1.3 strukturpolitik 1.3.1begriff der strukturpolitik · tangentialpunkt von transformations- und...

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1 1.3 Strukturpolitik 1.3.1 Begriff der Strukturpolitik Strukturpolitik: Gestaltung der Struktur einer Volkswirtschaft (anders als aufgrund marktwirtschaftlicher Prozesse gegeben) durch strukturpolitische (oder partialpolitische) Maßnahmen im Gegensatz zu Total- oder Niveaupolitik (auf gesamte Volkswirtschaft bezogen) Strukturpolitik als bewusste Beeinflussung der relativen Bedeutung von Regionen bzw. Sektoren innerhalb einer Volkswirtschaft Systematisierung von Instrumenten nach Breite des Eingriffsfeldes: Partial- und Globalpolitik zu beeinflussendem Phänomen: Konjunktur- (=Stabilisierungs-), Wachstums- (=Allokations-), Verteilungs- (=Distributions-)politik Kombinationsmöglichkeit: wachstumsorientierte Global- und Strukturpolitik, analoge Unterscheidungen der Stabilitäts- und Ausgleichspolitik Prinzipien für wirtschaftspolitisches Handeln: Ordnungs- und Prozesspolitik Kombinationsmöglichkeit: globale und partielle Ordnung- und Prozesspolitik

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Page 1: 1.3 Strukturpolitik 1.3.1Begriff der Strukturpolitik · Tangentialpunkt von Transformations- und Indifferenzkurve Grenzrate der Transformation gleich Grenzrate der Substitution Frage:

1

1.3 Strukturpolitik1.3.1 Begriff der Strukturpolitik

Strukturpolitik:

Gestaltung der Struktur einer Volkswirtschaft (anders als aufgrund marktwirtschaftlicher Prozesse gegeben) durch strukturpolitische (oder partialpolitische) Maßnahmen im Gegensatz zu Total- oder Niveaupolitik (auf gesamte Volkswirtschaft bezogen)

Strukturpolitik als bewusste Beeinflussung der relativen Bedeutung von Regionen bzw. Sektoren innerhalb einer Volkswirtschaft

Systematisierung von Instrumenten nach

• Breite des Eingriffsfeldes:Partial- und Globalpolitik

• zu beeinflussendem Phänomen:Konjunktur- (=Stabilisierungs-), Wachstums- (=Allokations-), Verteilungs-(=Distributions-)politik

→ Kombinationsmöglichkeit: wachstumsorientierte Global- und Strukturpolitik, analoge Unterscheidungen der Stabilitäts- und Ausgleichspolitik

• Prinzipien für wirtschaftspolitisches Handeln:Ordnungs- und Prozesspolitik

→ Kombinationsmöglichkeit: globale und partielle Ordnung- und Prozesspolitik

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1.3.2 Notwendigkeit von Strukturpolitik in einem marktwirtschaftlichen

System

Wirtschaftspolitische Maßnahmen:

Notwendigkeit bei nicht tolerierbaren Abweichungen des realisierten Zustands vom

angestrebten Zustand

Abbildung 1-5: Notwendigkeit strukturpolitischer Maßnahmen

S t a t u s - q u o - E n t w i c k l u n g

A n g e s t r e b t e E n t w i c k l u n g

Zeitpunkt

Struktur d. VW

t0 (= heute ) t1 (= Prognosezeitpunkt )Z

ielv

erl

etz

ung

*t1

Z

1tZ

0tZ

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3

Vollkommener Markt:

Eigennutz der Wirtschaftssubjekte führt zu Lösung der zentralen Fragen in einer

Volkswirtschaft: Wo, wie und für wen soll produziert werden?

Eigennutz der Marktteilnehmer und Wirken der Sanktionsmechanismen (Gewinn und

Verlust) richtet Niveau der Wirtschaftstätigkeit und Struktur der produzierten Güter

optimal an Präferenzstruktur der Bevölkerung aus

Beziehungszusammenhang zwischen Marktwirtschaft und optimaler

Wirtschaftsstruktur (anhand Beispiel mit je zwei Gütern, Regionen, Sektoren)

Transformationskurve (Produktionsmöglichkeitskurve):

Geometrischer Ort aller Gütermengenkombinationen maximaler Produktion bei

gegebenem Arbeits- und Kapitalstock (aus Produktionsfunktion ableitbar)

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Abbildung: Transformationskurve bei 2 Gütern X und Y

X,Y: Produktion des Gutes X bzw. Y

LX, LY: Arbeitseinsatz bei der Produktion des Gutes X bzw. Y 4

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X,Y: Produktion des Gutes X bzw. Y

LX, LY: Arbeitseinsatz bei der Produktion des Gutes X bzw. Y

Annahme:

- Faktor Arbeit (L) variierbar (andere Produktionsfaktoren fest vorgegeben)

- Abnehmende Grenzproduktivität der Arbeit (L)

- Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit (L) zur Produktion der Güter X und Y:

• Steigung der Transformationskurve: Grenzrate der Transformation dy/dx

(≙ Opportunitätskosten)

• Punkte auf der Kurve techn. effiziente Produktion

Produktion des Gutes X nur durch Verzicht auf Teile der Produktion von Y

erhöhbar

• Punkte oberhalb der Kurve

– Mengenmäßiges Faktorwachstum

– techn. Fortschritt

• Punkte unterhalb der Kurve

– Nicht alle Produktionsfaktoren beschäftigt (Unterbeschäftigung)

– Produktionsfaktoren nicht in Verwendung eingesetzt, in der sie größten Ertrag

bringen5

YX LLL

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6

Zusammenspiel von Transformations- und Indifferenzkurve bestimmt optimale

Wirtschaftsstruktur

Abbildung 1-6: Optimale Struktur einer Volkswirtschaft

Optimalpunkt:

Tangentialpunkt von Transformations- und Indifferenzkurve

Grenzrate der Transformation gleich Grenzrate der Substitution

Frage: Garantiert die Marktwirtschaft dieses Optimum?

gesellschaftliche

Indifferenzkurve

x2

x opt2

xopt1

x1

Transformationskurve

Optimalpunkt I13

I12

I11

*

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7

Verhaltensannahmen:

(1) Produzenten streben nach Gewinnmaximierung

(Grenzkosten = Grenzerlös)

- bei vollkommenem Markt:

(1-6a)

(1-6b)

(1-7) (Kostengleichung)

(1-8a)

(1-8b)

(1-9)

Bei Vollbeschäftigung der Produktionsfaktoren

1

1

1

1

1

1.

1.

11 dx

dKr+

dx

dAl=

dx

dKr+dA1=dxdC

111 dxdCp

222 dxdCp

2,1=i,Kr+Al=C i.

i.

i

2

2

2

2

2

2.

2.

22 dx

dKr+

dx

dAl=

dx

dKr+dA1=dxdC

( )( )2

.2

..1

2.

1.

1.

21dKr+dA1dx

dxdKr+dA1=pp

21

21

dK-=dK

dA-=dA

)dKr+dA1(-=dKr+dA1 2.

2.

1.

1.

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8

(1-10)

Grenzrate der Transformation gleich dem negativen umgekehrten Preisverhältnis

p1, p2 = Preise der Güter x1 und x2

dC1/dx1, dC2/dx2 = Grenzkosten der Güter x1 und x2

l, r = Lohnsatz und Zinssatz

A, K = eingesetzte Mengen der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital

(2) Konsumenten streben nach Nutzenmaximierung (bei gegebenem Einkommen)

(1-11)

1

2

2

1

dx

dx

p

p

22

22

2

2

2

11

11

1

1

1

2211221121

pdx

dU0p

dx

dU

dx

dL

pdx

dU0p

dx

dU

dx

dL

)eKonsumsumm(xpxpCmitxpxpCx,xUL

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Grenznutzenverhältnis = Preisverhältnis:

Grenzrate der Substitution:

bei nutzenmaximierendem Haushalt:

(1-12)

Grenzrate der Substitution gleich dem negativen umgekehrten Preisverhältnis:

U = Nutzen

Y = Einkommen

2

1

1

2

x∂

U∂

x∂

U∂

=dx

dx

2

1

21 p

p

x

U

x

U

0dxx

Udx

x

U2

21

1

dU

1

2

2

1

dx

dx

p

p

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im Gleichgewicht:

Grenzrate der Substitution gleich Grenzrate der Transformation (Bedingung für

Wohlfahrtsoptimum)

Steuerung des Strukturwandels bei vollkommenem Markt über „unsichtbare Hand“:

z.B. Änderung der Präferenzstruktur zugunsten (zulasten) der volkswirtschaftlichen

Teilmenge 1 (2) führt zu

• steigenden (fallenden) Preisen in 1 (2)

• steigenden (fallenden) Löhnen und Gewinnen in 1 (2)

• Wanderung von Kapital und Arbeit von 2 nach 1 bis neues Gleichgewicht erreicht

Würde Markt vollkommen funktionieren und würden keine außerökonomischen Ziele

angestrebt → Setzung gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen ausreichend und

aktive Strukturpolitik unnötig

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Abbildung 1-7: Unterschiedliche Begründungen strukturpolitischer Maßnahmen

x2 x2

x1 x1

1

32

1

a) b)ökonomisch außerökonomisch

Außerökonomische Begründung:

Auch bei vollkommenem Markt können

staatliche Eingriffe sinnvoll sein, wenn

außerökonomische Ziele angestrebt

werden (z.B. Wunsch nach Autarkie,

verteidigungspolitische Überlegungen,

Vermeidung von sozialen Unruhen,

Stabilisierung der Gesellschaft)

Staat strebt hier den Zustand 3 an, den

der Markt nicht realisiert

Ökonomische Begründung:

Unvollkommenheiten des Marktes:

ökonomisch optimaler Punkt 1 wird

nicht erreicht (stattdessen Punkt 2)

Aufgabe des Staates: Überführung

von Punkt 2 in Punkt 1 durch Einsatz

geeigneter Instrumente

● Gründe für staatliches Handeln zur Steuerung volkswirtschaftlicher Strukturen

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Übersicht 1-2: Gründe für strukturpolitische Maßnahmen im Einzelnen

Gründe für Strukturpolitik

Ökonomische Begründung

(Versagen der Marktmechanismen)

Anstreben außer -ökonomischer Ziele

( Sicherheit, soziale Gerechtigkeit usw.)

in statischer Hinsicht

(fehlerhafte Marktstruktur)in dynamischer Hinsicht

(fehlerhafter Strukturwandel)

(natürliches)

Monopol

fehlende

Konsumenten -souveränität

externe

Effekte

Preise als unzureichende

Parameter für zukünftige

wirtschaftliche Erfordernisse

( pathologischer Markt)

zu geringe Mobilität der

Produktionsfaktoren

hervorgerufen durch

unzureichende

Information

hervorgerufen durch

das Fehlen akzeptabler

Alternativen

Soziale

Gerechtigkeit

Verteidigungs -

politische

Überlegungen

AutarkieStabilisierung

der Gesellschaft

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• Natürliches Monopol

Im natürliches Monopol (fallende Durchschnittskostenkurve) ist Herstellung eines Gutes

durch nur ein Unternehmen volkswirtschaftlich günstiger als durch mehrere Anbieter

Subadditivität der Kostenfunktion:

(1-13) C(x1+x2 … +xn) < C(x1)+C(x2)+ … +C(xn)

Abbildung 1-8: Natürliches Monopol

Annahmen: Fixe Kosten Kf und lineare Kostenfunktion (konstante Grenzkosten)

N = Nachfragefunktion (= Grenznutzen)

GK = Grenzkosten

DK = Durchschnittskosten

GE = Grenzerlös

K,

xxr xopt

p r

popt

GEN

GK

DKB

C

p

A

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14

Volkswirtschaftliches Optimum xopt:

Gleichheit von gesamtgesellschaftlichen Grenznutzen und Grenzkosten

am Markt nicht realisiert (Monopolist produziert Menge xr und bietet zum Preis pr an)

→ Struktur der Volkswirtschaft verzerrt (xr<xopt)

Aufgabe des Staates:

xopt realisieren und für Anbieter entstehenden Verlust (DK-popt)∙xopt ersetzen

• Externe Effekte

Verzerrung der Struktur der Volkswirtschaft durch externe Effekte:

wirtschaftliche Aktivitäten, die nicht Verursacher zugerechnet werden

Beziehung zwischen Verursacher und Betroffenem wird nicht über Preismechanismus

erfasst und ausgeglichen

positiver (negativer) Effekt: Steigen (Sinken) des Nutzens des Betroffenen mit

Aktivitätsniveau des Verursachers

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Abbildung 1-9: Die Auswirkung externer Effekte auf die Struktur einer Volkswirtschaft

Negativer (volkswirtschaftliche Teilmenge 1) und positiver (Teilmenge 2) externer Effekt

Gewinnmaximierende Unternehmen orientieren sich bei Handlungsweise lediglich an

Kosten, die sie selbst zu tragen haben (=einzelwirtschaftliche Grenzkosten)

→ realisierte Menge zum Preis am Markt gehandelt

gesamtwirtschaftlich optimal: Menge zum Preis

Fazit: Güter mit negativen (positiven) externen Effekten werden in Volkswirtschaft in zu

großem (geringem) Umfang hergestellt

→ Struktur ist verzerrt

gesamtwirtschaftliche

Grenzkosten

b ) Teilmenge 2

p1,K1

p1opt

p2opt

x1r

x2optx1 x2

a ) Teilmenge 1

gesamtwirtschaftliche

Grenzkosten =

Angebotsfunktion

p1r

x1opt

N

p2,K2

p2r

A

gesamtwirtschaftlicher

Grenznutzen

einzelwirtschaftlicher

Grenznutzen =

Nachfragefunktion

x2r

r1x

r1p

opt1x opt

1p

)xxundxx( opt2

r2

opt1

r1

einzelwirtschaftliche

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• Fehlende Konsumentensouveränität

Verzerrung der Struktur durch fehlerhafte Präferenzstruktur der Verbraucher

Abbildung 1-10: Die Auswirkung von fehlerhaften Präferenzen der Verbraucher

auf die Struktur einer Volkswirtschaft

x2

x1

herrschende, aber fehler-

hafte Indifferenzstruktur

„richtige“ Indifferenzstruktur

Transformationskurve

x1r

x2optx2

r

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Präferenzstruktur der Verbraucher zugunsten von x1 (zulasten von x2) verzerrt:

x1 in zu großem, x2 in zu geringem Umfang nachgefragt

x1 demeritorisches Gut, x2 meritorisches Gut

Meritorisches Gut:

Gut, dessen Nutzen höher angenommen wird, als in der bestehenden Nachfrage

widergespiegelt

Ursachen für Existenz meritorischer Güter:

- Unmündigkeit von Nachfragern → Schulpflicht

- Irrationale Entscheidungen (Wirkungszusammenhänge werden nicht richtig

durchschaut) → Gurtpflicht

- Unvollständige Informationen (z.B. zu erwartende Ersparnisse durch neue Heizkessel

oder bessere Wärmedämmung)

- Falsche Zeitpräferenzrate (zukünftige Bedürfnisse zu gering gewichtet)

→ Zwangsversicherung gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter und Pflegebedürftigkeit

- Externe Effekte

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• Fehlerhafter Strukturwandel

volkswirtschaftliche Teilmenge 1: Nachfrageanstieg im Zeitablauf → zwischen den

Zeitpunkten t0 und t1 Verschiebung der Nachfragefunktion nach rechts

Abbildung 1-11: Nachfragesteigerung in der volkswirtschaftlichen Teilmenge 1

Neues Gleichgewicht in t1:

Erreicht das marktwirtschaftliche System das neue Gleichgewicht aus eigener Kraft, heißt

es stabil, sonst instabil.

p1t1

x1t1 x

p1t0

A

x1t0

p

Nt0Nt1

]x;p[ 1t1

1t1

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Vollkommener Markt:

Unmittelbare Anpassung der Marktteilnehmer an neue Situation

Bei verzögerter Anpassung und Orientierung an Preisen der Vergangenheit kann System

instabil werden (→ staatliches Handeln erforderlich)

Abbildung 1-12: Spinnwebtheorem

x

Ap

Nt0

Nt1

x

p

a) stabiles System b) instabiles System

Nt1

Nt0

A

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20

Ausweitung der Produktion von auf kann an Immobilität der Produktionsfaktoren

scheitern → Produktionssteigerung erfordert zusätzliche Arbeitskräfte

Modell des vollkommenen Marktes:

problemlos, da steigende Preise zu steigenden Löhnen führen, die

Arbeitskräfte attrahieren (vollkommen mobil)

Optimaler Strukturwandel verhindert, wenn Arbeitskräfte nicht auf Lohnerhöhungen

reagieren

Eingeschränkte Mobilität kann zu vollständiger Immobilität werden durch

- Informationsdefizite

- Bindung an Heimat

- Qualitätsdefizite (mismatch)

Strukturpolitik auch bei idealem Markt begründbar:

- Marktwirtschaftliches System nur für Verfolgung ökonomisch begründeter Ziele

geeignet

- Bei Verfolgung außerökonomischer Ziele bedarf Ergebnis des vollkommenen

Marktes einer Korrektur

0t1x 1t

1x

)pp( 10 t1

t1

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• Verteilungsökonomische Gründe

Ziel der regionalen Wirtschaftspolitik: Begrenzung interregionaler Entwicklungsunterschie-

de und angemessene Beteiligung strukturschwacher Regionen an allgemeiner

Wohlstandsentwicklung (analog zur Verbesserung der Lebenssituation bedürftiger

Individuen als Ziel der Sozialpolitik)

• Macht- und verteidigungspolitische Gründe

z.B. Bau von Eisenbahnstrecken und Autobahnen erhöht Truppenmobilität

periphere, grenznahe Regionen häufig durch zentrifugale Kräfte geprägt, drängen aus

Staatsverband hinaus

dortige Hebung des Lebensstandards durch Maßnahmen der Regionalpolitik schwächt

zentrifugale Kräfte und stärkt Staatenverband durch Erhöhung der Zufriedenheit der

Bevölkerung

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• Selbstversorgung

Folgen von internationalem Handel:

- Verbesserung der Wohlfahrtsposition (in exportierendem und importierendem Land)

- Gewisse Abhängigkeit (große Gefahr bei Gütern grundlegender Bedeutung und

(kurzfristig) fehlender Substituierbarkeit)

- Begünstigung von Sektoren wie Landwirtschaft und Bergbau

- Forderung nach gewissem Maß an Selbstversorgung (=Autarkie), um Abhängigkeit

zu begrenzen (speziell bei Energie- und Nahrungsmittelversorgung)

• Vermeidung sozialer Unruhen

Hilfe für von Strukturwandel negativ betroffene Sektoren und Wirtschaftsräume

- Verlangsamung des Strukturanpassungsprozesses

- Bildung von Grundlagen für Schaffung neuer, zukunftsträchtiger ökonomischer

Aktivitäten

- Sozial verträglichere Gestaltung des Strukturwandels (der sonst Bevölkerung

überfordert und zu sozialen Unruhen geführt hätte)

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Übersicht 1-3: Voraussetzungen für die Notwendigkeit einer Strukturpolitik

Ausgangssituation

Ist sie durch Marktfriktionen

gekennzeichnet?

Werden außerökonomische

Ziele angestrebt?

nein

nein

ja

nein

nein

ja

ja

ja

Keine Notwendigkeit

(verstärkter)

staatlicher Eingriffe

Notwendigkeit

(verstärkter)

staatlicher Eingriffe

Treffen die Kriterien alle

volkswirtschaftlichen

Teilmengen in

gleicher Weise?

ja nein

globale

Wirtschaftspolitik

sinnvoll

Strukturpolitik

sinnvoll

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1.3.3 Instrumentarium der Strukturpolitik

Einsatz einzelner Instrumente der Volkswirtschaftspolitik im Rahmen der Strukturpolitik

(nach Regionen und Sektoren differenziert)

Übersicht 1-4: Einsatzmöglichkeiten des volkswirtschaftlichen Instrumentariums

in der Strukturpolitik

Volkswirtschafts-politisches Instrument

Aufgabe des Instruments

Strukturpolitische Relevanz

Beispiele aus dem Bereich der Strukturpolitik

Ordnungspolitik - Produktionsverfassung

Verfügung über die Produktionsmittel

Festlegung der Ent-scheidungsgewalt im Unternehmen (Kapitalgeber, Arbeitnehmer, Staat)

Bei volkswirtschaftliche Schlüsselsektoren und meritorischen Gütern häufig starker Einfluss des Staates

Früher z.B. Bahn, Post; heute z.B. Bildung, Kunst

Unternehmens- und Betriebsformen

Rechtliche Gestaltung von Unternehmen

Weniger wichtig

Betriebsverfassung Mitwirkung von Arbeitnehmern an betrieblichen Entscheidungen

Häufig divergierend bei unterschiedlichen Unter-nehmensgrößen, aber auch in bestimmten Sektoren

Anspruch auf Einrichtung eines Betriebsrats, Paritätische Mitbe-stimmung in Großunternehmen, Montanmitbestimmung

Betrieblicher Arbeitsschutz

Sozialer Schutz (z.B. Kündigungsschutz, Arbeitszeitregelung) Gesundheitsschutz

Häufig divergierend bei unterschiedlichen Unternehmensgrößen

Eingeschränkter Kündigungs-schutz in Kleinunternehmen, Frühruhestandsregelungen in schrumpfenden Sektoren

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25

Volkswirtschafts-politisches Instrument

Aufgabe des Instruments

Strukturpolitische Relevanz Beispiele aus dem Bereich der Strukturpolitik

- Marktverfassung

Zulassung zum Markt Markteintritt (frei; geregelt: Bedürfnisprüfung, Eignungsprüfung; geschlossen)

Bedürfnisprüfung: überfüllter Markt; Eignungsprüfung: Notwendigkeit bestimmter Fähigkeiten; Schließung des Marktes: Schutz des Anbieters vor Wettbewerb

Bedürfnisprüfung: Taxige-werbe; Eignungsprüfung: Ärzte; Schließung der Märkte: früher Bahn, Post und Telekommunikation

Preissetzung Preisbildung (frei; geregelt: Höchstpreise, Mindestpreise, Margenpreise; fest)

Höchstpreise: Verbraucherschutz; Mindestpreise: Anbieterschutz; Festpreise: in monopolistisch strukturierten Märkten zur Vermeidung von Marktmissbrauch

Höchstpreis: Mieten; Mindestpreise: Landwirt-schaft; Festpreise: früher Elektrizitätswirtschaft, Speditionen, Post und Telekommunikation

Wettbewerbsordnung frei; geregelt: Gesetz gegen Wettbewerbs-beschränkungen, Gesetz gegen unlau-teren Wettbewerb

Manche Unternehmen und Sektoren von Regelungen ausgenommen

Landwirtschaft

- Finanzverfassung

Einnahmeverfassung Festlegung, welche Einnahmen der Staat erheben darf und wer diese Einnahmen erhält

Aufteilung staatlicher Einnahmen auf unter-schiedliche Regionen (Länder, Kommunen)

Kommunaler und Länderfinanzausgleich

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26

Volkswirtschafts-politisches Instrument

Aufgabe des Instruments Strukturpolitische Relevanz

Beispiele aus dem Bereich der Strukturpolitik

Prozesspolitik

- Moral suasion Moralischer Appell an Pro-duzenten und Konsumen-ten, sich gemäß staatlicher Vorgaben zu verhalten

Differenzierung des Appells nach Sektoren und Regionen

Investiert in strukturschwachen Regionen; Kauft deutsche landwirtschaftliche Produkte

- Informationspolitik Erhebung und Weitergabe von Informationen

Erhebung und Weitergabe von Informationen in sektoraler und regionaler Differenzierung

Informationsbroschüren über bestimmte Wirtschaftsregionen (Standortinformationspolitik)

- Indirekte Lenkung

Finanzpolitik Erhebung staatlicher Einnahmen und deren Verwendung

Differenzierung der staatlichen Einnahmen und Ausgaben nach Regionen und Sektoren

Steuererleichterungen und Subventionen; Zuschüsse für In-vestitionen in strukturschwachen Regionen, neue Bundesländer

Einkommenspolitik Einflussnahme auf Preise und Löhne in einer Volkswirtschaft

Einflussnahme auf Preise und Löhne in bestimmten Regionen und Sektoren

Lohnvorschriften: strukturschwa-che Regionen oder zurückfallen-de Sektoren; in Deutschland we-gen Tarifautonomie nicht möglich

- Direkte Lenkung

Verbote Anweisung zur Unterlassung einer bestimmten ökonomischen Aktivität

Verboteiner ökonomischen Aktivität in bestimmtem Sektor oder bestimmter Region

Verbot einer Ansiedlung in öko-logisch belastetem Ballungsge-biet; Verbot der Herstellung be-stimmter Güter (z.B. Rauschgift)

Gebote Anweisung zur Durchführung einer bestimmten ökonomischen Aktivität

Anweisung zur Durchführung einer ökonomischen Aktivität in bestimmtem Sektor oder bestimmter Region

Investitionsgebote in strukturschwachen Regionen

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27

Außenwirtschafts-

politik

Einflussnahme auf die Preise

und Mengen von Exporten

und Importen

Einflussnahme auf die

Preise und Mengen von

Exporten und Importen,

die nur bestimmte

Regionen und Sektoren

betreffen

Exporterleichterungen für

landwirtschaftliche

Produkte;

Zölle auf Textilien

Volkswirtschafts-

politisches

Instrument

Aufgabe des Instruments Strukturpolitisches

Relevanz

Beispiele aus dem

Bereich der

Strukturpolitik

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Püfung der Eignung einzelner Instrumente

• Eignung zur Erreichung des angestrebten Ziels

- Abgesicherte Theorie: Ziel (Instrument) in Politik entspricht Wirkung (Ursache)

in Theorie

- Einkalkulieren der Gegenmaßnahme seitens Wirtschaftssubjekte:

Verhinderung von Ausgleichsbewegungen durch gesetzliche Vorschriften

→ sich ausweitender staatlicher Interventionismus

• Beeinflussung anderer Ziele (besonders negativ)

- Einschränkung anderer Ziele durch strukturpolitische Maßnahmen

z.B. Einschränkung des Wachstums in Ballungsgebieten durch Subventionen

einer strukturschwachen Region, da eingreifende Maßnahmen steuerfinanziert

- Einschränkung des Freiheitsspielraums der Wirtschaftssubjekte

(Freiheit ist ein Wert an sich)

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29

1.3.4 Strukturpolitische Grundsatzpositionen

Sinnhaftigkeit strukturpolitischer Maßnahmen in marktwirtschaftlichem System umstritten

Einstellungen: vollkommene Ablehnung bis absolute Notwendigkeit

Unterscheidung:

• Marktwirtschaftliche Variante: (Neo-)Klassische Theorie

• Interventionistische Variante: (Post-)Keynesianismus

Übersicht 1-5: Charakteristika unterschiedlicher strukturpolitischer Ansätze

Kriterium Marktwirtschaftliche Variante

Interventionistische Variante

Vertrauen in die Funktions-fähigkeit des Marktes

Hoch Niedrig

Vertrauen in die Steuerungs-fähigkeit gesellschaftlicher Prozesse durch den Staat

Niedrig Hoch

Staatsauffassung Individualistisch Kollektivistisch

Konsumentensouveränität Hoch Stark eingeschränkt

Page 30: 1.3 Strukturpolitik 1.3.1Begriff der Strukturpolitik · Tangentialpunkt von Transformations- und Indifferenzkurve Grenzrate der Transformation gleich Grenzrate der Substitution Frage:

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Kriterium Marktwirtschaftliche Variante Interventionistische Variante

Strukturpoltische Konsequenzen

Staat

akzeptiert Struktur, wie sie sich am Markt bildet

setzt vernünftige Rahmenbedingungen

verzichtet auf Maßnahmen, die preisverfälschend, wettbewerbsmindernd und strukturkonservierend wirken

Staat

setzt eigen strukturpolitische Ziele, da Individuen Situation und eigenen Bedürfnisse nicht richtig einschätzen (meritorische Güter)

beschränkt sich nicht auf Setzung vernünftiger Rahmenbedingungen (Ordnungspolitik), sondern greift struktursteuernd in Marktprozess ein

ergreift auch Maßnahmen, die preis-verfälschend, wettbewerbsmindernd und strukturkonservierend wirken

Fazit:

Strukturpolitik in markt-wirtschaftlichem System (weitgehend) überflüssig

Strukturpolitik in marktwirtschaftlichem System begründbar und notwendig