abhidhamma - die buddhistische philosophie, psychologie und erfahrungslehre

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Abhidhamma - Die buddhistische Philosophie, Psychologie und Erfahrungslehre

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  • ABHIDHAMMA

    Die Buddhistische Philosophie,

    Psychologie und

    Erfahrungslehre

    Agganyani

  • Freie bersetzung des Artikels "Abhidhamma, Southern", "Relations in

    Buddhism" (Pahna) und einiger Kurzbeitrge, Ven. Agganyani,

    Encylopedia of Sciences and Religions, Springer-Verlag, 2013.

    Springer: "The final English publication is available at

    http://link.springer.com/referencework/10.1007/978-1-4020-8265-8"

    http://www.verein.abhidhamma.de

    http://www.abhidhamma.de

    http://www.abhidhamma.com

    2014 Copyright Agganyani

  • ABHIDHAMMA

    Die Buddhistische Philosophie, Psychologie

    und Erfahrungslehre

    Agganyani

    Inhaltsverzeichnis

    ABHIDHAMMA - Die Buddhistische Philosophie,

    Psychologie und Erfahrungslehre 3

    Die 7 Bcher des Abhidhamma-Piaka 4

    Selbstverstndnis des Abhidhamma im Verhltnis zu

    Wissenschaft und Religion 5

    Authentizitt des Abhidhamma und Legende 7

    Ethische Prinzipien 11

    Schlsselwerte des Abhidhamma 11

    Abhidhamma und einige wichtige Konzepte 13

    Natur/Welt 13

    Menschliches Wesen 13

    Leben und Tod 14

    Wirklichkeit 16

    Wissen/Weisheit 18

    Wahrheit 19

  • 2

    Wahrnehmung 21

    Zeit 22

    Bewusstsein 23

    Rationalitt/Vernunft 26

    Mystik 27

    Nibbna, das Ziel 27

    PAHNA - Bedingungszusammenhnge 29

    Die 24 Bedingungen 33

    Gruppenarbeit 35

    Struktur des Pahna 37

    Pahna-Chanting 40

    Praxis 40

    Referenzen 41

    GLOSSAR einiger wichtiger Begriffe 44

    Vipassan 45

    Anicca - Unbestndigkeit 48

    Dukkha - Leiden, Unzulnglichkeit 49

    Anatta - Nicht-Selbst 52

    Kamma/Karma 53

    Definition der vier paramattha-dhammas: 54

    citta, cetasika, rpa, Nibbna

    Anmerkung: Zahlen in eckigen Klammern innerhalb des Texts verweisen auf die

    entsprechenden Referenzen.

    So verweist z.B. [9] auf den Visuddhimagga und unter 9. werden die verschie-

    denen bersetzungen, Verlage und Bezugsquellen genannt.

  • 3

    ABHIDHAMMA

    Die Buddhistische Philosophie, Psychologie

    und Erfahrungslehre

    Abhidhamma (Pi) [1, 2] ist der dritte Teil oder Korb (piaka) des

    Tipiaka oder Pikanon, der Grundlage des Theravda-Buddhismus.

    hnliche, leicht unterschiedliche Arten von Abhidharma (Sanskrit)

    gehren den Mahyna-Traditionen an oder auch den Hinayna-

    Schulen, die bereits verschwunden sind. "Abhi - dhamma" bedeutet

    wrtlich die hhere oder spezielle Lehre (des Buddha). Es ist eine

    riesige Sammlung von systematisch angeordneten, tabellarisierten

    und wissenschaftlich klassifizierten Lehrinhalten des Buddha, die den

    Kern seiner Lehre darstellen, der zeitlos ist und unabhngig von

    Kultur, Rasse und Geschlecht. Abhidhamma ist die Buddhistische

    Philosophie, die die Wirklichkeit und Wahrheit vollstndig

    beschreibt. Abhidhamma ist auch die Buddhistische Psychologie, die

    insbesondere geistige Phnomene behandelt und im Detail erklrt,

    wie der Geist arbeitet und wie er befreit werden kann.

    In den Lehrreden (sutta) nimmt der Buddha Rcksicht auf das

    intellektuelle Niveau seiner Zuhrer, ihre Entwicklung der Vollkom-

    menheiten (pram), ihre Erreichungen und ihre spezielle Situation.

    Deshalb lehrte der Buddha den Dhamma in konventionellen

    Begriffen und relativen Konzepten (paatti) und spricht von

    Personen und Objekten als Ich, er, sie, Mann, Frau, Kuh, Baum, usw.

    Im Abhidhamma macht der Buddha jedoch keine solchen Zuge-

    stndnisse sondern behandelt den Dhamma ganz in Begriffen der

    letztendlichen Wirklichkeit (paramattha). Alle Phnomene werden in

    ihre letztendlichen Bestandteile (dhamma) zerlegt und analysiert, die

    przise definiert, klassifiziert und systematisch angeordnet werden.

    Dann werden die Gesetze des Zusammenspiels dieser dhammas

    gelehrt, ihre Synthese - ein Netz von Konditionalitt.

  • 4

    Die sieben Bcher des Abhidhamma-Piaka

    Der Abhidhamma-Piaka [3] besteht aus sieben Bchern:

    1. Dhammasaga "Aufzhlung der dhammas" oder

    "Buddhistisch-Psychologische Ethik". Beschreibung der

    grundlegenden, letztendlichen geistigen und physischen

    Phnomene, die die menschliche Erfahrung ausmachen.

    2. Vibhaga "Das Buch der Analyse". Darlegung der Analyse

    der Dhammasaga in der Art eines Katechismus mit vielen

    Referenzen zu den Sutten.

    3. Dhtukath "Rede ber die Elemente". Besprechung der

    achtzehn Elemente oder Faktoren der psychophysischen

    Vorgnge in Frage und Antwort. Im Wesentlichen wie

    Dhammasaga und Vibhaga.

    4. Puggalapaatti "Buch der Charaktere'. Beschreibung der

    Individuen je nach ihren hervorstechenden Charakterzgen.

    Durch die Unterscheidung knnen individuell geeignete

    Belehrungen und Meditationsobjekte gegeben werden.

    5. Kathvatthu "Kontroverse Punkte". Besprechungen ber

    streitige Punkte der Lehre und ber die Irrlehren der im

    zweiten Jahrhundert nach Buddha bestehenden 17 Sekten in

    Form von Fragen und orthodoxen Antworten (im 3. Jht.

    v.Chr. von Moggaliputta Tissa verfasst).

    6. Yamaka "Das Buch der Paare". Abhidhamma-Fragen und

    Antworten in Umkehrung und Negation zum tiefen, logi-

    schen Verstndnis. Insgesamt zehn Bcher.

    7. Pahna das Buch der Bedingungen oder "Bedingungs-

    zusammenhnge". Erklrung der 24 Krfte, die zwischen

    Ursache und Wirkung herrschen. Dies ist die groe Synthese,

    in der die dhammas, die in der Dhammasanga analysiert

    wurden, in Beziehung gesetzt werden und die Gesetze ihrer

    Interaktion beschrieben werden.

  • 5

    Selbstverstndnis des Abhidhamma im Verhltnis zu

    Wissenschaft und Religion

    Der Abhidhamma, der sich als sehr abstrakt, tiefgrndig, logisch und

    wissenschaftlich darstellt, sollte nicht als nur Theorie und reine

    Scholastik angesehen oder abgetan werden. Der Abhidhamma stellt

    das empirische Wissen des Buddha dar, das er durch seine volle

    Erleuchtung erlangt hat. Er beschreibt die ganze Bandbreite von

    Erkenntnis, Einsicht und menschlicher Erfahrung mit allem und

    jedem. Abhidhamma zu studieren kann mit dem Studium einer

    Landkarte verglichen werden; aber die Landkarte muss genutzt

    werden, man muss wirklich losgehen, fahren oder reisen um sein

    Ziel zu erreichen. Der Abhidhamma alleine ist nur abstrakte Wissen-

    schaft - er muss im tglichen Leben und in der Meditation ange-

    wandt werden.

    Abhidhamma ist zu einem gewissen Grad Religion, an die man

    glauben oder der man vertrauen muss, solange man ihn nicht selbst

    erfahren hat. Aber je mehr man durch die eigene Erfahrung mit

    klarem, geschrftem Geist und speziell in der Vipassan-Meditation

    belegen kann, desto mehr Vertrauen (saddh) wird im Geist ent-

    stehen. Der Buddha selbst sprach von seiner Lehre nicht als Religion

    und ermutigte und mahnte, nur das zu akzeptieren und zu glauben,

    was sich praktisch als heilsam und frderlich fr die Befreiung

    erweist. Die Menschen machten aus dem Dhamma eine Religion,

    "Buddhismus" genannt. Der Buddhismus insbesondere der Abhi-

    dhamma hat nichts mit einem Schpfergott zu tun oder einem

    Gott, der fr unser Leben und Schicksal verantwortlich ist. Im

    Gegenteil, der Abhidhamma erklrt Leben, Tod, Wiedergeburt,

    kamma und seine Wirkung und die ganze Kausalitt und

    Konditionalitt. Deshalb kann er als eine Lehre gesehen werden, die

    den Tod transzendiert und seinen Nachfolgern Sinn im Leben gibt,

    Richtlinien weist und Verstndnis hervorruft.

    Albert Einstein wird die Aussage zugeschrieben: "Die Religion der

    Zukunft wird eine kosmische Religion sein. Sie muss ber den

  • 6

    persnlichen Gott hinausgehen und Dogma und Theologie meiden.

    Sie sollte sich auf das Natrliche ebenso beziehen wie auf das

    Spirituelle und ein religises Empfinden zur Grundlage haben,

    welches aus der Erfahrung erwchst, dass alle Dinge der Natur und

    des Geistes eine sinnhaltige Einheit bilden. Der Buddhismus

    entspricht dieser Beschreibung. Wenn es eine Religion gibt, die dem

    modernen Wissenschaftsanspruch standzuhalten vermag, dann ist

    es der Buddhismus." 1

    Hchstwahrscheinlich ist Einstein nicht mit dem Abhidhamma in

    Kontakt gekommen, was eine wunderbare Ergnzung und Bereiche-

    rung gewesen wre.

    Andere Religionen mssen akzeptiert werden, weil sie Gott-gegeben

    sind oder ein himmlischer Botschafter oder Prophet sie verkndet

    hat und den Glauben einfordert. Dagegen sind Buddhismus und

    Abhidhamma nur dann zu akzeptieren und zu praktizieren, wenn sie

    durch eigenes Testen erwiesenermaen zu heilsamen Zustnden,

    mehr Glck, Ruhe, Klarheit, Geistesfrieden und Freiheit fhren.2 Man

    befolgt sie entsprechend seinem eigenen Level von Einsicht und

    Verstndnis.

    Whrend Traditionen und religise Lehren, einschlielich der

    meisten Lehrreden (sutta) des Buddha, praktische Anleitungen und

    Erklrungen an ganz konkrete Personen oder Personengruppen in

    verschiedenen, unterschiedlichen Situationen, Kulturen und Zeit-

    altern geben, die vielleicht in unserer heutigen modernen Zeit und

    ihrer Problematik nicht mehr zutreffend oder geeignet sind, liefert

    der Abhidhamma mit seinen letztendlichen Wirklichkeiten (dhamma)

    ein vollstndiges, abstraktes Bild, so dass wir unsere eigenen

    1 Zitat, das Einstein zugeschrieben wird auf Englisch:

    http://www.spaceandmotion.com/Albert-Einstein-Quotes.htm, referring to Albert

    Einstein, The Human Side, edited by Helen Dukas and Banesh Hoffman, Princeton

    University Press, 1954; Deutsch:

    http://de.wikibooks.org/wiki/Religionskritik:_Alternativen und

    http://www.quotez.net/german/albert_einstein.htm 2 Essenz des bekannten Klma-Sutta, Aguttara-Nikya, A III. 66

  • 7

    Antworten fr ein ethisches und heilsames Leben finden knnen, fr

    geistige Entwicklung, um die Welt zu verstehen und die Dinge so zu

    sehen, wie sie wirklich sind.

    Allen anderen Religionen und gewhnlichen Philosophien liegt auf

    die eine oder andere Weise die Annahme einer Seele, eines Ichs

    oder eines Selbstes (atta) zugrunde und sie folgen dem Persn-

    lichkeitsglauben (sakkya-dihi), der entweder mit der Ansicht ber

    Ewigkeit (sassata-dihi) oder Vernichtung (uccheda-dihi) verbun-

    den ist. Dagegen lehrte der Buddha Nicht-Selbst (anatta), Nicht-Ich,

    Seelenlosigkeit, d.h. die Abwesenheit einer bestndigen Seele, und

    Abhidhamma kann als riesiges Kompendium von anatta angesehen

    werden.

    Abhidhamma, der die Dinge und Phnomene gem der Erfahrung

    des vollkommen erleuchteten Buddha erklrt, bedarf keines

    wissenschaftlichen Beweises, frchtet aber auch die Wissenschaft

    oder irgendwelche neuen Ergebnisse der Forschung nicht. Es kann

    niemals einen Widerspruch geben. Der Abhidhamma ermutigt

    wissenschaftliche Forschung und einige zeitgenssische Abhi-

    dhamma-Gelehrte und -Praktizierende sind an verwandten Wissen-

    schaften interessiert - wie Physik (insbesondere Quantenphysik, aber

    auch hin bis zur Astrophysik), Neurologie, Psychologie, modernen

    Arten der Psychotherapie und Forschung im Bereich von Meditation,

    psychosomatischen Krankheiten, der Arbeitsweise von Gehirn, Geist

    und Gedchtnis.

    Authentizitt des Abhidhamma und Legende

    Rund um den Abhidhamma, dessen Ursprung und Verkndung, gibt

    es zwei bemerkenswerte Aussagen oder Legenden in der

    Theravda-Tradition.

    In der Einleitung des 'Atthaslin'3, der 'Darlegung der Bedeutung'

    [8], heit es, dass der Buddha in der vierten Woche nach seiner 3 The Expositor, der Kommentar zur Dhammasaga, dem ersten Buch des

    Abhidhamma

  • 8

    Erleuchtung im 'Juwelen-Haus'4 im Nord-Westen sa und den

    Abhidhamma kontemplierte. Weiter: "Und whrend er die Inhalte

    der 'Dhammasaga' kontemplierte, sandte sein Krper keine

    Strahlen aus; und genauso bei der Kontemplation der weiteren fnf

    Bcher. Aber als er zum 'Groen Buch'5 kam und begann, die 24

    universellen Bedingungszusammenhnge der Voraussetzung, Ein-

    ordnung usw. zu kontemplieren, fand seine Allwissenheit darin ihren

    Ausdruck. Denn wie der groe Fisch Timiratipigala nur im groen

    Ozean mit 84.000 Yojanas Tiefe Platz findet, so findet seine

    Allwissenheit nur im Groen Buch Raum. Strahlen von sechserlei

    Farben - indigo, gold, rot, wei, hellbraun (orange) und schillernd -

    gingen vom Krper des Lehrers aus, als er den subtilen und

    tiefgrndigen Dhamma mit seiner Allwissenheit kontemplierte, die

    solch einen Ausdruck gefunden hatte (...)"

    Auch die viel spter6 entworfene buddhistische Flagge enthlt diese

    Farben.

    Nach dieser Aussage wre der Abhidhamma das erste der Piakas,

    das entstand, auch wenn er erst etwas spter gelehrt wurde (siehe

    unten), von der schriftlichen Fixierung ganz zu schweigen.

    4 Vom 'Juwelen-Haus' wird gesagt, es sei der Ort, an dem die sieben Bcher des

    Abhidhamma kontempliert worden sind.

    5 Mahppakaraa = Pahna (7. Abhidhamma-Buch) 6 Die Internationale Buddhistische Flagge wurde am Vesakh-Tag des Jahres 1885

    erstmals in Colombo verwendet. Entworfen wurde sie von buddhistischen Aktivisten

    des Colombo Committee unter Beratung von Olcott und sollte als ein Symbol fr

    die Wiederbelebung des Buddhismus in Ceylon (Sri Lanka) dienen. Heute ist die

    Flagge weltweit unter Buddhisten anerkannt, wobei es spezifische Formen gibt, wie

    die burmesische, die statt der orangen Farbe Rosa als fnfte Farbe verwendet. Als

    Inspiration dienten die sechs Farben, in denen die Aura des Buddha erstrahlte,

    nachdem dieser die Erleuchtung erlangt hatte. - Quelle (gekrzt):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Buddhistische_Flagge

  • 9

    Die Lehrreden des Sutta-Piaka entstanden in den 45 Jahren des

    Lebens nach der Erleuchtung des Buddha durch konkrete Situati-

    onen, in denen er lehrte, wobei sich naturgem viele seiner

    Belehrungen wiederholten bzw. hnelten.

    Das Vinaya-Piaka entstand erst sukzessive beginnend nach 20

    Jahren, als auch Nicht-Arahats und Nicht-Ariyas in den Orden

    aufgenommen wurden und dem Sagha angehrten. Durch deren

    konkrete Verfehlungen erlie der Buddha die Regeln des Vinaya

    nach und nach bis zu seinem Lebensende.

    Dann gibt es die Geschichte oder Legende, dass der Abhidhamma

    vom Buddha zum ersten mal im siebten Jahr nach seiner Erleuch-

    tung drei Monate lang den Gottheiten im Tvatis- Himmel

    gelehrt wurde, wo auch seine verstorbene Mutter wiedergeboren

    war und weilte. Der Ehrwrdige Sriputta, einer der Hauptschler

    und nach dem Buddha der zweite an Weisheit, hatte tglich eine

    kurze Zusammenfassung dieser Abhidhamma-Lehren vom Buddha

    selbst erhalten, als dieser sich nach seinem tglichen Almosenessen

    noch fr eine Weile in der Menschenwelt bei Sriputta aufhielt.

    Danach formulierte und arrangierte Sriputta das, was wir heute

    Abhidhamma nennen, und lehrte es an eine ausgewhlte Gruppe

    seiner Mnchs-Schler, die fhig waren es zu begreifen. Sriputta

    knnte also der wahre Autor gewesen sein, was zu dem Bild passt,

    was wir aus den Sutten von ihm haben: Eine uerst analytische

    Person mit klarem, scharfem Geist, die Exaktheit und Systematik

    liebt. Sriputtas hervorragendes Wissen und seine Art der Erklrung

    war vom Buddha selbst immer wieder gepriesen worden.

    Neuzeitliche Buddhologen, Linguisten und Historiker behaupten,

    dass der Abhidhamma ein spteres Werk sei. Traditionelle

    Buddhisten widersprechen dem und halten dagegen, dass

    zumindest die Kernlehre des Abhidhamma direkt auf den Buddha

    selbst zurckzufhren sei und sptere Umorganisation und Umfor-

    mulierungen, die in den Bchern zu finden sind, von unter-

    geordneter Bedeutung seien. Alle sechs Buddhistischen Konzile

    haben das Abhidhamma-Piaka berprft, akzeptiert und als

  • 10

    authentisch und korrekt besttigt7. Eine Ausnahme drfte das fnfte

    Abhidhamma-Buch, das Kathvatthu, sein, das erst im dritten Konzil

    unter Kaiser Asoka im Jahr 246 v.Chr. in das Piaka aufgenommen

    wurde. Aber selbst hier sagt die orthodoxe Tradition, dass der

    Buddha die Irrlehren und kontroversen Lehrpunkte der zuknftigen

    Hinayna- und Mahyna-Schulen bereits vorausgesehen und somit

    schon vorab gelehrt habe. [3]

    Darberhinaus ist der Abhidhamma mit dem Suttanta konsistent

    und widerspricht ihm nicht, sondern systematisiert und erklrt die

    vielfltigen, aber oft nur kurz angerissenen Inhalte der Sutten in

    groem Detail.

    Und zu guter Letzt erhlt der Abhidhamma seine natrliche

    Autoritt durch Generationen von Meditierenden, die ihn aus

    eigener Erfahrung besttigen und als wahr beweisen. Erfahrene

    Vipassan8-Meditierende mit geschrter Konzentration sind bis

    heute fhig, Geist und Krper bzw. Materie allgemein selbst zu

    analysieren und intuitive Einsichten in ihre Natur zu erlangen. Sie

    erkennen und "sehen" die flchtigen physikalischen und psychi-

    schen Phnomene, wie sie in Gruppen auftreten, entstehen und

    vergehen, und knnen selbst zumindest Teile derer Zusammen-

    hnge und Bedingtheiten erkennen und beobachten, eine

    Besttigung dessen, was der Buddha selbst realisiert und im

    Abhidhamma und Pahna niedergelegt hat. Dies geschieht auf den

    ersten beiden Erkenntnis-Stufen (Vipassan-a) von nmarpa-

    pariccheda-a und paccaya-parigaha-a, der unterscheidenden

    Erkenntnis von Geist und Materie sowie der Erkenntnis von den

    Ursachen und Bedingungen fr das Entstehen und Vergehen von

    Geist (nma) und Materie (rpa).

    7 Das erste buddhistische Konzil wurde drei Monate nach dem Tod des Buddha

    einberufen und nur voll Erleuchtete (Arahats) durften teilnehmen. Das letzte Konzil

    wurde 1954-56 in Rangoon, Myanmar, abgehalten, zu dem eine groe Anzahl bud-

    dhistischer Gelehrter verschiedener Lnder eingeladen war und teilgenommen hat.

    8 Einsichts-Meditation oder auch Klarblicks- oder Erkenntnis-Meditation.

  • 11

    Ethische Prinzipien

    Ethisches Verhalten, Moral und Sittlichkeit sind die Basis und

    Grundlage des Abhidhamma. Ohne einen ethischen Lebensstil als

    Grundlage ist kein Einsichtswissen, keine Erlangung oder Realisation

    mglich.

    Im Abhidhamma werden alle Phnomene (dhamma) nach ihren

    ethischen Qualitten klassifiziert, die zustzlich kammisch heilsam

    sein, d.h. in die richtige Richtung fhren mssen, nmlich zu

    Befreiung. Das traditionelle Klassifikationssystem des Bewusstseins

    (citta) unterscheidet deshalb zwischen heilsam (kusala), unheilsam

    (akusala) und sonstigen (abykata) Arten, d.h. resultierendem

    (vipka) oder rein funktionalem (kiriya) Bewusstsein. Die Geistes-

    faktoren (cetasika) werden nach heilsam bzw. schn (sobhana),

    unheilsam und kammisch variabel bzw. neutral unterschieden.

    Abhidhamma betont immer ihre Unterschiede, ihren Ursprung und

    ihre Auswirkung.

    Ohne unethische Menschen oder Verhaltensweisen zu tadeln, ohne

    "Dos und Don'ts", lehrt der Abhidhamma nur die abstrakten Fakten

    dieser heilsamen und unheilsamen krperlichen, sprachlichen und

    geistigen Handlungen. Jeder muss selbst entscheiden, welchem Pfad

    man folgt, dem ethischen oder unethischen, aber man sollte die

    Konsequenzen kennen nicht nur fr andere, sondern vor allem fr

    sich selbst. Wer den Abhidhamma wirklich versteht und durchdringt

    wird seinen Geist mit Sicherheit auf das Heilsame hin trainieren und

    ein ethisches Leben fhren.

    Schlsselwerte des Abhidhamma

    Grundlegende Werte im Buddhismus sind Ethik (sla), Konzentration

    (samdhi) und Weisheit (pa), die zusammen den edlen Acht-

    fachen Pfad (ariya ahagika magga) ausmachen, der zum Ende des

    Leidens fhrt.

  • 12

    Abhidhamma lehrt alle drei Werte systematisch und im letztend-

    lichen Sinn. Als Buddhistische Psychologie analysiert der Abhi-

    dhamma die verbundenen Geisteszustnde, die Bedingungen und

    Umstnde, die zu ihrer Entstehung fhren, oder im Fall der Ethik, die

    rechte Geisteshaltung und Motivation um sich ethisch zu verhalten.

    Einige Glieder des Edlen Achtfachen Pfades, wie Konzentration und

    Anstrengung, knnen sowohl heilsam als auch unheilsam sein. Der

    Abhidhamma liefert Kriterien zur Unterscheidung und Bestimmung,

    welche Art zu entwickeln und welche aufzugeben ist.

    Der Zweck der Mhen und der Entwicklung dieser Werte ist das

    letztliche Ziel der Befreiung, das Erlangen von Nibbna. Der Weg

    dorthin wird als ein schrittweiser Prozess durch Vertiefung von

    Einsicht und Wissen aufgezeigt, durch immer tieferes Durchdringen

  • 13

    der Wirklichkeiten, d.h. der Erfahrungen, und ihr Durchschauen und

    Verstehen als unbestndig (anicca), als leidvoll bzw. unzulnglich

    (dukkha), und als Nicht-Selbst und unkontrollierbar (anatta). Der

    Abhidhamma zielt besonders auf das Verstndnis von anatta ab.

    Abhidhamma und einige wichtige Konzepte

    Natur/Welt

    Abhidhamma vertritt eine realistische Ansicht. Die Welt besteht aus

    belebten und unbelebten Dingen. Nach dem Abhidhamma sind

    unbelebte Dinge, so wie Berge, Steine, Bume, Tische oder Autos,

    nur aus Materie aufgebaut, und zwar aus verschiedenen materiellen

    Qualitten oder physikalischen Phnomenen (rpa), die als Materie-

    Gruppen (rpa-kalpa) auftreten. Belebte Dinge bzw. Lebewesen

    bestehen aus Geist und Materie (nma-rpa). Diese verschiedenen

    geistigen und physikalischen Phnomene, die die Lebewesen und

    die Welt ausmachen, sowie ihre Entstehung und Beziehung zuei-

    nander werden im Abhidhamma im Detail erklrt. Die Bedingungs-

    zusammenhnge der Phnomene, die Naturgesetzen folgen, werden

    in gegenseitiger Beziehung und Abhngigkeit in den Lebewesen

    und in der ganzen Welt gesehen. Deshalb wird pfleglicher, bedach-

    ter, sorgsamer Umgang mit Natur, Umwelt und Mitwesen umge-

    kehrt auch zu liebevoller Frsorge fr sich selbst fhren. Die Natur

    wird nicht als vollkommen angesehen, sondern gehrt wegen ihrer

    Eigenart von Unbestndigkeit (anicca), Unzulnglichkeit (dukkha)

    und Nicht-Selbst (anatta) zur bedingten Welt (Sasra) und ist an

    den endlosen Kreislauf von Entstehen und Vergehen, von Geburt

    und Tod gebunden.

    Menschliches Wesen

    Ein menschliches Wesen unterscheidet sich von anderen Wesen

    hauptschlich durch sein Wiedergeburts-Bewusstsein (paisandhi

    citta), das ein direktes Produkt seines frheren heilsamen kamma ist.

    Der Abhidhamma beschreibt 31 Existenzebenen in der Welt bzw. im

  • 14

    Universum; nur eine davon ist die der Menschen und nur zwei

    davon, die Menschenwelt und das Tierreich, knnen wir wahr-

    nehmen. Das erzeugende (janaka) kamma entscheidet wo und als

    welche Art von Lebewesen wir wiedergeboren werden. Es heit, als

    Mensch habe man die besten Voraussetzungen zur geistigen

    Entwicklung und Befreiung, da es viel Entscheidungsfreiheit gibt.

    Und auf dieser Ebene knnen verschiedene Arten von kamma reifen

    und ihre Wirkungen hervorbringen. Meist erfahren Menschen in

    ihrem Leben eine Mischung aus Freude und Leiden, was motivieren

    kann sich anzustrengen und seinen Geist zu trainieren.

    Leben und Tod

    Leben oder ein Lebewesen wird im Abhidhamma durch zwei

    Phnomene charakterisiert, die beide "Lebensfhigkeit" (jvitindriya)

    genannt werden. [4, 5] Da ist einmal das physische Leben oder die

    physische Vitalitt (rpa-jvita) in den materiellen Gruppen (rpa-

    kalpa) von Lebewesen, die die Funktion hat, die koexistierenden

    materiellen Phnomene vor dem Verrotten und Verfall zu bewahren.

    Diese physische Lebensfhigkeit ist ein direktes und sofortiges

    Produkt von kamma und macht den Unterschied zwischen einem

    lebendigen Krper und einer leblosen Leiche aus.

    Das andere Lebens-Phnomen ist geistiges oder psychisches Leben

    oder geistige Vitalitt, was ein Geistesfaktor (cetasika) ist, der mit

    allen Arten von Bewusstsein (citta) und verschiedenen anderen

    Arten von Geistesfaktoren verbunden ist. Seine Funktion ist es,

    koexistierende geistige Phnomene in derselben geistigen Einheit

    fr eine bestimmte, winzige Lebensspanne zu schtzen. Die groe

    Mehrheit von Wesen bestehen aus Geist und Krper und haben also

    sowohl geistiges wie physisches Leben. Einige Wesen der hheren

    Existenzebenen, nmlich die arpa-brahmas, bestehen nur aus Geist,

    ohne Krper, haben also nur geistiges Leben. Dann gibt es in

    anderen hheren Existenzebenen ein seltenes unbewusstes Wesen,

    den asaasatta, der keinen Geist hat sondern nur ganz aus Materie

    besteht, aber wenigstens physisches, materielles Leben hat.

  • 15

    Wie kommt es, dass es all diese verschiedene Lebewesen und Arten

    von Leben gibt? Sie sind alle Ergebnisse von verschiedenem und

    sehr unterschiedlichem kamma, das in einem der Vorleben ausgebt

    worden ist. Die hheren Ebenen und Lebensformen ohne Krper,

    d.h. nur mit Geist, oder ohne Geist, d.h. nur mit Krper, werden

    durch intensive Konzentrations-Meditation (samatha-bhvan)

    erlangt, durch die Meisterschaft ber die verschiedenen meditativen

    Vertiefungen (jhna) und durch spezielle Wunschziele und

    Aspirationen.

    Fr die Geburt oder eigentlich die Zeugung bzw. Empfngnis

    eines menschlichen Wesens mssen drei Dinge zusammentreffen:

    Mutter und Vater, d.h. Eizelle und Sperma mssen vorhanden sein

    und als Hauptfaktor ein kammischer Impuls eines gerade

    verstorbenen Wesens.

    Der Tod eines Lebewesens hat wiederum mit kamma zu tun. Der

    Tod, das bedeutet das Abschneiden eines individuellen Lebens-

    stroms eines Wesens, kann nach dem Abhidhamma aufgrund von

    vier Ursachen stattfinden:

    1. Ende der Lebensspanne (unterschiedlich fr verschiedene

    Spezies und Epochen)

    2. Ende der kammischen Energie des Leben-erzeugenden

    kamma

    3. Fall 1 und 2 zusammen

    4. Ein destruktives kamma, das dazwischenkommt und die

    Energie des Leben-erzeugenden kamma abschneidet.

    Ein Tod nach den Fllen eins bis drei wird zeitgerechter Tod

    genannt, whrend Fall vier ein vorzeitiger Tod genannt wird, der

    bereits in jungem Alter durch einen tdlichen Unfall oder eine

    lebensbedrohliche Krankheit geschehen kann.

    Der Abhidhamma gibt exakte Erklrungen zur Arbeitsweise von

    kamma und zum geistigen Sterbe- und Wiedergeburtsprozess.

    Kamma, das direkt vor dem Tod ausgebt oder erinnert worden ist,

    hat eine groe Wahrscheinlichkeit das nchste Leben hervorzu-

  • 16

    bringen. Auf diese Weise beweist Abhidhamma sogar den Nutzen

    moderner Hospizarbeit und liefert Leitlinien fr Sterbebegleiter.

    Wirklichkeit

    Abhidhamma ist eine Wissenschaft der Wirklichkeit oder besser

    gesagt der "Wirklichkeiten". Zuerst gibt es die Unterscheidung in

    konventionelle und letztendliche Wirklichkeit oder Wahrheit. Kon-

    ventionelle Wirklichkeit ist Konvention, d.h. angelernt, anerzogen,

    abhngig von Kultur, Sprache, Volk, Zeitepoche, Mode, usw. Im

    Alltag haben wir es i.A. mit Konventionen und Konzepten (paatti)

    zu tun, was fr den Bereich der Ethik, liebenden Gte (mett),

    Mitgefhl (karu), usw. unerlsslich ist.

    Mit Abhidhamma oder "Vipassan-Augen" zu sehen, heit die letzt-

    endlichen Wirklichkeiten oder ultimativen Realitten (paramattha

    dhammas) [6] hinter der Fassade der Konzepte zu erkennen und

    ihre Charakteristika zu durchschauen um sich von ihrer Macht zu

    lsen, loszulassen und den Geist zu befreien.

    Weiterhin ist die Wirklichkeit zweifach: Bedingt (sakhata) und

    unbedingt (asakhata). Was es auch immer fr Erscheinungen,

    Dinge, Wesen, Zustnde gibt sie sind alle bedingt. Die einzige

    unbedingte Wirklichkeit ist Nibbna (Sanskrit: Nirvna).

    Abhidhamma behandelt letztendliche Wirklichkeiten, bedingte wie

    unbedingte. [1] Letztendliche Wirklichkeiten sind das, was wirklich

    direkt mit den sechs Sinnen erfahren werden kann. Der Abhi-

    dhamma unterscheidet vier Arten letztendlicher Wirklichkeiten:

    1. Bewusstsein (citta)

    2. Geistesfaktoren (cetasika)

    3. Materie (rpa)

    4. Nibbna

    Diese vier Arten der Wirklichkeit werden wiederum mehrfach klassi-

    fiziert. Abhidhamma fhrt 170 (oder 202, wenn Bewusstsein in 121

    Arten eingeteilt wird) verschiedene Wirklichkeiten an.

  • 17

    Diese letztendlichen Wirklichkeiten sind in dem Sinn letztendlich,

    dass ihre Eigenschaften, ihre Charakteristika, sich nicht ndern, wann

    immer sie gerade prsent sind, und es bedeutet nicht, dass sie selbst

    bestndig wren. Zum Beispiel sind wir nicht immer rgerlich, d.h.

    rger ist nicht bestndig mit uns, aber wann immer rger auftritt,

    zeigt er sich mit denselben, typischen und charakteristischen Kenn-

    zeichen. Oder: Wir berhren nicht stndig heie Gegenstnde, aber

    wenn wir dies tun, ist die Erfahrung der Hitze ganz eindeutig und

    intuitiv. Jede letztendliche Wirklichkeit hat ihre eigene spezifische,

    individuelle Charakteristik, uerung und Funktion. Deshalb ist jede

    Wirklichkeit im Abhidhamma exakt definiert und kann in der eige-

    nen Praxis mit einem scharfen, gut trainierten Geist klar unter-

    schieden werden.

  • 18

    Universelle Charakteristika aller letztendlichen, bedingten Wirklich-

    keiten sind:

    Unbestndigkeit (anicca),

    Unzulnglichkeit oder inhrentes Leiden (dukkha),

    und Nicht-Selbst (anatta).

    Im Gegensatz dazu hat Nibbna, die einzige unbedingte Wirklich-

    keit, die Charakteristika von Bestndigkeit und von Befriedigung,

    Vollkommenheit, Leidlosigkeit oder Glck (sukha). Dennoch hat

    Nibbna wie die bedingten Phnomene auch die Charakteristik von

    Nicht-Selbst (anatta).

    Wissen / Weisheit

    Im Abhidhamma werden verschiedene Arten von Wissen unter-

    schieden [4, 5]: Das Wissen durch eigenes Nachdenken (cinta may

    a), Buch-Wissen oder Wissen durch Hren (anubodha-a oder

    suta may a) und direktes Wissen durch eigene, intuitive und

    durchdringende Einsicht (paiveda a oder bhvan may a),

    wobei das letztere das wichtigste und wirklich transformierende

    Wissen ist, zu dem auch die Einsichtswissen (Vipassan as) geh-

    ren. Die Meditierenden mssen durch diese Einsichtsstufen gehen

    um Nibbna zu erlangen.

    Nur dem Buddha selbst wird Allwissenheit (sabbat-a) zuge-

    schrieben.

    Wissen (a) oder Weisheit (pa) ist einer der "schnen"

    Geistesfaktoren (sobhana cetasikas), der sich nur mit heilsamen und

    schnen, edlen Arten von Bewusstsein verbinden kann. Er sollte auf

    jeden Fall entwickelt werden und in allen Handlungen einbezogen

    sein. Wenn Wissen im Geist mit dabei ist, dann wird die kammische

    Qualitt einer heilsamen Handlung strker und besser. Weiterhin

    lernen wir im Abhidhamma, dass nur Menschen mit einem kam-

    misch erworbenen Wiedergeburtsbewusstsein, das mit Wissen ver-

    bunden ist, meditative Vertiefungen (jhna) und Nibbna, d.h. Pfad-

    und Frucht-Bewusstsein (magga- und phala-citta) erlangen knnen.

  • 19

    Wahrheit

    Wahrheit (sacca) wird oft im selben Sinn wie Wirklichkeit gebraucht.

    So werden konventionelle und letztendliche Wahrheit unter-

    schieden. Dem Dhamma werden die Attribute wahr oder gut gelehrt

    (svkkhta) und zeitlos (akalika) zugeschrieben, d.h. er ist eine

    Lehre, die der Wahrheit entspricht und immer gltige, wahre

    Antworten auf Fragen bezglich Leiden, seinen Ursprung und sein

    Ende gibt, und eine Lehre, die die Lsung existenzieller Probleme

    der Vergangenheit wie auch heute beschreibt.

    ber Wahrheit im Buddhismus zu sprechen, beinhaltet auch ber

    die Vier Edlen Wahrheiten zu sprechen, dem Kern der Lehre des

    Buddha. Diese werden in der Lehre vom bedingten Entstehen

    (Paiccasamuppda) in grerer Genauigkeit erklrt, die auch im

    Abhidhamma klar dargelegt ist. [3, 4, 5, 9]

  • 20

    Die erste edle Wahrheit vom Leiden ist im zweiten und vierten

    Quadranten des Kreises zu finden. Im vierten Quadranten sind die

    Phnomene enthalten, die wir konventionell Geburt, Altern, Tod,

    Sorge, Klage, Schmerz, Leiden und Verzweiflung nennen. In Be-

    griffen der letztendlichen Wahrheit sind dies Phnomene wie

    resultierendes Bewusstsein (vipka-citta, hier via genannt),

    Geist und Materie (nma-rpa), Sinnesgrundlagen (sayatana),

    Kontakt (phassa) und Gefhl (vedan), die kammische Wirkungen

    (vipka) sind, mit denen wir konfrontiert werden.

    Die zweite edle Wahrheit vom Ursprung des Leidens ist im ersten

    und dritten Quadranten zu finden: Unwissenheit oder Ignoranz

    (avijj) und kammisches Potential bzw. Kammaformationen (sakh-

    r) werden als vergangene Ursachen fr Leiden genannt; Durst oder

    Begehren (tah), Anhaftung (upadna) und der aktive, kammische

    Prozess des Werdens (kamma-bhava) sind gegenwrtige Ursachen

    fr knftiges Leiden. Allerdings haben in Wirklichkeit all diese

    Faktoren in der Vergangenheit gearbeitet, arbeiten in der

    Gegenwart und werden als Naturgesetz in der Zukunft arbeiten,

    solange wir den Ausstieg noch nicht gefunden und bentzt haben.

    Auf diese Weise erklrt der Paiccasamuppda den endlosen

    Kreislauf von Ursache und Wirkung des Leidens (Sasra).

    Zusammenfassend kann gesagt werden: Kamma erzeugt seine

    Wirkungen (vipka) mit Hilfe der geistigen Verunreinigungen oder

    Geistesbefleckungen (kilesa), wie Unwissenheit und Begehren.

    kamma vipka

    Der Weg zum Ende des Leidens, d.h. schmerzhafte, unangenehme

    und unerwnschte Resultate zu beenden, ist nicht aufzuhren zu

    handeln, d.h. kein kamma mehr zu machen, sondern die Geistes-

    befleckungen (kilesa) auszumerzen, d.h. den Geist von seinen Ver-

    schmutzungen zu reinigen.

    kilesa

  • 21

    Dieses Ende des Leidens oder der Stillstand des Kreislaufs von

    Sasra ist Nibbna die dritte edle Wahrheit. Und der Weg um

    dies praktisch zu erreichen ist der edle achtfache Pfad, der die vierte

    edle Wahrheit ausmacht. Dies sind grundlegende Wahrheiten in

    bereinstimmung mit Naturgesetzen.

    Wahrnehmung

    Wahrnehmung (sa) ist nach dem Abhidhamma [4, 5, 6, 9] ein

    universeller Geistesfaktor (cetasika), d.h. verbindet sich mit allen

    Arten von Bewusstsein. Es ist die Bewusstheit der markanten,

    unterscheidenden Kennzeichen eines Objekts. Wenn man durch

    wiederholte Wahrnehmung eines Objekts diese Kennzeichen

    wiedererkennt, funktioniert sa als Gedchtnis. Manchmal kann

    uns sa allerdings in die Irre fhren, wenn es ein neues, hnliches

    Objekt mit den erinnerten Kennzeichen eines frheren Objekts

    vergleicht.

    Der Begriff Wahrnehmung wird manchmal auch fr die ganze

    geistige Einheit einschlielich Bewusstsein benutzt. Trotzdem kann

    ein Objekt aber noch nicht in einem einzigen Geistesmoment der

    Sinneswahrnehmung voll wahrgenommen werden, der durch das

  • 22

    Sinnesorgan und sein entsprechendes Objekt bedingt ist. Abhi-

    dhamma-Kommentare [4, 5, 7] erklren, dass mindestens vier

    Geistesprozesse (vthis) ntig sind um das Objekt zu erkennen und

    benennen zu knnen, das nur im ersten Prozess z.B. gesehen wurde.

    Jeder Geistesprozess besteht aus 17 bzw. 12 Geistes- oder Bewusst-

    seinsmomenten, die einander in festem, logisch verstehbaren Ablauf

    folgen, der sich aus den Bedingungszusammenhngen ergibt, die im

    Pahna des Abhidhamma gelehrt werden.

    Gewhnlich sagen und denken wir: "Ich nehme war" oder "mein

    Selbst nimmt dieses oder jenes wahr". Doch nach dem Abhidhamma

    laufen nur bloe Prozesse ab, die durch bestimmte Umstnde

    bedingt sind. Es gibt keinen Wahrnehmenden, keinen Beobachter,

    keinen Schpfer, keine Seele oder kein Selbst dahinter. Es sind nur

    unpersnliche Prozesse leer von einem Ich oder Selbst.

    Zeit

    Zeit ist ein Konzept, das nach dem Abhidhamma relativ ist und

    abgeleitet ist von Vernderung, Unbestndigkeit und Bewegung in

    Phnomenen. "Chronologische Zeit (kla), in Referenz zu diesem

    oder jenem Ereignis so bezeichnet, ist ein rein konventioneller

    Ausdruck... Da sie keine Existenz in sich selbst hat, muss man sie als

    bloes Konzept verstehen."9

    Albert Einstein sagt es knapp und prgnant: "Zeit ist, was man von

    der Uhr abliest."10 Die Zeitmessung ist nur durch die Bewegung der

    Zeiger relativ zum Zifferblatt mglich oder durch das Kennzeichnen

    von Ereignissen oder bestimmten Stadien der Vernderung: Geburt

    und Tod; Sonnenaufgang und -untergang; Erscheinen eines Phno-

    mens und sein Verschwinden. Die krzeste Zeitdauer, die nach dem

    Abhidhamma definiert werden kann, ist die Dauer einer der drei

    9 Atthaslin, 58-59, Kommentar von Buddhaghosa zur Dhammasaga, dem ersten

    der sieben Abhidhamma-Bcher

    10 Zitat, das Albert Einstein zugeschrieben wird: : "Time is what one reads from the

    clock."

  • 23

    Submomente von Bewusstsein: (1.) das Aufsteigen oder der Entsteh-

    ungs-Submoment, (2.) das Stehen oder der Existenz-Submoment,

    und (3.) das Fallen oder der Vergehens-Submoment. Alle drei

    zusammen bilden einen Geistmoment bzw. die Lebensdauer von

    Bewusstsein. Die Lebensdauer von Materie ist 17 mal lnger als die

    des Geistes.

    Im Abhidhamma und seinen Kommentaren werden fr materielle

    und geistige Phnomene bzw. die fnf Daseinsgruppen (khandh)

    Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart przise nach vier Gesichts-

    punkten definiert: Zeitraum, Zeitspanne oder Lebenszeit (addh),

    Kontinuitt eines Prozesses (santati), Gelegenheit (samaya) und

    Moment bzw. Bewusstseinsaugenblick (khaa).11 [9]

    Bezogen auf die unbedingte Realitt Nibbna verliert das Konzept

    der Zeit seine Bedeutung und kann nicht angewandt werden.

    Bewusstsein

    Bewusstsein (citta) ist eine der vier letztendlichen Wirklichkeiten im

    Abhidhamma. [1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9] Es ist das, was sich eines Objekts

    bewusst ist oder das Objekt erkennt. Bewusstsein hat immer ein

    Objekt, das kann ein gegenwrtiges Sinnesobjekt sein oder ein

    geistiges Objekt, wie ein Gedanke oder eine Erinnerung.

    Das ganze Leben hindurch gibt es Bewusstsein, ein Bewusstsein

    nach dem anderen, ohne Lcke, aber immer nur ein Bewusstsein zu

    einer Zeit. Sogar wenn jemand "bewusstlos" ist, in Ohnmacht ge-

    fallen oder im Koma liegt, ist eine subtile, passive Art von Bewusst-

    sein (bhavaga) vorhanden. Deshalb spricht man auch von einem

    "Bewusstseinsstrom", der entsprechend seiner Bedingungen kon-

    tinuierlich von der Geburt bis zum Tod und im nchsten Leben

    weiterfliet (citta santna). Dieser fortlaufende Strom wird nur in der

    endgltigen Verwirklichung von Nibbna versiegen. Dieser individu-

    11 Der Weg zur Reinheit (Visuddhimagga), XIV, 472/473 in der bersetzung von

    Nyanatiloka

  • 24

    elle Bewusstseinsstrom folgt wie ein Naturgesetz einer fest definier-

    ten Sequenz (citta niyma), die im Pahna des Abhidhamma her-

    geleitet und gelehrt wird.

    Bewusstsein entsteht nicht allein, sondern immer mit mindestens

    sieben Geistesfaktoren (cetasika) zusammen, die zusammen den

    Geist (nma) bilden. Bewusstsein wird mit sauberem, klaren Wasser

    verglichen, das nicht gesehen werden kann. Nur durch zugefgte

    Farben oder Schmutz wird das Wasser sichtbar. Genauso kann

    Bewusstsein nur durch seine "Farben" wahrgenommen werden die

    Geistesfaktoren (cetasika) die gleichzeitig entstehen, dasselbe

    Objekt und dieselbe Sinnesgrundlage, aber unterschiedliche

    Merkmale und Funktionen haben.

    Entsprechend den sechs Sinnen als Grundlagen lassen sich sechs

    Arten von Bewusstsein unterscheiden:

    1. Seh-Bewusstsein oder Augen-Bewusstsein (cakkhu-via)

    2. Hr-Bewusstsein oder Ohren-Bewusstsein (sota-via)

    3. Riech-Bewusstsein oder Nasen-Bewusstsein

    (ghna-via)

    4. Schmeck-Bewusstsein oder Zungen-Bewusstsein

    (jivh-via)

    5. Tast-Bewusstsein oder Krper-Bewusstsein (kya-via)

    6. Geist-Bewusstsein (mano-via)

    Diese sind wesentlich durch das Sinnesorgan (die Sinnesgrundlage)

    und durch das entsprechende Objekt bedingt, wenn beide in

    Kontakt miteinander kommen.

    Im Abhidhamma sind 89 Arten von Bewusstsein bekannt bzw. nach

    einer anderen Klassifikation nmlich wenn bei Samatha-Vipassan-

    Meditation im berweltlichen Bereich auch nach den jhnas

    differenziert wird 121 Arten. [1]

  • 25

    Bewusstsein wird nach der Ebene, Sphre, Welt oder dem Bereich, in

    dem es hauptschlich vorkommt, in vier Gruppen klassifiziert: [7]

    1. Bewusstsein der Sinnessphre

    2. Feinstoffliches Bewusstsein

    3. Immaterielles Bewusstsein

    4. berweltliches Bewusstsein

    Bewusstsein wird auch nach seiner Natur in vier Klassen eingeteilt:

    1. Unheilsames Bewusstsein

    2. Heilsames Bewusstsein

    3. Resultierendes Bewusstsein

    4. Funktionales Bewusstsein

    Weiterhin wird Bewusstsein innerhalb dieser Klassen oft nach

    Wurzeln, Gefhl, Assoziation und Ermutigung klassifiziert.

    Bereich der Absorptionen (jhna)

  • 26

    Bewusstsein entsteht und vergeht in einer Person in riesig schneller

    Folge, mehr als 1.000 Billionen mal in einem Augenblinzeln. In

    anderen Worten ist die Lebensspanne eines Bewusstseins krzer als

    Eintausend-Billionstel einer Sekunde. [7]

    Die Dauer von Bewusstsein wird mit drei kurzen Augenblicken oder

    Submomenten gemessen, die unterschiedliche Phasen charakteri-

    sieren:

    1. Entstehungs-Submoment

    2. Prsenz- oder Existenz-Submoment

    3. Auflsungs-Submoment

    75 Arten von Bewusstsein haben die Fhigkeit in ihrem Entstehungs-

    moment Materie zu erzeugen (rpa). Wenn dies viele male wieder-

    holt wird, kann sich unser Krper bewegen, er kann kommunizieren,

    sich verndern oder sogar an psychosomatischen Krankheiten

    leiden.

    Rationalitt/Vernunft

    Rationalitt wird im Abhidhamma hoch geschtzt, denn Abhi-

    dhamma selbst ist sehr logisch, vernunftgem und rational. Wenn

    die Definitionen der Phnomene erst einmal vollkommen ver-

    standen sind was nicht einfach ist, da es fr einige Pi-Begriffe

    einfach keine passende und exakte bersetzung ins Deutsche,

    Englische oder eine andere westliche Sprache gibt, die die korrekte

    und volle Bedeutung wiedergibt knnen Struktur und das ganze,

    uerst logische System rein intellektuell verstanden werden.

    Jedoch ist das nicht die Absicht des Abhidhamma. Abhidhamma ist

    aus der Erfahrung entwickelt und will die Menschen durch

    Erfahrungen und Einsichten bis letztlich zur Befreiung fhren.

    Abhidhamma hat keinen Eigenzweck, sondern sollte zur Praxis und

    Anwendung inspirieren.

  • 27

    Mystik

    Im Abhidhamma wird alles im Detail und offen dargelegt. Sogar das

    letztliche Ziel, Nibbna, wird gut erklrt. Kein Geheimnis bleibt brig

    und kein Phnomen, das nicht definiert und erklrt werden knnte.

    Meditierende ohne Abhidhamma-Hintergrund knnten die Erfah-

    rung in den meditativen Vertiefungen (jhna), die ber die gewhn-

    lichen Sinneserfahrungen hinausgeht, leicht als das Ziel missver-

    stehen oder als mystische Erfahrung interpretieren, die sie rational

    nicht erklren knnen und vielleicht als gttliche Erscheinung oder

    Einheit mit Gott missinterpretieren.

    Nibbna, das Ziel

    Nibbna (Sanskrit: Nirvna) ist das letztliche Ziel aller Buddhisten,

    aber hufig wird die Meinung geuert, dass es nicht mglich sei

    Nibbna zu beschreiben und zu erklren. Natrlich kann man den

    Geschmack von etwas, was man berhaupt noch nicht erfahren hat,

    nicht wirklich schmecken oder sich vorstellen. Trotzdem bietet der

    Abhidhamma eine Beschreibung, die intellektuell verstanden werden

    kann, auch wenn man Nibbna noch nicht selbst direkt erfahren hat.

    [4, 5, 6]

    Nibbna bedeutet wrtlich das Ende von Begehren (vna)12. Da

    Begehren die Hauptursache fr Leiden (dukkha) ist, was bereits in

    den vier edlen Wahrheiten des Buddha gelehrt wird, ist das Ende

    des Begehrens auch das Ende des Leidens, und das ist Nibbna. [6]

    Nibbna, das Todlose, Unbedingte, ist eine letztendliche Wirklichkeit

    jenseits von Unbestndigkeit und jenseits von Leiden auch von

    subtilem oder latentem Leiden ohne Unzufriedenheit oder irgend

    etwas Unbefriedigendem. Nibbna ist Frieden, ist totale Stille, ist

    weder Kommen noch Gehen. Es gibt zwei Arten von Nibbna und

    sie sollten genau auseinandergehalten werden. Nibbna bedeutet 12 Andere Herleitungen: Verlschen, Verwehen, Ausblasen, Abkhlen, zur Ruhe

    Kommen.

  • 28

    Erlschen, Dahinschwinden, Abklingen. Die Art von Nibbna, die der

    Buddha in seiner Erleuchtung verwirklicht hat, ist Kilesa-Nibbna,

    das irreversible Verlschen der Geistesbefleckungen (kilesa). Darin

    bleiben jedoch Geist und Materie erhalten und folgen ihren eigenen

    Prozessen. Diese Art von Verlschen wird auch "Nibbna mit Rest"

    (sa-updisesa Nibbna) genannt. In der anderen Art von Nibbna

    gibt es keinen Rest, nichts Verbleibendes (an-updisesa Nibbna),

    und das ist dann Khandha Nibbna, das durch das Verlschen der

    fnf Daseinsgruppen (khandha), d.h. das Ende von Geist (nma) und

    Materie (rpa), charakterisiert ist.

    Die bekannte Aussage "Nibbna ist das hchste Glck" kann auf

    verschiedene Weise erklrt werden. Whrend der Geist Nibbna zum

    Objekt nimmt, erlebt man erhabenes Glcksgefhl und Frieden.

    Auch nach dem Erlangen von Nibbna erfhrt die Person ein gro-

    artiges Gefhl der Erleichterung und ist voller Glck, weil sie wei,

    dass sie Nibbna erlangt hat, und dass es kein Leiden und keine

    Wiedergeburt mehr geben kann. Dennoch hat die erleuchtete

    Person noch Krper und Geist, die sie unterdrcken, die Probleme

    machen und naturgem dem Verfall unterworfen sind. Nur das

    Ende von Krper und Geist auch den guten, glcklichen Zustnden

    und Emotionen bringt vollkommene Stille und Frieden; dies ist

    dann wirklich das allerhchste Glck.

    Diesen letzten Zustand verkndet der Buddha in seinem berhmten

    Ausspruch:

    "Unbestndig ist ja alles Bedingte,

    Seine Natur ist Entstehen und Vergehen,

    Geboren, verfllt es.

    Seine Stillung ist wahres Glck."13

    13 Anicc vata sakhr, uppda vaya dhammino, uppajjitv nirujjhanti, tesam

    vpasamo sukho. Dghanikya: Lngere Sammlung, D16 und D17. (bersetzung

    Agganyani)

  • 29

    PAHNA

    Bedingungszusammenhnge14

    Pahna gehrt zur "hheren Lehre" des Buddha, dem

    Abhidhamma des Theravda Buddhismus [1]. Das Wort 'Pahna'

    (Pi) setzt sich aus dem Prfix 'pa', verschiedene, und 'hna',

    Ursache oder Bedingung, zusammen, also bedeutet Pahna

    'verschiedene Ursachen oder Bedingungen', oder 'ein System von

    Beziehungen'. Pahna wird im Englischen mit "conditional

    relations" bersetzt; im Deutschen "bedingte Beziehungen" oder

    "Bedingungszusammenhnge".

    Kausalitt oder Konditionalitt spielt im Buddhismus eine wichtige

    Rolle. Bereits in seiner ersten Predigt lehrte der Buddha Ursache und

    Wirkung, die erste edle Wahrheit, Leiden (dukkha), als Resultat, und

    die zweite edle Wahrheit, Begehren (tah), als die Ursache fr

    Leiden. Dann wird in seiner Lehre vom abhngigen Entstehen

    (paiccasamuppda) die Bedingtheit im Kreislauf der Wiederge-

    burten (sasra) mit 12 Faktoren erklrt, die selbst bedingt sind und

    wiederum den nchsten Faktor bedingen. Aber Pahna behandelt

    die Konditionalitt vollstndig, exakt und auf tiefst mgliche Art und

    Weise.

    14 Dies sind die leichtverstndlicheren Auszge aus dem gleichnamigen Artikel, der

    zum Download unter http://www.abhidhamma.de/Patthana_de.pdf zur Verfgung

    steht. Er ist ebenfalls eine (freie) deutsche bersetzung des Beitrags "Conditional

    Relations - Pahna" fr Springers "Encyclopedia of Scienes and Religions".

  • 30

    Pahna ist im siebten Buch des Abhidhamma Piaka [1, 3, 10]

    niedergeschrieben, dem dritten Teil des Pli-Kanon oder Dreikorbs,

    "Tipiaka. Grundlegende Abhidhamma-Kenntnisse sind ntig um

    sich mit Pahna befassen zu knnen.

    Dieses letzte, riesige Buch des Abhidhamma ist mit Sicherheit das

    tiefstgehendste, subtilste und am schwersten verstndliche Buch der

    sieben. Deshalb nicht nur wegen seines Umfangs wird es auch

    "das groe Buch" (mahppakaraa) genannt, oder "ein vollstndiges

    Buch mit unendlichen Methoden" (anantanaya samanta pahna).

    Whrend die vorhergehenden sechs Abhidhamma-Bcher die letzt-

    endlichen Wirklichkeiten (paramattha dhamm)15, d.h. unsere direk-

    ten Erfahrungen, in allen Einzelheiten und nach verschiedenen

    Aspekten analysieren, bringt sie Pahna wieder in Zusammenhang

    und beschreibt die Ursachen oder Bedingungen, die Wirkungen und

    die bedingenden Krfte. Insgesamt werden 24 bedingende Krfte

    oder Bedingungszusammenhnge gelehrt, die meist nur kurz

    Beziehungen oder Bedingungen (paccaya) genannt werden. In

    Begriffen der letztendlichen Wirklichkeit ist Pahna die Wissen-

    schaft der Zusammenhnge von Bedingendem (paccaya-dhamm),

    Bedingtem (paccayuppanna-dhamm) und der bedingenden Krfte

    (paccayasatti), die die Macht haben, aus der Ursache die Wirkung

    hervorzubringen, sei es durch ihre spezifische Funktion von Erzeu-

    gung (janaka), Untersttzung (upatthambhaka) oder Erhalt (anu-

    plana).

    Letz

    ten

    dlich

    e

    Wir

    klich

    keit

    en

    (p

    ara

    matt

    ha d

    ham

    mas)

    Ursache oder bedingendes

    Phnomen (paccaya)

    Wirkung oder bedingtes

    Phnomen (paccayuppanna)

    1. Bewusstsein (citta) 1. Bewusstsein (citta)

    2. Geistesfaktoren (cetasika) 2. Geistesfaktoren (cetasika)

    3. Materie (rpa) 3. Materie (rpa)

    4. Nibbna

    5. Konzepte (paatti)

    15 Die letztendlichen Wirklichkeiten sind nach dem Abhidhamma: Bewusstsein (citta),

    Geistesfaktoren (cetasika), Materie (rpa) und Nibbna.

  • 31

    Im Text heit es zum Beispiel: "Das sichtbare Objekt steht mit dem

    Seh-Bewusstseins und den mit ihm verbundenen Phnomenen durch

    die Kraft der Objekt-Bedingung in Zusammenhang."16 Hier bezieht

    sich das sichtbare Objekt (rpyatana) auf die eigentliche Ursache,

    d.h. das bedingende Phnomen, und das Seh-Bewusstsein (cakkhu-

    via) und seine Geistesfaktoren (cetasika) beziehen sich auf die

    tatschlichen Wirkungen, d.h. die bedingten Phnomene. Die Kraft

    der Objekt-Bedingung (rammaa paccaya) jedoch ist es, die als

    bedingende Kraft aus der Ursache ihre Wirkungen erzeugt bzw.

    diese untersttzt. Aber das vollstndige Bild, warum Seh-Bewusst-

    sein und seine Geistesfaktoren entstehen, ist viel komplizierter und

    beinhaltet auch andere Bedingungen des Vorher-Entstehens, der

    Gegenwrtigkeit, des Nicht-Geschwundenseins und der Verbindung.

    Es ist ein wahres riesiges, mehr-dimensionales Netzwerk von

    Ursachen und Wirkungen, von Bedingungen und Resultaten, das

    Pahna Schritt fr Schritt in seinen Werken erklrt17.

    Das komplexe System von Zusammenhngen ist kompliziert, aber

    sehr logisch und einsichtig. Das ganze Universum kann damit erklrt

    werden. Aber wie immer in den Lehren des Buddha liegt der

    Schwerpunkt auf den Menschen und deren Befreiung vom Leiden

    (dukkha) und vom Kreislauf der Wiedergeburten (sasra).

    Pahna ist der letzte, riesige Schritt zum vollstndigen Verstehen

    und Durchdringen von Geist (nma) und Materie (rpa), ihrem

    bedingten Entstehen, Verfall, Vergehen und ihrer Natur von Nicht-

    Selbst (anatta). Man wird die Abhngigkeiten und Bedingtheiten

    aller Dinge mit groer Klarheit sehen, so dass man schlielich reif

    und bereit ist, sie aufzugeben und loszulassen von Verlangen,

    Anhaftung und Identifikation, was der Weg zur Befreiung ist, der

    16 Rpyatana cakkhuviadhtuy tasampayuttaknaca dhammna

    rammaa paccayena paccayo. (Paccayaniddesa des Pahna)

    17 Fnf Bnde in Pli (Caha Sagyana Ausgabe), sechs dicke Bnde in der

    Burmesischen und Siamesischen Pli Ausgabe, in Englischer bersetzung zwei Bnde

    von etwa 500 bis 600 Seiten, die allerdings nur einen Teil des Pahna betreffen (Pali

    Text Society)

  • 32

    Pfad, der zur Realisation von Nibbna fhrt, dem letztlichen Ziel im

    Buddhismus.

    U Ko Lay schreibt im 'berblick ber das Pahna-System der

    Beziehungen' in seinem 'Fhrer zum Tipiaka' [10]: "Die groe Ab-

    handlung des Pahna ordnet alle bedingten Dinge (22 Tikas und

    100 Dukas der Mtik 18 ), unter 24 Arten von Beziehungen ein, be-

    schreibt und klassifiziert sie zu einem vollstndigen System, um die

    Mechanik des Universums von Dhamma zu verstehen."

    18 Diese Matrizzen (mtik) werden in der Dhammasaga, dem ersten

    Abhidhamma-Buch, gelehrt.

    24

    Bedin-

    gungen

  • 33

    Die 24 Bedingungen (paccaya) und Sub-Bedingungen

    1. Hetu-paccaya Wurzel-Bedingung

    2. rammaa-paccaya Objekt-Bedingung

    3. Adhipati-paccaya Vorherrschafts-Bedingung

    - ramma'dhipati - des Objektes

    - Sahajt'dhipati - von Zusammen-Entstandenem

    4. Anantara-paccaya Angrenzungs-Bedingung

    5. Samanantara-paccaya Unmittelbarkeits-Bedingung

    6. Sahajta-paccaya Zusammen-Entstehungs-Bedingung

    7. Aamaa-paccaya Gegenseitigkeits- / Reziprok-Bedingung

    8. Nissaya-paccaya Untersttzungs-, Sttz- oder

    Grundlagen-Bedingung

    - Sahajta-nissaya - durch Zusammen-Entstandenes

    - Purejta-nissaya - durch Vorher-Entstandenes:

    - Vatthu- - Grundlagen

    - Vatthrammaa- - Grundlagen-Objekt

    9. Upanissaya-paccaya Entscheidende Untersttzungs-

    Bedingung, Anlass

    - ramma'panissaya - durch das Objekt

    - Anantar'panissaya - durch Angrenzung

    - Pakat'panissaya - natrliche entscheid. Untersttzung

    10. Purejta-paccaya Vorher-Entstehungs-Bedingung

    - Vatthu-purejta - Vorher-Entstehung der Grundlage

    - rammaa-purejta - Vorher-Entstehung des Objektes

    11. Pacchjta-paccaya Nachher-Entstehungs-Bedingung

    12. sevana-paccaya Wiederholungs-Bedingung

  • 34

    13. Kamma-paccaya Kamma-Bedingung

    - Sahajta-kamma - Zusammen-Entstehungs-Kamma

    - Nnakkhaika-kamma - Asynchrones Kamma

    14. Vipka-paccaya Kamma-Wirkungs-Bedingung

    15. hra-paccaya Nahrungs- oder Nhrstoff-Bedingung

    - Rphra - materielle Nahrung

    - Nmhra - geistige Nahrung

    16. Indriya-paccaya Fhigkeits-Bedingung

    - Purejta-indriya - Fhigkeit von Vorher-Entstandenem

    - Jvit'indriya - Materielle Lebens-Fhigkeit

    - Sahjta-indriya - Fhigk. v. Zusammen-Entstandenem

    17. Jhna-paccaya Jhna-Bedingung

    18. Magga-paccaya Pfad-Bedingung

    19. Sampayutta-paccaya Verbindungs-Bedingung

    20. Vippayutta-paccaya Nicht-Verbindungs-Bedingung

    - Sahajta-vippayutta - mit Zusammen-Entstandenem

    - Purejta-vippayutta - mit Vorher-Entstandenem

    - Pacchjta-vippayutta - mit Nachher-Entstandenem

    21. Atthi-paccaya Anwesenheits-Bedingung

    - Sahajta-atthi - von Zusammen-Entstandenem

    - Purejta-atthi - von Vorher-Entstandenem

    - Pacchjta-atthi - von Nachher-Entstandenem

    - hra-atthi - Nahrungs-Anwesenheit

    - Indriya-atthi - Fhigkeits-Anwesenheit

    22. Natthi-paccaya Abwesenheits-Bedingung

    23. Vigata-paccaya Verschwundenseins-Bedingung

    24. Avigata-paccaya Nicht-Verschwundenseins-Bedingung

  • 35

    Gruppenarbeit

    Diese 24 Bedingungen arbeiten nicht einzeln, sondern zusammen in

    Gruppen. Sie kombinieren sich in neun Gruppen (mit berlappun-

    gen, d.h. einige Bedingungen haben an mehreren Gruppen teil)19:

    1. Objekt (rammaa)-Gruppe: 8 Bedingungen (Objekt, Vorherr-

    schaft, Untersttzung, entscheidende Untersttzung, Vorher-

    Entstehung, Nicht-Verbindung, Anwesenheit, Nicht-Verschwun-

    densein)20

    2. Zusammen-Entstehungs (sahajta)-Gruppe: 15 Bedingungen

    (Zusammen-Entstehung, Untersttzung, Anwesenheit, Nicht-

    Verschwundensein immer; meist auch mehrere von Gegen-

    seitigkeit, Kamma-Wirkung, Nicht-Verbindung, Verbindung;

    und gelegentlich einige wie Wurzel, Vorherrschaft, Nahrung,

    Kamma, Fhigkeit, Jhna oder Pfad)21

    3. Angrenzungs (anantara)-Gruppe: 7 Bedingungen (Angrenzung,

    Unmittelbarkeit, entscheidende Untersttzung, Wiederholung,

    Kamma, Abwesenheit, Verschwunden-Sein)

    4. Vorher-Entstehungs (purejta)-Gruppe: 6 Bedingungen (Vorher-

    Entstehung, Untersttzung, Fhigkeit, Nicht-Verbindung, An-

    wesenheit, Nicht-Verschwundensein)

    5. Nachher-Entstehungs (pacchjta)-Gruppe: 4 Bedingungen

    (Nachher-Entstehung, Nicht-Verbindung, Anwesenheit, Nicht-

    Verschwundensein)

    6. Nahrungs (hra)-Gruppe: 3 Bedingungen (Nahrung, Anwe-

    senheit, Nicht-Verschwundensein)

    19 Nach Dr. Nandamlbhivasa, Kapitel Pahna in Fundamental Abhidhamma

    (Download: http://www.abhidhamma.com/txt_Patthana.pdf) und nach dem

    Abhidhammattha Sagaha [4]

    20 Genaue Erklrungen siehe Pahna Conditional Relations von Agganyani

    (Download: http://www.abhidhamma.com/txt_Patthana_conditional_relations.pdf)

    21 Siehe Pahna Conditional Relations, Sahajta group, von Agganyani

    (Download: http://www.abhidhamma.com/txt_Patthana_Sahajata_group.pdf)

  • 36

    7. Fhigkeits (indriya)-Gruppe: 3 Bedingungen (Fhigkeit, Anwe-

    senheit, Nicht-Verschwundensein)

    8. Natrlich entscheidende Untersttzungs (pakatpanissaya)-

    Gruppe: 2 Bedingungen (entscheidende Untersttzung und

    Kamma)

    9. Kamma: 1 Bedingung (kamma)

    Meist "produzieren" die bedingenden Phnomene das Resultat

    nicht, sondern sind eine der verschiedenen ntigen Voraus-

    setzungen fr die Wirkung, oder sie untersttzen oder beeinflussen

    das Resultat nur auf die eine oder andere Art. Es ist wichtig zu

    verstehen, dass die Wirkung nicht unbedingt spter als die Ursache

    auftreten muss. Sie knnen gleichzeitig sein oder das Resultat kann

    sogar vor der Ursache entstehen. Das Pahna erklrt im Detail wie

    oder warum die Ursache ihre Wirkung bedingt, welche dhammas in

    Beziehung stehen knnen oder nicht und mit welcher bedingen-

    den Kraft.

    Die Bedingungen (paccayas) knnen auch nach der geistigen (nma)

    oder physikalischen (rpa) Natur des bedingenden und bedingten

    Phnomens gruppiert werden:

    1. Geist steht mit Geist in Zusammenhang durch die Krfte von 6

    Bedingungen: Angrenzung, Unmittelbarkeit, Abwesenheit,

    Verschwundensein, Wiederholung und Verbindung.

    2. Geist steht mit Geist & Materie in Zusammenhang durch die

    Krfte von 5 Bedingungen: Wurzel, Kamma, Kamma-Wirkung,

    Jhna und Pfad.

    3. Geist steht mit nur Materie in Zusammenhang durch die Kraft

    einer Bedingung: Nachher-Entstehung.

    4. Materie steht mit Materie in Zusammenhang durch die Kraft

    einer Bedingung: Fhigkeit (physische Lebensfhigkeit).

    5. Materie steht mit Geist in Zusammenhang durch die Kraft einer

    Bedingung: Vorher-Entstehung.

  • 37

    6. Geist, Materie, Nibbna und Konzepte (paatti) stehen mit

    Geist in Zusammenhang durch die Krfte von 2 Bedingungen:

    Objekt und entscheidende Untersttzung.

    7. Geist & Materie stehen mit Geist & Materie in Zusammenhang

    durch die Krfte von 9 Bedingungen: Vorherrschaft, Zusammen-

    Entstehung, Gegenseitigkeit, Untersttzung, Nahrung, Fhig-

    keit, Nicht-Verbindung, Gegenwrtigkeit und Nicht-Verschwun-

    densein.

    Struktur des Pahna22

    Das Pahna besteht aus zwei Hauptkapiteln (vra): dem 'kurzen

    Kapitel' und dem 'groen Kapitel'.

    Das kurze Kapitel besteht aus zwei Abschnitten: Der "Aufzhlung der

    Bedingungen" (paccayuddesa) und der "Analytischen Darlegung der

    22 Nach Dr. Mehm Hla Aung Gyi: An Introduction to Pahna, Conditional Relations,

    Pli-Myanmar Pli-English. Myanmar 1998 [33/98(4)]

  • 38

    Bedingungen" (paccayaniddesa)23, die in Krze die bedingenden und

    bedingten Phnomene fr jede der 24 Bedingungen nennt.

    Das groe Kapitel ist in vier groe Abschnitte eingeteilt, die auf alle

    24 Bedingungen angewandt werden und besteht aus "positiver" wie

    "negativer" Betrachtung, die nach unterschiedlichen Kriterien z.T. in

    Kombination auf die Matrizzen der Dhammasagha24 angewandt

    werden. Eine sehr komplexe Sache25 - und auch nur ein Bruchteil

    davon ist ins Englische bersetzt.

    Die alten Original-Pahna-Bcher [11] und die Kommentare im

    Abhidhammattha Sagaha [4] und Visuddhimagga [9] sind zwar

    sehr trocken und scholastisch, aber einige gut-ausgebildete

    Abhidhamma-Lehrer der Neuzeit haben zum Glck die Fhigkeit

    Pahna in Verbindung mit den geistigen Prozessen (vthi) oder mit

    der Lehre vom bedingten Entstehen (paiccasamuppda) zu lehren

    und die praktische Anwendung in Alltag und Meditation zu erklren,

    was sehr faszinierend sein kann und wirklich Augen-ffnend [1, 12,

    13, 14, 15].

    Zum Beispiel mssen im Geistesprozess (vthi) fr jedes Bewusstsein

    (citta), das im Prozess teilnimmt, (mindestens) vier Punkte oder

    Gruppen von Bedingungen bercksichtigt werden:

    1. Das Objekt, mit dem das Bewusstsein arbeitet, bzw. die Objekt-

    Gruppe

    2. Die (Sinnes-) Grundlage, auf der das Bewusstsein entsteht,

    bzw. die Vorher-Entstehungs-Gruppe.

    3. Das vorhergehende Bewusstsein, bzw. die Angrenzungs-

    Gruppe

    23 In Pi und deutscher bersetzung (mit kurzer Kommentierung) downloadbar:

    http://www.abhidhamma.de/txt_Patthana_Paccayaniddesa_de.pdf

    24 Erstes Buch des Abhidhamma-Piaka. Die Matrizzen (mtika) bestehen aus Zweier-

    und Dreier-Gruppen von Phnomenen oder Qualitten eines Phnomens.

    25 Eine genauere Beschreibung und Erklrung dieser Struktur findet sich in

    http://www.abhidhamma.com/txt_Patthana_conditional_relations.pdf

  • 39

    4. Die Geistesfaktoren (cetasika), die mit dem jeweiligen Be-

    wusstsein verbunden sind, bzw. die Zusammen-Entstehungs-

    Gruppe.

    Im Pahna spielt Bewusstsein sowohl auf der bedingenden als

    auch der bedingten Seite vieler Beziehungen eine wichtige Rolle. Fr

    jedes einzelne Bewusstsein in dem kontinuierlichen 'Bewusstseins-

    strom' oder in Geistesprozess mssen verschiedene Bedingungen

    zusammenkommen, um das entsprechende Bewusstsein zu erzeu-

    gen, zu untersttzen, zu erhalten oder auf irgendeine Weise zu

    beeinflussen. Eine dieser Bedingungen ist das vorhergehende

    Bewusstsein, das dem nchsten durch seine Auflsung die Gele-

    genheit gibt, zu entstehen. Die spezifische, feste Reihenfolge von

    Bewusstseinsmomenten (citta niyma) in einem Geistesprozess

    kommt aufgrund der Bedingungszusammenhnge zustande, die in

    dem Prozess arbeiten.

  • 40

    Pana- Chanting

    Whrend Paana selbst streng wissenschaftlich und rational ist,

    gehrt die allgemein bliche Praxis des Chantens des Pahna in

    Theravda-Lndern, vor allem in Myanmar, eher in den Bereich der

    Religiositt. Man glaubt, dass in der Zeit des Niedergangs und

    Verfalls der Buddha-Lehre der Abhidhamma das erste piaka sei, das

    verschwinden werde, und daraus wiederum, werde das Pahna

    zuerst verloren gehen. Deshalb bemhen sich fromme Buddhisten

    besonders um den Erhalt des Pahna, und es gibt den weit

    verbreiteten Brauch in Mnchs- und Nonnenklstern am Ende der

    Regenzeit (vassa) das gesamte Pahna zu chanten, was ungefhr

    fnf Tage und Nchte ohne Unterbrechung dauert - heutzutage mit

    Lautsprechern im Vertrauen darauf, dass es ein groer Segen fr

    jeden ist, der es hrt.

    Praxis

    Erfahrene Vipassan26-Meditierende sind fhig zumindest Teile der

    Zusammenhnge und Bedingtheiten zu erkennen, zu sehen und zu

    beobachten, eine Besttigung dessen, was der Buddha selbst

    realisiert und im Pahna niedergelegt hat. Dies geschieht erstmals

    auf der Erkenntnis-Stufe (Vipassan-a) von paccaya-parigaha-

    a, der Erkenntnis von den Ursachen und Bedingungen fr das

    Entstehen und Vergehen von Geist (nma) und Materie (rpa).

    Im Mahsatipahna-Sutta, der Lehrrede von den Grundlagen der

    Achtsamkeit, heit es deshalb bei jeder bung der vier Bereiche:

    "Die Entstehungs-Bedingungen sehend, die Auflsungs-Bedingun-

    gen sehend und beide sehend". Auch wenn es in der Praxis um

    intuitive Einsicht in diese Bedingtheit geht, so kann ein theoretisches

    Wissen des Pahna sehr ntzlich sein, um die Aufmerksamkeit ent-

    sprechend dirigieren und die eigene Erfahrung verstehen zu knnen.

    26 Einsichts-Meditation oder auch Klarblicks- oder Erkenntnis-Meditation. Siehe hierzu

    im Glossar "Vipassan", in dem auch mehr zum Mahsatipahna-Sutta erklrt wird.

  • 41

    Referenzen (Abhidhamma und Pana):

    1. http://www.abhidhamma.de (Deutsch) und

    http://www.abhidhamma.com (Englisch)

    2. http://www.abhidhamma.org/ (Englisch)

    3. Nyanatiloka: Guide through the Abhidhamma Pitaka.

    - Englisch: BPS, Kandy (http://www.bps.lk) ISBN: 978-955-24-

    0321-7 & Wisdom Publication (http://www.wisdom-

    books.com), ISBN: 955-24-03219. Download:

    http://www.abhidhamma.com/guide_Abhidhamma_pitaka.pdf

    - Deutsche bersetzung von Julian Braun: Fhrer durch den

    Abhidhamma-Pitaka. Michael Zeh Verlag, Berlin

    (http://www.zeh-verlag.de), ISBN 978-3-937972-21-3

    4. Abhidhammattha Sangaha of cariya Anuruddha.

    - A Comprehensive Manual of Abhidhamma The General

    editor: Bhikkhu Bodhi; translators: Mahthera Nrada, U

    Rewata Dhamma, U Slnanda. BPS, Kandy (http://www.bps.lk)

    & Wisdom Publications (http://www.wisdom-books.com).

    ISBN 955-24-0103-8

    - Handbuch der buddhistischen Philosophie; deutsche

    bersetzung und kurze Erklrung von Nyanatiloka. Jhana-

    Verlag; vergriffen. Zu groen Teilen online:

    http://www.abhidhamma.de/txt_abhiS_index.html

    5. Dr. Mehm Tin Mon: Buddha-Abhidhamma the Ultimate

    Science. Buddha Dharma Education Association. Download:

    http://www.buddhanet.net/pdf_file/abhidhaultsci.pdf

    6. A Survey of Paramattha Dhammas, by Sujin Boriharnwanaket,

    translated by Nina van Gorkom. Dhamma Study and Support

    Foundation, Thailand, ISBN 974-93085-6-5, oder Zolag

    (http://www.zolag.co.uk/).

    Download: http://www.abhidhamma.org/survey6.pdf

    7. Process of Consciousness and Matter, by Dr. Rewata Dhamma,

    Burmingham Buddhist Vihara, 2007 (http://www.bbvt.org.uk/),

  • 42

    Triple Gem Publications. Download: http://www.abhidhamma.

    com/Process_of_consciousness_and_matter.pdf

    8. Atthaslin, commentary by Buddhaghosa to Dhammasaga,

    the first of the seven Abhidhamma-books.

    - The Expositor, translated by Pe Maung Tin. Pali Text Society,

    ISBN 978-086013-070-3 (http://www.palitext.com)

    - Darlegung der Bedeutung, deutsche bersetzung von

    Nyanaponika. Pali Text Society, ISBN 978-086013-404-0

    (http://www.palitext.com)

    9. Visuddhimagga, by Buddhaghosa

    - The Path of Purity, translation by Pe Maung Tin, Pali Text

    Society, ISBN 978-086013-008- 8 (http://www.palitext.com)

    - The Path of Purification, translation by Bhikkhu amoli,

    Buddhist Publication Society, ISBN 955 24 0023 6

    (http://www.bps.lk)

    - 'Der Weg zur Reinheit', deutsche bersetzung von

    Nyanatiloka. Zuletzt Jhana-Verlag; vergriffen. Grtenteils

    online verfgbar: http://www.palikanon.com

    10. Guide to Tipiaka, by U Ko Lay.

    - Englisch: Buddha Dharma Education Association Inc. (1986).,

    Download: http://www.buddhanet.net/pdf_file/tipitaka.pdf

    - Deutsche bersetzung: Fhrer zum Tipiaka. Herausgeber:

    Theravada-Netz der DBU (2007), ISBN 978-3-9804620-7-5

    (http://wwww.theravadanetz.de)

    11. Conditional Relations (Pahna), Vol. I and II (192/1993)-

    (translation of part of the Tikapahna only), and Guide to

    Conditional Relations, Part I and II (1979), translated by U

    Nrada Mla Pahna Sayadaw. Pali Text Society, ISBN 978-

    086013-028-2, 978-086013-264-1, and 978-086013-198-X

    (http://www.palitext.com)

    12. The Conditionality of Life, by Nina van Gorkom. An Outline of

    the Twenty-Four Conditions as taught in the Abhidhamma

  • 43

    (2010). Zolag, ISBN 978-1-897633-26-7

    (http://www.zolag.co.uk/). Ebook:

    http://www.abhidhamma.org/Patthana%201.htm

    13. The Buddhist Philosophy of Relations - Pahnuddesa Dpan,

    by Ledi Sayadaw, Buddhist Publication Society (1986), The

    Wheel Publication No. 331/338 (http://www.bps.lk)

    14. http://patthana.blogspot.com/ - Audio-files from Pahna-

    courses by Sayadaw Dr. Nandamlbhivasa, Pahana Pi

    chantings and Dhamma study notes (2007)

    15. Patthana Dhamma, by Htoo Naing (2005). Ebook:

    http://www.wisdomlib.org/buddhism/book/patthana-dhamma/

  • 44

    Glossar einiger wichtiger Begriffe

    Dhamma/dhamma

    Dhamma (Pi) oder Dharma (Sanskrit) im Singular bezeichnet meist

    die Lehre des Buddha, die Wahrheit oder Naturgesetzmigkeit, die

    er entdeckte, zur Befreiung nutzte und lehrte.

    Dhamm oder dharm im Plural, oft eingedeutscht als "dhammas",

    meint je nach Kontext meist Phnomene, Erscheinungen, Dinge,

    Erfahrungen, Daseinsfaktoren, Bedingungen, Realitten oder Wirk-

    lichkeiten.

    Die bedingten Phnomene (sakhata dhamm) haben drei Merk-

    male oder Charakteristika:

    1. Unbestndigkeit (anicca): Sie sind unbestndige und flchtige

    Phnomene, die entstehen und sofort wieder vollstndig vergehen.

    2. Leiden (dukkha): Aufgrund ihrer Flchtigkeit, Instabilitt und

    Verantwortlichkeit fr Leiden haben sie alle die Natur von dukkha,

    d.h. sie sind unbefriedigend, unzulnglich und unvollkommen.

    3. Nicht-Selbst (anatta): Sie sind leer von einem "Ich" oder einer

    dauerhaften Entitt, die Ich, Ego, Selbst oder Seele genannt werden

    knnte. Dieses dritte Merkmal trifft auch auf Nibbna zu, die unbe-

    dingte Realitt (asakhata dhamma).

    Unter "dhammas" werden meist speziell die letztendlichen Wirk-

    lichkeiten (paramattha dhamm) verstanden, deren Eigenschaften

    immer dieselben sind, sich nie ndern, whrend die dhammas selbst

    nur fr einen Moment existieren. Diese materiell-physikalischen

    oder geistigen Wirklichkeiten sind genau das, was man direkt mit

    einem seiner sechs Sinne (einschlielich dem Geist) erfahren kann.

    Das beobachtete Objekt sowie der beobachtende Geist (Subjekt) ist

    flchtig und ohne Selbst. Nur leere Phnomene blitzen auf und leere

    Prozesse laufen ab.

  • 45

    Die dhammas werden im Abhidhamma in grtmglichem Detail

    gelehrt, und sie knnen direkt erfahren werden, mit Einsichtsmedi-

    tation (Vipassan) durchdrungen und intuitiv verstanden werden,

    was die Kraft hat den Geist zu transformieren und zu befreien.

    Vipassan27

    Vipassan (Pi) oder vipayan (Sanskrit) bedeutet Einsicht, klares

    oder durchdringendes Sehen. Sie ist eine Meditationsart (bhvan),

    die einzig im Buddhismus vorkommt. Generell knnen in der Lehre

    des Buddha zwei Arten von Meditation unterschieden werden: Die

    Konzentrations- oder Ruhe-Meditation (samatha-bhvan) und die

    Einsichts-Meditation (vipassan-bhvan).

    In der Samatha-Meditation wird Konzentration (samdhi) betont

    und ist der fhrende Faktor. Ihr Ziel ist es, tiefe Konzentrations-

    zustnde hervorzurufen und den Geist zu beruhigen dies ge-

    schieht durch die temporre Beseitigung oder Unterdrckung der

    geistigen Hindernisse (nvaraa), was zu Ruhe, Entspannung, die

    Sinne bersteigendes Glcksgefhl und Geistesfrieden fhrt. Die

    hchsten erreichbaren Zustnde sind die verschiedenen meditativen

    Vertiefungen (jhna), feinstoffliche und immaterielle, oder sogar

    auergewhnliche Geisteskrfte und hheres Wissen (abhi).

    Dagegen wird in der Vipassan-Meditation Weisheit (pa)

    bevorzugt und ist der fhrende Faktor. Sie zielt auf nichts Geringeres

    ab als die irreversible Beendigung von Leiden (dukkha), dauerhafte

    Befreiung und volle Erleuchtung, das Erlangen von Nibbna.

    Passan heit Sehen oder im bertragenden Sinn Erfahren oder

    Erkennen. Der Prfix 'vi' meint speziell, unterschiedlich, auf andere

    Art und Weise. Vipassan bedeutet also ein Objekt anders als

    normal zu sehen. Normalerweise sehen oder verstehen wir Dinge

    falsch, nmlich als Konzepte, und sehen nur die Oberflche. Aber 27 Fr eine leichtverstndliche, ausfhrlichere Beschreibung siehe "Samatha und

    Vipassan. Konzentrations- und Einsichtsmeditation" von Ashin Dr.

    Nandamlbhivasa: http://www.abhidhamma.de/Samatha_Vipassana_ebook_de.pdf

  • 46

    Konzepte eignen sich nur als Objekte fr die Samatha-Meditation.

    Mit Vipassan dringen wir vor zur wahren Natur von was immer wir

    beobachten oder sehen, d.h. wir verstehen die Dinge wie sie wirklich

    sind. Vipassan braucht eine Menge Achtsamkeit (sati) um den Geist

    zu schrfen und im gegenwrtigen Moment zu sein, direkt mit der

    entsprechenden Erfahrung. Das Objekt von Vipassan ist immer eine

    letztendliche Realitt (paramattha-dhamma), entweder eine mate-

    rielle, physikalische, oder eine geistige, aber niemals ein Konzept

    (paatti).

    Letztendliche Realitten oder Wirklichkeiten sind Phnomene, die

    direkt und intuitiv mit unseren sechs Sinnen (einschlielich dem

    Geist als sechstem Sinn, der geistige Objekte wahrnimmt, z.B.

    Erinnerungen, Ideen, Gedanken, usw.) erfahren werden knnen. In

    Vipassan beobachten wir sie und erkennen ihre spezifischen, indi-

    viduellen Charakteristika (sabhva-lakkhaa), die typisch, offensicht-

    lich und eindeutig fr sie sind, und durch die man sie unterscheiden

    und wiedererkennen kann. Dies ist ntig um ein einzelnes Phno-

    men klar zu erfassen.

    Der nchste Schritt zur Einsicht ist, das Objekt der letztendlichen

    Wirklichkeit bis zu den universellen Charakteristika (smma-

    lakkhaa) zu durchschauen, d.h. der Eigenschaft, der Natur, die allen

    letztendlichen Wirklichkeiten gemein ist. Und dies sind Unbestn-

    digkeit (anicca), Leiden oder Unzulnglichkeit (dukkha) und Nicht-

    Selbst (anatta).

    Eine notwendige Grundlage fr Vipassan ist erstens die Reinigung

    der Ethik oder Sittlichkeit (sla-visuddhi) und zweitens die Reinigung

    des Geistes (citta-visuddhi) durch Konzentration. Erst dann kann das

    Training der Weisheit (pa) oder Einsicht (vipassan) beginnen.

    Die Vipassan-Praxis ist am Besten im "Mahsatipahna-Sutta"28

    und dessen Kommentaren beschrieben. Dort werden vier Grundla-

    gen oder bungsbereiche der Achtsamkeit gelehrt und die zuge- 28 Das Sutta ist zweimal in Pikanon enthalten: Lngere Sammlung (Dghanikya),

    D 22, und Mittlere Sammlung (Majjhimanikya) M 10

  • 47

    hrigen Betrachtungen oder Kontemplationen, wrtlich "wiederhol-

    tes Sehen" (anupassan):

    1. Kontemplation des Krpers (kya), oder allgemeiner der physi-

    kalischen Phnomene (rpa)

    2. Kontemplation des Gefhls (vedan)

    3. Kontemplation des Geistes oder des Bewusstseins (citta)

    4. Kontemplation der dhammas, der geistigen Objekte oder all-

    gemeiner der Phnomene, die meist andere letztendliche

    Realitten sind als bereits erwhnt, oder noch einmal in einem

    anderen Zusammenhang betrachtet werden.

    In jedem der vier Abschnitte wird eine Vielzahl von bungen gege-

    ben. Wie ein Refrain wird immer wiederholt, wie und zu welchem

    Zweck kontempliert werden soll:

    "eifrig (tpi), wissensklar (sampajaa) und achtsam (satima)

    Anhaftung (abhijj) und Kummer (domanassa) bezglich der Welt

    berwindend", und "die Entstehungs-Bedingungen sehend, die Auf-

    lsungs-Bedingungen sehend und beide sehend"; "innerlich, uer-

    lich und beides".29

    Bevor sich die Meditation wirklich zu Vipassan wendet sind zwei

    vorbereitende Einsichten ntig:

    1. Unterscheidendes oder analytisches Wissen ber Geist und

    Materie (nmarpa pariccheda a)

    2. Wissen oder Verstehen der Bedingungen fr das Entstehen

    und Vergehen von Geist und Materie (paccaya parigaha a)

    Nach dieser Einsicht treten die Charakteristika von anicca, dukkha,

    anatta klar in Erscheinung und mssen kontempliert werden. Neun

    Stufen von noch weltlichem Einsichtswissen folgen, die durch

    verschiedene Erfahrungen zu Ernchterung, Desillusionierung und

    29 Fr einen systematischen berblick ber das Mahsatipahna-Sutta siehe:

    http://www.abhidhamma.de/txt_Ueberblick_Satipatthana_Nandamala.pdf

  • 48

    Gleichmut fhren.30 Abhngig von der individuellen Persnlichkeit

    wird eines der drei Merkmale deutlicher und klarer hervortreten.

    Dieses sollte dann intensiv als aniccnupassan, dukkhnupassan

    bzw. anattnupassan kontempliert werden. Wenn Nibbna

    erfahren wird, zeigt es sich folgerichtig als zeichenlos (animitta),

    wunschlos (appaihit) oder leer (suat). Entsprechend werden

    verschiedene Arten von Erlsung (vimokkha) und Befreiung gelehrt.

    Durch feine Unterschiede der Aspekte und Erscheinungen, werden

    insgesamt 18 Kontemplations-Arten als "groe Einsichten (mah-

    vipassan)" im Paisambhidmagga und Visuddhimagga gelehrt.

    Anicca - Unbestndigkeit

    Anicca (Pi) oder anitya (Sanskrit) ist Unbestndigkeit, Vergnglich-

    keit oder Flchtigkeit. Nach der buddhistischen Lehre und insbe-

    sondere dem Abhidhamma sind alle Phnomene, physikalische wie

    geistige, nur momentan und flchtig, sie entstehen und vergehen.

    Diese Unbestndigkeit ist in den alten Texten definiert:

    "Sie (die Phnomene) entstehen, ohne zuvor gewesen zu sein.

    Kaum entstanden, vergehen sie fr immer."

    Anicca ist nicht die langsame Vernderung der Dinge, die man beo-

    bachten kann. Es ist das stndige, rasend schnelle Entstehen und das

    sofortige Ende der Phnomene, das nur von einem gut trainierten,

    scharfen Geist in der Vipassan-Meditation wahrgenommen werden

    kann. Nach den uralten Abhidhamma-Kommentaren findet das Ent-

    stehen und Vergehen in der rasanten Geschwindigkeit von mehr als

    1.000 Billionen mal in einem Augenblinzeln statt. In anderen Worten

    ist die Lebensspanne der Phnomene krzer als der 1.000-Billionste

    Teil einer Sekunde.

    30 Siehe "Der Weg zur Reinheit" (Visuddhimagga), Path of Discrimination

    (Paisambhidamagga), Abhidhammattha Sangaha, sowie Erklrungen diverser

    Meditationsmeister wie Mahsi Sayadaw, Pa Auk Sayadaw, u.a. (Zhlweise manchmal

    unterschiedlich).

  • 49

    In der Lehre des Buddha wird die Flchtigkeit und stndige Erneu-

    erung der Phnomene mit einem Tautropfen beim Sonnenaufgang,

    einer Blase auf dem Wasser, einer auf Wasser gezeichneten Linie,

    oder einem aufleuchtenden Blitz verglichen.

    Anicca ist eines der drei universellen Merkmale der Existenz, eine

    Charakteristik aller bedingten Phnomene (sakhra) - oder in Abhi-

    dhamma-Begriffen, aller letztendlichen Wirklichkeiten (paramattha-

    dhamma) auer Nibbna. Fr Vipassan, heit es, ist es definitiv

    notwendig sein Meditationsobjekt, aber auch das eigene, beo-

    bachtende Bewusstsein (das Subjekt) zu durchdringen und deren

    Unbestndigkeit (anicca) zu realisieren. Nur dann kann der Stufen-

    weg der Einsichten (vipassan-a) erfolgreich weitergegangen

    werden, der zu Ernchterung, Gleichmut und letztlich Befreiung des

    Geistes fhrt.

    Die Kontemplation der Unbestndigkeit (aniccnupassan) ist eine

    der drei Hauptmethoden der Einsichtsmeditation. Sie lst die

    geistige Verdrehtheit von Bestndigkeit auf, denn es gibt nur mehr

    Anzeichen von Unbestndigkeit. Nibbna erscheint dann durch

    seinen zeichenlosen Aspekt, d.h. man erkennt, dass Nibbna nicht

    das Merkmal und diese Anzeichen von Unbestndigkeit hat, und die

    Praxis fhrt zu zeichenloser Erlsung (animitta-vimokkha) mit

    Vertrauen oder Glauben (saddh) als Tor zur Befreiung.

    Dukkha - Leiden, Unzulnglichkeit31

    Dukkha (Pli) oder duhkha (Sanskrit) ist ein Schlssel-Begriff und

    eine -Wahrheit im Buddhismus und wird meist mit Leiden bersetzt.

    Abhngig vom Kontext ist dukkha entweder direktes Leiden, inh-

    rentes Leiden, fr Leiden verantwortlich, ein unangenehmes Gefhl,

    ein krperlich schmerzhaftes Gefhl, oder unbefriedigend, unzu-

    lnglich, unvollkommen. 31 Eine ausfhrlichere, wissenschaftliche Abhandlung zum Thema "Dukkha. Dukkha-

    Gefhl und universelle dukkha-Natur" von Agganyani findet sich auf

    http://www.theravadanetz.de/txt_Dukkha_Natur.pdf

  • 50

    Der Buddha erklrte Leiden in der ersten edlen Wahrheit: "Geburt ist

    Leiden, Altern, Krankheit, Tod ist Leiden, Zusammensein mit Unlieben

    ist Leiden, Getrenntsein von Lieben ist Leiden, nicht zu bekommen,

    was man sich wnscht, ist Leiden, in Krze, die fnf Anhaftungs-

    gruppen sind Leiden."32 Diese Arten von Leiden sind offensichtlich

    und unvermeidbar; alle Wesen werden mit ihnen konfrontiert. Aber

    der Buddha durchschaute Leiden und fand seine Ursache heraus, die

    er in der zweiten edlen Wahrheit lehrte: Durst oder Begehren (tah).

    Die dritte edle Wahrheit erklrt das Ende des Leidens durch das voll-

    stndige Ende von Begehren, die Befreiung. Und schlielich lehrt die

    vierte edle Wahrheit den praktischen Weg, wie durch die Befolgung

    des edlen achtfachen Pfades Begehren beendet und die Freiheit von

    Leiden erlangt werden kann.

    Dukkha im Zusammenhang mit Gefhlen (vedan) bezeichnet das

    krperlich unangenehme oder schmerzhafte Gefhl. Insgesamt

    lehrte der Buddha fnf Gefhle, die nicht mit Emotionen verwechselt

    werden drfen, denn diese sind schon Reaktionen auf die primren

    Gefhle oder Empfindungen. Wenn nur drei Gefhle erwhnt sind,

    steht dukkha fr unangenehmes krperliches wie geistiges Gefhl,

    d.h. Schmerz und Unglck.

    Dukkha ist aber auch eines der drei universellen Daseinsmerkmale.

    Hierbei und auch im Kontext der Einsichts-Meditation (Vipassan) ist

    dukkha die unbefriedigende, unvollkommene und unzulngliche

    Eigenschaft aller Formationen, aller bedingenden und bedingten

    Phnomene (sakhra) und auch aller weltlichen Erfahrungen. Die

    intuitive Einsicht in diese Eigenschaft fhrt zu Ernchterung und

    Loslassen und richtet den Geist auf die Suche nach Nibbna aus, das

    alleine nicht die Natur von dukkha hat, sondern ganz im Gegenteil

    hchste Seligkeit und wahres Glck ist.

    Alle geistigen und materiellen Phnomene haben die innere Natur

    von dukkha entsprechend mindestens zweier der drei im Pikanon

    definierten Arten von dukkha:

    32 Dhammacakkappavattana-Sutta, Sayutta-Nikya, S 56, 11

  • 51

    1. Dukkha-dukkha: Einige Phnomene sind ganz offensichtlich

    schmerzhaft und selbst direktes Leiden (wie z.B. Verletzungen,

    Kopfschmerzen, Sorgen, Angst, usw.)

    2. Viprinma-dukkha: Alle Phnomene haben die Natur von

    Unbestndigkeit (anicca), so dass sie nicht dauerhaft befriedi-

    gen knnen. Auch Glcksgefhle, Freude und erwnschte

    Emotionen werden sich verndern, auflsen und enden. Es ist

    nicht mglich sie zu kontrollieren oder bestndig zu machen.

    3. Sakhra-dukkha: Alle Phnomene sind durch einige andere

    Phnomene bedingt, die selbst unbestndig und auch bedingt

    sind. Das Netzwerk von Bedingungen muss harmonisch zu-

    sammenarbeiten um gemeinsam ein Phnomen als Resultat zu

    erzeugen. Man hat keine Macht ber das Resultat oder kann

    das resultierende, bedingte Phnomen nicht kontrollieren - es

    entsteht und vergeht entsprechend seiner eigenen Naturge-

    setzmigkeit.

    In der Einsichtsmeditation (Vipassan) zu dieser Wahrheit durchzu-

    dringen, fr jedwedes bedingte Objekt, das der Geist ergreift, und

    auch fr das Subjekt, den eigenen Geist, fhrt zu Ernchterung und

    letztlich statt Zuneigung und Abneigung zu Gleichmut (upekkh),

    einer Gelassenheit und Parteilosigkeit gegenber diesen bedingten

    Objekten, was sakhrupekkha-a genannt wird, Erk