g. brewkawissensbasierte systeme 1 probabilistisches schließen grundannahmen der klassischen logik:...
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G.Brewka Wissensbasierte Systeme1
Probabilistisches Schließen
Grundannahmen der klassischen Logik:
Satz p wahr oder falsch; man weiß, was gilt, oder man weiß nichts.
Bush ist Präsident der USA.
Grundannahmen der subjektiven Wahrscheinlichkeitstheorie:
Satz p wahr oder falsch; Grad der Überzeugung (degree of belief) eines Agenten, dass p gilt, wird durch Wert zwischen 0 und 1 beschrieben.
Obama wird mit Wahrscheinlichkeit 0.6 nächster Präsident der USA.
Grundannahmen der statistischen Wahrscheinlichkeitstheorie:
Es gibt wiederholbares Experiment X mit Ergebnissen x1, ..., xn. Wert zwischen 0 und 1 gibt relative Häufigkeit der Ergebnisse bei oftmaligem Wiederholen des Experiments an.
Die Wahrscheinlichkeit, eine 6 zu würfeln, ist 1/6.
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Bedeutung von Wahrscheinlichkeiten für rationales Entscheiden
Basiert auf Wahrscheinlichkeiten der Effekte E der getroffenen Entscheidung A und deren Nutzen U(E)
Beispiel Flugzeug erreichen
90 min vorher losfahren? kann schiefgehen
120 min? schiefgehen unwahrscheinlicher, aber unangenehme Wartezeit
24 Std? schiefgehen fast ausgeschlossen, aber endloses Warten
Slogan: Entscheidungstheorie = Wahrscheinlichkeitstheorie + Nutzentheorie
Maximum Expected Utility:
Wähle Aktion A, so dass P(E) U(E) maximal wird!
EEffect(A)
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Unsicheres Wissen
Beispiel Diagnose:
Zahnweh => Karies
falsch, weil es andere Gründe für Zahnweh geben kann
Zahnweh => Karies ... Kinnhaken
impraktikabel, Liste immer weiter verlängerbar, Medizin nicht abgeschlossen,
Unterscheidung plausible/unplausible Ursachen fehlt
deshalb Verwendung von Wahrscheinlichkeiten:
bedingte Wahrscheinlichkeit von Karies bei Zahnweh ist 0.8:
P(Karies | Zahnweh) = 0.8
Zahnweh hier die Evidenz, Zufügen neuer Evidenz kann Wahrscheinlichkeit (nichtmonoton) ändern, alle Evidenz ist grundsätzlich zu berücksichtigen
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A Priori (Unbedingte) Wahrscheinlichkeit
Wahrscheinlichkeit einer Proposition ohne Vorliegen von Evidenz:
P(Karies) = 0.1
Aussagen, über deren W. man spricht, häufig in Form von Gleichungen
Wetter ist Zufallsvariable mit Wertebereich {Sonne,Regen,Wolken,Schnee}
Propositionale Konstanten auch als Zufallsvariable mit den Werten {true, false} aufzufassen. A Abkürzung für A = true, ¬A für A = false
Notation: P(Wetter) steht für Vektor der W. aller Werte: <0.7, 0.2, 0.08, 0.02>
heißt auch Wahrscheinlichkeitsverteilung für Wetter
P(Wetter, Karies, ...) ist W.-verteilung für alle Kombinationen von Werten aller Variablen
aussagenlogische Junktoren für Wahrscheinlichkeit komplexer Sätze: P(A B)
P(Wetter = Sonne) = 0.7P(Wetter = Regen) = 0.2P(Wetter = Wolken) = 0.08P(Wetter = Schnee) = 0.02
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Bedingte Wahrscheinlichkeit
P(A | B): die Wahrscheinlichkeit von A, falls alles, was wir wissen, B ist
für Zufallsvariablen X, Y bezeichnet P(X | Y) die 2-dimensionale Tabelle mit Eintrag P(X = xi | Y= yj) an der Stelle i,j
bed. W. durch unbedingte definierbar, falls P(B) > 0:
P(A | B) = oder
P(A B) = P(A | B) P(B) (Produktregel) oder
P(A B) = P(B | A) P(A)
P(A B)P(B)
AA B B
¬A ¬B
mögliche Welten vor nach Bekanntwerden von B
A B B
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P(B | A) P(A => B)
Beispiel:
P(A B) = 0.25P(A ¬B) = 0.25P(¬A B) = 0.25P(¬A ¬B) = 0.25
P(A => B) = P(¬A B) + P(¬A ¬B) + P(A B) =0.75
P(B | A) = P(A B)P(A)
= 0.250.5 = 0.5
A B
¬A B
A ¬B
¬A ¬B
P(A => B) P(B | A)mögliche Welten
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Wahrscheinlichkeitsaxiome
1. 0 P(A) 1
2. P(true) = 1, P(false) = 0
3. P(A B) = P(A) + P(B) - P(A B)
A BA B
¬A ¬B
Alle Eigenschaften aus Axiomen ableitbar, etwa:
====
P(A ¬A)P(true)
1P(¬A)
P(A) + P(¬A) - P(A ¬A)P(A) + P(¬A) - P(false)P(A) + P(¬A) 1 - P(A)
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Sind die Wahrscheinlichkeitsaxiome vernünftig?
Anhaltende philosophische Debatten über subjektive Wahrscheinlichkeit
Rückführung durch de Finetti auf Wettverhalten: wer bestimmte Wahr- scheinlichkeiten annimmt, sollte bereit sein, entsprechend darauf zu setzen.
de Finetti hat bewiesen:
Wenn Agent 1 "Wahrscheinlichkeiten" verwendet, die die Wahrscheinlich- keitsaxiome verletzen, so gibt es für Agent 2 eine Wettstrategie, bei der 1 mit Sicherheit verliert.
Agent1 Agent2 Ergebnis für Agent1Proposition Grad Wette Quote A B A ¬B ¬A B ¬A ¬B
-6-72
-11
-632
-1
4-72
-1
43-8
-1
AB
A B
0.40.30.8
AB
¬(A B)
4 zu 63 zu 72 zu 8
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Wahrscheinlichkeitsverteilung (joint probability distribution, JPD)
probabilistisches Modell: Menge {X1, ..., Xn} von Zufallsvariablen mit möglichen Werten
atomares Ereignis: Belegung aller Variablen mit Werten
Wahrscheinlichkeitsverteilung P(X1, ..., Xn): n-dimensionale Tabelle, weist allen atomaren Ereignissen W. zu
Zahnweh ¬ Zahnweh
Karies¬ Karies
0.04
0.01
0.06
0.89
Beispiel n = 2, Summe aller Einträge = 1
Wahrscheinlichkeiten können abgelesen und aufaddiert werden: P(Karies) = 0.04 + 0.06, P(Karies Zahnweh) = 0.04 + 0.06 + 0.01
P(Karies | Zahnweh) = = = 0.8P(Karies Zahnweh)P(Zahnweh)
0.040.04 + 0.01
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Bayes´ Theorem
JPD ermöglicht Berechnung aller Wahrscheinlichkeiten.
Aber 2 Einträge schon im booleschen Fall (Variablen haben Werte ja/nein)
gesucht: Möglichkeit, direkt mit bed. W. zu rechnen
Produktregel:
n
P(A B) = P(A | B) P(B)P(A B) = P(B | A) P(A)
Gleichsetzen der rechten Seiten und Division durch P(A):
P(B | A) = P(A | B) P(B)P(A) (Bayes´ Regel)
Verallgemeinerung:
P(B | A, E) = P(A | B, E) P(B, E)P(A, E)
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Anwendungsbeispiel
Medizinische Diagnose:
Meningitis verursacht zu 50% Nackensteife
A priori Wahrscheinlichkeit von Meningitis ist 1/50 000
A priori Wahrscheinlichkeit von Nackensteife 1/20
Hat Patient mit Nackensteife Meningitis?
P(M | S) = P(S | M) P(M)
P(S)0.51 / 50000
1 / 20= = 0.0002
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Vermeiden von a priori W. für Symptome
Angenommen, es gibt eine weitere Krankheit W, die S verursacht.
Wenn es nur darauf ankommt, die relative Wahrscheinlichkeit von W und M, gegeben S, zu berechnen, ist P(S) nicht nötig: wenn P(S | W) = 0.8 und P(W) = 1/1000, dann ist
P(M | S) P(W | S)
= P(S | M) P(M) P(S | W) P(W)
= 0.51/50 000
0.81/100= 1/80
Auch wenn exakte Werte für die bedingten W. nötig sind, sind manchmal a priori W. für Symptome nicht nötig:
da P(S) = P(S | M) P(M) + P(S | ¬M) P (¬M) wird Bayes´ Rule zu
P(M|S) = P(S|M) P(M)P(S|M)P(M) + P(S |¬M)P(¬M)
also: statt P(S) wird P(S | ¬M) verwendet, häufig einfacher zu ermitteln
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Normalisierung
Es gilt P(M | S) + P(¬M | S) = 1; es muss Faktor = 1/P(S) geben, so dass
P(S | M) P(M) + P(S | ¬M) P(¬M) = 1
Im mehrwertigen Fall: P(Y | X) = P(X | Y) P(Y)
wobei die Normalisierungskonstante ist, d.h. die Konstante, die die Summe der Tabelleneinträge von P(Y|X) zu 1 macht.
In der Praxis wird oft zunächst mit unnormalisierten Werten gerechnet, diese werden zuletzt normalisiert
Beispiel: wir wissen P(M) = 0.00002, damit P(¬M) = 0.99998, P(S | M) = 0.5
Annahme: P(S | ¬M) = 4999 / 99998, gesucht so dass
0.50.00002 + 4999 / 99998 0.99998 = 1
Lösung: = 20
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Seien X, Y, Z Zufallsvariablen.
X ist bedingt unabhängig von Y gegeben Z genau dann wenn eine der folgenden
äquivalenten Bedingungen erfüllt ist:
P(X | Z) = P(X | Z,Y)
P(Y | Z) = P(Y | Z,X)
P(X,Y | Z) = P(X | Z) P(Y | Z)
Intuitiv: falls Z bekannt ist, ändert sich die Wahrscheinlichkeit von X nicht,
wenn Y bekannt wird (und umgekehrt, da bed. Unabhängigkeit symmetrisch).
Bedingte Unabhängigkeit
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Überzeugungsnetze(Bayes Netze, Belief Networks, BNs)
Ein Überzeugungsnetz ist ein gerichteter Graph mit folgenden Eigenschaften
1. die Knoten des Graphen sind Zufallsvariablen
2. gerichtete Kanten von X nach Y bedeuten: X beeinflusst Y direkt
3. für jeden Knoten Y gibt es eine bedingte W. -Tabelle, die die Effekte der Elternknoten Xi auf Y beschreiben
4. der Graph ist zyklenfrei
Grundidee:
sparsame Repräsentation von bedingten Wahrscheinlichkeiten,
alle übrigen bed. W. ergeben sich aus dieser Information zusammen mit Unabhängigkeitsannahmen, ausgedrückt durch Topologie des Graphen
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Ein Überzeugungsnetz
EinBruch Erdbeben
Alarm
AnrufJohn AnrufMary
P(B).001
P(E).002
BTTFF
ETFTF
P(A|BE) .95 .94 .29 .001
ATF
P(J|A) .90 .05
ATF
P(M|A).70.01
Tabellen spezifizieren bedingte Wahrscheinlichkeiten für jede möglicheWahrheitsbelegung der Elternknoten (Wert für die Negation in jeder Zeile implizit).
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Überzeugungsnetze als Repräsentation der JPD
Eintrag in der JPD gibt die Wahrscheinlichkeit eines atomaren Ereignisses an, d.h. einer Belegung aller Zufallsvariablen mit Werten (im booleschen Fall wahr oder falsch).
ein BN ist die Repräsentation der JPD, die folgendermaßen definiert ist:
P(X1 = x1, ..., Xn = xn) = P(Xi = xi | Eltern(Xi))n
i = 1
terminiert, weil Graph azyklisch!
macht implizit Unabhängigkeitsannahmen: bei gegebenem Zustand der Elternknoten haben weitere Variablen keinen Einfluss. Etwa:
P(M | J, A, E, B) = P(M | A)
Beispiel:
P(J M A ¬B ¬E) =
P(J | A) P(M | A) P(A | ¬B ¬E) P (¬B) P(¬E) =0.9 0.7 0.001 0.999 0.998 = 0.00062
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Ersparnis durch BN-Repräsentation
im schlechtesten Fall hängt eine Variable direkt von jeder anderen ab
=> keine Ersparnis
aber: normalerweise gibt es nicht zu großes k, so dass jede Variable höchstens von k anderen direkt abhängt
dann braucht boolesches BN maximal n 2 Zahlen, dagegen JPD 2
konkretes Beispiel: n = 20, k = 5, BN braucht 640 Angaben, JPD > 1000000
Hinweis zur Erstellung von BNs
es hat sich gezeigt, dass es am günstigsten ist, die kausale Struktur von Ereignissen als Grundlage für die Topologie der BNs zu verwenden
andere Strategien, z. B. von Symptom zu Ursache, führen oft zu komplexeren Netzen mit schwerer zu spezifizierenden Wahrscheinlichkeiten
k n
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Bedingte Unabhängigkeit und d-Separation
kann man aus dem Netz ablesen, ob Knotenmenge X bei gegebener Evidenz E bedingt unabhängig ist von Knotenmenge Y?
==> Begriff der d-Separation. Sinn des Ganzen: wenn X und Y durch E d-separiert wird, so sind X und Y bedingt unabhängig bei Evidenz E.
E d-separiert X und Y wenn jeder ungerichtete Pfad von einem Knoten in X zu einem in Y durch E blockiert wird. Ein Pfad wird durch E blockiert wenn es auf ihm einen Knoten Z gibt, so dass
1. Z aus E und Z hat eine eingehende und eine ausgehende Pfadkante, oder
2. Z aus E und beide Pfadkanten sind ausgehend, oder
3. weder Z noch ein Nachfahre von Z sind in E, und beide Pfadkanten führen zu Z.
Z
Z
Z
X Y
E
1.2.3.
G.Brewka Wissensbasierte Systeme20
d-Separation: Beispiel
Batterie
Radio Zündung Benzin
Startet
Fährt
Radio und Benzin unabhängig gegeben ZündungRadio und Benzin unabhängig gegeben BatterieRadio und Benzin unabhängig ohne jede EvidenzRadio und Benzin abhängig gegeben Startet(wenn z.B Auto nicht startet, dann erhöht Radio die Wahrscheinlichkeit von ¬ Benzin)
G.Brewka Wissensbasierte Systeme21
Typen probabilistischer Inferenz
Diagnostische Inferenz (von Effekt zu Ursache)
geg.: AnrufJohn, gesucht: P(Einbruch | AnrufJohn) = 0.016
Kausale Inferenz (von Ursache zu Effekt)
geg.: Einbruch, gesucht: P(AnrufJohn | Einbruch ) = 0.67
Interkausale Inferenz (zwischen Ursachen und einem gemeinsamen Effekt)
geg.: Alarm, Erdbeben, gesucht: P(Einbruch | Alarm, Erdbeben) = 0.003 (explaining away)
Mischformen
geg.: AnrufJohn, ¬Erdbeben, gesucht: P(Alarm | AnrufJohn, ¬Erdbeben) = 0.03 (diagnostisch und kausal)
G.Brewka Wissensbasierte Systeme22
Inferenzverfahren für BNs
Es existieren diverse effiziente Inferenzmethoden
• Variablen-Eliminationsverfahren
• Cliquenbaum-Propagation (HUGIN Expert – siehe Demo)
• Rekursives Konditionieren
Effizient genug für vielfältigen praktischen Einsatz
Detaillierte Behandlung im Rahmen der Vorlesung nicht möglich
Hier nur kurz: rekursives Verfahren (Details dazu – nicht prüfungsrelevant - in Russell/Norvig)
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Ein rekursiver BN-Algorithmus für P(X |E)
Annahme: BN ist Polytree: zwischen 2 Knoten höchstens 1 ungerichteter Pfad
X hat Eltern U = U1, ..., Um, Söhne Y = Y1, ..., Yn
E ist der Teil der Evidenz, der mit X durch Eltern verbunden ist
E ist der Teil der Evidenz, der mit X durch Söhne verbunden ist
Grundidee:
1. beschreibe P(X | E) auf der Basis von und
2. berechne den Effekt von auf die Eltern Ui, und propagiere ihn zu X
3. berechne den Effekt von auf die Söhne Yj, und propagiere ihn zu X
Berechnung für Eltern und Söhne rekursive Instanz des Problems für X
Falls Polytree-Bedingung nicht erfüllt ist, müssen Knoten geclustert werden
-X
+X
E+X
E -X
E+X
E -X
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