1 ver.di- kreisdelegiertenkonferenz offenbach 12. september 2006 herzlich willkommen
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Ver.di- Kreisdelegiertenkonferenz Offenbach
12. September 2006
Herzlich willkommen
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Was will die Initiative Mindestlohn?
Arbeit darf nicht arm machen– deshalb fordern ver.di und NGG gemeinsam die
Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns– mit 7,50 € beginnen und schrittweise auf 9 € erhöhen
Vollzeiterwerbsarbeit muß eine unabhängige Existenzsicherung und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen
– auch dort, wo das tarifpolitisch nicht durchzusetzen ist
Ein gesetzlicher Mindestlohn kurbelt die Binnennachfrage an und es entstehen neue Arbeitsplätze
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Die Anzahl der Millionäreist im Jahr 2002um 25.000 auf755.000 gestiegen.
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Verteilung wird zum Problem:
Armut nimmt zu - Reichtum auch!– (2. Armutsbericht der Bundesregierung 2005)
13,5% der Bevölkerung lebten 2003 unter der Armutsgrenze - 1,5 Prozentpunkte mehr als 1998
gleichzeitig wuchs der Anteil der oberen 10% Vermögensbesitzer am gesamten Nettovermögen um 2,4%
zunehmende Spaltung der Erwerbseinkommen
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Umverteilung – immer weiter?Veränderungen gegenüber dem Vorjahr
26 Mrd. €
32 Mrd. €
42 Mrd. €
2 Mrd. €
40 Mrd. €
-6 Mrd. €-10
0
10
20
30
40
50
Mil
liar
den
Eu
ro
Volkseinkommen
Arbeitnehmerentgelte
Gewinn- und Vermögenseinkommen
2005 2006
2006
2006 2005
2005
Quelle: 2005: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung; Prognose für 2006: Jahreswirtschaftsbericht 2006.
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Einbruch der Gewinnsteuern Steuereinnahmen in Mrd. €
23,6
8,6
27,0
24,523,5
23,2
13,5
20,9 14,010,8
-0,4 2,9
2000 2001 2002 2003
Kapitalertrag-steuer
Gewerbe-steuer
Körperschaft-steuer
Quelle: Bundesfinanzministerium, Steuerschätzung Mai 2003
64,1
45,0
40,4
ver.di BundesvorstandBereich Wirtschaftspolitik
42,6
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9
Das Märchen vom Hochlohnland:
Niedrig- und Armutslöhne trotz Vollzeitarbeit nehmen zu
Definition:
Niedriglöhne (weniger als 2.163 €) beziehen– fast 60% der Erwerbstätigen im Osten– 25% der Erwerbstätigen im Westen
Armutslöhne (weniger als 1.442 €) beziehen– fast 30% der Erwerbstätigen im Osten– 12% der Erwerbstätigen im Westen
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Marsch in den LohnsteuerstaatEntlastung der Gewinne und Vermögen
13%
18%
23%
28%
33%
38%
1977
1978
1979
1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
An
teil
an
de
n S
teu
ere
inn
ah
me
n
Gewinn- und Vermögenssteuern *)
Lohnsteuer
*) Körperschaftsteuer + Gewerbesteuer + veranlagte Einkommensteuer + Kapitalertragsteuer + Zinsabschlagsteuer + VermögensteuerQuelle: Volkwirtschaftliche Gesamtrechnungen, Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen
ver.di BundesvorstandBereich Wirtschaftspolitik
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Wer arbeitet im Niedriglohnsektor?
Besonders betroffen sind Beschäftigte– in Dienstleistungsbranchen– in Kleinbetrieben
Frauen– Anteil ist bei Frauen doppelt so hoch wie bei Männern– Friseurin in Sachsen im ersten Jahr nach der Berufsausbildung > 615,-€
– Floristin Sachsen-Anhalt 959,-€ im Monat
– Arzthelferin Westdeutschland 1.309,-€Zusätzlich:
Teilzeitbeschäftigte (57%)
13
100,0(4.175)
100,0(2.138)
Alle(in Mill. Personen)
73,166,5Keine einfache Tätigkeit
60,865,3Alter 30 Jahre und darüber
64,361,6Mit Berufsausbild. (ohne Abitur)
52,426,04,4
63,022,416,6
Dienstleistungsbereich Handel und Verkehr haushaltsb. Dienstleistungen
49,845,3
71,364,8
Geschlecht: Frau dar. deutsche Frauen
62,222,0
80,945,3
Kleinbetrieben bis 99 Beschäftigte 9 Beschäftigte
PrekärlöhnerArmutslöhnerBeschäftigungsmerkmale
Quelle: WSI
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Branchen mit hohem Anteil an Niedriglohnbeschäftigten
76% 75%72%
40%
33% 33% 32%
SonstigeDienstleistungen
Private Haushalte Gastgewerbe Landwirtschaft undFischerei
Ernährungsgewerbe,Tabakverarbeitung
Einzelhandel Dienstleistungen fürUnternehmen
Niedriglöhne sind besonders verbreitet bei Dienstleistungstätigkeiten. Rund drei Viertel der Beschäftigten im Gastgewerbe, in privaten Haushalten oder sonstigen Dienstleistungen wie Friseurhandwerk oder Bewachungsgewerbe arbeiten für Niedriglöhne. Auch im Einzelhandel erhalten ein Drittel der Beschäftigten nur einen Niedriglohn.Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigtenpanel / IAT
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Bezieher/innen von Niedriglöhnen(knapp 6,9 Millionen)
Vollzeit-beschäftigterund 3 Mio.=
43%
sozialversicher.-pflichtige Teilzeit-beschäftigte rund
1,4 Mio = 21%
geringfügig Beschäftigte rund
2,5 Mio = 36%
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Hartz IV führt zu weiterer Verarmung!
Verschärfung der „Zumutbarkeitsregelung“– Löhne unterhalb des Tarifniveaus sind zumutbar
einzige Bremse nach unten: die „Sittenwidrigkeit“– ab 30% unter Tarif oder unter „ortsüblichem Lohn“
Tarifautonomie wird dadurch de facto ausgehebelt– Beispiel Bewachungsgewerbe Thüringen: 4,26 € minus
30% = 3 €
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Niedriglöhne gegen Arbeitslosigkeit?
Entwicklung ist gewollt– Begründung: Niedriglöhne sind kein Problem, sondern
die Lösung des (Arbeitslosigkeits-)Problems Hans-Werner Sinn:
– „Jeder, der Arbeit sucht, findet Arbeit, wenn man nur zuläßt, daß der Lohn weit genug fällt ...“
Wenn Löhne nicht zum Leben reichen - kein Problem! Staatliche Transferleistungen helfen aus (Kombi-Lohn)
Tatsächlich führt Lohnsenkung zu mehr Arbeitslosigkeit
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Die reichsten0,5 Prozentder Deutschen besitzenein Vierteldes gesamtenGeldvermögens.
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Warum gesetzlicher Mindestlohn? Tarifpolitik allein reicht nicht!
Tarifpolitische Strategien - wie Verbesserung der AVE oder Ausweitung des Entsendegesetzes - lösen nicht das Problem, denn wichtige Voraussetzungen fehlen
– flächendeckende Tarifverträge– existenzsichernde Löhne in Tarifverträgen
Rückläufige Tarifbindung und tariffreie Zonen
Tarifbereiche mit niedrigen Tarifvergütungen, „tarifschwache Zonen“
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Tarifbindung 1998-2003
70
54
76
63
21
95
92
80
78
76
74
73
70
68
68
68
65
35
47
52
49
43
55
54
42
49
25
56
41
98
77
88
99
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Gebietsk./Sozialv.
Bergbau/Energie
Kredit/Versicherung
Baugewerbe
Grundstoffverarbeitung
Verbrauchsgüter
Investitionsgüter
Verkehr/Nachrichten
Insgesamt
Handel/Reparatur
Org. ohne Erwerbszweck
Landwirtschaft u.a.
sonstige Dienste
Dienste für Unternehmen
West Ost
Tarifbindung in Deutschland
nach Sektoren 2003
(Beschäftigte in %)
Quelle: WSI
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Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948: „Recht auf eine angemessene + befriedigende Entlohnung, die
eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert“.
EU Sozialcharta:Minimum 60% des Nettolohns = prinzipiell die Grenze nach unten Wenn Land Garantie von angemessener Lebensstandard
nachweist, dann = 50% absolute Untergrenze
Realität anders: 50% nur in 3 Ländern der EU erreicht
Mit 7,50 € in Deutschland 45% des Durchschnittlohns Mit 9,- € wären es 54%
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Warum 7,50? Beispielrechnung für Mindestlohn (2003)
Durchschnittlicher Bruttoverdienst 2.884Keine Armutslöhne:50% des Vollzeitlohns 1.442Netto 1.012Pfändungsfreigrenze für Erwerbstätige 985Sozialhilfe 639
Erfasste ArbeitnehmerInnen:Bei 1.442 € 3,4 MioBei 1.250 € 2,4 Mio
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Abbildung 3: Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor (2000)*
19,4%
18,7%
16,6%
16,0%
15,7%
15,6%
15,6%
15,1%
12,2%
11,2%
10,9%
10,8%
9,7%
8,6%
0,0% 5,0% 10,0% 15,0% 20,0% 25,0%
Großbritannien
Irland
Niederlande
Griechenland
Deutschland
Spanien
Frankreich
EU (13)
Belgien
Österreich
Portugal
Finnland
Italien
Dänemark
* Alle Beschäftigten mit mindestens 15 Wochenstunden, die weniger als 2/3 des nationalen Median-Lohns verdienen
Quelle: Europäische Kommission (2004: 168)
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Dienstleistungsrichtlinie braucht gesetzlichen Mindestlohn
Das Herkunftslandprinzip hätte dem Lohn-, Sozial- und Umweltdumping in Europa Tür und Tor geöffnet.
Die Dienstleistungsrichtlinie ist noch nicht endgültig. Weitere Entwürfe können hinter des erreichten Stand zurückfallen.
Die Entsenderichtlinie erlaubt es, die im Gastland geltenden Mindeststandards und Mindestlöhne für die entsandten Arbeitnehmer/innen verpflichtend zu machen.
Mit dem gesetzlichen Mindestlohn wäre sichergestellt, daß die Dienstleistungsrichtlinie nicht zu mehr Druck auf deutsche Löhne führt.
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Europäische Erfahrungen
In den meisten europäischen Nachbarstaaten gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn - mit positiven Erfahrungen
– ist nicht schädlich für die Beschäftigung– Lohnspreizung wurde reduziert– Lohndiskriminierung von Frauen wurde reduziert
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Abbildung 2: Gesetzliche Mindestlöhne pro Stunde in Euro (Stand: Januar 2006)
8,69
8,03
7,96
7,65
7,48
7,36
3,86
3,78
3,35
3,03
2,62
1,58
1,35
1,32
1,00
0,99
0,92
0,67
0,52
0,47
4,25
0,00 1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00 7,00 8,00 9,00 10,00
Luxemburg
Frankreich
Niederlande
Irland
Belgien
Grossbritannien
Griechenland
Spanien
Malta
Slowenien
Portugal
Tschechien
Polen
Ungarn
Slowakei
Estland
Litauen
Lettland
Rumänien
Bulgarien
USA
Gesetzlich festgelegter Stundenlohnsatz: Luxemburg, Frankreich, Großbritannien, Irland, USA (bei Großbritannien und USA umgerechnet zum Wechselkurs vom 16.1.2006)
Berechneter Stundensatz auf der Grundlage folgender Wochenarbeitszeiten: 40 Stunden: Griechenland, Malta, Slow enien, Ungarn, Polen, Estland, Litauen, Lettland, Bulgarien, Rümänien; 39 Stunden: Slow akei; 38,5 Stunden : Spanien, Portugal; 38 Stunden : Belgien, Tschechien; 37-Stunden : Niederlande. Bei Spanien und Portugal w urden die Werte auf der Grundlage der
obligatorischen 14 Monatsgehälter berechnet.
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Abbildung 4: Monatliche gesetzliche Mindestlöhne in % der durchschnittlichen Monatslöhne in der Industrie und den Dienstleistungen (2004)
50,0%
49,6%
49,0%
46,4%
46,1%
44,1%
41,0%
40,7%
40,7%
39,1%
38,8%
38,5%
37,9%
37,7%
35,1%
34,4%
34,1%
32,9%
32,4%
0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0%
Irland
Luxemburg
Malta
Belgien**
Niederlande
Slowenien
Bulgarien
Portugal
Ungarn
Lettland
Tschechien
Litauen
Grossbritannien
Spanien
Polen
Rumänien
Slowakei
USA
Estland*
* 2003; ** 2002
Quelle: Europäische Kommission
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Länder ohne gesetzlichen Mindestlohn
Skandinavien– hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad
Österreich– hohe Tarifbindung durch Pflichtmitgliedschaft der
Unternehmen in der Wirtschaftskammer Italien
– hohe Tarifbindung abgesichert durch Verfassung Deutschland
– kein funktionaler Ersatz
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Verfahren zur Festlegung und Anpassung
Rein politische Entscheidung (USA)
Politische Entscheidung mit institutionalisierten Konsultationen von Arbeitgebern und Gewerkschaften (Großbritannien, Irland, Spanien, Portugal)
Ergebnis von nationalen Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften (Belgien, Griechenland)
Indexierung des Mindestlohns an die Preis- und/oder Lohnentwicklung sowie politische Entscheidung mit institutionalisierten Konsultationen (Frankreich, BeNeLux-Staaten)
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Ist Kombi-Lohn die bessere Lösung?
Kombi-Löhne ermöglichen Lohn-Dumping, setzen das gesamte Lohngefüge unter Druck und eine Spirale nach unten in Gang.
Kombi-Löhne gibt es bereits (ALG II)
Gibt keine Belege dafür, daß Kombi-Lohn zu einem nennenswerten Aufbau von Beschäftigung geführt hat.
Z.B. Magdeburger Modell: Breit angelegte Kombilöhne bringen kaum Beschäftigung, sind aber enorm teuer.
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Jobkiller Mindestlohn?
„Ein Mindestlohn würde arbeitsmarktpolitisch einen Riesenschaden anrichten.“ (Martin Kannegiesser)
Arbeitsmarktforscher tun sich schwer, negative Beschäftigungswirkungen von Mindestlöhnen wissenschaftlich zu belegen.
Der Mindestlohn schafft in Deutschland 70.000 zusätzliche Arbeitsplätze - wegen der Nachfragewirkung der höheren Löhne (ökonometrische Studie im Auftrag von ver.di)
Der Mindestlohn ist eine Voraussetzung für fairen Wettbewerb und gegen die Lohnspirale nach unten
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Exportüberschuss Deutschlandsin Milliarden Euro
19,1
25,728,8
16,3
7,8
38,6
83,0
11,6
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen
ver.di BundesvorstandBereich Wirtschaftspolitik
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Wachstum entsteht durch Binnenachfrage
Wachstum der Nachfragekomponenten 1998 - 2002
-5%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
Bruttoinlandsprodukt Privater Konsum Staatskonsum Bruttoinvestitionen Export
USA Frankreich Großbritannien Deutschland
ver.di BundesvorstandBereich Wirtschaftspolitik
Quelle: OECD 2003, eigene Berechnungen
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Konkrete Anknüpfungspunkte in ver.di
Tarifentgelte unter 7,50 € in 10 Branchen von ver.di:– ArzthelferInnen– Callcenter– Bewachungsgewerbe– Einzelhandel– Facility-Management– Friseurhandwerk– Großhandel– Speditionen/ Logistik– Tankstellen– Zeitarbeit
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Was tun? - Mindestlohn-Initiative
online- Kampagne (ab März 2006) www.mindestlohn.de SMS- Handy- Kampagne mit Tel.: 7 26 26
(Mindeslohn, Vorname, Nachname, Wohnort)
Mindestlohn- Film- Veranstaltung Unterschriftenaktionen der ver.di- Personal- + Betriebsräte Info- Stände in der Innenstadt mit Unterschriftensammlung Handy- Karawane Parken für den Mindestlohn Fahrradkarawane – Strampeln für den Mindestlohn Mindest- Lobby
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Papst Benedikt XVI:
„Die gerechte Ordnung der Gesellschaft ist ein zentraler Auftrag der Politik“ (Enzyklika „Deus Caritas Est“ 2005)
Papst Johannes Paul II:
„Die Aufteilung der Gesellschaft in Starke und Gesunde auf der einen und den Schwachen und Kranken auf der anderen Seite ist des Menschen unwürdig.“
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