Ögkv: Ögkv - Österreichischer gesundheits- und ...theorie und praxis und ich möchte nach...
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UNIVERSITÄT WIEN
Das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis in der
psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege
Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades
„Magister der Philosophie“
an der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Universität Wien
eingereicht von
Walter FIRLINGER
St. Pölten, im April 2007
E-Mail: w.firlinger@gmx.at
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich versichere,
dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen
Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten
Hilfe bedient habe,
dass ich dieses Diplomarbeitsthema bisher weder im In- noch im Ausland (einer
Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als
Prüfungsarbeit vorgelegt habe,
dass diese Arbeit mit der von der Begutachterin beurteilten Arbeit übereinstimmt.
_______________________ ___________________
Datum Unterschrift
2
Kurzzusammenfassung
Die vorliegende Diplomarbeit hat eine theoretische und eine qualitative
Komponente.
Im theoretischen Teil werden nach der Einleitung im zweiten und im dritten
Kapitel die Begriffe Theorie und Praxis im Allgemeinen näher ausgeführt und
unter verschiedenen Sichtweisen explizit dargestellt. Im vierten Kapitel wird der
Begriff Wissen operationalisiert sowie die unterschiedlichen Zugänge zu dem
Gebiet in knapper Form dargestellt. Da es sich um eine pflegewissenschaftliche
Arbeit handelt, widmet sich das fünfte Kapitel etwas ausführlicher der
Praxisdisziplin Pflege. Eine kurze Retrospektive zeigt die Entwicklung der Pflege
vom dienenden Beruf bis hin zur Pflegewissenschaft. Die praktischen Aspekte der
Pflege werden ebenso proklamiert wie die theoretischen. Weil Pflegeplanung und
Pflegediagnosen zu einem nicht unwesentlichen Teil am Spannungsverhältnis
zwischen Theorie und Praxis beitragen, ist es wichtig, sich mit diesen Bereichen
auseinanderzusetzen. Anschließend wird das Theorie-Praxis-Verhältnis aus der
Sicht der Pflege veranschaulicht. Abschließend werden in diesem Kapitel die
Besonderheiten der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege
zusammengefasst sowie das Fachgebiet der Psychiatrie kurz vorgestellt und die
essentiellen Merkmale von psychiatrischen Krankheiten explizit erläutert. Das
sechste Kapitel widmet sich der Ausbildung zur psychiatrischen Gesundheits- und
Krankenpflege, sowohl was den theoretischen als auch den praktischen Bereich
betrifft. Abgeschlossen wird das Kapitel mit der Darstellung des Theorie und
Praxis-Verhältnisses im Bezug auf die Ausbildung. Im siebenten Kapitel beginnt
der empirische Teil der Arbeit. Hier werden Schüler der psychiatrischen
Gesundheits- und Krankenpflege mit einem Aufnahmegerät über das Theorie-
Praxis-Verhältnis hinsichtlich ihrer Ausbildung interviewt. Anschließend werden
die Angaben unter qualitativen Bedingungen ausgearbeitet und zusammengefasst,
aus den Daten werden eine Konklusion und die weiteren Aussichten abgeleitet.
3
Abstract
The present diploma thesis has a theoretical and a qualitative component. In the
theoretical part after the introduction, in second and in the third chapter, the terms
theory and practice, generally, are implemented more near and represented under
different aspects explicitly.
In the fourth chapter the term knowledge is operationalisiert as well as the
different accesses, to the area, in brief is represented.
The fifth chapter, to devote itself to the practice discipline care. A short
retrospective, shows the development of the care, from the serving occupation
until to the care science. The practical aspects of the care are as well as
proclaimed like the theoretical. Because care planning and care diagnoses
contribute to a not insignificant part at the stress ratio between theory and
practice, it is important itself to engage with some areas. The theory practice
relationship is illustrated the care from the view afterwards. Finally in this chapter
the characteristics of the psychiatric health and nursing are summarized, as well as
the specialty of the psychiatry briefly presented and the essential characteristics of
psychiatric diseases explicitly describes.
The sixth chapter devotes itself to the education as the psychiatric health and
nursing, as well as what the theoretical and the practical area involves. The
chapter is finished with the representation of the theory and practice of
relationship, with reference on the education.
In the sieving chapter the empirical part of the work begins. Students of the
psychiatric health and nursing, with recording equipment, are interviewt over the
theory practice relationship, regarding their education. Subsequently, the
statements are worked out under qualitative conditions and summarized, from the
data a conclusion and the further prospects derived.
4
Vorwort
Die Idee zum Thema, über das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis
zu schreiben, kam mir während meiner beruflichen Ausbildung zum
Praxisanleiter. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Theorie einerseits und
Praxis andererseits und das Verhältnis zueinander weckte mein Interesse. Nicht
zuletzt dadurch, weil ich als Diplomkrankenpfleger schon seit über zwanzig
Jahren in der Praxis tätig bin und weil ich als zukünftiger Praxisanleiter mit
Schülern und deren Ausbildung konfrontiert werde.
In meiner Tätigkeit als Diplomkrankenpfleger habe ich festgestellt, dass die
Schüler theoretisch gut ausgebildet sind, sie haben zum Beispiel den
Pflegeprozess von der Basis auf gelernt und sie wissen wie man Pflegediagnosen
erstellt. Sie kommen im Rahmen ihres Praktikums auf die Station und wollen ihr
neu erworbenes Wissen in der Praxis auch anwenden. Doch viele Praktiker haben
den Pflegeprozess in ihrer Ausbildung noch nicht gelernt und sie stehen
theoretischem Wissen skeptisch und teilweise auch ablehnend gegenüber. Diese
Diskrepanz zwischen Schüler und Praktiker respektive zwischen Theorie und
Praxis finde ich sehr spannend. Da ich in Zukunft vermehrt mit dem Verhältnis
von Theorie und Praxis konfrontiert werde, erscheint es mir wichtig, sich mit
dieser Thematik auseinanderzusetzen und ich finde es als eine Herausforderung,
die beiden ungleichen Fachgebiete zu äquilibrieren.
Ich möchte mit dieser Arbeit die beiden Bereiche speziell in der Psychiatrie
explizit darstellen, um einen Einblick in beide Lernorte zu erhalten.
Ich erwarte mir von der Arbeit einen hermeneutischen Input über die Bereiche
Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen
des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren. Im Hinblick auf die
Ausbildung der Schüler möchte ich versuchen, durch mehr Informationen die
Qualität der Ausbildung zu verbessern.
5
Danksagung
Danken möchte ich meiner Frau Sonja, die mich durch alle Höhen und Tiefen
während des Studiums mit viel Verständnis begleitet hat, viel Geduld aufgebracht
hat und mich in schwierigen Phasen motiviert hat.
Frau Mag.a Dr. Hanna Mayer, die mich als wissenschaftliche Betreuerin mit
wertvollen Hinweisen und konstruktiven Anregungen unterstützt hat, möchte ich
für die äußerst kompetente und fachliche Betreuung, für die mehrmals kurzfristig
erhaltenen Gesprächstermine und dafür, dass sie meine Arbeit als eine
individuelle Leistung ansieht, sehr herzlich danken.
Danke schön!
Des Weiteren möchte ich mich bei der Direktorin und den Lehrkräften der
Ausbildungsstätte für psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege in Ybbs
bedanken, die mich unterstützt und mir ihre gut geführte Bibliothek zur
Verfügung gestellt haben.
Ebenso möchte ich mich bei der Direktorin des Pflegedienstes des
Therapiezentrums in Ybbs für ihre Unterstützung bedanken.
Allen Interviewpartnern, die durch ihre Bereitschaft zum Interview den
empirischen Teil meiner Arbeit erst ermöglicht und zur Gewinnung wertvoller
Eindrücke und Einsichten beigetragen haben, sei herzlichst gedankt.
6
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ..................................................................................................... 10
1.1 Problemdarstellung............................................................................. 11
1.2 Ziele und Fragestellungen der Arbeit ............................................... 13
1.3 Vorgangsweise ..................................................................................... 14
2 Theorie.......................................................................................................... 15
2.1 Induktiv versus Deduktiv ................................................................... 16
2.2 Theorie aus soziologischer Sicht ........................................................ 17
2.3 Theorie aus psychologischer Sicht..................................................... 17
2.4 Wissenschaftstheorien ........................................................................ 18
2.5 Alltagstheorien .................................................................................... 18
2.6 Klassifikation von Theorien ............................................................... 19
2.7 Ziele von Theorien .............................................................................. 20
2.8 Kritische Betrachtung von Theorien................................................. 21
2.9 Zusammenfassung............................................................................... 22
3 Praxis ............................................................................................................ 24
3.1 Praxis aus soziologischer Sicht........................................................... 24
3.2 Praxis aus wissenschaftlicher Sicht ................................................... 25
3.3 Zusammenfassung............................................................................... 25
4 Wissen........................................................................................................... 26
4.1 Theoretisches Wissen.......................................................................... 26
4.2 Praktisches Wissen respektive persönliches Wissen........................ 27
4.3 Intuitives Wissen ................................................................................. 28
7
4.4 Wissenschaft ........................................................................................ 28
4.5 Zusammenfassung............................................................................... 29
5 Pflege ............................................................................................................ 30
5.1 Definition von Pflege........................................................................... 30
5.2 Konzept-Pflege .................................................................................... 31
5.3 Theorie- und Praxisentwicklung im historischen Kontext der Pflege
............................................................................................................... 33
5.4 Zusammenfassung............................................................................... 39
5.5 Der praktische Aspekt in der Pflege.................................................. 40
5.5.1 Professionalität ............................................................................ 45
5.5.2 Zusammenfassung....................................................................... 46
5.6 Der theoretische Aspekt in der Pflege ............................................... 47
5.6.1 Pflegetheorien .............................................................................. 50
5.6.2 Der Pflegeprozess ........................................................................ 52
5.6.3 Pflegediagnosen ........................................................................... 54
5.6.4 Evidence-based-Nursing (EBN) ................................................. 56
5.6.5 Pflege als Wissenschaft ............................................................... 57
5.6.6 Kritische Betrachtung zum theoretischen Aspekt in der Pflege .
....................................................................................................... 59
5.6.7 Zusammenfassung....................................................................... 62
5.7 Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Pflege.................................... 64
5.8 Pflege in der Psychiatrie ..................................................................... 66
5.8.1 Psychiatrie.................................................................................... 69
5.8.2 Psychiatrische Erkrankungen.................................................... 70
5.8.3 Zusammenfassung....................................................................... 71
6 Die Ausbildung in der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege 73
6.1 Die theoretische Ausbildung .............................................................. 75
6.2 Die praktische Ausbildung ................................................................. 78
8
6.3 Zusammenfassung............................................................................... 82
6.4 Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Ausbildung .......................... 84
7 Das Theorie-Praxis-Verhältnis aus der Perspektive der Auszubildenden. 88
7.1 Methode der Datenerhebung ............................................................. 88
7.2 Vorgangsweise der Datenerhebung................................................... 89
7.3 Methode der Datenauswertung.......................................................... 91
8 Ergebnisdarstellung ..................................................................................... 92
8.1 Erleben des ersten Praktikums.......................................................... 92
8.1.1 Ergebnisdiskussion...................................................................... 93
8.2 Der Stellenwert der Schüler in der Praxis ........................................ 95
8.2.1 Ergebnisdiskussion...................................................................... 97
8.3 Lernbedingungen auf der Station...................................................... 98
8.3.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 100
8.4 Verhaltenskonsequenzen .................................................................. 101
8.4.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 103
8.5 Lernorganisation zwischen Theorie und Praxis............................. 104
8.5.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 105
8.6 Das Theorie-Praxis-Verhältnis aus Sicht der Schüler ................... 107
8.6.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 110
8.7 Möglichkeiten, das Theorie-Praxis-Verhältnis zu verbessern ...... 111
8.7.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 113
9 Schlussfolgerungen.................................................................................... 115
10 Zusammenfassung ................................................................................. 120
11 Literaturverzeichnis ............................................................................... 124
9
1 Einleitung
Theorie und Praxis, das sind zwei verschiedene Welten einer Einheit, vergleichbar
mit dem Yin und Yang aus der chinesischen Philosophie. Jeder Teil steht für sich
selbst, beeinflusst den anderen, beides sind Gegenstücke, die sich komplementär
verhalten, nicht Gegensätze die sich bekämpfen. Das Eine bedingt das Andere und
beide zusammen bilden eine Einheit.
Theorie und Praxis sind zwei Begriffe, die sehr unterschiedlich konnotiert sind.
Auf der einen Seite die Theoretiker mit dem Hang zur Wissenschaft, die mit ihrer
eigenen elaborierten Fachsprache zur Abgehobenheit tendieren und die der Praxis
Vorgaben machen, wie sie pflegen soll. Auf der anderen Seite die Praktiker, die
mit ihrem Erfahrungs- und Traditionswissen die Arbeit per se ausführen und
Theorie als nicht anwendbar ablehnen. Nicht umsonst meinen die Praktiker, dass
die Theoretiker in einem Elfenbeinturm sitzen, unverständlich und praxisfern
agieren. Umgekehrt behaupten die Theoretiker von den Praktikern, dass sie
Theorie ablehnen, Pflegehandlungen auf ihre Wirksamkeit zu wenig reflektieren,
in ihrer Grundlage nicht verifizierbar sind und dass sie in ihrer Einstellung als
reaktionär einzustufen sind.
Dass die Beteiligten der beiden Bereiche auf Grund der nicht ganz konfliktfreien
Bewertung und unterschiedlichen Auffassungen Spannungen entwickeln, ist
obligatorisch.
Die Berufsausbildung zum psychiatrischen Krankenpfleger ist eine duale
Ausbildung wie viele andere Ausbildungen auch, aber die beiden
unterschiedlichen Lernorte, die Schule für die theoretische Ausbildung und die
Station für die praktische Ausbildung, neigen dazu, Spannungen zu produzieren.
10
1.1 Problemdarstellung
Schüler, die ihre Ausbildung zum psychiatrischen Diplomkrankenpfleger
absolvieren, befinden sich in diesem Spannungsverhältnis. Einen Teil verbringen
sie in der Schule, bekommen theoretisches Wissen vermittelt, das über das
benötigte Wissen des jeweiligen Krankenhauses hinausgeht, weil es ein
universelles Wissen ist und auch für andere Krankenhäuser anwendbar sein muss.
Die Ausbildung ist didaktisch ausgerichtet, erfolgt durch pädagogisch
ausgebildete Lehrkräfte, und die Schüler haben die Möglichkeit und auch die Zeit,
Pflegehandlungen zu reflektieren. Den praktischen Teil ihrer Ausbildung
verbringen sie auf der Station. Hier wird meist traditionell und nach den Vorgaben
und Regeln des zuständigen Krankenhauses gepflegt. Die Anleiter in der
praktischen Ausbildung haben meist keine pädagogische Schulung, sie wird oft
vom Pflegepersonal des täglichen Dienstes durchgeführt. Die Schüler sind in das
Stationsgeschehen eingebunden und haben auf Grund der personellen und
strukturellen Rahmenbedingungen nicht die Möglichkeit, die Praxis zu
reflektieren. Die Umsetzung von theoretischem Wissen in die Praxis ist oft nicht
möglich, weil die strukturellen und personellen Ressourcen dies nicht zulassen.
Ein zusätzlich belastender Faktor ist die unzeitgemäße Ausbildung der in der
Praxis Tätigen. Da die Ausbildung zumeist schon einige Jahre und länger
zurückliegt und der Pflegeprozess, der im neuen Gesundheits- und
Krankenpflegegesetz verankert ist, noch nicht evident war, fehlt den
Pflegepersonen das nötige Grundlagenwissen. Die Praktiker empfinden den
Pflegeprozess nur als eine Mehrarbeit und stehen ihm deshalb oft ablehnend
gegenüber. Sie gelten wegen ihrer Einstellung auch als reaktionär.
Für die Schüler ist der Pflegeprozess ein wichtiger Teil, sowohl was die
theoretische wie auch die praktische Ausbildung betrifft. Die Lehrer der
Ausbildungsstätte erwarten von den Lernenden, dass sie die theoretischen Inhalte
und Erfahrungen in der Praxis üben. Doch in der Praxis lässt sich das theoretische
Wissen oft nicht umsetzen.
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Die Schüler kommen zwar mit Erwartungsdruck, jedoch hoch motiviert und mit
neuem Wissen auf die Station, und sie möchten ihre Erkenntnisse nun in die
Praxis einfließen lassen, doch die Umsetzung scheitert zum Teil an den
mangelnden strukturellen und persönlichen Ressourcen und an der destruktiven
Einstellung des Pflegepersonals. Sie werden mit der Tatsache konfrontiert, dass
der Pflegeprozess hier nicht denselben Stellenwert wie in der Schule hat und zum
Teil sogar negiert wird. Die Schüler resignieren und passen sich meist an die
Gegebenheiten der Station an, weil sie sonst eine Benachteiligung bei der
Beurteilung ihres Praktikums befürchten.
Diese Spannungsfelder zwischen Theorie und Praxis können sich für die Schüler
frustrierend auswirken und die Effizienz ihrer Ausbildung behindern.
Die praktische Pflege hat sich aus einem dienenden und untergeordneten Beruf
entwickelt. Die Ausführungen von medizinischen Anordnungen und die
Ausführungen von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten waren die wichtigsten
Tätigkeiten der Pflege. Erst mit der Einführung des Gesundheits- und
Krankenpflegegesetz wurde die Krankenpflege reformiert.
Der eigenverantwortliche Tätigkeitsbereich mit dem Pflegeprozess bedeutete eine
totale Neuorientierung der Pflege. Da aber viele Praktiker ihre Ausbildung bereits
vor 2001 absolviert haben, fehlt ihnen die theoretische Grundlage zum neuen
Krankenpflegegesetz, das führte anfangs zur Überforderung und wurde daher von
manchen sogar abgelehnt.
Die Umstellung einer hauptsächlich von der Medizin abhängigen Pflege zu einer
eigenständigen Pflege mit einem eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich machte
vielen Pflegepersonen Probleme. Zahlreiche fort- und weiterbildende Schulungen
und Maßnahmen, wie das Einsetzen von so genannten „Multiplikatoren“ wurde
notwendig, um mit der revolutionären Entwicklung Schritt halten zu können.
Hier haben die Schüler einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Praxis. Sie
mussten sich nicht erst von einer funktionellen, von der Medizin abhängigen,
weisungsgebundenen Pflege abkoppeln, um sich zu einer Berufsgruppe mit
eigenverantwortlichem Tätigkeitsbereich zu entwickeln, sondern sie kommen mit
12
einer fundierten theoretischen Ausbildung und mit viel Grundlagen-Wissen von
der Ausbildungsstätte auf die Station.
Trotz allem Wollen und aller Bereitschaft der Schüler zur Innovation, neues
Wissen in die Praxis zu transferieren, sind sie jedoch früher oder später dazu
bereit, vor allem weil sie die Schwächeren im System sind, sich dem Imperativ
der Praxis unterzuordnen (vgl. Görres 2002, S. 16).
1.2 Ziele und Fragestellungen der Arbeit
Das Ziel der Arbeit besteht darin, das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und
Praxis, speziell in der psychiatrischen Pflege, aus verschiedenen Blickwinkeln
darzustellen, Gemeinsamkeiten sowie unterschiedliche Positionen
herauszuarbeiten und eine Konklusion für die Ausbildung abzuleiten. Weiters
möchte ich die Erfahrungen schildern, die Lernende in ihrer Ausbildung zum
psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpfleger im Bezug auf das Theorie-
Praxis-Verhältnis machen, sowie alle positiven und negativen Aspekte aus der
Sicht der Schüler explizit beschreiben.
Fragestellungen:
1. Wie stellt sich das Theorie-Praxis-Verhältnis dar?
2. Was macht das Theorie-Praxis-Spannungsverhältnis aus?
3. Welche Gemeinsamkeiten respektive unterschiedliche Positionen gibt es
zwischen Theorie und Praxis?
4. Wie erleben Lernende der psychiatrischen Gesundheits- und
Krankenpflege das Theorie-Praxis-Verhältnis in ihrer Ausbildung?
5. Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Beschreibungen ableiten?
13
1.3 Vorgangsweise
Die vorliegende Arbeit ist eine Literaturrecherche mit einem qualitativen Aspekt.
Die Literatursuche richtete sich nach dem Thema. Als Suchhilfe wurden
Bibliothekskataloge, Freihandaufstellungen aus Bibliotheken, Datenbanken aus
fachspezifischen Verlagen, das Literaturservice der medizinischen Universität in
Graz, Fachdatenbanken im Internet und vertiefende Literatur zum Thema
Literaturrecherche verwendet.
Das subjektive Erleben der Schüler in Bezug auf ihre Situation in der
theoretischen und der praktischen Ausbildung ergänzt die theoretische
Ausführung. Diese wurde mittels semistrukturierter Interviews erhoben.
Zur Auswertung der erhobenen Daten wurde ein interpretativ-reduktives
Verfahren angewendet. Die inhaltstragenden Stellen im Text wurden mittels der
Analyse nach Fragen paraphrasiert und das Ergebnis dargestellt.
Abschließend erfolgen eine Zusammenfassung und eine Konklusion, um
mögliche Konsequenzen für die Praxis aufzuzeigen.
14
2 Theorie
Eine Theorie ist ein Konzept zur Beschreibung von Zusammenhängen. In der
Logik bezeichnet eine Theorie eine deduktive abgeschlossene Formelmenge. Eine
Theorie entwirft ein Bild der Realität. Das Wort Theorie bezeichnete ursprünglich
die Betrachtung der Wahrheit durch reines Denken unabhängig von ihrer
Realisierung. Vermutlich wird deshalb der Begriff auch unbestimmt als Gegenteil
von Praxis benutzt (vgl. wikipedia.org 2006).
Der Begriff Theorie stammt aus dem spätlateinischen Wort „theoria“ und bedeutet
so viel wie Betrachtung oder Zuschauen. Theorie ist ein System wissenschaftlich
begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Tatsachen oder Erscheinungen
und eine rein begriffliche, abstrakte, nicht praxisorientierte oder -bezogene
Betrachtungsweise (vgl. Duden/Das große Fremdwörterbuch 2003, S. 1341).
Theorie, das seit dem 16. Jahrhundert bezeugte Fremdwort, das gewöhnlich als
Gegenwort zu Praxis gebraucht wird, ist aus dem griechisch-lateinischen Wort
„theoria“ (das Zuschauen, die Betrachtung, die wissenschaftliche Erkenntnis
usw.) entlehnt. Zugrunde liegt das griechische Substantiv „theoros“, das so viel
bedeutet wie der Zuschauer oder jemand, der ein Schauspiel sieht. Dazu stellt sich
der Begriff „theoretisch“, der im 17. Jahrhundert aus dem Lateinischen
„theoreticus“ übernommen wurde, was so viel wie rein wissenschaftlich,
gedanklich oder vorstellungsmäßig, ohne einen hinreichenden Bezug auf die
Wirklichkeit zu haben, bedeutet (vgl. Duden/Das Herkunftswörterbuch 2001, S.
846).
Unter Theorie versteht der „Brockhaus“ die Betrachtung und Anschauung. Im
Allgemeinen wird unter Theorie die ordnende Verknüpfung von Beobachtungen
über Gegenstände, Sachverhalte, Vorgänge und Handlungen gesehen. Abwertend
könnte man auch sagen, Theorie steht für eine nicht praxis- und
anwendungsbezogene Betrachtungsweise. Unter reiner Theorie versteht man die
Erkenntnis um ihrer selbst willen (vgl. Der Brockhaus Band 14 1998, S. 88).
15
Der Theoretiker (18. Jahrhundert) ist ein Wissenschaftler, Gelehrter, der
abschätzig auch gerne als wirklichkeitsfremder Mensch bezeichnet wird (vgl.
Duden/Das Herkunftswörterbuch 2001, S. 846).
Theorien befinden sich immer in einem Entwicklungsprozess. Theorie ist ein
Werkzeug zur Entwicklung von wissenschaftlichen Ansichten (vgl. Meleis 1999,
S. 47-48). Es gibt keine Theorien ohne Ideen, aber Ideen ohne Theorie. Ideen
entstehen aus Ahnungen persönlicher Erfahrungen, Einsichten, Inspirationen,
Intuitionen und der Tätigkeit mit den Erfahrungen anderer. Wir sind von Ideen
umgeben, doch nur wenige davon entwickeln sich zu Theorien (vgl. Meleis 1999,
S. 202). Theorien werden auf unterschiedliche Art und Weise entwickelt, zwei
Ansätze der Theorieentwicklung sind die Induktion und die Deduktion
(Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 65).
2.1 Induktiv versus Deduktiv
Bei der Theorienbildung durch Induktion geht man davon aus, dass der
Wissenschaftler im empirischen Prozess Datenmaterial erarbeitet. Die Ergebnisse
werden einer Verifikation zugeführt. Bei der Theorienbildung durch Deduktion
geht man davon aus, dass der Wissenschaftler durch kreative Akte sinnvolle
Hypothesen erzeugt, deren Übereinstimmung mit dem Datenmaterial er
anschließend überprüft. Die Ergebnisse werden der Falsifikation unterzogen (vgl.
wikipedia.org 2006,). Deduktives Schlussfolgern geht vom Allgemeinen zum
Besonderen, man geht von einer Theorie aus, leitet davon Hypothesen ab, welche
dann empirisch überprüft werden. Induktives Schlussfolgern geht umgekehrt vom
Besonderen zum Allgemeinen. Auf dem Weg des logischen Denkens und der
Beobachtung von Einzelfällen versucht man, allgemein gültige Theorie abzuleiten
(vgl. Mayer 2001, S.14).
Für Schlick steht fest, dass nicht die Deduktion, sondern allein die Induktion
unsere Erkenntnis von der Wirklichkeit erweitern kann. Unser Verstand arbeitet
dem Wesen nach analytisch, er kann besondere Wahrheiten nur aus dem Topf der
allgemeinen Wahrheiten heraus entwickeln, in dem sie bereits enthalten sind,
16
mehr vermag das Denken nicht. Es ordnet nur und verknüpft gewonnene
Erkenntnisse durch deduktives Schließen, aber es schafft keine Erkenntnis.
Erkenntnisse können nur durch Induktion gewonnen werden (vgl. Oeser 2003, S.
65).
2.2 Theorie aus soziologischer Sicht
Theorie aus soziologischer Sicht ist ein Begriff mit stark variierender Bedeutung.
Allgemein wird mit Theorie ein System von Begriffen, Definitionen und
Aussagen bezeichnet, das dazu dienen soll, die Erkenntnisse über einen Bereich
von Sachverhalten zu ordnen, Tatbestände zu erklären und vorherzusagen. Häufig
wird mit Theorie auch ein Erklärungsprinzip für eine Aussage oder eine einfache
Hypothese über einen bestimmten Zusammenhang verstanden. In
wissenschaftstheoretischen Darstellungen, wie zum Beispiel im Rahmen des
kritischen Rationalismus, wird Theorie oft mit deduktiver Theorie gleichgesetzt.
Deduktive Theorien entstehen durch Axiomatisierung. Gedanken und
Überlegungen, die nicht auf direkten Erfahrungen beruhen, werden
umgangssprachlich ebenfalls als Theorie bezeichnet. In der
wissenschaftstheoretischen Diskussion herrscht heute weitgehend Einigkeit
darüber, dass die Erfahrungswissenschaften, darunter auch die Soziologie, nicht
theorielos arbeiten können (vgl. Fuchs-Heinritz/Lautmann/Rammstedt/Wienold
1994, S. 676-677).
Eine soziologische Theorie sollte rational durchsichtig, empirisch beweisbar, aber
auch moralisch verpflichtend sein. Rational durchsichtig bedeutet, dass sie sich
auf soziale Tatsachen konzentriert (vgl. Richter 2002, S. 28).
2.3 Theorie aus psychologischer Sicht
Eine Theorie ist eine geordnete Menge von Begriffen und Aussagen, die ein
Phänomen oder eine Gruppe von Phänomenen erklärt. Dabei gilt als gemeinsame
Grundlage der meisten psychologischen Theorien die Annahme des
Determinismus. Darunter versteht man, dass alle Ereignisse, gleich ob
17
physikalischer, geistiger oder behavioraler Natur, das Ergebnis von spezifischen
Kausalfaktoren sind. Psychologische Theorien sind Versuche, die
deterministischen Zusammenhänge zwischen Gehirn, Verstand, Verhalten und der
Umwelt zu verstehen. Wenn in der Psychologie eine Theorie aufgestellt wird,
erwartet man für gewöhnlich von ihr, dass sie sowohl bekannte Faktoren erklären
kann als auch neue Ideen und Hypothesen generiert (Zimbardo 2004, S. 27-28).
2.4 Wissenschaftstheorien
Theorie aus wissenschaftlicher Sicht versteht ein System von Aussagen oder
Sätzen, das der Zusammenfassung einzelner empirischer Befunde eines
bestimmten Erkenntnis- bzw. Objektbereichs oder auch formaler Erkenntnisse
(Mathematik, Logik) dient (vgl. Der Brockhaus Band 14 1998, S. 89).
Wissenschaftliche Theorien im engeren Sinn bestehen aus Vermutungen darüber,
wie die Wirklichkeit funktioniert. Die Wissenschaftler können mit Hilfe von
Theorien Veränderungen in ihrem Untersuchungsfeld vorhersagen. Sie treffen
Vermutungen über die Wirklichkeit (vgl. Richter 2002, S. 15).
Wissenschaftliche Theorien müssen einer strengen Überprüfung standhalten,
deren Ergebnisse wiederum von unabhängigen Forschern repliziert werden
müssen, bevor eine Theorie als bewiesen gilt (vgl. Zimbardo 2004, S. 27).
Wirklichkeitserkenntnisse sind streng genommen Hypothesen. Denn keine
wissenschaftliche Wahrheit, mag sie historischer Art sein oder der exaktesten
Naturforschung angehören, kann im Prinzip sicher sein, irgendwann einmal
widerlegt und ungültig zu werden (vgl. Oeser 2003, S. 67).
2.5 Alltagstheorien
Alltagstheorien entstehen im Verlauf des Lebens und enthalten Muster zur
Interpretation der Umwelt, sie bestimmen einen großen Teil unseres
Handelns (Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 56).
18
Alltagstheorien können genau wie wissenschaftlich entwickelte Theorien
teilweise oder ganz richtig oder falsch sein. Alltagstheorien sind oft
Ausgangspunkt für die Entwicklung wissenschaftlicher Theorien. Viele
Alltagstheorien in der Pflege fassen wichtige Erfahrungen zusammen und würden
eine systematische Überprüfung verdienen (Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff
2006, S. 56).
Handelnde im Alltag tun dasselbe wie Wissenschaftler, sie treffen Vermutungen
über die Wirklichkeit. Sie treffen blitzschnell, oft unbewusst, wie
selbstverständlich Annahmen über die Situation, in der sie sich befinden. Das
Alltagsleben funktioniert, weil diese Annahmen meist richtig sind. Wenn wir zum
Beispiel einkaufen gehen, verhalten wir uns als Käufer und bekommen meist, was
wir wollen. Weil auch im Alltag ständig Vermutungen über die Situation
getroffen werden, könnte man sagen, dass es zwischen Theorien im Alltag und der
Theorie der Wissenschaft keinen qualitativen Sprung gibt, sondern nur graduelle
Unterschiede (vgl. Richter 2002, S. 15-16).
Der Unterschied zwischen wissenschaftlichen Theorien und den Theorien
des Alltags besteht darin, dass die wissenschaftlichen Theorien immer
bewusst sein sollten, d. h. ich muss als Wissenschaftlerin angeben können,
welcher Theorie ich folge oder welche Theorie ich gerade zu konstruieren
versuche (Kühne-Ponesch 2004, S. 43).
2.6 Klassifikation von Theorien
Am gebräuchlichsten ist die Einordnung der Theorien nach ihrem
Abstraktionsgrad. Pflegewissenschaft, aber auch andere Wissenschaften bedienen
sich dieser Unterteilung. Es gibt Theorien mit niedrigem und mit hohem
Abstraktionsniveau. Folgende Theorien nach dem Abstraktionsniveau werden
sowohl von der Soziologie als auch von der Pflegewissenschaft verwendet.
Beginnend mit dem niedrigsten Abstraktionsniveau (AN) sind die Alltagstheorien
(AN 1), dann die Ad-hoc-Theorien (AN 2), weiters die Theorien mittlerer
Reichweite (AN 3), die Theorien höherer Komplexität oder auch Grand Theories
19
genannt (AN 4) und letztendlich die Metatheorien, die eigentlich keine richtigen
Theorien sind, sondern Theorien über Theorien.
Ausschnittsweise möchte ich hier die soziologischen Theorien in Anlehnung an
Rene König (1967) darstellen.
Er unterscheidet: empirische Regelmäßigkeiten, Ad-hoc-Theorien, Theorien
mittlerer Reichweite und Theorien höherer Komplexität.
Empirische Regelmäßigkeiten sind streng genommen keine Theorien, es handelt
sich dabei meist um Studien, die versuchen, die Wirklichkeit zu beschreiben. Sie
haben den geringsten Abstraktionsgrad.
Ad-hoc-Theorien sind den Alltagstheorien sehr nahe, sie gelten bei näherer
Betrachtung als zu oberflächlich und als Vorurteil, weil sie üblicherweise sehr eng
sind und nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit repräsentieren.
Theorien mittlerer Reichweite erheben den Anspruch, die Wirklichkeit umfassend
zu erklären, indem sie mehrerer Ad-hoc-Theorien zu einem Themenbereich
zusammenfassen.
Theorien höherer Komplexität bieten eine allumfassende Erklärung für die soziale
Wirklichkeit und besitzen ein hohes Abstraktionsniveau (vgl. Kühne-Ponesch
2004, S. 47-49).
2.7 Ziele von Theorien
Wenn eine Theorie aufgestellt wird, erwartet man gewöhnlich von ihr, dass sie
sowohl bekannte Fakten erklären kann als auch neue Ideen und Hypothesen
generiert. Eine Hypothese ist eine vorläufige und überprüfbare Aussage über den
Zusammenhang zwischen Ursachen und Folgen. Hypothesen werden oft als
Wenn-dann-Vorhersage formuliert. Wir können zum Beispiel vorhersagen: Wenn
Kinder sehr viel Gewalt im Fernsehen übermittelt bekommen, dann werden sie
20
aggressiv. Um die Wenn-dann-Beziehung zu bestätigen, muss geforscht werden.
Theorien sind von grundlegender Bedeutung für die Generierung neuer
Hypothesen (vgl. Zimbardo 2004, S. 27).
Theorien leiten die Praxis dadurch an, dass sie auf pflegerelevante Prozesse und
Zusammenhänge aufmerksam machen. Wenn die Pflege als Profession anerkannt
werden soll, ist ein Fortschritt im Wissen unabdingbar. Wenn die Pflege als
wissenschaftliche Disziplin anerkannt werden soll, sind Theorieentwicklung und
Evaluation durch Forschung unentbehrlich (vgl. King 1995, S. 69).
2.8 Kritische Betrachtung von Theorien
Theorie ist wichtig, aber man sollte dabei nicht den Boden der Realität verlieren,
frei nach dem Motte: Man kann den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen (vgl.
Oeser 2003, S. 47).
Jede Theorie ist eine Art von komplexer Gesamtvorstellung oder eine Vorstellung
im Großen, was sich bei der Bildung jeder Vorstellung im Kleinen von uns
vollzieht. Auch in einer mathematischen, formulierten, physikalischen Theorie ist
daher nicht das Wesentliche die Formel, sondern die interne Repräsentation der
realen Außenwelt (vgl. Oeser 2003, S. 43).
Eine Theorie kann mit einem Objekt der Natur niemals deckungsgleich sein, sie
ist vielmehr nur ein geistiges Bild der Erscheinung und sie verhält sich zu diesem
wie das Zeichen zum Bezeichneten. Theorien sind nicht aus lauter logisch
unumstößlich begründeten Wahrheiten aufgebaut, sie setzten sich eher aus
Hypothesen zusammen. Es gibt sogar die Möglichkeit, dass zwei verschiedene
Theorien mit einem Phänomen gleich gut übereinstimmen, also, obwohl
verschieden, können beide gleich richtig sein. Erst wenn neuere, bis dahin noch
unbekannte Erscheinungen zugezogen werden, zeigt sich der Vorzug jener
Theorie, die mehr erklären kann, weil in ihr Hypothesen enthalten sind, die über
die bisher gemachte Erfahrung entscheidend hinausreicht (vgl. Oeser 2003, S. 47).
21
Keine Theorie kann als absolut wahr, aber auch keine Theorie kann als absolut
falsch betrachtet werden, vielmehr muss jede Theorie allmählich vervollkommnet
werden, wie die Organismen nach der Lehre Darwins (vgl. Oeser 2003, S. 28).
Theorien werden mit Erfahrungswissen ergänzt und führen so zur Entwicklung
einer Expertise, einer Art professioneller Intuition. Die Gefahr, die bei der
Anwendung von Theorien besonders bei Berufsanfängern entstehen kann, ist die,
dass bei Eigenschaften, die nicht formalisierbar sind, (wie zum Beispiel
Beziehungsfähigkeit, Sich-Einlassen-Können auf die Situation) ganzheitliche
Wahrnehmung und Intuition zu kurz kommen (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 66).
Boltzmann vertritt die Auffassung, dass Hypothesen und Theorie eine
Entsprechung in der Realität an sich haben müssen. Sie sind
Darstellungsmöglichkeiten der Realität und nicht nur Instrumente unseres
Denkens (vgl. Oeser 2003, S. 35).
Jede Theorie, die auf eine Praxis anders einwirkt, als dass diese ihr Tätigkeitsfeld
perfektioniert und auf zweckrationalisiertes Handeln bezogen ist, muss als
dogmatisch eingestuft werden (vgl. Habermas 1978, S. 317).
2.9 Zusammenfassung
Theorie ist eine abstrakte, nicht praxisorientierte Betrachtungsweise über
Sachverhalte und Zusammenhänge ohne hinreichenden Bezug zur Realität.
Theorien sollten Aussagen über Verbindungen zwischen Ursachen und Folgen
treffen und die Praxis dadurch anleiten, diese Aussagen zu überprüfen.
Theorien können über deduktives oder induktives Schlussfolgern entwickelt
werden. Theorien können aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.
Aus soziologischer Sicht sollte die Theorie empirisch beweisbar und sich auf
soziologische Tatsachen konzentrieren. Aus psychologischer Sicht lautet die
Kernaussage, dass Theorien Versuche sind, deterministische Zusammenhänge
22
zwischen Gehirn, Verstand, Verhalten und der Umwelt zu verstehen. In der
Psychologie erwartet man von einer Theorie, dass sie sowohl bekannte Fakten
erklären kann, als auch fähig ist, neue Hypothesen zu generieren.
Der Unterschied zwischen Wissenschaftstheorien und Alltagstheorien liegt im
Wesentlichen darin, dass wissenschaftliche Theorien einer strengen Überprüfung
standhalten müssen, bevor sie als bewiesen gelten. Alltagstheorien hingegen
entstehen meist im Verlauf des Lebens, sind Interpretationen der Umwelt und
bestimmen zumeist unser Handeln.
Bei der Klassifizierung von Theorien gibt es verschiedene Möglichkeiten, die je
nach Autor und Wissenschaftsbereich, unterschiedlich konnotiert sind.
Wichtig ist, dass Theorien nicht als absolut wahr aber auch nicht als absolut falsch
betrachtet werden, sondern sie mit Erfahrungswissen ergänzt zu einer Expertise
kommen und sich damit der Wahrheit ein Stück weit annähern.
23
3 Praxis
Der Begriff Praxis bezeichnet die tatsächliche Durchführung einer Tätigkeit und
die Erfahrung in einem Tätigkeitsfeld (vgl. wikipedia.org 2006,).
Der Begriff Praxis wird gleichgesetzt mit dem Tun, der Handlungsweise. Praxis
bedeutet die Anwendung von Gedanken, Vorstellungen, Theorien in der
Wirklichkeit, Ausübung, Tätigsein, Erfahrung und ist das Gegenteil von Theorie
(vgl. Duden Das große Fremdwörterbuch 2003, S. 1088).
Der Begriff Praktik kommt aus dem Spätlateinischen und bedeutet soviel wie
Ausübung, Tätigkeit und Vollendung. Praktik ist eigentlich die Lehre vom aktiven
Handeln. Praktizismus ist die Neigung bei der praktischen Arbeit, die
theoretischen Grundlagen zu vernachlässigen (vgl. Duden Das große
Fremdwörterbuch 2003, S. 1083).
Praxis, das seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts bezeugte Fremdwort, tritt zuerst
in der Bedeutung als Berufsausübung oder Tätigkeit auf. Im 18. Jahrhundert
findet es sich dann als Gegensatz zu Theorie als Bezeichnung für die tätige
Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und der daraus gewonnenen Erfahrung
(vgl. Duden Das Herkunftswörterbuch 2001, S. 627).
Praktik ist die Ausübung einer Tätigkeit sowie die Handhabung, die
Verfahrensweise oder der Kniff (vgl. Der Brockhaus Band 11 1998, S. 168).
3.1 Praxis aus soziologischer Sicht
Unter Praxis aus soziologischer Sicht versteht man die Art und das Ergebnis des
richtigen Handelns als Eingriff in gegebene Zustände. Erfolgreiche soziale Praxis
setzt aber voraus, dass man die gesellschaftlichen Bedingungen kennt, dass
zweckmäßige Mittel zur Umsetzung vorhanden sind, dass diese beherrscht werden
24
und damit auch umgegangen werden kann. Außerdem braucht man angebbare
Ziele und die Ergebnisse müssen auch überprüft werden (vgl. Fuchs-
Heinritz/Lautmann/Rammstedt/Wienold 1994, S. 511).
3.2 Praxis aus wissenschaftlicher Sicht
Die wissenschaftliche Praxis basiert auf der Akzeptanz von Belegen, die durch
kontrollierte Beobachtung, Experimente oder sorgfältige Messung gewonnen
wurden. Geheimniskrämerei ist im Forschungsprozess nicht akzeptabel, weil alle
Daten und Methoden der öffentlichen Überprüfbarkeit zugänglich sein müssen.
Das ergibt anderen Forschern die Möglichkeit, die Daten und Methoden zu
inspizieren, zu kritisieren, zu replizieren oder gar zu widerlegen. Nur so kann ein
kumulativer Wissensbestand in einem Forschungsfeld erweitert und gesichert
werden (vgl. Zimbardo 2004, S. 28).
3.3 Zusammenfassung
Unter Praxis versteht man die Handlungsweise, das Tun, die Anwendung von
Gedanken und Vorstellungen sowie die tätige Auseinandersetzung mit der
Wirklichkeit, und sie ist das Gegenteil von Theorie. Erfolgreiche Praxis setzt aber
voraus, dass man die gesellschaftlichen Bedingungen kennt, dass zweckmäßige
Mittel zur Umsetzung vorhanden sind, dass man diese auch beherrscht und damit
umgehen kann. Praxis muss, um als wissenschaftlich zu gelten, ihre aus
Experimenten gewonnen Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich machen, damit
andere Forscher die Möglichkeit haben, die Daten zu verifizieren oder zu
falsifizieren.
25
4 Wissen
Das wichtigste Ziel, das ein Mensch anstreben kann, ist Wissen, weil Wissen für
den Menschen Macht und Freiheit bedeutet (vgl. Meleis 1999, S. 206).
Wissen wird in einem Erfahrungsprozess persönlich gebildet, egal ob es sich um
theoretisches oder praktisches Wissen handelt. Damit dieses Wissen internalisiert
und in konkreten Situationen auch angewendet werden kann, bedarf es der
praktischen Übung und Wiederholung.
4.1 Theoretisches Wissen
Unter theoretischem Wissen versteht man für gewöhnlich ein abstraktes,
allgemeines, intersubjektives Wissen (vgl. Kirkevold 2002, S. 27).
Theoretisches Wissen ist personenunabhängig und hat in der Regel die Form einer
schriftlichen Aussage, die sich prinzipiell jeder aneignen und benutzen kann, der
an diesem Wissen interessiert ist (vgl. Kirkevold 2002, S. 29).
Theoretisches Wissen bildet den Rahmen für die Interpretation und die
Beurteilung von praktischem Handeln (vgl. Schrems/Schneider 2006, S. 16),
weiters stellt es für die Arbeitswelt sinnhafte Begründungs- und
Sinnzusammenhänge her und verhilft zum Beispiel der Pflege, Pflegehandlungen
zu beschreiben, um sie besser zu verstehen (vgl. Henke 2002, S.50).
Theoretisches Wissen umfasst zum Beispiel die Grundwerte und Leitprinzipien
der Pflege mit dem Ziel, darüber nachzudenken, was Pflege ist. Theoretisches
Wissen wird über Theorien und Wissenschaft kommuniziert (vgl. Meleis 1999, S.
248).
26
Theoretisches Wissen gilt als Grundlage der Macht, deshalb ist Theorie im
Streben nach Autonomie für den Berufsstand der Pflege ein äußerst wichtiger
Faktor (vgl. Meleis 1999, S. 116).
4.2 Praktisches Wissen respektive persönliches Wissen
Praktisches Wissen erfolgt über Tradition, ist ein persönliches Wissen, das durch
eigene Erfahrungen erworben wird (vgl. Meleis 1999, S. 248).
Praktisches Wissen ist konkret und speziell, subjektiv und geschichtlich bedingt,
es hängt also mit bestimmten Erlebnissen und Ereignissen zusammen, die eine
Person erlebt respektive erfahren hat. Praktisches Wissen befindet sich mit
anderen Worten im Besitz der Person, die die Situation erlebt hat (vgl. Kirkevold
2002, S. 29).
Praktisches Wissen ist vielfach auch ein stillschweigendes Wissen. In der
praktischen Pflege Tätige haben meist viel Erfahrung und ein umfangreiches
Wissen, das aber weder reflektiert noch verbal geäußert wird. Es ist ein implizites
Wissen, das weitgehend für niemanden sonst zugängig ist (vgl. Kirkevold 2002,
S. 72-73).
Persönliches Wissen ist durch Lebenserfahrung und Reflexion erworbenes Wissen
über sich selbst. Persönliches Wissen ist mit dem Bemühen verbunden, das
Handeln mit inneren Haltungen in Einklang zu bringen (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 44).
Praktisches Wissen hat in unserer Gesellschaft seit jeher einen geringen
Stellenwert, ein Grund dafür könnte in der Verwendung der Sprache liegen. Seit
jeher ist die Sprache einer der wichtigsten Bestandteile unserer emotionalen und
sozialen Kommunikation, je besser diese entwickelt und ausgebildet ist, umso
differenzierter, gewählter kann sich der Mensch mitteilen. In unserer Gesellschaft
ist die Fachsprache, darunter versteht man Begriffe, die nur von einer Branche
27
verwendet werden, ein Zeichen der Professionalität eines Berufsfeldes. Nicht
zuletzt kommt der Sprache als ein zentrales Medium hinsichtlich des
Stellenwertes in der Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu. Die Entwicklung
der Sprache in der Praxis soll im Wesentlichen aus der primären Sozialisation
resultieren (vgl. Henke 2002, S. 54).
Einen weiteren Grund, warum praktisches Wissen in unserer Gesellschaft eher
negativ bewertet wird, sehen Berger und Luckmann (1980) in der Arbeitswelt der
Pflege, die durch Routine und Rituale geprägt wird. Das Wissen, auf das sich
Routine und Rituale gründen, ist Alltagswissen. Routinisierte und ritualisierte
Handlungen werden in der Regel nicht mehr reflektiert. Handlungen aus Routine
sind auch als Richtlinien für institutseigene Vorschriften anzusehen, die durch
Anweisungen mit Inhalt versorgt werden (vgl. Henke 2002, S. 48).
4.3 Intuitives Wissen
Gibt einem Menschen ein, was er in bestimmten Situationen tun soll, es
ermöglicht die unmittelbare Erfassung der Bedeutung einer Situation. Die
Integration intuitiven Wissens ist ein Merkmal meisterhafter Pflege durch
Expertinnen (vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 41). Intuitives
Wissen ist schwer erfassbar und darstellbar, am besten kann es durch das
Wiedergeben und Analysieren von Pflegegeschichten und durch die Untersuchung
von Berichten erfahrener Pflegender begriffen werden.
4.4 Wissenschaft
Unter „Wissenschaft“ versteht man einerseits alle Aktivitäten, die auf
wissenschaftliche Erkenntnis abzielen, also auf das Forschen und das
Bilden von Theorien, andererseits versteht man darunter die Gesamtheit
der Erkenntnisse, die auf diesem Weg gewonnen werden. Charakteristisch
dabei ist ein methodisches Vorgehen beim Sammeln, Beschreiben und
Ordnen des Materials, aus dem man Erkenntnisse gewinnt (Mayer 2001, S.
16).
28
Wissenschaft beruht auf gründlicher und glaubwürdiger Forschungsarbeit und auf
gut entwickelten und bewiesenen Theorien. Theorie ist ein wesentlicher
Bestandteil einer wissenschaftlichen Disziplin (vgl. Meleis 1999, S. 277).
4.5 Zusammenfassung
Wissen wird, egal ob es sich um theoretisches oder praktisches Wissen handelt, in
einem Erfahrungsprozess gebildet. Theoretisches Wissen ist ein abstraktes,
allgemeines, personenunabhängiges Wissen und wird in der Regel schriftlich
festgehalten. Es hat einen öffentlichen Charakter und ist somit prinzipiell für
jeden zugänglich, der an diesem Wissen interessiert ist. Praktisches Wissen hängt
mit bestimmten Erlebnissen und Erfahrungen zusammen und ist an eine Person
gebunden. Es ist ein implizites Wissen, das weitgehend für niemanden sonst
zugänglich ist. Praktisches Wissen hat auf Grund der restringierten Sprache einen
geringen Stellenwert. Intuitives Wissen ermöglicht einem Menschen die
unmittelbare Erfassung der Bedeutung einer Situation und dementsprechend zu
handeln. Unter Wissenschaft, versteht man die Erkenntnisgewinnung aus
gründlicher Forschungsarbeit mit methodischer Vorgangsweise.
29
5 Pflege
Der etymologische Ursprung von Pflege bezieht sich auf Sorge, Obhut und
Betreuung. Das westgermanische Verb „pflegen“, mhd. (mittelhochdeutsch)
pflegen, ahd. (althochdeutsch) pflegan ist dunklen Ursprungs und bedeutete
zunächst für etwas einstehen, sich für etwas einsetzen. Daraus entwickelten sich
bereits in den alten Sprachzuständen einerseits die Bedeutung „sorgen, betreuen,
hegen“ und andererseits die Bedeutung „sich mit etwas abgeben, betreiben,
gewohnt sein“. Das Verb wurde früher stark gebeugt (pflog, gepflogen), es wurde
in der substantivierten Form zu Gewohnheit und Gepflogenheit und bildete in
einer weiteren Form eine Verbindung zu dem Begriff „Pflicht“ (vgl. Duden, Das
Herkunftswörterbuch 2001, S. 603).
Die ursprüngliche Wortbedeutung von Pflege liegt in der Sorge für etwas. Es geht
um Werte wie Erhalten, Gestalten, Fördern, Hegen und Schonen. Gesundheits-
und Krankenpflege dient demnach in erster Linie dem Leben, sie ist
gesunderhaltend und gesundheitsfördernd, sie begleitet und unterstützt Kranke
und Sterbende in ihren Bedürfnissen (vgl. Juchli 1991, S. 115).
5.1 Definition von Pflege
Florence Nightingale (1858, 1946) definiert Pflege als Sorge für die
persönliche Gesundheit des Individuums, die das Individuum in den
bestmöglichen Zustand bringt, damit die Natur an ihm wirken kann
(Meleis 1999, S. 200).
Eine weitere Begriffserklärung wird von der American Nurses Association (ANA,
1980) angeboten. Da wird Pflege als die Diagnose und Behandlung menschlicher
Reaktionen auf aktuelle oder potentielle Gesundheitsprobleme definiert (vgl.
Meleis 1999, S. 201).
30
Meleis und Trangenstein (1994) bestimmen Pflege als Auseinandersetzung mit
dem Prozess und der Erfahrung von Menschen, die sich in einem Statusübergang
befinden. Deshalb wird Pflege als Hilfe bei Transitionen zur Steigerung des
Gefühls von Wohlbefinden definiert (vgl. Meleis 1999, S. 201).
Pflege ist eine Praxiswissenschaft, die sich mit menschlichen Erfahrungen,
Bedürfnissen und Reaktionen in Zusammenhang mit Lebensprozessen,
Lebensereignissen und aktuellen oder potentiellen Gesundheitsproblemen befasst,
wobei sie als Wissenschaft Pflegefachwissen überprüft und generiert und als
Praxis Menschen bei der Bewältigung des Alltags unterstützt, dabei kommt der
Gesundheitsförderung und dem Einbezug des Umfelds große Bedeutung zu (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 37).
5.2 Konzept-Pflege
Die Pflege ist vom Ursprung her ein praktisches Fach und stellt eine
systematisierte Form von praktischem und theoretischem Wissen dar, das sich vor
allem durch Tradition weiterentwickelt hat (vgl. Kirkevold 2002, S. 24).
Außerdem ist Pflege eine Disziplin, die sich aus Elementen der Philosophie,
Theorie, Praxis und Forschung zusammensetzt (vgl. Meleis 1999, S. 30), diese
Komponenten stehen reziprok zueinander und definieren das Aufgabengebiet der
Pflege (vgl. Kühne-Ponesch 2004, S. 14).
Sie hat einen sozialen Auftrag, nämlich Menschen zu helfen, die aus
gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht in der Lage sind, ihre täglichen
Aktivitäten zur Erhaltung und Förderung des Lebens aus eigener Kraft
wahrzunehmen (vgl. Kirkevold 2002, S. 15).
Alltagssprachlich ist der Begriff höchst unterschiedlich konnotiert. Gepflegt
werden Autos ebenso wie Menschen, Traditionen, Kontakte, Denkmäler usw. Der
Begriff „Pflege“ ist also sehr weit reichend. Im Kontext der Gesundheits- und
Krankenpflege bezieht sich der Pflegebegriff auf das Verhältnis von „gesund“ und
31
„krank“ respektive auf die Praxis zwischen Pflegeperson und Patienten (vgl.
Schroeter/Rosenthal 2005, S. 20). Pflege richtet sich nicht auf die Krankheit
selbst, dafür ist die Medizin zuständig, sondern auf die menschlichen Reaktionen
auf diese Krankheit. Pflege richtet sich unter anderem auf die Folgen der
Krankheit, auf Funktionsstörungen, Einbußen im Alltag, Krankheitsbewältigung
und auf den Umgang mit Therapien (vgl. Kistner 2002, S. 3). Pflege ist eine
anspruchsvolle Tätigkeit, denn es bedeutet hochkomplexen, kaum
standardisierbaren, von menschlichen Problemlagen bestimmten
Aufgabenstellungen gewachsen zu sein (vgl. Holoch 2002, S. 254). Die
Kompetenzen, welche Pflege ausmachten, sind schwer zu vermitteln respektive zu
erwerben, weil sich Pflegende in erster Linie mit menschlichem Handeln und
nicht mit organischen Reaktionen befassen. Pflege bezieht sich wesentlich auf
Gesundsein und Kranksein, nicht auf Gesundheit und Krankheit. Pflege
interessiert sich für das, was Menschen erleben und tun. Menschen nehmen wahr,
schätzen ihre Lage ein, bewerten, deuten, urteilen und messen ihrem Handeln
sowie ihrer Situation einen Sinn bei. Diese Prozesse sind aber von außen nicht
sichtbar, sie müssen von den Pflegenden aus dem Verhalten heraus erschlossen
werden. Diese Tatsache macht jede Pflegsituation, jede Begegnung mit einem
Patienten zu einem jeweils neuen, niemals gleichen Ereignis (vgl. Holoch 2002, S.
255).
Pflege ist aber auch mehrdimensional zu sehen, denn sie umfasst die
Unterstützung bei den medizinischen Therapien, sie leistet Hilfe, wo die Medizin
nichts mehr tun kann, zum Beispiel bei Behinderten, chronisch Kranken und
Sterbenden, sie begleitet Menschen in Krisensituationen und in Krankheit, aber
sie richtet sich nicht nur auf Gesundheitsdefizite, sondern setzt auch auf
gesundheitsfördernde Maßnahmen und versucht die Ressourcen und gesunden
Anteile des Menschen zu aktivieren (vgl. Juchli 1991, S. 116-117).
Um Pflege fachgerecht ausüben zu können, benötigt man bestimmte Kenntnisse
und Fertigkeiten, welche einerseits in der fachlichen Grundausbildung und
32
andererseits durch das Praktizieren nach abgeschlossener Ausbildung erworben
werden (vgl. Kirkevold 2002, S. 27).
Die Krankenpflege stand lange Zeit im Dienste der Medizin, aus diesem Grund
war sie auch sehr lange fremdbestimmt. Andere haben definiert, was Pflege sein
soll, die sich nachhaltig sehr negativ auf das Selbstbewusstsein auswirkt (vgl.
Juchli 1991, S. 12). Der Versuch, Pflege über berufsfremde Rollen zu definieren,
erschwert den Prozess der Professionalisierung oder macht ihn gar unmöglich
(vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 41).
5.3 Theorie- und Praxisentwicklung im historischen Kontext
der Pflege
Der Blick auf die historische Entwicklung ist wichtig, weil aus dieser Perspektive
künftiges theoretisches Wissen aufgebaut wird. Erfahrungen, die in der
Vergangenheit gesammelt wurden, liefern die nötigen Impulse für die zukünftige
Entwicklung in der Pflege (vgl. Meleis 1999, S. 98).
Florence Nightingale hat Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten
Jahrhunderts im Krimkrieg erste theoretische Versuche unternommen, Pflegeziele
und -handlungen zu beschreiben.
Als erster Versuch, eine Theorie der Pflege zu entwickeln, kann das 1859
erstmals erschienene Werk „Notes on Nursing: what it is, and what it is
not“ von Florence Nightingale (1969) genannt werden. Ihre Vorstellung
von Pflege prägte über ein Jahrhundert die Pflegelandschaft (Kühne-
Ponesch 2004, S. 65).
In dieser Phase wurde Pflege als Bereitstellung von Versorgung und Trost
definiert, um Heilung und Wohlbefinden zu fördern und eine gesunde Umwelt zu
schaffen. Mitte der fünfziger Jahre unternahmen amerikanische Pflegelehrerinnen
Theorieversuche, indem sie Lehrpläne und Curricula entwickelten. Dieser Weg
hat wohl die weitere Entwicklung von theoretischem Denken geebnet. Jede dieser
33
Phasen in der Geschichte der Pflege half den Pflegkräften, der Definition und
ihrer Domäne ein Stück näherzukommen (vgl. Meleis 1999, S. 61-64).
Domäne umfasst den Gegenstand einer Disziplin, die wichtigsten, allgemein
anerkannten Werte und Überzeugungen, die zentralen Begriffe, Phänomene, die
wichtigsten Probleme und Methoden, die angewandt wurden, um fachbezogene
Antworten zu erhalten. Die Akteure der Domäne Pflege sind die Praktiker,
Forscher, Theoretiker, Metatheoretiker, Philosophen, Unterrichtskräfte, Berater
und Ethiker (vgl. Meleis 1999, S. 41).
Die Pflegetheoretikerinnen der ersten Generation waren durch ihren
Theoriemonismus charakterisiert. Sie vertraten eine wissenschaftliche Position,
die davon ausging, dass es nur eine Theorie der Pflege geben könnte, und diese
eine Theorie sollte von möglichst großer Reichweite sein. Diese Ansicht zeigte
sich aber als nicht realisierbar, sie wirkte sich eher hemmend auf die
Theorieentwicklung aus. Erst die nachfolgende Generation von
Pflegetheoretikerinnen wie Meleis, Moers, Schaeffer und Steppe, die sich weniger
um die Entwicklung neuer Theorien bemühten, sondern vielmehr pluralistisch
vorangingen, versuchten, die bestehenden Theorien zu reflektieren, zu analysieren
und zu klassifizieren (vgl. Meleis 1999, S. 14). Den neuen Generationen von
Pflegewissenschaftlerinnen wurde klar, dass Pflege nicht auf eine einzige
Wissenschaft reduziert werden kann. Pflege ist komplex und braucht inhaltliche
und methodische Autonomie (vgl. Meleis 1999, S. 67).
Die unterschiedlichen Konzepte, welche von den Theoretikerinnen in den
sechziger und siebziger Jahren entwickelt wurden, waren meist zu theoretisch und
wurden eher für die Ausbildung als für die Praxis konzipiert (vgl. Meleis 1999, S.
69). Die unterschiedlichen Theorien verunsicherten die Praktiker. Sie fragten sich,
ob sie nun nur eine Theorie anwenden und andere weglassen sollten, ob diese eine
Theorie auch andere Felder der Pflege abdeckte oder ob sie mehrere Theorien
gleichzeitig anwenden sollten. Um diese Unsicherheit zu umgehen, wurden die
Theorien von den Praktikern per se ignoriert oder sie weigerten sich, sie
anzuwenden. Der Versuch der Pflegewissenschaftlerinnen eine Theorie für die
34
gesamte Disziplin der Pflege zu entwickeln, scheiterte daran, dass sie entweder zu
umfangreich oder zu reduktionistisch war. Von den Praktikern wurde daher
Nützlichkeit und Anwendbarkeit einer Leittheorie in Frage gestellt und auch
abgelehnt (vgl. Meleis 1999, S. 70).
Der Wunsch nach nur einer Theorie für das Gebiet der Pflege mag eine
verführerische Illusion sein, aber in einer Disziplin, die mit Menschen zu tun hat,
ist es vielleicht gar nicht möglich, mit einer einzigen Theorie alle fachspezifischen
Phänomene zu erklären (vgl. Meleis 1999, S. 140). Es gibt triftige Gründe, warum
Pflege nicht aus einer Theorie bestehen kann. Pflege beschäftigt sich mit
Menschen, Interaktionen, Gesundheit, Krankheit und Pflegeinterventionen, zu
denen es eine Theorie gibt. Obwohl die Theorien verschieden sind, weil sie sich
auf verschiedene Phänomene beziehen, ergänzen sie sich eigentlich wieder. Pflege
hat mit menschlichem Verhalten zu tun und Verhalten kann nicht mit einer
einzigen, allgemein umfassenden Theorie erklärt werden (vgl. Meleis 1999, S.
141).
In dieser Periode fragten Pflegetheoretiker nicht länger, ob Pflege eine Theorie
braucht oder ob Pflege eine Theorie entwickeln kann, sondern was heißt Theorie,
was sind die Hauptbestandteile einer Theorie und wie können Theorien analysiert
und kritisiert werden. Ziel dabei ist die Etablierung der einzigartigen Wissensbasis
von Pflege. Die Anwendung von Theorie zur Curriculum-Entwicklung steigerte
die Aufmerksamkeit der akademischen Pflege, spaltete jedoch das Ziel in
Theorieentwicklung für die Praxis und Theorieentwicklung für die Ausbildung.
Zu jener Zeit war der Schwerpunkt auf Theorie und Theorieentwicklung gelegt,
was den theoretischen Pflegekräften ein größeres Gewicht verlieh (vgl. Meleis
1999, S. 86-87).
In den achtziger Jahren wurden Theorien wieder weniger hinterfragt. Erkannt
wurde, welche Bedeutung Theorie für die Pflege hat. Die bestehenden Theorien
wurden verfeinert und weiterentwickelt, wobei aber der Bezug zwischen Theorie
und Forschung näher war als der Bezug zwischen Theorie und Praxis (vgl. Meleis
35
1999, S. 89). Ein beachtlicher Fortschritt in der Wissensentwicklung der Pflege
kennzeichnete die neunziger Jahre. Es entstanden viele Theorien mittlerer
Reichweite. Diese beziehen sich auf spezielle Pflegephänomene und spiegeln die
Pflegepraxis wieder (vgl. Meleis 1999, S. 91).
Theoretiker jüngerer Zeit sehen in der Umwelt einen zentralen Faktor in der
Pflege. Sie sehen den Menschen in einer Interaktion mit seiner Umwelt. Der
Begriff Umwelt umfasst für diese Theoretiker Energiefelder, soziale Systeme,
Familie und Gesellschaft (vgl. Meleis 1999, S. 197).
Dass sich Pflegetheorien so langsam und behäbig entwickelten und nicht wirklich
akzeptiert wurden, kann auch mit der Geschlechterrolle zu tun haben. Pflege war
immer eine Tätigkeit, die vorwiegend von Frauen ausgeübt wurde, etwa
fünfundneunzig Prozent der Pflegekräfte sind Frauen. Die Tatsache, dass die
Wesenszüge der Frauen immer noch mit fürsorgenden und vorsorgenden Rollen
in Verbindung gebracht werden, darf bei der Diskussion über Theorieentwicklung
nicht ignoriert werden. Da wir in einer patriarchalen Gesellschaft leben, wurden
diese geschlechtlichen Unterschiede negativ bewertet. Da Pflege nicht auf
wirtschaftlichen Erfolg und Unabhängigkeit ausgerichtet ist, diese eher
gesellschaftlich erwünschte Eigenschaften des Mannes sind und die Identität des
Mannes an solchen Parametern gemessen wird, bleibt Pflege ein Beruf, der eher
mit den Erwartungen an Frauen vereinbar ist. Die Stereotypisierung der
Geschlechterrollen hat die theoretische Entwicklung der Pflege sehr behindert
(vgl. Meleis 1999, S. 105-106). All diese Hindernisse, ob geschlechtlich oder
kulturell, haben das Potenzial der Theorieentwicklung behindert (vgl. Meleis
1999, S. 113).
So, wie sich die Pflege als theoretische Disziplin im Laufe der Evolution
verändert und weiterentwickelt hat, so kann die praktische Pflege ebenfalls auf
eine fulminante historische Entwicklung zurückblicken.
In der langen Geschichte der praktischen Pflege wurde Neugier durch
Pragmatismus und unkritische Haltung ersetzt. Die Pflegenden wurden dazu
36
ausgebildet, sich als Handlanger des Arztes und als Ausführende des Systems zu
sehen. Die praktisch Pflegenden hatten ihren Schwerpunkt in der medizinischen
und sozialen Rolle. Wissenschaftliche Haltung oder Forschung wurde nicht
vermittelt. Das System ließ es einfach nicht zu, dass Pflegekräfte sich selbst als
Wissensquellen betrachten. Die Durchführung einer Handlung, ohne zu denken,
zu reflektieren oder sich problemlösend zu verhalten, ist ein Wesenszug der
Pflege, man hatte einfach zu funktionieren. Die Last der Tradition, die
untergeordnete, unterwürfige Stellung und das Ausbildungsmodell der Pflege,
plagen heute noch die innere Haltung von Pflegekräften (vgl. Meleis 1999, S.
101-102). Trotz des Reichtums an pflegerischer Praxis gab es nicht den nötigen
Impuls, sich mit Beschreibung von Pflegephänomenen zu befassen. Wegen der
engen Bindung der Pflege zur Medizin hat sich Pflegewissen traditionellerweise
an Symptomen orientiert. Die pflegerische Tätigkeit lief so ab, dass ein Problem
identifiziert wurde, dann wurde auf das medizinische Modell zurückgegriffen. Die
pflegerische Tätigkeit bestand größtenteils aus dem Versuch, bei medizinischen
Maßnahmen zu assistieren und den Patienten unterstützend zur Seite zu stehen.
Die Domäne der Medizin diktierte die Krankenpflege. Sogar frühe Lehrbücher
dokumentieren, dass Pflegeschüler vorwiegend in medizinischen Fächern
ausgebildet wurden (vgl. Meleis 1999, S. 210-211). Lange Zeit dominierte das
biologische Konzept der Pflege, welches sich vorwiegend auf Krankheit,
medizinische Behandlung, Hilfestellung im medizinischen Betrieb und auf die
traditionellen pflegerischen Interventionen wie zum Beispiel die Grundpflege
konzentrierte.
In der Ära der totalen Abhängigkeit vom medizinischen Modell schaffte es die
Pflege offensichtlich nicht, sich ihrem eigenen Tätigkeitsfeld zu nähern. Erst in
den späten achtziger Jahren wurde die vorhandene Pflegepraxis als Quelle
theoretischer Entwicklung wieder entdeckt (vgl. Meleis 1999, S. 210-211).
Die Pflege richtete ihr Augenmerk nun stärker auf die nichtmedizinischen
Aspekte und ging mehr auf die psychischen Bedürfnisse des Patienten ein. Die
Pflege befasste sich jetzt mit der Rolle der professionellen Pflegekraft und mit der
37
Entwicklung eines pflegespezifischen Wissens (vgl. Mischo-Kelling 1995, S.
175).
Als Folge unterschiedlicher Entwicklungen haben sich für die Pflege neue
Arbeitsfelder mit besonderen Anforderungen, wie Gesundheitsförderung und
-beratung, Prävention oder Rehabilitationsmaßnahmen aufgetan (vgl. Görres/Roes
2002, S. 117). Die veränderten Tätigkeitsbereiche beeinflussten auch die
Einstellung der Pflege, in einer weitgehend holistische Betrachtung sieht sie den
Menschen nun als ein adaptives, biopsychosoziales Wesen, das in ständiger
Interaktion mit einer sich veränderten Umwelt steht (vgl. Schroeter/Rosenthal
2005, S. 22).
Die heutige Auffassung der Pflege orientiert sich zunehmend an Pflegetheorien
und Pflegekonzepten, der Aspekt des Dienens, des Assistierens und gehorsamen
Ausführens von Anordnungen des Arztes geht zurück und hat sich zugunsten des
eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereichs entwickelt (vgl. Hasenauer 2002, S.
101). Nicht das Assistieren, Vor- und Nacharbeiten ärztlich-medizinischer
Ausführungen stehen im Vordergrund, sondern ein selbstständiges, planendes
Pflegeverständnis (vgl. Hasenauer 2002, S. 108).
Eingeleitet wurde der theoretische Diskurs mit der Einführung des Gesundheits-
und Krankenpflegegesetzes (GuKG) im Jahre 1997. Der Gesetzgeber fordert von
der Pflege, dass die Pflegebedürftigen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft
gepflegt werden müssen (vgl. Sieger/Brinker-Meyendriesch 2004, S. 23). Damit
ist das Berufsbild der Pflege neu konstruiert worden, die Pflege sollte damit in
Richtung Professionalität und Autonomie gelenkt werden. Das Bild der
untertänigen Krankenschwester ist somit als ein Relikt der Vergangenheit zu
sehen, die Pflege ist als eigenständige und selbstbewusste Profession darzustellen.
Die Einführung des eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereiches (§14) kann als das
Kernstück der professionellen Pflege und als Begründung der Einführung der
Pflegediagnostik in die Praxis bezeichnet werden. Er ist weiters ein wichtiger
Aspekt des neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes und geht mit einer
neuen Wertschätzung der Pflegeperson und mit einer beruflichen
38
Identitätsfindung der Pflegenden einher. Der eigenverantwortliche
Tätigkeitsbereich bedeutet selbstständiges Arbeiten, dadurch erhält die Pflege
mehr Entscheidungsspielraum bei Pflegephänomenen und dies erfordert
gleichzeitig mehr Selbstbewusstsein und eine völlig neue Patientenorientierung
(vgl. Schrems 2003, S. 32).
5.4 Zusammenfassung
Pflege ist ein Praxisfach, das sich aus Elementen der Philosophie, Theorie, Praxis
und Forschung zusammensetzt und sich mit menschlichen Erfahrungen,
Lebensprozessen, Lebensereignissen und aktuellen oder potenziellen
Gesundheitsproblemen befasst. Pflege hat einen Auftrag, nämlich Menschen zu
helfen, die aus bestimmten Gründen nicht in der Lage sind, ihre täglichen
Aktivitäten zur Erhaltung des Lebens von sich aus wahrzunehmen. Pflege richtet
sich auf die Folgen von Krankheiten, deren Bewältigung und deren Prävention.
Sie richtet ihre Aktivität auf die gesunden Anteile des Menschen und versucht
seine Ressourcen zu aktivieren. Pflege ist aber differenzierter zu sehen, denn sie
umfasst auch die Unterstützung der Mediziner bei Behandlungen und Therapien.
Die Entwicklung einer Theorie der Pflege reicht zurück bis zu Florence
Nightingale ins Jahr 1859. In dieser Phase wurde Pflege mit Versorgung und
Trost definiert. Im geschichtlichen Kontext wurden die Theorien bis heute laufend
verfeinert und weiterentwickelt. Theoretiker heutiger Zeit beziehen sich auf
Pflegephänomene, spiegeln die Pflegepraxis und sehen den Menschen in einer
Interaktion mit seiner Umwelt.
In der langen Geschichte der praktischen Pflege reichten die Schwerpunkte vom
einstigen Handlanger des Arztes, mit der totalen Abhängigkeit vom medizinischen
Modell, bis in die späten achtziger Jahre hinein, und erst ab diesem Zeitpunkt
richtete die Pflege ihr Augenmerk nun stärker auf nichtmedizinische Aspekte und
ging mehr auf die Bedürfnisse der Patienten ein. Als Folge entwickelten sich für
die Pflege neue Arbeitsfelder, wie Gesundheitsförderung und -prävention. Mit der
39
Einführung des neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetztes 1997 wurde mit
dem § 14 ein eigenständiger Tätigkeitsbereich gesetzlich verankert und die Pflege
aufgefordert, selbstständig zu arbeiten. Pflegeprozess und Pflegediagnosen
erlaubten mehr Entscheidungsspielraum bei der Erfassung von
Pflegephänomenen, erforderten gleichzeitig mehr Selbstbewusstsein und eine
völlig neue Patientenorientierung.
5.5 Der praktische Aspekt in der Pflege
Pflegepraxis ist die Pflege am Krankenbett, die Sorge um die kranken Menschen
und deren Betreuung in Spitälern oder anderen institutionellen
Gesundheitseinrichtungen. Die Pflegepraxis ist geprägt durch Situationen rund um
Menschen, die direkte Pflege benötigen (vgl. Spirig 1994, S. 17).
Die Pflegepraxis ist eine zusammenhängende und komplexe Form sozial
etablierter, menschlicher Aktivität, die dem gesellschaftlichen Bedarf an
Pflege für pflegebedürftige Individuen entspricht und dabei von
integrierten Werten, Erkenntnissen und Fertigkeiten ausgeht. Die
Pflegepraxis hängt eng mit dem Fach der Pflege zusammen, welche das
gesamte Wissen über und für die Pflegepraxis bereitstellt (Kirkevold 2002,
S. 25).
Die Praxis unterstützt Patienten im Rahmen eines Problemlösungs- und
Beziehungsprozesses bei der Bewältigung des Alltags und beim Streben nach
Wohlbefinden, bei der Erhaltung, Anpassung oder Wiederherstellung von
physischen, psychischen und sozialen Funktionen (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 47).
Die praktische Pflege begleitet den Patienten durch emotionale Krisen und
Entwicklungsprozesse, um ihn zu befähigen, sich so stark als möglich an seiner
Genesung zu beteiligen und Verantwortung für sich und seine Erkrankung zu
übernehmen (vgl. Schroeter/Rosenthal 2005, S. 22).
40
Das Praxisfeld Pflege beruht auf intuitiven, erfahrungsgeleiteten Handlungen mit
Alltagswissen und der Fähigkeit sich zu orientieren. Die Arbeitswelt wird durch
Rituale und Routine geprägt (vgl. Henke 2002, S. 47-48).
Die Komplexität der Pflege fordert von den Pflegenden vielfältigste Fähigkeiten
und Kompetenzen ein. Diese Attribute entwickeln sich vorwiegend durch
Erfahrungen und Traditionen. Käppeli (1991) stellte fest, dass Pflegende vor
allem Wissen anwenden, das sie in Pflegesituationen erworben haben, indem sich
Pflegehandlungen als effektiv und richtig herausgestellt haben. Dieses Wissen
wird dann tradiert an andere Pflegepersonen weitergegeben. Die praktischen
Tipps werden mit theoretischem Wissen ergänzt und so entsteht Alltagswissen,
welches den in der Praxis Pflegenden prägt (vgl. Spirig 1994, S. 17-18).
Das konkrete Handlungsfeld des in der Praxis Pflegenden umfasst die Versorgung
der Patienten im Rahmen der Grund- und Behandlungspflege sowie die
Durchführung der Maßnahmen im Rahmen des mitverantwortlichen
Tätigkeitsbereiches nach ärztlicher Anordnung, weiters die Überwachung von
therapeutischen Maßnahmen und die Beobachtung unerwünschter Effekte wie
Toxizität und Nebenwirkungen von Medikamenten. Diagnostik und
Patientenüberwachung, um eventuelle Komplikationen oder Exazerbationen des
Gesundheitszustandes frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen einzuleiten,
gehören ebenfalls zum Aufgabengebiet der Praxis (vgl. Juchli 1979 S. 16-22).
Des Weiteren müssen sie zu ihrer Pflegetätigkeit am Patienten auch für einen
reibungslosen Stationsablauf sorgen, in dem viele Tätigkeiten fallen, die nicht
direkt mit der Arbeit am Krankenbett zu tun haben. Dazu gehören administrative
Tätigkeiten wie die Aufnahme und Entlassung von Patienten und die Anmeldung
zu diversen Untersuchungen, die Organisation der Pflege und die Anleitung von
Schülern und Hilfspersonal. Sie müssen zusätzlich technisches Verständnis
mitbringen, denn die Bedienung von medizinischen Geräten ist genauso Teil der
Pflegepraxis wie das Arbeiten mit dem Personalcomputer (Spirig 1994, S. 17-19).
41
In der praktische Pflege lassen sich die Handlungen der Pflegenden schon längst
nicht mehr nur auf die kurativen Maßnahmen des ehemaligen „Heilhilfsberufes“
beschränken, sondern der Anspruch und die Anforderungen an das Wissen und
Können der Pflegenden sind gestiegen. Seit das Paradigma der Gesunderhaltung
und Gesundheitsförderung in ihr Handlungsfeld aufgenommen worden ist und der
wissenschaftliche Einfluss Eingang in die Pflege gefunden hat, benötigt die
Pflegenden zunehmend analytische, koordinierende, kommunikative, edukative,
diagnostische, technische und evaluative Kompetenzen (vgl. Michaelis 2005, S.
272).
Die Pflegepraxis unterscheidet auf konkreter Ebene unterschiedliche
Situationstypen mit unterschiedlichen Herausforderungen an die Pflegenden und
unterschiedlichen Ansprüchen an Wissen und Kompetenz. Kirkevold
unterscheidet vier Typen von Pflegesituationen:
1. Akutsituationen,
2. problematische Situationen,
3. nicht-problematische Situationen,
4. problemidentifizierende Situationen.
Die vier Situationstypen unterscheiden sich im Hinblick darauf, wie die
Pflegepersonen auf die jeweilige Situation reagieren. Manchmal spielt die Zeit
eine Rolle, die der Pflegekraft zur Verfügung steht, um eine Entscheidung rasch
treffen zu können. Dies trifft besonders auf Akut-Situationen zu, in denen sehr
viel medizinisches Wissen vom Pflegepersonal verlangt wird. Es ist wichtig, sich
schnell einen Überblick zu schaffen, die Anforderungen und Ressourcen
aufeinander abzustimmen, um rasch zu intervenieren (Kirkevold 2002, S. 52-53).
Bei problematischen Situationen oder wenn der Zustand des Patienten sehr
unsicher und wechselhaft ist, ist meist nicht eindeutig definiert, worin das
Problem oder Bedürfnis des Patienten besteht. Hier hängt es davon ab, ob die
Pflegeperson imstande ist, die Situation gut zu definieren und eine gute,
42
befriedigende, klinische Beurteilung vorzunehmen. Da hat die Forschung gezeigt,
dass erfahrene Pflegepersonen fähiger sind, die Situation unter verschiedenen
Gesichtspunkten zu sehen, Zusammenhänge zu erkennen und schneller mögliche
Erklärungen anzubieten (Kirkevold 2002, S. 55-56).
Bei Nicht-problematischen Situationen ist es offensichtlich, wo das Problem liegt,
was der Patient braucht, und die Lage der Situation ist stabil. Das trifft meist auf
Patienten zu, die einen längeren Pflegebedarf benötigen, d. h. es gibt einen klaren
Anfang, aber kein klares Ende. In dieser Situation geht es vor allem darum, das
Beste aus der Situation zu machen, nämlich dem Patienten ein bestmögliches
Befinden und seine grundlegenden Bedürfnisse zu sichern (Kirkevold 2002, S. 59-
60).
Situationen, in denen die Pflegeperson versucht, mögliche Probleme zu erkennen,
bevor sie auftreten oder sich zu ernsten Problemen entwickeln, nennt man
problemidentifizierende Situationen. Neben dem Erkennen möglicher Probleme
ist das Vorbeugen von Komplikationen ein wesentliches Element der Pflege. Die
erforderliche Kompetenz, die an Pflegende dabei gestellt wird, ist, den Patienten
klinisch zu beurteilen, ausgehend von dem Wissen einer erwarteten Entwicklung.
Ein konkretes Beispiel dafür ist das Erkennen und Vorbeugen von
Komplikationen bei bettlägerigen Patienten. Das erfordert eine solide Kenntnis
darüber, wie eine normale Entwicklung aussieht und darüber, was Zeichen für
eine Abweichung sind (Kirkevold 2002, S. 62-63).
So lässt sich konstatieren, dass einige Dimensionen der Pflegepraxis nicht ohne
eine gewisse Standardisierung auskommen, insbesondere in Akut-Situationen, in
denen kein Raum für Reflexion und Planung bleibt. Das Wissen, das hier benötigt
wird, muss internalisiert sein. Bei anderen Situationen der Pflegepraxis ist eher
eine individuelle Gestaltung der Pflege relevant. Besonders bei lange dauernden,
nicht-problematischen Situationen wie z. B. bei chronischen Krankheiten, wo das
Ziel darin liegt, für den Patienten ein bestmögliches Befinden zu sichern, zeigt
43
sich die Qualität darin, dass die Pflege von den Erfahrungen und Wünschen des
einzelnen Patienten ausgeht (vgl. Kirkevold 2002, S. 69).
Auf einer übergeordneten Ebene ist die Frage zu stellen, ob in der Pflegepraxis,
sowie in anderen praktischen Disziplinen auch, die Ansicht besteht, dass der
praktische Aspekt eines Berufes im Prinzip als angewandte Wissenschaft
betrachtet werden kann, was von vielen Wissenschaftlern wie z. B. Benner 1984,
Martinsen 1975 oder Molander 1993 als unbefriedigend angesehen wird (vgl.
Kirkevold 2002, S. 67).
Bishop und Scudders (1990, 1991, 1995) sind der Meinung, dass ein wesentlicher
Unterschied zwischen der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnis in der Praxis
und einer Betrachtung der Praxis als angewandter Wissenschaft besteht. Sie
vertreten die Auffassung, dass Pflege als Form der Praxis in der Hauptsache durch
klinische Ausübung, Erfahrung und praktische Vermittlung qualitativ gut geführt
wird, aber um Pflegepraxis weiterzuentwickeln und zu verbessern, wäre die
Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis eine weitere
Möglichkeit, ohne damit vorauszusehen, dass Praxis angewandte Wissenschaft ist.
Denn eine Praxis, die sich nicht durch Verwirklichen von Möglichkeiten
entwickelt, ist tot (vgl. Kirkevold 2002, S. 68).
Der Arbeitsalltag in der praktischen Pflege ist gravierenden Veränderungen
unterworfen, die Gründe dafür sind einerseits in den gesundheitspolitischen und
sozialpolitischen Entwicklungen und in den Umbrüchen im Gesundheitswesen zu
suchen, aber auch in den Professionalisierungsbestrebungen innerhalb der
Pflegeberufe sowie in der langsamen Entfaltung der Pflegewissenschaft (vgl.
Sieger 2001, S. 13).
44
5.5.1 Professionalität
Professionalität (lat.) ist eine souveräne Ausübung einer Tätigkeit respektive
Beherrschung eines Arbeitsgebietes (vgl. Duden Das Fremdwörterbuch 2003, S.
1097).
Während Professionen Berufe sind, die den vollen Status einer Profession erreicht
haben, bedeutet Professionalisierung den Weg zur Profession. Professionalismus
entwickelt sich dann, wenn sich einige Individuen spezialisierte Fertigkeiten auf
der Basis von theoretischem Wissen in langer Ausbildung angeeignet haben.
Profession verlangt ein Handeln, das durch systematisiertes, empirisches Wissen
geleitet wird. Überlieferte traditionelle Ansichten finden dabei keine Beachtung.
Eine adäquate Ausbildung in Form einer wissenschaftlichen Ausbildung wurde
zum bedeutenden Abgrenzungskriterium zu anderen Berufssparten. Die Begriffe
der Professionalisierung und Spezialisierung sind somit eng mit der
Akademisierung eines Berufsstandes verbunden (vgl. Kühne-Ponesch 2004, S.
22)
Ein wesentliches Merkmal von Profis ist, dass sie bestimmte Sachverhalte auf
Grund ihrer spezifischen Expertise beurteilen respektive diagnostizieren und
daraus Interventionen vorschlagen können. Professionalität wird auch dadurch
charakterisiert, was Berufsangehörige in einer bestimmten Situation denken, was
sie theoretisch überlegen, was sie als Konklusion ziehen und was sie ihren
Patienten empfehlen. Professionalität setzt voraus, dass ein Beruf ein eigenes,
mehr oder weniger exklusives Wissensgebiet hat (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 41).
Professionelle verfügen wegen ihres Wissens und der Bereitschaft zur Übernahme
von Verantwortung über ein hohes Sozialprestige und eine Anerkennung in der
Gesellschaft. Anerkennung in der Gesellschaft wird den Professionellen mit mehr
politischer Präsenz und auch mit einer höheren monetären Leistung honoriert.
Zuerkennung von Autonomie ist ein wesentliches Element einer Profession.
Autonomie versteht sich als selbstständige Kontrolle der eigenen Tätigkeit.
Professionen unterliegen, was die Beuteilung ihrer Leistungen betrifft, nicht der
Fremdkontrolle. Die Kollektivitätsorientierung hängt eng mit der Verantwortung
45
gegenüber den Patienten und einer Wertorientierung in der Berufsausübung
zusammen. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Entwicklung
eines Berufes zur Professionalität ohne die genannten Kriterien praktisch nicht der
Fall ist. Daher muss die Gesundheits- und Krankenpflege diese Kriterien erfüllen,
um als Profession anerkannt zu werden. Widerstände gegenüber Theorien
erschweren die Professionalisierung, denn ein Theoriediskurs ist notwendig, um
die Eigenständigkeit von Pflege zu festigen. Ein unzureichender Grad an
Professionalisierung geht mit mangelnder Akademisierung des Berufsstandes
einher (vgl. Kühne-Ponesch 2004, S. 23-26).
5.5.2 Zusammenfassung
Pflegepraxis ist die Pflege am Krankenbett und geprägt durch die Situation rund
um Menschen, die Pflege benötigen. Praktische Pflege hat sich durch Tradition
entwickelt und ihre Handlungen beruhen auf intuitiven und erfahrungsgeleiteten
Fähigkeiten. Die Praxis unterstützt Patienten bei der Bewältigung des Alltags, die
auf Grund ihrer Erkrankung selbst nicht in der Lage sind, ihre Probleme zu lösen.
Zur praktischen Pflege gehören neben der Versorgung der Patienten im Rahmen
der Grund- und Behandlungspflege, die Durchführung der Anordnungen des
Arztes sowie die Überwachung und Beobachtung der Patienten, um
Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Sie muss weiters für einen reibungslosen
Stationsablauf sorgen, dazu gehören administrative Tätigkeiten genauso wie die
Bedienung von medizinisch-technischen Geräten sowie die eigene Planung der
Behandlung für den Patienten.
Die Pflegepraxis unterscheidet auf konkreter Ebene vier unterschiedliche Typen
von Pflegesituationen, die unterschiedliches Wissen und Kompetenzen von den
Pflegenden verlangt. Denn es besteht ein Unterschied in den pflegerischen
Handlungen, ob es sich zum Beispiel um eine akute Situation oder um eine nicht-
problematische Situation handelt.
46
Auf einer übergeordneten Ebene ist die Frage zu stellen, ob praktische Pflege eine
angewandte Wissenschaft ist, oder ob es von Vorteil ist, wissenschaftliche
Erkenntnisse in der Praxis anzuwenden. Um die Praxis aber weiterzuentwickeln
und zu verbessern, wäre die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse ein
wichtiges Werkzeug dazu.
Die Anforderungen an die praktische Pflege sind durch neue Betätigungsfelder
wie Gesundheitsförderung und -prävention gestiegen und haben somit zu
gravierenden Veränderungen im Pflegealltag geführt.
5.6 Der theoretische Aspekt in der Pflege
Eine Theorie ist eine symbolische Darstellung von Aspekten einer Realität, die
Ereignisse, Beziehungen oder Situationen beschreibt, erklärt oder vorhersagt (vgl.
Meleis 1999, S. 43).
Die Theorie ist ein abstraktes „Bild“ (oder Modell) von der Wirklichkeit
oder von Teilen davon. Eine Theorie beschreibt ausgesuchte Phänomene
und die Beziehungen zwischen ihnen. Theorien können einen
unterschiedlichen Abstraktionsgrad haben und entweder neutral
beschreibend oder normativ beschreibend sein (zielgerichtet oder
vorschreibend) (Kirkevold 2002, S. 25).
Theorien sind beschreibend, erklärend und voraussagend. Theorien können somit
die Praxis der Pflege beschreiben, erklären, voraussagen und dienen zum Zweck
der Handlungsanweisung für Pflegende (vgl. Buckley-Viertel 2001, S. 412).
Theorien bestehen aus Annahmen, Konzepten, narrativen Beschreibungen,
Behauptungen und typischen Beispielen (vgl. Meleis 1999, S. 53), und sie lassen
sich in drei Arten von Theorien einteilen. Es gibt die große Theorie oder „grand
theories“, in der die systematische Konstruktion des Wesens der Pflege, die
Aufgaben und die Ziele der Pflege beschrieben werden. Die Theorien mittlerer
47
Reichweite oder „middle-range-theories“ umfassen das Gebiet der Pflege, das
weniger abstrakt ist. Sie behandeln spezifische Phänomene oder Konzepte und sie
spiegeln die Praxis wieder. Theorien, die sich auf ein spezifisches
Pflegephänomen konzentrieren, sich auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder
ein bestimmtes Praxisgebiet beschränken, nennt man situationsspezifische
Theorien (vgl. Meleis 1999, S. 50-51).
Theorien können auch auf ihre Ziele klassifiziert werden und so unterscheidet
man zwischen beschreibenden und vorschreibenden Theorien.
Beschreibende Theorien tragen zum Verständnis und zur Erklärung menschlicher
Gesundheits- und Krankheitsprozesse bei und sind reine oder grundlegende
Theorien. Vorschreibende Theorien sind solche, die sich den Lehren der
Pflegetherapie und deren Maßnahmen widmen. Theorien, die zur Praxiskontrolle,
-förderung oder -veränderung entwickelt wurden, sind pflegepraktische Theorien
oder vorschreibende Theorien (vgl. Meleis 1999, S. 52-53).
Theorie ist darauf ausgerichtet, Erkenntnisse über pflegepraktische Situationen zu
liefern, Pflegehandlungen zu begründen und zu reflektieren und Forschung
anzuleiten und ihr die Richtung zu weisen. Theorie fungiert als Begründungs- und
Reflexionsinstrument, sie ist die Entscheidungsgrundlage jedes Handelns, denn
letztendlich beruhen Pflegehandlungen auf der Grundlage einer Theorie (vgl.
Schrems/Schneider 2006, S. 15). Durch die Interaktion mit der Praxis wird
Theorie geformt und es entstehen praktische Richtlinien. So ist Theorie ein
Werkzeug, das die Praxis effizienter und effektiver macht. Theorie gibt der Pflege
einen gemeinsamen Wortschatz und eine Sprache zur Beschreibung und
Erklärung pflegerischer Phänomene und Begriffe (vgl. Buckley-Viertel 2001, S.
413). Dies erlaubt eine knappe, verkürzte Darstellung der Situation. Die dadurch
effektivere und effizientere Kommunikation zwischen Theoretiker und Praktiker
kann schließlich die Theorieentwicklung fördern (vgl. Meleis 1999, S. 55).
48
Theorien im Allgemeinen sind aber nicht nur dazu da, um die Pflegepraxis zu
verbessern und die in der Pflegepraxis Tätigen handlungsanleitend anzuweisen,
sondern die Pflege auch hinsichtlich übergeordneter Kriterien wie zum Beispiel
nach Emanzipation und ethischem Selbstverständnis weiterzuentwickeln (vgl.
Schroeter/Rosenthal 2005, S. 23).
Theorie hat weiters die Aufgabe einen theoretischen Bezugsrahmen zu
entwickeln, der die klinische Praxis widerspiegelt, die Praxis besser einbezieht
und die fachbezogene Forschung vorantreibt. Sie ist das Bindeglied zwischen
Forschungsergebnissen und praktischer Anwendung, wenn es z. B. um die Frage
geht, wie Patienten Symptome wahrnehmen und interpretieren, und mit welchen
Strategien sie mit diesen bestimmten Symptomen und ihrer Gesundheit ganz
allgemein umgehen. Theorie ist dynamisch, veränderlich und immer in Bewegung
anzusehen und hat viel zum generellen Fortschritt der Pflegewissenschaft
beigetragen (vgl. Meleis 1999, S. 635-637).
Das Ziel einer Theorie besteht darin, Pflegewissenschaftler anzuregen, wichtige
Probleme im Bereich Pflege zu erforschen und indem sie das tun, steigert sich das
Entwicklungspotenzial für Pflegewissen. Weiters haben Theorien das Ziel, Pflege
als eigene wissenschaftliche Disziplin zu etablieren, die sich von der Medizin
differenziert und einen professionellen Status hat (vgl. Meleis 1999, S. 113),
damit wird die Autonomie und Verantwortlichkeit des Berufsstandes der Pflege
gefördert (vgl. Meleis 1999, S. 635).
Theoretiker nehmen laut Fealy für sich in Anspruch, mit ihren Tätigkeiten die
Basis für eine professionelle pflegerische Praxis zu legen. Theoretiker
beschreiben, wie die Qualifikation von Pflege auszusehen habe. Sie sind der
Meinung, eine Annäherung der Praxis an die Theorie kann nur in der Weise
erfolgen, indem sie die Praktiker informieren, wie eine ideale Praxis aussehen
soll, und sie der Praxis den richtigen Weg aufzeigen (vgl. Fealy 1999, S. 75).
49
5.6.1 Pflegetheorien
Meleis definiert Pflegetheorie als Konzeptionalisierung einiger Aspekte der
Pflegerealität, die mit dem Ziel zusammengestellt werden, um damit Phänomene
zu beschreiben, Beziehungen zwischen Phänomenen zu erklären, Folgen
vorherzusagen oder Pflegehandlungen vorzuschreiben (vgl. Meleis 1999, S. 43).
Die Pflegetheorien sind Theorien, die die Pflegewirklichkeit als Ganzes
oder in Teilen beschreiben, d. h. das, was den Patienten aus einer
Pflegeperspektive charakterisiert, sowie die Pflegepraxis und Ziel und
Kontext der Pflege, wie sie den Patienten und die Ausübung der Pflege
beeinflussen (Kirkevold 2002, S. 25).
Pflegetheorien können sich aus rein theoretischen Annahmen entwickeln oder sie
erwachsen aus praktischen Erfahrungen (vgl. Juchli 1991, S. 96). Meleis meint,
dass Pflegetheorien aus der gegebenen Pflegerealität entstehen, aber mit den
Augen einer Theoretikerin gesehen, die wiederum von der eigenen Philosophie
geprägt ist (vgl. Meleis 1999, S. 48).
Pflegetheorien versuchen zu beschreiben, welche Rolle Pflegende spielen und
zeigen die philosophischen Grundlagen von Pflege auf, außerdem liefern sie
Beschreibungen darüber, wie Patienten geholfen werden kann (vgl. Meleis 1999,
S. 322). Weiters dienen Pflegetheorien dazu, Pflegewissen zu strukturieren,
Pflegepraxis und Ausbildung zu gestalten sowie Hintergrundwissen für den
Pflegeprozess zu liefern, und sie sind wissenschaftlicher Überprüfung zugänglich
(vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 55-63).
Pflegetheorien untermauern und begründen die Erweiterung von Verantwortung
und Arbeitsbereichen. Sie beschreiben und klären die pflegerische Aufgabe, die
Beziehung zwischen Pflegeperson und Patienten, die Pflegetätigkeit und
Patientenergebnissen (vgl. Buckley-Viertel 2001, S. 411).
50
Die traditionellen Pflegetheorien respektive Modelle lassen sich unterschiedlich
typisieren. Sie werden je nach Autor in mehrere Gruppen eingeordnet. So gibt es
die Bedürfnistheorien, bei denen die Bedürfnisse der zu Pflegenden im
Mittelpunkt stehen und die Pflege überwiegend an der Behebung von Defiziten
und der Lösung von Pflegeproblemen orientiert ist, weiters gibt es die
Interaktionstheorien, die sich auf die pflegerische Beziehung zwischen dem
Pflegenden und dem Pflegebedürftigen konzentrieren und es gibt die
Pflegeergebnistheorien, die sich am Resultat von Pflegehandlungen ausrichten.
In der Regel werden die Theorien in verkürzter und checklistenartiger Form für
die bestehende pflegerische Praxis handhabbar gemacht und so ihrer theoretischen
Basis entzogen (vgl. Görres/Friesacher 2005, S. 41).
Pflegetheorien wurden entwickelt, um etwas darüber auszusagen, was das Fach
Pflege eigentlich ausmacht, weiters sollten sie die Frage klären, womit sich Pflege
beschäftigt und was das Ziel der Pflege ist. Die Theorien sollten sich als eigenes
Fachgebiet definieren und sie sollten sich von anderen benachbarten Fächern wie
Medizin oder Soziologie klar abgrenzen (vgl. Kirkevold 2002, S. 140).
Zu den bekanntesten Theorien gehört die Pflegetheorie von Orem, die auch unter
dem Namen „Selbstpflegedefizit-Theorie“ bekannt ist und der Denkschule der
Bedürfnistheorien zuzurechnen ist. In der Theorie von Orem verbleibt
pflegerisches Handeln lediglich auf der Ebene technischen Handelns im Sinne
einer zweckrationalen Tätigkeit auf angegebene Ziele ausgerichtet. Sie ist
weitgehend am biologischen Modell orientiert und an einer an Norm- und
Kontrollwerten ausgerichteten Pflege angesiedelt. Bei dieser Theorie verbleibt die
pflegerische Handlungstätigkeit auf die natürliche Selbsterhaltung des Patienten
beschränkt und weist sehr paternalistische Grundzüge auf. Bei der Theorie von
Orem wird auf Phänomene wie Trauer, Leiden und Schmerzen, die einer
technischen Lösung nicht zugänglich sind, kaum eingegangen. Konflikte und
Widersprüche werden durchgängig ausgeklammert, was eine ethisch äußerst
fragwürdige Konzeption darstellt (vgl. Görres/Friesacher 2005, S. 41-42).
51
Obwohl diese Arten von Pflegetheorien in mehrfacher Hinsicht überholt sind und
sie als historische Artefakte betrachtet werden, weil sie mehr über die
geschichtliche Entwicklung der Pflegewissenschaft erzählen als über das, womit
sich das Fachgebiet eigentlich beschäftigt, und sie keine wirkliche Antwort auf die
Frage geben konnten, was das Fach Pflege ausmacht, sind sie dennoch ein
wichtiger Beitrag innerhalb der Pflegewissenschaft und repräsentieren seriöse
Versuche, diese Frage zu lösen. Kirkevold meint, dass man traditionelle
Pflegetheorien durch Forschung und Praxis testen könnte, sie weiterentwickelt
und Teile, die als unbefriedigend gelten, eliminiert und so die Theorie in
modifizierter Form wieder in Verwendung bringt (vgl. Kirkevold 2002, S. 155).
5.6.2 Der Pflegeprozess
Im neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz von 1997 wurde der
Pflegeprozess in Österreich, mit dem §14 (Eigenverantwortlicher
Tätigkeitsbereich) erstmals gesetzlich festgeschrieben, und er verpflichtet das
Pflegepersonal des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, die
Pflege der Patienten nach dem Pflegeprozess auszuüben, außerdem ist er zu einem
Kernelement der theoretischen sowie der praktischen Ausbildung geworden (vgl.
Bundesgesetzblatt 1997, S. 1279).
Der Pflegeprozess ist ein von Pflegenden im Rahmen ihrer Interaktion mit
PatientInnen und/oder Familien verwendetes systematisches
Problemlösungsverfahren, mit dem der Pflegebedarf beurteilt, die
pflegerische Unterstützung geplant und gegeben sowie auf ihre
Wirksamkeit überprüft wird (Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006,
S. 367).
Der Pflegeprozess ist als Synonym für eine wissenschaftliche Methode zu
verstehen und er ist der organisierte Bezugsrahmen für die Pflegepraxis (vgl.
Roode 1995, S. 303). Der Pflegeprozess folgt dem Prinzip des kybernetischen
52
Regelkreises. Dieser liegt dem Prinzip der Ist-Soll-Ausgleichung oder auch der
Problem-Ziel-Abstimmung zu Grunde (vgl. Schrems 2003, S. 38).
Der Pflegeprozess beginnt mit der Einschätzung der Pflegebedürfnisse und endet
mit der Auswertung der Resultate der Pflegemaßnahmen (vgl. Faßbinder/Lust
1997, S. 42), und er besteht aus zwei unterschiedlichen Komponenten, dem
Beziehungsprozess einerseits und dem Problemlösungsprozess andererseits.
Der Problemlösungsprozess besteht aus verschiedenen wohl abgestimmten
Schritten, der Informationssammlung, der Problemformulierung mit dem
diagnostischen Prozess, der Eruierung der Ressourcen, der Festsetzung der Ziele
und der daraus resultierenden Maßnahmen (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 48). Die konkrete Vorgabe ist im
neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz mit dem § 14, dem
eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich, geregelt.
Unter Beziehungsprozess versteht man die Interaktion, die zwischen Pflegeperson
und Patienten stattfindet. Der Beziehungsprozess ist ein wichtiger Bestandteil des
Pflegeprozesses, denn ohne einer empathischen, tragfähigen Beziehung zum
Patienten wird sich kein Vertrauen entwickeln, und ohne Vertrauen wird der
Patient nicht bereit sein, einen Beitrag zum Informationsgewinn in der Anamnese
zu leisten, somit wäre der gesamte Pflegeprozess gefährdet, denn ein Patient, der
zu den ihm behandelnden und pflegenden Personen kein Vertrauen hat, ist sehr
viel eher geneigt, sich möglicherweise behandlungswidrig zu verhalten (vgl.
Kistner 2002, S. 7-8).
Standardisiertes und objektiviertes Pflegewissen stellen die Basis bei der
Erstellung des Pflegeplanes dar, doch dazu bedarf es eines interaktiven Settings,
dessen Hauptinstrument die Kommunikation ist. Dies gilt vor allem für die Phase
der Anamnese und der Diagnoseerstellung. Um den Patienten und sein Problem
zu verstehen, muss zum Problemlösungsinstrument „Pflegeprozess“ parallel dazu
ein Kommunikationsprozess installiert werden. Idealerweise laufen diese beiden
Prozesse aber nicht parallel, sie sollten als ein Prozess erscheinen (vgl. Schrems
2003, S. 19).
53
Vor der Anwendung des Pflegeprozesses glaubten die Pflegenden, dass sie am
besten wüssten, was die Patienten bräuchten, und es wurde meist über deren
Köpfe hinweg entschieden, welche Maßnahmen zu setzen sind. Seit der
Implementierung des Pflegeprozesses und seitdem die Patienten als Partner
betrachtet werden, wird mehr auf ihre Bedürfnisse eingegangen (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 49).
5.6.3 Pflegediagnosen
Mit dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz von 1997 wird in Österreich
erstmals gesetzlich festgeschrieben, dass Pflegephänomene zu diagnostizieren
sind. Es wurde zwar schon immer diagnostiziert, wenn Phänomene benannt
wurden, aber diese wurden nicht explizit als Pflegediagnosen bezeichnet.
Pflegediagnosen sind ein Novum und daher etwas gänzlich Unbekanntes in der
Pflege (vgl. Schrems 2003, S. 28).
Pflegediagnosen haben einen wesentlichen Anteil im Zusammenhang mit
Qualitätssicherung, denn je präziser und einheitlicher Pflegeprobleme definiert
werden, desto besser können Maßnahmen darauf abgestimmt werden (vgl.
Schrems 2003, S. 26), und sie verfolgen auch ein anderes Ziel als medizinische
Diagnosen. Während die Medizin ihren Blickwinkel auf die Krankheit sowie
deren Heilung richtet, so steht für die Pflege die erfolgreiche Bewältigung des
Alltages im Rahmen des Krankheits- und des Gesundheitsprozesses im
Mittelpunkt (vgl. Schrems 2003, S. 27).
Pflegediagnosen sind Namen für Probleme, die in den Bereich von Pflege fallen.
Sie sind eine präzise Zusammenfassung über den Gesundheitszustand des
Patienten. Sie enthalten die Beurteilungen von Pflegekräften (vgl. Meleis 1999, S.
217).
54
Laut Gordon (1987) beinhalten Pflegediagnosen drei wesentliche Komponenten,
die als „PES“ bezeichnet werden. Das „P“ steht für Gesundheitsprobleme, das „E“
soll Auskunft über die Entstehung des Problems geben und das „S“ beschreibt die
Symptome des Problems (vgl. Townsend 1998, S. 15).
Pflegediagnose ist die Feststellung und Einschätzung der
patientenbezogenen Probleme und pflegerischen Bedürfnisse insbesondere
im Hinblick auf die Problemursachen. Sie liefert die Grundlage zur
Auswahl von Pflegehandlungen und zum Erreichen erwarteter Pflegeziele
und schafft Rahmenbedingungen zur Anwendung der Pflegeplanung
(Faßbinder/Lust 1997, S. 43).
Die Pflegediagnose ist ein wesentlicher Bestandteil des Pflegeprozesses und sie ist
ein wichtiger Schritt bei der Einschätzung des Gesundheitsproblems des Patienten
(vgl. Townsend 1998, S. 30-31).
Caroll-Johnson (1991) beschreibt eine Pflegediagnose als eine klinische
Beurteilung der Reaktionen von Individuen, der Familie oder der Gemeinschaft
auf aktuelle oder potentielle Gesundheitsprobleme respektive Lebensprozesse
(vgl. Powers 1999, S. 7).
Pflegediagnosen dienen der systematischen Erkennung und Beschreibung von
Gesundheitsproblemen eines Patienten. Damit gibt es der Pflegeperson die
Möglichkeit, ihr berufliches Handeln sinnvoll zu gestalten. Alle Pflegediagnosen
eines Patienten zusammen beschreiben die Gründe, aus denen dieser Pflege
benötigt, und sie beschreiben den Pflegebedarf. Pflegediagnosen sind aber auch
für die Berufsentwicklung von Bedeutung. Sie beschreiben das Fach- und
Wissensgebiet der Pflege, sie tragen weiters dazu bei, charakteristische Probleme
der Pflegepraxis zu erkennen und zu beschreiben. Pflegediagnosen definieren die
Position der Pflege im interdisziplinären Kontext und bilden eine wichtige
Grundlage für die Pflegeforschung (vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff
2006, S. 391).
55
5.6.4 Evidence-based-Nursing (EBN)
Evidence-based-Nursing ist die Nutzung der derzeit besten
wissenschaftlich belegten Erfahrungen Dritter im Arbeitsbündnis zwischen
einzigartigen Pflegebedürftigen und professionell Pflegenden
(Behrens/Langer 2004, S. 21).
Evidence-based-Nursing stellt sich die Frage, ob und wie wissenschaftlich
überprüfte Erfahrungen in die eigene Pflegepraxis zwischen einem einzigartigen
Pflegebedürftigen und einem professionell Pflegenden einbezogen werden kann.
Die Patienten erwarten heutzutage von den Pflegenden, dass sie die Kunst der
Pflege und der Wissenschaft beherrschen. Die Kunst der Pflege besteht darin, dass
der praktisch Pflegende die Fähigkeit besitzt, die Probleme und Ressourcen des
Pflegebedürftigen richtig einzuschätzen, die Maßnahmen adäquat zu planen,
gemeinsame Ziele zu erarbeiten und zu fixieren und diese in regelmäßigen
Abständen zu evaluieren (vgl. Behrens/Langer 2004, S. 21).
Evidence-based-Nursing ist ein auf wissenschaftlichen Grundlagen
basierendes Konzept für die Pflege und dient der rationalen
Entscheidungsfindung beim Einsatz pflegerischer Maßnahmen in
Übereinstimmung mit klinischer Forschung (Kühne-Ponesch 2004, S.
175).
Der Prozess läuft in verschiedenen Stufen ab und wird auf Grund der persönlichen
Erfahrung unter Einbeziehung der Patientenwünsche sowie auf Basis der besten
verfügbaren Evidenz (Beweisbarkeit) getroffen. Die Beweisbarkeit kann mittels
eines hierarchisch konzipierten Kategorieschemas eingeschätzt werden. Obwohl
dieses starre Schema von vielen Wissenschaftlerinnen kritisiert wird, ist EBN ein
wichtiges Instrument des qualitätsüberprüfenden Erkenntniseinsatzes (vgl. Kühne-
Ponesch 2004, S. 175-176).
56
5.6.5 Pflege als Wissenschaft
Pflegewissenschaft ist eine relativ junge Disziplin, auch wenn ihre Anfänge vor
circa 100 Jahren in den USA gelegt wurden. Speziell die skandinavischen Länder
können in Europa auf etwa 30 Jahre Erfahrung zurückblicken. Österreich ist, was
die Institutionalisierung der Pflegewissenschaft betrifft, ein Nachzügler, denn erst
im Wintersemester 1999/2000 wurde das erste individuelle Diplomstudium
„Pflegewissenschaft“ an der Universität Wien etabliert (vgl. Moers 2001, S. 72).
Pflegewissenschaft beschäftigt sich mit dem Menschen, der sich in einem
veränderten Gesundheitszustand in einer bestimmten Umwelt (einem
bestimmten Kontext) befindet, und mit den Möglichkeiten professioneller
Handlungen, die gesetzt werden können, um die Lebensqualität dieses
Menschen und seiner Bezugspersonen zu verbessern oder zu erhalten
(Mayer 2002, S. 29).
Die wissenschaftliche Betrachtung des pflegerischen Handelns wurde bisher nicht
von den Pflegenden selbst, sondern zum Teil von anderen
Wissenschaftsdisziplinen wahrgenommen. Pflegeforschung wurde von
pädagogischen, soziologischen und psychologischen Theorien und weniger von
Pflegetheorien geleitet. Aber nur Pflegetheorien regen Pflegewissenschaftler an,
wichtige Probleme im Bereich Pflege zu erforschen, und indem sie das tun,
steigert sich das Entwicklungspotenzial für Pflegewissen (vgl. Meleis 1999, S.
54).
Pflegewissenschaft ist eine Praxisdisziplin und hat noch immer einen starken
Bezug zur Medizin, Soziologie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie. Der
dadurch unterschiedliche Zugang zur Theoriebildung macht es für die Pflege nicht
gerade leicht und verlangt einen eigenen Stellenwert (vgl. Görres/Friesacher 2005,
S. 35). Für die Pflege ist es aber wichtig und notwendig, eigene
pflegewissenschaftlich relevante Paradigmen aufzustellen, um zu neuen
Erkenntnissen zu kommen. Um als eigene Wissenschaft bestehen zu können, denn
Aufgabe jeder Wissenschaft ist es, neues Wissen zu synthetisieren und zu
57
produzieren (vgl. Obex 2006, S. 18), ist es prinzipiell wichtig, sich aus der
Umklammerung anderer wissenschaftlichen Disziplinen, hier vor allem der
Medizin, zu befreien und nicht weiter als Nebendisziplin zu gelten, denn ein
Kriterium für eine wissenschaftliche Disziplin ist, dass man sie von anderen,
benachbarten Fächern abgrenzen kann, obwohl ein Überlappen toleriert werden
kann. Im Prinzip sollte ein eigenständiges Interessensgebiet für eine Disziplin
erkennbar sein (vgl. Kirkevold 2002, S. 154).
Der Vorteil, den die Pflegewissenschaft aus den anderen Wissenschaften
generieren konnte, ist darin zu sehen, dass sie in vielen Bereichen sowohl in
methodologischer, theoretischer und empirischer Hinsicht als auch im Hinblick
auf konkrete inhaltliche Forschungsprobleme auf einen breiten und über lange
Zeit zusammengetragenen Fundus soziologischer Expertisen zurückgreifen kann.
Als neue Wissenschaft bleibt die Pflegewissenschaft aufgrund des soziologischen
Hintergrundes vor vielen Irrtümern und Streitigkeiten bewahrt und muss daher
nicht noch einmal alle Fehler einer neuen Wissenschaft durchmachen (vgl.
Görres/Friesacher 2005, S. 46).
Pflegewissenschaft hat seit ihrer Einführung einen klaren sozialen Auftrag. Sie
soll Wissen bereitstellen, das die Pflegepraxis unterstützt und verbessert. Das zu
bereitstellende Wissen wird aus wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich der
Pflege gewonnen und dann durch Unterricht oder auf anderen Wegen vermittelt
(vgl. Kirkevold 2002, S. 13).
Eine Aufgabe der Pflegewissenschaft ist, die gängige Pflegepraxis zu reflektieren,
die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse könnte sie zu neuen Theorien
generieren, damit diese unabhängig von Pflegepersonen und ihren Patienten
existieren und in Datenbanken gespeichert werden können. Damit schafft sie eine
wissenschaftlich fundierte Basis, kann damit die Pflegequalität verbessern und
somit auch die Lebensqualität der Patienten positiv beeinflussen.
Pflegewissenschaftler sollten jede Theorie kritisch hinterfragen, besonders wenn
es darum geht, eine eingefahrene Praxis zu verändern. Man sollte sich immer
fragen, welches Risiko damit verbunden ist, die derzeitige Praxis auf der
58
Grundlage neuer Forschungsergebnisse zu ändern respektive welchen Nutzen
bringt es, die Praxis zu verändern. Man sollte sich aber gleichzeitig fragen,
welches Risiko damit verbunden ist, die bestehende Praxis weiter anzuwenden. Es
ist eine wichtige Herausforderung für die Pflegewissenschaft, jede relevante
Forschung zu beurteilen, ob sie eine solide Grundlage für die Praxis darstellt,
damit sie applikabel für die Praxis wird (vgl. Kirkevold 2002, S. 131-133).
5.6.6 Kritische Betrachtung zum theoretischen Aspekt in der Pflege
Theorien sind zu abstrakt und stiften Verwirrung, häufig mit dem Resultat, dass
sie nichts erklären und zu wenig praxisnah sind. Sie beschreiben eher den
Sollzustand der Pflege als die Wirklichkeit. In vielen Theorien finden sich
Definitionen von Pflege, die Pflege als omnipotent erscheinen lassen. Sie kann
alles und ist für alles zuständig, was ein unrealistischer und auch unerwünschter
Ansatz ist. Mangelnde wissenschaftlich-empirische Forschung führt zum
Vorwurf, Pflege basiere auf pseudowissenschaftlicher Erkenntnis. Begriffe aus
unterschiedlichen Kulturen, vorwiegend aus dem angloamerikanischen Bereich,
werden unserer Kultur ohne Adoption einfach übergestülpt, wodurch sich
Probleme ergeben. Doch es werden dabei oft die vorherrschenden
Rahmenbedingungen übersehen, denn theoriegeleitetes Handeln kann nur in
einem theoriefreundlichen Umfeld stattfinden. Der größte Teil der theoretischen
Arbeit ist weder induktiv entwickelt noch in der Praxis getestet worden, was den
Schluss zulässt, dass Pflegetheorien die Praxis nicht in gewünschter Weise
verändern (vgl. Kühne-Ponesch 2004, S. 179-181).
Der Transfer von Theorien aus dem Ausland auf die hiesige Pflegsituation ist mit
Schwierigkeiten verbunden, besonders die Anwendung von Theorien in der Praxis
wirft Probleme auf. Ungünstige Rahmenbedingungen in Krankenhäusern und
traditionelle Rollenerwartungen an Pflegepersonen von Seiten anderer Disziplinen
behindern den Transfer beziehungsweise die Umsetzung vieler neuer Konzepte
und Theorien (vgl. Buckley-Viertel 2001, S. 411).
59
Die Pflegetheorie ist hauptsächlich noch in den Weiterbildungseinrichtungen
angesiedelt und weniger in der Praxis, die wenigen Akademiker und Theoretiker,
welche Pflegetheorie prägen, unterrichten vor allem, leiten an, beraten und finden
vielleicht beiläufig noch etwas Zeit zu forschen. Auf diese Art wird Pflege
hauptsächlich als theoretisches Wissen vermittelt und die praktische Erfahrung
bleibt isoliert als Alltagswissen auf der Station (vgl. Spirig 1994, S. 94).
Der Pflegeprozess gilt heute formell als Sinnbild für berufliche Kompetenz und ist
ein Kennzeichen professionellen Pflegehandelns. Richtet man den Blick auf die
Pflegepraxis, dann stellt man rasch fest, es ist noch immer nicht gelungen, den
Pflegeprozess als vorteilhafte Verfahrensweise auf breiter Basis in die praktische
Pflegearbeit zu etablieren (vgl. Lay/Brandenburg 2002, S. 150).
Auf der Suche nach Gründen für das Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis
stellt sich die Frage, warum eine Methode mit allen Mitteln aufrechterhalten
werden soll, wenn die in der Praxis als wenig praktikabel gilt und von vielen
Pflegepersonen abgelehnt wird. Der Pflegeprozess wird als
Problemlösungsinstrument eingesetzt, dessen Ziel die Verringerung der Kluft
zwischen Ist und Soll ist. Man kann sagen, dass es sich beim Diagnostizieren von
Problemen um das Feststellen eines Unterschieds zwischen dem, was ist, und
dem, was sein soll, handelt. Der dahinter ablaufende Prozess des
Erkenntnisgewinnes ist dabei ungeheuer komplex. Es liegt die Vermutung nahe,
dass die Bestrebung der Implementierung des Pflegeprozesses alleine auf der
methodischen Ebene stattfand, die Füllung dieses Prozesses mit Inhalten aber
vernachlässigt wurde (vgl. Schrems 2003, S. 17-18). Eine der grundlegenden
Tatsachen des Pflegeprozesses besteht darin, dass es sich lediglich um eine
Methode eines Prozesses des Ausführens von Pflege handelt, es wird dabei nichts
darüber ausgesagt, was eingeschätzt, diagnostiziert und geplant wird (vgl.
Schrems 2003, S. 39). Da der Pflegeprozess zu statisch und mechanistisch
angewendet wird, kann vermutet werden, dass das zur Ablehnung geführt hat. Der
Pflegeprozess muss daher mit mehr Inhalten im Sinne der individuellen
Zuwendung zum Patienten gefüllt werden. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob,
60
sondern sehr viel eher, wie in der Pflege diagnostiziert werden soll und welchem
Anspruch sie dabei gerecht werden will (vgl. Schrems 2003, S. 34).
Da Menschen sehr individuelle und komplexe Wesen sind und die meisten
Praxissituationen im Prinzip einmalig, unvorhersehbar, schwierig einzuordnen
und vieldeutig sind, stehen viele Pflegepersonen dem technisch-rationalen Aspekt
des Pflegeprozesses skeptische gegenüber. Die Idee des Pflegeprozesses wird
nicht von allen akzeptiert und muss sich massive Kritik gefallen lassen. Eines der
Hauptargumente gegen die Idee des Pflegeprozesses lautet, dass damit die Pflege
auf ein technisches und formalrationales Handeln reduziert wird. Mit dem
Pflegeprozess muss immer mehr Schreibarbeit geleistet werden, dadurch stehen
den Pflegepersonen weniger Ressourcen zur Verfügung, mit dem Patienten in
Interaktion zu treten. Durch dieses Instrument entfernt sich die Pflege immer mehr
vom Patienten. Der Patient ist schwach und hilfsbedürftig und man muss ihm mit
Fürsorge und Mitmenschlichkeit begegnen. Als Gegenvorstellung zum
technischen und wissenschaftlichen Pflegeprozess wurde angeführt, dass es in der
Pflege um eine Fürsorgebeziehung zum Patienten geht (vgl. Kirkevold 2002, S.
49).
Die Kritik an den Pflegediagnosen beruht ferner auf einem problemorientierten
Ansatz von Pflege. Ein theoretischer Ansatz, der auf Erhaltung und Förderung
von Gesundheit setzt, also den positiven Ansatz hervorhebt, interpretiert den
Auftrag von Pflege besser. Leider kommt dieser Ansatz in der heutigen Pflege im
Bezug auf Diagnosen, Interventionen und Ergebnissen immer noch zu kurz (vgl.
Meleis 1999, S. 643). Außerdem enthalten Pflegediagnosen einen versteckten
behavioristischen Ansatz. Sie nehmen eine Verhaltensweise als normal an und
beschreiben die Abweichung davon als Problem. Gerade in der Psychiatrie wird ja
immer wieder darüber diskutiert, was normal und was nicht mehr als normal gilt
(vgl. Townsend 1998, S. 12). Kritisch an Pflegediagnosen könnte man noch
anmerken, dass deren Sprache manchen zu abstrakt erscheint und dass sie der
Komplexität des Individuums nicht gerecht wird. Sie sind untheoretisch und es
liegen keine Beweise vor, dass sie zur Klärung des Auftrages von Pflege oder zur
61
Kommunikation zwischen Pflegeperson und den anderen Teammitgliedern des
Krankenhauses beigetragen haben (vgl. Meleis 1999, S. 218).
5.6.7 Zusammenfassung
Der theoretische Aspekt in der Pflege kann die Praxis beschreiben, erklären und
voraussagen. Theorien bestehen aus Annahmen, Konzepten und Behauptungen,
lassen sich in drei Arten einteilen und können auf ihre Ziele klassifiziert werden.
Theorie hat die Aufgabe, Erkenntnisse über pflegepraktische Situationen zu
bekommen, Pflegehandlungen zu begründen und zu reflektieren, um somit die
Pflegeforschung anzuleiten und voranzutreiben, damit wird die Pflege verbessert
und weiterentwickelt. Das Hauptziel einer Theorie für die Pflege besteht darin,
Pflegewissenschaftler anzuregen, im Bereich der Pflege zu forschen, Pflege als
wissenschaftliche Disziplin, unabhängig von der Medizin, zu etablieren, damit die
Autonomie des Berufsstandes der Pflege gefördert wird.
Mit Pflegetheorien wird die Pflegerealität, d. h. die pflegerische Aufgabe und die
Beziehung zwischen Pflegepersonal und Patienten, als Ganzes oder in Teilen
beschrieben und erklärt. Sie dienen dazu, Pflegepraxis und Ausbildung zu
strukturieren und der wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Je
nach Autor gibt es verschiedene Modelle von Theorien und sie müssen für die
Praxis handhabbar gemacht werden. Pflegetheorien sollten die Frage klären,
womit sich Pflege beschäftigt, die Pflege als eigenes Fachgebiet definieren und
sich dabei von anderen Disziplinen abgrenzen. Obwohl die traditionellen
Pflegetheorien keine wirklich konkreten Antworten darauf gaben, was das Fach
Pflege ausmacht, so leisteten sie dennoch einen wichtigen Beitrag zur
Pflegewissenschaft.
Mit dem Pflegeprozess hat der theoretische Aspekt der Pflege einen organisierten
Bezugsrahmen für die Pflegepraxis bekommen. Der Pflegeprozess beinhaltet zwei
62
unterschiedliche Komponenten und er ist der Versuch, den Pflegebedarf des
Patienten zu beurteilen und die pflegerische Tätigkeit zu planen.
Mit dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz von 1997 wurde in Österreich
erstmals gesetzlich festgeschrieben, dass Pflegephänomene zu diagnostizieren
sind. Die Pflegediagnosen sind ein wesentlicher Bestandteil des Pflegeprozesses
und sie sind Namen für Probleme, die in den Bereich der Pflege fallen und sie
unterscheiden sich von medizinischen Diagnosen dadurch, dass sie ihren
Blickwinkel nicht auf die Krankheit sondern auf die Bewältigung des Alltags
richten. Die Pflegediagnose ist eine klinische Beurteilung der Reaktion von
Menschen auf aktuelle oder potenzielle Gesundheitsprobleme und
Lebensprozesse.
Ein weiterer Gesichtspunkt des theoretischen Aspektes der Pflege ist Evidence
based Nursing. Darunter versteht man ein auf wissenschaftlicher Grundlage
basierendes Konzept, das versucht, das Arbeitsbündnis zwischen
Pflegebedürftigen und Pflegenden auf eine wissenschaftliche Basis zu bringen.
Als letzter Bereich zum theoretischen Aspekt in der Pflege wird diese als
Wissenschaft implizit dargestellt. Pflege als Wissenschaft ist eine relativ junge
Disziplin und wurde erst im Wintersemester 1999/2000 in Österreich etabliert.
Pflegewissenschaft versucht mit den Möglichkeiten professioneller Handlungen
die Lebensqualität von Menschen zu verbessern. Pflegewissenschaft wird von
anderen Wissenschaften stark beeinflusst, vor allem von der Medizin. Um aber als
eigene Disziplin bestehen zu können, ist es notwendig, ein eigenes Paradigma im
Wissenschaftssystem aufzustellen. Eine der Aufgaben der Pflegewissenschaft ist
es, aus den gewonnenen Erkenntnissen der Pflegepraxis neue Theorien zu
generieren, um damit eine wissenschaftlich fundierte Basis zu schaffen, was ein
möglicher Aspekt ist, um die Pflegequalität zu verbessern.
63
5.7 Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Pflege
Die praktische Pflege ist eine komplexe soziale Aktivität, die sich über einen
längeren Zeitraum durch Tradition entwickelt hat. Das Praxisfeld Pflege beruht
auf intuitiven, erfahrungsgeleiteten Handlungen und wird durch Rituale und
Routine geprägt.
Das Wissen, auf das sich Routine und Rituale gründen, ist Alltagswissen und
dieses wird in unserer Gesellschaft eher negativ konnotiert, weil es in der Regel
nicht reflektiert wird und weil es ein implizites Wissen ist, das weitgehend für
niemanden sonst zugängig ist.
Die Praxis ist im Rahmen des eigenverantwortlichen, des mitverantwortlichen und
des interdisziplinären Tätigkeitsbereiches durch Handlungen direkt am Patienten
oder durch die Ausführung von Maßnahmen nach Anordnungen des Arztes
gekennzeichnet sowie mit der Durchführung von administrativen Tätigkeiten
beauftragt, und sie ist für einen reibungslosen Stationsablauf verantwortlich.
Auf Grund der unterschiedlichen Pflegesituationen und Anforderungen werden
von den Pflegenden in der Praxis verschiedene Kompetenzen und Kenntnisse
verlangt.
Theorien beschreiben und erklären Pflegephänomene, sie spiegeln faktisch die
Praxis, dabei versuchen sie Erkenntnisse über Pflegephänomene zu gewinnen und
zu reflektieren.
Theorien tragen zur Erklärung von Prozessen bei, indem sie die Pflegepraxis
verändern, Pflegewissen strukturieren und gestalten und es wissenschaftlichen
Überprüfungen zugänglich machen. Theorie ist das Werkzeug, die Praxis
effektiver und effizienter zu machen. Dabei leisten Theorien einen wesentlichen
Beitrag zu Pflegewissenschaft, entwickeln den Berufsstand zu einer Profession
und versuchen die Forschung voranzutreiben.
Theoretisches Wissen ist allgemein zugänglich, es kann prinzipiell jeder benutzen
und es verhilft der praktischen Pflege, Pflegehandlungen besser zu verstehen.
In der beruflichen Pflege stehen sich Theorie und Praxis in einem gespannten
Verhältnis gegenüber. Im Mittelpunkt dieses Konfliktes steht die Frage, welches
64
Wissen, praktisches Wissen oder theoretisches Wissen, das wichtigere Wissen ist.
Offensichtlich fehlt eine gegenseitige Anerkennung und Bezugnahme. Zusätzlich
behindern ungünstige Rahmenbedingungen im Krankenhaus die Umsetzung vieler
neuer Theorien und Konzepte in die Praxis.
Auf der einen Seite werfen die Vertreter der Theorie den Pflegenden in der Praxis
mangelnde Selbstreflexion, ausbleibende Weiterentwicklung und mangelndes
Interesse an Theorien und Pflegewissenschaft vor.
Auf der anderen Seite besteht die Kritik der Pflegenden darin, dass Theorien zu
abstrakt, zu praxisfern sind und daher mangelnde Praxistauglichkeit haben.
Mit der Begründung, dass Menschen sehr individuell und die meisten
Pflegephänomene im Prinzip einmalig und vieldeutig sind, stehen viele Praktiker
dem technisch-rationalen Aspekt der Theorie skeptisch gegenüber. Sie sind der
Meinung, dass sich die Theorie immer weiter vom Patienten entfernt, weil unter
anderem immer mehr Schreibarbeit zu leisten ist, ihnen daher weniger Ressourcen
zur Verfügung stehen, um mit dem Patienten in Interaktion zu treten.
Um das Theorie-Praxis-Verhältnis der beiden Bereiche zu verbessern und die
Gemeinsamkeit zu unterstützen, sind die Zusammenarbeit und der gegenseitige
Respekt unumgänglich.
Eine Forderung an die Theoretiker ist daher, aus Erkenntnissen des Bereiches der
Praxis neue Theorien zu generieren und diese der Praxis in einer applikablen und
handhabbaren Form wieder zur Verfügung zu stellen, damit die Praxis verbessert
und verifizierbar gemacht werden kann.
Die Praktiker sollten ihrerseits ihre Tätigkeit nicht nur auf das Beherrschen von
Fertigkeiten reduzieren, damit Anforderungen nicht immer auf ähnliche oder
gleiche Aufgaben beschränkt bleiben, sondern sie sollten ihre Handlungen
ausreichend reflektieren und, da wissenschaftliche Aspekte noch nicht den
Einfluss in die Praxis gefunden haben, offen dafür sein, theoretische Inputs und
neue Theorien in ihre tägliche Arbeit zu implementieren.
65
Ziel der Gemeinsamkeit ist es, die Pflegequalität insgesamt zu verbessern, was
den Patienten in Form einer verbesserten Lebensqualität zukommen würde. Dazu
gehört neben der beiderseitigen Anerkennung der Bereiche Theorie und Praxis
auch die Schaffung einer geeigneten Struktur im Krankenhaus sowie die
Bereitstellung der dafür nötigen Ressourcen, damit eine Äquivalenz erreicht
werden kann.
5.8 Pflege in der Psychiatrie
Psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege umfasst die Betreuung und Pflege
von Menschen mit psychischen Störungen und neurologischen Erkrankungen aller
Alters- und Entwicklungsstufen, sowie die Förderung der psychischen Gesundheit
(vgl. Bundesgesetzblatt 1997, S. 1287).
Zu den allgemeinen Aufgaben gehören die Stationsorganisation, hier vor allem
Materialwirtschaft und Verwaltungsaufgaben und alles, was auch zur allgemeinen
Krankenpflege wie Grund- und Behandlungspflege gehört.
Zu den speziellen Aufgaben der Pflege bei psychischen Erkrankungen gehört in
erster Linie ein auf Alltagsgestaltung und Alltagsbewältigung ausgerichtetes,
eigenständiges therapeutisches Angebot. Dieses, für den Patienten zugeschnittene
Angebot, zielt auf folgende Bereiche:
Entwicklung einer ausreichenden Kompetenz zur Selbstpflege, dazu gehören der
Umgang mit der Krankheit, Bewältigungstraining, Entwicklung individueller
Präventionsstrategien zur Rückfallprophylaxe, Alltagsbewältigung, Entwicklung
einer Tagesstruktur und sinnvolle Freizeitbewältigung.
Training sozialer Kompetenzen und die Anleitung in dem Bereich Wohnen und
Zusammenleben, um die Entwicklung sozialkonstruktiven Verhaltens zu fördern.
Weiters gehören zur Pflege in der Psychiatrie die organisatorische Abstimmung
mit anderen zuständigen Therapeuten, Diagnostik und Planung der erforderlichen
Maßnahmen, die Anordnung und Durchführung der Maßnahmen des Arztes und
die Anordnung und Durchführung der eigenen Maßnahmen in der
Therapieplanung (Kistner 2002, S. 4-6).
66
Die psychiatrische Pflege spiegelt sich in ihrer Rollenvielfalt. Sie macht sich ein
ganzheitliches Bild vom Patienten und sieht diesen nicht nur mit seiner
Erkrankung sondern auch mit seinen gesunden Anteilen, seinen Ressourcen,
seinen Fähigkeiten und seinem Umfeld. Dies erfordert aber auch die
Zusammenarbeit im Team und mit anderen Berufsgruppen im Krankenhaus, denn
erst die unterschiedliche Sichtweise ermöglicht ein umfassenderes Bild des
Patienten. Die Pflege hat im Rahmen des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches
den Anordnungen des Arztes nachzukommen, sie ist daher auch verpflichtet, sich
mit den Phänomenen der Krankheit des Patienten auseinanderzusetzen, so
gehören Maßnahmen nach ärztlichen Anordnungen, wie zum Beispiel die
Beobachtung der Wirkung von Psychopharmaka, ebenfalls zum Aufgabengebiet
der Pflege (vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 312).
Eine weitere Besonderheit der Pflege in der Psychiatrie ist die Ambivalenz, die
sich daraus ergibt, dass einerseits die Interessen des Krankenhauses, der Station,
sowie der gesetzliche Auftrag zu erfüllen sind und andererseits eine Beziehung
zum Patienten hergestellt werden muss. Denn auf der einen Seite tritt die Pflege
als Kontrolleur oder Aufpasser auf, wenn es zum Beispiel darum geht, Patienten
mit einer Suchtproblematik zur Abnahme von Drogenharn zu verpflichten, oder
wenn Patienten, die selbst- oder fremdgefährdet sind, gegen ihren Willen
behandelt und/oder ihrer Freiheit entzogen werden, indem sie am Verlassen des
Krankenhauses gehindert werden können. Auf der anderen Seite soll die Pflege
empathisch sein, eine Beziehung zum Patienten aufbauen, um Vertrauen zu
gewinnen, damit die Pflege den Patienten in seinen Anliegen unterstützen kann.
Einmal soll sie Humanität verkörpern und eine menschliche, individuelle Pflege
ausführen und ein anderes Mal soll sie den Zwängen und Prinzipien der
Organisation folgen (vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 318).
Da psychische Krankheiten meist einen langen Krankenhausaufenthalt zur Folge
haben, nimmt der Aufbau einer tragfähigen Beziehung zum Patienten einen
wesentlichen Teil der psychiatrischen Pflege in Anspruch. Das Schaffen einer
Vertrauensbasis ist eine schwierige Aufgabe und verlangt viel Feingefühl vom
67
Pflegepersonal. Besonders für Schüler ist es ein Problem, den Abstand für Nähe
und Distanz zum Patienten herzustellen. Die richtige Ausgewogenheit zwischen
professioneller Nähe und professioneller Distanz ist eine Kunst und kann in der
Theorie nicht erworben werden. Diese Erfahrung kann nur im Rahmen der
Bezugspflege in der Praxis gewonnen werden. Unter Bezugspflege versteht man
im Allgemeinen den Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Patient und
Pflegepersonal, um eine Vertrauensbasis zu schaffen, in der der Patient bereit ist,
sich dem Pflegepersonal so weit zu öffnen, um einen Einblick in sein Leben zu
gewähren(vgl. Holnburger 1998, S. 15-16). Der Beziehungsprozess impliziert
Vertrauen, Verlässlichkeit und Verständnis als zentrale Elemente in der
Beziehung zwischen Pflegenden und Patienten in der psychiatrischen Pflege (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 48) und stellt einen wesentlichen
Baustein zum Behandlungserfolg dar. Die therapeutische Beziehung als
Interaktion zwischen Patienten und Pflegeperson unterliegt auch einer sozialen
Beeinflussung (vgl. Müller/Schanz 2002, S. 321).
Auch die Pflegeplanung kann in der psychiatrischen Pflege zum Problem werden,
nämlich dann, wenn ein Patient in einen psychischen Ausnahmezustand gerät, wie
zum Beispiel in eine schizoaffektive Psychose oder in eine akute manische Phase.
Es ist unmöglich, den Patienten in einer derartigen Phase in den Planungsprozess
miteinzubeziehen. Auch die Dokumentation stellt besondere Anforderungen wie
Fachkenntnisse, Wahrnehmungsvermögen und sprachliche Ausdrucksfähigkeit an
die Pflegekräfte in der Psychiatrie. Psychische und psychosoziale Probleme, und
vor allem um diese geht es in der psychiatrischen Pflege, sind oft weniger greifbar
und schwieriger zu beschreiben als somatische Probleme in der allgemeinen
Krankenpflege. Es ist sicher leichter, im Pflegeplan die Behandlung und den
Verlauf einer Wunde als die pflegerische Maßnahme zur Bewältigung eines
Angstzustandes konkret zu beschreiben (vgl. Lay/Brandenburg 2002, S. 151).
Die Steuerung des Zusammenlebens der einzelnen Patienten auf der Station und
die Milieugestaltung sind ein wichtiger Aspekt in der psychiatrischen Pflege.
Pflegende vermitteln Normalität, das hilft den Patienten, sich im Alltag wieder
68
leichter zurechtzufinden. Die Patienten sollen das Gefühl haben, auch mit
jemandem reden zu können, ohne dass jeder Satz interpretiert wird. Es ist daher
wichtig, dass Pflegende nicht die Rolle des Co-Therapeuten übernehmen (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 47).
5.8.1 Psychiatrie
Der Begriff Psychiatrie (grch.) ist ein Teilgebiet der Medizin und befasst sich mit
der Diagnose, Erforschung und Behandlung psychischer Störungen. Zu den
Aufgaben der Psychiatrie gehört auch die soziale Wiedereingliederung psychisch
Kranker (vgl. Der Brockhaus 1998, Band 11, S. 223).
Psychiatrie wird mit den Begriffen Psyche und Seele (seelische Krankheiten)
konnotiert und kann aus naturwissenschaftlich-medizinischer oder aus einer
ontologisch-theologischen Sicht betrachtet werden.
Psyche (grch.) ist gleichbedeutend mit Seele und definiert sich in der Psychologie
als das seelisch-geistige Leben des Menschen im Gegensatz zum körperlichen
Sein (vgl. Der Brockhaus 1998, Band 11, S. 223).
Seele ist ein altgermanisches Wort und ist wahrscheinlich eine Ableitung von See
mit der Grundbedeutung „die zum See Gehörende“. Nach alter germanischer
Vorstellung wohnten die Seelen der Ungeborenen und der Toten im Wasser (vgl.
Duden Das Herkunftswörterbuch 2001, S. 750).
Die Institution „Psychiatrie“ ist ein Teil des gesellschaftlichen Gesundheitswesens
und zugleich für bestimmte Aufgabenbereiche ein Organ der staatlichen Gewalt.
Dadurch erfüllt sie nicht nur medizinische Aufgaben wie Behandlung von
Krankheiten, sondern auch ordnungsrechtliche und juristische Aufgaben wie
Freiheitsentziehung, Zwangsbehandlung und Maßnahmenvollzug. Diese
Doppelfunktion unterscheidet die Psychiatrie ganz wesentlich von anderen
medizinischen Einrichtungen (vgl. Kistner 2002, S. 60). Die Notwendigkeit und
Möglichkeit von Zwangsbehandlungen ist ein für die Psychiatrie typischer und in
69
allen anderen medizinischen Disziplinen undenkbarer Tatbestand. Aus den
speziellen Eigenschaften der psychiatrischen Erkrankungen ist die therapeutisch
notwendige Gewalt oft das einzige Mittel zur Behandlung und somit ein
wesentlicher Bestandteil der institutionellen Psychiatrie (vgl. Kistner 2002, S. 64).
Psychiatrie hat die Aufgabe, den Patienten aus der Fremdverantwortung
herauszuführen und ihn wieder soweit zu fördern, dass er die Selbstverantwortung
für sich übernehmen kann (vgl. Dörner/Plog 1992, S. 480).
5.8.2 Psychiatrische Erkrankungen
Psychiatrische Erkrankungen umfassen nicht nur den Geist oder den Körper,
sondern beides und zeigen daher ihre Auswirkungen und Symptome auf beiden
Bereichen. Allerdings liegt der Schwerpunkt der Behandlung und Pflege meist auf
dem psychiatrischen Phänomen (vgl. Holnburger 1998, S. 16). Unter psychischer
Krankheit versteht man, wenn ein Mensch sich subjektiv krank fühlt und unter
seinem Verhalten leidet, wenn er psychisch gestörte Funktionen oder
Verhaltensauffälligkeiten zeigt oder wenn er Symptome aufweist, die eindeutig
als psychiatrische Erkrankung klassifiziert werden (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 93-94). Psychiatrische
Erkrankungen sind in den allermeisten Fällen chronische Erkrankungen.
Merkmale chronischer Erkrankungen sind die Krankheitsdauer, die
Krisenhaftigkeit und die sehr reduzierten Heilungschancen (vgl. Schulz 2005, S.
261).
Der Verlauf einer psychischen Krankheit zeigt sich sehr variabel, wobei er aber
nicht prognostizierbar ist. Der Krankheitsverlauf beschreibt meist Phasen und
Schübe, während und nach einer Therapie kann es immer wieder zu Rezidiven
und zur Exazerbation kommen. Patienten begeben sich meistens mehrmals in
psychiatrische Behandlung, oft ohne Aussicht auf Verbesserung, was sich
frustrierend für Patienten als auch für Pflegende (wegen des mangelnden
Behandlungserfolges) auswirken kann.
70
Die meisten Krankheiten gelten heute als therapeutisch gut beeinflussbar, wobei
Rückfälle und Rezidive meist zum Krankheitsgeschehen gehören (vgl.
Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 96).
5.8.3 Zusammenfassung
Die psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege umfasst die Betreuung und
Pflege von Menschen mit psychischen Störungen und neurologischen
Erkrankungen aller Alters- und Entwicklungsstufen sowie die Förderung der
psychischen Gesundheit.
Die Pflege in der Psychiatrie unterstützt den Patienten bei der Bewältigung und
Gestaltung des Alltags, der Entwicklung einer Tagesstruktur, beim Training
sozialer Kompetenzen und im Bereich Wohnen und Zusammenleben.
Die psychiatrische Pflege sieht den Patienten nicht nur mit seiner Erkrankung,
sondern auch mit seinen Fähigkeiten und seinen Ressourcen und versucht ein
ganzheitliches Bild vom Patienten zu bekommen.
Eine weitere Besonderheit der psychiatrischen Pflege ist die Ambivalenz, die sich
daraus ergibt, dass die Pflege auf der einen Seite, wenn es zum Beispiel um
Zwangsmaßnahmen geht, als Kontrolleur und Aufpasser auftreten muss und auf
der anderen Seite eine empathische Beziehung zum Patienten herstellen soll,
wenn es darum geht, den Patienten in seinen persönlichen Anliegen zu
unterstützen.
Da psychische Krankheiten meist einen längeren Krankenhausaufenthalt zur
Folge haben, ist die Beziehungsgestaltung zum Patienten eine wichtige und
wesentliche Aufgabe der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege.
Besonders für Schüler sind der Aufbau einer Beziehung und die Entwicklung von
Nähe und Distanz eine Herausforderung, weil dieser Aspekt in der Theorie nicht
wirklich vermittelt werden kann.
71
Gleichfalls schwierig gestaltet sich die Pflegeplanung, sie stellt an die Pflegenden
eine besondere Herausforderung, denn eine Maßnahme zur Bewältigung eines
Angstzustandes ist allenfalls schwerer zu explorieren und zu beschreiben als der
Verlauf einer Wunde.
Auch das Zusammenleben und die Milieugestaltung auf der Station sind ein
wichtiger Bestandteil in der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege,
denn eine gelebte Normalität hilft den Patienten, den Alltag wieder leichter und
selbstständiger zu bewältigen.
72
6 Die Ausbildung in der psychiatrischen
Gesundheits- und Krankenpflege
Die Ausbildung in der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege dauert in
Österreich drei Jahre, umfasst mindestens 4600 Stunden in Theorie und Praxis
und dient der Vermittlung der zur Ausübung des Berufes erforderlichen
theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten (vgl.
Bundesgesetzblatt 1999, S. 861).
Die theoretische Ausbildung umfasst in der psychiatrischen Gesundheits- und
Krankenpflege mindestens 2000 Stunden und die praktische Ausbildung umfasst
insgesamt mindestens 2480 Stunden (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 867).
Personen, die sich um eine Aufnahme in eine Schule für psychiatrische
Gesundheits- und Krankenpflege bewerben, müssen zu den bestimmten
physischen und psychischen Voraussetzungen ein Lebensalter von mindestens 18
Jahren nachweisen und sie müssen zusätzlich eine Aufnahmeprüfung absolvieren
(vgl. Bundesgesetzblatt 1997, S. 1305). Die Festsetzung eines Mindestalters von
18 Jahren als zusätzliche Aufnahmevoraussetzung ist auf die erhöhte psychische
Belastung, der bereits Schüler im Rahmen der praktischen Ausbildung ausgesetzt
sind, zurückzuführen (vgl. Faßbinder/Lust 1997, S. 138).
Die Ausbildung in der Krankenpflege folgt dem Prinzip einer dualen Ausbildung.
Die Schule als Lernort gehört dem Bildungswesen an, die Praxis als Arbeitsort
gehört zum Beschäftigungssystem. Die Pflegeausbildung nimmt hier einen
besonderen Status ein, denn der Träger der Ausbildung ist in der Regel
gleichzeitig der Beschäftigungsträger. Obwohl dem Beschäftigungsträger sowohl
die theoretische als auch die praktische Ausbildung obliegt und man dabei die
Annahme ableiten könnte, dass sich dadurch die Inhalte besser vernetzen lassen,
wird empirisch nicht bestätigt. Im Gegenteil, die Vernetzung der theoretischen mit
73
der praktischen Ausbildung gilt sehr oft als problematisch (vgl. Brinker-
Meyendriesch 2001, S. 167).
Durch die räumliche und oft institutionelle Trennung der beiden Lernorte kann die
schulische und die betriebliche Ausbildung weder zeitlich noch inhaltlich
aufeinander angepasst werden. Es gibt kaum eine didaktische Vermittlung
zwischen den beiden Lernorten (vgl. Bischoff 1993, S. 8). Görres/Roes (2002)
sind der Ansicht, dass die Trennung der Lernorte Schule und Praxis seit jeher das
Problem der inhaltlichen, strukturellen, didaktischen und organisatorischen
Zusammenarbeit haben. Da die Schüler zumeist einen theoretischen Block
absolvieren und anschließend ins Praktikum gehen, kann auf Grund der
zeitverschobenen Vermittlung von theoretischem und praktischem Wissen der
systematische Zusammenhang nicht ausreichend reflektiert werden. Wichtige
Synergieeffekte und Ressourcen können so nicht in dem Maße genutzt werden,
wie es erforderlich wäre. (vgl. Görres 2002, S. 18).
Die Schüler werden im Rahmen ihrer Ausbildung in verschiedenen Bereichen
eingesetzt, damit sie ein Repertoire an Ausführungs- und Lösungsmöglichkeiten
kennenlernen. Um die Motivation zu fördern und zugleich selbstständiges Lernen
zu begünstigen, wird ihnen die Möglichkeit zum Experimentieren, zum Erproben
von Neuem und zum Entdecken geboten (vgl. Sieger 2001, S. 96-97).
Ziel der Ausbildung ist es, die Kreativität der Schüler zu fördern, damit sie ihr
Potenzial entfalten können. Außerdem sollten die Auszubildenden die Befähigung
zum Handeln in den beruflichen Kontexten der Pflege erlangen (vgl. Sieger 2001,
S. 89), und sie sollten in ihrer Entwicklung soweit gefördert werden, dass sie den
Pflegeberuf sowohl kompetent als auch befriedigend ausüben können (vgl.
Sieger/Brinker-Meyendriesch 2004, S. 22).
74
6.1 Die theoretische Ausbildung
In der theoretischen Ausbildung muss die Schule auf die Komplexität der
heutigen Pflege reagieren, denn mit Einführung des Gesundheits- und
Krankenpflegegesetzes sind viele Neuerungen beschlossen worden. Bezogen sich
die theoretischen Inhalte in der Vergangenheit auf Krankheiten, biologische
Systeme, medizinische Kategorien und praktische Techniken, so kann diese Art
von Theorie nicht mehr als die wissenschaftliche Grundlage der Pflege aufgefasst
werden (vgl. King 1995, S. 69).
Der heutige Aufgabenbereich der Ausbildungsstätte umfasst unter anderem die
Entwicklung verschiedener Kompetenzen für das zukünftige Berufs- und
Arbeitsleben sowie die Entwicklung der Persönlichkeit und der Kommunikation.
Weiters sollen Einsichten in gesellschaftliche, berufspolitische, wirtschaftliche
und rechtliche Zusammenhänge erworben werden. In der Schule werden
außerdem die Freiräume geschaffen, um vorhandene Fragen aus praktischen
Erfahrungen zu reflektieren (vgl. Brinker-Meyendriesch 2001, S. 174).
Der Schule obliegt weiters die Aufgabe, den zukünftigen Pflegefachkräften die
theoretischen Grundlagen für die praktische Arbeit auf den Stationen des
Krankenhauses zu vermitteln (vgl. Römer 1999, S. 290). Die theoretischen
Lehrinhalte sollten Lex ante wissenschaftlich ausgerichtet sein, sie sollen weiters
zur Sicherung der Pflegequalität und zur Unterstützung der Weiterentwicklung
der Pflegepraxis beitragen (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 862).
Die Schule vermittelt theoretisches Wissen, ideale Pflegemethoden und macht den
Auszubildenden mit verschiedenen Theorien und Modellen vertraut. Des
Weiteren sind Pflegeprozess und Pflegeforschung Schlagworte, welche die
theoretischen Inhalte der heutigen Ausbildung dominieren. Darüber hinaus
vermittelt die Ausbildungsstätte universelles Wissen, denn Wissen, welches die
Krankenpflegeschule vermittelt, muss weit über die Ansprüche der derzeitigen
Praxis hinausreichen. Die theoretische Ausbildung darf sich nicht nur auf ein
Krankenhaus oder möglicherweise nur auf eine Station beschränken, sondern auf
verschiedene Krankenhäuser und Stationen, es muss grenzüberschreitend und
75
universell einsetzbar sein. In der Schule muss also systematisches-,
übergeordnetes- und Hintergrundwissen, also Wissen mit einem hohen
Allgemeinheitsgrad, vermittelt werden. Allgemeines Wissen deckt sich aber nicht
immer mit Konkretem auf der Station. Allgemeines Wissen ist nicht unmittelbar
anzuwenden, sondern es dient dazu, um als diplomierter Gesundheits- und
Krankenpfleger in diversen Gesundheitseinrichtungen, anderen Krankenhäusern
und verschiedenen anderen Stationen tätig zu werden. Die Schule vermittelt also
die notwendige Flexibilität, die wiederum Mobilität ermöglicht (vgl. Bischoff
1993, S. 14).
Aber in der Schule wird nicht nur graue Theorie gelehrt, sondern es wird auch
praktisch geübt. Die Schüler können unter sich in einem eigens für
Unterrichtszwecke eingerichteten Krankenzimmer die Grund- und
Behandlungspflege praktisch trainieren. Auch das Erstellen von Pflegeanamnese,
Pflegediagnosen, der Pflegeplanung sowie das Planen der Maßnahmen werden
anhand von vorgegebenen Assessmentdaten trainiert, dabei kommt der
Gesprächsführung eine immer wichtigere Funktion zu. Gesprächsführung ist ein
zentrales Element in der psychiatrischen Krankenpflege und kann im Rahmen
eines „Trockentrainings“ (Gespräch ohne Patienten) mit anderen Kollegen
trainiert werden. In Rollenspielen ist es möglich, die Technik einer
Gesprächsführung unter Anleitung und Reflexion einer Lehrkraft zu üben. Die
praktischen Übungen mit Kollegen bleiben trotz der unbestrittenen Effektivität
aber nur „Theorie“, denn der krasse Unterschied zur Praxis wird dann schnell
deutlich, wenn der Patient kontroversiell reagiert oder wenn die Muster der
Übertragung und Gegenübertragung ins Gespräch einfließen. Außerdem bleibt ein
Fehler des Schülers ohne Folgen, was bei einem Gespräch in einer kritischen
Situation in der Praxis massive Probleme zur Folge haben könnte. Damit ist die
Grenze der theoretischen Ausbildung an der Schule gezogen. Der Schüler
erarbeitet sich in der Schule die theoretische Basis der Pflege, trainiert die
Pflegemaßnahmen unter optimalen Bedingungen, die so in der Praxis aber nie
vorzufinden sind. Trotzdem ist es wichtig und wertvoll und kaum zu bezweifeln,
dass ein Schüler, bevor er mit der Praxis beginnt, ein theoretisches Rüstzeug
76
vermittelt bekommt und Maßnahmen eingeübt haben muss (vgl. Römer 1999, S.
290).
Eine weitere Methode des Lernens in der theoretischen Ausbildung ist das Modell
des angeleiteten Praktikums. Beim angeleiteten Praktikum übernimmt der Schüler
abhängig vom Ausbildungsgrad unter Anleitung eines Lehrers selbstständig die
Pflegeplanung eines Patienten. Bei fachlichen Fragen oder Problemen besteht die
Möglichkeit, einen Praxisanleiter oder eine Pflegeperson zu Rate zu ziehen. Das
angeleitete Praktikum ist eine Möglichkeit, theoretisches Wissen in einem
praktischen Umfeld sehr realitätsnah, zu üben (vgl.
Wichern/Haubensack/Schwiering 2002, S. 246).
Der Unterricht wird zusätzlich durch Lehrausgänge, Exkursionen, Seminare und
Projektunterricht komplementiert, um den Schülern Einblicke in umfassende
Zusammenhänge auf gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gebieten zu
geben (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 862).
Für die Vermittlung des theoretischen Wissens sind die Lehrer in den
Ausbildungsstätten zuständig, sie sind nämlich die Experten für Lehrprozesse
(Darmann-Finck 2006, S. 194). Die Lehrinhalte werden von den pädagogisch
ausgebildeten Lehrkräften didaktische aufbereitet, um so das Problembewusstsein
durch die theoretischen Zusammenhänge aufzubauen (vgl. Frauenlob 2002, S.
48). Da in der theoretischen Ausbildung nicht nur pflegerelevante, sondern auch
medizinische, psychologische, rechtliche und andere Fächer unterrichtet werden,
sind Vertreter anderer Berufsgruppen ebenfalls an der Ausbildung beteiligt (vgl.
Bundesgesetzblatt 1999, S. 863).
Auf Grund der räumlichen, oft institutionellen Trennung der beiden Lernorte
Schule und Praxis wird der theoretische Unterricht meistens komprimiert
abgehalten. Ein Theorieblock dauert dann in der Regel zwei Monate und
anschließend kommt der Schüler für mindestens 160 Stunden in die Praxis.
77
6.2 Die praktische Ausbildung
Die praktische Ausbildung ist in Österreich in Form von Praktika auf
verschiedenen Stationen durchzuführen. Ein Praktikum hat mindestens 160
Stunden an einer Ausbildungseinrichtung zu umfassen (vgl. Bundesgesetzblatt
1999, S. 867).
In der praktischen Ausbildung sind die theoretischen Lehrinhalte in die berufliche
Praxis umzusetzen, weiters wird der Rahmen geschaffen, Tätigkeiten des
eigenverantwortlichen, mitverantwortlichen und interdisziplinären
Tätigkeitsbereichs an Patienten zu erlernen (vgl. Faßbinder/Lust 1997, S 138),
wobei eine umfassende Anleitung, Unterstützung und Kontrolle der Schüler
gewährleistet sein muss (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 867). Die praktische
Ausbildung ist daher nur unter Anleitung und Aufsicht von Lehr- und Fachkräften
durchzuführen. Im Rahmen der Ausbildung dürfen die Schüler nur zu Tätigkeiten
herangezogen werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Ausbildung
stehen (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 868).
Die praktische Ausbildung dient einerseits der Entwicklung und Erlangung von
beruflicher Handlungskompetenz, Auszubildende sollen befähigt werden, die
komplexen Anforderungen des Stationsalltags erfolgreich zu bewältigen, und
andererseits dient die Ausbildung zur Heranbildung einer beruflichen Identität.
Mit dem beruflichen Alltag wird der Schüler in seiner Entwicklung und
Persönlichkeit beeinflusst (vgl. Schrems/Schneider 2006, S. 12). Der Schüler lernt
durch die Beobachtung und Interaktion mit erfahrenen Kollegen und erwirbt
durch die Einbindung in die Expertenkultur ein implizites Wissen (vgl. Darmann
2004, S. 202).
Elementarer Bestandteil der praktischen Ausbildung ist das Lernen der Handlung,
das Tun. Die Lernprozesse umfassen die konkrete Arbeit und das wiederholte
Ausführen von Tätigkeiten. Diese Form des Lernens hat aus pädagogischer Sicht
ein besonders starkes, die Persönlichkeit veränderndes Potenzial. Dies wird
augenfällig durch das erforderliche Training der Feinmotorik respektive der
Aufgabenerfüllung notwendiger Wahrnehmungs- und Koordinationsleistungen.
78
Anhand des Berufes wird das eigene Selbstwertgefühl zu einem erheblichen Maße
generiert, es kommt zur Außen- und Innenstabilisierung der Person (vgl.
Breitenstein 2002, S. 38-39).
Praktisches Lernen auf der Station heißt „Routine“ und Sicherheit gewinnen, ein
praktisches Gefühl für die verschiedenen Patienten entwickeln und auf die
unterschiedlichen Krankheiten reagieren können. Lernen auf der Station heißt
weiter, dass der Schüler lernt, die in der Schule erlernten Theorien, in einem
echten Pflegeprozess umzusetzen, indem er in individuellen Pflegesituationen
dem Patienten begegnet. Des Weiteren erkennt er die realen Arbeitssituationen
des Stationsalltages, die durch Zeitmangel, Ressourcen- und Personalknappheit
bestimmt sind (vgl. Römer 1999, S. 290).
Auf der Station erfährt der Schüler eine Hierarchie, die bei der Stationsleitung
beginnt und absteigend über die Pflegekräfte und Abteilungshilfen bei ihm, dem
Schüler, endet. Er ist in den Stationsalltag eingebunden und das praktische Lernen
findet unter Anleitung auf der Station mit Patienten statt. Wegen der oft
mangelnden personellen Ressourcen werden Schüler nur oberflächlich ausgebildet
und meist nur als zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt. Das führt dazu, dass die
Zeit zur Reflexion fehlt, was eine Störung des Entwicklungsprozesses zur Folge
haben kann. Wenn für die Ausbildung kein ausgebildeter Praxisanleiter zur
Verfügung steht, dann ist die Zuständigkeit meist unklar definiert und keiner fühlt
sich für die Schüler und deren Ausbildung verantwortlich (vgl. Dielmann 1993, S.
16). Schüler wissen oft nicht, wer für sie zuständig ist, sie haben keinen direkten
Ansprechpartner, sie trauen sich oft nicht, jemanden zu fragen, sie haben Angst,
etwas falsch zu machen, Überforderung oder Unterforderung können die Folge
sein. Wenn für die Ausbildung eine durchgehende Schüleranleitung auf Grund der
stationären Gegebenheiten nicht gewährleistet ist, respektive wenn die
Teammitglieder die Abwesenheit des Praxisanleiters mittragen müssen, dann sind
Konflikte nicht auszuschließen (vgl. Beermann 2002, S. 234).
79
Schüler finden oft auch schwierige Lernbedingungen vor, weil Praktiker nicht
motiviert sind, weil auf der Station meistens hoher Arbeitsdruck vorherrscht, weil
die strukturellen Voraussetzungen fehlen und weil die Pflegepersonen vor Ort
nicht ausreichend pädagogisch geschult sind. Es gibt Diskrepanzen zwischen dem
Pflegeverständnis im Team auf der Station und den theoretischen Inhalten des
Lernenden. In der Praxis ist der Schüler aber Teil des Teams und er wird sich
daher unterordnen, wenn seine neuen, theoretischen Lerninhalte nicht
angenommen werden, denn man ist Schüler und man ist neu auf der Station, man
möchte nicht auffallen oder gar querschießen. Mit neuem Wissen aus der Schule
oder gar mit Verbesserungsvorschlägen hält man sich besser zurück, denn die
Leute arbeiten schon lange hier auf der Station und wissen was sie tun, nur keine
Konflikte heraufbeschwören, denn sonst steht man schnell außerhalb des Teams.
Ja, bei einigen Teammitgliedern ist der Wille und das Verständnis da, offen für
Neues zu sein, sich weiterentwickeln zu wollen, Anregungen aufzunehmen, aber
neues Tun bedeutet, Gewohnheiten aufzugeben, schafft Unsicherheit, Unbehagen
und könnte mit Arbeit enden, und Arbeit gibt es schon mehr als genug, also wer
will schon wirklich seine Gewohnheiten ändern und sich auf Neues und
Unbekannte einlassen (vgl. Fobbe 2001, S. 758-760).
Der Schüler weiß, dass die Pflegeplanung auch anders geht, als es hier in der
Praxis gemacht wird. Er erhebt den Anspruch für seine weitere Ausbildung und
zukünftige Arbeit, das ideal Erlernte in die pflegerische Praxis umzusetzen. Des
Weiteren kennt er die Forderung seiner Lehrer, nämlich den Pflegeidealen in
Theorie und Praxis gerecht zu werden (vgl. Römer 1999, S. 291). Doch in der
Praxis wird noch meist tradiert und mit Routine gepflegt, neueres Pflegewissen
wird von den erfahrenen Pflegepersonen skeptisch betrachtet und als unpraktisch
abgelehnt (vgl. Bischoff 1993, S. 13-14). Eine bittere Erfahrung, die Lernende auf
der Station leider immer wieder machen, nämlich, dass sie ihr Wissen, das
hochaktuell und oft evidenzbasiert ist, in der Praxis nicht anwenden können.
Diese Ambivalenz, sich einerseits an die Vorgaben der Praxis zu halten, um eine
positive Beurteilung zu bekommen, und auf der anderen Seite die Vorgaben der
Lehrer und die eigenen zu vernachlässigen, erzeugt Druck auf die Schüler (vgl.
80
Bischoff 1993, S. 13-14), und dagegen nützt die beste theoretische Ausbildung
nicht, wenn es nicht die Möglichkeit gibt, das neue Wissen auch anzuwenden
(vgl. Obex 2006, S. 21).
Die erfahrenen Kollegen wissen, dass sie den Schülern überlegen sind, doch sie
sind nicht immer dazu bereit, von dieser Überlegenheit Abstriche zu machen und
auf die Argumente des Schülers einzugehen (vgl. Römer 1999, S. 291).
„In der Schule lernt ihr das so, wir machen es aber hier auf der Station so!“
Im günstigsten Fall lassen dem Schüler die Kollegen eine gewisse Freiheit
und er kann den Pflegeprozess so gestalten, wie er es in der Schule gelernt
hat (Römer 1999, S.291).
Manche Pflegepersonen reagieren aber auch gereizt auf die Vorschläge des
Schülers, weil sie sich herabgesetzt und kritisiert fühlen. Die Gründe sind oft
einfach. Den älteren Pflegepersonen fehlt vielfach das Hintergrundwissen für die
Theorie, sie haben in ihrer Ausbildung manches nicht gelernt, weil es nicht
Bestandteil ihrer Ausbildung war. Aus- und Fortbildungsangebote werden oft
abgelehnt, weil sie als zusätzliche Belastung erlebt werden (vgl. Römer 1999, S.
292). Ein kritischer Diskurs mit den Kollegen unterbleibt in den meisten Fällen,
weil diese sich und ihre Arbeit nicht in Frage stellen wollen (vgl. Römer 1999, S.
291).
Wenn Pflegepersonen keine Motivation aufbringen, um neues, theoretisches
Wissen auch nur ansatzweise zu akzeptieren, und wenn Schüler das Gefühl haben,
ein Störfaktor zu sein, dann kann diese Diskrepanz zwischen dem theoretischen
Anspruch der Schule und der praktischen Arbeit auf der Station für Schüler sehr
frustrierend sein (vgl Hindermann/Kratzsch/ Krol/Schön 2002, S. 215).
Arbeiten Krankenpflegeschüler das erste Mal auf einer Station, erleben sie
(möglicherweise) den sogenannten Praxisschock. Der besteht nicht nur darin, dass
es schwerkranke Menschen gibt, sondern auch darin, dass die praktische Arbeit
81
auf der Station von der Pflegetheorie und den praktischen Übungen in der Schule
abweicht oder diesen sogar widerspricht (vgl. Römer 1999, S. 291).
Um den von zahlreichen Schülergenerationen beklagten „Praxisschock“ zu
mindern und langfristig die Ausbildungsqualität zu verbessern, ist es eine
sinnvolle Maßnahme, einen Praxisanleiter zu integrieren, der die Schüler während
der Ausbildung begleitet (vgl. Beermann 2002, S. 229).
Die betriebliche Berufsausbildung ist eine geplante Anleitung, die
berufspädagogisch fundiert ist und zur Reflexion der eigenen Person sowie der
Berufspraxis anregen soll (vgl. Sieger/Brinker-Meyendriesch 2004, S. 112).
Praxisanleitung trägt weiters dazu bei, dass theoretisches Fachwissen zur
praktischen Anwendung gelangt, das führt zu einer vertieften Auseinandersetzung
und Aktualisierung des Wissens von Schülern (vgl. Scheffel 2002, S. 289).
6.3 Zusammenfassung
Die Ausbildung zum psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpfleger dauert in
Österreich drei Jahre und umfasst in der theoretischen Ausbildung mindestens
2000 Stunden und in der praktischen Ausbildung mindestens 2480 Stunden.
Personen müssen, wenn sie sich um eine Aufnahme in eine Schule für
psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege bewerben, ein Lebensalter von
mindestens 18 Jahren nachweisen.
Die Ausbildung folgt einem dualen Prinzip, indem die Schule als Lernort dem
Bildungswesen und die Praxis als Arbeitsort dem Beschäftigungssystem angehört.
Wegen der räumlichen und oft institutionellen Trennung der beiden Lernorte kann
der Transfer von theoretischem Wissen in die Praxis als problematisch betrachtet
werden. Da beide Lernorte aber für die Qualität der Ausbildung unabdingbar sind,
ist eine Kooperation zwischen Lehrer in der Schule und Anleiter in der Praxis
Bedingung.
82
Die Ausbildung sollte die Kreativität der Schüler vorantreiben, diese sollten in
ihrer Entwicklung so weit gefördert werden, dass sie den Pflegeberuf kompetent
ausüben können. Der Schwerpunkt der theoretischen Ausbildung liegt in der
Entwicklung der Persönlichkeit, verschiedener Kompetenzen und der
Kommunikation, des Weiteren sollen Einsichten in gesellschaftliche, berufliche,
wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge erworben werden.
In der Ausbildungsstätte werden wissenschaftlich ausgerichtete, theoretische
Grundlagen für die praktische Arbeit auf der Station vermittelt und sie machen
den Auszubildenden mit verschiedenen Pflegetheorien und -modellen vertraut.
In der Schule wird übergeordnetes Wissen vermittelt, das über die Ansprüche der
derzeitigen Praxis hinausreicht, denn die Ausbildung beschränkt sich nicht nur auf
eine Station oder ein Krankenhaus, sondern das Wissen ist universell einsetzbar.
In der Schule wird nicht nur Theorie vorgetragen, sondern die Schüler können
unter sich in einem eigens eingerichteten Krankenzimmer die unterschiedlichsten
pflegerischen Maßnahmen unter optimalen Bedingungen praktisch üben. Eine
weitere Methode des Lernens ist das angeleitete Praktikum. Bei dieser Methode
hat der Schüler die Möglichkeit, in Begleitung eines Lehrers im praktischen
Umfeld zu üben.
Für die Vermittlung der theoretischen Lehrinhalte der Pflege sind eigens dafür
ausgebildete Lehrkräfte zuständig. Für die Vermittlung nicht pflegerelevanter
Fächer werden die Schüler von Vertretern diverser anderer Berufsgruppen
unterrichtet.
Der Unterricht wird auf Grund der Trennung der Lernorte meist in
Theorieblöcken abgehalten. Die dadurch zeitverschobene Vermittlung von
theoretischem und praktischem Wissen behindert wichtige Synergieeffekte und
Ressourcen.
83
Die praktische Ausbildung wird in Form von Praktika auf verschiedenen
Stationen durchgeführt. Sie dient der Entwicklung und Erlangung von beruflicher
Handlungskompetenz und sie soll die Schüler befähigen, die Anforderungen des
Stationsalltags zu bewältigen. Praktische Ausbildung hat ein die
Persönlichkeit veränderndes Potenzial und führt zur inneren und äußeren
Stabilisierung der Person. In der Praxis lernt der Schüler, das in der Theorie
erworbene Wissen in individuellen realen Pflegesituationen umzusetzen. Der
Schüler ist dabei in das Stationsgeschehen aktiv eingebunden und wird von
speziell für die Praxis ausgebildeten Pflegepersonen oder von in der Praxis tätigen
diplomierten Pflegekräften angeleitet.
Die Lernbedingungen gestalten sich für die Schüler manchmal sehr schwierig. Sie
können ihr Wissen in der Praxis nicht umsetzen, weil auf Grund mangelnder
struktureller und personeller Ressourcen die Voraussetzungen dafür fehlen. Oft
werden sie nur als zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt und oberflächlich
ausgebildet, was zur Überforderung der Schüler führen kann. Und Praktiker sind
oft nicht bereit und auch nicht motiviert, neue theoretische Lerninhalte oder
Verbesserungsvorschläge des Schülers anzunehmen, manche Pflegepersonen
reagieren sogar gereizt auf Vorschläge des Schülers. Diese Diskrepanz kann sich
frustrierend für die Schüler auswirken.
6.4 Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Ausbildung
Das Ausbildungswesen in der Krankenpflege folgt einem dualen Prinzip. In der
Schule wird theoretisches Wissen vermittelt und in der Praxis wird praktisches
Wissen vermittelt. In der Schule wird gelernt und in der Praxis wird gearbeitet,
das heißt, der Schüler erwirbt durch das Tun ein implizites Wissen.
Die theoretische Ausbildung vermittelt Regeln für pflegepraktisches Handeln und
repräsentiert Lösungen für pflegerische und gesundheitsbezogene Problemlagen.
In der Schule wird neben Theorie und Modellen auch universelles Wissen
vermittelt, das über den Bereich der Station und des jeweiligen Krankenhaus
84
hinausreicht. In der Schule wird theoretisches Wissen vermittelt und gelernt, der
Lernstoff wird didaktisch aufbereitet und an die Schüler unter dem Einsatz
verschiedener Methoden weitergegeben, zum Beispiel wird mit Mitschülern in
Rollen- und Planspielen das Erlernte praktisch geübt. In der Ausbildungsstätte ist
der Rahmen vorhanden, das Erlernte im Kontext der Klasse und mit einem Lehrer
zu reflektieren. Die Schüler finden in der Schule optimale Lernbedingungen vor.
Betreut und unterrichtet werden die Lernenden von pädagogisch ausgebildeten
Lehrkräften.
In der praktischen Ausbildung sollen die Auszubildenden befähigt werden, die
komplexen Anforderungen des Stationsalltags erfolgreich zu bewältigen. Lernen
auf der Station heißt, dass der Schüler lernt, die in der Schule erlernten Theorien
in der Praxis umzusetzen.
In der Praxis findet die Ausbildung auf der Station statt und die Schüler sind in
den täglichen Stationsablauf eingebunden.
Wegen der oft mangelnden personellen und strukturellen Ressourcen werden
Schüler meistens als zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt, dadurch ist kein Raum
vorhanden, das Erlernte zu reflektieren, und es fehlen die zeitlichen Ressourcen,
das theoretische Wissen auf konkrete Pflegehandlungen zu übersetzen.
Das in der Theorie erworbene Wissen lässt sich in der Praxis zumeist nicht
anwenden, weil Praktiker nicht bereit und nicht motiviert sind, sich mit
theoretischem Wissen auseinanderzusetzen. Die Lernbedingungen sind für die
Schüler in der Praxis aus den oben genannten Gründen nicht ideal, was zu Frust
unter den Schülern führen kann.
In kaum einem anderen Berufsfeld fallen die berufspraktische und theoretische
Ausbildung so weit auseinander wie in den Berufen der Pflege. Das hat mit der
Trennung der Lernorte Schule und Praxis zu tun. Seit jeher gibt es das Problem
der Zusammenarbeit, denn Handlungen von Schule und Praxis sind inhaltlich,
strukturell und organisatorisch unterschiedlich gelagert. Es handelt sich um zwei
verschiedene Welten. Durch diese Trennung der institutionellen, personellen,
85
teilweise auch inhaltlichen Gegebenheiten und durch den zeitlichen Abstand
zwischen der Vermittlung von theoretischem Wissen und der Ausbildung in der
Praxis können wichtige Synergieeffekte in der Ausbildung nicht optimal genützt
werden.
Ob es um das Verhältnis zwischen Schule und Pflegepraxis oder zwischen
theoretischem und praktischem Unterricht geht, nirgends ist ein unbeschwertes
Verhältnis zu finden. Unterschiedliche Vorstellungen prallen aufeinander. Die
Schule vermittelt theoretisches Wissen und macht den Auszubildenden mit
verschiedenen Theorien und Modellen vertraut. Auf der Station erleben die
Auszubildenden dies oft ganz anders. Hier geht es um schnelles und routiniertes
Arbeiten, wobei Pflegetätigkeiten oft anders ausgeführt werden, als es den
Schülern in der Ausbildungsstätte vermittelt wurde.
Beide Lernorte sind aber für die Qualität der pflegerischen Ausbildung
unabdingbar, und eine optimale Vernetzung zwischen Theorie und Praxis kann
nur gewährleistet werden, wenn theoretische und praktische Anteile aufeinander
bezogen sind, die Kooperation zwischen Lehrer in der Schule und Anleiter in der
Praxis auf einer tragfähigen Basis steht und wenn mögliche persönliche und
institutionelle Schranken abgebaut werden (vgl. Sieger/Brinker-Meyendriesch
2004, S. 118).
Das Gemeinsame der beiden Lernorte ist faktisch darin zu sehen, dass diese als
zwei unterschiedliche Formen der Erkenntnisgewinnung betrachtet werden
können. Beide Lernorte tragen aber dazu bei, das berufliche Wissen der
Auszubildenden zu fördern. Die Schule trägt zum Beispiel dazu bei, das
theoretische Wissen mit Konstruktion und Abstraktion zu ermöglichen und das
Krankenhaus stellt den Schülern die Erfahrungswelt zur Verfügung.
Die Zukunft liegt darin, Konzepte zu entwickeln, die bei gleichzeitiger
Aufrechterhaltung der lernortspezifischen Funktionen auf die Integration von
schulischer und betrieblicher Ausbildung setzen. Es ist wichtig, die
86
Eigenständigkeit und Originalität der beiden Lernorte beizubehalten, aber es sollte
gleichzeitig eine gemeinsame Ausbildungsstrategie erarbeitet werden.
87
7 Das Theorie-Praxis-Verhältnis aus der
Perspektive der Auszubildenden
Schüler der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege werden zu ihrer
theoretischen und praktischen Ausbildung befragt. Sie sollen ihre Meinung und
ihre Einstellung zum Theorie-Praxis-Verhältnis in Form eines Interviews
weitergeben.
Im empirischen Teil meiner Arbeit wollte ich das Verhältnis zwischen Theorie
und Praxis von innen heraus, aus subjektiver Sicht der Schüler, erfahren und
verstehen. Vordergründig interessierten mich die Gefühle, Einstellungen und die
Meinungen der Schüler zu ihrer Ausbildung. Ich wählte die qualitative Forschung,
weil dadurch die soziale Wirklichkeit nach bestimmten Regeln abgebildet wird
(vgl. Atteslander 2003, S. 7).
7.1 Methode der Datenerhebung
Zur Erhebung der Daten verwendete ich das Interview. Der Grundgedanke des
qualitativen Interviews besteht darin, dass die Betroffenen selbst zur Sprache
kommen und ihre eigene, subjektive Deutung im Mittelpunkt steht. Durch gezielte
Fragestellungen will man tiefere Einblicke in gewisse Situationen gewinnen (vgl.
Mayer 2002, S. 126).
Da ich gewisse Themenschwerpunkte favorisierte, entschied ich mich für das halb
standardisierte Interview. Dazu entwarf ich während des Literaturstudiums einen
Leitfaden, der dazu diente, gezielt und konkret, aber doch auch flexibel, meine
Themenschwerpunkte anzusprechen. Der Interviewleitfaden wurde im Laufe der
Interviews mehrmals modifiziert.
88
7.2 Vorgangsweise der Datenerhebung
Die Interviewpartner für diese Arbeit wurden über eine Ausbildungseinrichtung
für psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege rekrutiert. Damit das Projekt
starten konnte, bedurfte es zuerst der Einwilligung der Direktorin der Schule. Die
Direktorin fühlte sich von dem Vorhaben angesprochen und unterstützte es, indem
sie eine Liste mit den Namen und Telefonnummern der Schüler zur Verfügung
stellte. Sie zeigte außerdem die Intention, Informationen über die Ergebnisse
dieser Arbeit zu bekommen, weil es auch im Interesse der Schule lag, qualitative
Informationen aus der Sicht der Schüler über die Ausbildung zu generieren.
Die Auswahl der Probanden erfolgte durch eine gezielte Stichprobenauswahl. Die
Entscheidung fiel auf Schüler des dritten Jahrganges, weil diese zu ihrem ersten
Praktikum in der Psychiatrie, das üblicherweise erst im zweiten Ausbildungsjahr
erfolgt, schon den nötigen Abstand gewonnen hatten, um ihre Erfahrungen daraus
reflektiert replizieren zu können.
Die weitere Auswahl erfolgte nach Geschlecht, Alter und Ausbildungsstand.
Anschließend wurde telefonisch mit den zur engeren Auswahl stehenden
Probanden Kontakt aufgenommen. Sie wurden unter dem Aspekt der
Freiwilligkeit über den Sinn und Zweck der Arbeit aufgeklärt und über den
Nutzen, den sie aus dem Projekt lukrieren können, informiert. Weiters wurden sie
über die Methode der Datenerhebung sowie über den Ablauf der Interviews
aufgeklärt und es wurde ihnen absolute Anonymität zugesichert.
Da Gesprächsführung zum Repertoire eines jeden psychiatrischen Gesundheits-
und Krankenpflegers gehört und ein wesentlicher Teil der Ausbildung ist,
erfahren die Schüler einerseits, wie ein Gespräch in der Realität vonstattengeht,
und andererseits können sie in der Rolle als Interviewpartner die Position eines
Patienten wahrnehmen, und das impliziert einen therapeutischen Effekt. Denn wer
einmal die Position eines Befragten eingenommen hat, ist eher in der Lage, auf
einen Patienten empathisch einzugehen, wenn er in seiner Funktion als
Krankenpfleger ein Anamnese- oder ein therapeutisches Gespräch führen muss.
89
Offensichtlich war es die Neugier und der Lerneffekt, der alle Kontaktierten
veranlasste, sich spontan bereit zu erklären, bei den Interviews mitzumachen.
Zum Abschluss des Telefongespräches ersuchte ich um einen Termin für einen
persönlichen Kontakt, um die Einzelheiten und das weiters Procedere abzuklären.
Die Gespräche fanden nach der Mittagspause oder nach Unterrichtsschluss mit
jedem Schüler einzeln statt. Das Gespräch diente zum persönlichen Kennenlernen,
um den Ablauf des Interviews darzulegen, über den Umgang mit den gewonnen
Daten aufzuklären, Zusicherung der Anonymität und die Zustimmung über die
Aufnahme mittels Tonbandgerät einzuholen.
Die Interviews wollte ich außerhalb des Schulbereiches durchführen, darum
wählte ich als Ort das psychiatrische Krankenhaus, in dem die Schüler ihre
praktische Ausbildung absolvieren. Dazu bedurfte es der Zustimmung der
Direktorin des Pflegedienstes. Diese erklärte sich bereit, mich zu unterstützen,
weil auch von ihrer Seite Interesse da war, die qualitativen Aspekte in der
Ausbildung der Schüler auf praktischer Ebene zu beleuchten. Diese Auffassung
deckte sich auch mit meinen Interessen, denn ich möchte mit meiner Arbeit einen
Beitrag zur Verbesserung des Theorie-Praxis-Verhältnisses leisten.
Mir wurde zur Durchführung der Interviews ein Raum im Krankenhaus zur
Verfügung gestellt, der nach fünfzehn Uhr nicht mehr frequentiert wurde und
daher ein störungsfreies Setting gewährleistete.
An den Interviews nahmen sieben Schüler, davon fünf weiblichen und zwei
männlichen Geschlechts (das Geschlechterverhältnis spiegelt in etwa die
geschlechtliche Zusammensetzung in der Klasse wider) im Alter zwischen
dreiundzwanzig und einundvierzig Jahren teil. Die Aufnahmedauer der Interviews
lag zwischen vierzig und sechzig Minuten.
Die Schüler beantworteten die Fragen sehr unterschiedlich, manche antworteten
kurz und prägnant, schweiften kaum ab, andere brachten eigene Erlebnisse,
Meinungen und Gefühle mit ein. Nach der Abschaltung des Aufnahmegerätes
fanden durchwegs Nachgespräche statt, weil manche Schüler Hemmungen vor
90
dem Tonbandgerät hatten. Die Nachgespräche dauerten zwischen zehn und
zwanzig Minuten und wurden mit einem Gesprächsprotokoll festgehalten.
Um die Anonymität der Probanden zu gewährleisten, wurden die Namen der
Schüler und die Daten aus den Interviews separat gespeichert. Die
Tonbandaufzeichnungen wurden transkribiert und codiert, mit Nummern
versehen, um eine Nachvollziehbarkeit zu verhindern, anschließend wurde das
Material paraphrasiert, sodass Rückschlüsse auf dahinterstehende Menschen
unmöglich werden.
7.3 Methode der Datenauswertung
Zur Auswertung der erhobenen Daten wurde ein interpretativ-reduktives
Verfahren angewendet, dabei wurde nach den Schritten von Lamnek 1995
vorgegangen. Nach dem Paraphrasieren der inhaltstragenden Stellen im Text
wurden mittels der Analyse nach Fragen, nach der Beschreibung von Morse 1998,
sieben Hauptthemen gebildet und anschließend eine Ergebnisdarstellung
durchgeführt.
91
8 Ergebnisdarstellung
In der Ergebnisdarstellung werden die analysierten Daten der Interviews in
systematischer und logischer Form dargestellt.
8.1 Erleben des ersten Praktikums
Lernende berichten über ihre Vorstellungen und Erfahrungen, die sie in ihrem
ersten Praktikum erlebt haben. Sie hatten auch wegen der eher negativen Meinung
der Gesellschaft die unterschiedlichsten bis keine Vorstellungen von der Praxis.
So konnten sich die meisten Schüler überhaupt kein Bild darüber machen, was sie
in ihrem ersten Praktikum erwartet. Manche äußerten sogar Angst vor dem ersten
Kontakt mit der Praxis, vor allem auch vor den Patienten.
„Ich habe es mir ziemlich schwierig vorgestellt, weil die Leute draußen viel
reden, es wird Narrenhaus geschimpft, ich habe anfangs Angst davor gehabt.“
(I1)
„Ich hatte keine Vorstellung, ich hatte Angst, da ich nicht wusste, wie ich mit
psychisch kranken Menschen umgehen soll.“ (I6)
„Ich habe mir nichts vorstellen können, habe mir auch keine Gedanken darüber
gemacht.“ (I7)
„Ich habe keine wirklichen Vorstellungen gehabt, ich habe vorher über gewisse
Krankheitsbilder im Internet nachgelesen, dass ich ein bisschen Ahnung habe.“
(I4)
Schüler werden bei ihrem ersten Praktikum ziemlich alleine gelassen, sie haben
wenig Unterstützung, wissen nicht, was sie tun sollen, haben zum Teil Angst und
sind zum Teil überfordert, weshalb sich der Start in die Praxis nicht optimal
gestaltet.
92
„Schlimm war für mich am Anfang, was soll ich machen, habe mich nicht gleich
in den Stationsalltag eingefunden, bin mir verloren vorgekommen.“ (I4)
„Man weiß nicht, was man machen soll, ich habe dann beobachtet, wie die
anderen mit den Patienten umgehen.“ (I7)
„Ich hatte nur Angst, da ich nicht wusste, wie ich mit psychisch Kranken umgehen
soll. Hatte auch keine Unterstützung vom Pflegepersonal und wurde alleine
gelassen.“ (I6)
„Es war schwer und anfangs habe ich Angst davor gehabt, wie ich mit den
Patienten umgehen soll und ob ich es verkraften kann.“ (I1)
„Ich dachte, am Anfang arbeite ich mit jemandem mit und sie zeigen mir, was ich
machen soll und werde nicht gleiche alleine gelassen. Es gab keine Einführung,
auch keine Einschulung, das hätte ich mir nicht erwartet.“ (I5)
„…ungutes Gefühl, hast ja keinen Kontakt vorher mit den Patienten, du weißt
nicht, wie die Leute wirklich sind, vielleicht war auch manchmal Angst da, ob ich
überfordert werde.“ (I2)
8.1.1 Ergebnisdiskussion:
Schüler berichten, dass sie bei ihrem ersten Praktikum ziemlich alleine und
verloren dastehen. Da sie keine konkreten Vorstellungen über ihr Praktikum
haben und psychiatrische Krankenhäuser in der Gesellschaft noch immer einen
negativen Beigeschmack haben, bleibt für die Schüler nur die Interpretation
dessen, was möglicherweise sein könnte, und das erzeugt bei den meisten ein
ungutes Gefühl und Angst.
Außerdem tragen mangelnde Einschulung und fehlende Unterstützung vom
Pflegepersonal noch zusätzlich zur Unsicherheit der Schüler bei.
93
Wenn in der praktischen Ausbildung die Zuständigkeit nicht klar definiert wird,
wenn sich keine Pflegeperson für die Schüler zuständig fühlt, dann kann eine
Überforderung der Schüler die Folge sein.
Beermann (2002) bestätigt mit seiner Ansicht, dass Schüler, speziell in der
Anfangsphase ihrer praktischen Ausbildung, Unterstützung brauchen. So sollen in
praktischen Situationen nicht alleine gelassen werden. Eine unzureichende
Anwesenheit des Pflegepersonals oder des Praxisanleiters wird in dieser Phase als
negativ erlebt (vgl. Beermann 2002, S. 231).
Die Ursachen, dass Schüler bei ihrem ersten Praktikum, bei ihrem Erstkontakt mit
psychisch kranken Menschen alleine gelassen und nicht richtig eingeschult und
begleitet werden, können unterschiedlich sein.
Einerseits ist es ein strukturelles und ein personelles Problem, weil die
Zuständigkeit für die Ausbildung nicht klar definiert wird und sich dadurch keine
Pflegeperson für die Schüler zuständig fühlt, wie im Kapitel 6.2 nachzulesen ist,
und weil möglicherweise zu wenig Praxisanleiter auf der Station zur Verfügung,
respektive den Schülern nicht kontinuierlich zur Seite stehen und weil das
Pflegepersonal keine ausreichende pädagogische Schulung hat, um die Lernenden
professionell anzuleiten.
Auf der anderen Seite könnte dies auch mit der Eigenheit der psychiatrischen
Gesundheits- und Krankenpflege im Zusammenhang stehen, denn das Besondere
in der psychiatrischen Pflege sind die Krankheitsbilder der Patienten, deren
schwierige Pflege und die Beziehungsgestaltung zum Patienten. Denn zum
Beispiel ist die pflegerische Handlung für die Versorgung einer Wunde leichter zu
erklären und auszuführen als die Aufgabe bei Angstzuständen. Solche
Besonderheiten der Psychiatrie sind eine Herausforderung für das Pflegepersonal
und machen die Anleitung für die Schüler sehr schwierig.
94
Nichtsdestotrotz müssen die Schüler ausreichend informiert, eingeschult und
unterstützt werden, und das Pflegepersonal ist hier gefordert, die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, damit die Schüler nicht so alleine und verlassen dastehen.
Meyendriesch, Rustemeier-Haltwick, Schönlau (2001) konstatieren, dass Schüler
einen Anspruch darauf haben, sowohl auf ihr Berufsleben als auch auf die
Lernanforderungen des betrieblichen Lernortes vorbereitet zu werden. Die
Pflegedienstleitung trägt Kraft ihrer Position die Ausbildungsverantwortung und
hat für die entsprechende Strukturgebung im Betrieb als Lernort zu sorgen. Auf
der mittleren Organisationsebene sind die Bereichs- und Stationsleitungen dafür
verantwortlich, dass die Arbeitsabläufe geplant, organisiert und kontrolliert
werden (vgl. Meyendriesch/Rustemeier-Haltewick/Schönlau 2001, S. 176).
Da der erste Eindruck im Allgemeinen prägend für die weitere Ausbildung ist und
bleibende Spuren hinterlassen kann, sowohl im positiven als auch im negativen
Sinne, wäre es von Vorteil, wenn auf eine professionelle Einführung mehr Wert
gelegt würde.
8.2 Der Stellenwert der Schüler in der Praxis
Schüler erheben an ihre Ausbildung den Anspruch, etwas - lernen - zu - wollen,
gleichzeitig möchten sie nicht wie in der traditionellen Ausbildung als billige
Hilfskräfte im täglichen Stationsablauf eingebunden sein. Sie verlangen eine nach
modernen Maßstäben ausgerichtete, gut geplante und didaktisch aufbereitete,
praktische Anleitung, außerdem wünschen sie sich, ins Team integriert zu werden
und als gleichwertige Partner zu gelten. Auf keinen Fall wollen sie als Mitläufer
oder womöglich als Störfaktor angesehen werden.
„Als Schüler möchte man etwas lernen, …konkret habe ich es hin und wieder
erlebt, eine Hilfskraft zu sein.“ (I5)
„Ich habe außer Betten machen, auch andere, hochwertigere pflegerische
Tätigkeiten, wie Do-In, Gespräche führen, Medikamentengebahrung, usw.
95
machen dürfen, das war ganz gut auf der Station, man hat etwas gelernt und war
akzeptiert und keine billige Hilfskraft.“ (I1)
„Mir ist eine gute Aufnahme im Team wichtig, dass man sich dann auch
wohlfühlt.“ (I7)
Grundsätzlich haben die Schüler, zumindest auf den meisten Stationen, einen
guten Stellenwert, sie erleben sich nicht als Störfaktor und sie werden in das Team
integriert. Dieses Eingebundensein gefällt ihnen sehr gut und dadurch wächst das
Selbstvertrauen.
„Wenn dich das Team unterstützt, wächst das Selbstvertrauen, wobei Kritik auch
wichtig ist.“ (I3)
„Auf den meisten Stationen hat man als Schüler einen guten Stellenwert.“ (I4)
„…man wird als Schüler ins Team eingebunden.“ (I2)
„...aber ich habe mich nicht als Störfaktor erlebt.“ (I5)
Es gibt aber noch immer Stationen, wo das Verhältnis zwischen Schüler und
Praxis nicht so gut funktioniert. Da werden Schüler vermehrt zum Putzen,
Bettenmachen, für Botendienste oder bei „allen Patienten“ RR messen …
eingesetzt, wo sie das Gefühl haben, nur da zu sein, damit sie die Tätigkeiten
machen, die vom Pflegepersonal nicht gerne gemacht werden.
„Dann gibt es andere Teams, wo das Gefühl entsteht, wir sind halt da, weil sie
uns nehmen müssen, und wir müssen die Arbeit tun, die sie selber nicht machen
möchten.“ (I3)
„Eigentlich solltest du etwas lernen, aber wir sind auf die Station gekommen und
haben putzen müssen und nur Bettenmachen, ich denke mir, das ist das
Allerschlechteste, was lernt man da, Bettenmachen lerne ich zu Hause auch.“ (I1)
96
„Ich habe leider allzu oft erleben müssen, dass ich ausgenutzt wurde. Es war sehr
viel Arbeit auf der Station und man hat alles alleine machen müssen, es gab sogar
verbale Attacken vom Pflegepersonal, wenn zu langsam gearbeitet wurde oder
wenn man zu lange mit Patienten Gespräche führte. Das war alles sehr mühsam
und bitter und erzeugt Frust. Man möchte nicht der Schani für alles sein.“ (I6)
Wenn Schüler mit Aussagen konfrontiert werden wie: „Ihr seid Schüler, verhaltet
euch dementsprechend, macht’s das was man euch anschafft, mehr wollen wir
von euch nicht“, dann fühlen sich die Schüler nicht als gleichwertig, sondern eben
nur als Schüler.
„In der Rolle als Schüler fühlst du dich nicht als gleichwertig, sondern eben nur
als Schüler.“ (I3)
„Du musst tun, was dir die Pflegeperson anschafft, du bist ja nur eine Schülerin.
Sie setzen dich hinunter, weil du eine Schülerin bist.“ (I1)
8.2.1 Ergebnisdiskussion
Der Anspruch der Schüler nach einer guten Ausbildung und die Realität klaffen
offensichtlich noch auseinander.
Auf manchen Stationen sind die Schüler ins Team eingebunden, werden
unterstützt, haben einen guten Stellenwert, werden nicht nur als Hilfskräfte
eingesetzt, sondern bekommen die Möglichkeit, das Spektrum der Pflege in ihrer
Vielfältigkeit und Komplexität kennen zu lernen.
Es gibt aber auch Stationen, in denen eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen
der Schüler und dem Alltagsleben auf der Station vorherrscht. Hier werden
Schüler ausschließlich als Hilfskräfte eingesetzt und sie werden zu Tätigkeiten
herangezogen, die vom Pflegepersonal nicht so gerne gemacht werden. Es gibt
auch Teams, die die Schüler als zusätzliche Belastung und vor allem als
zusätzliche Mehrarbeit wahrnehmen. Dass sich diese Einstellung nicht besonders
förderlich auf die Ausbildung der Schüler auswirkt, ist eine logische Folge daraus.
97
Wie aus den Aussagen der Schüler hervorgeht, entsteht bei ihnen der Eindruck,
ausgenutzt zu werden, und sie erleben sich leider auch sehr oft als Störfaktor. Sie
fühlen sich nicht als Partner in einem Team, sondern eben nur als Schüler, als
etwas Minderwertiges.
In so einem Umfeld ist das Ziel der Ausbildung, die Persönlichkeit und die
berufliche Handlungskompetenz der Schüler zu fördern, nicht zu erreichen, ganz
im Gegenteil, ein negatives Lernumfeld wirkt sich nachteilig auf das
Selbstvertrauen und die persönliche Entwicklung der Schüler aus.
Der Grund, dass Schüler nur als zusätzliche Arbeits- und Hilfskräfte eingesetzt
werden, kann an den mangelnden strukturellen und personellen Ressourcen
liegen. Es kann aber auch daran liegen, dass die Ausbildenden keine pädagogische
Ausbildung haben, dass Schüler nicht den Stellenwert erhalten, der ihnen zusteht,
dass sie dadurch noch immer als Hilfskräfte eingesetzt oder als Mehrarbeit
betrachtet werden, weil zu wenig Praxisanleiter für die Ausbildung zur Verfügung
stehen und das Pflegepersonal dadurch überfordert wird. Hier wäre noch Potenzial
für weitere Untersuchungen.
8.3 Lernbedingungen auf der Station
Die Lernbedingungen in der Praxis sind auf Grund der mangelnden strukturellen
und personellen Ressourcen nicht immer optimal, weil für eine genaue
Ausführung der Pflegeplanung die zeitlichen Ressourcen zumeist nicht vorhanden
sind.
„Der Pflegeplan wird in der Schule komplexer und genauer ausformuliert als in
der Praxis, da ist das ganz anders, da wird oberflächlich gearbeitet, weil auf der
Station zu wenig Zeit dafür ist.“ (I4)
„In der Praxis wird der Pflegeplan nicht so genau angewendet, wie er in der
Schule vermittelt wird, geht einfach nicht, weil der Pflegeplan zu zeitaufwändig
ist.“ (I5)
98
„Ob der Pflegprozess genau umgesetzt wird, hängt mit der Auslastung der Station
zusammen, denn bei einem hohen Arbeitsaufwand wird nicht so genau gearbeitet.
Es ist also ein Zeitfaktor und ein strukturelles Problem.“ (I3)
„In der Praxis wird anders gearbeitet, als wir es in der Theorie vermittelt
bekommen. Für eine genaue Pflegeplanung fehlte die Motivation.“ (I2)
Schüler wollen ihr neu erworbenes theoretisches Wissen in der Praxis üben und
anwenden. In der Praxis ist schon mehrheitlich Interesse für neues Wissen da,
aber es wird zumeist nicht umgesetzt und es bleibt alles beim Alten.
„Es ist schon Interesse an theoretischem Wissen da, sie hören sich das an, aber
dabei bleibt es. In der Praxis wollen sie nichts Neues.“ (I6)
„Sechzig Prozent der Pflegepersonen sind neugierig, vierzig Prozent zeigen kein
Interesse an theoretischem Wissen.“ (I5)
Die mangelnde Umsetzung von theoretischem Wissen in die Praxis hängt zum
Teil damit zusammen, dass Pflegepersonen, bei denen die Ausbildung schon
länger zurückliegt, wenig Interesse an neuem Wissen zeigen. Sie sind unmotiviert,
haben Probleme mit dem Pflegeprozess, weil ihnen zum Teil das Basiswissen
fehlt, und sie wollen nicht so gerne mit Schülern zusammenarbeiten.
„Ältere Pflegepersonen sind eher nicht so motiviert, das ist aber nicht generell zu
behaupten, auch jüngere Pflegepersonen müssen nicht immer motiviert sein.“ (I7)
„Nach meiner Erfahrung reagieren ältere Pflegepersonen nicht positiv auf
Neuerungen, sie arbeiten auch nicht gerne mit Schülern zusammen.“ (I4)
„Die älteren Pflegepersonen wollten den Pflegeprozess gar nicht, die haben uns
machen lassen, ob er dann gut geworden ist, weiß man nicht, denn es hat ja
niemand kontrolliert, weil sie es selber nicht können.“ (I1)
99
„Den älteren Pflegepersonen fehlt die Genauigkeit und sie tun sich schwerer mit
der Pflegeplanung, weil ihnen das Grundwissen fehlt und der theoretische
Hintergrund. Ältere Pflegepersonen sind überwiegend nicht neugierig, aber es
gibt auch welche, die neugierig sind.“ (I5)
„Der Pflegeprozess wird nicht genau umgesetzt, ich glaube, weil sie es nicht
gelernt haben und nicht so genau nehmen.“ (I1)
„Die älteren Pflegepersonen haben es immer so gemacht, daher wird es auch so
gemacht, wie sie es wollen. Die jüngeren Pflegepersonen haben keine Chance, sie
sind in der Minderheit, somit keine Änderung.“ (I2)
8.3.1 Ergebnisdiskussion:
Mangelnde strukturelle, personelle und zeitliche Ressourcen beeinflussen die
Lernbedingungen der Schüler in der Praxis. Eine genaue und komplexe
Ausführung des Pflegeplanes, so wie er in der Schule vermittelt wird, ist auch mit
der Patienten-Auslastung auf der Station in Verbindung zu bringen. Ein hoher
Auslastungsfaktor auf der Station erhöht zwangsläufig den Arbeitsaufwand, dies
resultiert zu ungenauer und oberflächlicher Ausführung des Pflegeplanes.
Bischoff (1993) konstatiert, dass Auszubildende die idealen Pflegemethoden, die
sie in der Schule vermittelt bekommen, auf der Station ganz anders erleben. Hier
geht es um schnelles und rationelles Arbeiten, wobei auch manchmal Standards
verletzt oder Pflegetätigkeiten anders ausgeführt werden, als sie in der Theorie
vermittelt wurden (vgl. Bischoff 2993, S. 8).
Schüler sind oft nicht in der Lage, ihr neu erworbenes Wissen in der Praxis
umzusetzen, weil Pflegepersonen, bei denen die Ausbildung schon länger
zurückliegt, im Bezug auf den Pflegeprozess gravierende Unkenntnis aufweisen.
Sie zeigen außerdem wenig Interesse und Motivation, neues theoretisches Wissen
100
umzusetzen. Sie haben immer schon so gearbeitet und so bleibt es auch, die
jüngeren Pflegepersonen haben keine Chance, etwas zu verändern.
Auch Kirkevold (2002) vertritt die Ansicht, dass Pflegekräfte, die den
theoretischen Hintergrund nicht kennen, oft kein Interesse zeigen und auch nicht
die Bereitschaft haben, theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden (vgl.
Kirkevold 2002, S. 19).
Wie in Kapitel 6.2 bereits beschrieben wurde, finden Schüler oft schwierige
Lernbedingungen auf der Station vor. Wenn Schüler in einem hierarchischen
Stationsalltag eingebunden sind, wo nach Routine und unter hohem Arbeitsdruck
gepflegt wird, wenn in der Praxis anders gearbeitet wird, als es die Schüler in der
Schule vermittelt bekommen haben, und wenn sie mangelhaft angeleitet werden,
dann ist es für Schüler meist nicht möglich, ihr theoretisches Wissen, in der Praxis
auch umzusetzen. Diese Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch und der
mangelnden Umsetzung in die Praxis kann sich für Schüler frustrierend
auswirken.
Wenn Pflegepersonen, bei denen die Ausbildung schon länger zurückliegt, nicht
motiviert und bereit sind, neues theoretisches Wissen in ihre Arbeit einfließen zu
lassen, und für die Schüler nicht die Möglichkeit besteht, ihr theoretisches Wissen
in der Praxis üben und anwenden zu können, dann werden viele Chancen und
positive Aspekte auf beiden Seiten verpasst. Denn einerseits könnte die Station
vom Wissen der Schüler profitieren und vice versa die Schüler von der Praxis. Es
ist daher ein Muss für die verantwortlichen Personen, dass optimale
Lernbedingungen geschaffen werden.
8.4 Verhaltenskonsequenzen
Wie aus anderen Kapiteln ersichtlich, kommen Schüler mit dem Anspruch in das
Praktikum, ihr theoretisches Wissen in der Praxis üben zu wollen. Auf der Station
sind sie in den Stationsalltag eingebunden, sie arbeiten in der Praxis mit und sie
101
wissen, wie hier gepflegt wird. Wenn die Praxis aber nicht dem entspricht, was sie
in der Schule gelernt haben, kann es zur Diskrepanz zwischen theoretischem
Verständnis und der Praxis kommen. Lernende reagieren mit ihrem Verhalten
unterschiedlich auf diese Diskrepanz. Manche haben Angst, trauen sich nichts zu
sagen und denken sich ihren Teil, unter anderem, weil sie auch auf eine positive
Beurteilung Rücksicht nehmen müssen.
„Wenn man auf einer Station arbeitet und man weiß, dass die Arbeit hier nicht
dem entspricht, was man in der Schule gelernt hat oder was richtig ist, aber man
Angst vor der Beurteilung hat und man möchte eine gute Beurteilung, dann sage
ich nichts, beiße mich einfach durch und schaue, dass ich es schnell hinter mich
bringe.“ (I3)
„Wenn du in der Praxis pflegerische Handlungen siehst und du in der Schule
gelernt hast, wie es besser geht, und die auf der Station machen es nicht, denkst
du dir schon, es ist schade für die Patienten, aber du machst es dann auch so,
denn du bist der Schüler und sagst lieber nichts, du steckst zurück, du kannst ja
nicht anders, denn du wirst ja beurteilt, das ärgert schon ein bisschen, aber
nichts anmerken lassen.“ (I1)
„Wenn auf der Station anders gearbeitet wird, als wir es in der Schule vermittelt
bekommen haben und das Team der Station nicht positiv auf Theorie eingestellt
ist, dann steht man alleine da und man passt sich an. Ich sage zu keiner
Pflegeperson etwas, ich denke mir meinen Teil.“ (I5)
„Diese Diskrepanz gibt es, dass wir in der Schule etwas lernen, was in der Praxis
nicht oder ganz anders gemacht wird. Ich sage nichts.“ (I4)
„Wenn du das Gefühl hast, dass die Theorie besser wäre, als es in der Praxis
durchgeführt wird und du eigentlich motiviert bist und etwas verändern möchtest,
traut man sich doch irgendwie nicht, denn da kommen Meldungen vom
Pflegepersonal zurück, da sagst lieber nichts, das ersparst du dir.“ (I2)
102
Viele Schüler empfinden es als positiv und es hilft ihnen, wenn sie diese
Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis in einem Forum wie der Supervision
oder mit Lehrern oder Mitschülern besprechen und reflektieren können.
„…wir reden dann einfach in der Supervision, die in der Schule angeboten wird,
darüber.“ (I1)
„…bespreche aber mit meinem Vertrauenslehrer in der Schule die Situation und
auch mit Mitschülern werden die Diskrepanzen von der Station besprochen, das
hilft mir.“ (I4)
„Die Idee mit der Supervision ist grundsätzlich gut, nur in der Schule schlecht
umgesetzt, es sind zu große Gruppen, wo man nicht auf Themen eingehen kann.“
(I3)
8.4.1 Ergebnisdiskussion:
Wenn Schüler ihr theoretisches Wissen auf der Station nicht üben und umsetzen
können, dann reagieren sie mit unterschiedlichem Verhalten auf diese Diskrepanz.
Die meisten Schüler haben Angst vor einer negativen Beurteilung und versuchen
erst gar nicht, ihr erworbenes Wissen in der Praxis anzuwenden, sie ärgern sich
zwar, denken sich ihren Teil, sagen aber nichts, lassen sich nichts anmerken und
beißen sich durch.
Aber wie aus den Antworten der Schüler zu entnehmen ist, wird diese Diskrepanz
als sehr belastend erlebt. Einerseits kann das theoretische Wissen nicht in die
Praxis umgesetzt werden. Die Schüler sind jedoch der Meinung, dass das in der
Schule Erlernte für den Patienten besser wäre als das in der Praxis Angewandte.
Andererseits wollen die Schüler nichts sagen, weil sie sonst negativ beurteilt
werden könnten.
103
Manche Schüler reflektieren ihr Praktikum mit ihrem Vertrauenslehrer und finden
hier die Möglichkeit, ihren Frust zu verbalisieren, andere besprechen die Situation
mit ihren Mitschülern. Eine gute und brauchbare Lösung dieser Problematik wird
in der Schule angeboten, bei der Supervision besteht die Möglichkeit, Probleme
anzusprechen und aufzuarbeiten, sofern der zeitliche Abstand zum Ereignis nicht
zu weit und die Gruppe nicht zu groß ist, wie manche Schüler kritisch anmerken.
Ist das zu oft der Fall, dann geht der Sinn und Zweck der Supervision verloren
und das wäre schade.
Hier scheinen die Schüler offensichtlich ausreichende Möglichkeiten zur
Verfügung zu haben, um ihre Problematiken aus dem Praktikum zu reflektieren.
Dass die Schüler eine Möglichkeit vorfinden, ihre Probleme zum Beispiel in der
Supervision zu besprechen, ist ein guter Ansatz, aber nur eine Reaktion auf eine
Problematik. Das Problem sollte schon in seiner Ätiologie vermieden werden.
Kooperation zwischen Schule und Praxis, mehr und bessere Aufklärung für die
Praktiker und ein eventueller Ansprechpartner respektive eine Person, die die
Interessen der Schüler in der Praxis wahrnimmt und vertritt, vielleicht so in der
Art wie ein Ombudsmann, könnte sublimierend für ein Gleichgewicht sorgen.
8.5 Lernorganisation zwischen Theorie und Praxis
Schüler sind generell der Ansicht, dass der Lerneffekt besser ist, wenn zuerst die
Theorie vermittelt wird und man anschließend das Praktikum absolviert. Man
wird dadurch auf die Praxis vorbereitet, hat schon eine Ahnung, worum es geht,
und man erhält ein Vorwissen. Der Lernstoff kann besser verknüpft werden, wenn
man zuerst das theoretische Wissen über einen bestimmten Fachbereich vermittelt
bekommt und anschließend das Erlernte in der Praxis übt und vertieft.
Schüler berichten über ihre Erfahrungen bezüglich der Gestaltung der
Lernorganisation in ihrer Ausbildung. Einige hatten zuerst den theoretischen Teil
und absolvierten dann das Praktikum, bei anderen Schülern war es genau
umgekehrt.
104
„Es macht schon einen Unterschied, ob ich den Theorieblock vorher oder
nachher mache. Wenn ich vorher weiß, um was es geht, dann kann ich es besser
verknüpfen. Der Lerneffekt ist besser, wenn man zuerst Theorie gehabt hat.“ (I3)
„Die beste Variante wäre für mich persönlich, zuerst Theorie, dann Praxis und
dann wieder Theorie. Zuerst in der Theorie das Wissen vermitteln, dann in der
Praxis üben und dann wieder in der Theorie alles reflektieren, das wäre optimal.“
(I4)
„Theorie ist am Anfang gut, um ein Vorwissen zu bekommen.“ (I7)
„Es ist nicht gut, wenn du als erstes in die Praxis gehst und dann die Theorie
dazu bekommst. Du hast von nichts eine Ahnung und du bist für das Praktikum
nicht vorbereitet. Es wäre besser, einen theoretischen Einblick zu bekommen,
dann in die Praxis zu gehen und dann wieder in der Theorie alles aufstocken.“(I6)
Wenn das Zeitintervall zwischen der Vermittlung des theoretischen Wissens und
des Praktikums zu groß ist, wird manches, was man gelernt hat, wieder vergessen.
„Wenn im ersten Ausbildungsjahr sehr große Mengen an theoretischem Wissen in
sehr kurzer Zeit vermittelt wurden, dann weiß ich im dritten Ausbildungsjahr in
der Praxis nicht mehr, wie es geht. Ich muss dann zu Hause nachschauen.“ (I3)
„Die Praxis sollte in knappem Abstand auf die Theorie folgen. Ich finde zu lange
Abstände nicht gut.“ (I7)
„…der Zeitabstand zwischen Theorie und Praxis sollte nicht zu lange sein.“ (I6)
8.5.1 Ergebnisdiskussion:
Die Schüler äußerten bei der Befragung, dass sie es generell besser fänden, wenn
sie zuerst theoretischen Unterricht erhielten, dann das erworbene theoretische
105
Wissen in der Praxis üben und vertiefen könnten, und anschließend die
Möglichkeit bestände, das Erlernte in der Theorie noch einmal zu reflektieren.
Das wäre für viele Lernende die optimale und effektivste Form des Lernens.
Der Vorteil, wenn zuerst Theorie vermittelt und dann in der Praxis geübt wird,
liegt darin, dass man ein Vorwissen respektive eine theoretische Basis bekommt,
dadurch das Erlernte besser verknüpft werden kann und so der Lerneffekt erhöht
wird.
Scheffel (2002) bestätigt mit seiner Ansicht, wenn Schüler mit einem
theoretischem Vorwissen in die Praxis kommen und wenn nach dem Praktikum
die Möglichkeit besteht, die Erfahrungen der Praxis in der Schule noch einmal zu
reflektieren, dann kann sich das auf den Lernerfolg sehr positiv auswirken (vgl.
Scheffel 2002, S. 287).
Der Abstand zwischen Theorie und Praxis sollte aber nicht zu groß sein, weil
sonst vieles wieder vergessen wird.
Wie eine Studie von R. Schmid konstatiert, kann die Verknüpfung von Theorie
und Praxis verbessert werden, indem der zeitliche Abstand zwischen Vermittlung
von theoretischem Wissen und der praktischen Bearbeitung so gering wie möglich
gehalten wird (vgl. Schmid 2005, S.283).
Manche Schüler kommen auf Grund mangelnder struktureller Ressourcen zuerst
in die Praxis und erhalten anschließend den theoretischen Unterricht. Dieser
Umstand führt dazu, dass viele pflegerische Handlungen in der Praxis nicht
verstanden werden, es fehlt das Hintergrundwissen, warum Tätigkeiten so
gemacht werden, wie sie gemacht werden. Die Zusammenhänge werden erst mit
dem theoretischen Wissen erkennbar.
Leider werden auf Grund der Trennung der beiden Lernorte Schule und Praxis,
wie im theoretischen Teil Kapitel 6 dieser Arbeit beschrieben, die Synergieeffekte
und Ressourcen der Ausbildung nicht optimal genutzt. Hier wäre sicher ein
106
Ansatzpunkt vorhanden, von Seiten der verantwortlichen Führungskräfte zu
schauen, dass die Struktur der Lernorganisation optimiert wird und der Abstand
zwischen der Vermittlung von theoretischem und praktischem Wissen so gering
wie möglich gehalten wird.
Die logistische Bearbeitung der Lernorganisation wäre sicher ein Beitrag, einen
Teilbereich der Ausbildung zu verbessern.
8.6 Das Theorie-Praxis-Verhältnis aus Sicht der Schüler
Schüler sind generell der Auffassung, dass Theorie wichtig ist, weil es als
Grundwissen für die Praxis dient und weil es zum besseren Verständnis beiträgt.
„Theorie ist ganz wichtig und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Praxis, weil
es einem zeigt, wie es in der Praxis am besten gemacht gehört.“ (I6)
„In der Praxis merkt man, dass man viele Grundsätze, die man in der Theorie
gelernt hat, auch anwendet. Man wird sensibler durch den Theorieunterricht, man
achtet mehr darauf, was man sieht.“ (I3)
„Ich konnte theoretisches Wissen aus der Schule in der Praxis gut umsetzen.“ (I5)
In der Schule wird optimale Pflege gelehrt, der Pflegeprozess ist komplexer,
genauer ausformuliert, und es werden die zeitlichen Ressourcen dafür zur
Verfügung gestellt, die man so in der Praxis aber nicht vorfindet.
Eine Schülerin bringt das so auf den Punkt:
„Es ist ein ganz großer Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In der Schule
lernst du es so, dass es was bringt, der Anamnesebogen wird zerlegt, und in der
Praxis geht es dann zack, zack, fertig ist er. Man sollte es in der Praxis genauso
machen, denn es hilft dem Patienten.“ (I1)
„Der Pflegeprozess ist in der Schule etwas komplexer, wird genauer ausgeführt
als in der Praxis. Auf der Station ist zu wenig Zeit dafür.“ (I4)
107
„In der Schule wird der Pflegeplan genau gelernt, in der Praxis zumeist nicht
immer, oft aus Zeitmangel, oder weil man den Patienten schon kennt und daher
der Pflegeplan schon öfters gemacht wurde.“ (I2)
„In der Schule wird unterrichtet, dass man patientenorientiert arbeiten soll und in
der Praxis geht es dann mit Vollgas durch, da entsteht Stress, dann bist du mit der
Arbeit fertig und hast nichts mehr zu tun. Es ist ein Unterschied zwischen Theorie
und Praxis.“ (I2)
„Theorie ist der Praxis voraus, die Schere zwischen Theorie und Praxis geht
manchmal auseinander.“ (I5)
In der Ausbildungsstätte wird auch theoretisches Wissen vermittelt, das sich in der
Praxis nicht umsetzen lässt, weil es einerseits zu theoretisch ist und der praktische
Bezug fehlt und weil es andererseits oft schon veraltert, also nicht mehr auf dem
aktuellsten Stand der Pflege ist. Auch unter den Lehrenden gibt es
Unstimmigkeiten und Meinungsunterschiede bezüglich der Inhalte von Theorie.
„In der Schule lernt man, aber es gibt kein Übungsfeld. Die praktischen Übungen
und Rollenspiele sind nur mit Mitschülern möglich. Mir hat aber der praktische
Bezug zur Praxis gefehlt.“ (I4)
„Das in der Schule Erlernte ist teilweise zu theoretisch, zum Beispiel lernt man in
der Schule über medizinische Geräte, aber man hat dieses Gerät noch nie in der
Realität gesehen.“ (I7)
„In der Schule ist manches, was vorgetragen wird, schon veraltert, sie geben altes
Wissen weiter, besonders bei medizinischen Geräten sind sie oft nicht auf dem
neuesten Stand.“ (I6)
„In der Schule wird die Pflegeplanung noch mit der Hand geschrieben und es
wird mit vorgedruckten Formularen gearbeitet, in der Praxis läuft der
Pflegeprozess schon über den Computer.“ (I2)
108
„Es gibt in der Theorie Sachen, die wir nur gestreift haben, und erst in der Praxis
durchschaut haben. Medizinische Geräte, die wir in der Schule nicht haben,
bekommen wir aber im Praktikum super erklärt.“ (I3)
„Auch zwischen den Lehrenden in der Schule herrscht keine Einigkeit, es gibt
Unstimmigkeiten und Meinungsunterschiede bezüglich der Pflegeplanung im
Bezug auf das Stellen der Pflegediagnosen.“ (I6)
In der Praxis lernt man genauso wie in der Theorie, vor allem anschaulicher, aber
es fehlen die zeitlichen Ressourcen.
„Der Pflegeplan dauert in der Schule zwei Stunden, wird in der Praxis nicht so
gemacht, geht nicht, ist zu zeitaufwändig.“ (I5)
„Ich habe in der Praxis sehr viel gelernt, ist auch anschaulicher.“ (I7)
„In der Praxis lernst du das Ausführen, in der Theorie durch das Zuhören. Das
Ausführen ist für mich persönlich wesentlich einprägsamer als das Zuhören.“ (I3)
„Auf der Station ist zu wenig Zeit, den Pflegeplan so auszuführen, wie er in der
Schule gemacht wird.“ (I4)
Viele Schüler vertreten die Ansicht, dass es zwischen Theorie und Praxis keinen
Unterschied gibt und dass man die beiden Bereiche nicht trennen sollte.
„Ich sehe zwischen Theorie und Praxis keinen wesentlichen Unterschied, ich habe
in beiden Feldern genug Informationen bekommen und genug gelernt.“ (I2)
„Es sollte eine gesunde Mischung zwischen Theorie und Praxis sein, das heißt,
Theorie und Praxis sollten sich im Gleichgewicht halten, beide Seiten sollten
gleich viel vertreten sein.“ (I4)
„In der Arbeit lernt man auch sehr viel, man sollte das nicht trennen. Das Wissen
aus der Schule und das Wissen der Praxis ist eine Einheit.“ (I7)
109
„Du wirst in der Praxis nie so viel oder das erfahren, was du in der Theorie
erfahren hast, und du wirst dir die Theorie nie so einprägen können, als du es in
der Praxis üben kannst.“ (I3)
8.6.1 Ergebnisdiskussion:
Dass Theorie als Basiswissen zum besseren Verständnis der Praxis beiträgt, darin
sind sich die Schüler einig.
Dass die Schule der Ort ist, wo professionell unterrichtet wird, wie ideale
Pflegmethoden sein sollen, wo die Zeit zur Reflexion vorhanden ist und wo
theoretisches Wissen vermittelt wird, wird von den meisten Schülern als Faktum
gesehen.
Dass das vermittelte theoretische Wissen aber schon oft veraltert ist, nicht mehr
dem neuesten Stand der Pflege entspricht, teilweise zu theoretisch und zu
praxisfern ist und sich dadurch in der Praxis oft nicht anwenden lässt, ist ein
Manko, das überdacht werden sollte. Dass selbst unter den Lehrenden keine
Einigkeit herrscht und es zu Divergenzen beim Stellen der Pflegediagnosen im
Rahmen der Pflegeplanung kommt, zeigt die Komplexität der Pflegeplanung.
Zur Pflegeplanung und zum Pflegeprozess gibt es aber auch kritische Stimmen,
wie im Kapitel 5.6.6 in dieser Arbeit nachzulesen ist, und wenn Theoretiker sich
untereinander nicht einig sind, so kann das nur bedeuten, dass noch sehr viel
Arbeit nötig ist, um die Theorie verständlicher zu machen.
Eine Forderung vor allem an die Lehrer ist, dass sie ihr Wissen und ihre
Unterlagen auf den neuesten Stand bringen sollten, um den Unterricht praxisnaher
und anschaulicher gestalten zu können. In der Schule sollte auf einer von allen
Lehrern akzeptierten Basis unterrichtet werden.
In der Praxis lernt man durch das Tun und das Ausführen, dass das praktische
Lernen anschaulicher und einprägsamer als das theoretische ist, doch leider lässt
110
der mangelnde Zeitfaktor keine optimalen Lernbedingungen zu. Strukturelle
Anpassungen könnten hier Abhilfe schaffen und das Problem lösen.
Generell sind die Schüler der Ansicht, dass beide Lernorte für die Ausbildung
unabdinglich sind. Sie haben in beiden Bereichen genug gelernt, es sollte eine
gesunde Mischung zwischen Theorie und Praxis geben und es sollten sich beide
Bereiche im Gleichgewicht halten.
Auch Dangel (2004) ist der Ansicht, wenn praktische Aspekte und theoretische
Aspekte der Pflege als Gegensätze gesehen werden, anstatt sie zu integrieren,
dann ist das bestimmt ein Weg in die falsche Richtung, deshalb müssen Theorie
und Praxis als produktiv aufeinander bezogene Pole verstanden werden (vgl.
Dangel 2004, S. 413).
8.7 Möglichkeiten, das Theorie-Praxis-Verhältnis zu
verbessern
Die Schüler bieten im Interview unzählige Möglichkeiten an, wie das Theorie-
Praxis-Verhältnis zu verbessern wäre. Um zu Beginn des Praktikums den
Praxisschock, die Angst oder die Überforderung zu verhindern, wünschen sich die
Schüler, bevor sie ins Praktikum kommen, mehr Aufklärung und Information über
Krankheitsbilder und Patienten.
„Bevor ich mein Praktikum antrete, wäre es für mich wichtig, dass ich die
Krankengeschichte vorher kenne und mehr Informationen über die Patienten
bekomme. Von Seiten des Pflegepersonals wünsche ich mir mehr Aufklärung.“
(I1)
„Bevor man in der Praxis tätig wird, sollte man über die Krankheitsbilder der
Patienten Bescheid wissen, und es wäre gut, wenn jemand da wäre, der einen
aufklärt und sagt, was man zu tun hat.“ (I7)
111
Um die Qualität in der Praxis zu verbessern, wünschen sich die Schüler, dass die
Stationsleitungen als Vorbild dienen und das Team motivieren sollen.
„Wie in der Praxis gearbeitet wird, hängt von der Führung ab. Wenn ein
Oberpfleger hergeht und sagt: „ Wir müssen diese Pflegediagnose machen, es ist
so vorgeschrieben“, und es wird nur dokumentiert, um dem Ganzen Genüge zu
tun, dann geht der Sinn und Zweck dahinter verloren. Wenn er aber erklärt, dass
es um das Wohl des Patienten geht, dass es um Qualität geht, dann kann man im
Team sehr viel erreichen, Ich habe Praktika erlebt, wo dies der Fall war, da steigt
die Qualität immens.“ (I3)
Eine Möglichkeit, um das Theoretische anschaulicher zu machen, wäre, in der
Schule zur besseren Darstellung der Praxis nicht nur Skripten zu verwenden,
sondern auch andere Mittel zur Gestaltung des Unterrichts einzusetzen.
„In der Schule sollten auch mit anderen Medien wie Videos und Fotos gearbeitet
werden, das wirkt plakativer und würde das Theoretische besser verdeutlichen als
nur die Verwendung von Skripten.“ (I4)
Lehrer der Ausbildungsstätte sollten mehr in der Praxis mitarbeiten, um nicht zu
praxisfern zu sein, Lehrer und Praktiker sollten besser kooperieren.
„Die Lehrer sollten sich mehr auf den Stationen blicken lassen beziehungsweise
mitarbeiten, es wäre dann die Schule nicht so praxisfern. Außerdem herrscht zu
wenig Kooperation zwischen Lehrer und Praktiker.“ (I6)
„Beim angeleiteten Praktikum wäre es besser, wenn ein Lehrer und eine
Pflegeperson von der Station gemeinsam das angeleitete Praktikum durchführen,
denn Lehrer tun sich in der Praxis schwer.“ (I5)
Damit Schüler nicht so alleine und verlassen dastehen, wünschen sie sich einen
Praxisanleiter als Ansprechpartner und eine kontinuierliche Begleitung.
„Der Praxisanleiter sollte am Anfang der Ausbildung unbedingt begleiten, er ist
meine Ansprechperson und man hält sich an ihn an.“ (I5)
112
„Ich finde einen Praxisanleiter voll wichtig, habe dann einen Ansprechpartner,
der mir erklärt, und ich kann mir dann auch etwas abschauen.“ (I7)
„Es sollte Begleitung bzw. eine Ansprechperson da sein, um Fragen stellen zu
können.“ (I6)
Konstruktives Feedback zur richtigen Zeit ist eine weitere Möglichkeit, nicht nur
um die Zufriedenheit der Schüler zu fördern, sondern auch eine Form der
Evaluation des bisher gelernten Stoffes.
„Feedback ist ganz wichtig, aber es sollte zwischendurch stattfinden.“ (I6)
„Feedback ist wichtig, es sollte aber immer gleich alles angesprochen werden,
auch wenn es nicht passt. Im Nachhinein finde ich es nicht förderlich.“ (I7)
„Ein Feedback geben, aber während des Praktikums, damit ich weiß, wie ich
unterwegs bin. Feedback ist richtungweisend.“ (I5)
8.7.1 Ergebnisdiskussion
Um das Theorie-Praxis-Verhältnis zu verbessern, um sich eine Vorstellung über
die Praxis machen zu können und um Angst und Überforderung abzubauen,
wünschen sich die Schüler, bevor sie ins Praktikum kommen, mehr Informationen
über die Patienten und eine bessere Aufklärung. Um die Qualität in der Praxis zu
verbessern, sollte die Stationsleitung als Vorbild dienen und das Team motivieren.
Weiters sollte der theoretische Unterricht praxisbezogener und plakativer gestaltet
werden. Von den Lehrern wünschen sie sich, dass sie mehr in der Praxis
mitarbeiten, sodass die Kooperation zwischen Lehrer und Praktiker verbessert
wird, weil sich das positiv auf die Lernbedingungen auf der Station auswirken
würde.
Obex (2006) ist ebenfalls der Ansicht, dass eine Lernkooperation eine mögliche
Lösung wäre, um das Theorie-Praxis-Verhältnis zu kultivieren. Eine
113
Lernkooperation beinhaltet laut Obex die methodische, inhaltliche,
organisatorische und konzeptionelle innovative Form der Zusammenarbeit der
Lernorte Schule und Praxis (vgl. Obex 2006, S. 21).
Ein Praxisanleiter sollte als Ansprechpartner und kontinuierlicher Begleiter
vorhanden sein, damit er den Schülern erklärt, worum es geht und sie Fragen
stellen können. Vielleicht könnte auch er die Rolle des Ombudsmannes für die
Schüler übernehmen.
Konstruktives Feedback zum richtigen Zeitpunkt ist wichtig, damit die Schüler
wissen, wo sie in ihrer Ausbildung stehen.
114
9 Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass das Therapie-Praxis-Verhältnis sehr
komplex ist und unterschiedlichen Einflussfaktoren unterliegt.
Auf der Ebene der Information und Beratung lässt sich im Vorfeld zum Praktikum
schon sehr viel erreichen, wenn der Informationsmangel, die mangelnde
Vorbereitung und Einschulung auf das bevorstehende Praktikum und die fehlende
Unterstützung vom Pflegepersonal durch konkrete Maßnahmen vermieden wird.
Ein stärkeres Hinführen der Schüler auf ihre zukünftigen Aufgaben erscheint mir
sehr zielführend, denn so könnte die Angst und Unsicherheit der Schüler
vermieden werden
Dieser Aspekt widerspiegelt auch die Ergebnisse dieser Arbeit, warum Theorie
und Praxis in einem Spannungsverhältnis stehen. In der Theorie lernt man
Basiswissen der Pflege, wie man patientenorientiert arbeiten soll, wie optimale
Pflege aussehen soll. Diese leistet einen wesentlichen Beitrag für die Praxis, um
diese zu erklären und effektiver zu machen.
In der Praxis mangelt es aber an der Umsetzung auf der einen Seite, weil das
theoretische Wissen zu theoretisch, zu praxisfern ist, weil es teilweise schon
veraltert ist und sich in der Praxis nicht anwenden lässt. Zweitens weil Praktiker
immer noch intuitiv und erfahrungsgeleitet arbeiten, weil sie unmotiviert sind und
wenig Interesse an neuem Wissen zeigen. Sie wollen sich nicht mit theoretischem
Wissen auseinandersetzen, lehnen dieses ab, oft auch, weil ihnen das Basiswissen
und der theoretische Hintergrund fehlen.
Mangelnde strukturelle und zeitliche Ressourcen tragen ebenfalls dazu bei, dass
sich theoretisches Wissen in der Praxis nicht umsetzen lässt. Das hat zur Folge,
dass die Implementierung von neuem Wissen in die Praxis verhindert und die
Entwicklungen in der Pflege gebremst wird, weil pflegerische Handlungen
weiterhin so wie bisher ausgeführt werden.
115
Wesentlich in diesem Zusammenhang ist es, dass die Praxis von dem Wissen der
Schüler profitieren könnte. Die Praktiker könnten ihre pflegerischen Handlungen
mit dem neuen theoretischen Wissen vergleichen und Modifizierungen dort, wo
sie notwendig sind, vornehmen. Auf der anderen Seite würden die Schüler
insofern einen Vorteil lukrieren, weil ihr theoretisches Wissen mit der Praxis
verknüpft wird und weil theoretisches Wissen, das im praktischen Tun geübt wird,
zur Vertiefung des Lernstoffes beiträgt, den Lerneffekt erhöht und dadurch die
beiden Bereiche Theorie und Praxis verständlicher macht.
Um diesen Aspekt umzusetzen, bedarf es der kritischen Auseinandersetzung mit
theoretischem Wissen und der Position der Pflege generell sowie der Motivation
des Pflegepersonals auf der Station. Außerdem müsste der Stellenwert der Schüler
überdacht werden, denn, wenn sie weiterhin Tätigkeiten ausführen müssen, die
vom Pflegepersonal nicht gerne gemacht werden, dann wird sich nichts ändern.
Wenn Schüler keine optimalen Lernbedingungen auf der Station vorfinden, wenn
sie Angst erleben, wenn sie sich verlassen vorkommen oder ihr theoretisch
erworbenes Wissen in der Praxis nicht umsetzen können, dann enthält dies
Belastungspotential für die Lernenden. Alle diese Einflüsse führen letztendlich zu
Verhaltenskonsequenzen der Schüler. Die Frage ist, wie sie mit diesen Situationen
umgehen. Diese Aspekte stellen einen wesentlichen Ansatzpunkt zur Veränderung
dar.
Ein weiterer Aspekt, der sich in dieser Arbeit findet, ist die Organisation der
Vermittlung von theoretischem Wissen in die Praxis. Aufgrund der Trennung der
beiden Lernorte Schule und Praxis sind die Handlungen inhaltlich, strukturell und
organisatorisch unterschiedlich gelagert. Wichtige Synergieeffekte zwischen
Theorie und Praxis lassen sich dadurch nicht optimal nützen.
Durch die Trennung der Lernorte ist es wichtig, wie der Ablauf von Theorie und
Praxis organisatorisch geregelt ist. Denn, wie aus der Arbeit hervorgeht, gibt es
einen gravierenden Unterschied zwischen den unterschiedlichen
116
Lernorganisationen. Wenn zuerst Theorie unterrichtet wird, lässt sich das
theoretische mit dem praktischem Wissen besser verknüpfen und der Lerneffekt
wird dadurch besser.
In diesem Zusammenhang spielt auch das Zeitintervall der Vermittlung eine
Rolle. Wenn der zeitliche Abstand zwischen Theorie und Praxis zu groß ist, wird
vieles wieder vergessen, und das würde den Lerneffekt wieder verringern.
Folglich würde eine optimale Abstimmung der Lernorganisation zwischen
Theorie und Praxis zu einem besseren Lernerfolg in der Ausbildung beitragen.
Eine konkrete Maßnahme, das Belastungspotenzial der Schüler zu verringern,
wäre die Supervision. Da in der Schule der zeitliche Rahmen zur Verfügung steht
und auch der örtliche Abstand zur Praxis gewährleistet ist, ist Supervision eine
gute Möglichkeit, Probleme zu besprechen und damit mögliche Belastungen
abzubauen, vorausgesetzt, dass die Supervision in einem professionellen Rahmen
und in einem zeitlich adäquaten Abstand zum Ereignis abgehalten wird.
Konkrete Maßnahmen, um das Theorie-Praxis-Verhältnis zu verbessern, könnten
demnach sein, dass die Schüler, bevor sie ins Praktikum gehen, mehr
Informationen, eine Einschulung und bessere Unterstützung von Seiten des
Pflegepersonals bekommen. Dazu müsste ein Ansprechpartner installiert werden,
der den Schülern zumindest zu Beginn ihrer praktischen Ausbildung zur
Verfügung steht, und sie kontinuierlich begleitet, oder es müssten Teammitglieder
für die Einschulung konkret bestimmt werden.
Als eine weitere konkrete Möglichkeit könnte die Ausbildungsstätte mit neuen
Mitteln und Methoden den Unterricht praxisnaher arrangieren und die Lehrer
sollten ihre theoretischen Unterlagen auf den neuesten Stand der Pflege bringen.
Um das Theoretische praxisnaher zu gestalten, kam von den Schülern im
Interview der Vorschlag, nicht immer nur Skripten zu verwenden, sondern auch
117
andere Medien wie Videos und Bildmaterial plakativ einzusetzen. Auch das
angeleitete Praktikum könnte einen Beitrag leisten, das Verhältnis von Theorie
und Praxis zu verbessern, denn das angeleitete Praktikum ist eine Methode,
theoretisches Wissen unter praktischen Bedingungen zu üben und damit das
Theoretische praxisnaher zu gestalten.
Die Schüler kritisieren am angeleiteten Praktikum, dass dieses nur mit einem
Lehrer der Theorie abgehalten wird, und dadurch der praktische Bezug nicht
optimal umgesetzt werden kann, weil Lehrer sich in der Praxis schwertun. Sie
wünschen sich, dass ein Praktiker beigezogen wird. Hier wäre eine konkrete
Maßnahme, dass Theoretiker und Praktiker kooperieren, kollektiv
zusammenarbeiten und das angeleitete Praktikum gemeinsam mit den Schülern,
durchführen.
Um die Motivation der Pflegepersonen zu erhöhen, sollten einerseits die
mangelnden strukturellen und personellen Ressourcen beseitigt werden, somit
bliebe mehr Zeit für die Pflegepersonen, um sich mit der Theorie
auseinanderzusetzen. Andererseits müssten die Pflegepersonen aufgeklärt und
informiert werden, wie wichtig theoretisches Wissen für die Qualität ihrer Arbeit
und die weitere Entwicklung der Pflege ist. Auch bedarf es Änderungen im
Stationsablauf, denn wenn Schüler im alltäglichen Stationsgeschehen als
Hilfskräfte eingesetzt werden, wird keine Änderung möglich sein. Hier sollte
ebenfalls ein Ansprechpartner für die Schüler zur Verfügung stehen, der sie
kontinuierlich begleitet und ihnen Feedback als eine Form der Evaluation des
bisher gelernten Stoffes gibt.
Die Schüler wünschen sich diesbezüglich einen Praxisanleiter, der gleichzeitig
auch den Part der Vorbildfunktion übernehmen könnte.
Bei der Organisation der Vermittlung von theoretischem Wissen in die Praxis
sollten die verantwortlichen Führungskräfte darauf achten, dass alle Schüler zuerst
theoretischen Unterricht erhalten, dass zuerst das theoretische Fachgebiet, das
gerade im Lehrplan zur Ausbildung ansteht, in der Theorie umfassend erläutert
118
und aufgearbeitet wird, bevor es anschließend in der Praxis geübt und mit dem
theoretischen Wissen verknüpft wird. Dabei muss aber auch auf den zeitlichen
Abstand geachtet werden, weil sonst der Lernerfolg nicht so effektiv ist.
Die Schlussfolgerungen, die ich aus den Ergebnissen dieser Arbeit ziehe,
betreffen in erster Linie strukturelle, personelle und organisatorische
Veränderungen, aber auch die vermehrte Information und Aufklärung des
Pflegepersonals, um die Wichtigkeit der beiden Bereiche Theorie und Praxis
hervorzuheben. Diese beiden Disziplinen sollen nicht gegeneinander, sondern
komplementär miteinander kooperieren.
Diese Änderungen können nur hierarchisch von den oberen Führungskräften
angeordnet werden.
Die oben beschriebenen Maßnahmen können bewirken, dass Spannungen
zwischen Theorie und Praxis abgebaut werden, dass Vorurteile beseitigt werden
und dass das Theorie-Praxis-Verhältnis zwar nicht sofort, aber doch langfristig
auf ein ausgeglichenes Niveau gebracht wird.
119
10 Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel das Theorie-Praxis-Verhältnis in der
Gesundheits- und Krankenpflege und die Ausbildung, im Speziellen aus der Sicht
von Schülern der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege, ihre Situation
in der Schule sowie in der Praxis darzustellen und zu zeigen, wie sie das Theorie-
Praxis-Verhältnis erleben.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das Theorie-Praxis-Verhältnis von vielen
Faktoren abhängig ist, sowohl was den Bereich der Pflege als auch die
Ausbildung betrifft.
Das Fach Krankenpflege ist grundsätzlich eine praktische Disziplin, die dadurch
geprägt ist, dass sie Menschen, die Pflege benötigen, unterstützt. Die praktische
Pflege stand immer in der Abhängigkeit der Medizin und hat sich durch Tradition
entwickelt. Die Handlungen, das Tun beruhen auf intuitiven und
erfahrungsgeleiteten Fähigkeiten. Im Laufe der Zeit ist der Anspruch an die Pflege
aber größer geworden. Die Anforderungen sind auf Grund neuer
Betätigungsfelder und nicht zuletzt wegen des neuen Gesundheits- und
Krankenpflegegesetzes gestiegen.
Der theoretische Aspekt der Pflege beschreibt und erklärt Pflegephänomene.
Theorie hat die Aufgabe, Pflegehandlungen zu begründen und die
Pflegeforschung voranzutreiben. Das Ziel besteht darin, die Pflege als
wissenschaftliche Disziplin zu etablieren, Pflege aus der Abhängigkeit anderer
Wissenschaften, vor allem der Medizin, herauszuführen und Pflege als eine
autonome Profession darzustellen.
Die Problematik der beiden Bereiche besteht darin, dass Theorien zu abstrakt und
zu wenig praxisnah sind und in der Praxis als wenig praktikabel gelten. Die
Praktiker stehen dem Aspekt der Theorie skeptisch gegenüber und werfen den
Theoretikern vor, sich mit ihren technokratischen Konzepten immer weiter vom
120
Patienten zu entfernen. Die Theoretiker unterstellen den Praktikern, pflegerische
Handlungen zu wenig zu reflektieren und sich reaktionär bezüglich
wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verhalten. Diese unterschiedlichen
Auffassungen vom Verständnis der Pflege erzeugen Spannungen und die
ungünstigen Rahmenbedingungen im Krankenhaus und auf der Station tragen
noch zusätzlich zum gespannten Verhältnis zwischen Theorie und Praxis bei.
Das Ziel der beiderseitigen Anerkennung und Zusammenarbeit und die Schaffung
einer geeigneten Struktur im Krankenhaus sind noch lange nicht zu erwarten und
somit ist weiterhin ein gespanntes Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zu
verzeichnen.
Das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis findet ihre Fortsetzung
und ist auch in der Ausbildung evident.
In der theoretischen Ausbildung werden die Basis und das Hintergrundwissen für
pflegerisches Handeln und Lösungen bei gesundheitsbezogenen Problemen für die
Praxis vermittelt.
In der Schule werden optimale Pflegemethoden didaktisch gut aufbereitet, von
pädagogisch geschulten Lehrkräften vermittelt und in Rollenspielen mit Kollegen
kann das Erlernte geübt werden. Auch der Rahmen und die zeitlichen Ressourcen
sind vorhanden, um die aus der Praxis gesammelten Erfahrungen reflektieren zu
können.
Die praktische Ausbildung findet in den Stationen des Krankenhauses statt und
die Schüler sind in den Stationsablauf eingebunden. Mangelnde strukturelle,
zeitliche und persönliche Ressourcen lassen wenig Raum zu, das in der Theorie
angeeignete Wissen in der Praxis umzusetzen.
Ein starker Einflussfaktor, warum sich theoretisches Wissen nicht umsetzen lässt,
sind die Praktiker, deren Ausbildung schon länger zurückliegt. Ihnen fehlt zum
Teil der theoretische Hintergrund und sie sind nicht bereit, theoretisches Wissen
in ihre pflegerischen Handlungen einfließen zu lassen.
121
Die Lernbedingungen auf der Station sind für die Schüler nicht gerade als optimal
einzustufen. Weil sich das theoretische Wissen der Schüler in der Praxis nur
bedingt oder überhaupt nicht umsetzen lässt, steigt der Belastungsfaktor bei den
Schülern und verursacht Spannungen und letztendlich Frust.
Da die Ausbildung einem dualen Prinzip folgt, indem die Schule den
Bildungsauftrag und die Praxis als Arbeitsort dem Beschäftigungssystem
angehört, ist die räumliche, oft auch institutionelle Trennung der beiden Lernorte
ein weiterer Faktor, warum das Theorie-Praxis-Verhältnis als problematisch zu
sehen ist.
Schule und Praxis sind inhaltlich, personell und strukturell unterschiedlich
gelagert und die Zusammenarbeit klappt nicht besonders, sodass wichtige
Synergieeffekte der Ausbildung nicht genutzt werden können.
Wenn Schüler aus organisatorischen Gründen zuerst ihr Praktikum absolvieren
und anschließend den theoretischen Input vermittelt bekommen, dann ist der
Lerneffekt geringer, als wenn die Ausbildung vice versa erfolgt.
Auch der zeitliche Abstand zwischen dem theoretisch Erlernten und dem
Praktikum sollte nicht zu groß sein, denn sonst wird vieles wieder vergessen.
Alle diese Einflüsse zeigen letztendlich sehr deutlich, dass Spannungen im
Theorie-Praxis-Verhältnis vorhanden sind, dass die Probleme, die dazu führen,
aber nicht unlösbar sind.
Wie schon die Schüler bei ihrer Befragung konstatieren, ist das Wissen aus
Theorie und Praxis eine Einheit und sollte nicht getrennt werden, denn in beiden
Bereichen wird viel Wissen vermittelt und daraus gelernt. Es sollte eine gesunde
Mischung zwischen Theorie und Praxis vorhanden sein und sie sollte sich im
Gleichgewicht halten.
122
Theorie und Praxis sind zwei Bereiche, die dazu beitragen, die Qualität der
Ausbildung zu erhöhen und damit auch das Fach der Pflege weiterzuentwickeln.
Beide Disziplinen dürfen sich nicht länger als Gegensätze betrachten, sondern sie
müssen miteinander kooperieren und konstruktiv zusammenarbeiten, sie müssen
das Gemeinsame in den Vordergrund stellen, nur dann kann sich die Pflege als
eigene Wissenschaft und Profession unter all den anderen Wissenschaften im
Gesundheitsbereich etablieren.
123
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Spirig, Rebecca: Praxis-Theorie: Begegnung zweier Welten. In:
Pflegepädagogik 2/94 (1994), S. 17-19.
Townsend, Mary C.: Pflegediagnosen und Maßnahmen für die psychiatrische
Pflege. Handbuch zur Pflegeerstellung. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle:
Hans Huber 4 1998.
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Wichern, Regina/Haubensack, Torsten/Schwiering, Eva: Theorie und Praxis
als gleichberechtigte Partner-eine zentrale Voraussetzung für die gelingende
Praxisanleitung von Schülern. In: Görres et al. (Hg.): Auf dem Weg zu einer
neuen Lernkultur. Wissenstransfer in der Pflege. Bern, Göttingen, Toronto,
Seattle: Hans Huber 2002, S. 245-253.
Wikipedia: Theorie aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie. http:// de.
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Wikipedia: Praxis aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie. http:// de.
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Zimbardo, Philip G./Gerrig, Richard J.: Psychologie. München: Pearson
Studium 16 2004.
132
133
Curriculum Vitae
Name: Walter Firlinger
Geburtsdatum: 20.09.1958
Staatsbürgerschaft: Österreich
AUSBILDUNG:
1964-1968 Volksschule
1968-1972 Hauptschule
1972-1973 Polytechnischer Lehrgang
1973-1976 Maurerlehre
1981-1984 Ausbildung zum psychiatrischen Krankenpfleger
1991-1992 Ausbildung zum Fahrlehrer
2001-2002 Ausbildung zum NLP-Practitioner
2002 Studienberechtigungsprüfung
2002-2007 Studium der Pflegewissenschaft
2004-2005 Ausbildung zum Praxisanleiter
FORTBILDUNGEN:
1998-1999 Pflegesystematiken und -Aktivitäten in der Psychiatrie
1999 Pflegediagnostik in der Psychiatrie
1999 NLP-Einführungsseminar
2000 NLP-Intensivseminar
BERUFSPRAXIS:
1984-dato DGKP, Psychiatrie in Ybbs
1992-2000 Fahrlehrer
2005-dato Praxisanleiter
St. Pölten, am 24.04.2007
Walter Firlinger
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