zusammenfassung der streit
DESCRIPTION
this is is a summary of one of simmel's most important texts: the struggle/fight. it has become a preeminent resource in conflict sociology.TRANSCRIPT
Zusammenfassung Der Streit (Simmel)
Abstract
In diesem klassischen Beitrag der Konfliktsoziologie betrachtet Simmel verschiedene Formen des
Antagonismus und des Konflikts. Das 100 Seiten lange Kapitel enthält reichhaltiges historisches
Material, das die vielen Thesen von Simmel (siehe dazu auch das Buch von Coser, der einzelne
Aussagen herauspickt, sie reflektiert und modifiziert). Im Groben lassen sich folgende Themen oder
Bereiche festmachen:
• allgemeine Betrachtung des Konflikts und Herausstreichung dessen Notwendigkeit,
Allgegenwärtigkeit und Funktionalität (weitere Stellen sind hier Stadtleben, Mischung der
Gefühle, Entschiedenheit von Zugehörigkeit und Gegnerschaft früher und heute)
• Kämpfe um des Kampfes willen, Kampf als Zweck und nicht als Mittel (Kampfspiel,
Rechtsstreit, Antipathie, Widerspruchsgeist, Strukturen der Voraussetzung)
• Neid und Eifersucht (Missgunst)
• Konkurrenz
• Folgen des Streits: Solidarität, Zentralisierung, Despotie (Thesen von Coser in Kapitel 5)
• Ende des Kampfes: Sieg, Versöhnung, Kompromiss,Verzeihen
Allgemeine Betrachtung des Konflikts und Herausstreichung dessen
Notwendigkeit, Allgegenwärtigkeit und Funktionalität
Dieser Teil geht von Seite 284-297. Am Anfang steht die Frage, ob der Kampf ein Grund oder Motiv
für Wechselwirkungen sei oder nicht selbst schon eine Vergesellschaftungsform. Simmel sagt, dass
letzteres zutreffe. Die eigentlichen Ursachen des Kampfes sind Gefühle wie Hass, Neid, Not und
Begier. „Der Kampf selbst ist schon die Auslösung der Spannungen zwischen den Gegensätzen.“ In
der empirischen Wirklichkeit treffen wir stets ein Gemisch von Antagonismus und Harmonie, von
Sympathie und Antipathie an. Deshalb ergibt eine strikte analytische Trennung der beiden Sphären
wenig Sinn. Die Gesellschaft braucht ein Verhältnis der beiden Bereiche um zu ihrer Struktur zu
gelangen.
Im Anschluss daran unterscheidet der Autor zwei entgegengesetzte Vergesellschaftungsformen:
Gemeinsamkeiten (Ehe) und Antagonismus (indisches Kastensystem). Die Opposition gibt uns das
Gefühl nicht völlig vereinnahmt und abhängig zu sein und verschafft uns damit eine gewisse
Lebendigkeit und Freiheit. Die muss nicht mal unbedingt äusserlich sein, sondern kann auch intern
(innerlich) vonstatten gehen. So wäre z. B. das grossstädtische Leben kaum denkbar ohne diese
Aversionen.
Die antagonistischen Elemente ergeben erst in Korrelation mit den Gemeinsamkeiten und
vereinheitlichenden Bausteinen das soziale Leben in all seinen Färbungen: „es ist nun einmal das
Wesen menschlicher Seelen, sich nicht von einem Faden aneinanderbinden zu lassen, so sehr die
wissenschaftliche Analyse auch erst bei den elementaren Einheiten in ihrer spezifischen Bindekraft
halt macht.“ Die Vorgänge in unseren Seelen und in unseren Gedanken sind meistens Mischformen,
für die wir keine Begriffe haben, die aber durchaus eine spezifische Ausprägung mit dezidiertem
Charakter annehmen können. Gleiches gilt nicht nur für die Individuen, sondern auch für
Gemeinschaften als Ganzes.
Eine historische These, die Simmel vorbringt, betrifft die „Entschiedenheit von Zugehörigkeit oder
Gegnerschaft“. In reifen Gesellschaften sind Misch- oder Dämmerzustände (Indifferenz und Pendeln
zwischen den den beiden Zuständen Liebe und Hass) heimischer.
Kämpfe um des Kampfes willen (Kampfspiel, Rechtsstreit)
Wenn der Kampf lediglich ein Mittel darstellt und nicht einen Zweck, können auch andere Formen
oder Mittel gewählt werden, die zur Zielerreichung führen (z. B. Begehren nach einem Besitz und so
ähnliche Dinge). Auch Beschränkungen sind in diesem Fall gut möglich. Die natürliche „Feindseligkeit
zwischen Mensch und Mensch“ geht darüber hinaus und macht den Kampf vom Mittel zum Zweck.
Indiz für solche Tendenzen ist der Widerspruchsgeist oder Oppositionstrieb sofort zu widersprechen,
wenn etwas gesagt wurde.
Der natürliche Kampfinstinkt zeigt sich auch in den „unglaublich kleinlichen, ja läppischen
Veranlassungen der ernsthaftesten Kämpfe.“ Schliesslich ist die Suggerierbarkeit von Feindseligkeit
ein Zeichen für den Antagonismus, der sich im Kampfspiel (oder Kampf um des Kampfes willen)
äussert. Viel eher gelingt es den Menschen im Gespräch über einen Dritten Unbekannten mit
negativen Urteilen, Misstrauen und Abneigung zu urteilen als ihm Zutrauen und Neigung für diesen
einzuflössen. Wie die Seele ein Bedürfnis zu lieben habe und sich dazu irgendeinen Gegenstand
sucht, der ihr genügt und ihn bisweilen sogar mit Eigenschaften bekleidet, „die scheinbar die Liebe
hervorriefen“, so sucht sie sich auch die Gegenstände des Hasses. „Trotz der Selbständigkeit in der
Seele, die man dem antagonistischen Triebe so zubilligen mag, reicht er doch nicht etwa aus, die
Gesamterscheinungen der Feindseligkeit zu begründen.“ Denn auch die Gefühlt bedürfen einer
gewissen ihr entgegenkommenden Struktur um sich entfalten zu können. Aus einem Kampf um des
Kampfes willen kann somit eine Beziehung und ein Gefühl des Hasses und der Wut auf den Gegner
entstehen. „Es ist zweckmässig, den Gegner, mit dem man aus irgend einem Grunde kämpft, auch zu
hassen, wie es zweckmässig ist, denjenigen zu lieben, an den man gebunden ist und mit dem man
auskommen muss.“
Ein ähnlicher, aber nicht gleicher Tatbestand als das Kampfspiel stellt der Rechtsstreit dar. Hier geht
es vor allem ums Rechthaben. „Der Rechtsstreit ist insofern der Streit schlechthin, als in die ganze
Aktion nichts eintritt, was nicht in den Streit als solchen hineingehörte und nicht dem Streitzweck
diente.“ In einem weiteren Abschnitt behandelt Simmel die Versachlichung von Konflikten. Dies
geschehe zum Beispiel im Produktionsbereich durch Gewerkschaften. „Die Heftigkeit des Kampfes
zugleich weiter ausgreifend durch dies Bewusstsein der Einzelnen, nicht nur und oft überhaupt nicht
für sich, sondern für ein grosses überpersönliches Ziel zu kämpfen.“
Neid, Eifersucht und Missgunst
Zunächst der Unterschied zwischen Eifersucht und Neid: „Wo es sich um Erlangen handelt, werden
wir eher von Neid, wo es um Bewahren, von Eifersucht sprechen.... Die Empfindung des Neidischen
dreht sich mehr um den Besitz, die des Eifersüchtigen um den Besitzer.“
Missgunst liegt irgendwo zwischen Neid und Eifersucht: „das neidische Begehren eines Objektes,
nicht weil es an sich für das Subjekt besonders begehrenswert ist, sondern nur weil der andere es
besitzt.“ Zwei Extreme prägen diese Form: leidenschaftliche Missgunst (lieber sieht die Person das
Objekt zerstört, als dass sie es jemand anderem gönnt) und „völlige eigene Gleichgültigkeit oder
Aversion gegen das Objekt und dennoch völlige Unerträglichkeit des Gedankens, dass der andere es
besitze.“ Es handelt sich hier also um Formen des Nichtgönnens.
Es folgt eine etwas eingehendere Analyse der Eifersucht. Im Gegensatz zum Neid geht die Eifersucht
von einem (gemeinten) Anspruch auf eine Person oder ein Objekt aus: „Den Besitz einer Frau mag
ein Mann einem anderen beneiden: eifersüchtig aber ist nur der, der irgend einen Anspruch auf ihren
Besitz hat.“ Die andere Seite erkennt diesen Anspruch oft vollständig an.
Konkurrenz
Im Gegensatz zum (direkten) Kampf ist die Konkurrenz durch Indirektheit geprägt. Meistens wirkt die
Konkurrenz wertsteigernd. Ihr Ziel ist der Gewinn der Gunst eines oder vieler Dritten und damit hat
sie eine „ungeheure vergesellschaftende Wirkung“. Das erfordert oft die Kompromittierung und
Ausspähung der Bedürfnisse und Wünsche des anderen. „Die moderne Konkurrenz, die man als den
Kampf Aller gegen Alle kennzeichnet, ist doch zugleich der Kampf Aller um Alle.“ Somit übt die
Konkurrenz eine ungeheure sozialisierende Kraft aus. Mit dem Eindringen des Liberalismus in die
verschiedensten Lebensbereiche steigt auch zunehmend die Konkurrenz in allen Feldern.
Die Art der Konkurrenz ist von den sozialen Kreisen abhängig, in denen wir uns bewegen: „es besteht
eine Beziehung zwischen der Struktur jedes sozialen Kreises und dem Mass von Feindseligkeiten, das
er unter seinen Elementen gestatten kann.“ In grösseren Gruppen sind es zwei Strukturen, die für die
Austarierung und den Abbau bei Aufkommen von Feindseligkeiten sorgen können (die innere
Feindseligkeiten zulassen, so die Worte Simmels): organische Solidarität und Isolation. Die richtige
Wahl des Masses der beiden Formen macht den gut-organisierten Sozialverband aus. Bei grossen
Gruppen ist dies leichter möglich als bei kleinen.
Es gibt im grundlegenden zwei Arten, wie in sozialen Kreisen verhindert oder eingeschränkt wird: als
Bedingung (der Kreis hat eine Form, in der Konkurrenz kaum möglich ist) oder durch bestimmte
historisch-geformte Prinzipien. Ersteres ist z. B. dann der Fall, wenn alle nach unterschiedlichen
Gütern streben oder wenn es genug vom Gut zur Befriedigung aller gibt. Obwohl es zwar einen
Familienkonflikt gibt (der eine völlig eigentümliche Form des Konflikts ist), lässt sich dieser nicht ins
Schema der Konkurrenz pressen. Für die zweite Einschränkung der Konkurrenz (genug für alle) steht
die religiöse Gemeinde. „Hier richten sich allerdings parallele Bestrebungen Aller auf ein für Alle
gleiches Zielt, allein zu einer Konkurrenz kommt es nicht, weil die Erreichung dieses Zieles durch den
einen nicht den andern von ihm aussschliesst.“
Wie Simmel betont beruht die Konkurrenz auf dem Prinzip des Individualismus. Er vergleicht den
Sozialismus mit dem Individualismus in Hinblick auf Konkurrenz und bringt die mittelalterlichen
Zünfte als Beispiel: „Das Prinzip der Chance, das durch die Konkurrenz realisiert wird, widerspricht
derart dem Prinzip der Gleichheit, dass die Zunft die Konkurrenz durch alle Mittel niederhielt.“ Es gibt
verschiedene Regulierungs- und Modifikationsstufen der Konkurrenz, die gewisse ihrer Mittel
betreffen. Hier ist einerseits der freiwillige Verzicht auf bestimmte Massnahmen (Buchpreisbindung).
Hier sind bereits Wege zur Kartellierung angedeutet. „Bei der Kartellierung aber ist von vornherein
garnicht die Lage der Subjekte, sondern die objektive Zweckmässigkeit des Betriebes der
Ausgangspunkt. Andererseits grenzen auch Recht und Moral die Konkurrenz zu einem gewissen
Grade ein. „Was uns an diesen Bestimmungen hier interessiert, ist der scheinbar ganz neue
Gesichtspunkt, den Konkurrenten, der unsaubere Mittel der Kundengewinnung verschmäht, gegen
denjenigen, der sie benutzen möchte, zu schützen.“
Folgen des Streits: Solidarität, Zentralisierung, Despotie
Zu diesem Abschnitt siehe die Zusammenfassung zum Coser-Text. Die wichtigsten Thesen sind da
drin. Simmel beschreibt hier wie sich Konflikte gegen aussen (Kriege) auf die Ingroup auswirken. Es
geht also um „die innere Struktur jeder Partei“.
Welche Folgen hat der Streit für den Einzelnen auf der Individualebene? Zuerst einmal muss er sich
zusammennehmen, sich konzentrieren, all seine Energien auf den Kampf bündeln. Genau gleiches gilt
für die Gruppe. „Hier aber zeitigte der Notstand eine Organbildung von straffster Wirksamkeit, die
völlig autokratisch wirkte und deren Segen die Arbeiter widerspruchslos anerkannten... der Krieg
bedarf der zentralistischen Zuspitzung der Gruppenform, die der Despotismus am ehesten
garantiert.“ Krieg führt also zu Zentralismus, der am ehesten mit der Regierungsform des
Despotismus einhergeht. Im Krieg eignet sich die zentralistische Organisation am besten um dem
Gegner gegenüberzustehen. „Auch in Deutschland hatten die Arbeiter erkannt, dass eine enge und
wirkungsvolle Organisation der AG gerade für das Ausfechten von Interessenkonflikten durchasu im
Interesse der Arbeiter selbst sein kann.“ Der Krieg kann zwar zu grösserer Solidarität zwischen den
Gruppenmitgliedern führen, andererseits aber auch zum völligen Auseinanderfallen der Bindungen
und zu Sezessionen. Entweder sichert er die Einheit auf lange Zeit oder er zerstört sie dauernd.
Wie These 10 in Cosers Text andeutet, sind Gruppen, die sich in irgend einer Art von Kriegszustand
befinden nicht tolerant. Diese These (Kirche vs. Sekten-These) ist allerdings von der Grösse der
Gruppe abhängig. Es gilt zwischen grossen und inklusiven Gruppen (Kirchen) und kleinen und
exklusiven Gruppen (Sekten) zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang behandelt Simmel auch
den Begriff der Sitte, der im Verhältnis zwischen Männern und Frauen eine wichtige Rolle spielt.
Ferner geht es um den Zusammenhang von Konflikten und Kriegen und der Suche nach Feinden.
„Darum lehnen Gruppen und Minoritäten, die unter Kampf und Verfolgung leben, oft das
Entgegenkommen und die Duldung von der andren Seite ab, weil damit die Geschlossenheit ihrer
Opposition verwischt wird, ohne die sie nicht weiterkämpfen können.“ Insgesamt habe der Kampf
also eine „zusammenschliessende Bedeutung“.
Ende des Kampfes: Sieg, Versöhnung, Kompromiss, Verzeihen
Die Gesellschaft kann als Fluktuation der Prinzipien der Ruhe und Bewegung verstanden werden.
„Und so verhält sich Kampf und Frieden. Im Nacheinander wie im Nebeneinander des
gesellschaftlichen Lebens verschlingen sie sich derartig, dass sich in jedem Friedenszustand die
Bedingungen für den künftigen Kampf, in jedem Kampf die für den zukünftigen Frieden
herausbilden.“ Spannender als der Übergang vom Frieden zum Krieg ist laut Simmel der Wechsel
vom Krieg zum Frieden. Deshalb sei eine „Analyse der Formen, in denen ein Kampf sich beendet“
vonnöten.
Zuerst wird ein „leeres Weiterstreiten... ein Weiterschwingen der Streitbewegungen“ erwähnt. Die
nächste Form der Beendigung des Kampfes ist der Sieg. Es gibt ganz verschiedene Arten des Sieges,
aber besprochen wird nur derjenige, der mit Resignation des Gegners einhergeht (Ermüdungssieg
oder Kleinbeigeben). Eine weitere Form ist der Kompromiss. „Im ganzen ist das Kompromiss,
namentlich das durch die Fungibilität bewirkte, so sehr es für uns zu der alltäglichen und
selbstverständlichen Lebenstechnik gehört, eine der grössten Erfindungen der Menschheit.“ In
diesen Bereich fällt auch zu einem gewissen Grad der Tausch. Schliesslich kommt das Verzeihen hinzu
oder die Versöhnung. Sie sei im Grunde etwas Irrationales, da sie das Dementi, was man eben noch
war, einschliesst. Selten können wir gar nicht verzeihen und fast immer sind irgendwelche Formen
des Verzeihens möglich.