zur erweiterung der grafischen statik in die 3. dimension

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354 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 90 (2013), Heft 6 DOI: 10.1002 / bate.201200075 AUFSATZ Maximilian Schrems*, Toni Kotnik Zur Erweiterung der grafischen Statik in die 3. Dimension 1 Einleitung Die Erweiterung der grafischen Statik in die 3. Dimensi- on basiert auf der geometrischen Konstruktion des Kräf- teflusses und steht damit im Kontrast zu einer numeri- schen Berechnung. Das bedeutet, dass die Logik des inne- ren Kräfteflusses innerhalb einer Struktur wichtiger wird, als die analytische Bewertung der Struktur. Damit ge- währt die grafische Statik einen intuitiven Ansatz und er- möglicht so prozessorientiertes Entwerfen. Durch die Anwendung der grafischen Methoden zur Dar- stellung des Kräfteflusses im dreidimensionalen Raum wird der Grundstein für eine Entwurfsmethode gelegt, bei der die Architektur und das Ingenieurwesen in einen akti- ven und visuellen Dialog treten. Dies ist auch die Motiva- tion für die Weiterführung der Forschung in diesem Be- reich, dessen Wurzeln in der von KARL CULMANN 1866 publizierten „Graphischen Statik“ zu finden sind [1]. Für KARL CULMANN war klar, dass „das Zeichnen die Spra- che des Ingenieurs“ [2] ist. Architekten denken und kommunizieren mittels Zeich- nungen, Plänen und Diagrammen. Daher ist offensicht- lich, dass die grafische Statik als visuelle Methode zur Darstellung des inneren Kräfteflusses dazu prädestiniert ist, den Dialog zwischen den beiden Professionen zu för- dern. Dies ist umso gültiger, seitdem dreidimensionale Visuali- sierungen mithilfe von CAD-Programmen durchgeführt werden können und somit die einst zweidimensionale Methode auf intuitive Art und Weise in den Raum erwei- tert werden kann. Erste Anwendungen in diese Richtung sind bereits für rein auf Zug respektive Druck bean- spruchte Tragwerke verfügbar [3], wodurch die experi- mentellen und damit aufwändigen Methoden der Form- Im 19. Jahrhundert wurden grafische Methoden – 1866 von CARL CULMANN als „Graphische Statik“ systematisiert und publi- ziert [1] – dazu benutzt, den Zusammenhang zwischen geome- trischer Form und innerem Kräftefluss genauer zu untersuchen. Diese Methoden wurden mehr und mehr durch analytische Verfahren ersetzt, da in den aufstrebenden Ingenieurwissen- schaften die leichter zu verarbeitende numerische Berech- nung, in Kombination mit physikalischen Experimenten, an Be- deutung gewann, wodurch ein Bedürfnis nach numerischer „Präzision“ bestand. Heutzutage können mithilfe von digitalen Werkzeugen auch komplexe dreidimensionale Geometrien dar- gestellt werden und somit taucht in der Architektur wieder das Interesse an der grafischen Statik auf. Dieses Interesse gründet auf der einfachen und mathematisch präzisen Heran- gehensweise der grafischen Statik, mit deren Hilfe der Zusam- menhang von Kraft und Form diskutiert werden kann. Die lau- fende Forschung an der ETH Zürich zur Erweiterung der grafi- schen Statik in die 3. Dimension hat einerseits das Ziel, Limitierungen des zweidimensionalen CULMANN‘schen Ansat- zes zu überwinden, andererseits eine vektorgeometrische, vi- suelle und damit synthetische Methode zur Untersuchung von dreidimensionalen Kräfteflüssen zu generieren. Dabei ist wich- tig, dass der Fokus auf der Betrachtung der Resultierenden und der Erforschung von deren Enstprechung im Raum liegt. Keywords Statik, grafische; Resultierende; Kräftefluss, innerer On the extension of graphical statics into the 3rd dimension In the 19th century methods of graphical statics – systematized and published by CARL CULMANN in 1866 – were used to study in more detail the relationship between form and the flow of forces. Historically, they were superseded by analytical meth- ods, due to the relative ease of numerical calculations and the increasing importance of experimentation by the developing discipline of engineering with its need for precision. Nowa- days, however, with the availability of digital tools and the pos- sibility of visualization of geometry in 3D space, there is a re- emerging interest in graphic statics within the design process. Therefore, a visual dialogue about the flow of forces based on graphic statics should be fostered because these methods offer a simple yet precise way to discuss the geometrical de- pendency of form and forces. The research is part of an ongo- ing process to extend the methods of graphic statics to the third dimension in order to overcome, on the one hand, some of the limitations of CULMANN’s approach and on the other, to gen- erate a geometrical, visual and thus synthetic method for ex- ploring 3D equilibrium. The focus is on the resultant and on the likeness in space. Keywords graphic statics; resultant; inner flow of forces *) Corresponding author: [email protected] Submitted for review: 19 December 2012 Revised: 27 February 2013 Accepted for publication: 27 February 2013

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Page 1: Zur Erweiterung der grafischen Statik in die 3. Dimension

354 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 90 (2013), Heft 6

DOI: 10.1002 / bate.201200075

AUFSATZMaximilian Schrems*, Toni Kotnik

Zur Erweiterung der grafischen Statik in die 3. Dimension

1 Einleitung

Die Erweiterung der grafischen Statik in die 3. Dimensi-on basiert auf der geometrischen Konstruktion des Kräf-teflusses und steht damit im Kontrast zu einer numeri-schen Berechnung. Das bedeutet, dass die Logik des inne-ren Kräfteflusses innerhalb einer Struktur wichtiger wird,als die analytische Bewertung der Struktur. Damit ge-währt die grafische Statik einen intuitiven Ansatz und er-möglicht so prozessorientiertes Entwerfen.

Durch die Anwendung der grafischen Methoden zur Dar-stellung des Kräfteflusses im dreidimensionalen Raumwird der Grundstein für eine Entwurfsmethode gelegt, beider die Architektur und das Ingenieurwesen in einen akti-ven und visuellen Dialog treten. Dies ist auch die Motiva-

tion für die Weiterführung der Forschung in diesem Be-reich, dessen Wurzeln in der von KARL CULMANN 1866publizierten „Graphischen Statik“ zu finden sind [1]. FürKARL CULMANN war klar, dass „das Zeichnen die Spra-che des Ingenieurs“ [2] ist.

Architekten denken und kommunizieren mittels Zeich-nungen, Plänen und Diagrammen. Daher ist offensicht-lich, dass die grafische Statik als visuelle Methode zurDarstellung des inneren Kräfteflusses dazu prädestiniertist, den Dialog zwischen den beiden Professionen zu för-dern.

Dies ist umso gültiger, seitdem dreidimensionale Visuali-sierungen mithilfe von CAD-Programmen durchgeführtwerden können und somit die einst zweidimensionaleMethode auf intuitive Art und Weise in den Raum erwei-tert werden kann. Erste Anwendungen in diese Richtungsind bereits für rein auf Zug respektive Druck bean-spruchte Tragwerke verfügbar [3], wodurch die experi-mentellen und damit aufwändigen Methoden der Form-

Im 19. Jahrhundert wurden grafische Methoden – 1866 vonCARL CULMANN als „Graphische Statik“ systematisiert und publi-ziert [1] – dazu benutzt, den Zusammenhang zwischen geome-trischer Form und innerem Kräftefluss genauer zu untersuchen.Diese Methoden wurden mehr und mehr durch analytischeVerfahren ersetzt, da in den aufstrebenden Ingenieurwissen-schaften die leichter zu verarbeitende numerische Berech-nung, in Kombination mit physikalischen Experimenten, an Be-deutung gewann, wodurch ein Bedürfnis nach numerischer„Präzision“ bestand. Heutzutage können mithilfe von digitalenWerkzeugen auch komplexe dreidimensionale Geometrien dar-gestellt werden und somit taucht in der Architektur wiederdas Interesse an der grafischen Statik auf. Dieses Interessegründet auf der einfachen und mathematisch präzisen Heran-gehensweise der grafischen Statik, mit deren Hilfe der Zusam-menhang von Kraft und Form diskutiert werden kann. Die lau-fende Forschung an der ETH Zürich zur Erweiterung der grafi-schen Statik in die 3. Dimension hat einerseits das Ziel,Limitierungen des zweidimensionalen CULMANN‘schen Ansat-zes zu überwinden, andererseits eine vektorgeometrische, vi-suelle und damit synthetische Methode zur Untersuchung vondreidimensionalen Kräfteflüssen zu generieren. Dabei ist wich-tig, dass der Fokus auf der Betrachtung der Resultierenden undder Erforschung von deren Enstprechung im Raum liegt.

Keywords Statik, grafische; Resultierende; Kräftefluss, innerer

On the extension of graphical statics into the 3rd dimensionIn the 19th century methods of graphical statics – systematizedand published by CARL CULMANN in 1866 – were used to study inmore detail the relationship between form and the flow offorces. Historically, they were superseded by analytical meth-ods, due to the relative ease of numerical calculations and theincreasing importance of experimentation by the developingdiscipline of engineering with its need for precision. Nowa-days, however, with the availability of digital tools and the pos-sibility of visualization of geometry in 3D space, there is a re-emerging interest in graphic statics within the design process.Therefore, a visual dialogue about the flow of forces based ongraphic statics should be fostered because these methodsoffer a simple yet precise way to discuss the geometrical de-pendency of form and forces. The research is part of an ongo-ing process to extend the methods of graphic statics to thethird dimension in order to overcome, on the one hand, some ofthe limitations of CULMANN’s approach and on the other, to gen-erate a geometrical, visual and thus synthetic method for ex-ploring 3D equilibrium. The focus is on the resultant and on thelikeness in space.

Keywords graphic statics; resultant; inner flow of forces

*) Corresponding author: [email protected] for review: 19 December 2012Revised: 27 February 2013Accepted for publication: 27 February 2013

Page 2: Zur Erweiterung der grafischen Statik in die 3. Dimension

Bautechnik 90 (2013), Heft 6 355

M. Schrems, T. Kotnik: On the extension of graphical statics into the 3rd dimension

AU

FSATZA

RTICLE

findung bei ANTONIO GAUDI [4], HEINZ ISLER oder OTTO

FREI durch einfachere Verfahren ersetzt und in den Ent-wurfsprozess impliziert werden können. Dies schafft einehervorragende Grundlage, um die Zusammenhänge zwi-schen der Form und dem daraus resultierenden Verlaufder inneren Kräfte direkter studieren zu können und er-öffnet die Chance, eine Entwurfsmethodik auf Basis einerintuitiv erkennbaren und leicht verständlichen Spracheentwickeln zu können.

2 Historische Wurzeln

Zentrales Element aller zeichnerischen Methoden zurDarstellung des inneren Kräfteflusses ist die Untersu-chung der Abhängigkeit von Seil- und Kräftepolygonensowie deren Darstellung in zwei geometrisch abhängigenDiagrammen mit unterschiedlichen Einheiten. Eine sol-che Beschreibung von Seil- und Kräftepolygonen findetsich in dem im Jahre 1725 veröffentlichten Werk „Nou-velle Méchanique ou Statique“ von VARIGNON [5]. ZurAnwendung in der Bautechnik kamen Seil- und Kräftepo-lygone erstmals durch LAMÉ und CLAPEYRON [6] bei derAnalyse des inneren Kräfteflusses im Kuppelgewölbe derSt.-Isaaks-Kathedrale. Die hierbei gezeigte projektive Kor-relation des Seil- und Kräftepolygons wurde im Todesjahrvon CALPEYRON (1866) durch KARL CULMANN als „Gra-phische Statik“ [1] publiziert. Durch die Entwicklungschneller Rechenhilfen und die Verwissenschaftlichungs-prozesse [7] des angehenden 20. Jahrhunderts gerieten je-doch die grafischen Methoden und deren enormes Poten-zial als intuitive Werkzeuge in Vergessenheit und wurdenimmer mehr von den analytischen Methoden verdrängt.Heutzutage spielt die grafische Statik in der Ingenieur-praxis nur noch eine untergeordnete Rolle und ist bei-nahe vollständig von der analytischen Statik verdrängtworden, da diese sich leichter numerisch verarbeitenlässt. Es ist zu erkennen, dass alle bisher bekannten zeich-nerischen Methoden zur Ermittlung des inneren Kräfte-flusses im zweidimensionalen Raum operieren. Auch beiden jüngsten Forschungen, beispielsweise der „ThrustNetwork Analysis“ von P. BLOCK [8] werden die Untersu-chungen an Projektionen durchgeführt. Damit handelt essich auch hier um planare, allenfalls um zweieinhalbdi-mensionale Betrachtungen. Wird die grafische Statik indie dritte Dimension erweitert, so muss sowohl die Dar-stellung der Seilpolygone (Lageplan) als auch der Aufbauder Kräftepolygone (Kräfteplan) räumlich und damit imphysischen Modell oder im digitalen Raum erfolgen.

3 Erweiterung in den Raum: Generischer Fall –windschiefe Kräfte

3.1 Anzahl der Resultierenden in Abhängigkeit dergeometrischen Lage

Planare Kräftekonstellationen können zu einer äquiva-lenten Kraft, der Resultierenden R, zusammengeführtwerden, wobei unter einer äquivalenten Kraft eine Kraft

verstanden wird, die unter Anwendung auf ein beliebiges,statisch bestimmtes System die gleichen Auflagerkräftehervorruft wie die Summe aller Einzelkräfte. Hierzu wur-den verschiedene Methoden entwickelt. Besonders zu er-wähnen ist in diesem Zusammenhang die Seilpolygonme-thode, die sowohl das Zusammenfassen von endlich vie-len sich schneidenden als auch von endlich vielenparallelen und/oder sich schneidenden Kräften zu einerResultierenden im Zweidimensionalen ermöglicht. Durchdas Verknüpfen von coplanaren Fällen können somitauch im dreidimensionalen Raum sich schneidende oderparallele Kräfte zu einer Resultierenden zusammenge-führt werden. Nicht geklärt ist hingegen, wie windschiefeKräfte grafisch zusammengefasst werden können.

Für eine windschiefe und damit generische Kräftekonstel-lation im dreidimensionalen Raum R3 soll daher gezeigtwerden, dass diese durch vollständige Induktion in einKräftepaar zusammengeführt werden kann. Dieses Kräf-tepaar wird (R1, R2) bezeichnet. Es gilt auch hier, dass einäquivalentes Kräftepaar unter Anwendung auf ein beliebi-ges, statisch bestimmtes System die gleichen Auflagerkräf-te hervorruft, wie die Summe aller Einzelkräfte. Damitmüssen o.B.d.A. für drei Kräfte F1, F2, F3 in allgemeinerLage folgende Bedingungen gelten:

1. Alle drei Kräfte ( 0

2. Alle drei Wirkungslinien der Kräfte paarweise nicht ineiner Ebene

Damit muss im Lageplan gelten:

3.

4.

Sowie im Kräfteplan:

5.

6.

3.2 Bildung eines Resultierendenpaars dreierwindschiefer Kräfte

Gegeben seien drei Kräfte F1, F2 und F3, deren Wirkungs-linien g, h und i windschief zueinander sind und derenRichtung und Lage durch je zwei Punkte festgelegt sind.A wird als Ursprung des Koordinatensystems frei ge-wählt. Analog zur zweidimensionalen grafischen Statikwird ein dreidimensionales Kräftediagramm (Kräfteplan)

( )+ ′ × ′ + + ′ × ′ + + ′ × ′

− + ′ × ′ + + ′ × ′

=

a f f f e f f

t r r v r r

( ) ( )

( ) ( ) 0

1 1 3 3

1 1 2 2

f c 2 2

+ ′ × ′ + + ′ × ′

− + ′ × ′ + + ′ × ′

=

r r r r

r r r rI II II

t v

t v

( ) ( )

( ) ( ) 0

1 1 2 2

I

′ + ′ + ′ − ′ + ′ =r r 01 2 3 1 2

′ + ′ − ′ + ′ =r r r rI II 01 2

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M. Schrems, T. Kotnik: Zur Erweiterung der grafischen Statik in die 3. Dimension

Bild 1 Zerlegung von F1, F2 und F3 in R1 und R2Splitting F1, F2 and F3 in R1 and R2

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Bautechnik 90 (2013), Heft 6 357

M. Schrems, T. Kotnik: On the extension of graphical statics into the 3rd dimension

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FSATZA

RTICLE

entwickelt, dessen Ursprung ebenfalls frei wählbar ist. Eskann eine Gerade s gefunden werden, die alle drei Wir-kungslinien schneidet. Mithilfe der Geraden s und den je-weiligen Wirkungslinien der Kräfte können zwei Ebenengebildet werden, die s als gemeinsame Kante bzw.Schnittlinie haben. Durch Aufteilung von F2 und F3 inzwei Richtungen sowie F1 in drei Richtungen wird esmöglich, den Schnittpunkt T der Wirkungslinie von R1

und s zu konstruieren. Da F1, F2 und F3 zueinander wind-schief sind und die Intensität der Kräfte im Kräfteplan freigewählt wurde, bleibt eine Restkraft von F3 auf der Wir-kungslinie i vorhanden, die als R2 bezeichnet wird.

3.3 Grafische Interpretation

Es ist einsichtig, dass diese Konstruktion (jeweils abhän-gig von der gewählten Verbindungsgeraden s) nur einesvon vielen möglichen Kräftepaaren darstellt. Gleich wiebei der Verwendung der Seilpolygonmethode in der zwei-dimensionalen grafischen Statik ist es irrelevant (vgl.Pfeilhöhe), bei welcher Wirkungslinie und bei welchemPunkt auf der Wirkungslinie mit der Konstruktion begon-nen wird, sofern die geometrischen Beziehungen vom La-geplan in den Kräfteplan übertragen werden (Bild 2).

In einem iterativen Prozess können jeweils drei zu einemKräftepaar zusammengefasste windschiefe Kräfte miteiner weiteren Kraft verknüpft werden und somit endlichviele windschiefe Kräfte durch vollständige Induktion aufein Kräftepaar – respektive auf ein Kraftkreuz in der ana-lytischen Statik [9] – reduziert werden. Dieses Kräftepaarentspricht in Intensität und Richtung der Summe allerKräfte.

Woraus folgt: (F1 + F2 + F3 + F4 + ··· + Fn) – (R1,2,…,(n–2) + Rn–1) = 0

  ,,      ,,   …  ,    

 ,    

,  ,           , 

Aufgrund folgender Äquivalenzrelation:

R ⊆ M × M

(R1, R2) ∼ (R1, R2)

(R1, R2) ∼ (RI, RII) ⇒ (RI, RII) ∼ (R1, R2)

(R1, R2) ∼ (RI, RII) und (RI, RII) ∼ (Rx, Rxx) ⇒ (R1, R2 ) ∼ (Rx, Rxx)

muss beispielsweise gelten:

(R1, R2) – (RI, RII) = 0

Im R2 gibt es eine eindeutige Resultierende R1, wodurchR2 entfällt bzw. 0 ist. Damit folgt:

R1 – RI = 0

wobei aufgrund der Eindeutigkeit gilt: R1 = RI

4 Die erweiterte grafische Statikals Entwurfswerkzeug

CAD Programme haben in jüngster Zeit Entwurfsprozes-se stark verändert. Komplexe Körper, welche früher geo-metrisch schwer kontrollierbar waren, können nun ein-fach generiert und hergestellt werden. Diese neue Freiheitim Entwurf lässt häufig die Gesetze der Physik in Verges-senheit geraten und führt dann zu unbefriedigenden Er-gebnissen.

Daher besteht die Herausforderung darin, den komple-xen inneren Kräftefluss bei Freiformen verständlich zumachen, indem man diesen auf die wesentlichen Informa-tionen reduziert. FEM- Programme können hierbei nureinen beschränkten Beitrag leisten, da es sich hierbei umanalytische Werkzeuge handelt. Durch die Implementie-rung der grafischen Statik in eine dem Architekten geläu-fige CAD-Umgebung wird diesem ein synthetisches Hilfs-

Bild 2 Zweidimensionales SeilpolygonPlanar funicular polygon

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M. Schrems, T. Kotnik: Zur Erweiterung der grafischen Statik in die 3. Dimension

mittel zur Verfügung gestellt, welches einzig auf der Geo-metrie basiert.

4.1 Einbettung der erweiterten grafischen Statikin Rhino®

Das CAD-Programm Rhinocerus 3D® in Kombinationmit Grasshopper® erlaubt die Kombination von ein -fachen Kontroll- und Eingabeoptionen mit vorpro -grammierten (beispielweise mit Python®) Elementen.Dies garantiert eine einfache Handhabung für den nor-malen User. Dadurch wird eine interaktive Benutzer-oberfläche geschaffen, die sowohl den Lageplan als auchden Kräfteplan anzeigt. Werden Veränderungen an derGeometrie vorgenommen, so werden die Auswirkungenauf den inneren Kräftefluss unverzüglich im Kräfteplananzeigt. Diese Dualität hilft – gleich wie in der zwei -dimensionalen grafischen Statik – Entwurfsentschei -dungen aus der Logik des inneren Kräfteflusses herauszu treffen.

4.2 Erste Entwürfe am Departement Architektur der ETH Zürich

Im Rahmen des zweiten Jahreskurses wurde die erweiter-te grafische Statik erstmals angewandt. Die Studenten un-tersuchten hierbei das Gleichgewicht von einfachen Te-traedern. Das damit gebildete Raumfachwerk ist ein sta-tisch bestimmtes System und der innere Kräftefluss kannsehr anschaulich mithilfe eines räumlichen Kräfteplansverstanden werden (Bild 3).

Der aufschlussreiche Entwurfsprozess begann an demPunkt, wo begonnen wurde, mit der Geometrie zu experi-mentieren. Die miteinander verlinkten Diagramme (Lage-plan und Kräfteplan) gaben sofort Rückschluss auf eineVeränderung der Geometrie und dies wiederum gab dieMöglichkeit, eine spezifische Form zu generieren, dieeinen zufriedenstellenden Kompromiss zwischen der phy-sikalischen Notwendigkeit und der gestalterischen Frei-heit darstellte.

Bild 3 Studentenprojekt: Berechnung des Knotengleichgewichts um Bmithilfe der erweiterten grafischen StatikStudents project: Finding equilibrium at B by using extended graphi-cal statics

Bild 4 Studentenprojekt: Finaler EntwurfStudents project: final design

Literatur

[1] CULMANN, K.: Die graphische Statik. Zürich: Meyer undZeller, 1866.

[2] MAURER, B.: Karl Culmann und die graphische Statik. Ber-lin, Diepholz, Stuttgart : Verlag für Geschichte in der Natur-wissenschaft und Technik, 1998, S. XII.

[3] REDTENBACHER, R.: Tektonik. Wien, 1881.[4] HUERTA, S.: Structural design in the work of Gaudi. Archi-

tectural Science Review, 49.4 (2006), S. 324–339.[5] VARIGNON, P.: Nouvelle mécanique ou statique. Paris: C.

Jombert, 1725.[6] CLAPEYRON, B. P. E.; LAMÉ, G.: Mémoire sur la constructi-

on des polygones funiculaires. Journal Génie Civil I (1828),S. 496–504.

[7] WESTERMANN, A.: Mathematik zwischen Leitdisziplin undHilfswissenschaften. 2010.

[8] BLOCK, P.: Thrust Network Analysis – Exploring Three-di-mensional Equilibrium. Boston: Massachusetts Institute ofTechnology, 2009.

[9] SZABÓ, I.: Einführung in die technische Mechanik. Berlin,Heidelberg, New York: Springer, 1975, S. 55.

AutorenMaximilian SchremsWolfgang-Pauli-Strasse 158093 Zü[email protected]. Toni KotnikWolfgang-Pauli-Strasse 158093 Zü[email protected]