der weg der traube in die flasche - offenburger tageblatt...helfer schieden, es auf aus rumänien. h...
Post on 09-May-2021
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H I S T O R I E
WUSSTEN SIE . . .
Z A H L E N
◼ Das Weingut Wöhr-le umfasst 18 Hektar Ge-samtrebfläche; davon sind 15,5 Hektar bestockte Reb-fläche, 13,5 Hektar Ertrags-rebfläche und zwei Hektar Jungreben.
◼ Die Erntemenge schwankt zwischen 4000 und 6000 Liter pro Hekt-ar – je nach Wetter, Rebsor-te und Traubenqualität. 40 Prozent gehen an Privat-kunden, 26 Prozent in den Fach- und Lebensmittelhan-del, 21 Prozent in die Gast-ronomie und 13 Prozent an Firmenkunden.
◼ Vermarktet werden die Weine überwiegend in Deutschland; nur etwa fünf Prozent gehen in den Export.
◼ Der Tank- und Holz-fasskeller hat eine Kapazität von 120 000 Litern, das Fla-schenlager bietet Platz für 100 000 Flaschen.
◼ Das Weingut Wöhrle wird als Familienbetrieb von Junior Markus Wöhr-le und Ehefrau Tanja sowie von Senior Hans Wöhrle und Ehefrau Monika gemeinsam geführt. Hinzu kommen ein Angestellter und ein Aus-zubildender. Zur Lese kom-men bis zu 200 erfahrene Helfer aus Rumänien.
Hans und Moni-ka Wöhrle pachte-ten 1979 das in wirt-
schaftliche Schwierigkeiten geratene Weingut der Stadt Lahr und integrierten es in den eigenen Weinbau-betrieb. Es entstand nach umfassenden Investitionen das private Weingut Stadt Lahr, Inh. Familie Wöhr-le. 1997 erwarb die Familie das Weingut, die städtischen Weinberge wurden langfris-tig gepachtet. Erste Impul-se für eine biologische Wirt-schaftsweise wurden bereits in den 80er-Jahren aufge-griffen. Die Rebflächen des Weinguts sollten nachhal-tig ohne schädigende Ein-griffe auf Flora und Fau-na bearbeitet werden. Die Umstellung auf die Bewirt-schaftung unter völligem Verzicht auf chemisch-syn-thetische Pflanzenschutz-, Unkrautbekämpfungs- und Düngemittel dauerte meh-rere Jahre. Mit einer um-fassenden Sanierung des Hauptgebäudes 2003 und ei-nem Erweiterungsbau 2013 erhielt das Weingut sein heutiges Erscheinungsbild. In der Zwischenzeit – 2004 – wurde das Weingut in die Reihen des Verbands Deut-scher Prädikatsweingüter (VDP Baden) aufgenommen.
◼ ...dass das Weingut Wöhrle 1991 als kontrollier-ter ökologischer Weinbaube-trieb zertifiziert wurde?
◼ ...dass das Weingut bis heute der einzige kontrol-liert biologische Weinbau-betrieb im Ortenaukreis ist?
◼ ...dass sich die Produk-tionsfläche ausschließlich am Schutterlindenberg be-findet?
◼ ...dass die Gutswein-berge sich in mehr als 60 Einzelparzellen gliedern?
◼ ...dass auf typischen Lös-Löslehm-Terrassen – mit kalkhaltigem Konglo-merat-Gestein im Unter-grund – angebaut wird?
◼ ...dass nur drei bis vier Prozent der Weinbetriebe in Deutschland ökologisch ar-beiten?
Vom Weinberg ins Fass, von der Flasche ins Glas: Welcher Aufwand wird eigentlich beim Weinanbau betrieben? Interessierte Leser des Lahrer anzeigers konn-ten dies am Mittwoch in Erfahrung bringen. Das Weingut Wöhrle öffnete im Rahmen der Sommer-aktion »Offenes Werks-tor« seinen Betrieb.
Von Stefan angele (text) und Stephan hund (fotoS)
Lahr. Es regnet. Kein Wet-ter für eine Weinbergwande-rung. Die erste Etappe des »Of-fenen Werkstors« beim Lahrer Weingut Wöhrle am Mittwoch-nachmittag muss somit aus-fallen. Seniorchef Hans Wöhr-le schafft es dennoch, binnen zweieinhalb Stunden interes-sante Einblicke in seinen Be-trieb zu geben. Erste Station: das Kelterhaus. Eine moderne Kelterpresse sorgt hier für die schonende Trennung von Trau-bensaft und Trester. Der Saft fließt über Rohrleitungen in die Stahltanks im Keller. Der Tres-ter wird vergärt und später zu-sammen mit Grünschnitt-Kom-post als natürlicher Dünger verwendet. »Vom ph-Wert her verträgt unser Boden glückli-cherweise die Säure«, erklärt Wöhrle. Aufgrund der Vergä-rung werden die Kerne inak-tiv und keimen nicht. »Wir le-sen gestaffelt«, erklärt Wöhrle die Arbeiten während der Le-sezeit. »Wir gehen drei- bis vier-mal durch die Reben und ernten
nur die vollreifen Trauben – der Saft muss uns schmecken«. Da-mit der Rotwein seine Farbe er-hält, werden die Trauben im Saft vergoren. Die Gärbehäl-ter für diese Sorten haben hyd-raulische Paddel, die die Trau-ben dann mehrmals sachte von oben nach unten in den Saft drücken. »Das Rot kommt aus den Traubenschalen«, erklärt Wöhrle. Für die hochwertigen Weine werde das inzwischen – so wie früher – auch wieder in Holzfässern von Hand ge-macht.
Im Keller des Gebäudes ste-hen die doppelwandigen Edel-stahltanks, die dem Weißwein zur Reife verhelfen. Hier kom-men biologische Trockenhe-fen zum Saft hinzu – dann läuft etwa acht bis zehn Tage bei 15 bis 18 Grad Celsius die kont-rollierte Vergärung. »Der He-fe müssen ideale Bedingungen geboten werden«, so Wöhrle. Zur Schonung wird der Wein bis zur Abfüllung dann nur noch einmal bewegt: Durch den Hefetrubfilter geht es in die Lagerung. Wöhrle: »Unse-re Überzeugung ist, dass je-
de Bewegung dem Wein Ener-gie entzieht.« Der Rotwein wird in Holzfässern ausgereift – die Barrique-Fässer können bis zu drei Jahre lang genutzt wer-den. Dann verlieren sie ihre aromatisierende Wirkung.
Für den Rotwein werden ausschließlich hochwertige Na-turkorken verwendet. Darüber hinaus nutzt das Weingut zwei verschiedene Arten Schraub-verschlüsse. Im Flaschenlager des Weinguts türmen sich die Stahlbehälter meterhoch. Die Flaschen werden »nackt«, al-so ohne Etikett, gelagert – eti-kettiert wird erst kurz vor dem Verkauf.
»Müssen mehr machen«Sein Betrieb werde drei-
mal pro Jahr kontrolliert, be-richtet der Seniorchef. »Bio-logisch bedeutet: Wir müssen mehr machen als andere – wir können vorbeugen, aber nicht heilen.« Verschiedene Amino-säuren sollen die Abwehrkräf-te der Pflanzen mobilisieren. Auch werde flüssige Kieselsäu-re verwendet. Momentan lö-se bei vielen Winzern die aus Asien eingewanderte Kirsch-essigfliege Panik aus. Es wur-de festgestellt, dass diese Flie-genart nicht nur in Kirschen, Zwetschgen und Beeren ihre Eier legt, sondern auch in – ge-sunde – Weintrauben. Zudem gebe es noch zwei, drei weitere neue, problematische Insekten-arten, sagt Wöhrle am Ende der Führung: »Wir wissen, dass wir nichts wissen.«
Der Weg der Traube in die FlascheSommeraktion »Offenes Werkstor« (2): Leser des Lahrer anzeigers lernen den ökologischen Betrieb auf dem Weingut Wöhrle kennen
I N N E N A N S I C H T E N
Das Weingut Wöhr-le legt Wert auf schonende Verar-beitung. Diese be-ginnt beim Boden, dem Stickstoff und Kalium zugeführt werden. »Herbizide sind das Schlimms-te für das Oberflä-chenwasser«, so Hans Wöhrle. Ge-gen Mehltau bei-spielsweise helfe Backpulver.
In den Holzfäs-sern lagert der Spätburgunder knapp zwei Jah-re. Das Weingut Wöhrle hat sich auf trockene Wei-ne spezialisiert. In manchen Jahr-gängen wird aber auch Beerenaus-lese oder sogar Trockenbeeren-auslese geerntet.
Auch im ökologi-schen Weinbau darf mit Kupferio-nen gespritzt wer-den – bis zu drei Kilogramm pro Jahr. Das Wein-gut Wöhrle hat sich dafür ent-schieden, es auf 1,1 bis 1,8 Kilo-gramm jährlich zu beschränken.
Z I T I E R T : D A S S A G E N U N S E R E L E S E R
Johanna Slomka, 68 Jahre, aus Kehl: Wie ökologischer Weinbau funk-tioniert, war mir bisher kein Begriff – wel-che Arbeit und welch großer Idealismus da-hintersteckt. Das erklärt auch die hohen Weinpreise.
Dagobert Wenzel, 73 Jahre, aus Schwanau: Wie tiefgehend man informiert wurde, fand ich sehr beeindru-ckend. Beson-ders interes-siert hat mich der Einsatz von Fungiziden, Dünge- und Pflanzenschutz-mitteln.
Stephan Lo-renz, 35 Jah-re, aus Kehl: Es war wirk-lich interes-sant. Vor allem hat mir gefal-len, detailliert und authen-tisch Einblick in einen mit Leidenschaft geführten Fa-milienbetrieb erhalten zu dürfen.
OFFENES WERKSTOR
Serie
Die Europäische Union hat mit der Änderung des Wein-rechts vor zwei Jahren bei manchen Verbrauchern für Verwirrung bezüglich der Qua-litätsbezeichnungen gesorgt. »Feinherb bedeutet in der Re-gel halbtrocken«, erkärt Hans Wöhrle dazu. Bei den meisten Weingütern gebe es aber noch die traditionellen Bezeichnun-gen für Prädikatsweine: Ka-binett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese und Trocken-beerenauslese. »Eiswein ma-chen wir nicht«, so Wöhrle.
Eine Bildergalerie zu diesem Thema finden Sie unter:
w w w. b o . d e | We b c o d e : 3 A D 4 3
www.bo.de/offenes-werkstor
www.woehrle-wein.de
Auf ein Gläschen beim Lahrer Weingut Wöhrle: Seniorchef Hans Wöhrle (rechts) führte Leser des Lahrer anzeigers von der Kelterpresse bis zur Etikettiermaschine durch die Räumlichkeiten seines ökologischen Weinbaubetriebs am Fuße des Schutterlindenbergs.
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