zu hinterfragtem und ungesagtem entwicklungsaufgaben und
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Zu Hinterfragtem und Ungesagtem – Entwicklungsaufgaben und Tabus in der hochschulischen
Lehrer/innenbildung
Mag. Dr. Elisabeth Ostermann Mag. Dr. Nadja Maria Köffler Mag. Dr. Evi Agostini [email protected] [email protected] [email protected]
Evidenzbasierte Impulse für die Lehrer/innenbildung ÖFEB Konferenz der Sektion Lehrer/innenbildung und Lehrer/innenbildungsforschung 17.5.2016
Entwicklungsaufgaben und Tabus in der Lehrer/innenbildung
17. Mai 2016
Inhalt Zeitrahmen
1.1 Allgemeine Einführung 5 min
1.2 Entwicklungsaufgaben/ Konzept & Erkenntnisse 30 min
1.3 Aufarbeitung mit spezifischen Fragestellungen (4er Gruppen) 20 min
1.4 Diskussion im Plenum 15 min
P A U S E 15 min
2.1 Einführung Tabuforschung 20 min
2.2 Methodologie und Forschungsfragen 5 min
2.3 Gruppendiskussion (4er Gruppen) 20 min
2.4 Resümee aus den Gruppen 15 min
A B S C H L U S S 5 min
Entwicklungs-aufgaben
(1)
Tabus (2)
Programm, Workshop 5/ 13:30-16:00
2
Mag. Dr. Nadja Maria Köffler Institut für Lehrer/innenbildung und Schulforschung/ UIBK
Lehrer/innenbildung, Lernforschung, Medienpädagogik
Mag. Dr. Elisabeth Ostermann Institut für Lehrer/innenbildung/KPH- Edith Stein Lehrer/innenbildung, Professionsforschung, Evaluationsforschung
Mag. Dr. Evi Agostini Institut für Lehrer/innenbildung und Schulforschung/ UIBK Lehrer/innenbildung, Lernforschung, Migrationspädagogik
Entwicklungsaufgaben und Tabus in der Lehrer/innenbildung
17. Mai 2016
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System Subjekt
Tabus
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Lernen
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Ziel: Gute hochschulische Lehrer/innenbildung = gute Lehrperson?
(1) Welche systemspezifischen Veränderungen sind notwendig?
(2) Wie sind systemspezifische Veränderungen überhaupt möglich?
Köffler, N. (2015): Subjektive Entwicklungsverläufe innerhalb eines objektiven Bildungsgangs
Entwicklungsaufgaben
Ostermann, E. (2015) Kraler, Ch. (2009)
(1)
(2)
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Paradoxon
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„Eines der größten Probleme der Erziehung ist,
wie man die Unterwerfung unter dem gesetzlichen Zwang
mit der Fähigkeit, sich seiner Freiheit zu bedienen, vereinigen könne.
Denn Zwang ist nöthig!
Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?
Ich soll meinen Zögling gewöhnen, einen Zwang seiner Freiheit zu
dulden, und soll ihn selbst zugleich anführen, seine Freiheit gut zu
gebrauchen.“ (Kant, 1803)
Zwang Theorie
Forderung Instruktion
Bewahrung …
Freiheit Praxis Förderung Konstruktion Veränderung …
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Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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(Weyand & Kraler, 2010)
(Hopkins & Lagerweij, 1996)
Top-down Bottom-up
LA-Stu
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Bildungsgangforschung
Curriculum vitae
Individuelles Wollen
Intrinsische Motivation
…
Subjektiver Bildungsgang LA-Studierende & Lehrerbildner/innen
Curriculum
Institutionelles Sollen
Extrinsische Anforderungen
…
Objektiver Bildungsgang
Lehrer/innenbildung
Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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Entwicklungsaufgaben Havighurst, 1948/1972;
Gruschka, 2002; Hericks, 2006; Keller-Schneider, 2010;
EA
EA
EA EA
EA
EA
EA
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Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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Konzept der Entwicklungsaufgaben
• Frühe Kindheit (Infancy and Early Childhood) – 0 bis 6 Jahre, • Mittlere Kindheit (Middle Childhood) – 6 bis 12 Jahre, • Jugendalter (Adolescence) – 12 bis 18 Jahre, • Frühes Erwachsenenalter (Early Adulthood) – 18 bis 30 Jahre, • Mittleres Erwachsenenalter (Middle Age) – 30 bis 60 Jahre • Spätes Erwachsenenalter (Later Maturity).
6 – 10 EA
Robert Havighurst (1900 – 1991)
„A developmental task is a midway between an individual need and a societal demand.“ (1972)
Entwicklungsaufgaben als Lernaufgaben im Kontext realer Anforderungen, die zur konstruktiven und zufrieden stellenden Bewältigung eines Lebens in der Gesellschaft notwendig sind. physische Reifung gesellschaftliche Anforderungen individuelle Ziele und Werte
Stefan Hahn Konzept der subjektiven Entwicklungsaufgaben (2004) Entwicklungsaufgaben bedeuten Entwicklungsbedürfnisse, die sich aus der individuellen Auseinandersetzung mit gewählten gesellschaftlichen Anforderungen auftun, die von Lernenden als subjektiv bedeutsam aufgefasst werden.
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Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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Havighurst (1972)
Dreher & Dreher (1985)
Gruschka (1985)
Hericks (2006)
Erzieher/innen- ausbildung
EA für die Bereiche o Beruf o Zukunft o Werte o Selbst
o Berufsrollenverständnis o Päd. Konzept der Fremdwahrnehmung o Konzept päd. Handelns o Professionalisierung in Berufspraxis
o Kompetenz o Vermittlung o Anerkennung o Institution
(Sek II)
o Identitätsbildende Rollenfindung o Adressatenbezogene Vermittlung o Anerkennende Führung o Mitgestaltende Kooperation
(VS)
Normativer Charakter
Keller-Schneider (2010)
Jugendalter Berufseinstieg Lehrpersonen
Entwicklungsaufgaben für den schulischen (Ausbildungs)bereich
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Entwicklungsaufgaben für den hochschulischen Ausbildungsbereich (Forschungsgruppe Uni Innsbruck + KPH; seit 2010)
Berufsleben LA-Studium Schulzeit Kindergarten
3-6 6-18/19 18-27
Bildungsbiographie (Kraler, 2009)
Berufswahlentscheidung (Trojer, 2016)
Sozialisation in Ausbildungsphase (Ostermann, 2015)
Krisenerfahrungen in Studienbiographie (Köffler, 2015)
Empirische Rekonstruktion von Entwicklungsaufgaben für die Prägungs- und Ausbildungszeit aus Sicht zentraler Akteure
professionsspezifische EA persönliche EA studienbezogene EA
studierendenseitige EA studierendenbezogene EA
subjektive EA
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Entwicklungsaufgaben für den hochschulischen Ausbildungsbereich (Forschungsgruppe Uni Innsbruck + KPH; seit 2010)
„Im Rahmen der Ausbildung geht es vor dem Hintergrund extrinsischer, curricularer bzw. gesellschaftpolitischer Vorgaben und individueller, intrinsischer Interessen bzw. Motivationen darum, jene Entwicklungsaufgaben dieser Periode zu realisieren, die für eine für alle beteiligten Aktanten erfolgreiche Berufskarriere notwendig sind. Das Bildungssystem soll eine kompetente Lehrkraft bekommen, die Lehrperson sich in ihrem Beruf erfolgreich und zufrieden fühlen.“ (Kraler, 2012)
subjektiv bedeutsame Bedürfnisse individuelle Lernaufgaben Aufgaben im Kontext formaler Ausbildungsformate (curricular) professionsspezifische Anforderungen prospektiv/zukunftsorientiert Wollen/Sollen
Entwicklungsaufgaben
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Kompetenzentwicklung durch Lösen von EA (Keller-Schneider, 2010)
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Untersuchungsdesign (Köffler, 2015 & Ostermann, 2015)
Codesysteme (Kodierparadigma)
+ - Analyse der verbalen Bewertungen - Analyse der Vignetten - Analyse der Curricula
EA Bedürfnisse, Herausforderungen, Lernaufgaben …
studierenden-bezogene EA
KPH-ES 2 Ergänzungsstudien: Erhebung von Bewertungen Erhebung von Unterrichtsbeobachtungen
subjektive EA
studierenden-seitige EA
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Zentrale Anforderungen des Lehramtsstudiums
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Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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Ergebnisse SoE Innsbruck Köffler, 2015
Entwicklungsaufgaben
Dimensionen
EA „Kompetenz“
Bereitschaft und Fähigkeit, sich Hindernissen des Studienalltags offensiv und konstruktiv-kreativ anzunehmen ohne Gefühle massiver
Hilflosigkeit zu verspüren
· Rückzugs- bzw. Vermeidungsverhalten reduzieren (z.B. Studienabbruch)
· Vertrauen in eigene Fähigkeiten und Handlungserfolge aufbauen
· Gefühl der Selbstwirksamkeit erhöhen/ Selbstzweifel bei Misserfolgen reduzieren
· Studium und Privatleben organisieren und strukturieren (z.B.: Seminareinteilung, Kindererziehung)
· Studiendisziplin erhöhen ·
EA „Resilienz“
Bereitschaft, sich unter Zuhilfenahme persönlicher Ressourcen an neue
Begebenheiten anzupassen und diesen mit Gelassenheit und Optimismus
entgegenzutreten ohne ein Gefühl fortwährender Überforderungen zu
entwickeln
· Anpassungsfähigkeit an schwierige Begebenheiten erhöhen
· Frustrationstoleranz erhöhen
· ausgeprägte Verausgabungsbereitschaft abbauen
· Motivationsstrategien zur Fortführung des Studiums entwickeln
· für ausreichend Ausgleich zum Studium sorgen (emotionale Distanz)
· Bewusstsein für persönliche Ressourcen aufbauen
· Überzeugung entwickeln, alles unter Kontrolle zu haben
EA „Fehlertoleranz“
Entwickeln eines konstruktiven,
verständnisvollen und lösungsorientierten Umgangs mit eigenen Fehlern und Defiziten
sowie Schwächen anderer
· Perfektionsstreben einschränken/ „Wettkampfgedanke“ abschwächen
· „Einzelkämpfertum“ ablegen
· Sanktions- und Prüfungsängste abbauen
· Ansprüche an sich selbst reduzieren
· eigene Schwächen und Fehler akzeptieren
· Kritikfähigkeit erhöhen/Deutung von Kritik (Kränkungs- vs. Unterstützungsfunktion)
· Verständnis für Fehler anderer (z.B.: SchülerInnen) entwickeln
· eine positive Feedbackkultur fördern
· Abstand gewinnen von Idealvorstellungen einer perfekten Lehrperson
EA „Selbstkonzept“
Bewusstwerdung über individuelle
Schwächen, Talente und Bedürfnisse; Erkennen und Nachgehen beruflicher
Interessen und Wünsche
· über sich selbst im Bilde sein
· individuelle Lernstrategien und Arbeitsweisen entwickeln
· berufsrelevante Stärken und Fähigkeiten sowie seinen Wert erkennen
· sich selbst und seine Bedürfnisse wahr- und erstnehmen
· die Qualität eigenen Agierens ausreichend evaluieren
· Fremdbezogenheit verringern
· Vertrauen in sich selbst aufbauen
· Überzeugung der Handhabbarkeit von Problemen erhöhen
· sich beruflich orientieren; Studien- und Berufswahlzweifel klären
EA „Autonomie“
Bereitschaft zur Verselbständigung im Sinne der Entwicklung einer individuellen Dynamik
der Lebensgestaltung, die sich nur mehr gering an Vorstellungen von Bezugspersonen
orientiert
· sich als eigenständige Person verstehen; sich vom Elternhaus ablösen
· Veränderungen von Beziehungsqualitäten akzeptieren (z.B.: Fernbeziehungen durch Studienortwechsel)
· neue soziale Kontakte knüpfen
· einen eigenen Lebensentwurf unabhängig von Einstellungen und Erwartungen vertrauter Bezugspersonen entwickeln
· selbst sein Leben in die Hand nehmen/ eigenständige Lebens- und Studienorganisation (Haushalt, Gelderwerb, Kindererziehung)
· für sein Handeln Verantwortung übernehmen
Ergebnisse SoE Innsbruck Köffler, 2015
Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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EA Fehlertoleranz:
„[...] das war eigentlich alles ein wenig übertrieben, meine Ängste [...], weil ich gesehen habe, dass Lehrer, die jetzt auch schon länger in der Praxis stehen, auch Probleme haben oder dass der Lehrer eben nicht der Allwissende ist, der [...] nicht immer alles wissen muss.“ (I25: TI,II/w/I&F)
„[...] im Studium habe ich wirklich die Erfahrung machen müssen, es haut halt nicht immer alles gleich hin und dann haut es halt bei einem Schüler ab und zu auch nicht gleich hin. [...] Wenn mal das halt selber an seinem eigenen Leib erfährt, [...] baut man halt dann mehr Verständnis auf.“ (I30: TI,II/m/P&C)
„[...] ich hab dann gemerkt, dass ich mich nicht aufzeigen traue oder melden traue. Ich wollte dann einfach nicht was Falsches sagen. [...] Das Selbstwertgefühl hat darunter gelitten, ich habe mir gedacht ich kann das nicht, ich kann es zu wenig.“ (I21: TI,II/w/SPA&E)
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Fehlerumgang
Akzeptanz von eigenen Fehlern und Schwächen
Anspruchsreduzierung
Verringerung von Fremdidealisierung
(Lehrer sind allwissend!)
Abschwächung von Perfektionsstreben
“Wettkampfgedanke“
Ablegen des „Selbstkämpfertums“
(positive)Fehlerwahrnehmung bzw. -deutung (Übel vs.
Entwicklungshinweis)
Minimierung von Selbstzweifeln
aufgrund von Kritik an Sprachleistungen
aufgrund negativer Prüfungsergebnisse
aufgrund von Kritik an Qualität der Diplomarbeit
Minimierung von Sanktions- & Versagensängsten
Toleranz
Entwicklung von Empathie für Lernproblematiken von
SchülerInnen
Erhöhung der Geduld im Umgang mit Fehlern von SchülerInnen
Erhöhung der Akzeptanz für fremde Meinungen/ Einstellungen
Kritikfähigkeit
Kritikoffenheit und -freundlichkeit
gegenüber Studienleistungen
gegenüber Sprachkompetenz
gegenüber Unterrichtskompetenz
gegenüber Berufs- und Studienwahl
gegenüber Qualität der Diplomarbeit
Verminderung von Selbstzweifeln
Deutung von Kritik (Kränkungsfunktion vs. Entwicklungsfunktion)
Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
17. Mai 2016
Entwicklungsaufgabe
Professionsspezifische Anforderungen
Reflexion
Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Lernbiografie, Ausbildungsinhalten und pädagogischem Handeln;
Perspektivenwechsel
Bewusstes Wahrnehmen von Schule und Unterricht aus der Sicht einer Lehrperson;
Schüler/innenzentrierung
Bereitschaft zur Gestaltung des Unterrichts nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Schüler/innen; Ermöglichen von selbständigen Lernerfahrungen für Schüler/innen; Entwickeln von Methoden zur individuellen Förderung von Schüler/innen;
Vermittlung
Entwickeln einer vielfältigen Wissens- und Wertevermittlung unter Einbeziehung unterschiedlicher Sozialformen und Lernmaterialien;
Verhaltenskontrolle
Erkennen der Bedeutung einer störungsfreien Lernatmosphäre und Entwickeln von Strategien für einen angemessenen Umgang mit Konflikten;
Sicherheit
Bereitschaft zur Vertiefung in unterschiedlichen Wissensbereichen und Aufbau von Selbstbewusstsein im pädagogischen Handlungsfeld;
Selbstverantwortlichkeit
Aufbau von Selbstdisziplin, -organisation und -interesse sowie
Auseinandersetzen mit der eigenen Psychohygiene;
Ergebnisse KPH-ES Ostermann, 2015
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Fallstudie „Mona“
Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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Welche Themenfelder wurden genannt? Welche Herausforderungen wurden wahrgenommen? …
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reflektierte Theorie-Praxis Synopsis
Professionalisierung
Praktische Umsetzung von professionsspezifischen Wissen
Wissensvertiefung
Erwerb und Verständnis professionsspezifischer fundamentaler Ideen
Entwicklung von fachlicher Sicherung
SchülerInnen-LehrerInnen Perspektivenwechsel
Schlussfolgerung
• Lehramtsstudierende haben im Studienverlauf noch erhebliche Umstrukturierungsprozesse ihres Selbst vorzunehmen. • wesentliche Prägungen der Persönlichkeit und tiefgreifende Revisionsprozesse (Teuwsen 2001) finden statt. • Persönliche Reifungskrisen scheinen in Spannung zur fachspezifischen Entwicklung, wie sie das Curriculum vorsieht, zu
stehen bzw. diese teilweise zu überschatten. • Berufsfeldbezug gilt als Anstoß für das Erkennen und Bearbeiten von professionsspezifischen Entwicklungsaufgaben. • Nutzung der Ausbildungszeit für biographische Selbstreflexionen und reflexive Auseinandersetzung mit der Profession.
EA Curriculum
EA Studienbiografie
Entwicklungsaufgaben aus Sicht des Curriculums nach Kraler (2009, S.195) Entwicklungsaufgaben aus Sicht der Studierenden nach Köffler (2014)
Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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„Der aufklärerische Anspruch ‚Die Menschen stärken, die Sachen klären’ gilt nicht nur für die Schule, sondern auch für die Hochschule. […] Lehrerbildung darf sich nicht [...] nur auf die Sache konzentrieren. Sie muss sich als pädagogischer Kontext verstehen, der eben nicht nur wissenschaftliches Vorgehen [...] vermittelt, sondern sie muss auch die Menschen stärken.“ (Neuß 2009, S. 375)
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Entwicklungsaufgaben in der Lehrer/innenbildung
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Diskussion
Rolle EA
Einbindung EA in Hochschule
Bedingungen für Bearbeitung
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Tabus
Aufmerksamkeit für Studierende
• Welche Rolle spielen Entwicklungsaufgaben (EA) im Prozess der Professionalisierung?
• Wie kann eine systemische Einbindung der vorliegenden Erkenntnisse in die hochschulische Lehrer/innenbildung erfolgen?
• Welche Bedingungen benötigen Studierende, um EA zu erkennen und in weiterer Folge zu bearbeiten?
• Was heißt es im Kontext der hochschulischen Lehrer/innenbildung Studierende ernst zu nehmen?
• Was bleibt in diesem Zusammenhang ungesagt oder wird lediglich wortlos praktiziert? Welche heiklen Fragestellungen geraten in formalen Bildungskontexten nicht oder zu wenig in den Fokus?
I.
II.
Tabus in formalen Bildungskontexten
Tabus in der Lehrer/innenbildung
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in der hochschulischen Lehrer/innenbildung
(1)
im Lehrer/innenberuf (2)
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Tabus in der Lehrer/innenbildung
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T
A
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Polynesischer Begriff
Kapitän James Cook:
“A Voyage to the Pacific
Ocean”
„Totem und Tabu“
Tabubrüche - „Der
Sündenfall”
Tabus in formalen Bildungskontexten
1777 1912-1913 21. Jahrhundert
Begriffsherkunft und Begriffsbedeutung von Tabus:
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Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Fremdheit, Unverständlichkeit
Moral
Fehlende Begründungs-
praxis
Ambivalenz
Macht vs. Nicht-
Mächtigkeit
Affektivität, Sinnlichkeit (Scham)
Kontext, Gruppen
Magie, Religion
Zwischen Grenzgang und Grenzüberschreitung: CHARAKTERISTIKA VON TABUS
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Welche Tabus zeigen sich an formalen Bildungseinrichtungen am Beispiel der hochschulischen Lehrer/innenbildung?
Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Forschungsfragen
a) In welcher Form treten Tabus und Tabubrüche in der universitären Lehrer/innenbildung in Erscheinung?
b) Welche Qualitäten/Merkmale/Funktionen von Tabus lassen sich in der Lehrer/innenbildung erfassen?
c) Wie steht dieses Phänomen mit Bildungs- und Lernvorgängen in Zusammenhang?
a) Wie können Grenzgänge sichtbar gemacht
werden? b) Welche Grenzgänge und wie werden sie
vollzogen? c) In welcher Form werden Spielräume von
Institutionen und Personen (aus)genutzt?
Tabu & Tabubrüche (1)
Grenzgänge und Spielräume (2)
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Tabus in der Lehrer/innenbildung
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(2) Tabus
(unausgesprochen)
(1) Tabus
(artikuliert)
(3) Tabus
(unbewusst?)
Filmproduktion WS 2016
Performative-inszenierte Auseinandersetzung mit
Tabuisiertem
Medium: Sprache Medium: Bild
Filmanalyse Gruppendiskussion
Tabu als kollektives Phänomen
Lehrerbildner/innen (n=20)
Lehramtsstudierende (n=40)
Status quo
Tabu/Tabuverletzung bzw. -bruch in Filmen zum Lehrer/innenberuf „Die Klasse“, „Stand and Deliver“, „Monsieur
Mathieu“, „Der „Frühstücksclub“, „Die Feuerzangenbowle“, etc.
Methodologisch-methodische Annäherung
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Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Nicht-Versprachlichung von Tabus als ein leitender Verhaltenscodex zu ihrer existentiellen Bewahrung -> repressive Wirkung von Sprache
Entzug im sprachlichen Bezug / Ansprechen ohne auszusprechen? gesellschaftlicher Umgang mit einschneidenden historischer Ereignissen (z. B.
Weltkriege, IS-Terror) unter Zuhilfenahme von bildhaften Ausdrucksmitteln (z.B. Karikaturen und Stummfilme, Fotografien)
Abb. 1: Karikatur „New York Times“, 2. April 1993
Entzug im sprachlichen Bezug? Über den Zusammenhang von Tabu und Bild
Vermeidungsvokabular:
„Machtergreifung“, „Auslese“, „artfremd“ oder
„Abendland“ (vgl. Eitz 2010)
Abb. 2: Mohammed Karikatur in „Charlie Hebdo“
vs.
Worin unterscheidet sich Bildhaftes von Sprachlichem und welche bildimmanenten Merkmale legitimieren seine Verwendung für die Thematisierung von Unter- bzw. Ungesagtem?
30
• Vordringen zu Tiefenschichten, latenten oder weniger reflektierten Ebenen (vgl. Bremer & Teiwes-Kügler 2007, S.85)
• erleichterte Kommunikation über Gewalt, Obszönes, Erotisch-Pornografisches bzw. Gefühle und Empfindungen dazu (vgl. Bremer & Teiwes-Kügler 2007, S.99)
• projektive, assoziative und expressive Art und Weise kontroverse Themen ans Licht zu bringen (vgl Kepper 1996)
• “Menschen denken in Sprache und fühlen in Bildern.” (Salcher 1995, S.63)
• Möglichkeit kognitive Hindernisse und diskursive Rationalisierung zu umgehen (vgl. Bremer & Teiwes-Kügler 2007, S.85)
SEI 2016
“Use a picture. It is worth a thousand words.”
(Flenders 1911, p.18)
„Flukturierende Kette von Signifikanten“ von denen der „Leser manche auswählen und die übrigen ignorieren könne (Barthes 1990, S.34)
Konjunktives vs. Kommunikatives Wissen -> bei ersterem nahezu unendliche Polysemie möglich (Bohnsack 2011, S.32)
„Kein Zeichen im Bild ist allemal eindeutig fixiert!“ (Obraz 2006, S. 410) Vorwurf der Undeutigkeit als Potential -> subjektive Perspektivität gewährleistet Variabilität und Varietät im
Rezeptionsvorgang Bildhaftes entzieht sich dieser Logik folgend jedweder Verantwortlichkeit -> Verantwortung liegt beim
Bildbetrachter Kunst als nahezu „sanktionsfreier“ Raum – bedient sich bildhafter Medien (z.B. Film, Malerei, Fotografie etc.)
Polysemie als Potential?
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Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Themenfelder in der hochschulischen Lehrer/innenbildung (1)
Eignung für Lehrberuf
„Ich und mein Unterricht“
oder „Wir und unsere
Schule?“
Kritik an Dozenten/
Dozentinnen
Verwissen-schaftlichung?
„Zwitterwesen“ Lehramtsstudent/in?
Ausbildung vs. Bildung?
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Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Themenfelder im Lehrer/innenberuf (2)
Kleidungsstil, Erotik
Nähe-Distanz-Verhältnis
Gewalt in der Familie
Überforderung bei Schüler/innen und
Lehrpersonen
Krtitik an Vorgesetzten
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a) Welche Themenfelder werden in den Transkriptauszügen der
Gruppendiskussion thematisiert?
b) Würden Sie die von den Lehramtsstudierenden formulierten Themenfelder als
Tabu bezeichnen?
c) Wurden auch Sie bereits mit Kritik, Unmut, Frust dieser Art konfrontiert oder
teilen auch Sie ähnliche Erfahrungen?
Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Gruppendiskussion
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Transkriptauszug I:
„Im Anschluss der Vergleich, also rein wissenschaftliches Studium. Also dem rein wissenschaftlichen Studium ist immer immanent der Prozess „Wo gehe ich hin? Wo ist mein Bereich auch in der Wissenschaft?“, die Identifikation auch mit der Wissenschaft. Weil eben es auch im großen Teil ein Berufsstudium ist, kommt mir vor, auch aus den Rückmeldungen der Studierenden, es ist ein Durchgang. Es ist ein Durchgang. Und diese Frage vor ungefähr einer dreiviertel Stunde: ,Warum gehen die Lehramtsstudierenden net auf die Barrikaden, warum so wenig Protest, warum so wenig Kritik?‘ Es wird als Durchgang empfunden und nicht als eigener Lebensabschnitt. Wohingegen ich bei rein wissenschaftlichen Studien find, ich werde jetzt Physiker, das ist mein Leben. Ich bereite mich jetzt auf ein Leben auf 50 Jahre Physik vor. Das ist ganz ein anderer Zugang mit Studierenden, die sagen: ,Ok, ich werde Lehrer.‘ Das wirkliche Lehrergeschehen passiert dann. Das heißt ich muss durch. Und schau halt dass… Es gibt in der Bibel das Zitat: ,Prüfet alles, das Gute behaltet.‘ So nach dem Motto kommt mir das Lehramtsstudium vor. Man schaut sich halt mal ein bisschen in der Bibliothek des Lehramtsstudiums um. Und was mir gefällt, das nimmt man mit. Von den 1.000 Medikamente. Und… was man jetzt auch braucht! Und dann ist man durch. Aber es ist ein Durchgang. Es hat selbst keinen Eigenwert kommt mir vor. Auch bei den Studierenden nicht.
Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Transkriptauszug II:
„Ich möchte in dem Zusammenhang schon auch über andere Tabus sprechen, die
mich im Studienalltag beschäftigen. Und es ist wenn ich Inhalte aus den
pädagogischen oder den bildungswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen nehme
und in fachwissenschaftliche oder fachdidaktische Kurse einbauen möchte, dann
werde ich meistens von den Studienkolleginnen und Kollegen und auch von der LV-
Leitung belächelt, wenn nicht sogar ausgelacht, wenn nicht sogar mit verärgerten
Blicken gestraft. Und es ist genauso wenn ich mit der Fachdidaktik in die LV‘s
komme, droht mir hier dasselbe Schicksal. Und wenn ich mit Inhalten in die zwei
LV’s in die fachwissenschaftlichen Kurse gehe, dann ist es erst recht die
Katastrophe. Und das ist einfach irgendwie beschämend, weil ich als zukünftiger
Lern- und Lehrexperte natürlich alles brauch und gerne auch in allen Kursen
irgendwie in Kombination auch alles anwenden möchte. Und ich finde es schon
traurig, wenn hier das gegenseitige Misstrauen und der fehlende Respekt irgendwie
da ist. Vor allem der fehlende Respekt vor anderen Personen und der fehlende
Respekt in die anderen wissenschaftlichen, ja Fachrichtungen?“
Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Transkriptauszug III:
„Da fällt mir was ein. Proseminar Geschichteamt. Wir waren zu zweit bei einem
Thema. Und ich habe den ersten Teil gemacht. Und ich hab das ein bisschen
dramaturgisch aufgezogen. Und mit Flipchart und Power-Point und so. Und bei
mir wurde dann auch festgestellt: ‚Ah du bist ein Lehrer.‘ Eh noch nett. Aber
man wurde halt festgestellt ‚Du bist Lehrer.‘ Und dann habe ich mir eben auch…
Hat der Professor auch dann gesagt: ‚Jetzt ist aber mal genug.‘ Aber da habe ich
mir dann auch von einer Mitstudentin mangelnde Wissenschaftlichkeit
unterstellen lassen dürfen. Weil ich es entsprechend aufbereitet hab.“
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Transkriptauszug IV:
„Ich würde jetzt nochmal versuchen ein neues Tabu in den Raum zu schmeißen,
wo ich mir noch nicht sicher bin, was darauf überhaupt eine Antwort ist und wie
man das überhaupt angeht. Aber meine These ist, dass ich glaube, dass wir uns
eingestehen müssen, dass wir nicht länger zulassen können, dass wir jeden und
jede auf Kinder loslassen können. Also welches Tabu gehen wir ein oder welches
Gespräch gehen wir ein, Menschen wirklich zu vermitteln, vielleicht ist Lehramt
nichts für dich.“
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„Ich verstehe jetzt, dass ich ähnlich wie ein Psychotherapeut gewisse Wissenschaftlichkeit brauche, damit ich Ergebnisse produziere, die unabhängig von mir sind. Aber was ich gerne mal diskutieren würde ist, ich finde bzw. ich sehe mich als Lehrer nicht so als Wissenschaftler und mir wird da soviel wissenschaftliche Arbeitsweise aufs Auge gedrückt, wo ich mich eigentlich gerne mal dagegen wehren würde. Es ist für mich ein Missverhältnis da, ich werde extrem zu einem Wissenschaftler erzogen, aber ganz viel anders, naja, soziale Kompetenz geht für mich wahnsinnig unter. Aber das ist für mich so eine Türe, die habe ich noch nie aufgemacht, weil das könnte bei den LV-Leitern falsch rüber kommen. Mei, des is eine Lehrerprofessionalisierung, die ich nicht in Frage stelle, aber ich habe das Gefühl, da kann soviel schief gehen. Das ist eine Tür, die ich nie aufmache und auch in der LV nie aufmachen würde.“
Tabus in der Lehrer/innenbildung
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Transkriptauszug V:
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Bibliografie • Adorno, Th. W. (1971). Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt am Main: st. • Bourdieu, P. (1997). Verstehen. In Bourdieu, P. et al. (Eds.): Das Elend der Welt. Konstanz: UVK-Verlagsgesellschaft, pp. 779-802. • Bourdieu, P. (1970). Zur Soziologie der symbolischen Form. Frankfurt am Main: Suhrkamp. • Bremer, H. & Teiwes-Kügler, Ch. (2007). Die Muster des Habitus und ihre Entschlüsselung. Mit Transkripten und Collagen zur
vertiefenden Analyse von Habitus und sozialen Milieus. In: Friebertshäuser, B. et al. (Eds.): Bild und Text. Methoden und Methodologien visueller Sozialforschung in der Erziehungswissenschaft. Opladen: Verlag Barbara Budrich.
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