die den Clustern

zugeordneten Recruiter untersucht.

Der Test auf Zwischen-Gruppen-Unterschiede zeigt mit F(3, 268)=7.39 für Ana, F(3,

268)=16.74 für Ver, F(3, 268)=7.81 für Diss für alle abhängigen Variablen hoch-signifikante

Haupteffekte (p<.001) für den Faktor Clusterzugehörigkeit. Besonders für die abhängige

Variable Verantwortlichkeitsgefühl ergibt sich mit Eta²=.158 und korr.R²=.148 eine hohe

Varianzaufklärung.

142 siehe externer Anhang

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

162

Tabellengruppe 4: Multivariates ALM Clusterlösung 2

Faktor Cluster auf die zu erklärenden Variablen Ana, Ver, DissTest der Zwischen-Gruppen-Unterschiede

Clusterlösung AV F(3, 268) p Eta² R² Korr.R²

2:subjE, Exp

Ana 7.39 .000 .076 .076 .066

Ver 16.74 .000 .158 .158 .148

Diss 7.81 .000 .080 .080 .070

Anm.:Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;

Multivariate Tests Wert F df1 df2 p Eta²

Pillai-Spur .21 6.58 9 804 .000 .069

Wilks-Lambda .80 7.03 9 648 .000 .073

Hotelling-Spur .25 7.39 9 794 .000 .077

Größte charakt. Wurzel Roy .24 21.11 3 268 .000 .191

Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 61.13, F(18, 183651)=3.32, p=.000; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Ana F(3, 268)=1.71, p=.165; für Ver F(3, 268)=5.51, p=.001; für Diss F(3, 268)=8.66, p=.000;

Clusterlösung 2: subjE/Exp auf Ana, Ver, Diss Übersicht der Parameterschätzer

AV Cluster N MW SD β p Eta²

Ana 1 79 4.49 .55 .26 .028 .018

2 75 4.76 .76 .53 .000 .069

3 70 4.64 .62 .42 .001 .042

4 48 4.22 .64 0 . .

Ver 1 79 4.49 .82 .61 .000 .052

2 75 4.97 .69 1.1 .000 .149

3 70 4.73 .83 .86 .000 .094

4 48 3.88 1.19 0 . .

Diss 1 79 2.33 .59 -.35 .004 .031

2 75 2.10 .47 -.58 .000 .079

3 70 2.30 .72 -.29 .022 .019

4 48 2.68 .89 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;

Innerhalb der Clusterlösung 2 zeigen sich für alle abhängigen Variablen mit p<.05 hoch-

signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen identifizierten Clustern.

Die größte Varianzaufklärung erfährt die Variable Verantwortlichkeitsgefühl (Eta²=.149).

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163

So weisen die echten Experten in Cluster 2 mit β=1.1, p=.000 und einem MW=4.97 das am

stärksten ausgeprägte Verantwortlichkeitsgefühl auf. Ebenfalls zeigen die Recruiter in Cluster

2 mit β=.53, p=.000 und einem MW=4.76 auch die am stärksten analytisch geprägten

Entscheidungsmuster. Demzufolge ist sich die Expertengruppe in Cluster 2 auch der Qualität

ihrer eignungsdiagnostischen Entscheidungen signifikant sicherer als die Recruiter anderer

Cluster, was sich mit einem substantiellen Unterschied von β=-.58, p=.000 und dem

geringsten MW=2.10 für die abhängige Variable Entscheidungsdissonanz zeigt.

Die Nicht-Expertengruppe in Cluster 4 zeigt erwartungskonform sowohl die niedrigsten

Ausprägungen in Analytik (MW=4.22) und Verantwortlichkeitsgefühl (MW=3.88), als auch die

höchsten Ausprägungen in der Entscheidungsdissonanz (MW=2.68).

Cluster 3 unterscheidet sich insofern von Cluster 1, als dass Cluster 3 mit MW=4.64 (β=.42,

p=.001) stärker analytisch geprägte Entscheidungsmuster als Cluster 1 (MW=4.49, β=.26,

p=.028) sowie ebenfalls mit MW=4.73 (β=.86, p=.000) höheres persönliches Involvement als

Cluster 1 (MW=4.49, β=.61, p=.000) aufweist. Cluster 3 scheint also diejenigen Recruiter zu

repräsentieren, die sich auf dem Weg zum eignungsdiagnostischen Experten befinden.

Sowohl der Box-M-Test als auch der Levene-Test fallen signifikant aus. Obwohl sich die

Varianzanalyse grundsätzlich robust gegenüber diesen Verletzungen der Annahmen der

Homogenität der Varianz-Kovarianz Matrizen sowie auch der Varianzhomogenität zeigt

(Backhaus et al., 2006, S.151; Field, 2009, S.360), könnte die Aussagekraft der

Varianzanalyse dennoch etwas beeinträchtigt sein, da der Cluster 4 mit N=48 eine

abweichende Stichprobengröße als Cluster 1-3 (N=70-79) aufweist. Dennoch zeigt sich der

multivariate Test nach Roy mit F(3, 268)=21.11, p=.000 hoch-signifikant und indiziert eine

hohe Varianzaufklärung von Eta²=.191.

6.4.2 Clusterlösung 4 – basierend auf organisationalen Rahmenbedingungen

Clusterlösung 4 hingegen, berücksichtigt die kontinuierlichen Variablen Konkretheit des

Anforderungsprofils, Strukturiertheit des Interviews sowie Rechenschaftsverpflichtung, also

organisationale Rahmenbedingungen, als Klassifikationskriterien für die Evaluationskriterien

Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses sowie dem Verantwortlichkeitsgefühl als

Indikator des persönlichen Involvements des Recruiters.

Abbildung 16 stellt die Cluster vergleichend im Hinblick auf die Mediane der relevanten

Variablen dar.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

164

Clusterlösung 4: Kontinuierliche Variablen: Rech, StrI & KoA, Evaluationskriterien: Ver & Ana

Cluster 1 (23,5% bzw. 64 Fälle) Cluster 2 (18,8% bzw. 51 Fälle)

KoA

Rech

StrI

Ana

Ver

Mediane Mittelwerte

KoA=4.67, Rech=4.76, StrI=3.5, Ana=4.5, Ver=4.67

KoA=4.7, Rech=4.79, StrI=3.09, Ana=4.52, Ver=4.71

KoA=2.66, Rech=3.51, StrI=4.01 Ana=4.13, Ver=4.34

KoA=2.46, Rech=3.76, StrI=3.86 Ana=4.31, Ver=4.33

Cluster 3 (29,8% bzw. 81 Fälle) Cluster 4 (27,9% bzw. 76 Fälle)

KoA

Rech

StrI

Ana

Ver

Mediane Mittelwerte

KoA=5, Rech=3.01, StrI=4.67 Ana=4.25, Ver=4.34

KoA=4.76, Rech=2.86, StrI=4.69 Ana=4.31, Ver=4.29

KoA=5, Rech=5.26, StrI=5.67 Ana=5, Ver=5

KoA=4.88, Rech=5.3, StrI=5.47 Ana=5.01, Ver=4.93

Abbildung 16: Übersicht über Clusterlösung 4 mit 4 Clustern

Anm.: Darstellung der Clustermediane im Verhältnis zu den Medianen der Gesamtverteilung (KoA=4.67, Rech=4.26, StrI=4.67, Ana=4.57, Ver=4.67); Mittelwerte sind informationshalber zusätzlich dargestellt;

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165

Die dargestellten Cluster lassen sich wie folgt charakterisieren:

- Cluster 1 repräsentiert Recruiter, die zur Rechenschaft über ihre eignungs-

diagnostischen Entscheidungen verpflichtet sind, aber keinen Gebrauch von

strukturierten Einstellungsinterviews machen. Sie bleiben in ihrer Ausprägung von

Analytik knapp unter dem Gesamt-Median und entsprechen diesem hinsichtlich ihres

Verantwortlichkeitsgefühls genau. Die Konkretheit des Anforderungsprofils zeigt sich

ebenfalls gleich dem Gesamt-Median.

- Im Cluster 2 profitieren die Recruiter weder von einem strukturierten Interview, noch

von einem konkreten Anforderungsprofil. Weiterhin müssen sie keine Rechenschaft

über ihre eignungsdiagnostischen Entscheidungen abgeben. Dadurch zeigen sich

auch ihr Verantwortlichkeitsgefühl sowie die Ausprägung von Analytik nur sehr wenig.

- Im Cluster 3 müssen die Recruiter ihre Entscheidungen zwar nicht begründen, sie

nutzen aber die Vorteile eines strukturierten Interviews sowie eines konkreten

Anforderungsprofils. Dennoch fallen Verantwortlichkeitsgefühl und Analytik weit unter

dem Gesamt-Median aus.

- Cluster 4 schließlich repräsentiert diejenigen Recruiter, die bei ihren

eignungsdiagnostischen Entscheidungen durch alle aufgeführten organisationalen

Rahmenbedingungen profitieren. Sie nutzen ein konkretes Anforderungsprofil, ein

strukturiertes Interview und sind auch zu Rechenschaft über ihre

eignungsdiagnostischen Entscheidungen verpflichtet. Dementsprechend zeigen auch

die Evaluationsfelder Verantwortlichkeitsgefühl und Analytik sehr starke

Ausprägungen.

Weiterhin lassen sich die Cluster durch folgende demografische Variablen charakterisieren:

Tabelle 44: Charakterisierung der Clusterlösung 4 anhand demografischer Variablen

Charakterisierung der Cluster – demografische Variablen

Cluster Recruiting-Status Unternehmensgröße Weiterbildung

1 75% int, 22% ext 22% <50, 22% 150-500 41% 1-3, 25% keine

2 55% int, 33% ext 31% <50, 26% >2000 49% 1-3, 29% keine

3 49% int, 40% ext 27% <50, 24% >2000 44% 1-3, 27% keine

4 62% int, 21% ext 32% >2000, 21% 500-1000 54% 1-3, 17% 3-5

Anm.: Darstellung prozentualer Häufigkeiten für Recruiting-Status, Unternehmensgröße, Häufigkeit Weiterbildung; die beiden am häufigsten genannten Aspekte sind jeweils aufgeführt; relevante Unterschiede sind markiert;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

166

Die demografischen Ergebnisse zeigen, dass sich besonders Cluster 4 von den anderen

Clustern differenzieren lässt.

Wesentliche Unterschiede bestehen in der Unternehmensgröße sowie in der Häufigkeit der

Weiterbildung. So zeigt sich für Cluster 4, dass vor allem in Großunternehmen die für

eignungsdiagnostische Entscheidungen relevanten organisationalen Rahmenbedingungen

erfolgreich implementiert sind und deren positive Effekte noch durch Weiterbildungen ergänzt

werden.

Mithilfe eines multivariaten allgemeinen linearen Modells werden nun auch die

Gruppenunterschiede der einzelnen Cluster hinsichtlich ihrer Ausprägungen für die

abhängigen Variablen Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses, der

Entscheidungsdissonanz sowie des Verantwortlichkeitsgefühls für die den Clustern

zugeordneten Recruiter untersucht.

Der Test auf Zwischen-Gruppen-Unterschiede zeigt mit F(3, 268)=21.38 für Ana, F(3,

268)=8.15 für Ver, F(3, 268)=2.06 für Diss für die erst genannten abhängigen Variablen hoch-

signifikante Haupteffekte (p<.001). Für Entscheidungsdissonanz fällt der Haupteffekt nur

knapp-signifikant (p=.106) aus.

Besonders für die abhängige Variable Analytik ergibt sich mit Eta²=.193 und korr.R²=184 eine

hohe Varianzaufklärung.

Tabellengruppe 5: Multivariates ALM Clusterlösung 4

Faktor Cluster auf Ana, Ver Diss, Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede

Clusterlösung AV F(3, 268) p Eta² R² Korr.R²

4:Rech, StrI,

KoA

Ana 21.38 .000 .193 .193 .184

Ver 8.15 .000 .084 .084 .073

Diss 2.06 .106 .023 .023 .012

Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;

Multivariate Tests Wert F df1 df2 p Eta²

Pillai-Spur .22 7.10 9 804 .000 .074

Wilks-Lambda .78 7.63 9 648 .000 .079

Hotelling-Spur .27 8.05 9 794 .000 .084

Größte charakt. Wurzel Roy .26 23.03 3 268 .000 .205

Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 41.60, F(18, 196579)=2.26, p=.002; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Ana F(3, 268)=3.29, p=.021; für Ver F(3, 268)=2.5, p=.060; für Diss F(3, 268)=2.28, p=.080;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

167

Clusterlösung 4: Rech/StrI/KoA auf Ana, Ver, DissÜbersicht der Parameterschätzer

AV Cluster N MW SD β p Eta²

Ana 1 64 4.52 .59 -.49 .000 .078

2 51 4.31 .74 -.70 .000 .131

3 81 4.31 .60 -.70 .000 .162

4 76 5.01 .52 0 . .

Ver 1 64 4.71 .80 -.21 .169 .007

2 51 4.33 .92 -.59 .000 .046

3 81 4.29 1.07 -.63 .000 .067

4 76 4.93 .78 0 . .

Diss 1 64 2.38 .69 .19 .098 .010

2 51 2.37 .74 .28 .023 .019

3 81 2.38 .73 .19 .075 .012

4 76 2.19 .56 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; die signifikanten Ergebnisse sind markiert;

Innerhalb der Clusterlösung 4 zeigen sich für fast alle abhängigen Variablen mit p<.10

signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Clustern.

Diejenigen Recruiter in Cluster 4, die von allen in der Clusterbildung berücksichtigten

organisationalen Rahmenbedingungen profitieren, zeigen mit MW=5.01 erwartungsgemäß

die stärksten analytischen Ausprägungen hinsichtlich ihrer eignungsdiagnostischen

Entscheidungsmuster, das am stärksten ausgeprägte Verantwortlichkeitsgefühl (MW=4.93)

sowie die geringsten Ausprägungen in der Entscheidungsdissonanz (MW=2.19).

Weiterhin zeigen die Recruiter in Cluster 1 mit β=-.49, p=.000 und einem MW=4.52 für

Analytik sowie β=-.21, p=.169 und einem MW=4.71 für Verantwortlichkeitsgefühl tendenziell

noch ähnliche Ausprägungen, die vor allem auf den Effekt der Rechenschaftsverpflichtung

zurück zu führen sind (siehe Abbildung 16).

Somit zeigen sich auch hier, analog zu den Ergebnissen der Strukturgleichungsmodellierung,

die positiven Effekte organisationaler Rahmenbedingungen, insbesondere für die Variable

Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters.

Dennoch fallen auch hier der Box-M Test und Levene-Test für alle Variablen signifikant aus,

da auch hier der Cluster 2 (N= 51) in seiner Stichprobengröße von den anderen Clustern

abweicht. Doch auch hier zeigt sich mit F(3, 268)=23.03, p=.000 der multivariate Test nach

Roy hoch-signifikant und indiziert trotzdem eine hohe Varianzaufklärung von Eta²=.205.

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168

6.5 Analyse von Gruppenunterschieden – uni- und multivariate allgemeine lineare

Modelle

Nachdem konform zu dem dynamisch-interaktionistischen Paradigma der Psychologie sowie

den postulierten Hypothesen nachgewiesen wurde, dass sowohl die Lernprozesse des

Recruiters als auch die organisationalen Rahmenbedingungen die Analytik seines Urteils-

und Entscheidungsprozesses bei Einstellungsinterviews beeinflussen (Kapitel 6.2), gilt es

nun, den Einfluss demografischer Variablen (Kapitel 6.5.1) auf die Analytik der Urteils- und

Entscheidungsprozesse von Recruitern zu spezifizieren.

Ebenfalls sollen die Einflüsse von Unternehmensgröße und Recruitingstatus als interne

Personalfachkraft oder externer Personaldienstleister auf die jeweiligen Ausprägungen der

organisationalen Rahmenbedingungen Rechenschaftsverpflichtung, Strukturiertheit des

Interviews, Konkretheit des Anforderungsprofils und Systematik des Feedbacks untersucht

werden (Kapitel 6.5.2).

Zur Berechnung der Gruppenunterschiede werden uni- und multivariate allgemeine lineare

Modelle (ALM) mit SPSS 19 berechnet.

6.5.1 Einfluss demografischer Variablen auf die Analytik des eignungs-

diagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozesses

Von allen erhobenen demografischen Variablen zeigt nur der Faktor Dauer der

Unternehmenszugehörigkeit keinen Effekt auf die Analytik des Urteils- und

Entscheidungsprozesses eines Recruiters. Diese Ergebnisse werden deshalb nicht

aufgeführt143.

Vorab sollte noch festgehalten werden, dass die im folgenden Kapitel aufgenommene

abhängige Variable Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses trotz Normalverteilung

nur eine sehr geringe Streuung aufweist, weshalb sich die dargestellten Gruppen-Mittelwerte

der Skala grundsätzlich nicht stark voneinander unterscheiden (MW=4.55, SD=.67, Min=2.63,

Max=6.00, vgl. auch Kapitel 6.2.5).

Dennoch wurden für einige Faktoren signifikante Gruppenunterschiede gefunden. Diese

werden nun dargestellt und im Gesamtkontext der Arbeit interpretiert.

143 Sie sind aber im externen Anhang einsehbar.

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169

Fachrichtung des qualifizierenden Studiums

Tabelle 45: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Fachrichtung des Studiums

Gruppenunterschiede für Fachrichtung des Studiums auf AnaÜbersicht der Parameterschätzer

Fachrichtung N MW SD β p Eta²

o.A. 44 4.39 .63 .02 .870 .000

Wirtschaft 112 4.52 .65 .15 .234 .005

Psychologie 36 4.94 .60 .57 .000 .048

Recht 13 4.69 .59 .32 .129 .009

Erziehung 12 4.58 .59 .22 .326 .004

SoWi 21 4.62 .62 .25 .167 .007

Sonstiges 34 4.37 .78 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(6, 265)=3.21, p=.005; Eta² = .068, R²=.068, korr.R²=.047; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(6, 265)=.69, p=.656;

Die Ergebnisse zeigen mit einem substantiellen Haupteffekt von F(6, 265)=3.21, p=.005

sowie β=.57, einem Mittelwert von 4.94 und einem Erklärungsanteil des Faches Psychologie

an der Gesamtvarianz von 4,8%144 eine signifikant höhere Ausprägung der Analytik des

Urteils- und Entscheidungsprozesses bei Psychologen im Vergleich zu anderen

Fachrichtungen (Streuung von β=.02-.32 und MW 4.37-4.69 bei den anderen

Fachrichtungen).

Dies indiziert, dass sich Psychologen aufgrund ihrer Ausbildung und fachlich relevanten

Kompetenzen in ihrer Beurteilung und Entscheidung tatsächlich stärker an den konkreten

Anforderungen ausrichten und diese im Einstellungsinterview analytisch abtesten sowie

systematisch zu bestätigen oder zu widerlegen suchen.

Dieses Ergebnis unterstützt die Forderung der DIN 33430, dass nur eignungsdiagnostisch

qualifizierte Personen Personalbeurteilungen vornehmen sollten (siehe Kapitel 2.1).

Die geringsten analytischen Ausprägungen zeigen diejenigen Recruiter, die keine Angaben

gemacht (MW=4.39) oder Sonstiges (MW=4.37) angegeben haben. Eventuell liegt hier sogar

keine fachliche Berufsqualifizierung vor.

Danach folgen die Wirtschaftswissenschaftler (β=.15 MW=4.52), die mit 112 Personen auch

den größten Anteil der Stichprobe ausmachen.

144 gesamtes partielles Eta² für den Faktor Fachrichtung nur .068 = 6,8% Varianzaufklärung;

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170

Die Teilnehmer mit dem fachlichen Hintergrund Rechts-, Erziehungs- und

Sozialwissenschaften (β=.32, MW=4.69, β=.22, MW=4.58 und β=.25, MW=4.62) zeigen im

Vergleich ebenfalls tendenziell analytischere Urteils- und Entscheidungsmuster als die

Teilnehmer mit wirtschaftswissenschaftlicher Ausbildung.

Um die Unterschiede für den demografischen Faktor Fachrichtung noch weiter für die

Variablen Entscheidungsdissonanz und Expertise zu spezifizieren, wurde dafür noch ein

weiteres multivariates allgemeines lineares Modell berechnet.

Hier zeigt sich mit F(6, 265)=2.74, p=.013 und Eta²=.058 ein signifikanter Haupteffekt auf die

abhängige Variable Expertise. Der Effekt auf Entscheidungsdissonanz fällt mit F(6,

265)=1.74, p=.111 hingegen nur knapp signifikant aus.

Die Ergebnisse sind in der Tabellengruppe 6 dargestellt.

Tabellengruppe 6: Multivariates ALM – Fachrichtung auf Entscheidungsdissonanz und Expertise

Faktor Fachrichtung auf Entscheidungsdissonanz und Expertise Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede

Variable AV F(6, 265) p Eta² R² Korr.R²

Fachrichtung Diss 1.74 .111 .038 .038 .016

Exp 2.74 .013 .058 .058 .037

Anm.: Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(df1, df2), Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;

Multivariate Tests Wert F df1 df2 p Eta²

Pillai-Spur .11 2.48 12 530 .004 .053

Wilks-Lambda .90 2.48 12 528 .004 .053

Hotelling-Spur .11 2.48 12 526 .004 .054

Größte charakt. Wurzel Roy .08 3.42 6 265 .003 .072

Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 10.24, F(18, 24359)=.55, p=.937; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Entscheidungsdissonanz F(6, 265)=.57, p=.754; für Expertise F(6, 265)=.78, p=.588;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

171

Übersicht der Parameterschätzer AV Fach N MW SD β p Eta²

Diss

o.A. 44 2.21 .60 -.33 .036 .017

Wirtschaft 112 2.27 .66 -.27 .047 .015

Psychologie 36 2.39 .72 -.15 .355 .003

Recht 13 2.28 .57 -.26 .246 .005

Erziehung 12 2.75 .81 .21 .356 .003

SoWi 21 2.41 .71 -.13 .502 .002

Sonstiges 34 2.54 .76 0 . .

Exp

o.A. 44 4.17 1.20 .08 .793 .000

Wirtschaft 112 3.65 1.27 -.45 .074 .012

Psychologie 36 4.06 1.44 -.04 .889 .000

Recht 13 3.26 1.33 -.84 .043 .015

Erziehung 12 3.47 1.53 -.63 .143 .008

SoWi 21 3.21 1.12 -.89 .012 .024

Sonstiges 34 4.10 1.11 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;

Interessant ist hierbei, dass die Gruppe der Wirtschaftswissenschaftler, trotz einem signifikant

geringeren analytischen Entscheidungsstil als alle anderen Fachrichtungen (siehe Tabelle

45), dennoch signifikant weniger Entscheidungsdissonanz bezogen auf ihre eignungs-

diagnostischen Entscheidungen empfinden (β=-.27, MW=2.27, Eta²=.015) als Gruppen

anderer Fachrichtungen.

Dies impliziert, dass sich die Gruppe der Wirtschaftswissenschaftler deutlich sicherer als die

Gruppen anderer Fachrichtungen bei Personalentscheidungen fühlt und ihre Urteile weniger

kritischer hinterfragt und anzweifelt, als es zum Beispiel Erziehungswissenschaftler (mit

MW=2.75 höchste Ausprägung), Sozialwissenschaftler und Psychologen tun.

Ebenfalls beschreibt sich die Gruppe der Wirtschaftswissenschaftler (β=-.45, MW=3.65,

Eta²=.012) – ungerechtfertigt wie in Tabelle 45 ersichtlich – eher als Gruppe von „Experten“,

als es auch hier wieder alle anderen Fachgruppen, außer die der Psychologen tun (Streuung

von β=-.63 bis β=-.89 sowie MW=3.21-3.47 für Rechts-, Erziehungs- und Sozial-

wissenschaftler).

Dies weist auf die Gefahr hin, dass sich besonders bei „Nicht-Eignungsdiagnostikern“ wenig

analytische Entscheidungsmuster durch simple Wiederholung verfestigen und somit zu dem

Phänomen der intuitiven Selbstüberschätzung (nach Kahneman & Klein, 2009, S.518) führen

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

172

können. Dadurch steigt dann zwar die subjektive Sicherheit bei der Entscheidungsfindung,

allerdings nicht die eignungsdiagnostische Objektivität und Gültigkeit der Entscheidung (siehe

Kapitel 4.3).

Die befragten Psychologen, beschreiben sich mit MW=4.06 am eindeutigsten als

eignungsdiagnostische Experten, was aber auch in Kongruenz zu ihrem stark analytisch

geprägten Entscheidungsstil steht.

Recruitingstatus als interne Personalfachkraft vs. externer Personaldienstleister

Tabelle 46: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Recruitingstatus

Gruppenunterschiede für Recruitingstatus auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer

Recruitingstatus N MW SD β p Eta²

Interne Personalfachkraft 163 4.61 .63 .18 .061 .015

Externer Personaldienstleister 79 4.44 .77 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(1, 240)=3.54, p=.061; Eta² = .015, R²=.015, korr.R²=.010; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(1, 240)=3.42, p=.066;

Zwischen intern angestellten Personalfachkräften und externen Personaldienstleistern zeigen

sich ebenfalls signifikante Unterschiede bezogen auf die Analytik des Urteils- und

Entscheidungsprozesses (Haupteffekt von F(1, 240)=3.54, p=.061).

So entscheiden interne Personalangestellte etwas analytischer als externe

Personaldienstleister (β=.18, MW=4.61 im Vergleich zu MW=4.44, Eta²=.015).

Erklären lässt sich dies womöglich durch die konkretere Kenntnis der

unternehmensspezifischen Anforderungen bei internen Personalfachkräften, die dann im

Beurteilungsprozess als Referenz fungieren. Ebenfalls bieten sich einem

Personalangestellten im Vergleich zu einem externen Personaldienstleister mehr

Möglichkeiten, seine Beurteilungen auch im Nachhinein noch mit Hilfe konkreter Erfahrungen,

Mitarbeiter-Beurteilungen sowie -Gesprächen zu reflektieren und zu evaluieren. So kann sich

ein ehemaliger Bewerber als Mitarbeiter in konkreten Arbeitssituationen möglicherweise

anders verhalten, als es der Recruiter im Einstellungsinterview prognostiziert hat. Dies führt

dann mit erhöhter Wahrscheinlichkeit dazu, dass der Recruiter sein Urteil und seine

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

173

eignungsdiagnostischen Entscheidungsregeln hinterfragt und modifiziert, als es ein externer

Personaldienstleister kann, der dieses Feedback nicht erhält (siehe auch Kapitel 2.3.3).

Um diese Erklärungen auch varianzanalytisch belegen zu können, wurde ein weiteres

multivariates ALM berechnet, in diesem Fall mit dem Faktor Recruitingstatus für die zu

erklärenden Variablen Systematik des Feedbacks, Konkretheit des Anforderungsprofils sowie

Kenntnis des Anforderungsprofils.

Der Vergleich der Mittelwerte bestätigt die geäußerten Zusammenhänge145, allerdings

bestehen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der genannten Variablen146.

Auch hinsichtlich der eingeschätzten Expertise und wahrgenommenen

Entscheidungsdissonanz unterscheiden sich interne Personalfachkräfte und externe

Personaldienstleister nicht weiter signifikant voneinander147.

Praktische Erfahrung in der Durchführung von Einstellungsinterviews

Tabelle 47: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Erfahrung in Einstellungsinterviews auf Analytik

Gruppenunterschiede für Erfahrung auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer

Gruppe Erfahrung

N MW SD β p Eta²

bis 3 Jahre 76 4.39 .68 -.23 .010 .025

über 3 Jahre 196 4.62 .66 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(1, 270)=6.81, p=.010; Eta² = .025, R²=.025, korr.R²=.021; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(1, 270)=.21, p=.648;

Auch der Faktor Erfahrung in der praktischen Durchführung von Einstellungsinterviews hat

einen signifikanten Haupteffekt auf die Analytik im Urteils- und Entscheidungsprozess: F(1,

270)=6.81, p=.010.

Die Recruiter mit wenig Erfahrung (< 3 Jahre) entscheiden auch weniger analytisch als die

Recruiter mit mehr Erfahrung (> 3 Jahre) (β=-.23, MW=4.39 im Vergleich zu MW=4.62,

145 KoA: MW=4.42 für interne im Vergleich zu MW=4.22 für externe Personaler; KeA: MW=3.67 für interne im Vergleich zu MW=3.52 für externe Personaler; SysF nur minimaler Unterschied: MW=3.01 für interne im Vergleich zu MW=2.93 für externe Personaler; 146 F(1, 240)=.20, p=.656 für SysF, F(1, 240)=1.64, p=.202 für KoA, F(1, 240)=.96, p=.328 für KeA; siehe externer Anhang; 147 F(1, 240)=.33, p=.566 für Exp, F(1, 240)=1.60, p=.207 für Diss; siehe externer Anhang;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

174

Eta²=.025). Es lässt sich also ein positiver Effekt von Erfahrung auf eignungsdiagnostische

Informationsverarbeitungsprozesse feststellen.

Die Annahme, dass Erfahrung vor allem zur Verfestigung subjektiver Entscheidungsregeln

bzw. nicht-evaluierter Routine führt (vgl. Kapitel 4.3), kann in der vorliegenden Untersuchung

somit nicht bestätigt werden.

Dies wird auch in der folgenden Berechnung deutlich:

Tabelle 48: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Erfahrung in Einstellungsinterviews auf Expertise

Gruppenunterschiede für Erfahrung auf ExpertiseÜbersicht der Parameterschätzer

Gruppe Erfahrung

N MW SD β p Eta²

bis 3 Jahre 76 2.90 1.03 -1.23 .000 .182

über 3 Jahre 196 4.13 1.31 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(1, 270)=60.23, p=.000; Eta² = .182, R²=.182, korr.R²=.179; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(1, 270)=3.6, p=.059;

Der Faktor Erfahrung erklärt hierbei mit 18,2% einen Großteil der Varianz der zu erklärenden

Variable Expertise (F(1, 270)=60.23, p=.000, Eta²=.182).

Die objektive Erfahrung des Recruiters hängt also sehr stark mit der subjektiven

Einschätzung „Ich bin ein eignungsdiagnostischer Experte“ zusammen (β=-1.23, MW=2.90

für Recruiter mit <3 Jahren Erfahrung im Vergleich zu MW=4.13 für Recruiter mit >3 Jahren

Erfahrung) und führt tatsächlich zu einem analytischen Entscheidungsmodus.

Erfahrene Interviewer weisen somit einen stärker analytisch geprägten Entscheidungsmodus

auf, als weniger erfahrene Interviewer.

Somit kann die These, dass sich eignungsdiagnostische Erfahrung vor allem in

ungerechtfertigter überhöhter Selbsteinschätzung manifestiert (siehe Kapitel 4.3), in dieser

Arbeit nicht bestätigt werden.

Vielmehr zeigen die Ergebnisse den gegenteiligen Zusammenhang. Auch dieser sollte durch

weitere Forschungsarbeiten weiter untersucht werden.

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Unternehmensgröße

Tabelle 49: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Unternehmensgröße

Gruppenunterschiede für Unternehmensgröße auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer

Unternehmens-größe

N MW SD β p Eta²

< 50 MA 64 4.38 .73 -.26 .024 .019

50-150 MA 29 4.38 .66 -.27 .071 .012

150-500 MA 52 4.58 .70 -.07 .574 .001

500-1000 MA 35 4.78 .62 .13 .351 .003

1000-2000 MA 24 4.57 .47 -.08 .620 .001

>2000 MA 66 4.65 .64 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(6, 265)=2.08, p=.056; Eta² = .045, R²=.45, korr.R²=.023; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(6, 265)=1.15, p=.336;

Die Ergebnisse zeigen weiterhin für den Faktor Unternehmensgröße einen signifikanten

Haupteffekt (F(6, 265)=2.08, p=.056) auf den individuellen Entscheidungsmodus der

befragten Recruiter.

Die Ergebnisse zeigen mit β=-.26 (MW=4.38, Eta²=.019) bei Recruitern in kleinen

Unternehmen mit <50 MA (N=64) und β=-.27 (MW=4.38, Eta²=.012) bei Recruitern in

Unternehmen mit 50-150 MA (N=29) eine signifikant niedrigere Ausprägung der Analytik des

Urteils- und Entscheidungsprozesses im Vergleich zu Recruitern in größeren Unternehmen

(Streuung von β=-.07-.13 und MW 4.57-4.78148).

Die höchsten Mittelwerte zeigen Recruiter in Unternehmen mit 500-1000 MA (N=35, β=.13,

MW=4.78, Eta²=.003).

Den größten Anteil an der Stichprobe sind mit N=66 Recruiter aus Großunternehmen oder

Konzernen mit über 2000 Mitarbeitern und einem Mittelwert von 4.65, was ebenfalls auf die

dortige stark analytisch geprägte eignungsdiagnostische Praxis hinweist.

Dies indiziert, konform zu den Ergebnissen Stephan`s & Westhoff`s (2002) sowie den

Ergebnissen der Clusteranalyse (Kapitel 6.4), dass vor allem in kleinen und mittelständischen

Unternehmen eignungsdiagnostischer Handlungsbedarf und Optimierungspotenzial

bestehen. Dies wird auch in Kapitel 6.5.2 noch weiter untersucht.

148 2 Personen, die keine Angaben zur Unternehmensgröße gemacht haben, wurden aus der tabellarischen Darstellung ausgeschlossen;

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Unternehmensbranche

Tabelle 50: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Unternehmensbranche

Gruppenunterschiede für Unternehmensbranche auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer

Branche N MW SD β p Eta²

o.A. 4 4.25 1.30 -.96 .055 .015

Automobil 17 4.95 .71 -.26 .525 .002

Bau 1 4.50 . -.71 .347 .004

Bildung 1 4.75 . -.46 .543 .002

Chemie 5 4.58 .77 -.63 .184 .007

Dienstleistung 26 4.56 .48 -.65 .105 .011

Einzelhandel 2 3.63 .00 -1.58 .008 .028

Energie 6 5.19 .39 -.02 .964 .000

Finanzen/Versicherung 34 4.63 .66 -.58 .138 .009

Gesundheit 4 4.38 .87 -.83 .095 .011

Handel 6 4.23 .22 -.98 .034 .018

Immobilien 4 4.22 .30 -.99 .048 .016

Industrie 45 4.64 .55 -.56 .148 .009

IT 6 4.00 .44 -1.21 .009 .028

Konsumgüter 2 4.63 .00 -.58 .327 .004

Logistik 5 4.55 .34 -.66 .167 .008

Luft- & Raumfahrt 2 4.25 .88 -.96 .108 .011

Medien 4 4.59 .85 -.62 .218 .006

Medizintechnik 1 4.63 . -.58 .439 .002

öffentlicher Dienst 6 4.67 .26 -.54 .241 .006

Personaldienstleistung 62 4.31 .77 -.89 .021 .022

Pharmazie 1 4.00 . -1.21 .109 .011

Telekommunikation 1 4.50 . -.71 .347 .004

Textil 2 4.75 1.41 -.46 .441 .002

Tourismus 2 4.50 .53 -.71 .235 .006

Transport 1 4.75 . -.46 .543 .002

Unternehmensberatung 17 4.91 .59 -.30 .468 .002

Verkehr 1 4.50 . -.71 .347 .004

Verpackungen 1 4.25 . -.96 .204 .007

Versorgung 3 5.21 .89 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(29, 242)=1.51, p=.050; Eta² = .154, R²=.154, korr.R²=.052; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(29, 242)=2.31, p=.000;

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177

Auch die Unternehmensbranche zeigt mit einer Varianzaufklärung von 15,4% einen

signifikanten Haupteffekt (F(29, 242)=1.51, p=.050) hinsichtlich der Analytik der Urteils- und

Entscheidungsprozesse der agierenden Recruiter.

Die Streuung fällt mit MW von 4.00-5.21 recht breit aus und zeigt besonders für die Branchen

Automobil (MW=4.95), Energie (MW=5.19), Unternehmensberatung (MW=4.91) und

Versorgung (MW=5.21) besonders stark analytisch geprägte Urteils- und

Entscheidungsmuster der dort handelnden Recruiter.

Signifikant abweichende Urteils- und Entscheidungsprozesse lassen sich für die in

Minderheiten vertretenen Branchen Einzelhandel, Gesundheit, Handel, Immobilien, IT, Luft &

Raumfahrt, Pharmazie und o.A. feststellen (N gesamt =19, Streuung von β=-1.58 bis β=-.83

und MW=3.63 - 4.38).

Allerdings zeigt auch die Branche Personaldienstleistung (β=-.89, MW=4.31, Eta²=.022; mit

N=62 größter Branchenanteil der Stichprobe) signifikant niedrigere Ausprägungen der

Analytik im Urteils- und Entscheidungsprozess.

Analog zu den in Tabelle 46 bereits dargestellten Ergebnissen zum Recruitingstatus intern

vs. extern, kann diese deutliche Abweichung besonders deshalb als problematisch

interpretiert werden, da externe Personaldienstleister aufgrund ihrer fachlichen

Spezialisierung im Bereich Recruiting, Personalauswahl oder auch Personalentwicklung, in

der Regel als Experten engagiert werden, um Unternehmen bei Personalauswahlprozessen

extern zu unterstützen, diese zu optimieren oder sogar für das Unternehmen zu übernehmen.

Im Wiederspruch dazu zeigen sich bei Personaldienstleistern in der vorliegenden Arbeit

allerdings keine stärker analytisch geprägten Entscheidungsmuster, die letztlich als Indikator

für die Güte der eignungsdiagnostischen Entscheidung fungieren, als bei internen

Personalfachkräften.

Deshalb mag der eignungsdiagnostische Nutzen von Personaldienstleistungen womöglich in

der Gestaltung und Durchführung von Assessment Centern oder anderen Elementen der

Personalauswahl oder -entwicklung liegen, bezogen auf die Durchführung von

Einstellungsinterviews allerdings, lässt sich der Nutzen einer Personaldienstleitung aufgrund

der vorliegenden Ergebnisse vorerst anzweifeln.

Zur weiteren Klärung des Zusammenhanges sollte auch die zukünftige Forschung beitragen.

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Häufigkeit der eignungsdiagnostischen Weiterbildung

Tabelle 51: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Häufigkeit eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf Analytik

Gruppenunterschiede Häufigkeit Weiterbildung auf AnalytikÜbersicht der Parameterschätzer

Weiterbildung N MW SD β p Eta²

mehr als 5 mal 42 4.47 .73 .08 .529 .001

3-5 mal 37 4.69 .68 .31 .025 .019

1-3 mal 128 4.63 .62 .25 .016 .022

noch nicht 65 4.38 .70 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(3, 268)=2.76, p=.043; Eta² = .030, R²=.030, korr.R²=.019; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(3, 268)=.76, p=.515;

Auch der Faktor eignungsdiagnostischer Weiterbildung zeigt einen signifikanten Haupteffekt

auf die Analytik im Urteils- und Entscheidungsprozess der befragten Recruiter (F(3,

268)=2.76, p=.043; vgl. auch Kapitel 2.3.3 zum Interviewertraining).

Die Recruiter mit bereits 1-3 und 3-5 absolvierten Weiterbildungen entscheiden signifikant

analytischer als diejenigen Recruiter, die noch keine Weiterbildung besucht haben (β=.31,

MW=4.69 für die Gruppe 3-5 Weiterbildungen; β=.25, MW=4.63 für die Gruppe 1-3

Weiterbildungen im Vergleich zu MW=4.38 für die Gruppe ohne Weiterbildungen).

Der positive Trainingseffekt erreicht allerdings bei mehr als 5 absolvierten Weiterbildungen

einen Deckeneffekt, denn ein positiver Effekt bzw. eine weitere Steigerung der Analytik im

Urteils- und Entscheidungsprozess durch noch mehr Weiterbildungen lässt sich hier nicht

feststellen. Die Gruppe der Recruiter, die schon an mehr als 5 Weiterbildungen

teilgenommen hat, zeigt mit einem MW=4.47 wieder niedrigere Ausprägungen.

Interessant ist hierbei in diesem Zusammenhang, dass die eingeschätzte Expertise fast linear

mit der Anzahl der absolvierten Weiterbildungen steigt, wie bei Sichtung der jeweiligen

Parameterschätzer des ALM`s in Tabelle 52 ersichtlich wird.

Der Faktor Häufigkeit eignungsdiagnostischer Weiterbildung erklärt hierbei mit 22,3% einen

Großteil der Varianz der zu erklärenden Variable Expertise (Haupteffekt von F(3, 268)=25.62,

p=.000, Eta²=.223).

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179

Trotzdem also diejenigen Recruiter, die schon an mehr als 5 Weiterbildungen teilgenommen

haben, wieder niedrigere analytische Ausprägungen zeigen, beschreiben sie sich dennoch

am eindeutigsten – und ungerechtfertigt wie in Tabelle 51 ersichtlich – als Experten (β=1.8,

MW=4.69, Eta²=.190). Die anderen Gruppen zeigen sich dort selbstkritischer (Streuung

β=.87-1.52, MW=2.89 - 4.41).

Tabelle 52: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für Häufigkeit eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf Expertise

Gruppenunterschiede für Häufigkeit Weiterbildung auf ExpertiseÜbersicht der Parameterschätzer

Weiterbildung N MW SD β p Eta²

mehr als 5 mal 42 4.69 .86 1.8 .000 .190

3-5 mal 37 4.41 1.03 1.52 .000 .134

1-3 mal 128 3.76 1.16 .87 .000 .084

noch nicht 65 2.89 1.32 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(3, 268)=25.62, p=.000; Eta² = .223, R²=.223, korr.R²=.214; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(3, 268)=1.88, p=.133;

Eingeschätzter eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf

Tabelle 53: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf auf Analytik

Gruppenunterschiede für Weiterbildungsbedarf auf Analytik Übersicht der Parameterschätzer

Weiterbildungs-bedarf

N MW SD β p Eta²

sehr hoch 13 4.49 .47 -.85 .006 .028

hoch 72 4.60 .65 -.74 .005 .029

mittel 123 4.47 .68 -.87 .001 .041

gering 57 4.59 .64 -.75 .005 .029

kein Bedarf 7 5.34 .79 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert; Signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(4, 267)=3.15, p=.015; Eta² = .045, R²=.045, korr.R²=.031; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(4, 267)=1.03, p=.390;

Zum Schluss findet sich auch für den eingeschätzten eignungsdiagnostischen

Weiterbildungsbedarf der Recruiter ein signifikanter Haupteffekt auf die Analytik ihres Urteils-

und Entscheidungsprozesses (F(4, 267)=3.15, p=.015, Eta²=.045).

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180

Interessant ist, dass die Streuung zwischen den Gruppen sehr hoher bis geringer

Weiterbildungsbedarf nur sehr gering ist (MW=4.47-4.60), die subjektive Einschätzung sich

also nicht mit den tatsächlichen Fakten deckt.

Allerdings gibt es eine kleine Gruppe von Recruitern (N=7), die keinen Weiterbildungsbedarf

angibt und auch sehr hohe analytische Ausprägungen in ihrem Entscheidungsstil aufweist

(MW=5.34). Somit unterscheiden sich die anderen Gruppen sehr stark (β=-.74 bis β=-.87)

von dieser Experten-Gruppe.

Der eingeschätzte eignungsdiagnostische Weiterbildungsbedarf verläuft auch hier wieder fast

linear mit der eingeschätzten Expertise der befragten Recruiter.

Auch hier beschreiben sich diejenigen Recruiter, die am stärksten analytisch entscheiden und

demzufolge auch keinen Weiterbildungsbedarf angeben, mit einem Mittelwert von 4.81

eindeutig als Experten (F(4, 267)=1.52, p=.195).

Tabelle 54: Univariates ALM – Gruppenunterschiede für eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf auf Expertise

Gruppenunterschiede für Weiterbildungsbedarf auf ExpertiseÜbersicht der Parameterschätzer

Weiterbildungs-bedarf

N MW SD β p Eta²

sehr hoch 13 3.46 1.35 -1.35 .026 .018

hoch 72 3.71 1.41 -1.1 .032 .017

mittel 123 3.75 1.17 -1.06 .034 .017

gering 57 3.91 1.34 -.90 .081 .011

kein Bedarf 7 4.81 1.44 0

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; die signifkanten Ergebnisse sind markiert; Nicht-signifikanter Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(4, 267)=1.52, p=.195; Eta² = .022, R²=.022, korr.R²=.008; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz F(4, 267)=1.24, p=.292;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

181

6.5.2 Einfluss der Unternehmensgröße und des Recruitingstatus auf die

organisationalen Rahmenbedingungen eignungsdiagnostischer

Entscheidungen

Im Folgenden sollen die organisationalen Rahmenbedingungen unter denen Recruiter

eignungsdiagnostische Entscheidungen treffen, anhand der Faktoren Unternehmensgröße

und Recrutingstatus intern vs. extern voneinander differenziert werden.

Der Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede zeigt zunächst, ob signifikante Haupteffekte

für die jeweiligen Faktoren bestätigt werden können.

Es können signifikante Haupteffekte für beide Faktoren Unternehmensgröße und

Recruitingstatus zunächst nur für die abhängige Variable Rechenschaftsverpflichtung

gefunden werden (Unternehmensgröße: F(6, 265)=4.26, p=.000, Eta²=.088; Recruitingstatus:

F(1, 240)=16.24, p=.000, Eta²=.063).

Tabelle 55: Faktoren Unternehmensgröße und Recruitingstatus auf organisationale Rahmenbedingungen – Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede

Faktoren Unternehmensgröße und Recruitingstatus auf Rech, StrI, SysF, KoA Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede

Variable AV F p Eta² R² Korr.R²

Unternehmens-

größe

Rech 4.26 .000 .088 .088 .067

StrI 1.13 .345 .025 .025 .003

SysF 1.29 .263 .028 .028 .006

KoA 1.09 .366 .024 .024 .002

Recruiting-

status

Rech 16.24 .000 .063 .063 .059

StrI 1.29 .258 .005 .005 .001

SysF .20 .656 .001 .001 -.003

KoA 1.64 .202 .007 .007 .003

Anm.: Darstellung Test der Zwischen-Gruppen-Unterschiede mit F(6, 265) für Unternehmensgröße, F(1, 240) für Recruitingstatus; Signifikanzniveau p, Partielles Eta², R² sowie korrigiertem R²;

Im Folgenden wird zunächst der Faktor Unternehmensgröße betrachtet.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

182

Tabellengruppe 7: Multivariates ALM – Unternehmensgröße auf organisationale Rahmenbedingungen

Multivariate Tests Wert F df1 df2 p Eta²

Pillai-Spur .16 1.82 24 1060 .009 .040

Wilks-Lambda .85 1.84 24 915 .008 .040

Hotelling-Spur .17 1.85 24 1042 .008 .041

Größte charakt. Wurzel Roy .11 4.77 6 265 .000 .097

Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 50.03, F(50, 55197)=.96, p=.564; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Rech F(6, 265)=3.81, p=.001; für StrI F(6, 265)=1.14, p=.339; für SysF F(6, 265)=.39, p=.883; für KoA F(6, 265)=.38, p=.894;

Unternehmensgröße auf organisationale RahmenbedingungenÜbersicht der Parameterschätzer

AV Gruppe N MW SD β p Eta²

Rech o.A. 2 4.25 2.37 -.23 .799 .000

< 50 MA 64 3.73 1.50 -.75 .001 .042

50-150 MA 29 3.50 1.37 -.98 .001 .044

150-500 MA 52 4.24 1.21 -.24 .304 .004

500-1000 MA 35 4.53 1.00 .05 .857 .000

1000-2000 MA 24 4.58 1.05 .10 .734 .000

>2000 MA 66 4.48 1.16 0 . .

StrI o.A. 2 5.00 .00 .32 .749 .000

< 50 MA 64 4.26 1.25 -.43 .080 .011

50-150 MA 29 4.06 1.65 -.62 .044 .015

150-500 MA 52 4.42 1.37 -.26 .315 .004

500-1000 MA 35 4.37 1.47 -.31 .285 .004

1000-2000 MA 24 4.08 1.28 -.60 .071 .012

>2000 MA 66 4.68 1.40 0 . .

SysF o.A. 2 2.00 1.41 -.86 .330 .004

< 50 MA 64 2.86 1.28 .00 .997 .000

50-150 MA 29 3.25 1.08 .39 .150 .008

150-500 MA 52 3.31 1.24 .46 .046 .015

500-1000 MA 35 3.05 1.13 .19 .461 .002

1000-2000 MA 24 2.97 1.24 .11 .697 .001

>2000 MA 66 2.86 1.26 0 . .

KoA

o.A. 2 5.00 .94 .52 .527 .002

< 50 MA 64 4.17 1.15 -.31 .117 .009

50-150 MA 29 4.28 1.09 -.21 .409 .003

150-500 MA 52 4.17 1.25 -.31 .139 .008

500-1000 MA 35 4.55 1.12 .07 .776 .000

1000-2000 MA 24 4.57 1.01 .09 .755 .000

>2000 MA 66 4.48 1.09 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

183

Die Ergebnisse zeigen mit einem Unterschied von β=-.75, MW=3.73, Eta²=.042 bei

Recruitern in kleinen Unternehmen mit < 50 MA (N=64) und β=-.98, MW=3.5, Eta²=.044 bei

Recruitern in Unternehmen mit 50-150 MA (N=29) eine signifikant niedrigere Ausprägung der

organisationalen Rahmenbedingung Rechenschaftsverpflichtung als in größeren

Unternehmen (Streuung β=.05 bis β=-.24 und MW=4.24-4.53).

Dies kann möglicherweise darauf zurück zu führen sein, dass Recruiter in kleinen

Unternehmen auch innerhalb kleinerer Teams Personalentscheidungen treffen, vielleicht

sogar gänzlich eigenverantwortlich, ohne dass die Entscheidungen noch vor Vorgesetzten

oder Teamkollegen begründet werden müssen.

Da der Faktor Rechenschaftsverpflichtung in der vorliegenden Arbeit aber als sehr effektive

kontextuelle Rahmenbedingung zur Kontrolle intuitiver Entscheidungsmuster identifiziert

worden ist, sollte dieses Potenzial auch von kleineren Unternehmen stärker berücksichtigt

werden. Hier zeigt sich also vor allem in kleineren Unternehmen noch dringender

Optimierungsbedarf.

Die Ergebnisse zeigen weiterhin mit einem Unterschied von β=-.43, MW=4.26, Eta²=.011 bei

Recruitern in kleinen Unternehmen mit < 50 MA (N=64) und β=-.62, MW=4.06, Eta²=.015 bei

Recruitern in Unternehmen mit 50-150 MA (N=29) sowie auch in größeren Unternehmen mit

1000-2000 MA mit β=-.60, MW=4.08, Eta²=.012 (N=24) eine substantiell niedrigere

Ausprägung der organisationalen Rahmenbedingung Strukturiertheit des Interviews als in

den anderen Unternehmen (Streuung MW=4.37 - 4.68).

Auch hier besteht also Optimierungsbedarf hinsichtlich der Standardisierung von

Personalauswahlprozessen. Überraschend ist, dass in dieser Stichprobe auch in großen

Unternehmen noch wenig strukturierte Einstellungsinterviews durchgeführt werden, obwohl

deren Effektivität vielfach überzeugend belegt wurde (Kapitel 2.3.1), auch in dieser Studie.

Die höchste Strukturierung weisen die Einstellungsinterviews in Unternehmen mit mehr als

2000 MA auf (MW=4.68).

Die höchste Ausprägung bezogen auf die Systematik des Feedbacks zeigen Unternehmen

mit 150-500 MA (β=.46, MW=3.31, Eta²=.015; N=52), die niedrigsten Ausprägungen zeigen

mit einem Mittelwert von 2.86 kleine Unternehmen mit <50 MA sowie auch große

Unternehmen mit >2000 MA.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

184

Innerhalb kleiner Unternehmen sollten potenzielle Evaluationskriterien grundsätzlich leichter

verfügbar sein als in Unternehmen mit größeren Strukturen, bei denen die Personalabteilung

häufig von den Fachabteilungen isoliert ist. Dieser Vorteil sollte deshalb in der Praxis

ausgenutzt werden.

Bei Betrachtung der Skala Systematik des Feedbacks wird mit durchgängig geringeren

Mittelwerten als bei allen anderen Skalen (vgl. auch Kapitel 6.2.5) deutlich, dass das Thema

Evaluation in der eignungsdiagnostischen Praxis grundsätzlich stark vernachlässigt wird,

unabhängig von der Unternehmensgröße.

Deshalb ist grundsätzlich hohes eigeninitiatives Engagement des Recruiters gefragt, wenn er

seine eignungsdiagnostischen Entscheidungsregeln und Prognosen mittels konkreter

Outcome-Variablen wie beruflichen Erfolgen des Mitarbeiters evaluieren möchte. Abhilfe

kann hier eine systematisch durchgeführte unternehmensweite Evaluation des

Entscheidungsprozesses schaffen. So könnte die standardisierte Auswertung des

Einstellungsinterviews im Vergleich zu der standardisierten Vorgesetztenbeurteilung des

Mitarbeiters ein erster Schritt auf dem Wege zu einer professionellen eignungsdiagnostischen

Praxis sein.

Die geringsten Ausprägungen bezogen auf die Konkretheit des Anforderungsprofils zeigen

Unternehmen mit <50 MA und Unternehmen mit 150-500 MA (jeweils β=.-31, MW=4.17,

Eta²=.009 bzw Eta²=.008). Hier zeigen größere Unternehmen stärkere Ausprägungen

(Streuung von MW 4.28-4.57).

Auch hier wird somit der Optimierungsbedarf in kleineren Unternehmen hinsichtlich der

professionellen Gestaltung von Personalauswahlprozessen erneut verdeutlicht.

Vor allem in kleineren Unternehmen sollte dabei der Vorteil der leichten Zugänglichkeit sowie

Verfügbarkeit von stellen- und anforderungsrelevanten Informationen zur Erstellung von

Anforderungsprofilen ausgenutzt werden.

Tabellengruppe 8 zeigt die Ergebnisse nun für den Faktor Recruitingstatus im Detail.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

185

Tabellengruppe 8: Multivariates ALM – Recruitingstatus auf organisationale Rahmenbedingungen

Multivariate Tests Wert F(4, 237) p Eta²

Pillai-Spur .08 5.26 .000 .082

Wilks-Lambda .92 5.26 .000 .082

Hotelling-Spur .09 5.26 .000 .082

Größte charakt. Wurzel Roy .09 5.26 .000 .082

Anm.: Box-M-Wert zur Prüfung der Homogenität der Varianz-Kovarianz-Matrix= 21.5, F(10, 115723)=2.1, p=.021; Levene-Test auf Homogenität der Fehlervarianz: für Rech F(1, 240)=18.76, p=.000; für StrI F(1, 240)=.47, p=.494; für SysF F(1, 240)=1.12, p=.292; für KoA F(1, 240)=.80, p=.372;

Gruppenunterschiede für Recruitingstatus auf organisationale Rahmenbedingungen Übersicht der Parameterschätzer

AV Gruppe N MW SD β p Eta²

Rech Interner Personaler 163 4.37 1.13 .70 .000 .063

Externer Dienstleister 79 3.67 1.51 0 . .

StrI Interner Personaler 163 4.25 1.42 -.22 .258 .005

Externer Dienstleister 79 4.46 1.35 0 . .

SysF Interner Personaler 163 3.01 1.20 .08 .656 .001

Externer Dienstleister 79 2.93 1.32 0 . .

KoA Interner Personaler 163 4.42 1.08 .19 .202 .007

Externer Dienstleister 79 4.22 1.15 0 . .

Anm.: Darstellung der Zellstichprobengröße (N), des Mittelwertes (MW), der Standardabweichung (SD), der Parameterschätzer (β), des Signifikanzniveaus (p) und Eta²; signifikante Ergebnisse sind markiert;

Obwohl sich die organisationalen Rahmenbedingungen zwischen intern angestellten

Personalfachkräften und externen Personaldienstleistern auf fast allen Variablen

unterscheiden, wird der Unterschied nur für den Faktor Rechenschaftsverpflichtung als

signifikant ausgewiesen.

Dieser Unterschied ist mit β=.70, p=.000, MW=4.37 für interne Personalfachkräfte im

Vergleich zu MW=3.67 für externe Personaldienstleister (Eta²=.063), allerdings substantiell.

Dies verwundert insofern, als dass externe Personaldienstleister im Regelfall als Berater von

einem Unternehmen engagiert werden und eine wesentliche Aufgabe der beratenden

Tätigkeit deshalb auch in der Begründung von Empfehlungen liegen sollte.

Das Ergebnis indiziert im Gegensatz dazu, dass der Dienstleister aufgrund seines

vermeintlichen Expertenstatus (vgl. auch Ergebnisse in Tabelle 46) seine

eignungsdiagnostischen Urteile und Entscheidungen im Nachhinein weniger rechtfertigen

und begründen muss, als ein unternehmenseigener Mitarbeiter.

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6 Empirische Prüfung der kausalen Zusammenhänge ___________________________________________________________________________________________

186

Dies ist im Hinblick auf die eignungsdiagnostische Qualitätssicherung als kritisch zu

bewerten.

Weiterhin zeigen sich auch für die Variablen Strukturiertheit des Interviews sowie Konkretheit

des Anforderungsprofils leichte Unterschiede zwischen intern angestellten Personalfach-

kräften und externen Personaldienstleistern, die sich aber nicht als signifikant (p>.100)

darstellen (StrI: β=-.22, MW=4.25 für interne im Vergleich zu MW=4.46 für externe

Personaler, Eta²=.005; KoA: β=.19, MW=4.42 für interne im Vergleich zu MW=4.22 für

externe Personaler, Eta²=.005).

So verwenden externe Dienstleister zwar häufiger strukturierte Interviews als interne

Personalangestellte, was grundsätzlich positiv zu bewerten ist, allerdings bleibt der

postulierte Effekt auf analytisch geprägtere Urteils- und Entscheidungsprozesse dabei für

Personaldienstleister in dieser Untersuchung aus (siehe Ergebnisse Tabelle 46).

Hier sind die Relevanz sowie eignungsdiagnostische Fundierung des Anforderungsprofils die

entscheidenden Größen für die Konstruktion valider strukturierter Interviews (vgl. auch

Hypothese 2.7 zum Mediatoreffekt für Konkretheit des Anforderungsprofils). Da

Personaldienstleister weniger konkrete Anforderungsprofile als interne Personalangestellte

nutzen, bleiben somit die erhofften positiven Effekte aus.

Fehlt das Fundament des Anforderungsprofils, hilft also auch die bloße Strukturierung des

Einstellungsinterviews nicht weiter.

Hier sind deshalb die Unternehmen als Auftraggeber gefordert, gemeinsam mit den Beratern

ein fundiertes und verhaltensbezogenes Anforderungsprofil zu entwickeln, das zur

Konstruktion valider Einstellungsinterviews dient (zur wissenschaftlich empfohlenen

Vorgehensweise siehe Kapitel 2.3.2).

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

187

7. Zusammenfassung und Implikationen für die

eignungsdiagnostische Forschung und Praxis

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, ein kausales Modell zu den Determinanten analytisch

geprägter Urteils- und Entscheidungsprozesse von Recruitern in Einstellungsinterviews zu

entwickeln und dieses empirisch zu überprüfen. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Prüfung

von mediierenden Variablen, um diejenigen intervenierenden kausalen Mechanismen zu

identifizieren, welche die Informationsverarbeitungsprozesse von Recruitern entscheidend

prägen.

Dies wurde mit der Methodik der Strukturgleichungsmodellierung erfolgreich umgesetzt.

Konform zu dem dynamisch-interaktionistischen Paradigma der Psychologie, wurden dabei

als Determinanten sowohl organisationale Rahmenbedingungen sowie persönliche

Lernprozesse und motivationale Faktoren des Recruiters berücksichtigt.

Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells haben gezeigt, dass die subjektiv

wahrgenommene Expertise eines Recruiters positiv mit einem analytischen

eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozess zusammenhängt.

Dies unterstützt zum einen die in dieser Arbeit formulierte Annahme, dass ein Recruiter sein

Expertenwissen explizit formulieren kann, obwohl er es mittlerweile automatisch anwendet

und sich primär auf die relevanten Cues und Inferenzen konzentriert. Damit unterscheidet

sich ein eignungsdiagnostischer Experte möglicherweise deutlich von Experten anderer

Fachgebiete.

Die Differenzierung und inhaltliche Kategorisierung von explizitem und implizitem

eignungsdiagnostischen Expertenwissen bei Recruitern könnte deshalb aufbauend

interessanter Gegenstand zukünftiger Untersuchungen und Grundlage für die inhaltliche

Konzeption von Interviewertrainings sein.

Zum anderen zeigt der positive Zusammenhang zwischen Expertise und Analytik in der

vorliegenden Arbeit, dass die Tatsache, dass sich ein Recruiter als „Experte“ beschreibt,

nicht dazu führt, dass er aufgrund dieser Selbsteinschätzung seine eignungsdiagnostischen

Entscheidungen weniger systematisch oder gewissenhaft trifft und seine eignungs-

diagnostischen Fähigkeiten dabei überschätzt.

Im Gegenteil wird sogar deutlich, dass sein (subjektiver) Expertenstatus sowohl sein

persönliches Verantwortlichkeitsgefühl, als Indikator seines persönlichen Involvements, als

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

188

auch die Analytik seiner Informationsverarbeitungsprozesse substantiell steigert. Die Variable

Verantwortlichkeitsgefühl fungierte dabei als totaler Mediator.

Auch die Ergebnisse allgemeiner linearer Modelle unterstützen diesen Zusammenhang.

Es konnte gezeigt werden, dass erfahrene Recruiter analytischere Ausprägungen ihres

Entscheidungsmodus als wenig erfahrene Recruiter aufweisen. Der objektive Faktor

Erfahrung hängt hier folglich positiv mit der subjektiven Einschätzung als Experte zusammen.

Das Phänomen der intuitiven Selbstüberschätzung bei vermeintlichen Experten (Kahneman

& Klein, 2009; Kleinmuntz, 1990; Einhorn & Hogarth, 1978) sowie negative Effekte für den

Faktor diagnostische Erfahrung (Gehrlein et al., 1993) können in der vorliegenden Arbeit

somit nicht festgestellt werden.

In diesem Zusammenhang könnte sich die weitere Untersuchung mediierender und auch

moderierender Variablen als fruchtbar erweisen, um diejenigen Bedingungen zu

identifizieren, unter denen eignungsdiagnostische Erfahrung positive oder negative Effekte

auf die Urteilsvalidität ausübt. Wichtiger zu berücksichtigender Kontext ist dabei die Validität

der Lernumgebung des Recruiters (Kahneman & Klein, 2009).

Weiterhin kann mit den Ergebnissen des Strukturgleichungsmodells das persönliche

Involvement als entscheidende mediierende Variable zwischen organisationalen

Rahmenbedingungen sowie persönlichen Lernprozessen und des Entscheidungsmodus des

Recruiters im Kontext von Einstellungsinterviews bestätigt werden.

Dieser intervenierende Zusammenhang sollte somit auch in künftigen Forschungsarbeiten

berücksichtigt werden.

Auch lassen sich hier noch weitere motivationale Faktoren oder Persönlichkeitsfaktoren als

intervenierende Variablen für einen eher analytisch oder intuitiv geprägten

Entscheidungsmodus vermuten.

Der Einfluss weiterer motivationaler oder persönlicher Faktoren des Recruiters auf seinen

Entscheidungsmodus könnte sich als ergiebiges Forschungsfeld für die Zukunft erweisen und

ebenfalls als theoretische Basis für die Konstruktion von Interviewertrainings dienen. Auch

die individuelle Präferenz eines Recruiters für einen analytischen bzw. deliberaten oder

intuitiven Entscheidungsstil (Betsch, 2004) könnte dabei eine Rolle spielen.

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

189

Bezogen auf die organisationalen Rahmenbedingungen unter denen Recruiter entscheiden,

konnte in der vorliegenden Arbeit vor allem der positive Effekt der

Rechenschaftsverpflichtung, sowohl auf motivationale Variablen, aber auch auf den Urteils-

und Entscheidungsprozess des Recruiters, mit substantiellen Wirkungseffekten bestätigt

werden.

In der Implementierung von Rechenschaftsverpflichtung für Einstellungsentscheidungen liegt

somit großes Potenzial, um die Qualität eignungsdiagnostischer Urteils- und

Entscheidungsprozesse in der Praxis zu optimieren.

Hierbei sollte die unterschiedliche Effektivität von Rechenschaft über das Ergebnis im

Vergleich zu Rechenschaft über den Prozess berücksichtigt werden (Brtek & Motowidlo,

2002). Anzustreben ist die Rechenschaftsverpflichtung über den eignungsdiagnostischen

Prozess. Eine praktische Maßnahme wäre zum Beispiel eine (halb-)standardisierte

Auswertung des Einstellungsinterviews, bei der mit Hilfe einer Checkliste auch von Kollegen

oder Vorgesetzten nachvollzogen werden kann, ob die relevanten Anforderungen objektiv als

erfüllt betrachtet werden können. Dieses Protokoll könnte somit als Grundlage für eine

Konsensdiskussion dienen oder aber im Rahmen von regelmäßigen Qualitätszirkeln mit

anderen Recruitern diskutiert werden. Dies setzt natürlich eine angemessene Selbstreflektion

und Diskussionsbereitschaft der Recruiter voraus.

Weiterhin wurden auch für die Strukturiertheit des Interviews sowie für die Konkretheit des

Anforderungsprofils bedeutsame Kontrollmechanismen auf den Informationsverarbeitungs-

modus sowie auch auf motivationale Faktoren des Recruiters belegt.

Die Effektivität strukturierter Interviews lässt sich dabei vor allem dadurch begründen, dass

diese zumeist konkrete Anforderungen beinhalten und damit Entscheidungsregeln vorgeben,

an denen sich der Recruiter bei seiner Beurteilung und Entscheidung orientieren muss.

Dieser Zusammenhang konnte mit signifikanten Mediator-Effekten belegt werden.

Die stellenrelevante Fundierung des Anforderungsprofils ist damit wesentliche Voraussetzung

für die Effektivität strukturierter Interviews sowie analytisch geprägter eignungsdiagnostischer

Entscheidungen.

Dies konnte zusätzlich mit den Ergebnissen der allgemeinen linearen Modelle belegt werden.

Die bloße Strukturierung eines Interviews zeigt nur einen geringen Wirkungseffekt, wenn das

zugrunde liegende Anforderungsprofil nicht verhaltensbezogen, konkret und stellenrelevant

konstruiert wurde. Hier könnten auch Moderator-Analysen in zukünftigen Forschungsarbeiten

den kausalen Zusammenhang weiter belegen.

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

190

Für das Feedback konnten nur indirekte Effekte auf den eignungsdiagnostischen Urteils- und

Entscheidungsprozess eines Recruiters gefunden werden.

Als entscheidende intervenierende Variable konnte hier das Verantwortlichkeitsgefühl des

Recruiters als Indikator seines persönlichen Involvements identifiziert werden.

Dies bedeutet, dass das Feedback über die Qualität der eignungsdiagnostischen

Entscheidung nur dann einen Effekt auf einen analytischen Entscheidungsmodus des

Recruiters zeigt, wenn es einen Effekt auf das Verantwortlichkeitsgefühl bzw. Engagement

des Recruiters ausübt, der Recruiter sich also persönlich involviert fühlt.

Dieses Ergebnis schließt an die Studie von Hammond, Summers & Deane (1973) sowie an

die Meta-Analyse von Kluger & DeNisi (1996) an.

Während Hammond et al. (1973) sogar negative Effekte für Outcome-Feedback nachweisen

konnten, haben Kluger & DeNisi (1996) zwar einen allgemeinen positiven Effekt von

Feedback auf Performance (d=.41) nachweisen können, allerdings fanden sie auch bei einem

Drittel der berücksichtigten Arbeiten einen negativen Effekt. Durch eine Moderatoranalyse

konnten sie nachweisen, dass das Feedback die Leistung dann vermindert, wenn es die

Aufmerksamkeit von der Aufgabe hin zum Selbst verschiebt (ebd., S.278).

Auch Hattie & Timperley (2007, S.87) haben vier Feedbackebenen voneinander

unterschieden, um die Bedingungen, unter denen positive oder negative Effekte von

Feedback auftreten, besser verstehen zu können. Sie unterscheiden Feedback über die

Aufgabe, Feedback über den Prozess, Feedback über die Selbstregulation und Feedback

über das Selbst voneinander.

Analog zu Kluger & DeNisi (1996) schreiben die Autoren dem Feedback über das Selbst die

geringste Effektivität zu (ebd., S.90). Hingegen bescheinigen sie dem aufgabenbezogenen

und selbstregulatorischen Feedback eine besondere Funktion für den Erwerb von

Expertenwissen.

Womöglich ließe sich mit diesem konzeptionellen Ansatz auch die Effektivität des Feedbacks,

welches die Recruiter über ihre eignungsdiagnostischen Tätigkeit erhalten, besser erklären.

Die Untersuchung relevanter moderierender Variablen, die zu positiven oder negativen

Effekten von Feedback über eignungsdiagnostische Entscheidungen führen, sollte sich

besonders bedeutsam für die systematische Implementierung von Feedback in der

eignungsdiagnostischen Praxis erweisen.

Jelley & Goffin (2001) konnten zum Beispiel zeigen, dass bestimmte Priming-Effekte dazu

genutzt werden können, genaueres und diagnostisch nützlicheres Feedback zu erhalten.

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

191

Hier kommt also der formalen wie inhaltlichen Ausgestaltung des Feedbacks eine besondere

praxisrelevante Rolle zu.

Eine wichtige noch offene Forschungsfrage ist deshalb grundsätzlich, wie

aufgabenbezogenes und selbstregulatorisches Feedback in der Praxis ausgestaltet und

idealerweise unternehmensweit implementiert werden können.

Durch den Fokus auf tatsächlich wirksame evaluative Maßnahmen, können somit auch

Fehlinvestitionen verhindert werden.

Weiterhin kann aufgrund der vorliegenden Ergebnisse der Explikation von Entscheidungs-

regeln, z.B. durch eine systematische Einarbeitung des Recruiters, eine besondere

Bedeutung für einen analytischen Entscheidungsmodus und letztlich auch für den Erwerb von

Expertenwissen zugeschrieben werden.

Als entscheidende Bedingungen für die Ausbildung von expertise-basierter statt heuristischer

Intuition wurden in der vorliegenden Arbeit zum einen die Validität der Lernumgebung

(Kahneman & Klein, 2009) und zum anderen ein disziplinierter analytischer Urteils- und

Entscheidungsprozess angenommen, der im gesamten Lernprozess immer wieder kritisch

reflektiert und modifiziert wird. Am Anfang des Lernprozesses zum Experten steht somit

immer die Explikation von eignungsdiagnostischen Entscheidungsregeln, die dann

schrittweise evaluiert werden.

In diesem Kontext könnte – in Analogie zur Methodik der Strukturgleichungsmodellierung –

von einer kontinuierlichen kognitiven Modellanpassung an die vorliegenden empirischen

Bewerberdaten gesprochen werden. Aus je mehr Variablen und Wirkungsbeziehungen das

kognitive Modell des Recruiters besteht und je häufiger diese Wirkungsbeziehungen an

Bewerberstichproben überprüft wurden, desto genauer können letztlich durch dieses

Experten-Schema die Realität abgebildet und valide Prognosen daraus abgeleitet werden.

Somit kann ein differenziertes und evaluiertes Expertenmodell wertvolle Basis für valide

eignungsdiagnostische Entscheidungen sein. Wenn diese Entscheidungsregeln auch für

Andere expliziert und zugänglich gemacht werden, kann ein solches Expertenmodell auch als

Lernmodell und Evaluationsinstrument für eignungsdiagnostische Entscheidungen fungieren

(Montel, 2006; Wottawa, 1985/1987). Auch an dieser Stelle eröffnet sich somit erheblicher

Forschungsbedarf, schwierige Randbedingung ist allerdings die Gewinnung der Stichprobe

an Recruitern, deren eignungsdiagnostische Entscheidungen jeweils am Einzelfall in ein

mathematisches Modell überführt werden müssten.

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

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Eine im Vergleich sehr unkompliziert umzusetzende praktische Maßnahme ist deshalb die

Explikation und Diskussion von Entscheidungsregeln während der Einarbeitungsphase.

Dadurch, dass der Fokus nicht einfach auf der Übereinstimmung zwischen der Entscheidung

des vermeintlichen Experten und Novizen liegt, sondern auf der Reflektion der verwendeten

Entscheidungsregeln, erhalten der Novize (aber auch der erfahrene Kollege) die Möglichkeit,

diese Entscheidungsregeln an Einzelfällen explizit anzuwenden und zu validieren.

Voraussetzung ist deshalb ein hohes Maß an Analytik, Selbstreflektion und die Bereitschaft

zur Diskussion bei den bereits praktisch tätigen Recruitern.

Auch das persönliche Involvement des Recruiters erhält eine wichtige Funktion, wenn es für

den praktisch tätigen Recruiter darum geht, aus nicht-validen eignungsdiagnostischen

Lernumgebungen schrittweise validere eignungsdiagnostische Lernumgebungen zu schaffen

und sich Evaluationskriterien verfügbar zu machen.

Da seine normale Lernumgebung in der Regel nur wenig Möglichkeiten zur Evaluation

bereitstellt, muss der Recruiter eigene Anstrengungen unternehmen, damit er seine

Prognosen auch anhand konkreter Outcome-Variablen evaluieren kann. Dies funktioniert vor

allem in größeren Unternehmen nur dann, wenn der Recruiter sich die entsprechenden

Informationen durch den aktiven Austausch mit Fachvorgesetzten, Kollegen oder dem

Mitarbeiter selbst einholt. Mögliche Outcome-Variablen, die ihm als Evaluationskriterien

dienen könnten, können sich in konkreter beruflicher Leistung wie Projekterfolgen,

Führungsakzeptanz, Teamintegration oder in Form anderer Indikatoren manifestieren.

Auch hier können die standardisierte Dokumentation und Auswertung von

Einstellungsinterviews wie auch standardisierte evaluative Maßnahmen oder

Mitarbeiterbeurteilungen den zeitlich intensiven Aufwand für den einzelnen Recruiter

maßgeblich reduzieren und wichtige Meilensteine auf dem Wege zu einer professionellen

eignungsdiagnostischen Praxis sein.

Abschließend wurde für einen analytischen eignungsdiagnostischen Entscheidungsmodus

auch ein negativer Effekt auf die Entscheidungsdissonanz des Recruiters nachgewiesen.

Dieser Effekt wird in diversen Forschungsarbeiten für komplexe Entscheidungen auch positiv

nachgewiesen (z.B. Betsch, 2004). Im Rahmen eignungsdiagnostischer Entscheidungen

allerdings, gibt eine systematische Informationsverarbeitung subjektive Sicherheit über die

Validität der Entscheidung. Auch dieser Zusammenhang könnte mit replizierenden Arbeiten

noch weiter untersucht werden.

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

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Die vorliegende Arbeit liefert somit im Kontext des Einstellungsinterviews einen

Forschungsbeitrag, der substantielle Ergebnisse für organisationale Einflussfaktoren, vor

allem für die Rechenschaftsverpflichtung des Recruiters, aber auch für persönliche und

motivationale Einflussfaktoren, insbesondere für das persönliche Involvement des Recruiters,

belegt.

Ebenfalls baut die Arbeit auf der Diskussion von eignungsdiagnostischer Erfahrung als

Determinante von Expertise oder nicht-evaluierter Routine sowie auf der Kontroverse zur

Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven Entscheidungsmodus bei komplexen

Entscheidungen auf.

Deskriptive wie normative Entscheidungstheorien wurden dabei auf den Kontext des

Einstellungsinterviews übertragen und als Resultat dessen, wurden besonders die Validität

der Lernumgebung und ein analytischer Urteils- und Entscheidungsmodus des Recruiters als

wichtige Prämissen für den Erwerb von eignungsdiagnostischem Expertenwissen identifiziert.

Ebenfalls wurde in der vorliegenden Arbeit ein analytischer Entscheidungsmodus als

Prämisse für valide eignungsdiagnostische Entscheidungen und damit einem intuitiven

Entscheidungsmodus als überlegen angenommen.

Die letztliche Prüfung der Validität analytischer im Vergleich zu intuitiven

eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozessen steht allerdings noch aus.

Dies konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geklärt werden.

Hier gilt es deshalb im Rahmen zukünftiger Forschungsarbeiten, die Wirkungs-

zusammenhänge im Hinblick auf ein Außenkriterium zu überprüfen.

Problematische Randbedingungen sind dabei die Verfügbarkeit solch eignungsdiagnostischer

Außenkriterien und damit auch die Gewinnung einer ausreichend großen populationsvaliden

Stichprobe.

Bezogen auf die Kontroverse zur Überlegenheit eines analytischen oder intuitiven

Entscheidungsmodus bei Einstellungsinterviews sollte auch die Kombination beider

Entscheidungsmodi aufgrund neuerer Forschungsergebnisse in Betracht gezogen und weiter

überprüft werden.

So haben Nordgren, Bos & Dijksterhuis (2011, S.509ff) gezeigt, dass sich bei komplexen

Entscheidungen die Kombination von zunächst bewusster und darauf folgender unbewusster

Informationsverarbeitung als besonders effektiv erweist. Auch Glöckner (2008) sowie

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

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Glöckner & Betsch (2008) belegen das Potenzial, das in der Integration von beiden

Entscheidungsmodi liegt.

Im Kontext von Einstellungsinterviews stellt sich somit die Frage, welche konkreten Elemente

analytisch-bewusst verarbeitet werden sollten und welche Elemente intuitiv-unbewusst

verarbeitet werden dürfen. Auch an dieser Stelle ergeben sich somit weitere

Forschungsansätze, die direkte praktische Relevanz besitzen.

Im Hinblick auf methodische Optimierungsvorschläge für das vorliegende

Strukturgleichungsmodell wurde insbesondere der common-method-Effekt diskutiert (vgl.

Podsakoff et al., 2003). Da zur Erhebung aller latenter Variablen derselbe Online-Fragebogen

eingesetzt wurde, könnte ein gewisser Anteil an Varianzaufklärung auf diese

Erhebungsmethode zurück zu führen sein.

Deshalb könnte das verwendete Untersuchungsdesign durch die Variation der

Erhebungsmethoden zwischen den Variablen sowie die zeitliche Separierung der Messung

exogener und endogener Variablen (Podsakoff et al., 2003, S.887f) optimiert werden.

Bei einer Erhebung von Prädiktor- und Kriteriumsvariablen zu verschiedenen

Messzeitpunkten, sollte allerdings eine ausreichende Stichprobengröße bzw. Rücklaufquote

sicher gestellt werden, da hier besonders die Gefahr des drop-outs besteht. Deshalb wurde in

der vorliegenden Arbeit auf ein Untersuchungsdesign mit verschiedenen Messzeitpunkten

verzichtet.

Weiterhin sollte die Option der ausbalancierten Darbietungsreihenfolge der Items (Podsakoff

et al., 2003, S.888) zukünftig stärker berücksichtigt werden.

In der vorliegenden Studie wurden die Variablen allen Teilnehmern in aufeinander

aufbauender Reihenfolge dargeboten (exogene – intervenierende – endogene Variablen),

womit das Problem der reversen kausalen Effekte (Kenny, 2012) zwar vermindert werden

konnte, aber dennoch durch eine gruppenbezogene randomisierte ausbalancierte Darbietung

noch weiter minimiert werden könnte.

Hinsichtlich der Gütekriterien bzw. Operationalisierung der reflektiven Mess-Indikatoren bleibt

noch Optimierungsbedarf für die Skala Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses

und Systematik des Feedbacks bestehen.

Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells wurden weiterhin durch die Ergebnisse einer

experimentellen Fallstudie (einfaktorielles between-subjects-Design), einer Clusteranalyse

zur Identifizierung von spezifischen Recruiter-Typen (basierend auf persönlichen

Lernprozessen und organisationalen Rahmenbedingungen) sowie uni- und multivariater

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allgemeiner Modelle ergänzt, welche den Erklärungsbeitrag demografischer Faktoren für die

analytische Ausprägung des Entscheidungsmodus des Recruiters und die Ausprägung

unternehmensinterner organisationaler Rahmenbedingungen spezifiziert haben.

Die experimentelle Überprüfung der im Strukturgleichungsmodell überzeugend belegten

Effekte von organisationalen Rahmenbedingungen auf die Urteils- und Entscheidungs-

prozesse von Recruitern zeigte sich dabei in der vorliegenden Arbeit nur eingeschränkt

erfolgreich. Es konnten nur für die Subgruppen Psychologen und erhöhter

eignungsdiagnostischer Weiterbildungsbedarf bedeutsame signifikante Unterschiede

zwischen der randomisiert dargebotenen Bedingung A und B, bei denen die Variablen

Rechenschaftsverpflichtung und Konkretheit des Anforderungsprofils für eine fiktive

Entscheidungssituation variiert wurden, für jeweils eine abhängige Variable gefunden

werden.

Als Anregung zur Optimierung des Studiendesigns wurden Vorschläge hinsichtlich einer

stärker realen eignungsdiagnostischen Entscheidungssituation, in der auch subjektive

Eindrücke über den fiktiven Bewerber gewonnen werden können (z.B. Darbietung einer

Videosequenz), unterbreitet. Wichtige praktische Randbedingung ist hierbei allerdings

ebenfalls die Gewinnung einer ausreichend großen populationsvaliden Stichprobe.

Auch die Operationalisierung des Gesprächsprotokolls, welches als Grundlage der fiktiven

Beurteilung und Entscheidung in der Fallstudie diente, könnte noch optimiert werden.

Möglicherweise ist diese zu wenig trennscharf ausgefallen.

Weiterhin wurde ein Priming-Effekt (vgl. Podsakoff et al., 2003) durch die vorherige

Befragung über die Determinanten analytischer Urteils- und Entscheidungsprozesse von

Recruitern in Einstellungsinterviews als Erklärung für die sehr analytische Prägung der

Ergebnisse in der Fallstudie herangezogen. Deshalb sollte die experimentelle Überprüfung

der postulierten Effekte in Zukunft isoliert von einer weiteren Befragung erfolgen.

Grundsätzlich sollten die im Strukturgleichungsmodell identifizierten kausalen Effekte

experimentell überprüfbar sein. Diesbezüglich liefert die vorliegende Arbeit einen ergiebigen

empirischen Rahmen, wenn es um die Fragestellung geht, welche Determinanten und

intervenierenden Variablen bei der Konstruktion solcher Versuchsdesigns berücksichtigt und

operationalisiert werden sollten.

Die experimentelle Überprüfung der kausalen Effekte steht somit noch aus und ist eine

wichtige Aufgabe, die in zukünftigen Forschungsarbeiten angegangen werden sollte.

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

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Die Ergebnisse der uni- und multivariaten allgemeinen Modelle haben weiterhin für die an der

Studie teilnehmenden Psychologen interessante Unterschiede hinsichtlich ihrer

eignungsdiagnostischen Urteils- und Entscheidungsprozesse im Vergleich zu anderen

Fachgruppen ergeben.

So zeigen die Ergebnisse, wie auch schon in der Fallstudie, dass sich Psychologen in ihrer

Beurteilung und Entscheidung tatsächlich stärker als andere Fachgruppen an den konkreten

Anforderungen ausrichten und diese im Einstellungsinterview analytisch zu bestätigen oder

zu widerlegen suchen.

Auch Lievens & De Paepe (2004, S.36/40) haben einen ähnlichen Zusammenhang zwischen

einer psychologischen Ausbildung und einer stärkeren Nutzung von hoch-strukturierten

Interviews angenommen. Diesen konnten sie in ihrer Studie allerdings nicht bestätigen.

Hier zeigt sich deshalb weiterer Untersuchungsbedarf.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit zeigt sich jedenfalls die Wichtigkeit von psychologischem

und eignungsdiagnostischem Fachwissen im Hinblick auf analytische eignungsdiagnostische

Entscheidungen.

Da die Mehrheit der praktisch tätigen Recruiter, wie auch in der vorliegenden Stichprobe,

aber in der Regel aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich stammt und somit keine

eignungsdiagnostische Ausbildung absolviert hat, kommt psychologisch fundierten

eignungsdiagnostischen Weiterbildungen eine besondere Bedeutung in der Qualitäts-

sicherung eignungsdiagnostischer Entscheidungsprozesse in der Praxis zu.

Positive Effekte eignungsdiagnostischer Weiterbildung auf die Urteils- und

Entscheidungsprozesse der Recruiter haben sich in dieser Arbeit im Rahmen der ALM, aber

auch der Clusteranalyse gezeigt.

Allerdings erreichte dieser positive Trainingseffekt bei mehr als 5 absolvierten

Weiterbildungen einen Deckeneffekt, der in weiteren Forschungsarbeiten noch genauer

untersucht werden könnte. In diesem Zusammenhang könnte auch die fachliche Fundierung

der jeweiligen Weiterbildung relevant zur Erklärung des Deckeneffektes und Gegenstand

weiterer Arbeiten sein.

Auch zwischen unternehmensinternen Personalfachkräften und externen Personaldienst-

leistern wurden wichtige praxisrelevante Unterschiede festgestellt.

So weisen interne Personalfachkräfte stärker analytisch geprägte Entscheidungsmuster als

externe Personaldienstleister auf, was sich durch die konkretere Kenntnis der

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7 Zusammenfassung und Implikationen für die eignungsdiagnostische Forschung und Praxis ___________________________________________________________________________________________

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unternehmensspezifischen Anforderungen sowie leichteren Verfügbarkeit von

Evaluationskriterien erklären lässt, die zu einer Explikation und Modifizierung

eignungsdiagnostischer Entscheidungsregeln beitragen.

Dieses Ergebnis indiziert somit einen verminderten Nutzen, wenn externe

Personaldienstleister im Auftrag für Unternehmen Einstellungsinterviews durchführen.

Ebenfalls wurde für externe Personaldienstleister festgestellt, dass diese aufgrund ihres

vermeintlichen Expertenstatus weniger zur Rechenschaft über ihre eignungsdiagnostischen

Entscheidungen verpflichtet sind, was im Hinblick auf die eignungsdiagnostische

Qualitätssicherung, als besonders kritisch zu bewerten ist.

Auch diesbezüglich eröffnet sich somit weiterer Forschungsbedarf, um die gefundenen

Effekte weiter zu unterstützen oder zu widerlegen.

Erhöhter eignungsdiagnostischer Handlungsbedarf hinsichtlich der Implementierung

nützlicher organisationaler Rahmenbedingungen zeigt sich in der vorliegenden Arbeit vor

allem für kleinere und mittelständische Unternehmen (vgl. auch Stephan & Westhoff, 2002).

Da die einzelnen Faktoren Rechenschaftsverpflichtung, Strukturiertheit des Interviews,

Konkretheit des Anforderungsprofils und Systematik des Feedbacks als sehr effektive

kontextuelle Rahmenbedingungen zur Kontrolle intuitiver Entscheidungsmuster identifiziert

werden konnten, sollten deren positive Effekte auch von kleineren Unternehmen stärker

ausgenutzt werden. Hier zeigt sich für alle aufgeführten Faktoren allerdings noch dringender

Optimierungsbedarf.

Die Evaluation des eignungsdiagnostischen Prozesses zeigt sich in der vorliegenden Arbeit

grundsätzlich – auch in Großunternehmen – unzureichend.

Hier könnten kleinere Unternehmen insofern einen Vorteil genießen, als dass dort potenzielle

Evaluationskriterien leichter verfügbar sein sollten als in Unternehmen mit komplexeren

Strukturen. Hier liegen also möglicherweise validere Lernumgebungen für den einzelnen

Recruiter vor. Dies gilt auch für stellenrelevante Informationen, die für die Erstellung von

Anforderungsprofilen genutzt werden können.

Grundsätzlich ist eine standardisierte unternehmensweite Evaluation des eignungs-

diagnostischen Entscheidungsprozesses anzustreben, die aktuell allerdings eher

theoretisches Ideal als gelebte Praxis zu sein scheint. Auch dieses Thema sollte in

zukünftigen Forschungsarbeiten stärker berücksichtigt werden. Die Entwicklung von

Leitfäden könnte dabei ein wichtiger Schritt für die Implementierung sinnvoller und effektiver

evaluativer Elemente in der eignungsdiagnostischen Praxis sein.

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- zur Datenerhebung: EFS-Survey verfügbar unter www.unipark.info

- zur statistischen Datenauswertung:

IBM SPSS 19 und AMOS 19

- zur Literaturverwaltung: Mendeley Desktop verfügbar unter www.mendeley.com

genutzt.

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

212

9. Anhang

Anhang 1: Online-Erhebung in unipark

1. Demografischer Teil

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

213

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

214

2. Persönliche Lernprozesse

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

215

3. Persönliches Involvement

Page 229: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

9 Anhang __________________________________________________________________________________________

216

4. Organisationale Rahmenbedingungen

Page 230: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

9 Anhang __________________________________________________________________________________________

217

5. Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses

Page 231: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

9 Anhang __________________________________________________________________________________________

218

6. Entscheidungsdissonanz

7. Fallstudie

Page 232: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

9 Anhang __________________________________________________________________________________________

219

Bedingung A

Bedingung B

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

220

Gesprächsprotokoll als Beurteilungsgrundlage

Skala Analytik der Beurteilung

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

221

Skala Analytik der Entscheidung

ENDE

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

222

8. Fragebogenaufbau

Page 236: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

9 Anhang __________________________________________________________________________________________

223

Anhang 2: Übersicht über alle Items

Skala Expertise Nun folgen Fragen zu Ihrer berufsspezifischen Erfahrung, die Sie bisher gesammelt haben. Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. (q_4219031 - Typ 311)

v_10 Ich stehe noch am Anfang meiner Recruiting-Karriere.

v_11 Ich beschreibe mich als eignungsdiagnostisch sehr erfahren.

v_12 Ich bin ein eignungsdiagnostischer Experte.

v_13 Ich bin noch wenig routiniert in der eignungsdiagnostischen Entscheidungsfindung.

Skala subjektive Entscheidungsregeln

Zu Beginn meiner Tätigkeit als Recruiter/in... (q_4219103 - Typ 311)

v_37 wurde ich systematisch eingearbeitet und habe dabei von dem eignungsdiagnostischen Wissen Anderer profitiert.

v_38 habe ich zu keiner Zeit auf das Wissen erfahrener Kollegen zurückgreifen können.

v_39

gab es entweder keine praxiserprobten Erfahrungswerte, um „richtige“ eignungsdiagnostische Entscheidungen zu treffen, oder mir wurden diese nicht bekannt gemacht.

v_40 habe ich im Rahmen der Einarbeitung bewährte Entscheidungsregeln erlernt, und diese für meine eignungsdiagnostischen Entscheidungen übernommen.

v_41 habe ich explizit vermittelt bekommen, was einen „geeigneten“ Mitarbeiter auszeichnet.

v_42 musste ich völlig selbstständig ein Gefühl dafür entwickeln, wie der „geeignete“ Mitarbeiter sein soll.

Skala Anwendung von Schemata

In Bewerbungsgesprächen... (q_4219136 - Typ 311)

v_43 kann ich den Typ eines Bewerbers schnell kategorisieren.

v_44 kann ich die Gesamtpersönlichkeit eines Bewerbers schnell erfassen.

v_45 fällt es mir leicht, Eigenschaften zu erkennen und zu beschreiben, wenn sie den meinen ähneln.

v_46 hilft mir meine Erfahrung dabei, den Bewerber richtig einzuschätzen.

v_47 hilft mir meine Erfahrung dabei, die richtigen Ableitungen zu treffen.

v_48 zeigen sich häufig starke Parallelen zu anderen Bewerbern.

v_49

treffe ich manchmal Schlussfolgerungen, die eher auf meine Erfahrung als auf die Äußerungen eines Bewerbers zurück zu führen sind.

v_50 weiß ich in der Regel schon nach wenigen Minuten, ob jemand zum Unternehmen passt oder nicht.

v_51 weiß ich in der Regel schon nach wenigen Minuten, ob jemand für die Stelle geeignet ist oder nicht.

v_52 hat sich mein Ersteindruck häufig nicht bestätigt.

v_53 versuche ich stets, Erfahrungen mit anderen Bewerbern auszublenden.

v_54 behindert mich meine Erfahrung manchmal dabei, den Bewerber objektiv einzuschätzen.

v_55

ist die Fähigkeit, fundierte eignungsdiagnostische Entscheidungen treffen zu können, nicht von der Erfahrung abhängig.

Skala Verantwortlichkeitsgefühl

Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. (q_4219142 - Typ 311)

v_56

Ich fühle mich verpflichtet, stets eine fachkompetente und differenzierte eignungsdiagnostische Entscheidung zu treffen.

v_57

Ich stelle hohe fachliche Ansprüche an meine eignungsdiagnostische Kompetenz und entwickle diese stets aktiv weiter.

v_58

Ich fühle mich verantwortlich für den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg eines Bewerbers auf einer bestimmten Stelle.

v_59

Letztlich haben meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen nur wenig Einfluss auf den tatsächlichen Erfolg eines Bewerbers.

Page 237: Zu den Determinanten von analytischen und intuitiven ... · Als zentrale Methode dieser Untersuchung dient die Strukturgleichungsmodellierung, als Datenbasis wird eine populationsvalide

9 Anhang __________________________________________________________________________________________

224

v_60

Meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten.

v_61

Wenn ich ehrlich bin, gehe ich manchmal etwas nachlässig oder oberflächlich bei meinen eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen vor.

Skala Kenntnis des Anforderungsprofils

Über das offizielle Anforderungsprofil hinaus... (q_4219143 - Typ 311)

v_62

informiere ich mich grundsätzlich durch ein detailliertes Gespräch mit dem Vorgesetzten oder anderen Stelleninhabern über die Anforderungen der Stelle.

v_63

schaue ich mir den Arbeitsalltag immer gezielt vor Ort an, um die konkreten Anforderungen wirklich zu kennen.

v_64

habe ich in der Regel selber konkrete Arbeitserfahrungen auf der Stelle bzw. in der Abteilung sammeln können.

v_65

kann ich die relevanten Arbeitsabläufe und konkreten Tätigkeiten bei einer Stelle ganz genau beschreiben.

v_66

könnte ich bei Bedarf konkrete stellenspezifische Arbeitssituationen im Bewerbungsgespräch simulieren.

Skala Rechenschaftsverpflichtung Nun folgen Fragen zu den organisationalen Rahmenbedingen Ihrer eignungsdiagnostischen Tätigkeit. Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. (q_4224200 - Typ 311) v_105

Ich muss meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen gegenüber Kollegen, Vorgesetzten oder Auftraggebern differenziert begründen können.

v_106

Finale eignungsdiagnostische Entscheidungen werden in der Regel von mehreren Entscheidungsträgern nach einer intensiven Diskussion getroffen.

v_107

Ich bin dazu verpflichtet, über jede meiner eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen ein ausführliches Protokoll oder Gutachten anzufertigen.

v_108

Ich muss meine eignungsdiagnostischen Einschätzungen oder Entscheidungen in der Regel nicht erklären.

v_109 Ich muss meine Entscheidungen „eingestellt“ oder „abgelehnt“ vor niemandem begründen.

Skala Konkretheit des Anforderungsprofils

Das Anforderungsprofil für eine bestimmte Stelle ist in der Regel...formuliert. (q_4224190 - Typ 311)

v_69 abstrakt

v_70 konkret

v_71 schlagwortartig

v_72 detailliert

v_73 eigenschaftsbezogen

v_74 verhaltensbezogen

Skala Strukturiertheit des Interviews

Das Bewerbungsgespräch beinhaltet in der Regel... (q_4224196 - Typ 311)

v_93 den standardisierten Einsatz eines Interviewleitfadens.

v_94 standardisierte anforderungsbezogene Fragen.

v_95 standardisierte situative Fragen.

v_96 kleine anforderungsbezogene Rollenspiele.

v_97 ein ausführliches Protokoll des Gespräches.

Skala Systematik des Feedbacks

Feedback über die Qualität meiner eignungsdiagnostischen Einschätzungen und Entscheidungen erhalte ich in der Regel durch... (q_4224197 - Typ 311)

v_99 die Probezeit bzw. Übernahmequote.

v_100 informelle Gespräche mit dem Vorgesetzten.

v_101 die direkte Zusammenarbeit mit dem zukünftigen Mitarbeiter.

v_102 die Ergebnisse von standardisierten Mitarbeiterbeurteilungen oder Mitarbeitergesprächen.

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

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v_103 die systematische Evaluation der Einstellungsentscheidungen.

Skala Analytik des Urteils- und Entscheidungsprozesses Nun folgen Fragen zu Ihren ganz individuellen und für Sie persönlich typischen eignungsdiagnostischen Entscheidungsprozessen. Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. In Bewerbungsgesprächen... (q_4224213 - Typ 311)

v_126 gehe ich eher intuitiv vor.

v_127 verlasse ich mich vor allem auf mein Bauchgefühl.

v_128 kann ich häufig schon frühzeitig eine Entscheidung treffen.

v_129 kann ich meine Eindrücke nicht immer explizit begründen.

v_130

lasse ich den Bewerber sich selbst beschreiben, um einen Eindruck von seinen Eigenschaften zu bekommen.

v_131

versuche ich, einen möglichst ganzheitlichen Eindruck über die Eigenschaften und die Persönlichkeit des Bewerbers zu bekommen.

v_132 ist mein Gesamteindruck von dem Bewerber wichtig, um eine Entscheidung treffen zu können.

v_133 nutze ich meine Intuition, um eine Entscheidung treffen zu können.

v_115 gehe ich eher rational-analytisch vor.

v_116 überlege ich mir genau, welche Informationen ich erhalten möchte.

v_117 sind meine Fragen strukturiert und zielgerichtet.

v_118 suche ich systematisch nach Argumenten für sowie gegen den Bewerber.

v_119 teste ich alle relevanten Anforderungen durch gezieltes Fragen systematisch ab.

v_120 versuche ich grundsätzlich, jeden von mir gewonnenen Eindruck mit konkreten Argumenten zu untermauern.

v_121 lasse ich mir alle relevanten Anforderungen mit konkreten Verhaltensbeispielen vom Bewerber schildern.

v_122

leite ich aus den einzelnen Schilderungen und Verhaltensweisen des Bewerbers jeweils Eigenschaften oder Kompetenzen ab.

v_123

begründe ich meine Einschätzungen mit konkreten Verhaltenshinweisen und Schilderungen des Bewerbers.

v_124

wäge ich systematisch alle relevanten Aspekte in einem Für und Wider ab, um eine Entscheidung treffen zu können.

v_125

nutze ich für meine Entscheidung Schwellen- oder Grenzwerte, z.B. ob ein Bewerber die Anforderungen erfüllt oder nicht.

Skala Entscheidungsdissonanz Klicken Sie bitte die jeweils passende Ausprägung auf der Zustimmungsskala an. Nach einer eignungsdiagnostischen Entscheidung... (q_4224218 - Typ 311)

v_137 bin ich vollkommen zufrieden mit meiner eignungsdiagnostischen Einschätzung.

v_138 bin ich grundsätzlich sicher, die richtigen Ableitungen und Entscheidungen getroffen zu haben.

v_139 bin ich mir häufig unsicher, ob meine Einschätzungen und Entscheidungen tatsächlich richtig waren.

v_140 hat sich schon häufiger herausgestellt, dass ich mich in meiner Prognose geirrt habe.

Skala Analytik Beurteilung Nehmen Sie nun bitte Stellung zu den Einschätzungen von Frau Meier! Die Einschätzungen und Beurteilungen von Frau Meier wirken auf mich... (q_4224299 - Typ 311)

v_141 subjektiv

v_142 analytisch

v_143 intuitiv

v_144 konkret

v_145 abstrakt

v_146 logisch nachvollziehbar

v_147 mehrdeutig interpretierbar

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9 Anhang __________________________________________________________________________________________

226

v_148 anforderungsbezogen

v_149 zu wenig bezogen auf die Anforderungen

v_150 fundiert

v_151 oberflächlich

v_152 fachkompetent

v_153 lückenhaft

v_154 vollständig

v_155 strukturiert

v_156 willkürlich

Skala Analytik Entscheidung Zu welcher Entscheidung gelangen Sie nun auf Grund der Zusammenfassung von Frau Meier? (q_4224304 - Typ 311)

v_157 Ich kann Frau Mustermann mit gutem Gewissen als geeignet empfehlen.

v_158 Ich werde Frau Mustermann die Stelle anbieten.

v_159 Ich werde Frau Mustermann die Stelle vorerst nicht anbieten.

v_160 Ich kann noch keine Entscheidung treffen, da ich nicht genügend Informationen über die Erfüllung der einzelnen Anforderungen besitze.

v_161

Ich kann keine zuverlässige Aussage darüber treffen, ob Frau Mustermann die Anforderungen für die Stelle erfüllt.

v_162

Ich werde noch ein weiteres Bewerbungsgespräch mit Frau Mustermann führen, um eine Entscheidung treffen zu können.

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Erklärung __________________________________________________________________________________________

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Erklärung zur eigenständigen Verfassung der Dissertation

Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die

angegeben Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Die vorliegende Dissertation hat vorher noch keiner anderen Fakultät oder Universität

vorgelegen.

Nadja Koppers

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Lebenslauf Nadja Koppers

PERSÖNLICHE DATEN

Geburtsdatum und -ort: 11.März 1985 in Aachen

Familienstand: ledig

HOCHSCHULBILDUNG UND AKADEMISCHE PRÜFUNGEN

10.`07 - 10.`09 Studium M.Sc. Psychologie

Schwerpunkt: Organisations- und Wirtschaftspsychologie

an der Ruhr-Universität Bochum

Tag der Prüfung: 12.10.2009

10.`04 - 08.`07 Studium B.Sc. Wirtschaftspsychologie

an der Ruhr-Universität Bochum

Tag der Prüfung: 24.08.2007

SCHULBILDUNG

09.`95 - 06.`04 Pestalozzi Gymnasium Unna

Abschluss: Allgemeine Hochschulreife

BERUFSERFAHRUNG

07.`09 - 09.`12 Beratende Psychologin bei Leonard Consulting, Essen

Personalauswahl und -entwicklung

11.`06 - 06.`09 Werkstudentin bei Leonard Consulting

09.`06 - 10.`06 Praktikantin bei Leonard Consulting

Nadja Koppers

Unna, 02. Oktober 2012