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Berechnen von mechanisch beanspruchtenStrukturen an Beispielen geometrischeinfacher Bauteile und statisch bestimmterLastfa¨lleTRANSCRIPT
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5 Berechnen von mechanisch beanspruchtenStrukturen an Beispielen geometrischeinfacher Bauteile und statisch bestimmterLastfalle
5.1 Werkstoff- und verarbeitungsspezifische Probleme
Die mechanischen Eigenschaften, vorwiegend der thermoplastischen Polymerwerkstoffe,
hangen in sehr viel starkerem Maße als die der Metalle von der Temperatur, der Zeit und
der Hohe und Art der aufgepragten Beanspruchung ab. Ferner spielen manche Umweltein-
flusse, zum Beispiel UV-Strahlung oder bestimmte chemische Beanspruchung bei der eigen-
schaftsverandernden Alterung eine große, jedoch in einer Festigkeitsrechnung quantitativ
schwer erfaßbare Rolle.
Die Bedingungen bei der Verarbeitung und schlußendlich sogar die Vorgeschichte der
Schmelze im Formgebungsprozess nehmen Einfluß auf die Fertigteileigenschaften.
Da die Festigkeit von Polymerwerkstoffen etwa eine Zehnerpotenz unter der von Metallen
liegt, konnen Bauteile aus solchen Werkstoffen auch unter relativ niedriger Last hoch bean-
sprucht sein. Andererseits ist aus der Tatsache, daß der Elastizitatsmodul sogar um zwei Gro-
ßenordnungen differiert, zu schließen, daß ein Bauteil aus einem Polymerwerkstoff eher auf-
grund ubergroßer Verformung unbrauchbar wird als durch katastrophales Bruchversagen.
Das komplexe Verformungsverhalten wiederum laßt erwarten, daß eine exakte Verformungs-
rechnung nur noch mit Rechnerunterstutzung zu losen sein wird, und einen hohen Aufwand
zur experimentellen Idendifikation der Materialkennwerte erfordert.
Dieser Aufwand ist jedoch bei den wenigsten Konstruktionsaufgaben gerechtfertigt; es ge-
hort auch nicht zu den Aufgaben des Konstrukteurs, Bauelemente mit Hilfe von FEM zu
optimieren, sondern dies ist der Arbeitsbereich eines Berechnungsingenieurs. Der Konstruk-
teur muß seine Berechnungen mit vertretbaren Vereinfachungen durchfuhren [5.2].
Hierzu ist die Kenntnis einiger polymerspezifischer Eigenschaften erforderlich:
5.1.1 Verformungsverhalten unter uniaxialer, zugigerZugbeanspruchung
Bei der Verformung von Polymerwerkstoffen unter der Einwirkung einer außeren Kraft un-
terscheidet man drei Verformungsanteile, die sich z.T. uberlagern, dabei jedoch in bestimm-
ten Verformungsbereichen uberwiegen (s.a. Abschn. 4.1).
Die linear elastische, spontan reversible Verformung ist bei den meisten Polymerwerkstoffen
auf einen Gesamtdehnungsbereich von weniger als ein Promille beschrankt. Damit endet der
Hookesche Bereich – also die Gultigkeit der Elastizitatsgesetze – bei Dehnungen, die ubli-
cherweise weit uberschritten werden. Bei vielen unverstarkten Thermoplasten ist ein Hoo-
kescher Bereich im Spannungs-Dehnungs-Versuch uberhaupt nicht nachweisbar. Anders ver-
halt es sich bei den faserverstarkten Thermoplasten. Abhangig vom Fasergehalt reicht der
lineare Bereich nahe bis zu etwa 1% Dehnung.
184 5 Berechnen von mechanisch beanspruchten Strukturen
Mit zunehmender Dehnung treten viskoelastische Deformationsprozesse in Erscheinung.
Vom linear viskoelastischen Bereich spricht man, wenn die Gesetze der linearen Viskoela-
stizitat gelten. Dieser Bereich ist dadurch gekennzeichnet, daß zwei Dehnungen e1 und e2addiert werden durfen, wenn die zugeordneten Spannungen r1 und r2 uberlagert werden
(Boltzmannsches Superpositionsgesetz).
r1 ) e1r2 ) e2r1 þ r2 ¼ e1 þ e2
ð5:1Þ
Im isochronen Spannungs-Dehnungs-Diagramm wird dieser Bereich durch das Ende des ge-
radlinig verlaufenden Anstiegs der Isochronen markiert. Auch dieser Bereich endet fur die
meisten unverstarkten Polymerwerkstoffe bei Spannungen, die 0,5 bis allenfalls 1% Deh-
nung verursachen. Bei weiterer Dehnungszunahme hangt das Verhaltnis von Spannung zu
Dehnung nicht mehr nur von der Zeit (und naturlich von der Temperatur) ab, sondern
von der angelegten Spannung selbst; die Deformationsprozesse werden zunehmend nicht-
linear, auch irreversibel viskos.
Diese makroskopisch feststellbaren Verformungserscheinungen sind durch die im Werkstoff
ablaufenden molekularen Verformungs- und Schadigungsmechanismen charakterisiert (s.a.
Abschn. 4).
In der ublichen Konstruktionspraxis werden die thermoplastischen Polymerwerkstoffe meist
bis in den nicht linearen Bereich hinein beansprucht, so daß eine Rechnung nach den Ge-
setzen der Elastizitatstheorie von dem tatsachlichen Verhalten mehr oder weniger abweichen-
de Ergebnisse liefern muß. Solange die Beanspruchungen wenigstens in der Nahe des linear
viskoelastischen Bereichs bleiben, wird jedoch mit den Formeln der Elastizitatstheorie eine
hinreichende Genauigkeit der Rechnung erzielt, und es ist deshalb deren Anwendung durch-
aus vertretbar und aus wirtschaftlichen Grunden sogar geboten.
Ferner wird die Berechnung von Bauteilen aus Polymerwerkstoffen auch dadurch erschwert
und verunsichert, daß die Voraussetzung des homogenen, isotropen Kontinuums nicht erfullt
ist.
Hier sind vor allem die Anisotropiearten zu berucksichtigen, deren Ursachen entweder im
Werkstoff selbst liegen (zum Beispiel Verstarkung durch eindimensionale Fasern) oder durch
Verarbeitungs- oder Bearbeitungsvorgange begrundet sind. Dazu zahlen z.B. die durch die
Formgebung erzwungenen Orientierungen und Eigenspannungen (s.a. Kap. 2 und Kap. 7).
Eigenspannungen sind Spannungszustande, die im Gegensatz zu Orientierungsspannungen
auch im energieelastischen Bereich relaxieren oder eine Deformation verursachen konnen.
Die Ursache solcher Eigenspannungen sind Schwindungsbehinderungen in makroskopischen
Bereichen. Man unterscheidet zwischen Abkuhleigenspannungen als Folge unterschiedlicher
Abkuhlung uber dem Formteilquerschnitt, Nachdruckeigenspannungen als Folge des bei
schon erstarrter Außenkontur im Innern noch wirkenden Nachdrucks beim Spritzgießprozeß
und Einbettungseigenspannungen als Folge einer formbedingten Schwindungsbehinderung
beispielsweise durch metallische Einlegeteile oder durch werkzeugbedingten Formzwang.
Ferner kennt man sog. Eigenspannungen zweiter Art. Darunter versteht man einerseits struk-
turbedingte Eigenspannungen, die durch Hartungsreaktionen (bei Duroplasten) oder Kristal-
lisation (bei teilkristallinen Thermoplasten) entstehen konnen, und andererseits Einbettungs-
eigenspannungen, die durch Einlagerungen (zum Beispiel Fullstoffe) hervorgerufen werden
konnen. Die zuerst genannte Art kann sich durchaus stark bemerkbar machen.
5.2 Festigkeitsnachweis 185
Abkuhleigenspannungen fuhren zu Druckspannungen an der Formteiloberflache. Diese
Druckeigenspannungen wirken sich bei Zugbeanspruchung in der Außenzone (zum Beispiel
bei Biegung) positiv aus. Dagegen bewirkt der Nachdruck im Formteilinnern Druckeigen-
spannungen und an der Außenzone Zugeigenspannungen. Diese uberlagern sich den Abkuhl-
eigenspannungen, so daß bei entsprechend hohem Nachdruck schließlich auch Zugeigen-
spannungen an der Formteiloberflache vorliegen konnen.
Diese quantitativ ebenfalls schwer zu beschreibenden Zustande sind ein weiterer Unsicher-
heitsfaktor fur eine Festigkeitsrechnung.
5.2 Festigkeitsnachweis
5.2.1 Grundsatzliches Vorgehen bei einer Festigkeitsbetrachtung
Das grundsatzliche Vorgehen zeigt Bild 5.1. Eine Spannungsanalyse gibt Aufschluß uber die
Hohe und Art der im betrachteten Querschnitt wirksamen Spannungen. Mehrachsige Span-
nungszustande werdenmit Hilfe geeigneter Versagenskriterien zu einer aquivalent wirkenden
einachsigen Vergleichsspannung transformiert und mit dem zulassigen Spannungswert ver-
glichen. Dieser wird aus einem Werkstoffkennwert gewonnen, der um den notigen Sicher-
heitsbeiwert und die eventuellen Abminderungsfaktoren reduziert wird.
Werkstoff-
kennwert K
Sicherheits-
beiwert S
Abminderungs-
faktor A
Form und Größe
des Querschnitts
Im Querschnittvorhandene
Hauptspannungen
Belastung imbetrachtetenQuerschnitt
Vergleichsspannung aus
Versagenskriterium σv
Zulässige Spannung
σzul = K / S.A
Festigkeitsbedingung
σσ zulv
Bild 5.1 Vorgehen bei einer Festigkeitsbetrachtung [5.1]
186 5 Berechnen von mechanisch beanspruchten Strukturen
Die Grundgleichung fur einen Festigkeitsnachweis laßt sich demnach schreiben als
rv max � rzul ¼K
S � A ð5:2Þ
Darin sind
rv max ¼ maximal auftretender Spannungswert
K ¼ Festigkeitswert, gegen den dimensioniert werden soll (Dimensionierungskenn-
wert)
S ¼ Sicherheitsbeiwert
A ¼ Werkstoffabminderungsfaktor
5.2.1.1 Dimensionierungskennwerte
In Bild 5.2 sind die wichtigsten Versagenskennwerte zusammengestellt.
Fur Werkstoffe mit weitgehend sprodem Trennbruch, Bild 5.2 a (entspricht Typ A in Tabelle
4.1) oder mit ausgepragter Streckgrenze, Bild 5.2 b (entspricht Typ B, C in Tabelle 4.1) ist ein
Versagenskennwert eindeutig zu kennzeichnen. Schwieriger wird die Festlegung, wenn der-
art markante Punkte im Kraft-Verformungs-Verhalten fehlen, wie das bei vielen Thermopla-
sten insbesondere bei hoheren Temperaturen der Fall ist. Als Kennwert wird dann eine Span-
nung vorgeschlagen, die eine Deformation verursacht, deren nicht linearer Anteil einen be-
stimmten Betrag (bewahrt hat sich 0,5%) ausmacht, Bild 5.2 c (entspricht Typ D in Tabelle
4.1). Bei amorphen (transparenten) Polymerwerkstoffen bilden sich beim Uberschreiten einer
Schadensspannung Fließzonen. Diese Fließzonen (crazes, s.a. Bild 4.2) sind in ihrem An-
fangsstadium zwar noch lastubertragungsfahig, bilden sich aber imVerlauf weiterer Dehnung
zu makroskopischen Rissen aus. Auch diese Schadensspannung kann als Versagenskennwert
herangezogen werden, Bild 5.2 d.
Bei statischer Langzeitbeanspruchung wird die Zeitstandfestigkeit als Versagenskennwert
gewahlt, Bild 5.3 a, oder gemaß Abschn. 4.2.1 der r*-Wert.
Unter dynamischer Beanspruchung wird sinngemaß der Versagenskennwert aus der Woh-
lerkurve beziehungsweise aus dem Smith-Diagramm gewonnen, Bild 5.3 b und c. Oder
es wird gemaß Abschn. 4.4.1 ein Grenzwert, wie er Tabelle 4.3 zu entnehmen ist, bzw.
ein lastspielabhangiger Steifigkeitswert (Bild 4.20) eingefuhrt. Selbstverstandlich muß bei
der Festlegung der Versagenskennwerte die starke Temperaturabhangigkeit der Thermoplaste
Bild 5.2 Ubliche Dimensionierungskennwerte fur kurzzeitige Beanspruchung [5.1]
5.2 Festigkeitsnachweis 187
berucksichtigt werden, wobei die Temperatur als Fremdeinwirkung oder als Folge von Ei-
genwarmung aufgrund von Reibung oder Dampfung in Erscheinung treten kann. Dieser Um-
stand wirft bei der Ermittlung und Anwendung von dynamischen Versagenskennwerten Pro-
bleme auf.
In manchen Fallen – so z.B. bei Schnappverbindungen – ist eine dehnungsbezogene Dimen-
sionierung angebrachter als eine spannungsbezogene. Es wird dann gegen eine Grenzdeh-
nung dimensioniert, die nicht uberschritten werden darf. Bei dieser Vorgehensweise ist zu
beachten, daß bei nicht linearem Verformungsverhalten ein Unterschied besteht, ob man bei-
spielsweise 80% unter der Streckdehnung bleibt oder 80% unter der Streckspannung. Es
ergeben sich dann namlich verschiedene Werte, wie Bild 5.4 verdeutlicht:
In [4.18] ist ein Vorschlag nach Oberbach zur Ermittlung von zulassigen Spannungswerten
nach Art eines Nomogrammes gemacht. Hierbei wird ebenfalls nach Art der Beanspruchung
Bild 5.3 Ubliche Dimensionierungskennwerte fur langzeitige Beanspruchung
Bild 5.4 Ein prozentualer Sicherheitsabstandergibt bei dehnungsbezogener Betrachtungeinen anderen zulassigen Wert als bei span-nungsbezogener Betrachtung
188 5 Berechnen von mechanisch beanspruchten Strukturen
in kurzzeitige, langzeitige und dynamische Beanspruchung unterschieden, wobei bei kurz-
zeitiger Beanspruchung in einmalige und mehrmalige Beanspruchung unterteilt wird. Ferner
wird differenziert zwischen duktilen teilkristallinen, sproden amorphen und glasfaserver-
starkten Thermoplasten.
In Bild 5.5 wird das Vorgehen dargestellt:
Die Art der Beanspruchung und die Werkstoffgruppe fuhren zu einem A-Faktor auf der rech-
ten Ordinate des linken Bildteils (im Beispiel: einmalig/GF-Thermoplast = 0,68). DurchMul-
tiplikation mit der Bruchspannung (im Beispiel rB = 144 MPa) erhalt man die Bemessungs-
spannung fur Raumtemperatur. Aus dem isothermen Spannungs-Dehnungs-Diagramm in der
rechten Bildhalfte, dessen Ordinate prozentual auf die Bruchspannung bei 23 �C bezogen
geteilt ist, laßt sich fur die so ermittelte Bemessungsspannung ein zulassiger Dehnungswert
ablesen (im Beispiel: ezul = 1,2%). Unter Konstanthalten dieses Dehnungswertes kann nun
fur jede andere Temperatur der A-Faktor als Schnittpunkt mit den verschiedenen Isothermen
ermittelt werden, der dann die Berechnung einer zulassigen Spannung fur die jeweilige Tem-
peratur ermoglicht. Dieselbe Vorgehensweise ist fur den Zeiteinfluß bei isochroner Span-
nungs-Dehnungs-Darstellung moglich.
5.2.1.2 Sicherheitsbeiwerte
Wie hoch die Sicherheitsbeiwerte zu wahlen sind, richtet sich zum einen nach den verschie-
denen Unsicherheiten, die sich bei der Rechnung und bei der Ermittlung der Werkstoffkenn-
werte ergeben. Solche Unsicherheiten entstehen beispielsweise oft bereits bei der Lastannah-
me, ferner durch Vereinfachungen hinsichtlich Geometrie, Spannungsermittlung oder Verar-
beitungs-Vorgeschichte.
Zum anderen richtet sich die Hohe der Sicherheitsbeiwerte nach der Schwere des Schadens,
der beim Bauteilversagen eintreten wurde, sowie nach dem jeweiligen Versagenskennwert,
Bild 5.5 Abschatzung zu-lassiger Spannungen undDehnungen am Beispiel einesPBT-GF (30 Gew.-%) nachOberbach
5.2 Festigkeitsnachweis 189
gegen den gerechnet wird. Deswegen werden bei tragenden Bauteilen Mindestsicherheiten
auch behordlich vorgeschrieben.
Fur die zuerst genannten Sicherheitsbeiwerte zeichnet der Konstrukteur verantwortlich; er
muß die vorgenommenen Vereinfachungen und nicht quantifizierbaren Verarbeitungseinflus-
se abschatzen und nach ihrer Bedeutung beurteilen. Fur die zweite Gattung gelten folgende
Richtwerte, sofern sie nicht anders vorgeschrieben oder vereinbart sind:
Smin � 2 bei Berechnung gegen Bruch
Smin � 3 bei Berechnung gegen Knicken und Beulen
Smin � 1,2 bei Berechnung gegen Schadensspannung durch Rißbildung, mit der zusatzlichen
Bedingung Smin � 2 gegen Festigkeit
Smin = 1,0 bei Berechnung gegen S0,5%, mit der zusatzlichen Bedingung Smin � 2 gegen
Festigkeit
5.2.1.3 Abminderungsfaktoren
Weitere Unsicherheiten, die auf das Fehlen von Werkstoffkennwerten unter besonderen Be-
dingungen zuruckzufuhren sind, sollten nicht in die Sicherheitsfaktoren einbezogen werden,
sondern, um das Prinzip des Festigkeitsnachweises nicht zu verwischen, als sogenannte Ab-
minderungsfaktoren berucksichtigt werden. Diese werkstoffspezifischen Abminderungsfak-
toren haben Werte großer eins.
rzul ¼K
S#
1
AT
� 1
Ast
� 1
Adyn
� 1
AA
� 1
AW|fflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl{zfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflfflffl} . . .nicht werkstoffspezifisch
werkstoffspezifisch
ð5:3Þ
AT berucksichtigt den Temperatureinfluß auf die Streckspannung beziehungsweise die Zug-
festigkeit und kann zwischen 0 �C und �C nach folgender Beziehung ermittelt werden, wenn
in Gl. (5.2) K bei 20 �C eingefuhrt wird:
AT ¼ 1
1� ½kðT� 20Þ� ð5:4Þ
Dabei ist k fur:
PA66 = 0,0112
PA6 = 0,0125
PBT = 0,0095
PA-GF und PBT-GF = 0,0071
POM = 0,0082
ABS = 0,0117
Diese Werte wurden aus einer linearen Interpolation des Verlaufs der Festigkeit beziehungs-
weise der Streckgrenze im Temperaturbereich zwischen 0 und 100 �C gewonnen. Selbstver-
standlich ist es vernunftiger, direkt gegen den Versagenskennwert bei der jeweiligen Tem-
peratur zu bemessen, da diese Werte großtenteils verfugbar sind. Andererseits kann Gl. (5.4)
auch zum groben Abschatzen des Temperatureinflusses bei anderen mechanischen Kennwer-
ten herangezogen werden, fur die keine gemessenen Temperaturwerte vorliegen.
190 5 Berechnen von mechanisch beanspruchten Strukturen
Ast berucksichtigt die Zeitdauer der statischen Belastung und kann eingesetzt werden mit
1,3 bei einer Belastungsdauer von wenigen Stunden,
1,6 bei einer Belastungsdauer von Wochen,
1,7 bei einer Belastungsdauer von Monaten,
2 bei einer Belastungsdauer von einigen Jahren.
Adyn berucksichtigt den Einfluß dynamischer Belastung und kann etwa als 1,3 bis 1,6 ange-
nommen werden.
Durch AA kann ein eventueller Alterungseinfluß abgedeckt werden (s. Abschn. 4.6.3).
Werkstoffkennwerte, die eine Anderung infolge Wasseraufnahme erfahren, mussen durch
den Abminderungsfaktor AW reduziert werden. Dieser kann fur unverstarkte Polyamide, aus-
gehend vom trockenen Festigkeitskennwert, aus
AW ¼ 1
1� 0; 22fð5:5Þ
gewonnen werden, worin f den Feuchtegehalt in Gewichtsprozent bei uber dem Querschnitt
gleichmaßiger Verteilung darstellt, und zwar innerhalb der Grenzen 0%< f< 3%. Oberhalb
eines Feuchtegehalts von 3 Gewichtsprozent wird AW = 3,4 ebenfalls ausgehend vom tro-
ckenen Festigkeitskennwert.
Unter besonderen Bedingungen kann es sein, daß weitere Abminderungsfaktoren berucksich-
tigt werden mussen.
In jedem Falle soll dieses differenzierte Vorgehen den Konstrukteur veranlassen, ubermogliche festigkeitsmindernde Einflusse eingehend nachzudenken.
5.2.2 Einachsiger Spannungszustand
Die allgemein bekannte Spannungsgleichung fur einachsige Zugbeanspruchung mit homo-
gener Spannungsverteilung lautet:
r ¼ F
Að5:6Þ
Ein weiterer einachsiger jedoch inhomogener Spannungszustand liegt im Falle der reinen
Biegung vor, z.B. wenn ein Balken an seinen Enden durch Biegemomente belastet wird.
Bei Biegebelastung aufgrund von Querkraften treten zusatzlich uber dem Stabquerschnitt
inhomogen verteilte Schubspannungen auf. Diese aus der Querkraftbiegung herruhrenden
Schubspannungen konnen jedoch vernachlassigt werden, wenn l/h � 1 ist. Somit kann
der Belastungsfall der reinen Biegung auch bei der Auslegung von Biegefedern oder von
sogenannten federnden Haken (Schnappverbindungen) zugrunde gelegt werden, sofern
sie der Bedingung l/h � 1 genugen. Diese Bauteile werden im praktischen Anwendungsfall
ebenfalls haufig weit uber den linear viskoelastischen Bereich hinaus beansprucht. Es hat sich
aber bewahrt, auch dann noch die Gleichung fur den elastischen Fall zu verwenden und damit
eine fiktive Randfaserspannung zu bestimmen. Die so berechneten Werte sind großer als die
wirklichen Spannungen.
5.2 Festigkeitsnachweis 191
5.2.2.1 Beispiel des dunnwandigen Rohres unter Innendruck
Bauteile mit diesem einfachen, einachsigen Spannungszustand sind allerdings außerst selten.
Ein Beispiel ist das dunnwandige Rohr unter Innendruck, wenn nur die mittlere Tangential-
spannung betrachtet wird. Dieser Beanspruchungsfall laßt sich etwa auf eine dunnwandige
Nabe ubertragen, die auf einen Metallbolzen gepreßt wird. Im Fall des innendruckbelasteten
Rohres bleibt bei gleichbleibendem Druck die Spannung konstant, und die zulassige Span-
nung gegen Bruchversagen erhalt man aus
rzul ¼rBðT; tÞS � A
ð5:7Þ
wobei rB fur das Berstversagen aus dem r-e-Diagramm oder fur Zeitstandversagen aus dem
Zeitstandschaubild entnommen wird.
In Tabelle 5.1 sind einige Ergebnisse von Berstversuchen an dunnwandigen Rohren zusam-
mengestellt und die nach der sog. Kesselformel
rt ¼ pr
sð5:8Þ
errechnete Tangentialspannung der im Zugversuch gemessenen Zugfestigkeit gegenuberge-
stellt.
Fur diesen einfachen Spannungszustand kann man eine sehr gute Ubereinstimmung von Re-
chen- und Versuchswert feststellen.
Tabelle 5.1 Vergleich von Rechen- und Meßwerten des Berstversagens dunnwandiger Rohre
Werkstoff Wanddickes
[mm]
Mittl.Radius rm
[mm]
Berstdruckp
[bar]
BerechneteBerst-Span-nung im Rohrrt [MPa]
ZugfestigkeitrB
[MPa]
PE-HD(5261 Z)
1,5 5,0 85 28,3 28
PE-HD(5261 Z)
1,0 4,5 64 28,8 28
PE-HD(5261 Z)
0,75 4,25 50 28,3 28
PVC 0,75 5,25 91 63,7 58
PVC 0,75 5,25 89 62,3 58
PMMA(G 55)
0,75 6,25 72 60,0 62
PMMA(G 55)
0,75 4,75 96 60,8 62
192 5 Berechnen von mechanisch beanspruchten Strukturen
Beispiel
Wie hoch ist der Berstdruck eines Rohres aus POM-GF20 bei RT mits ¼ 1,5 mmrm ¼ 5,0 mmund wie groß ist dabei etwa die Durchmesservergroßerung?Aus CAMPUS 4.5, (Singlepoint, Ticona, fur Hostaform C 9221 GV1/20):rB¼ 105 MPaeB ¼ 2,5 %
p ¼ rB � srm
¼ 105 � 1; 55
¼ 31; 5 N=mm2 ¼ 315 bar
Dd ¼ d � e ¼ 5 � 2; 5100
¼ 0; 125 mm
Das Rohr geht bei einem Druck von ca. 315 bar zu Bruch; die Durchmesservergro-ßerung betragt ca. 0,13 mm
5.2.3 Mehrachsiger Spannungszustand
Die meisten technischen Bauteile werden aufgrund der an ihnen angreifenden außeren Lasten
durch einen mehrachsigen Spannungszustand beansprucht. Ob dieser Spannungszustand
dann zu einem Versagen fuhrt, wird mit Hilfe eines geeigneten Versagenskriteriums beurteilt.
Mit diesen mathematischen Formulierungen aller moglichen zum Versagen fuhrenden Span-
nungszustande wird ein mehrachsiger Spannungszustand auf einen fiktiven einachsigen Ver-
gleichskennwert zuruckgerechnet, der den Werkstoff in vergleichbarer Weise beansprucht
oder zum Versagen veranlaßt wie der tatsachliche mehrachsige Spannungszustand.
In der Regel ist dieser einachsige Vergleichskennwert der Zugversagenskennwert.
Versagenskriterien konnen sowohl aufgrund einer physikalischen Modellvorstellung zum
Versagensgeschehen als auch empirisch heuristisch aus mathematischen Ansatzen entwickelt
werden.
Da der meßtechnische Aufwand zur experimentellen Verifizierung jedoch beachtlich ist, lie-
gen noch wenig gesicherte Ergebnisse vor, die eine zuverlassige Dimensionierung mehrach-
sig beanspruchter Strukturen zulassen.
Eine Ubersicht uber die derzeitig bekannten Kriterien enthalt [5.3, 5.4].
5.2.3.1 Versagenskriterien
Die bekannten klassischen Versagenskriterien beschreiben das Verhalten der Polymerwerk-
stoffe nicht ausreichend. Trotzdem zeigen die im Abschnitt 5.2.3.2 diskutierten Scherversu-
che, daß zum Beispiel die Spannungszustande der reinen Scherung offensichtlich ausrei-
chend genau durch das mathematisch einfache Schubspannungskriterium nach Tresca
rv ¼ r1 � r3 ð5:9Þ