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Panorama
27. August 2012 12:28 Amish-Prozess in Ohio
Zwangsrasur und Sex zurTeufelsaustreibungMit drakonischen Maßnahmen soll der religiöse Führer einer Amish-Gemeinde
gegen Zweifler und Abtrünnige vorgegangen sein: Verheiratete Frauen soll er
zum Sex gewungen haben, abtrünnigen Glaubensbrüdern wurden die Bärte
abgeschnitten. Dafür stehen von heute an 16 Amish-Mitglieder vor Gericht.
Die "Racheengel" wecken Myron Miller und seine Frau aus dem Tiefschlaf. Fünf bis
sechs Männer mit langen Bärten und Hüten stehen im Schein der Petroleumlampe
vor der Tür - bewaffnet mit Scheren und batteriebetriebenen Rasierern. Sie reißen
Miller hinaus in die Dunkelheit und schneiden ihm das Heiligste ab, was er am
Körper trägt: seinen langen schwarzen Bart. So schilderte er es zumindest der New
York Times.
Die Zwangsrasur ist die größte Demütigung für einen bibeltreuen Amish wie Miller.
Nach der Tat schaltete sich sogar das FBI in den "Bartkrieg" ein. Jetzt müssen sich
16 Mitglieder der christlichen Gemeinde wegen religiöser "Hassverbrechen" vor
Samuel Mullet, religiöser Führer einer Amish-Gemeinde in Bergholz, Ohio, soll mitdrakonischen Strafen gegen Zweifler vorgegangen sein. (Foto: AP)
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einem Gericht in Cleveland verantworten. Solche Straftaten aus ethnisch oder
religiös motiviertem Hass werden in den Vereinigten Staaten besonders streng
geahndet. Den Angeklagten droht lebenslange Haft.
Sie gehören zu dem größten Amish-Clan des Landes, der von Bischof Sam Mullet
regiert wird. Der 67-jährige soll seine Gefolgsleute - unter ihnen auch seine Söhne -
angestiftet haben, im Herbst vergangenen Jahres mindestens fünf Glaubensbrüder
und -schwestern wegen mangelnder Folgsamkeit mit Zwangsrasuren von Bärten
und Kopfhaar abzustrafen.
Der Bischof soll die 120-köpfige Bergholz-Gemeinde in Ost-Ohio nach Angaben der
Bundespolizei FBI wie ein Sektenführer im Griff haben. Mullet habe auch Sex mit
verheirateten Frauen gehabt, um sie "vom Teufel zu reinigen", zitierte die New York
Times aus einer eidesstattlichen Zeugen-Erklärung. Unfolgsame habe er demnach
geschlagen oder gezwungen, in einem Hühnerkäfig zu schlafen. Wer ihm
widersprach, wurde exkommuniziert.
Bei den "Scherenopfern" handelt es sich um Amish-Geistliche, die sich gegen diese
Exkommunikation aufbegehrt hatten, aber auch Glaubensbrüder, die Familien
halfen, der Bestrafung durch Mullet zu entkommen. "Der Bart ist das
Schlüsselsymbol der männlichen Amish-Identität", sagt der Soziologe Donald
Kraybill vom Elizabethtown College in Pennsylvania.
Haare dürfen nicht geschnitten werden
In der christlichen Religionsbewegung, die ihre Wurzeln in der Täuferbewegung des
16. Jahrhunderts hat, stehen die Haare auch für den Familienstand. Mit dem
Zeitpunkt der Heirat dürfen Männer ihre Bärte - ausgenommen davon ist der
Oberlippenbart - und Frauen ihr Kopfhaar nicht mehr schneiden.
Die Amishen spalteten sich im Jahre 1693 unter Führung des Schweizer Bischofs
Jakob Ammann von den Mennoniten ab. In Europa waren sie immer wieder religiös
motivierter Verfolgung ausgesetzt. Ihre Mitglieder emigrierten seit Anfang des 18.
Jahrhunderts - meist aus dem Südwestdeutschen oder der Schweiz - in die USA.
Heute leben nach Medienberichten etwa 250.000 Amishe in den USA, davon der
Großteil in Ohio und Pennsylvania.
Die Öffentlichkeit meiden sie, soweit es geht. Streitigkeiten regeln sie lieber unter
sich. Doch diesmal riefen die Amishen um Hilfe: "Wir wollen diese Täter hinter
Gittern sehen", erklärte Miller der New York Times. Plädiert haben alle 16 auf "nicht
schuldig". Sie befinden sich gegen Kaution auf freiem Fuß.
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