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Erster Teil: Leben und Wirken

Einleitung

Der Musikername Fürstenau ist heute einem breiteren Pu­

blikum unbekannt. Ist er dennoch überliefert, so verbin­

det er sich mit dem Dresdner Flötenvirtuosen Anton Bern­

hard Fürstenau (1792- 1852). Ihn haben die Weberbiogra­

phien als Wegbegleiter des moribunden Carl Maria von

Weber auf der Reise nach London im Jahre 1826 festge­

schrieben. Ein zweiter Fürstenau wird allenfalls noch

genannt - Anton Bernhards Sohn, Moritz Fürstenau (1824 -

1889). Er darf als erster moderner Musikforscher Dres­

dens gelten. Moritz Fürstenau war aber auch virtuoser

Flötenspieler. Er stand damit als letzter in der Tradi­

tion von vier Generationen. Begründer dieser Musikerfa­

milie war Moritz' Urgroßvater, der münsterische Hobeist

und Hofkapellist Franz Carl Fürstenau, gestorben 1787.

Dessen beide Söhne Caspar (1772 - 1819) und Carl Bern­

hard (1781 - 1822) übernahmen das musikalische Erbe. Das

Wirken Carl Bernhard Fürstenaus als Stadtmusikus zu Eu­

tin überschreitet in seiner Bedeutung den lokalen Be­

reich nicht. Der oldenburgische Flötist Caspar Fürstenau

brachte es hingegen als Virtuose zu beträchtlichem Anse­

hen. Dessen Sohn Anton Bernhard folgte der Profession

des Vaters. Er ist das berühmteste Mitglied der Familie

und wurde von den Zeitgenossen mit Paganini und Liszt

verglichen; selbst über diesen Fürstenau fehlt jedoch

ein umfassender wissenschaftlicher Beitrag.

Die vorliegende Arbeit will diese Lücken schließen; sie

legt den Schwerpunkt auf die Darstellung einer zusammen­

hängenden Generationengeschichte. Sie schildert die ein­

zelnen Familienmitglieder als Träger und Überlieferer

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des Berufserbes und geht auf ihr Wirken und ihre Wirkung

ein. Sie stellt den einzelnen Musiker in den Kontext

seiner Zeit, sein soziales und ständisches Umfeld. Eine

abschließende Lebensbeschreibung und Würdigung Moritz

Fürstenaus über 1852, das Todesjahr des Vaters, hinaus,

hätte indessen den Rahmen der Arbeit gesprengt. Die Be­

deutung dieses letzten Fürstenau vor allem als sächsi­

scher Musikhistoriker und beruflich engagierter Funktio­

när gehört in den Bereich der Musikgeschichte Dresdens

und muß an anderer Stelle umrissen werden. Der Zugriff

auf das hier offengelegte Quellenmaterial in Dresden und

Berlin ist zudem nach 1990 ungehindert.

Der behandelte Zeitraum von rund 150 Jahren war mit dem

ersten und letzten Musiker der Familie abgesteckt und

der Weg der Generationen von Münster über Oldenburg und

Eutin nach Dresden vorgezeichnet.

Der Verfasser hat zunächst auf publizierte Berichte über

die Fürstenau zurückgegriffen. Diese beziehen sich nur

auf die drei bekannteren Caspar, Anton Bernhard und Mo­

ritz Fürstenau; die Tatsache erscheint plausibel, da nur

sie zu überregionalem Renommee gelangt sind. Auch hier

waren offene Fragen zu klären, Ungenauigkeiten und Irr­

tümer anzugehen.

Die erste Veröffentlichung über einen Fürstenau findet

sich in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Dezem­

ber 1801 und betrifft den bis dahin unbekannten Flöten­

spieler caspar Fürstenau . Mit der Regeneration des Kul­

turlebens in Deutschland nach Napoleon, ab 1815, nimmt

die Häufigkeit der Presseberichte über die Fürstenau bis

zu einiger Regelmäßigkeit zu. Es ist gleichwohl sympto­

matisch, wenn der Nachruf auf caspar Fürstenau in der

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Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Juni 1819 vermerkt,

daß man von "seinen übrigen Verhältnissen und Lebensum­

ständen ... nicht unterrichtet" sei. Lexikalisch ist

Caspar Fürstenau erstmals 1812 in Gerbers "Lexikon der

Tonkünstler" erwähnt. Im Jahre 1836 bringt die Enzyklo­

pädie Schillings dann eine umfassende Lebensbeschreibung

von caspar und Anton Bernhard Fürstenau. Dieser Artikel

hat alle folgenden bis in das 20. Jahrhundert - auch mit

seinen Irrtümern und Lücken - erkennbar beeinflußt.

Fetis, der Anton Bernhard Fürstenau 1849 in Dresden noch

selbst kennengelernt hat, erscheint in seiner "Biogra­

phie Universelle des Musiciens" dabei als am weitesten

unabhängig von Schilling. Sogar bis in die wörtliche

Übereinstimmung hinein hat Schilling den Kurzbiographien

Moritz Fürstenaus über seine Vorfahren für Mendels Lexi­

kon und die Allgemeine Deutsche Biographie in den sieb­

ziger Jahren als Vorlage gedient. Daß Moritz Fürstenau

dabei nichts abänderte oder korrigierte, läßt die Vor­

gängerberichte immerhin als glaubwürdig dastehen. Von

den Artikeln über Moritz Fürstenau selbst mag seine

Selbstbiographie in Mendels Lexikon natürlicherweise als

am meisten authentisch erscheinen; der Nekrolog Carl

Bancks in "Signale", 1889, ist indes für die weitere

Würdigung des letzten Fürstenau der ergiebigste Aus­

gangspunkt. zwei Artikel des 20. Jahrhunderts über Für­

stenau - die von Virneisel in "Die Musik in Geschichte

und Gegenwart" und für die Neue Deutsche Biographie -

sind gegenüber denen in Riemanns Lexikon und "The New

Grove" am wertvollsten; aber auch Virneisel formuliert

den lexikalischen Wissensstand des 19. Jahrhunderts le­

diglich noch einmal neu. Die jüngsten, Anton Bernhard

Fürstenau betreffenden Publikationen von Schmitz (1988)

und Delius (1990), bringen zur Biographie nichts neues.

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Die Literatur, hier vor allem Musikerbiographien und

Beiträge zum Dresdner Kulturleben des 19. Jahrhunderts,

erwähnen Anton Bernhard Fürstenau fast gar nicht. Aus­

nahme ist Max Maria von Webers Lebensbeschreibung seines

Vaters; hier spielt Anton Bernhard zumindestens die Rol­

le einer Randfigur im Umfeld von Webers Krankheit und

Tod 1826 in London.

Bemerkenswert ist die Tatsache, das der rührige Quellen­

forscher Moritz Fürstenau, Erbe einer mit ihm zu Ende

gehenden Familientradition, zwar Materialien zur lokalen

Musikgeschichte überliefert hat, aber über die zitierten

Artikel zu Vater und Großvater hinaus nichts weiter hin­

terlassen hat: Ein Familiennachlaß Fürstenau ist nicht

vorhanden; Tagebücher existieren nicht. Es mag sein, daß

im Dresdner Brand von 1945 spezifische Bestände unterge­

gangen sind.

Es steht fest, daß Anton Bernhard Fürstenau zahlreiche

Musiker und Persönlichkeiten seiner Zeit gekannt und mit

ihnen korrespondiert hat. Lediglich einige Briefe an

Mendelssohn, den Gelehrten Carl August Böttiger und ver­

schiedene Verleger sind jedoch überliefert. Weitere

Briefe Anton Bernhard Fürstenaus sind sporadisch ver­

streut und erscheinen eher zufällig erhalten, so daß sie

für die Rekonstruktion einer Vita im Sinne größerer Zu­

sammenhänge von Lebens- und Schaffensphasen wenig taug­

lich sind. Dies trifft erst recht bei caspar Fürstenau

zu, dessen drei einzig überkommene Briefe nur Einzela­

spekte aufzuzeigen vermögen. - Günstiger sieht es bei

Moritz Fürstenau aus, der hier jedoch größtenteils außer

Betracht bleibt; soweit 9rief(! nicht ausgewertet wurden,

sind ihre Fundorte angegeben -. Der Webernachlaß enthält

nichts unser Thema betreffendes, sieht man von den rela-

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tiv spärlichen Notizen des Webertagebuches und den bei­

läufigen Erwähnungen im Briefwechsel des Ehepaares von

Weber 1826 ab. Auch im Nachlaß anderer Dresdner Zeitge­

nossen finden sich keine originären Äußerungen. - Insge­

samt sieht man sich hier einer dürftigen Quellenlage

gegenüber.

Neben den wenigen Eigenzeugni~sen der Fürstenau waren

Archivalien zu nutzen und die Ergebnisse mosaikartig

zusammenzufügen: Die personenstandliehen Beurkundungen

der Kirchenbücher sind fast durchweg erhalten und ver­

dichten sich zu einem nachvollziehbaren Bild. Was die

städtischen und staatlichen Verwaltungen Münsters, Ol­

denburgs, Eutins und Dresdens betrifft, sind die Bestän­

de gering und zerstreut. Die Militärakten der fürstbi­

schöflich münsterischen Zeit haben die nachfolgenden

Preußen nahezu vollständig vernichtet. Die Recherche zu

den Soldaten bzw. Hobeisten Fürstenau konnte nur indi­

rekt über die Servicelisten der Stadt erfolgen. Auch sie

sind lückenhaft. Die Kapellakte Münsters erwähnt die

Fürstenau relativ selten. Über Rechnungsvermerke und

Salärtabellen für die Kammermusiker Oldenburg - Eutins

hinaus existiert keine eigene Akte der Hofmusik. Die

Privilegien der Eutiner Stadtm~sici sind allerdings in

Abschriften erhalten. Hilfreich, wenn auch unvollstän­

dig, war die archivarisch bereits besorgte Konzertüber­

sicht des Oldenburger Abonnements bis 1810. Für Dresden

gilt: Das Archiv der Hofkapelle selbst ist nicht über­

liefert. Fundorte waren Einzelakten verschiedener könig­

licher Behörden. Sie stellten vergleichsweise die ergie­

bigsten Quellen dar. - Trotz dieser insgesamt schwieri­

gen, diffusen Lage ergab die Auswertung der Archivalien

noch die größte Kontinuität zum Wirken der Fürstenau als

bedienstete Musiker.

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Nur zwei Fürstenau sind als Komponisten nennenswert in

Erscheinung getreten. Bislang ist das Oeuvre Caspar und

Anton Bernhard Fürstenaus nicht systematisch dokumen­

tiert. Daran hat die Amsterdamer Arbeit von Roorda

(1980) nichts geändert. Es war demnach Grundlegendes zu

leisten: Die Arbeit beinhaltet zwei thematisch-biblio­

graphische Werkverzeichnisse. Die vorhandenen Kataloge

sind reine Werkaufzählungen; sie sind unvollständig und

fehlerhaft. Dabei sollen die Unternehmen von Whistling

und Hofmeister seit 1817 sowie diejenigen von der Jahr­

hundertwende an bis heute von Prill, Pazdirek, Virneisel

und zuletzt Vester 1967, nicht gering geachtet werden.

Im Wesentlichen stellten sie den ersten Anhaltspunkt für

die vorliegende Dokument~tion dar. Hingegen waren die

Quellen- und Bibliotheksnachweise in Eitners Lexikon und

von Heinz Wagener (1979) wenig ergiebig: Bei Eitner

(1901) ist ein spärlicher und nur auf caspar Fürstenau

bezogener Nachweis zu finden; Wageners nicht mangelfrei­

er, aber umfangreicherer Versuch wirkt in seiner Ansamm­

lung eher zufällig. Mit den vorgelegten Bibliotheks- und

Archivnachweisen der Kompositionen dürfte diese Lücke

geschlossen sein. Eine künftige Wertung der Komponisten

Fürstenau kann von dem nun offengelegten Material ausge­

hen.

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I. Die münsterisch~it bis 1794/95

1. Herkunft der Familie Fürstenau

Die Fürstenau tauchen in den sechziger Jahren des 18.

Jahrhunderts erstmals in Münster auf 1 ). Mit großer

Wahrscheinlichkeit waren sie aus dem engeren münsterlän­

dischen Raum in die Residenzstadt gekommen: In der

fürstbischöflichen Garnison Coesfeld ist 1721 ein

Christopher Fürstenau belegt 2 >. Eine Generation später,

1747, sind die Namen des Ehepaares Caspar Henrich Für­

stenau und Maria Wilhelmina, geborene Ohmstätt in Not­

tuln - zwischen Münster ~nd Coesfeld gelegen - festge­

halten 3 )

Aus der Tatsache, daß erst eine dritte Generation der

Fürstenau in den münsterseben Kirchenbüchern aufgeführt

ist, läßt sich der Zeitpunkt ihrer Einwanderung nach

Münster kurz nach der Mitte des Jahrhunderts errechnen.

Dies entspricht zeitlich dem Ende des Siebenjährigen

Krieges: Im Jahre der Remilitarisierung des Fürstbi­

stums, 1763, wird ein "gem[einer]. Carl Fürstenau" erst­

mals als Soldat in der Quartierliste des von Schorlerner­

scben Regimentes erwähnt 4 >. Der Grund für die Einwande-

1) StadtAMünster A VII Nr. 40 Bd. 33; 1765

2) BAMünster KB St. Lamberti - Coesfeld Bd. 2 Taufre­gister; 24. 4. 1721: Margaretha Elisabeth. Eltern: Christopher Fürstenau, Anne Margaretha, geborene Schmitz

3) BAMünster KB St. Martini - Nottuln Bd. 2 Tauf­register; 1. 1. 1747: Anna Catharina Gertrud. Eltern: Caspar Henrich Fürstenau, Maria Wilhelmina Ohmstätt

4) StAMünster KBR 3 Nr . 1863; 9. 11. 1763

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rung ist vermutlich in den Kriegsereignissen oder der

Reorganisation Münsters 1 ) zu suchen.

Das Sterberegister der münsterschen St. Lambertikirche

verzeichnet 1766: "den 20ten October ist begraben Für­

stenau zeitlebens gewesener Regiments Tambour" 2 l. Bei

welcher Infanterieeinheit dieser Fürstenau gedient hat,

ist ungewiß. Damit bleibt auch im Dunkeln, ob er an Kam­

pagnen des münsterschen Militärs im Siebenjährigen Krieg

teilgenommen hat. Vorhandene Listen führen ihn nicht

auf. Daß der Regimentstambour als Veteran starb, ist

nicht zwingend 3)

Unter dem 6. Dezember 1767 findet sich im Kirchbuch st.

Ludgeri der Sterbeeintrag von Anna Wilhelmina Onstette,

"Wittwe Fürstenau" 4 ). Dies legt die Vermutung nahe, daß

der im Vorjahr verstorbene Regimentstambour mit ihrem in

Nottuln dokumentierten Ehemann caspar Henrich Fürstenau

identisch ist.

Die Beurkundungen der Todesfälle 1766 und 1767 weisen

auf die Wohnsitze in den Leisehaften st. Lamberti und

st. Ludgeri hin. Folgt man der Vermutung hinsichtlich

der Ehe, dann dürfte die Witwe Fürstenau nach dem Tode

1) Hierzu: Rothert, s. 78 ff. u. v. Bönninghausen, s. 159 ff.

2) BAHtinster KB St. Latnberti - Münster Bd. 21

3) Es ist belegt, daß im münsterschen Heer zahlreiche Soldaten "von 60 und mehr Jahren als diensttuend bezeichnet und sogar noch Siebzig- und Achtzigjäh­rige geführt" wurden. Hansschmidt, s. 157

4) BAHtinster KB St. Ludgeri - Münster Bd. 18 Sterbe­register

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Caspar Henrichs wohl zu Verwandten in die Leischaft

St. Ludgeri verzogen sein. In beiden Bezirken ist die

Adresse nicht exakt zu lokalisieren. Dies bestärkt die

Annahme, daß die männlichen Ftirstenau in dieser Zeit

Soldaten waren. Die städtischE!n Bürgerverzeichnisse wei­

sen Steuerprivilegierte wie Soldaten und Hofbeamte nicht

aus 1 )

Damit dürfte der einzige, um 1780 immer noch im Kirch­

spiel St. Ludgeri ansässige Fürstenau, Johann Gerhard

caspar 2 ), den Soldatenberuf ausgeübt haben. Allerdings

ist er mit ziemlicher Sicherheit in diesem Fall nicht

bei einer Regimentsmusik gewesen, denn die Servicelisten

führen durchgängig Hobeisten und Tambours der münster­

sehen Regimenter auf 3 ).

Im Jahre 1769 beurkundet das Kirchenbuch St. Lamberti in

Münster die Heirat von Franz Carl Fürstenau. Er gehörte

wie der 1769 und 1772 in der Familie Franz carls erwähn-

1) Hier sind alle Bürger, von den wohlhabenden bis hinunter zum Tagelöhner, erfaßt. QuF 10, s. VII ff.

2) Ehefrau: Gertrud Pöltz (Polz, Holtz). -Zwei Kind­taufen in Münster beurkundet; 14. 8. 1779: Marga­retha Elisabeth. Paten: Margaretha Elisabeth Holz, Bernhard Volberg. - 8. 7. 1781: Johann Heinrich Joseph. Paten: Johann Heinrich Liste, Elisabeth Margaretha Burchard "uxor·" Weingärtner. BAMünster KB St. Ludgeri - Münster Bd. 4 Taufregister. - Alle nachgeborenen Kinder sind in Schöppingen ab 1783 verzeichnet. Vgl. BAMünster KB St. Brictius -Schöppingen Taufregister. Vgl. auch StadtAMünster, TheissK. - Die Familie Johann Gerhard Caspars wan­derte 1781/83 in das münsterländische Dorf aus. Nachfahren leben noch 1991 dort. Sie waren Küster, Kirchspielführer, Handwerker. Freundliche Auskunft Dr. Theo Fürstenau, SchöppingenjMünster

3) Vgl. StadtAMtinster A VII Nr. 40

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te Taufpate, Johann Gerhard Caspar, der gleichen Genera­

tion der Familie an. Seide könnten Brüder gewesen sein.

Naheliegend, aber ebenfalls nicht beweisbar ist, daß

Caspar Henrich und Anna Wilhelmina Fürstenau die Eltern

der beiden waren. In welchem Verwandtschaftsverhältnis

der in Coesfeld aufgetretene Christopher zu den münster­

sehen Fürstenau stand, ist nicht zu klären. Der Name

Fürstenau verschwindet 1795 aus den münsterschen Archi­

valien.

Eine Verbindung zu den weiteren, im nordwestdeutschen

Raum aufgetretenen Fürstenau ist nicht nachzuweisen.

Wenn eine solche herzustellen wäre mit der in Herford

ansässigen Patrizierfamilie, der Kaufleute, Bürgermei­

ster - und als bekanntester der Kaiserliche Kommissar im

dreißigjährigen Krieg Anton Bernhard Fürstenau - ent­

stammten, so ermöglichte dies eine genealogische Rück­

führung auf den Kleriker Hermann Fürstenau in Enger, der

im Jahre 1414 erwähnt wird 1 ). Ebenfalls nicht belegbar

sind mögliche Beziehungen zu den wohlhabenden Osna­

brücker Fürstenau des 17. und 18. Jahrhunderts 2 )

Gleiches gilt für die im Weserraum für das 17. Jahrhun-

1) Name ursprünglich "Vorstenowe". Vgl. Pape, s. 61 ff.

2) Namensnennungen in StAOsnabrück Stadtsachen asna­brück Dep. 3b IV Nr. 4536; 9. 10. 1761 u. Nr. 4764; 5. 7. 1666. - StAOsnabrück Verläuteregister st. Katharinen Dep. 4b; 1673, 1678, 1696, 1697, 1732, 1761. - StAOsnabrück Bürgerbuch osnabrück Dep. 36 IV Nr. 355; 22. 12. 1656: Stadtkämmerer Bernhard Fürstenau. - Vgl. Pape, s. 70

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dert erwähnten 1 >, die Gelehrten 2 >, den münsterschen

Priester 3 ) und den 1637 als Glockenstifter erwähnten

Kaufmann in Vechta 4 >. Alle diese angeführten Fürstenau

zeichnete ein weit höherer Sozialstatus aus als man ihn

Soldaten, auch Hobeisten der Zeit, zuerkannte. Aller­

dings ist bekannt, daß infolge des Dreißigjährigen

Kriegs viele angesehene Familien verarmten und Familien­

mitglieder deshalb ihren Wohnsitz verließen - so gesche­

hen etwa auch in Herford 5 >. Daß es konfessionelle Un­

terschiede zwischen den Fürstenau gab, ist für eine Zu­

sammengehörigkeit ohne Belang. Die münsterschen Fürste­

nau und deren Nachfahren waren katholischer Konfession.

2. Franz Carl Fürstenau als Fürstbischöflicher Hoboist

und Kapeilist

Wo und wann Franz Carl Fürstenau geboren wurde, ist un­

bekannt. Er wird mit seinen Eltern, dem Tambour Caspar

Henrich und Anna Wilhelmina, die 1766/67 verstarben,

nach Münster eingewandert sein.

1) Linke, s. 228, 268. - Ders. ; s. 114, Erwähnung eines Adligen: Caspar v. Fürstenau auf Dobschütz~ 4. 2. 1649

2) ADB, Bd. 8, s. 216 f.: Ärzte Johann Hermann u. Johann Friedrich Fürstenau~ Theologe Carl Gottfried Fürstenau

3) Gemeint ist Carl Otto Fürstenau aus Steinfeld. BAMünster Kleruskartei~ 1694 - 1745

4) Hartmann, Nr. 1794: Arent (• Arno1d) Fürstenau. -StAOldenburg Dep. Vechta 262 - 11. - Zur Glocken­stiftung Willoh, s. 152 f.

5) Vgl. Pape, s. 152 f.

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Im Jahre 1763 ist er als gemeiner Soldat in dieser Stadt

nachweisbar. Er heiratet•~ am 22. August 1769 Anna Sybil­

la Zumbrack 1 l. Sie war zu dieser Zeit etwa dreißig Jah­

re alt und stammte aus Nottuln 2 l. Die Braut wohnte in

der Lamberti-Leischaft, denn hier wurde die Ehe ge­

schlossen und verzeichnet. Schon im Dezember wurde das

erste Kind geboren, es erhielt die Namen Anna Adol-

fina 3 l. Wohnsitz der jungen Familie blieb die Ludgeri­

Leischaft, wo die Großmutter 1767 verstarb und Johann

Gerhard caspar, der Bruder Franz Carl Fürstenaus, bis

nach 1781 ansässig war. Noch im Oktober 1771 war die

Familie Franz Carls im Hause Nr. 598 einquartiert 4 1, wofür die Stadt Münster ein Servicegeld 5 ) von 23 Schil­

ling 4 Pfennige als "1/2 Dienst" zu zahlen hatte 6 1. Zum

1) BAMünster KB st. Larnberti - Münster Bd. 13 Traure­gister; 22. 8. 1769: "Franciscus carolus Anten Für­stenau. Anna Sybi11a Zumbrock. Testes Paulus Mathias Brinkman Henricus Herrn. Harte"

2) Vgl. ASt. Peter - Oldenburg Sterberegister; 3. 10. 1805

3) BAMünster KB St. Ludgeri - Münster Bd. 3 Tauf­register; 28. 12. 1769: Anna Adolfina. Paten: Johann Gerhard Caspar Fürstenau, Anna Adolfina Robrecht

4) Unter den "Nahmen dt!rer in Münster einquartirte beweibten ... Soldaten und wie viel Kinder selbige haben", findet sich Fürstenau mit 2 (sie) Kindern. StadtAMtinster A VII Nr. 52 Bd. 6; 15. 4. 1770

5) Die Quartiergeber, die grundsätzlich verpflichtet waren, Bett, Licht, Holz zu stellen, konnten dies in Münster durch Geldleistungen ersetzen. Dethlefs, s. 5

6) Verzeichnis: "wohnende Militairs von ganz •.• halbe und 1/4 Diensthäusers" in StadtAMtinster A VII Nr. 52 Bd. 6; 29. 10. 1771. - Vgl. auch StadtAMtinster RTP 180; 15. 1. 1770. - Betrag angegeben in StadtA­Münster A VII Nr. 40 Bd. 6; 1771 ff.

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Jahre 1772 übersiedelten die Fürstenau in die St. Lam­

berti-Leischaft 1 )

Aus der Ehe Franz Carls mit Anna Sybilla gingen sieben

Kinder hervor 2 >. Davon starben vier noch im Kindes­

alter 3 ) . zwei der überl ,::!benden Söhne - Caspar und Carl

Bernhard- wurden die·ersten bekannten Musiker der Fami­

lie Fürstenau.

Franz Carl Fürstenau diente - zunächst nicht als Musi­

ker - in "des Obrist Lieutnanten Schulze Compagnie", die

zum Infanterieregiment des Generals von Schorlerner ge­

hörte. Nach "Charakter und Namen" war der "gern. Carl

1) Alle nachgeborenen Kinder sind in BAMünster KB St. Lamberti -Münster Taufregister; 1772 ff. verzeich­net

2) Nach BAMünster KB St. Lamberti - Münster Bd. 2 Tauf­register; 26. 2. l722: ~n Gerhard caspar. Paten: Johann Gerhard Caspar Fürstenau, Margaretha Elisabeth Kock. - 4. 5. l22Z: Friedrich Aloys M.9.1;:ig. Paten: "Rev. Dom" Johann Friedrich Teeklan­borg "Vicar in Helle", "Devotessa" Maria Catharina Roskort. - 25. 6. l222: ~anz Bernhard Joseph. Paten: Franz Wagener, "Jungfrau" Franziska Gram­linck. - 3. 11. 1777: Michael Alexander Friedrich Carl. Paten: Michel Müser, Maria Gertrudis Kock. -20. 9. 12a1: Johann Bernhard Carl. Paten: Johann Bernhard Roberg, Anna Gertrudis Fürstenau. - Bei dem in StadtAMtinster RTP 119; 30. 8. 1789 erwähnten Sohn Franz Joseph muß es sich um einen 1787/88 nachgeborenen Sohn handeln, dessen Name mit dem am 25. 6. 1775 geborenen und 1780/81 verstorbenen Johann ~ Bernhard Joseph identisch ist. Aller­dings findet sich kein Taufeintrag in den münster­sehen Kirchenbüchern

3) BAMünster KB St. Lanberti - Münster Bd. 21 Sterbe­register. Keine namentliche Nennung, nur: 21. 5 • .l.1.1A "proles Fürstenau". - 7. 10. l1.1.4. "proles Fürstenau musici". - 11. 5. l.1.rul. und 28. 6 . .l2ll jeweils "proles militis Fürstenau"

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Fürstenau ... ohne Weib und Kind" 1 >, verdiente 15

Schilling und 6 2/3 Pfennig monatlich; das machte im

Jahre etwas mehr als 6 Reichstaler aus 2 >. Im November

1763 wohnte er in einem münsterschen Bürgerquartier, wie

es bei fürstbischöflichen Soldaten üblich war 3 >. Über

das Datum der Anwerbung - die Verpflichtung betrug min­

destens drei Jahre 4 >-- ist nichts bekannt. Ungeklärt

bleibt auch, ob Franz Carl mit dem Regiment von Schorle­

rner im Januar 1763 aus französischer Internierung zu

Aachen nach Münster zurückgekehrt war 5 )

Ab 1765 wird Franz Carl Fürstenau als Regimentsklari­

nettist ausgewiesen 6 >. Welche Faktoren diese Wandlung

verursacht haben, liegt im Dunkeln. Es bedeutete aber

eine finanzielle, soziale, schon an der Uniformierung

ablesbare Statusverbesserung, da münstersehe Militärmu­

siker wie Regimentstambours und Feldscher "als Unterof­

ficiers gerechnet" wurden 7 )

Zunächst stand Franz Carl als Hobeist und Klarinettist

bei der Leibkompanie ·des von Wengesehen Infanterie­

regiments. In gleicher Funktion gehörte er von April

1) StAMünster KBR 3 Nr. 1863; 9. 11. 1763

2) StAMünster KBR 3 Nr. 2050, Bl. 141

3) Vgl. Haas - Tenckhoff, s. 145

4) StAMünster KBR 3 Nr. 2050, 141, Liste A

5) Vgl. v. Bönninghausen, s. 159

6) StadtAMünster A VII Nr. 40 Bd. 33 ff.; 1765 ff.

7) Vgl. StAMünster KBR 3 Nr. 1863; 2. 1. 1787 u. 19. 6. 1787. - zur Uniformierung münsterscher Ho­boisten s. Bleckwenn, s. 181

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1777 bis 1786 dem "klei~~n Steb" des Regiments von Sta~l an. Seit Januar 1787 bis zu SFinem Tode im Juli des

gleichen Jahres diente e~ als Hobeist in der Leibkompa­nie des Droste Hülshoffsehen Regiments 1 ).

In den münsterseben Akten wiro. Franz Carl Fürstenau

wechselnd als "musicus", "milr,s", "hautboist", "clarine­tist", "clarinetista", "C::apeLI.ist" bezeichnet: Er war

nicht gezwungen, nachdem er 1781 ein ordentliches Kapel­

listenpatent erlangt hatte, den Regimentsdienst zu quit­

tieren. Er versah in Hofkapelle und Militärbande seinen Dienst. Beispiele für solche Doppelverpflichtungen las­

sen sich in Münster zahlreich erbringen 2 ).

Im Regiment wurde er zunP.hmend als Klarinettenspieler herangezogen 3 ). In der Kapelle wurde jedoch gerade als

Flötist benötigt 4 )

1) Servicelisten in StadtAMenster A VII Nr. 40 Bd. 33; 1765 Bd. 45; März 1777 - StadtAMünster RTP 180; 15. 1. 1770: Auszahlung des Servicegeldes "Regiments des hf. General Lieutnantes von Wengc betreffend •.. Clarinettisten und Hautboisten ••• Fürstenau.". -April 1777 - 1786 in StadtAMünster A VII Nr. 40 Bd. 45; 1777 - Bd. 50; 1786 u. Bd. 51; 1787. - Die Um­benennung der Regimenter erfolgte jeweils mit dem Wechsel des Chefs. Bleckwenn, s. 195, Anl. 1

2) Vgl. etwa Deusker, s. 80, 118

3) Trotz sich wandelnder Musikpraxis in den Militär­corps blieb "Hoboist" die Bezeichnung schlechthin für den Militärmusiker - unabhängig von seiner ei­gentlichen Verwendung. Braun, s. 43 ff. - Aller­dings wird in den münsterseben Servicelisten aus­drücklich differenziert z~ischen 1 "hob[oisten)" und 2 "clar[rinetisten]", was auf das tatsächlich verwendete Instrument schließen läßt. Vgl. Stadt­AMünster A VII Nr. 40 Bd. 33 ff.; 1765 ff.

4) BAMünster I, 21; 23 . 10. 1781