zur entstehung der perichondritis nach strahlenbehandlung bei kehlkopfcarcinom

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Archly Ohr- usw. tIeilk, u. Z. Ilals- usw. Heilk., Bd. 168, S. I73--I80 (1955). Aus der Universit/~tsklinik und Poliklinik fiir 0hren-, Nasen- und Ha,tskrankheiten Kiel (Direk~or: Prof. Dr. KL~tus VOGEL). Zur Entstehung der Perichondritis nach Strahlenbehandlung bei Kehlkopfcarcinom*. Von KL:~US VOGEL und URSULA BOGASCH. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 2. Mai 1955.) Seit 1941 wird yon ZA_~GE, Z6LL~E~ und ALBRECHT die Ansicht ver- treten, dab eine Perichondritis, welche bei Strahlenbehandlung des Kehl- kopfcarcinoms auftritt, nicht dutch eine Strahlensch~digung verursacht, sondern fast immer die Folge einer Freflegung des Knorpels durch Tumor- ulcerationen und einer nachtr~glichen Spontaninfektion sei, die lediglich durch die Stralflenbehandlung aktiviert wiirde. Die eigentliche Perichon- dritis radiotherapeutica sei ~ugerst selten. ALBI~ECI-IT hat dieselbe unter 400 F~llen nur einmal gesehen. Sie sei so gut wie immer auf fehlerhafte Dosierung zurtickzuffihren. Sicher ist es Z6LLNE~S Verdienst, diese Entstehungsweise fiir eine groBe Anzahl yon Perichondrititen dutch klinische Beobachtungen und histologische Untersuchungen wahrscheinlich gemacht zu haben. Weitere Beobachtung mugte lehren, ob sich daraus eine allgemeingiiltige Regel herleiten l~Bt. Gemeinsam mit Frl. cand. reed. BOGASC~ habe ich die einschli~gigen F~lle der Kieler Klinik aus den Jahren 1943--1953 untersucht. Es wur- den in dieser zeit 164 Kehlkopfcarcinome behandelt, 24 wurden primer exstirpiert, 98 wurden r6ntgenbestrahlt. Bei 34 entwickelte sich eine Perichondritis, d. h. in 34,7~o der Fi~lle. Die Prozentzahl ist nicht un- gew6hnlich groB, sondern entspricht fast genau dem Ergebnis yon R. ALBRECHT, welche unter 206 r6ntgenbestrahlten F~llen yon Kehlkopf- carcinomen 71real eine Perichondritis konstatierte, d. h. in 34,5o/o . In der gleiChen Zeit wurden an der Kieler Klinik 33 Stimmband- carcinome mitlSchildknorpelfensterung und Radiumeinlage behandelt. Es ergab sich dabei 6mal eine Perichondritis, d. h. in 18,2~ . Aul3erdem wurde bei 9 Kehlkopfcarcinomen zun~chst eine Fensterung vorgenommen und infolge Rezidivs nachtr~glich eine R6ntgenbehandlung durchgefiihrt. Unter diesen FS~llen entstand 4mal eine Perichondritis. * Vortr~g gehalten vor der Vereinigung schleswig-holsteinischer Hals-, Nasen-, Ohren~rzte am 26. Mgrz 1955. Arch. Ohr- usw. ]{eilk. u. Z, ]~als- l~sw. Heilk,, Bd, 168. 13

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Page 1: Zur Entstehung der Perichondritis nach Strahlenbehandlung bei Kehlkopfcarcinom

Archly Ohr- usw. tIeilk, u. Z. Ilals- usw. Heilk., Bd. 168, S. I73--I80 (1955).

Aus der Universit/~tsklinik und Poliklinik fiir 0hren-, Nasen- und Ha,tskrankheiten Kiel (Direk~or: Prof. Dr. KL~tus VOGEL).

Zur Entstehung der Perichondritis nach Strahlenbehandlung bei Kehlkopfcarcinom*.

Von KL:~US VOGEL und URSULA BOGASCH.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 2. Mai 1955.)

Seit 1941 wird yon ZA_~GE, Z6LL~E~ und ALBRECHT die Ansicht ver- treten, dab eine Perichondritis, welche bei Strahlenbehandlung des Kehl- kopfcarcinoms auftritt , nicht dutch eine Strahlensch~digung verursacht, sondern fast immer die Folge einer Freflegung des Knorpels durch Tumor- ulcerationen und einer nachtr~glichen Spontaninfektion sei, die lediglich durch die Stralflenbehandlung aktiviert wiirde. Die eigentliche Perichon- dritis radiotherapeutica sei ~ugerst selten. ALBI~ECI-IT hat dieselbe unter 400 F~llen nur einmal gesehen. Sie sei so gut wie immer auf fehlerhafte Dosierung zurtickzuffihren.

Sicher ist es Z6LLNE~S Verdienst, diese Entstehungsweise fiir eine groBe Anzahl yon Perichondrititen dutch klinische Beobachtungen und histologische Untersuchungen wahrscheinlich gemacht zu haben. Weitere Beobachtung mugte lehren, ob sich daraus eine allgemeingiiltige Regel herleiten l~Bt.

Gemeinsam mit Frl. cand. reed. BOGASC~ habe ich die einschli~gigen F~lle der Kieler Klinik aus den Jahren 1943--1953 untersucht. Es wur- den in dieser zei t 164 Kehlkopfcarcinome behandelt, 24 wurden pr imer exstirpiert, 98 wurden r6ntgenbestrahlt. Bei 34 entwickelte sich eine Perichondritis, d. h. in 34,7~o der Fi~lle. Die Prozentzahl ist nicht un- gew6hnlich groB, sondern entspricht fast genau dem Ergebnis yon R. ALBRECHT, welche unter 206 r6ntgenbestrahlten F~llen yon Kehlkopf- carcinomen 71real eine Perichondritis konstatierte, d. h. in 34,5o/o .

In der gleiChen Zeit wurden an der Kieler Klinik 33 St immband- carcinome mitlSchildknorpelfensterung und Radiumeinlage behandelt. Es ergab sich dabei 6mal eine Perichondritis, d. h. in 18,2~ .

Aul3erdem wurde bei 9 Kehlkopfcarcinomen zun~chst eine Fensterung vorgenommen und infolge Rezidivs nachtr~glich eine R6ntgenbehandlung durchgefiihrt. Unter diesen FS~llen entstand 4mal eine Perichondritis.

* Vortr~g gehalten vor der Vereinigung schleswig-holsteinischer Hals-, Nasen-, Ohren~rzte am 26. Mgrz 1955.

Arch. Ohr- usw. ]{eilk. u. Z, ]~als- l~sw. Hei lk , , Bd, 168. 13

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174 K . VOGEL u n d U . BOGASCH:

Bei der Nachpriifung der Ursachen dieser Perichondritiden kamen wir jedoch zu wesentlich anderen Ergebnissen. Wghrend Z6LL~ER in seinen 50 histologisch untersuchten Perichondritisfgllen stets Tumorreste fund, welche er als Wegbereiter fLir die Infektion ansah, waren unter unseren 44 bestrahlten Perichondritisfgllen 16, bei denen sicher kein Tumor mehr vorhanden war, als die Perichondritis auftr-at. Dies ist er- wiesen teils durch histologische Untersuchung yon Probeexcisionen, oder

Abb. 1. Pat. Kurt So., 66 g. a Kehlkopf yon hinten aufgeschnitten. Oberer Rand der Epiglottis. b Zentrale Nekrose in der ~ingknorpelplatte. c Unterer Rand der sagittalen Schnittfl~iche der stark

verdickten Ringknorpelplatte.

nach Exstirpationen, welche wegen der Schwere der Perichondritis vor- genommen werden mul]ten, oder dureh Untersuehung nach der Obduk- tion, tells durch den weiteren, meist fiber 3 Jahre tumorfreien Verlauf. Die histologischen Untersuchungen wurden im Pathologischen Inst i tu t der Kieler Universitgt (Direktor: Prof. B~NGU, LEa) durchgefiihrt.

Bei 4 weiteren Patienten schien nach Verlauf und makroskopischem Befund zwar nicht mit Sicherheit, aber mit grol~er Wahrscheinlichkeit die Bestrahlung die Ursache zu sein. ttistologische Untersuchungen liegen bei diesen nioht vor. Die restlichen 24 Fglle haben wir als Tumor-Peri- chondritiden angesehen.

Zur Belegung meiner Behauptungen mSch{e ich einige yon den elf r5ntgenbestrahlten Fgllen kurz beschreiben.

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Zur Entstehung der Perichondritis bei Kehlkopfcarcinom. 17 5

FI. W., 52 Jahre, April 1953 Plattenepithelcarcinom des linken Stimmbandes festgeste]lt mit Fixation und subglottiseher Ausdehnung. Er wurde 33 mal naeh dem hier iibliehen Schema in der Bestrahlungsabteilung der Chirurgisehen Klinik durch Prof. DIETI~IELM bestrahlt (2 seitl. Felder zu 4• 6 em zu ie 120 r in wenigen Minuten, im ganzen 7920 r 180 K.V. 5 M.A. 0,5 Kupfer, 30 cm Abstand). Im 1Kai 1953 Be- strahlung beendet, starke Strahlenreaktion, Tumor makroskopiseh beseitigt. Nach 2 Monaten (24. 7.53) Klinikaufnahme wegen Atemnot. Sehwellung der Arygegend und des Kehlkopfinneren, Nekrosefoetor. Auf Penieillinbehandlung Besserung. Einen Monat sp/~ter Ende August wiedcr Klinikaufnahme, wie- der Schwe]lung, jetzt auch der rechten Kehlkopfseite, Nekrosefoetor,Druckschmerz, wieder Besserung auf Behand- lung mit Penicillin, Trauben- zueker und Magnesium sul- furieum. Probeexcision: kein Tumor. Nach 2 Monaten wie- der starke Sehwellung, Atem- not; Penicillin ohne EinfluB; wegen der Schwere der Kehl- kopferkrankung Exstirpation am 17.5.54. Die histologisehe Untersuchung des Kehlkopfes und des oberen Trachealendes ergab keinen Tumor. Hier war die Geschwulst durch die Bestrahlung beseitigt, abcr 2 Monate sparer begann eine dreimal exacerbicrende Peri- chondritis, ffir welche der Tumor nicht verantwortlich zu machcn ist, well er nicht mehr vorhanden war und ins- besondereweil auch die tumor- freie rechte Seite betroffen war. Es handelt sieh trotz nieht stattgehabter Uber- dosierung um eine Strahlen- Abb. 2. Histol. Sagittalsehnitt dureh die hintere seh/s Larynxwand bei d. gleichen Patienten.

offenbar ein locus minoris resistentiae gesehaffen, der den allt/~gliehen Belastungen nicht mehr gewaehsen war und mit einer nekrotisierenden Perichondritis reagierte.

K. S., 66 Jahre, im September 1950 mit Plattenepithelcarcinom am linken Kehlkopfeingang eingeliefert. 33 real t/~glich naeh dem angegebenen Schema rSntgen- bestrahlt his zum 6.11.50. Ausgedehnte Fibrinreaktion; Probeexcision an der frii- heren Tumorstelle negativ. Entlassung. 3 Monate sp/iter am 17.2. 51, Krankenhaus- aufnahme in Ltibeck wegen bedrohlichen KehlkopfOdems beiderseits. M/~rz 1951 dort Traeheotomie. Wegen einer gef/~hrlieh werdenden Bronchitis und sich verschleehtern- den Allgemeinzustandes am 10.10.51 Kehlkopfexstirpation in der Kieler K]inik. Nach der Abtragung erwies sich der ganze Kehlkopf als diffus geschwollen, die Sehleim- hautdecke war iiberall intakt. In der l~ingknorpelplatte fand sich eine zentrale stinkende Nekrose. Aueh histologiseh war kein Tumor mehr nachweisbar (Abb. 1 u. 2).

13"

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176 K. VooEL und U. BOGASC~:

Der Tumor war dureh die I~Sntgenbestrahlung beseitigt, dis Periehondritis war mehr als 3 lV[on~te sp~ter aufgetreten und kann durum nioht auf den Tumor sondern mlr auf die Bestrahlung bezogen werden. Dal3 nebenher eine seropositive alte Lues bestand, die gleiehzeitig behandelt wurde, wh'd den Verlauf wohl ungiinstig be- einfluBt haben, doeh handelte es sieh lokal im Kehlkopf nieht um spezifisehe Ver- ~nderungen, wie aus dem histologisehen Pr~parat ersiehtlieh ist.

Die weiteren 9 rSntgenbes~rahIten Y~lle: H . S . 55 Jahre M . K . 43 ,, F . N . 55 ,, H . B . 56 , ,

R . B . 58 ,, H . L . 54 ,, P . B . 64 ,, H . B . r ,, W . P . 50

deren Beschreibung ich aus I~aumersparnisgr i inden unterlasse, verha l ten sieh ghnlieh. Aueh hier war, teils dureh histologisehe Unte rsuchung , teils dutch den weiteren tumorfre ien Verlauf, eine Tumorbete i l igung an der Periehondri t is ausgeschlossen. Die Krankengeschieh ten stehen auf W u n s c h zur Eins ieht zur Verftigung.

Sechsmal wurde un te r 33 Fi~lte~ yon Sehi idknorpelfensterung mi t t~adiumeinlage eine Per iehondri t is beobachtet . Von diesen war vermut- lieh einer eine Tmnorper iehondr i t i s (H. H., 56 Jahre).

E in weiterer, H. W., 76 Jahre, k6nn te mSglieherweise als eine W u n d - infekt ion angesehen werden, weil sieh die E n t z t i ndung bald an die Fenste- rungsopera t ion ansehloB. Doch sprieht die schleehte Hei l tendenz und der ungew6h~liehe, immer wieder rezidivierende Verlauf fiir eine Strahlen-

sehadigung als ausschlaggebende Ursaehe.

Die vier i ibrigen Fglle sind sichere Best rahlungsper iehondr i t iden.

Zwei Beispiele m6gen folgen:

F. Sch., 43 Jahre, 21.2.50 Plattenepitheleareinom fast des ganzen linken Stimmbandes festgestellt; ansehlie~end Sehildknorpelfensterung links mit Einlage yon 10 mg Radiumelement ftir 6mM 24 Std (= 1440 mgh). Der Tumor versehwand v611ig. IS]4 Jahre spgter im November 1951 starkes Ary6dem beiderseits, Atemnot- Nekrosefoetor, AbstoBung yon nekrotisehen Knorpelteilen. Abheilung unterXrosol, behandlung mit Supraeillin. 3s/4 Jahre naeh der Operation im November 1953 keine Anzeichen von Tumor, ein weiteres Jahr sparer im Dezember 1954 Nekrose am linken Stimmband, geringer Foetor; nach 2 Monaten, im Februar i955 war das Larynxinnere gereinigt, kein Tumorgewebe feststellbar.

Es hande l t sieh also u m eine 2mM naeh S t rah lenbehand lung ohne Mitwirkung eines Tumors en t s t andene Perichondri t is .

Dr. P. B., 51 Jahre, Mai 1947 mit Plattenepitheleareinom im vorderen Drittel des linken Stimmbandes Sehildknorpelfensterung und Radiumeinlage. Fast 2 Jahre spgter im Jahre 1949 wegen Rezidivverdachts in die Klinik eingewiesen. Es handelte

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sich aber um eine Perichondritis, ausgelSst offenbar durch Erk/iltungsreiz. Baldige Abheilung. Letzte Kontrolle 3 Jahre sp~ter am 3.3.53. Kein Tumorbefund.

Auch diese Perichondritis ist nicht auf Grund einer Wegbereitung durch den Tumor entstanden, sondern durch Zusammenwirkung einer Strahlenschi~digung des Gewebes und einer Erk/~ltungskrankheit.

Auf die Wiedergabe der beiden letzten Fi~lle (W. G. und H. B.) will ich der Kfirze wegen verzichten.

In allen Fensterungsf~llen flammte nach anf~nglicher prim/~rer Hei- lung, nach Monaten oder Jahren, plOtzlich ein entzfindlicher Prozeft auf, ohne daft Tumorreste vorhanden waren. Die dabei fast immer beobach- tete Nekrosebildung spricht gegen ein einfaches Narbenrezidiv sondern ffir eine Strahlenschi~digung. Bestrahlungsfehler sind ausgesehlossen, da es sich in allen Fi~llen um die gleiche, seit fiber 20 Jahren erprobte Dosie- rung handelte.

Durch die Strahlensch~digung der Umgebung des ehemaligen Tumors bei RSntgen- oder Radiumbehandlung wird offenbar ein locus minoris resistentiae geschaffen, der bei irgendwelchen Insulten (z. B. Erk~ltungs- reizen, einmal aueh ein Rauehexzel~) mit Entziindung oder Nekrose- bildung - - je nach dem Grade der Seh~digung - - reagiert. Jedenfalls kann man m. E. sagen, dab ohne die vorangegangene Bestrahlung die beob- achtete Perichondritis nieht aufgetreten w~re und daft die Krankheits- bilder von Perichondritiden die wir naeh alleiniger Infektion beobachten, klinisch anders aussehen und verlaufen, und da$ diese aufterordentlich selten sind. Zum Beispiel haben wir bei den spontanen Perichondritiden Knorpelnekrosen nur bei gleichzeitiger Erkrankung des inneren und ~ul~eren Perichondriums und niemals pr imate Nekrosen der bedeckenden Weichteile, wie sic bei der Strahlenperichondritis nahezu die Regel sind.

Die Infektion erfolgt wohl auf dem Blutwege. Dementsprechend sahen wir bei Fensterungsfi~llen in frfiherer Zeit, als die Dosierung gelegentlich versuchsweise erheblich hSher und die ]okale Seh~digung grSl~er war, be- sonders in Grippezeiten, hochakute Erkrankungen mit stinkender Gan- gr in ; aber auch zu anderen Zeiten kreisen 5fter Erreger im Blur ohne be- sondere Erscheinungen. Ffir diese bietet ein str~hlengesch/~digtes Gewebe sieher eine besondere Anziehungskraft. So z. B. beobuchtet man ]a auch gelegentlich eine Vereiterung abgesehlossener Blutergfisse.

Wenn auch keine bakteriologischen Untersuehungsergebnisse vor- liegen, so ist doeh aus dem Foetor zu ersehen, daft Bakterien eine lgolle spie]en. Auch in dem Falle der RSntgenperichondritis mit der stinkenden zentralen Nekrose in der ~ t~ing-Knorpelplatte (K. S., 66 Jahre) dfirfte also eine hi~matogene Infektion vorliegen. Daft ZSLL~S,R diese Entste- hungsart nicht erws ]iegt vielleicht daran, daft er nicht in die Lage kam, Kehlkopfexstirpationen wegen schwerer Perichondritis vornehmen zu mfissen. An diesen F~llen kann man mit Sicherheit erkennen, dal~

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Perichondritiden aueh ohne Tumorreste nur dureh Strahlensch~den ent- stehen.

Man mug wohl eine persSnliehe Disposition im EinzelfMle annehmen, da die Vergnderungen auch bei ganz gleieher Dosierung in einem Falle leiehter sind (nut akute oder chronisehe Sehwellungen mit bindegewebi- get Induration), in anderen F/~llen mit allen Uberggngen his zu sehwer- sten Nekrosen auftreten, bzw. bei manehen Patienten sieh gleieh an die Bestrahlung ansehliegen, bei anderen erst spgter bei besonderen Anl~ssen entstehen. Aueh bei der sehr untersehiedliehen therapeutisehen Strahlen- wirkung bei den versehiedenen Plattenepithelcareinomen mfissen wir wohl solehe konstitutionelle Untersehiede annehmen.

Die H6he der l~Sntgeneinzeldosen erwies sieh nieht als entscheidend fiir die Ents tehung oder das Ausbleiben der Periehondritis. Die h6ehste Einzeldosis lag bei den Periehondritisf~llen bei 300 r, die niedrigste bei 100 r. Soweit die Pat ienten hier in der Strahlenabteilung behandelt wur- den, betrug sie immer 240 r ( = 2 Felder zu 120 r). Bei den FAllen ohne Periehondritis waren die Einzeldosen nieht geringer.

Sogar die Gesamtdosen liegen keinen Wirkungsuntersehied erkennen. In der Regel wurden 7920 r appliziert, bei Wiederholung Mlerdings we- sentlieh h6here Gesamtmengen. Doeh verteflen sieh diese in ziemlieh gleieher Weise auf die Fglle mit und ohne Periehondritis. Dag die Seh~di- gungen dureh R6ntgenbestrahlungen viel gr6Ber waren als nach Radium- anwendung liegt sieher daran, dab dureh die RSntgenbehandlung der ganze Kehlkopf erfagt wird, dagegen dutch die I~adiumbestrahlung nur der Schildknorpel einer Seite. Die Seh~den naeh Radiumeinlage heilten s~mtlieh folgenlos ab, meist spontan, einmal nach noehmaliger Aus- kratzung der WundhShle. Von den 34 rSntgenbestrahlten Perichondritis- f~]len heilten nur 8 spontan, 10 mugten tracheotomiert und 16 larynx- exstirpiert werden.

Von den 34 RSntgenf~llen sind 11 siehere Strahlenperiehondritiden (also 1/3 ). Von diesen brauehgen ~ nur konservativ behandelt zu werden, 2 wurden traeheotomiert , 4 larynxexstirpiert. Zwei starben an den Fo]gen der Periehondritis, einer an spgter auftretenden Metastasen, ein weiterer kurz naeh der Kehlkopfexstirpation.

Probeexeisionen spielten in unseren t~l len bei der Entstehung der Periehondritis mSglicherweise eine Rolle. In der Gruppe der Periehon- dritiden sind vor Auftreten derselben 15 • 2 oder mehrere Probeexcisionen gemacht worden. In der periehondritisfreien Gruppe, die ja viel gr613er war, ist dies nur 5real der Fall gewesen. Die Traeheotomie war dagegen nicht yon Bedeutung, weft sie in unseren F~llen fast immer erst nach Ausbrueh der Perichondritis erfolgte.

Die siehtbar ulcerierten Tumoren fiihrten nieht hgufiger zu einer Peri- ehondritis als diejenigen mit intakter Oberfl~che.

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Zur Entstehung der Perichondritis bei Kehlkopfcarcinom. 179

Untersehiede, welche auf der histologisehen Beschaffenheit der Ge- sehwfilste oder auf dem verschiedenen Lebensalter beruhten, liegen sieh nieht feststellen.

Die Periehondritis kam somit unter 140 r6ntgen- bzw. radiumbestmht- ten Fi~llen 44mal vor = in 31,4% der Fille. Sie war 16mal (d. h. in 36,3~o aller Periehondritisf~lle) nut dureh Bestrahlung bedingt. Dem gegeniiber wurden bei 24 niehtbestrahlten, totalexstirpierten Patienten nur 4mal (d. h. in 16,7~o) eine Perichondritis gesehen. Itier dfirfte es sich wohl immer um eine Tumorperichondritis gehandelt haben.

Bei unserer Bereehnung haben wir nut die sieher tumorfreien Fil le ~ls Strahlenschidigungen angesehen. S~mtliche Patienten dagegen, bei welehen sieh Tumorreste fanden, als Tumorperiehondritiden betraehtet, obwohl Beweise dafiir nieht zu erbringen waren. So z. B. sahen wir die naeh ZA~GE und Z6LLNER ffir Tumorperiehondritis typisehe friihzeitig w~hrend der Bestrahlung einsetzenden 0deme nut 3mal. Die fibrigen kamen erst gegen Ende der Bestrahlung oder nach Woehen, ~ona ten oder Jahren. Wit haben also keineswegs die l~olle der Bestrahlung als Mleinige Ursache der Sehgdigung zu hoeh gewertet.

Wi~hrend die Periehondritis naeh Fensterung und l~adinmeinlage harmlos ist, haben wit in der R6ntgenperiehondritis ein sehr naehteiliges Attribut der Bestrahlungsbehandlung. Wenn Sequester entstanden sind, die sieh nieht spontan abstogen k6nnen, ffihren Teilgusriumungen nieht zum Ziel, da dutch die RSntgenbestrahlung der ganze Kehlkopf ergriffen wird. Wie bereits gesagt, wurden wit 4mal trotz erfolgter Beseitigung des Tumors dutch eine ausgedehnte Periehondritis zur Exstirpation gezwun- gen. Aber aueh in gfinstigeren F~llen ist das Leiden hartn~ekig und er- streckt sieh trotz Behandlung mit Antibiotieis, Calcium, Traubenzueker und Kurzwellen meist fiber Monate. Da auf die R6ntgenbestrahhmg nieht verziehtet werden kann, versuehen wit jetzt dutch vorbeugende Anwen- dung eines Penieillinsehutzes w/~hrend der R6ntgenbestrahlung die Ent- stehung einer Periehondritis einzusehrinken. Ob die Bestrahlungsdosis etwas herabgesetzt werden kann, soll versueht werden. Der den besten Erfolg versprechende Ausweg zur Vermeidung der Perichondritis wi~re natfirlieh die Frfiherkennung und Frfihbehandlung des Careinoms.

Zusammenfassung. Bei 98 r6ntgenbestrahlten Fi~llen yon Kehlkopfcarcinom wurde 34 mal

eine Periehondritis beobaehtet (34,7 ~ ).

Bei 33 mit Fensterung und I~udiumeinlage behandelten Stimmband- earcinomen entstand 6mal eine Periehondritis (18,2%).

Von den 34 R6ntgenfi~llen mfissen 11, von den 6 gefensterten mfissen 5 als Strahlenseh~digung angesehen werden.

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180 K. VOGEL, U. BOGASC~ : Entstehung der Perichondritis bei Kehlkopfcarcinom.

Eine Tumorperichondritis war bei diesen Patienten auszuschlieBen, da zur Zeit der Entstehung der Perichondritis kein Tumor mehr vor- handen war, was tells dutch Probeexcision, teils durch histologische Untersuchung exstirpierter Kehlk6pfe, teils dutch den weiteren tumor- freien Verlauf nachgewiesen wird. Zur Belegung dieser Behauptungen werden einige Beispiele genauer beschrieben.

Die Ents tehung der Perichondritis wird durch die lokale Strahlen- sch/~digung des Gewebes, vermutlich unter Mitwirkung zus~itzlicher hama- togener infekti6ser oder toxischer Reize erkl~rt, wobei der Bestrahlung abet die entscheidende Rolle zuf/~llt. Fehlerhafte Strahlendosierungen lagen nicht vor.

Zur Vermeidung der Perichondritisgefahr wird die R6ntgenbestrah- lung jetzt unter Penicillinschutz durchgeffihrt.

Prof. Dr. KLAUS VOGEL, Universit/~tsklinik u. Poliklinik f. Ohren-, Nasen- u. HMskrankheiten, Kiel.