mergers & acquisitions xx · mergers & acquisitions xx 186 herausgeber: rudolf tschäni...
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XX
186
Herausgeber: Rudolf Tschäni
Mergers & Acquisitions XX
ISBN 978-3-7255-7847-4
B404343-EIZ 186 Tschäni M&A XX_UG.indd Alle Seiten 30.04.18 12:47
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigun-gen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.
© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2018 ISBN 978-3-7255-7847-4
www.schulthess.com
5
Inhaltsübersicht
Lessons learnt aus 20 Jahren M&A-Litigation 7
Prof. Dr. Rolf Watter, Rechtsanwalt, Bär & Karrer AG, Zürich,
Titularprofessor für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität
Zürich
20 Jahre Megadeals 19
Dr. Rudolf Tschäni, Rechtsanwalt, Lenz & Staehelin, Zürich, und
Hans-Jakob Diem, Rechtsanwalt, Lenz & Staehelin, Zürich
Good Governance bei M&A-Transaktionen – Rückblick auf 75
20 Jahre
Dr. Daniel Daeniker, Rechtsanwalt, Homburger AG, Zürich,
Lehrbeauftragter an der Universität Zürich
Neuere Entwicklungen im Übernahmerecht 107
Thomas A. Müller, Präsident, Übernahmekommission, Zürich,
Pascal Bovey, Rechtsanwalt, Rechtskonsulent, Übernahmekommission,
Zürich,
Dr. Georg Gotschev, Rechtsanwalt, Rechtskonsulent,
Übernahmekommission, Zürich,
Marc D. Nagel, Rechtsanwalt, Rechtskonsulent,
Übernahmekommission, Zürich, und
Dr. Lukas Roos, Rechtsanwalt, Rechtskonsulent,
Übernahmekommission, Zürich
20 Jahre öffentliche Übernahmen in der Schweiz 147
Dr. Marco Superina, Managing Director, Credit Suisse (Schweiz) AG,
Zürich
20 Jahre M&A – Aktivitäten aus steuerlicher Sicht 177
Prof. Dr. Urs Schenker, Rechtsanwalt, Walder Wyss Ltd., Zürich
19
20 Jahre Megadeals
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
Inhalt
I. Einleitung ......................................................................................................... 20
II. Transaktionsaktivität und Übersicht über die Schweizer Megadeals der
letzten 20 Jahre ................................................................................................. 21 1. Transaktionsaktivität weltweit und Schweiz ............................................... 21 2. Schweizer Megadeals: Übersicht ................................................................ 23
III. Typische Transaktionsstrukturen ...................................................................... 25 1. Auswahlfaktoren ......................................................................................... 25 2. Übernahme mittels öffentlichem Kaufangebot ........................................... 27 3. Zusammenschluss mittels Fusion (Statutory Merger) ................................. 30 4. Übernahme oder Zusammenschluss mittels Dreiecksfusion oder
Scheme of Arrangement ............................................................................. 35 5. Zusammenschluss mittels öffentlichem Tauschangebot (Quasi-
Fusion) ........................................................................................................ 39 6. „Exotische“ Strukturen: Synthetic Mergers ................................................ 40
IV. Regulatorische Hürden ..................................................................................... 42 1. Zeitbedarf, Auflagen- und Untersagungsrisiken ......................................... 42 2. Vertragsmechanismen zur Adressierung der zeitlich bedingten
Risiken ........................................................................................................ 44 3. Reverse Break Fee zur Adressierung des Untersagungs- bzw.
Auflagenrisikos ........................................................................................... 47
V. Friendly vs. Unfriendly .................................................................................... 49 1. Letztlich nur Friendly ................................................................................. 49 2. Druckversuche und Abwehr ....................................................................... 50 3. Namentlich: Put up or Shut up .................................................................... 51
VI. Beendigungsrechte und Deal Protection ........................................................... 52 1. Beendigungsrechte ...................................................................................... 52 2. No Shop, Information Right und Right to Match........................................ 55 3. Break bzw. Termination Fee ....................................................................... 56
a) Bei öffentlichen Übernahmen ............................................................... 56 b) Bei Zusammenschlüssen ....................................................................... 58 c) „Tail Fee“? ............................................................................................ 60
4. Tender Undertaking und Voting Agreement ............................................... 61
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
20
VII. Megadeals mittels öffentlichen Kaufangeboten ............................................... 62 1. Zeitplan ....................................................................................................... 62
a) Ausgangslage ........................................................................................ 62 b) Verlängerungsvariante „front-loaded“: Aufschub des Vollzugs ........... 63 c) Verlängerungsvariante „back-loaded“: Verzögerung des Prospekts
bzw. Verlängerung der Angebotsfrist ................................................... 64 d) Vor- und Nachteile der Varianten ......................................................... 66
2. Koordination mit den US-amerikanischen Vorschriften ............................. 67 a) Ausgangslage ........................................................................................ 67 b) Angebot auf Registered Securities: Withdrawal Rights und Dual
Offer ...................................................................................................... 68 c) Angebot auf nicht in den USA registrierte Aktien ................................ 71
3. Angebotspreis in US-Dollar ........................................................................ 71
VIII. Schlussfolgerungen ........................................................................................... 72
I. Einleitung
Der vorliegende Beitrag beleuchtet Megadeals während der letzten 20 Jahre,
also Grosstransaktionen, die ungefähr seit dem Erscheinen des ersten Bandes
der Reihe „Mergers & Acquisitions“ im Jahr 1998 annonciert wurden. Ge-
genstand sind Transaktionen unter Beteiligung einer Schweizer Gesellschaft,
d.h. einerseits Zusammenschlüsse, bei welchen eine oder beide Zusammen-
schlussparteien Schweizer Gesellschaften sind, und andererseits Übernah-
men, die eine Schweizer Zielgesellschaft zum Gegenstand haben. Die Über-
nahme eines ausländischen Targets1 durch eine Schweizer Gesellschaft steht
hingegen nicht im Fokus. Ebenfalls ausgeklammert werden Transaktionen,
die keinen Kontrollwechsel zur Folge haben, namentlich also Umstrukturie-
rungen wie z.B. die Einführung einer Holdingstruktur2.
1 Wie z.B. die Übernahme der US-Gesellschaft Capsugel durch die Schweizer Lonza
zu einem Preis von rund 5.5 Milliarden US-Dollar, die am 15. Dezember 2016 an-
nonciert und am 6. Juli 2017 vollzogen wurde. 2 S. z.B. das Öffentliche Umtauschangebot der UBS Group AG an die Aktionäre der
UBS AG vom 29. September 2014, abrufbar unter <http://www.takeover.ch/transac
tions/detail/nr/0572>.
20 Jahre Megadeals
21
Damit bei einer M&A-Transaktion von „Megadeal“ gesprochen werden
kann, muss sie im allgemeinen Sprachgebrauch einen Transaktionswert von
10 Milliarden US-Dollar oder mehr erreichen3. Für den vorliegenden Beitrag
mit dem Fokus auf die Schweiz wird der relevante Transaktionswert auf
5 Milliarden Franken festgelegt.
II. Transaktionsaktivität und Übersicht über die Schweizer
Megadeals der letzten 20 Jahre
1. Transaktionsaktivität weltweit und Schweiz
Betrachtet man die globale Transaktionsaktivität seit 2001, so fällt auf, dass
die Anzahl der weltweiten Megadeals im Wesentlichen im Gleichklang mit
den Konjunkturzyklen schwankte. So war nach einer regen Aktivität wäh-
rend der Dotcom-Blase und deren Platzen im Jahr 2000 ein markanter Ein-
bruch zu verzeichnen, gefolgt von einem bemerkenswerten Höchststand mit
rund 70 Transaktionen im Jahr 2006. Der Ausbruch der globalen Finanzkrise
im Jahr 2008 läutete sodann eine fünfjährige Stagnationsphase mit ver-
gleichsweise niedriger Transaktionsaktivität ein.
3 S. z.B. <https://pitchbook.com/media/press-releases/mega-deals-dominate-ma-activ
ity-in-the-first-three-quarters-of-2016>; <https://www.wsj.com/articles/u-s-firms-re
new-interest-in-european-m-a-139 8696944>.
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Anzahl Megadeals weltweit (≥ USD 10 Mrd.) 2001-2017:
Quelle: Mergermarket
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Das nachfolgende Diagramm zeigt die Entwicklung der Schweizer Me-
gadeals seit 1996. Aufgrund der geringen Anzahl an Transaktionen lässt sich
ein statistisch signifikanter Trend allerdings nicht ableiten.
Anzahl Megadeals Schweiz (≥ CHF 5 Mrd.) 1996-2017:
2. Schweizer Megadeals: Übersicht
Die folgende Tabelle gibt einen zusammenfassenden Überblick über die
Schweizer Megadeals seit 1996, unter Einschluss des Transaktionswerts und
einer Beschreibung der zugrundeliegenden Transaktionsstruktur:
Jahr Transaktion Wert ca.
(Mrd.) Transaktion / Struktur
1996 CIBA-GEIGY – Sandoz
(Novartis) CHF 70
Merger of Equals mittels
Fusion (umgekehrte Doppel-
annexionsfusion)
1997
SBV – SBG (UBS) CHF 85
Merger of Equals mittels
Fusion (umgekehrte Doppel-
annexionsfusion)
„Zürich“ – B.A.T. EUR 15 Merger of Equals mittels
gemeinsamer Subholding
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Jahr Transaktion Wert ca.
(Mrd.) Transaktion / Struktur
2000 Alcan – Alusuisse (– Pechiney) USD 9.5
Übernahme bzw. Zusam-
menschluss mittels öff.
Tauschangebot
2005 Julius Bär – UBS Private
Banks, GAM CHF 5.6
Übernahme mittels Aktien-
kauf mit Tauschkomponente
2006 Axa – Winterthur CHF 12 Übernahme mittels Aktien-
kauf
2007 Merck – Serono CHF 16 Übernahme mittels Kauf und
öff. Kaufangebot (bar)
2008 Alcon – Novartis (24.85%) CHF 11 Kauf Minderheitsbeteiligung
und Einräumung Kaufoption
2009 Julius Bär – GAM (Spin-off) CHF 8 Abspaltung der GAM
2010 Alcon – Novartis (75.15%) USD 38
Ausübung Kaufoption und
vollständige Übernahme
mittels Fusion
2011 Synthes – Johnson & Johnson4 CHF 18
Übernahme gegen bar/Aktien
mittels Dreiecksfusion
2012 Xstrata – Glencore5 USD 31
Zusammenschluss mittels
Scheme of Arrangement
2014
Holcim – Lafarge EUR 47
Merger of Equals mittels öff.
Umtauschangebot nach
französischem Recht
Novartis – GlaxoSmithKline CHF 16 Privater Kauf/Tausch/Joint
Venture
2015 The Chubb – ACE Limited USD 29.5 Übernahme gegen bar/Aktien
mittels Dreiecksfusion
2016 Syngenta – ChemChina CHF 47 Öff. Kaufangebot (bar)
4 Keine der beteiligten Gesellschaften hatte bzw. hat ihren statuarischen Sitz in der
Schweiz, jedoch befand sich der Hauptsitz von Synthes in der Schweiz. 5 Keine der beteiligten Gesellschaften hatte bzw. hat ihren statutarischen Sitz in der
Schweiz, jedoch befindet sich der Hauptsitz von Glencore in der Schweiz.
20 Jahre Megadeals
25
Jahr Transaktion Wert ca.
(Mrd.) Transaktion / Struktur
2017
Actelion – Johnson & Johnson USD 30 Öff. Kaufangebot (bar)
Clariant – Huntsman
(abgebrochen) USD 20
Merger of Equals mittels
Dreiecksfusion
Es fällt auf, dass die grössten Transaktionen der letzten 20 Jahre Zusammen-
schlüsse (Fusionen) zwischen zwei Schweizer Gesellschaften darstellten
(Novartis, UBS, Alcon), gefolgt von den jüngeren Megadeals, die als öffent-
liche Kauf- bzw. Tauschangebote strukturiert waren (LafargeHolcim, Syn-
genta, Actelion).
III. Typische Transaktionsstrukturen
1. Auswahlfaktoren
Wie die Übersicht über die Grosstransaktionen der vergangenen 20 Jahre
zeigt6, lassen sich Megadeals, wie andere M&A-Transaktionen auch, auf
vielfältige Weise strukturieren. Die Wahl der einschlägigen Struktur wird
von verschiedenen Parametern beeinflusst. Aus wirtschaftlicher Sicht ist in
erster Linie die Frage zu beantworten, ob ein Zusammenschluss zweier gleich-
berechtigter Partner (Merger of Equals) oder eine Kontrollübernahme der
einen durch die andere Partei (Takeover) beabsichtigt ist. Bei einem Merger
of Equals besteht die Entschädigung (jedenfalls grossmehrheitlich) in Ak-
tien, und der wirtschaftliche Nutzen (namentlich Synergien) und die Risiken
der Transaktion werden gleichmässig auf die Aktionäre der beteiligten Ge-
sellschaften verteilt, indem im Verhältnis zum jeweiligen Börsenkurs keine
(oder nur eine geringfügige) Prämie ausgerichtet wird (zero premium mer-
ger). Ausserdem werden die Leitungsorgane der zusammengeschlossenen
Einheit paritätisch zusammengesetzt und die Firma in neutraler Weise geän-
dert7. Eine Übernahme weist demgegenüber regelmässig eine Barentschädi-
6 S. II.2. oben.
7 Mergers of Equals sind in der Umsetzung oft schwierig. Zu den möglichen Proble-
men s. SCHENKER URS, Too complex to work? – Die abgebrochene Fusion von
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
26
gung auf und sieht meistens eine substantielle Prämie zugunsten der Aktio-
näre der übernommenen Gesellschaft vor. Die Organe der übernommenen
Gesellschaft werden nach dem Vollzug durch die übernehmende Gesellschaft
beherrscht bzw. neu zusammengesetzt.
Die Wahl der Transaktionsstruktur hängt sodann wesentlich vom statutari-
schen Sitz der beteiligten Gesellschaften ab. Haben beide Gesellschaften
ihren Sitz in der Schweiz, so sind die zur Auswahl stehenden Transaktions-
strukturen andere als bei einem Megadeal über die Grenze hinweg8. Bei
cross-border-Transaktionen stellt sich zusätzlich die Frage, ob die kombi-
nierte Gesellschaft nach dem Vollzug ihren statutarischen Sitz, der vom
hauptsächlichen Verwaltungssitz abweichen kann, in der Schweiz oder im
Ausland haben soll. Von vorrangiger Bedeutung für die Strukturierung ist
ferner die steuerliche Situation. Einerseits soll die Transaktion für die betei-
ligten Gesellschaften und die Aktionäre möglichst steuerneutral durchgeführt
werden können, d.h. möglichst keine Steuerfolgen zeitigen. Andererseits
wird auch die Steuerbelastung nach dem Vollzug in die Beurteilung der ge-
eigneten Struktur miteinbezogen.
Zusätzlich zu diesen Parametern hängt die Wahl der geeigneten Transakti-
onsstruktur nicht unwesentlich von der jeweils gebotenen Erfolgswahr-
scheinlichkeit bzw. den Vollzugsrisiken ab. Zentral sind unter diesem Blick-
winkel einerseits die Zustimmungserfordernisse für das Zustandekommen
der Transaktion, andererseits aber auch das Risiko, dass nach dem Vollzug
Minderheiten in der Struktur verbleiben. Von Bedeutung ist in diesem Zu-
sammenhang auch der Zeitbedarf zur Erlangung der hundertprozentigen
Kontrolle. Ist dieser grösser, lassen sich die erwarteten Synergien möglich-
erweise nur verzögert realisieren, was sich auf die Bewertung auswirken
kann.
Omnicom und Publicis, GesKR 2014, 519 ff., 523 f. Zu Mergers of Equals im All-
gemeinen s. jüngst GEORGIEFF ALEXANDER/LATSKY STEPHANIE, ʽMergers of
Equalsʼ Transactions – An Analysis of Relevant Considerations and Deal Trends,
Business Law International, Vol 19 No 1 (2018), 59 ff. 8 So stellt z.B. die Fusion (Statutory Merger) die bevorzugte Transaktionsstruktur für
den Zusammenschluss zweier gleichwertiger Schweizer Gesellschaften dar. Für
einen Zusammenschluss über die Grenze hinweg ist sie aufgrund der Steuerfolgen
und Komplexität hingegen regelmässig ungeeignet; s. III.3. am Ende unten.
20 Jahre Megadeals
27
2. Übernahme mittels öffentlichem Kaufangebot
Ein öffentliches Kaufangebot ist die bevorzugte Transaktionsstruktur für die
Übernahme einer Schweizer Gesellschaft durch eine andere – schweizeri-
sche oder ausländische – Gesellschaft. Seit 1997 wurden vier Megadeals
mittels öffentlichen Kaufangeboten durchgeführt, nämlich die Übernahmen
der Alusuisse durch Alcan im Jahr 20009, der Serono durch Merck im Jahr
200710
, der Syngenta durch ChemChina im Jahr 201611
und der Actelion
durch Johnson & Johnson im Jahr 201712
. Die Entschädigung bestand meist
in Bargeld, in einem Fall (Alusuisse-Alcan) in Aktien. Denkbar wäre auch
ein gemischtes Angebot mit einer Kombination aus Bargeld und Aktien.
Wird ein Tausch- oder ein gemischtes Angebot in Betracht gezogen, sind die
Vorschriften bezüglich Baralternative13
zu beachten. In jedem Fall muss der
Angebotspreis bei einer Übernahme eine Prämie im Vergleich zum Börsen-
kurs aufweisen, um für die Aktionäre der Zielgesellschaft attraktiv zu sein.
Als Daumenregel wird landläufig ein Aufschlag in der Grössenordnung von
20-30% genannt14
.
Damit die Transaktion zustande kommt, steht das Angebot regelmässig unter
der Bedingung, dass dem Anbieter (allenfalls zusammen mit Aktien, die er
bereits hält) zwei Drittel der ausstehenden Aktien der Zielgesellschaft ange-
dient werden15
. Höhere Andienungsschwellen werden durch die Übernahme-
9 S. <http://www.takeover.ch/transactions/detail/nr/0069> (besucht am 15. Dezember
2017). 10
S. <http://www.takeover.ch/transactions/detail/nr/0304> (besucht am 15. Dezember
2017). 11
S. <http://www.takeover.ch/transactions/detail/nr/0624> (besucht am 15. Dezember
2017). 12
S. <http://www.takeover.ch/transactions/detail/nr/0652> (besucht am 15. Dezember
2017). 13
Art. 9a f. der Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebo-
te (Übernahmeverordnung, UEV) vom 21. August 2008 (SR 954.195.1). 14
Für eine Analyse der historisch bezahlten Prämien s. JENTSCH VALENTIN, Prämien-
analyse bei öffentlichen Übernahmeangeboten gemäss Börsengesetzgebung in der
Schweiz, GesKR 3/2010, 369 ff., 374 ff. 15
Durch die Andienungsschwelle von zwei Drittel soll die effektive Kontrolle über
die Zielgesellschaft und namentlich die Möglichkeit, Beschlüsse der Generalver-
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
28
kommission (UEK) nur ausnahmsweise zugelassen16
. Damit setzt sich der
Anbieter dem Risiko aus, dass das Angebot zustande kommt, die für einen
Squeeze-out von Minderheitsaktionären erforderliche Schwelle von 98%
(Kraftloserklärungsklage)17
bzw. 90% (Abfindungsfusion)18
aber nicht er-
reicht wird. Aus praktischer Sicht ist das Risiko jedoch überaus gering. In
der Vergangenheit verfehlten nur eine Handvoll freundlicher Angebote, die
als zustande gekommen erklärt wurden, die für den Squeeze-out erforderli-
che Schwelle19
. Zu beachten ist allerdings gerade bei Grosstransaktionen die
zunehmende Bedeutung der Indexfonds, die den Swiss Market Index abbil-
den. Sie sind gezwungen, die Aktien der Zielgesellschaft solange zu halten,
als diese im Index enthalten sind. Da die SIX Swiss Exchange die Titel der
Zielgesellschaft regelmässig erst nach der Dekotierung aus dem Index aus-
schliesst, können diese Fonds die Aktien dem Anbieter weder andienen noch
verkaufen. Um dem Anbieter zu ermöglichen, die von solchen Fonds gehal-
tenen Aktien noch vor dem Squeeze-out zu erwerben, wäre es wünschens-
wert, wenn die Aktien in der Regel bereits nach der Veröffentlichung des
sammlung nach Art. 704 OR (Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schwei-
zerischen Zivilgesetzbuches [Obligationenrecht, OR] vom 30. März 1911 [SR 220])
herbeiführen zu können, gewährleistet werden. 16
S. dazu TSCHÄNI RUDOLF/DIEM HANS-JAKOB/IFFLAND JACQUES/GABERTHÜEL TINO,
Öffentliche Kaufangebote, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, Rz 457 ff. 17
Art. 137 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Finanzmarktinfrastrukturen und das
Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturgesetz,
FinfraG) vom 19. Juni 2015 (SR 958.1). 18
Art. 18 Abs. 5 des Bundesgesetzes über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Ver-
mögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG) vom 3. Oktober 2013 (SR 221.301). Bei
einem Tauschangebot genügt im Normalfall eine Andienungsquote von zwei Drit-
tel, um die verbliebenen Minderheitsaktionäre aus der Zielgesellschaft auszu-
schliessen, weil diesen im Rahmen der Fusion, die dem öffentlichen Umtauschan-
gebot nachfolgt, Beteiligungspapiere der Anbieterin und keine Abfindung gemäss
Art. 8 Abs. 2 FusG ausgerichtet werden; dies war z.B. das angekündigte Vorgehen
der Swiss Prime Site AG im Tauschangebot an die Aktionäre der Jelmoli Holding
AG (Verfügung 0416/01 Jelmoli Holding AG vom 13. Juli 2009). 19
S. dazu den Beitrag von MARCO SUPERINA (Ziff. XI.) in diesem Band.
20 Jahre Megadeals
29
Endergebnisses, jedenfalls aber nach dem Vollzug, aus dem Index ausge-
schlossen würden20
.
Um die Erfolgswahrscheinlichkeit des Angebots zu erhöhen, kann der An-
bieter vorgängig eine Beteiligung an der Zielgesellschaft erwerben. Ein sol-
cher Vorerwerb drängt sich dann auf, wenn die Zielgesellschaft über einen
Gross- oder gar Kontrollaktionär verfügen sollte, was bei Grossgesellschaf-
ten allerdings selten der Fall ist21
. Jedoch kann für den Erwerb der Beteili-
gung keine Kontrollprämie bezahlt werden22
. Bei kleineren Beteiligungen
von Gründern oder Organmitgliedern sind Andienungsvereinbarungen in
Betracht zu ziehen23
, die nach der Praxis der UEK im Falle einer Konkur-
renzofferte allerdings widerrufbar sind24
. Gegebenenfalls ist zu beachten,
dass der Aktionär als Folge eines solchen Irrevocable für die Zwecke des
Kaufangebots unter Umständen als in gemeinsamer Absprache mit dem An-
bieter handelnd angesehen wird25
. Ferner ist die Offenlegungspflicht zu be-
achten26
.
20 Die Regularien der SIX Swiss Exchange sehen den Ausschluss von SMI-Titeln im
Zusammenhang mit öffentlichen Kaufangeboten nur „in Ausnahmefällen“ nach der
Veröffentlichung des Endergebnisses vor – in der Regel erfolgt der Ausschluss erst
nach der Dekotierung; s. Reglement SMI Indexfamilie der SIX Swiss Exchange
(Stand 18. September 2017), Ziff. 4.2. 21
S. jedoch die Übernahme der Serono durch Merck. Vor der Unterbreitung des An-
gebots hatte Merck indirekt von der Familie Bertarelli eine Beteiligung von rund
66% des Kapitals bzw. 76% der Stimmen der Serono erworben. Bei dem nachfol-
genden öffentlichen Kaufangebot handelte es sich somit um ein Pflichtangebot. S.
Empfehlung 0304/01 Serono S.A. vom 8. Januar 2007. 22
Art. 135 Abs. 2 FinfraG. 23
S. die Übernahme der Actelion durch Johnson & Johnson, in welcher sich der
Gründer und CEO der Zielgesellschaft gegenüber der Anbieterin verpflichtete, sei-
ne Beteiligung von rund 3.6% der Stimmrechte der Actelion in das Angebot anzu-
dienen; s. Verfügung 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 3.1. 24
Dazu und zu einer möglichen zeitlichen Einschränkung des Widerrufsrechts s.
TSCHÄNI RUDOLF/DIEM HANS-JAKOB, Going Private durch LBO, in: TSCHÄNI
(Hrsg.), Mergers & Acquisitions XVI, Zürich/Basel/Genf 2014, 55 ff., 84 f. 25
S. Verfügungen 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 3.1; 463/01 Win-
terthur Technologie AG vom 21. Dezember 2010, E. 3; Empfehlung 0243/06 Leica
Geosystems Holdings AG vom 9. August 2005, E. 4.2.3. 26
S. dazu TSCHÄNI/DIEM (FN 24), 85.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
30
Damit der Übernehmer die vollständige Kontrolle über die Zielgesellschaft
erlangt, sind stets zwei Schritte erforderlich: in einem ersten Schritt das An-
gebot und in einem zweiten Schritt der Squeeze-out mittels Kraftloserklä-
rungsklage oder Abfindungsfusion. Ein Megadeal, strukturiert als öffentli-
ches Kaufangebot, stellt damit eine Two Step Transaction dar. Die Transakti-
onsstruktur ist tendenziell aufwändiger und kostenintensiver als One Step
Transactions, wie etwa eine Dreiecksfusion. Vor allem ist der Zeitbedarf zur
Erlangung der hundertprozentigen Kontrolle regelmässig grösser, was be-
deuten kann, dass sich gewisse Synergiegewinne erst später realisieren las-
sen als bei anderen Transaktionsstrukturen.
In Bezug auf die Rechtsrisiken eines als öffentliches Kaufangebot struktu-
rierten Megadeals ist namentlich hinzuweisen auf das Recht der Aktionäre
der Zielgesellschaft, die mindestens 3% der Stimmrechte halten, dem Ver-
fahren beizutreten und gegen Entscheide der UEK Einsprache und Be-
schwerde zu erheben27
. Sollten solche Interventionen erfolgen, kann der Ab-
lauf der Transaktion gestört und verzögert werden.
3. Zusammenschluss mittels Fusion (Statutory Merger)
Die Fusion nach den Bestimmungen des Fusionsgesetzes28
ist die bevorzugte
Transaktionsstruktur für den Zusammenschluss (Merger of Equals) von zwei
gleichwertigen Schweizer Gesellschaften. Während der Beobachtungsperio-
de wurden drei Megadeals als Fusionen strukturiert, nämlich die Zusammen-
schlüsse zwischen der CIBA-GEIGY und der Sandoz zur Novartis im
Jahr 1996 und zwischen der Schweizerischen Bankgesellschaft und dem
Schweizerischen Bankverein zur UBS im Jahr 1998, sowie die vollständige
Übernahme der Alcon durch Novartis, die im Januar 2010 angekündigt und
im April 2011 vollzogen wurde29
.
27 Art. 139 Abs. 3, Art. 140 f. FinfraG; Art. 56 ff. UEV.
28 Art. 3 ff. FusG.
29 Hinzuweisen ist ferner auf die folgenden Fusionen zwischen Schweizer Publi-
kumsgesellschaften (keine Megadeals im hier verstandenen Sinne): Übernahme der
Hürlimann Holding AG durch die Feldschlösschen Holding (1996); Übernahme der
Sibra Holding AG durch die Feldschlösschen-Hürlimann Holding AG (1997); Zu-
sammenschlüsse zwischen der Preiswerk Holding AG, Schmalz Holding AG und
20 Jahre Megadeals
31
Die Zusammenschlüsse CIBA-GEIGY-Sandoz und SBG-SBV wurden als
sog. umgekehrte Doppelabsorptionsfusion durchgeführt. Bei einer solchen
Fusion gründen die Fusionsparteien eine (gemeinsame) Tochtergesellschaft,
die sodann ihre beiden Muttergesellschaften mittels Absorptionsfusionen
übernimmt. Im Rahmen der Fusionen erhöht die Tochtergesellschaft ihr Ak-
tienkapital und richtet die neu geschaffenen Aktien den Aktionären der Mut-
tergesellschaften als Fusionsentschädigung aus. Die Frage stellt sich, wes-
halb die Transaktionen nicht als einfache Absorptionsfusionen30
oder Kombi-
nationsfusionen31
ausgestaltet wurden. Vor Inkrafttreten des Fusionsgesetzes
dürfte ein wesentlicher Grund darin gelegen haben, dass die durch die eine
Gesellschaft vorzunehmende Kapitalerhöhung innerhalb von drei Monaten
nach dem Datum des Generalversammlungsbeschlusses vollzogen sein
musste32
und die Generalversammlungen möglichst früh stattfinden sollten,
um das Interloper-Risiko33
zu verringern. Mit dem Fusionsgesetz ist dieser
Grund zwar weggefallen. Jedoch sprechen psychologische sowie PR/IR-
Überlegungen nach wie vor gegen die Durchführung eines Merger of Equals
mittels Absorptionsfusion, und die Kombinationsfusion konnte sich bislang
nicht durchsetzen, sodass – im Unterschied zu der umgekehrten Doppelab-
sorptionsfusion – wenig praktische Erfahrung mit dieser Fusionsart besteht.
Auch weist die umgekehrte Doppelabsorptionsfusion keine höhere Komple-
xität und keine grösseren Vollzugs- und Transaktionsrisiken auf als die Ab-
Stuag Holding AG zur Batigroup Holding AG (1997); Übernahme der Maag Hol-
ding AG durch die Swiss Prime Site AG (2005); Zusammenschluss zwischen der
Lenzerheide Bergbahnen Danis Stätz AG und der Rothornbahn und Scalottas AG
Lenzerheide zur Lenzerheide Bergbahnen AG (2005); Zusammenschluss der
Zschokke Holding SA und der Batigroup Holding AG zur Implenia AG (2006);
Übernahme der Afipa SA und der Holdivar SA durch die Harwanne Compagnie de
participations industrielles et financières SA mittels Absorptionsfusion (2008);
Übernahme der 3S Industries AG durch die MeyerBurgerTechnology AG (2010). 30
Art. 3 Abs. 1 lit. b, Art. 9 FusG. 31
Art. 3 Abs. 1 lit. a, Art. 10 FusG. 32
Der Verwaltungsrat hat innert dieser Frist die notwendigen Feststellungsbeschlüsse
vorzunehmen; Art. 650 Abs. 3 OR. 33
D.h. das Risiko, dass ein Dritter eine unerbetene Konkurrenztransaktion (insb. ein
öffentliches Kaufangebot) vorschlägt oder unterbreitet.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
32
sorptions- oder die Kombinationsfusion34
. Vor allem aber erlaubt es die um-
gekehrte Doppelabsorptionsfusion, die neue Firma, die für die kombinierte
Gesellschaft vorgesehen ist, mit entsprechender Alterspriorität bereits vor
der öffentlichen Ankündigung der Transaktion zu schützen, indem die über-
nehmende Gesellschaft mit der neuen Firma vorgängig gegründet und im
Handelsregister eingetragen wird. Aus diesen Gründen ist anzunehmen, dass
die umgekehrte Doppelabsorptionsfusion auch in Zukunft für den Zusam-
menschluss von gleichwertigen Schweizer Publikumsgesellschaften von
Bedeutung sein wird.
Die Fusion zwischen der Novartis AG und der Alcon, Inc. stellte eine „einfa-
che“ Absorptionsfusion dar, bei welcher die Novartis die Alcon übernahm.
Der Fusion ging ein Beteiligungserwerb voraus, sodass Novartis im Zeit-
punkt der Fusion rund 77% der Alcon-Aktien hielt. Der durchschnittliche,
gewichtete Kaufpreis, den Novartis für die Alcon-Aktien bezahlt hatte, be-
trug rund USD 168 pro Aktie. In der Folge schlug Novartis dem Verwal-
tungsrat der Alcon eine Absorptionsfusion durch Novartis mit einem Um-
tauschverhältnis von 1:2.8 vor, was einem impliziten Wert von USD 153 pro
Alcon-Aktie entsprach. Daraus entstand eine Kontroverse um die Frage,
welchen Einfluss der von Novartis zuvor bezahlte Kaufpreis von USD 168
pro Alcon-Aktie auf die Fusionsbewertung der Alcon haben soll35
. Schliess-
lich einigten sich Alcon und Novartis darauf, dass den Alcon-Aktionären
eine Fusionsentschädigung im Wert von USD 168 pro Alcon-Aktie ausge-
richtet werden soll. Das Austauschverhältnis von 1:2.8 wurde zwar beibehal-
ten. Zusätzlich jedoch erhielt jeder Alcon-Aktionär eine Put Option, die ihm
bei Ausübung das Recht auf eine Barzahlung verlieh, deren Höhe der Diffe-
34 Obwohl bei der umgekehrten Doppelabsorptionsfusion drei Gesellschaften beteiligt
sind, genügt auch hier ein Fusionsbericht und ein Prüfungsbericht durch einen ge-
meinsamen Fusionsprüfer. Sodann setzt die umgekehrte Doppelabsorptionsfusion
zwar drei Generalversammlungsbeschlüsse voraus, während bei der Kombinations-
oder der Absorptionsfusion zwei Beschlüsse genügen. Der dritte Beschluss ist je-
doch reine Formsache. 35
Streitig war zudem, ob der Alcon-Verwaltungsrat als gesamtes, d.h. unter Ein-
schluss der von Novartis entsandten Mitglieder, den Fusionsvertrag zu genehmigen
hätte, oder ob (zusätzlich) ein Beschluss des unabhängigen Verwaltungsratsaus-
schusses ohne Mitwirkung der Novartis-Vertreter notwendig sei.
20 Jahre Megadeals
33
renz zwischen USD 168 und dem Börsenkurs der 2.8 Novartis-Aktien ent-
sprach36
.
Die im Rahmen einer Fusion zu entrichtende Entschädigung besteht in Ak-
tien der übernehmenden Gesellschaft37
. Ein Baranteil kann bis zu 10% des
Werts der Aktienkomponente betragen38
. Soll einer Aktionärsgruppe eine
höhere Barentschädigung zukommen, die sich nicht auf andere Weise, z.B.
mittels einer vor der Fusion auszuschüttenden Sonderdividende abbilden
lässt, müsste die Transaktion als öffentliches Kaufangebot (gemischtes An-
gebot) strukturiert werden39
. Hingegen sind die Parteien im Rahmen der
Fusion frei, das Umtauschverhältnis nach eigenem, pflichtgemässem Ermes-
sen zu verhandeln und festzusetzen. Im Unterschied zum Übernahmerecht
gibt es keine Mindestpreisvorschriften. Namentlich erlaubt es die Fusion,
jedenfalls bis zu einem gewissen Grad, einem Grossaktionär der übertragen-
den Gesellschaft eine Kontrollprämie auszurichten40
. Auch gibt es bei der
Fusion im Grundsatz keine Pflicht, eine Baralternative vorzusehen41
. Die
übernehmende Gesellschaft könnte daher auch nach Ankündigung der
36 Die Barkomponente beruhte auf Art. 7 Abs. 2 FusG (Spitzenausgleich).
37 Art. 7 Abs. 1 FusG.
38 Art. 7 Abs. 2 FusG. Für einen Anwendungsfall s. die soeben beschriebene Novartis-
Alcon-Fusion bei FN 35. 39
Für einen Anwendungsfall s. das öffentliche Kauf- und Tauschangebot der AFG
Arbonia-Forster Holding AG für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien
der Looser Holding AG vom 29. September 2016. 40
S. Urteil des Bundesgerichts 4A_341/2011 vom 21. März 2012 E. 5.4.2; so auch
SCHENKER URS, Fusion – Erleichterung oder Erschwerung durch das Fusions-
gesetz?, GesKR 2007, 153 ff., 159 (zit. Fusion); BÖCKLI PETER, Aktienrecht,
4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2009, § 3 Rz 91b f.; TSCHÄNI/DIEM/IFFLAND/GABER-
THÜEL (FN 16), Rz 289; TSCHÄNI RUDOLF/GABERTHÜEL TINO, Art. 7 N 13a, in:
WATTER et al. (Hrsg.), Basler Kommentar zum Fusionsgesetz, 2. Aufl., Basel 2015
(zit. BSK FusG); OLGIATI LORENZO, Art. 7 N 7, in: AMSTUTZ/ROBERTO/TRÜEB
(Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Wirtschaftsrechtliche Neben-
erlasse: FusG, UWG, PauRG und KKG, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016; a.M.
VISCHER MARKUS/WEHINGER THOMAS, Unternehmensbewertung und Kostentra-
gung bei Überprüfungsklagen nach Art. 105 Abs. 1 FusG, GesKR 2012, 455 ff.,
458 f.; GLANZMANN LUKAS, Umstrukturierungen, Eine systematische Darstellung
des schweizerischen Fusionsgesetzes, 3. Aufl., Bern 2014, Rz 789 f. 41
S. dazu auch Urteil des Bundesgerichts 4A_341/2011 vom 21. März 2012 E 5.4.2.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
34
Transaktion eine Aktienposition in der übertragenden Gesellschaft aufbauen.
Nicht mit Gewissheit geklärt ist jedoch die Frage, ob den Aktionären der
übertragenden Gesellschaft im Rahmen einer Fusion eine substantielle
Übernahmeprämie (in Höhe von 20-30%) im Vergleich zu den relativen Un-
ternehmenswerten ausgerichtet werden kann42
.
Damit die Fusion zustande kommt, müssen die Generalversammlungen der
beteiligten Gesellschaften den Fusionsvertrag jeweils mit einer Mehrheit von
zwei Dritteln der vertretenen Stimmen und der absoluten Mehrheit der ver-
tretenen Nennwerte genehmigen43
. Kommen die Beschlüsse zustande, wer-
den sämtliche Aktionäre der übertragenden Gesellschaft(en) zwangsweise
mit Aktien der übernehmenden Gesellschaft abgefunden. Ein individuelles
Wahlrecht besteht nicht. Man spricht vor diesem Hintergrund auch von einer
One Step Transaction. Mit der Eintragung der Fusion im Handelsregister ist
die Transaktion abgeschlossen, ein Squeeze-out ist nicht erforderlich. Auch
besteht kein Risiko, dass Minderheiten in der Struktur verbleiben. Synergien
lassen sich somit umgehend nach dem Vollzug verwirklichen.
Die Rechtsrisiken der Fusion bestehen einerseits darin, dass der Vollzug der
Transaktion durch Handelsregistersperren und Anfechtungsklagen zumindest
verzögert wird44
. Ferner ist die Ausgleichsklage von Bedeutung, mit welcher
die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft(en) nach der Fusion verlangen
können, dass das Gericht eine Ausgleichszahlung anordnet, wenn das Um-
tauschverhältnis nicht angemessen war. Allerdings wird die Ausgleichsklage
durch das Bundesgericht nur unter restriktiven Bedingungen gutgeheissen45
,
sodass das damit verbundene Risiko unter normalen Umständen als tragbar
einzustufen ist.
42 S. dazu SCHENKER, Fusion (FN 40), 159; BÖCKLI (FN 40), § 3 Rz 91b.
43 Art. 18 Abs. 1 lit. a FusG.
44 Art. 106 f. FusG; Art. 162 ff. der Handelsregisterverordnung (HRegV) vom
17. Oktober 2007 (SR 221.411). Allerdings ist die Verzögerung einer Fusion zwi-
schen zwei Grossgesellschaften für den Gesuchsteller seinerseits risikobehaftet.
Präzedenzfälle gibt es im Megadeal-Bereich keine. 45
S. Urteil des Bundesgerichts 4A_96/2011 vom 20. September 2011 E 5.4; Urteil
des Bundesgerichts 4A_341/2011 vom 21. März 2012, E. 5.1.4; s. ferner auch Ur-
teil des Bezirksgericht Horgen CG060058 vom 30. April 2014, E. II.8.2.2 und
II.8.4.
20 Jahre Megadeals
35
Die Frage stellt sich, ob sich auch ein Megadeal über die Grenze hinweg,
d.h. ein Zusammenschluss zwischen einer Schweizer und einer ausländi-
schen Gesellschaft, als Fusion strukturieren lässt. Die Frage ist nach den
Regeln der involvierten Rechtsordnungen zu beurteilen. Das Schweizer In-
ternationale Privatrecht lässt sowohl Immigrations- als auch Emigrations-
fusionen zu, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind46
. Allerdings unter-
sagen einige ausländische Rechtsordnungen Emigrationsfusionen in die
Schweiz gänzlich (so z.B. das Deutsche Recht) oder machen sie von unrea-
listisch hohen Quoren abhängig (so z.B. das Französische Recht). Auch aus
steuerlichen Gründen wird die grenzüberschreitende Fusion in der Regel als
Option entfallen, weil die Jurisdiktion der untergehenden Gesellschaft den
Vorgang meist wie eine Liquidation der Gesellschaft mit entsprechend nega-
tiven Steuerfolgen (Besteuerung der stillen Reserven) behandelt47
. Aus die-
sem Grund und wegen der Komplexität des Vorgangs wurden bislang keine
Megadeals als grenzüberschreitende Fusionen durchgeführt.
4. Übernahme oder Zusammenschluss mittels Dreiecksfusion oder
Scheme of Arrangement
Triangular Merger und Scheme of Arrangement sind die naheliegenden
Transaktionsstrukturen für die Übernahme einer ausländischen durch eine
Schweizer Gesellschaft oder für den Zusammenschluss einer ausländischen
mit einer Schweizer Gesellschaft in jenen Fällen, in welchen das ausländi-
sche Recht eine dieser Transaktionsarten vorsieht und sich der Sitz der Kon-
46 S. Art. 163a ff. des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom
18. Dezember 1987 (SR 291). 47
Z.B. werden bei einer Emigrationsfusion einer Schweizer Gesellschaft die stillen
Reserven grundsätzlich besteuert; s. Art. 61 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die di-
rekte Bundessteuer (DBG) vom 14. Dezember 1990 (SR 642.11); Kreisschreiben
Nr. 5, Umstrukturierungen, der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV vom
1. Juni 2004, Ziff. 4.1.2.2.2; REICH MARKUS/TADDEI PASCAL/OESTERHELT STEFAN,
Art. 61 N 13 ff., in: ZWEIFEL/BEUSCH (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen
Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), 3. Aufl., Basel
2017.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
36
zernmutter nach dem Vollzug in der Schweiz befinden soll48
. In der Vergan-
genheit wurden vier Megadeals auf diese Weise strukturiert, nämlich die
Übernahmen der Synthes durch Johnson & Johnson im Jahr 2011 und von
The Chubb durch ACE Limited im Jahr 2015 (beides Triangular Mergers),
sowie der Zusammenschluss zwischen Xstrata und Glencore im Jahr 2012
(Scheme of Arrangement) und das abgebrochene Zusammenschlussvorhaben
zwischen Clariant und Huntsman im Jahr 2017 (Triangular Merger)49
.
Zusammenschlüsse bzw. Übernahmen mittels Triangular Merger oder Scheme
of Arrangement sind nur dann praktikabel, wenn sich die Obergesellschaft
nach dem Zusammenschluss in der Schweiz befinden soll (Swiss TopCo).
Technisch übernimmt die Schweizer Gesellschaft dabei die ausländische Ge-
sellschaft mittels Triangular Merger bzw. Scheme of Arrangement nach dem
anwendbaren ausländischen Recht. Der Triangular Merger ist namentlich im
Recht des US-Bundesstaates Delaware vorgesehen50
, das Scheme of Arran-
gement demgegenüber im Englischen Recht und in den Rechtsordnungen
vieler ehemaliger Commonwealth-Staaten. Der umgekehrte Vorgang, d.h. die
Übernahme der Schweizer Gesellschaft durch den ausländischen Partner
mittels Triangular Merger (TopCo im Ausland), ist in der Regel kaum durch-
führbar, weil dazu nach h.M. eine Mehrheit von 90% aller Gesellschafter der
Schweizer Gesellschaft erforderlich wäre51
.
48 Des Weitern wurden diese Transaktionsstrukturen in der Vergangenheit regelmässig
auch für Sitzverlegung in die Schweiz (Redomiciliations) verwendet. Zu Triangular
Merger und Scheme of Arrangement im Allgemeinen s. TSCHÄNI RUDOLF/DIEM
HANS-JAKOB/WOLF MATTHIAS, M&A-Transaktionen nach Schweizer Recht, 2. Aufl.,
Zürich/Basel/Genf 2013, 6. Kapitel N 119 ff., m.w.H. 49
Bei Synthes-Johnson & Johnson sowie Xstrata-Glencore hatte keine der beteiligten
Gesellschaften ihren statuarischen Sitz in der Schweiz. Jeweils eine der Gesell-
schaften hatte jedoch ihren Hauptsitz in der Schweiz, sodass die Transaktionen vor-
liegend dennoch aufgenommen werden. 50
Der Triangular Merger ist die dominierende Form für Zusammenschlüsse von US-
Publikumsgesellschaften; s. SCHÄRER HEINZ/OSER DAVID, Redomiciliation Trans-
actions, in: TSCHÄNI (Hrsg.), Mergers & Acquisitions XIV, Zürich/Basel/Genf
2012, 67 ff., 77. 51
BÖCKLI (FN 40), § 3 N 201d; VON DER CRONE HANS CASPAR/GERSBACH ANDREAS/
KESSLER FRANZ/VON DER CRONE BRIGITTE/INGBER KARIN, Das Fusionsgesetz,
2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017, N 60 f.; BSK FUSG-TSCHÄNI/GABERTHÜEL,
20 Jahre Megadeals
37
Möchte sich eine Schweizer Gesellschaft mit einer US-Gesellschaft mittels
Triangular Merger zusammenschliessen, so gründet die Schweizer Gesell-
schaft zunächst eine Tochtergesellschaft (Merger Sub) im US-Bundesstaat
Delaware52
. Sodann fusionieren Merger Sub und die US-Publikumsge-
sellschaft nach dem Recht des Bundesstaates Delaware. Dabei wird Merger
Sub meistens in die US-Publikumsgesellschaft hinein fusioniert (Reverse
Triangular Merger). Der entsprechende Beschluss der US-Gesellschaft be-
darf nach dem Recht von Delaware der Zustimmung von 50% der ausste-
henden und stimmberechtigten Aktien. Im Rahmen dieses Vorgangs werden
die durch die Aktionäre der US-Gesellschaft gehaltenen Aktien annulliert
und in einen Anspruch umgewandelt, eine bestimmte Anzahl Aktien der
Schweizer Gesellschaft zu erhalten. Gleichzeitig gibt die US-Gesellschaft
eine neue Aktie an die Schweizer Gesellschaft aus, die somit zur hundert-
prozentigen Muttergesellschaft der US-Gesellschaft wird. Die Aktien der
Schweizer Gesellschaft, die den Aktionären der US-Gesellschaft auszurich-
ten sind, werden durch Kapitalerhöhung geschaffen und bar, durch Sachein-
Art. 8 N 12; BURCKHARDT SEBASTIAN, Art. 8 N 27 ff., in: VISCHER (Hrsg.), Zür-
cher Kommentar zum Fusionsgesetz, 2. Aufl., Zürich 2012; GLANZMANN (FN 40),
Rz 238; AMSTUTZ MARC/MABILLARD RAMON, Fusionsgesetz (FusG), Basel 2008,
Art. 8 N 13; ausführlich MAUERHOFER MARC, Squeeze-Out Merger, Die zwangs-
weise Abfindungsfusion nach Art. 8 Abs. 2 Fusionsgesetz, Bern 2009, 134, 163 ff.;
a.M. SCHÄRER/OSER (FN 50), 85 f.; GERHARD FRANK/JACQUEMOUD PHILIPPE,
Merger vs. Exchange Offer, GesKR 2012, 182 ff., 198 ff. – Hinzuweisen ist ferner
auf die Praxis der UEK, wonach ein Triangular Merger, bei welchem die Schweizer
Gesellschaft zur hundertprozentigen Tochter der ausländischen Gesellschaft würde,
die Angebotspflicht auslösen bzw. materiell als öffentliches Kaufangebot behandelt
würde; vgl. Verfügungen 609/01 SHL Telemedicine Ltd. vom 14. Juli 2015; 547/01
International Minerals Corporation vom 23. September 2013. 52
S. zum Nachfolgenden z.B. Agreement and Plan of Merger by and among Clariant
AG, Huricanecyclone Corporation (Merger Sub) und Huntsman Corporation vom
21. Mai 2017, abrufbar unter <http://ir.huntsman.com/phoenix.zhtml?c=186725&p
=irol-SECText&TEXT=aHR0cDovL2FwaS50ZW5rd2l6YXJkLmNvbS9maWxpbm
cueG1sP2lwYWdlPTExNjEzMzA1JkRTRVE9MCZTRVE9MCZTUURFU0M9U0V
DVElPTl9FTlRJUkUmc3Vic2lkPTU3>; ferner GERHARD FRANK/SCHIWOW EMA-
NUEL, Übernahmen mit Hilfe von Tochtergesellschaften im internationalen Verhält-
nis, GesKR 2009, 191 ff.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
38
lage oder durch eine Kapitalerhöhung aus Eigenkapital liberiert53
. Weil das
Bezugsrecht ausgeschlossen wird, bedarf der Kapitalerhöhungsbeschluss in
jedem Fall einer Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen Stimmen und
der absoluten Mehrheit der vertretenen Nennwerte54
. Aus steuerlicher Sicht
wird dabei angestrebt, Kapitaleinlagereserven möglichst im Umfang des Ver-
kehrswerts der ausländischen Gesellschaft zu schaffen, damit die künftigen
Erträge der kombinierten Gruppe verrechnungssteuerfrei ausgeschüttet wer-
den können. Dies ist vor allem für die US-Aktionäre und andere ausländi-
sche Aktionäre wesentlich, die gemäss anwendbaren Doppelbesteuerungsab-
kommen keinen Anspruch auf (vollständige) Rückerstattung der Verrech-
nungssteuer geltend machen können.
Das Scheme of Arrangement kann man als eine Art gesetzlich vorgesehener
Quasifusion in einem Schritt bezeichnen55
. Zu seiner Durchführung schliesst
die Schweizer Gesellschaft zunächst eine Vereinbarung (sog. Implementation
Agreement) mit der ausländischen Gesellschaft ab. Sodann findet ein Verfah-
ren vor dem zuständigen ausländischen Gericht statt, worin das beantragte
Scheme genehmigt wird. Das Gericht beruft eine Aktionärsversammlung der
ausländischen Gesellschaft ein, an welcher das Scheme genehmigt werden
soll. Der Beschluss setzt regelmässig eine Mehrheit von 75% der Anteilseig-
ner der ausländischen Gesellschaft voraus. Kommt das Scheme zustande, so
werden die von den Aktionären der ausländischen Gesellschaft gehaltenen
Aktien gerichtlich annulliert (sog. Cancellation Scheme) und durch neu aus-
gegebene Aktien der Schweizer Gesellschaft ersetzt. Die ausländische Ge-
sellschaft ihrerseits gibt neue Aktien an die Schweizer Gesellschaft aus und
wird damit zur hundertprozentigen Tochter der Schweizer Gesellschaft. Die
neuen Aktien der Schweizer Gesellschaft werden in der Regel durch Sach-
einlage der neuen Aktien der ausländischen Gesellschaft liberiert. Wiederum
besteht das Ziel darin, Kapitaleinlagereserven bei der Schweizer Mutterge-
sellschaft zu schaffen.
53 Die Liberierung der auszugebenden Aktien der übernehmenden Schweizer Gesell-
schaft ist kein trivialer Vorgang; s. dazu GERHARD/SCHIWOW (FN 52), 199 ff.;
SCHÄRER/OSER (FN 50), 91 ff. 54
Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR. 55
Schemes of Arrangement weisen daneben viele weitere Anwendungsmöglichkeiten
bei Umstrukturierungen und Sanierungen auf.
20 Jahre Megadeals
39
Wie bei der Fusion handelt es sich auch beim Triangular Merger und Scheme
of Arrangement um One Step Transactions; sofern die erforderlichen Mehr-
heiten erreicht werden, wird der Zusammenschluss in einem Schritt vollzo-
gen, ohne dass Minderheitsaktionäre in der Struktur verbleiben. Die Rechts-
risiken bestehen aus Schweizer Sicht darin, dass der Eintrag der Kapitaler-
höhung der Schweizer Gesellschaft im Handelsregister, und damit Vollzug
der Transaktion, durch Handelsregistersperren und Anfechtungsklagen zu-
mindest verzögert wird56
.
5. Zusammenschluss mittels öffentlichem Tauschangebot (Quasi-
Fusion)
Das öffentliche Tauschangebot (Quasi-Fusion) ist die Transaktionsstruktur
der Wahl für den Zusammenschluss einer Schweizer mit einer ausländischen
Gesellschaft, wenn der Sitz der Konzernmutter nach dem Vollzug im Aus-
land geplant ist, oder wenn sich der Sitz in der Schweiz befinden soll, das
ausländische Recht den Triangular Merger oder das Scheme of Arrangement
jedoch nicht zulässt. In der Vergangenheit wurde namentlich der im Jahr
2014 vollzogene Merger of Equals zwischen Holcim und Lafarge als öffent-
liches Umtauschangebot nach französischem Recht ausgestaltet. Hinzuwei-
sen ist ferner auf die Übernahme der Alusuisse durch Alcan im Jahr 2000
(öffentliches Tauschangebot nach Schweizer Recht an die Aktionäre der
Alusuisse)57
.
56 S. Art. 706 OR; Art. 162 ff. HRegV.
57 Weitere prominente internationale Quasifusionen waren z.B. SmithKline/Beecham
(1989), Pharmacia/Upjohn (1995), Nycomed/Mersham (1997), Daimler/Chrysler
(1998), Astra/Zeneca (1998) und Royal Bank of Scotland/ABN Amro (2007). Mit
Schweizer Beteiligung erwähnenswert sind ferner die folgenden als öffentliche
Tauschangebote strukturierten, grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse: Syn-
thes/Stratec (1999) (s. Empfehlung 0032/01 vom 26. März 1999); Berna Biotech
AG/Crucell N.V. (2006) (s. Empfehlungen 0260/01 vom 13. Dezember 2005,
0260/02 vom 11. Januar 2006 und 0260/03 vom 10. Februar 2006); Amazys Hol-
ding AG/x-Rite Inc. (2006) (s. Empfehlungen 0269/01 vom 8. März 2006, 0269/02
vom 23. März 2006 und 0269/03 vom 26. April 2006); sowie Hiestand Holding
AG/AWS Group plc (2008) (s. Empfehlungen 0372/01 vom 6. Juni 2008 und
0372/02 vom 15. Juli 2008).
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
40
Die Zustimmungserfordernisse, die erfüllt sein müssen, damit die Transakti-
on zustande kommt, hängen davon ab, ob sich das Tauschangebot nach aus-
ländischem Recht an die Aktionäre der ausländischen Gesellschaft (Swiss
TopCo) oder nach Schweizer Recht an die Aktionäre der Schweizer Gesell-
schaft (TopCo im Ausland) richtet. Soll sich die Konzernobergesellschaft
nach dem Vollzug in der Schweiz befinden, ist auf Seiten der Schweizer
Gesellschaft ein Generalversammlungsbeschluss mit einer Mehrheit von
zwei Dritteln der vertretenen Stimmen und der absoluten Mehrheit der ver-
tretenen Nennwerte erforderlich, um die für den Aktientausch notwendigen
Aktien unter Bezugsrechtsausschluss zu schaffen58
. Ob für das Tauschange-
bot an die Aktionäre der ausländischen Zusammenschlusspartei eine An-
nahmeschwelle gesetzt werden kann und wie hoch diese ist, ist nach dem
ausländischen Übernahmerecht zu beurteilen. Im Idealfall ist die Andie-
nungsquote so hoch, dass die Minderheitsaktionäre im Anschluss an den
Vollzug des Angebots in bar abgefunden oder mit einem Zwangstauschange-
bot aus der übernommenen Gesellschaft ausgeschlossen werden können.
Damit ist auch gesagt, dass ein Zusammenschluss, strukturiert als öffentli-
ches Tauschangebot, stets eine Two Step Transaction darstellt. Die Rechtsri-
siken bestehen aus Schweizer Sicht bei einer Swiss TopCo darin, dass der
Eintrag der Kapitalerhöhung der Schweizer Gesellschaft im Handelsregister,
und damit Vollzug der Transaktion, durch Handelsregistersperren und An-
fechtungsklagen zumindest verzögert wird59
.
6. „Exotische“ Strukturen: Synthetic Mergers
Zusätzlich zu den vorstehend beschriebenen Transaktionsstrukturen werden
zur Umsetzung von internationalen Zusammenschlussvorhaben manchmal
„synthetische Zusammenschlüsse“ („synthetic mergers“) erwogen, deren ge-
meinsames Merkmal darin besteht, dass die Zusammenschlussparteien ne-
beneinander weiter bestehen und deren Aktien nebeneinander kotiert bleiben.
58 Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR.
59 S. Art. 706 OR; Art. 162 ff. HRegV.
20 Jahre Megadeals
41
Anzutreffen sind namentlich der Vertragskonzern und die gemeinsame Sub-
holding60
.
Eine gemeinsame Subholding lag jeweils den Zusammenschlüssen zwischen
der BBC und der Schwedischen ABB im Jahr 1988 und zwischen der „Zü-
rich“ und der Englischen B.A.T. im Jahr 1997 zugrunde61
. Bei diesem Vor-
gehen gründen die beteiligten Gesellschaften eine gemeinsame Subholding
im Inkorporationsstaat einer Partei oder in einem Drittstatt und transferieren
ihre gesamten Betriebe und Beteiligungen in die gemeinsame Holdinggesell-
schaft, welche die operative Verantwortung der zusammengelegten Gesell-
schaften übernimmt. Die Einlage geschieht in der Regel mittels einer Kapi-
talerhöhung auf dem Weg einer Sacheinlage, wobei dies unter Umständen
auch mit einer Sachübernahme kombiniert wird. Durch den Vorgang werden
die beiden Fusionsparteien, welche als kotierte Einheiten bestehen bleiben,
zu reinen Holdingvehikeln. Die Rechte und Pflichten der beiden Gesell-
schaften in Bezug auf ihre Beteiligungen in der gemeinsamen Holding wer-
den in einem Vertrag, oft als governing agreement bezeichnet, geregelt.
Die mit gemeinsamer Subholding realisierten Zusammenschlüsse hatten in
der Vergangenheit mehrheitlich keinen dauerhaften Bestand. Die Nachteile
der separaten Kotierung und die sich aus dem Kapitalmarkt ergebenden Ein-
schränkungen führten dazu, dass später eine Struktur mit einer Topholding
geschaffen wurde, nämlich die ABB Ltd. im Jahr 1999 bzw. die „Zurich“
Financial Services im Jahr 2000, beide mit Sitz in Zürich62
. Die Nachteile
60 Zu synthetischen Zusammenschlüssen im Allgemeinen s. TSCHÄNI/DIEM/WOLF
(FN 48), N 129 ff., m.w.H. 61
Hinzuweisen ist ferner auf Royal Dutch/Shell (1907), Hoesch/Hoogovens (1970),
Reed Elsevier (1993), MeritaNordbanken (1998) und Dexia (1998). In jüngster Zeit
wurde der Zusammenschluss zwischen Kaba Holding und der Deutschen Dorma
Holding auf ähnliche Weise durchgeführt, auch wenn es sich bei der Dorma Hol-
ding nicht um eine kotierte Gesellschaft handelte; s. Verfügung 600/01 Kaba Hol-
ding AG vom 22. April 2015. 62
Im Fall der ABB geschah dies mittels eines Tauschangebots durch die von den
Publikumsgesellschaften neu gegründete New ABB Ltd. an die Aktionäre der bei-
den Publikumsgesellschaften (s. Empfehlung 0031/01 ABB AG vom 26. März
1999). Bei der Zurich Financial Services wurde unter der Firma New Zurich Finan-
cial Services eine neue Schweizer Gesellschaft gegründet, die mit der bestehenden
Publikumsgesellschaft (Zürich Allied AG) fusionierte. Bezüglich der englischen
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
42
synthetischer Strukturen dürften auch in Zukunft dagegen sprechen, einen
Megadeal auf diese Weise zu strukturieren, wenn andere Möglichkeiten zur
Verfügung stehen. Allenfalls kommen synthetische Zusammenschlüsse für
eine Übergangsperiode in Betracht.
IV. Regulatorische Hürden
1. Zeitbedarf, Auflagen- und Untersagungsrisiken
Der Vollzug eines Megadeals erfordert aufgrund der globalen Umsätze der
beteiligten Unternehmen regelmässig wettbewerbsrechtliche Fusionskon-
trollmeldungen in der Europäischen Union und den USA sowie einer Viel-
zahl weiterer Einzelstaaten, darunter auch „exotischeren“ Jurisdiktionen, die
für die Prüfung keinen festen Zeitplan vorsehen, namentlich der Volksrepub-
lik China. Die Durchführung und Koordination der verschiedenen Verfahren
ist komplex und anspruchsvoll. In regulierten Industrien wie der Finanzin-
dustrie oder im Telekom-Bereich bestehen ferner spezifische Bewilligungs-
pflichten63
. Hinzu kommen die mitunter ordnungspolitisch motivierten staat-
lichen Interventionsmöglichkeiten und Zustimmungserfordernisse, wie etwa
des Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS), welches
die Auswirkungen von ausländischen Investitionen in amerikanische Unter-
nehmen auf die nationale Sicherheit (einschliesslich Cyber Security) über-
prüft, oder des Deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie
gestützt auf das im Jahr 2017 verschärfte Deutsche Aussenwirtschaftsgesetz.
Die Durchführung der verschiedenen Genehmigungsverfahren nimmt erheb-
lich Zeit in Anspruch. Bis ein angekündigter Megadeal vollzogen werden
kann, ist ohne weiteres mit einem Zeitbedarf von 9 bis 12 Monaten oder
Publikumsgesellschaft (Allied Zurich PLC) wurde ein Scheme of Arrangement
nach englischem Recht durchgeführt (zum Scheme of Arrangement s. III.4 oben).
Die New Zurich Financial Services wurde anschliessend in Zurich Financial Ser-
vices umfirmiert (s. zum Ganzen Empfehlung 0076/01 Zurich Financial Services
vom 13. Oktober 2000). 63
Für einen Überblick s. TSCHÄNI/DIEM/WOLF (FN 48), 10. Kapitel N 59 ff.
20 Jahre Megadeals
43
mehr zu rechnen64
. Dementsprechend lang ist die für die beteiligten Unter-
nehmen kritische Schwebe- bzw. Unsicherheitsphase. Auch steht allfälligen
Interlopern oder aktivistischen Aktionären viel Zeit zur Verfügung, um eine
Konkurrenztransaktion vorzubereiten oder marktschonend eine namhafte
Beteiligung aufzubauen und eine Abwehrkampagne zu lancieren65
. Ausser-
dem können sich das makroökonomische Umfeld, die relativen Bewertungen
und die Kapital- und Finanzmärkte während der langen Zeitspanne ungüns-
tig entwickeln und so den Vollzug gefährden. Allein aufgrund des Zeitbe-
darfs von der Annoncierung bis zum Abschluss stellen Megadeals für die
Parteien ein erhöhtes Risiko dar.
Neben dem hohen Zeitbedarf zur Durchführung der Verfahren haben Mega-
deals auch in materieller Hinsicht erhebliche regulatorische Hürden zu meis-
tern. Der Zusammenschluss zweier globaler Grossunternehmen führt regel-
mässig zu heiklen horizontalen Überlappungen in bestimmten Produkte- und
geographischen Märkten. Auch Vertikal- bzw. Konglomeratseffekte werden
zunehmend geprüft und kritisch beurteilt66
. Das Risiko, dass eine Grosstrans-
aktion nur unter Auflagen genehmigt wird, ist somit erheblich. So waren z.B.
im Falle des Zusammenschlusses der beiden Konkurrenten Holcim und
Lafarge weltweite Devestitionen im Umfang von rund 6.8 Milliarden Fran-
ken notwendig, um die wettbewerbsrechtlichen Freistellungen in den ver-
64 So konnten z.B. die Übernahme der Syngenta durch ChemChina und der Zusam-
menschluss zwischen Holcim und Lafarge jeweils erst rund 15 Monate nach An-
kündigung vollzogen werden. Mit 5 Monaten vergleichsweise kurz war dagegen
die Schwebephase bei der Übernahme der Actelion durch Johnson & Johnson. 65
S. dazu den am 22. Mai 2017 angekündigten Zusammenschluss zwischen Clariant
und Huntsman. Nachdem White Tale während fünf Monaten eine Beteiligung von
20% an Clariant aufgebaut und angekündigt hatte, gegen den Zusammenschluss zu
stimmen, einigten sich Huntsman und Clariant am 27. Oktober 2017 schliesslich
darauf, die Transaktion zu beenden; s. Pressemitteilung der Clariant vom 27. Ok-
tober 2017, abrufbar unter <https://www.clariant.com/en/Corporate/News/2017/10/
Clariant-and-Huntsman-jointly-decided-to-abandon-planned-Merger-of-Equals>. 66
Für ein prominentes Beispiel s. die im Oktober 2016 angekündigte Übernahme von
Time Warner durch AT&T. Obwohl die beiden Unternehmen nicht im Wettbewerb
miteinander stehen („vertical merger“), reichte das US Department of Justice im
November 2017 Klage ein, um den Zusammenschluss zu blockieren; s. <https://
www.nytimes.com/2017/11/20/business/dealbook/att-time-warner-m erger.html>.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
44
schiedenen Jurisdiktionen (darunter USA, EU und Indien) zu erhalten67
.
Auch die Übernahme der Syngenta durch ChemChina wurde durch die EU-
Kommission erst bewilligt, nachdem sich ChemChina u.a. dazu bereit erklärt
hatte, wesentliche Teile ihres europäischen Pflanzenschutzmittelgeschäfts zu
veräussern68
, und Johnson & Johnson musste sich u.a. dazu verpflichten, ihre
Beteiligung an der von Actelion abgespaltenen Idorsia auf grundsätzlich
10% zu beschränken und keine Verwaltungsratsmitglieder zu ernennen, um
die Freistellung der EU-Kommission zu erlangen69
. Selbst solche weitrei-
chenden Zugeständnisse bzw. Verpflichtungen der Zusammenschlussparteien
genügen nicht in allen Fällen, um die regulatorischen Zustimmungen zu
erwirken. Untersagungen bzw. Abbrüche von angekündigten Grosstransakti-
onen angesichts drohender Untersagungen nehmen zu, wie die Bespiele der
nicht vollzogenen Zusammenschlüsse zwischen der London Stock Exchange
und Deutsche Börse (2016), Pfizer und Allergan (2015), Telefonica und Hut-
chison Whampoa (2015) sowie Baker Hughes und Halliburton (2014) zei-
gen.
Zusammenfassend sind die regulatorischen Risiken, welchen Megadeals
unterliegen, in zeitlicher und materieller Hinsicht erheblich. Sie stellen oft
die grösste Herausforderung für die Durchführung einer Grosstransaktion
dar und sind bereits im Planungs- bzw. Verhandlungsstadium frühzeitig zu
evaluieren.
2. Vertragsmechanismen zur Adressierung der zeitlich bedingten
Risiken
Die vertraglichen Schutzmechanismen, welche die Parteien vereinbaren
können, um die regulatorischen Risiken zu adressieren, sind beschränkt.
67 S. die Pressemitteilung der Holcim vom 26. Mai 2015, abrufbar unter <http://www.
holcim.com/de/media-relations/latest-releases/latest-release/article/holcim-und-lafarge-
finalisieren-vereinbarung-mit-crh-zu-angekuendigten-veraeusserungen-1.html>.
Die Veräusserung an den Käufer CRH war ihrerseits ebenfalls meldepflichtig. 68
S. die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 5. April 2017, abrufbar unter
<http://europa.eu/rapid/ press-release_IP-17-882_en.htm>. 69
S. die Pressemitteilung der EU-Kommission vom 9. Juni 2017, abrufbar unter
<http://europa.eu/rapid/ press-release_IP-17-1582_en.htm>.
20 Jahre Megadeals
45
Üblich sind zunächst Restrictive Covenants, d.h. vertraglich vereinbarte Ein-
schränkungen und Zustimmungserfordernisse in Bezug auf die Geschäfts-
führung zwischen Unterzeichnung und Vollzug. Sie sollen sicherstellen, dass
das Geschäft der Zielgesellschaft bzw. der Zusammenschlussparteien wäh-
rend der Schwebephase im ordentlichen und üblichen Rahmen geführt und
ungewöhnliche oder wesentliche Transaktionen nur mit Zustimmung der
Gegenpartei getätigt werden. Die Einschränkungen dürfen allerdings ihrer-
seits aus wettbewerbsrechtlichen Überlegungen („Gun Jumping“) nicht zu
weit gehen und insbesondere keiner Partei „positive Kontrolle“ über die
Gegenpartei vermitteln, bevor die Freigabe erteilt wurde70
. Wo die Grenze
zwischen erlaubten Schutzvorkehren und unerlaubter Einflussnahme genau
zu ziehen ist, ist im Einzelnen allerdings nicht einfach zu bestimmen. Nicht
zulässig wären jedenfalls Klauseln, die auf eine Koordination des Marktver-
haltens oder den Austausch wettbewerblich sensitiver Informationen (aus-
serhalb von „Clean Teams“) hinauslaufen.
Eine Möglichkeit, um der Unsicherheit bezüglich relativer Wertentwicklung
während der Schwebephase zu begegnen, bestünde darin, vertraglich einen
Wertanpassungsmechanismus vorzusehen. So wäre in einem Merger of
Equals z.B. die Klausel denkbar, wonach das Umtauschverhältnis adjustiert
wird, falls sich die Börsenbewertungen oder Gewinnentwicklungen der Par-
teien zwischen Signing und Closing über bestimmte Grenzen hinweg ausei-
nanderbewegen. Allerdings sind solche Anpassungsklauseln in der Praxis
kaum je anzutreffen71
. Bei Bedarf bleibt es den Parteien unbenommen, das
70 S. jüngst das Statement of Objections der EU-Kommission im Fall der Übernahme
des Telekom-Betreibers PT Portugal durch das multinationale Telekommunika-
tionsunternehmen Altice, Pressemitteilung der EU-Kommission vom 18. Mai 2017,
abrufbar unter <http://europa.eu/rapid/press-release_I P-17-1368_de.htm>: „In der
heutigen Mitteilung der Beschwerdepunkte vertritt die Kommission die vorläufige
Auffassung, dass Altice die Übernahme tatsächlich bereits vor der Genehmigung
durch die Kommission und in Teilen sogar schon vor der Anmeldung durchgeführt
hatte. So führt die Kommission unter anderem aus, dass der Übernahmevertrag
zwischen den beiden Unternehmen Altice in die Lage versetzt hat, schon vor der
Anmeldung und der Genehmigung des Zusammenschlussvorhabens bestimmenden
Einfluss auf PT Portugal auszuüben und Altice in mehreren Fällen von dieser Mög-
lichkeit bereits Gebrauch gemacht hat“. 71
Keiner der hier untersuchten Schweizer Megadeals wies eine solche oder ähnliche
Preis- bzw. Wertadjustierungsklausel auf. Dies im Unterschied zu den regelmässig
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
46
vereinbarte Umtauschverhältnis auf dem Verhandlungsweg nachträglich an-
zupassen, sollte sich abzeichnen, dass die Aktionäre ansonsten ihre Zustim-
mung verweigern würden72
. In öffentlichen Kaufangeboten wäre eine Preis-
reduktion (einschliesslich ein entsprechender Vorbehalt im Prospekt) von
Vornherein ohnehin ausgeschlossen73
.
Wiederum üblich hingegen sind auch in Megadeals No MAC-Bedingungen74
.
Sie bezwecken, den Übernehmer bzw. die Zusammenschlussparteien gegen
unbekannte oder zukünftige Entwicklungen zu schützen, welche der Trans-
aktion die wirtschaftliche Grundlage entziehen. Abgesehen von Transaktio-
nen, die als öffentliche Kaufangebote nach Schweizer Recht strukturiert
sind, sind die Parteien grundsätzlich frei darin, wie sie die Bedingung formu-
lieren möchten. In grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen (Mergers of
Equals) haben sich nach amerikanischem Vorbild unbestimmt und offen
formulierte No MAC-Bedingungen durchgesetzt, die einer Partei das Recht
geben, die Transaktion zu beenden, falls bei der anderen Partei ein Ereignis
eintritt (oder bekannt wird), welches (für sich allein oder zusammen mit
anderen Ereignissen oder Umständen) eine „wesentliche negative Auswir-
kung auf das Geschäft, die finanzielle Lage oder das operative Ergebnis der
anderen Partei hat oder vernünftigerweise haben wird“75
. Allgemeine Markt-
entwicklungen und transaktionsbedingte Ereignisse werden dabei jeweils
vorgesehenen Anpassungen aufgrund von Dividendenzahlungen, anderen Aus-
schüttungen, Emissionen, Aktiensplits und ähnlichen Kapitaltransaktionen. 72
So geschehen beim Zusammenschluss zwischen Holcim und Lafarge; s. Pressemit-
teilungen der Holcim vom 16. März und 20. März 2015, abrufbar unter <http://
www.holcim.com/de/media-relations/latest-releases/latest-release/article/statement-16-
maerz-2015.html> bzw. <http://www.holci m.com/de/media-relations/latest-release
s/latest-release/article/medienmitteilung-20-maerz-2015-1.html>. 73
Art. 8 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 UEV. Zulässig sind aber auch in öffentlichen Kauf-
angeboten Preisreduktionsvorbehalte gestützt auf Dividendenzahlungen und andere
Ausschüttungen. 74
Zu MAC-Klauseln im Allgemeinen s. SCHLEIFFER PATRICK, No Material Adverse
Change, in: TSCHÄNI (Hrsg.), Mergers & Acquisitions VI, Zürich/Basel/Genf 2004,
53 ff. 75
S. z.B. Merger Agreement Clariant-Huntsman (FN 52), Ziff. 8.1(b) i.V.m. 7.3(a),
4.10(a) und Definition von „Cyclone Material Adverse Effect“ (S. 80 f.); ferner
Combination Agreement zwischen Lafarge S.A. und Holcim Ltd vom 7. Juli 2014,
S. 10 und 26 ff.
20 Jahre Megadeals
47
ausgenommen. Wird die Transaktion hingegen mittels öffentlichem Kaufan-
gebot nach Schweizer Recht durchgeführt, ist eine No MAC-Bedingungen
nur zulässig, wenn sie spezifisch auf die Finanzkennzahlen der Zielgesell-
schaft abstellt und die resultierende Einbusse mindestens 5% auf Stufe Um-
satz, 10% auf Stufe EBIT oder EBITDA oder 10% auf Stufe Eigenkapital
ausmacht76
. Ausserdem gilt die Bedingung in einem öffentlichen Kaufange-
bot lediglich bis zum Ablauf der Angebotsfrist (also nicht bis zum Voll-
zug)77
, was den Anbieter u.U. während einer langen Zeitspanne ungeschützt
lässt78
.
3. Reverse Break Fee zur Adressierung des Untersagungs- bzw.
Auflagenrisikos
Ebenfalls aus den USA stammend, haben sich sog. Reverse Break Fees auch
in internationalen Grossübernahmen etabliert79
. In den Schweizer Megadeals
der jüngeren Vergangenheit vereinbarten namentlich ChemChina und Syn-
genta eine solche Zahlung80
. In Zusammenschlüssen (Mergers of Equals)
kommen Reverse Break Fees hingegen nicht vor.
76 S. Verfügungen 652/01 Actelion Ltd vom 14.2.2017, E. 7.4 Rz 58; 624/01 Syngenta
AG vom 2.2.2016, E. 3.4 Rz 35; ferner z.B. Verfügungen 651/01 LifeWatch AG
vom 17.2.2017, E. 8.2 Rz 36 f.; 639/01 Looser Holding AG vom 28. September
2016, E. 9.1 Rz 39 f.; 638/01 Charles Vögele Holding AG vom 9.9.2016, E. 2.3
Rz 16 f. 77
S. z.B. Verfügung 651/01 LifeWatch AG vom 17. Februar 2017, E. 8.2 Rz 36 f. 78
Dies namentlich bei einem Vollzugsaufschub (Verlängerungsvariante „front-
loaded“); s. VII.1.b) unten. 79
Zu Reverse Break Fees s. auch WOLFER MARC, Reverse Break Fee-Vereinbarun-
gen, GesKR 2012, 433 ff.; TRIEBOLD OLIVER, Deal Protection bei M&A Transakti-
onen – Ausgewählte Aspekte, in: TSCHÄNI (Hrsg.), Mergers & Acquisitions XI, Zü-
rich/Basel/Genf 2009, 225 ff., 232 ff. 80
S. Ziff. 9(c) des Transaction Agreeement zwischen China National Chemical Cor-
poration, China National Agrochemical Corporation und Syngenta AG vom 2. Feb-
ruar 2016: „ChemChina agrees to pay, or to procure that BidCo or any other Sub-
sidiary pay, to Syngenta an amount of USD 3.0 billion if, despite all other Offer
Conditions having been satisfied or are still capable of being satisfied, the Offer
does not become unconditional and | or is terminated because of the non-satis-
faction of the Offer Condition set forth in Section D.1(b) of Annex 2.2(a)(i) (Mer-
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
48
Bei den manchmal auch als Antitrust Reverse Termination Fees (ARTF) be-
zeichneten Abstandszahlungen handelt es sich um die Verpflichtung des
Übernehmers, der Zielgesellschaft einen bestimmten Barbetrag zu bezahlen,
falls die Transaktion nicht vollzogen wird, weil eine regulatorische Bedin-
gung ausfällt, namentlich eine wettbewerbsrechtliche Freistellung nicht er-
teilt wird. In ihrer Funktion setzt die Reverse Break Fee dem Übernehmer im
Sinne einer Wesentlichkeitsschwelle einen Anreiz, Auflagen (z.B. Devestitio-
nen oder Zwangslizenzen) anzubieten bzw. zu akzeptieren, um die wettbe-
werbsrechtlichen Freistellung zu erlangen und die Transaktion vollziehen zu
können81
. Ausserdem soll die Reverse Termination Fee die Zielgesellschaft
(bis zu einem gewissen Grad) für die wirtschaftlichen Nachteile kompensie-
ren, welche dieser aus einer abgebrochenen Übernahme erwachsen. In Gross-
transaktionen mit zu erwartenden wettbewerbsrechtlichen Problemfeldern ist
eine Reverse Break Fee bzw. deren Höhe auch ein wesentlicher Faktor für
die Beurteilung eines Übernahmevorschlages durch die angesprochene Ziel-
gesellschaft.
In ihrer Höhe variieren Reverse Break Fees erheblich, sind betragsmässig
aber durchwegs sehr beachtlich. Je grösser die regulatorischen Risiken und
je stärker die Verhandlungsposition der Zielgesellschaft sind, desto höher
fällt die Fee aus. Nach einschlägigen US-Studien entsprach der Median der
in US-Transaktionen vereinbarten Antitrust Reverse Termination Fee wäh-
rend des Zeitraums 2012 bis 2017 rund 5% des Transaktionswertes (Equity
Value)82
. Im Falle der Übernahme der Syngenta durch ChemChina betrug die
vereinbarte Fee gar CHF 3 Milliarden, was rund 7% des Transaktionswerts
ger Clearances and Other Approvals), insofar as such Offer Condition relates to
antitrust approvals or the Chinese regulatory approvals set forth in Article 2.3(g),
[…]”, abrufbar unter <https://www.sec.gov/Archives/edgar/data/1123661/0001193
12516514057/d134186dex99d.htm>. 81
Freilich ist der Anbieter bereits nach Art. 13 Abs. 3 UEV verpflichtet, alle ihm
zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, damit die Bedingungen des öffentlichen
Angebots eintreten; s. Verfügung 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 7.2
Rz 48, m.w.H. 82
S. Shearman & Sterling LLP, Antitrust Unpacked, November 15, 2017, Antitrust
Reverse Termination Fees (covering January 1, 2005, through October 31, 2017),
abrufbar unter <http://www.shearmanantit rust.com/siteFiles/BlogPosts/reverse_bre
akup_fees2017_10_31chart.pdf>.
20 Jahre Megadeals
49
ausmachte83
. Damit liegen durch den Übernehmer zu bezahlenden Reverse
Termination Fees erheblich über den Break Fees, die durch die Zielgesell-
schaft zu zahlen ist, wenn die Transaktion aufgrund einer Konkurrenztrans-
aktion scheitert84
.
V. Friendly vs. Unfriendly
1. Letztlich nur Friendly
Ein Megadeal lässt sich letztlich nur friendly, d.h. im Einverständnis mit der
Gegenpartei durchführen. Ein Zusammenschluss mittels Fusion, Triangular
Merger oder Scheme of Arrangement setzt bereits technisch die Zustimmung
der Gegenpartei voraus, da diese Strukturen den Abschluss eines Fusions-
bzw. Zusammenschlussvertrages und entsprechende Verwaltungsratsbeschlüs-
se erfordern. Eine unfreundliche Übernahme mittels öffentlichem Kauf- oder
Tauschangebot wäre – da sich dieses technisch direkt an die Aktionäre rich-
tet – zwar möglich. Jedoch ist ein unfreundliches Angebot mit erheblichen
Schwierigkeiten und Risiken verbunden, die sich bei Grosstransaktionen
noch akzentuieren. Hinzuweisen ist namentlich auf das Fehlen einer Due
Diligence, die zögerliche Mitwirkung der Zielgesellschaft und die resultie-
renden Schwierigkeiten bei der Vorbereitung der Fusionskontrollmeldungen
und der Durchführung der Verfahren, mögliche rechtliche Auseinander-
setzungen vor der UEK und der FINMA bzw. den ausländischen Behörden,
den grösseren Zeitbedarf, die Wahrscheinlichkeit eines Konkurrenzangebots
(namentlich eines White Knight) und das ungleich höhere Risiko, dass die
Transaktion letztlich scheitert und die erheblichen Kosten ins Leere laufen85
.
Aufgrund dieser Unsicherheiten und Risiken dürfte ein feindliches Über-
nahmeangebot im Megadeal-Bereich kaum je vorkommen.
83 S. FN 80.
84 Zu Break Fees s. VI.3. unten.
85 Zu den Vor- und Nachteilen eines freundlichen bzw. unfreundlichen Angebots s.
auch HÖHN JAKOB, Macht sich Freundlichkeit für einen Übernehmer bezahlt?, in:
TSCHÄNI (Hrsg.), Mergers & Acquisitions XI, Zürich/Basel/Genf 2009, 41 ff.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
50
2. Druckversuche und Abwehr
Stösst eine willige Partei mit ihrem Übernahme- oder Zusammenschlussvor-
schlag bei der Gegenpartei auf Ablehnung, so stehen ihr einige Möglichkei-
ten offen, um Druck auszuüben und die Gegenpartei zu Gesprächen zu be-
wegen. Ist der übliche Bear Hug Letter86
erfolglos geblieben, so macht die
übernahmewillige Partei ihren Transaktionsvorschlag manchmal selbst öf-
fentlich oder nützt ein Leck bzw. eine Indiskretion aus, um die Aktionäre des
Target zu mobilisieren87
. Die erhoffte Wirkung besteht darin, dass die institu-
tionellen Aktionäre des Übernahmekandidaten ihrerseits Druck auf den Ver-
waltungsrat erzeugen, in Gespräche mit der willigen Partei einzutreten.
Manchmal sucht der Übernahmeinteressent, evtl. mit Unterstützung eines
Proxy Solicitors, auch den direkten Kontakt zu den institutionellen Aktionä-
ren der Zielgesellschaft, die nicht selten auch am Übernahmeinteressenten
beteiligt sind. In einer weiteren Eskalationsstufe findet sich möglicherweise
ein aktivistischer Aktionär, welcher den Anbieter unterstützt und z.B. eine
ausserordentliche Generalversammlung verlangt, um den Verwaltungsrats-
präsidenten des Übernahmekandidaten auszuwechseln88
. Eine andere, im
Megadeal-Bereich allerdings selten angewandte Strategie besteht für die
übernahmewillige Partei darin, eine namhafte Beteiligung an der Zielgesell-
86 Als Bear Hug Letter bezeichnet man landläufig das an den Verwaltungsrat der „sich
zierenden Braut“ gerichtete Schreiben, worin ihr die willige Partei förmlich eine
Übernahme oder allenfalls einen Zusammenschluss unter Angabe des Preises und
weiterer wesentlicher Konditionen vorschlägt und die Gegenpartei dazu auffordert,
in Gespräche einzutreten. 87
Für ein prominentes Beispiel eines solchen Lecks s. Bloomberg vom 30. April
2015, „Monsanto is Said to Approach Syngenta Again About a Takeover“, abrufbar
unter <https://www.bloomberg.com/ne ws/articles/2015-04-30/monsanto-is-said-to-
approach-syngenta-again-about-a-takeover>; Bloomberg vom 17. November 2015,
„Monsanto Says It’s Evaluating Another Takeover Bid for Syngenta”, abrufbar
unter <https://www.bloomberg.com/news/articles/2015-11-17/monsanto-says-it-s-eva
luating-another-takeover-bid-for-syngenta>. Nicht selten werden solche Neuigkei-
ten durch US Online-Medien verbreitet. 88
S. z.B. den Übernahmekampf um Akzo Nobel, in dem Elliott Advisors im Mai
2017 vor einem Amsterdamer Gericht Klage gegen Akzo Nobel erhob mit dem Be-
gehren, es sei zwecks Abwahl des Verwaltungsratspräsidenten eine ausserordentli-
che Generalversammlung einzuberufen; s. <https://www.ft. com/content/02816972-
3488-11e7-bce4-9023f8c0fd2e>.
20 Jahre Megadeals
51
schaft aufzubauen, um die Ernsthaftigkeit ihres Vorschlags zu untermauern
und bei Widerstand an einer Generalversammlung wohlgesinnte Kandidaten
zur Wahl in den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft vorzuschlagen oder als
Aktionär anderweitig Druck auszuüben.
Insgesamt ist die Anfälligkeit Schweizer Gesellschaften für solche Druckver-
suche und Vorstösse grösser geworden, seitdem der Verwaltungsrat jährlich
wiedergewählt und die Entschädigung durch die Aktionäre genehmigt wer-
den muss89
. Allerdings ist der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft den Druck-
versuchen nicht wehrlos ausgeliefert. Er wird seinerseits versuchen, seine
institutionellen Aktionäre davon zu überzeugen, dass die Transaktion nicht
den vollen Wert liefert und die Vollzugsrisiken (namentlich regulatorischer
Natur) zu hoch sind. Ferner sucht der Verwaltungsrat nicht selten Kontakt zu
möglichen White Knights für eine Übernahme oder initiiert Alternativtrans-
aktionen, wie z.B. die Abspaltung eines Geschäftsbereichs oder ein grösseres
Aktienrückkaufsprogramm, um auf diese Weise Wert für die Aktionäre zu
generieren und deren Unterstützung zu sichern.
3. Namentlich: Put up or Shut up
Aus rechtlicher Sicht kann die öffentlich belagerte Zielgesellschaft nament-
lich erwägen, ein PUSU-Verfahren vor der UEK in Gang zu setzen. Unter
dem Institut des „Put up or Shut up“ oder „PUSU“ kann die UEK eine Per-
son, die öffentlich bekannt gibt, dass sie ein öffentliches Angebot in Betracht
zieht, verpflichten, innerhalb einer bestimmten Frist entweder ein Angebot
für die Zielgesellschaft zu veröffentlichen oder öffentlich zu erklären, inner-
halb von sechs Monaten weder ein Angebot zu unterbreiten noch eine die
Angebotspflicht auslösende Beteiligungsschwelle zu überschreiten90
. Durch
diese Anordnung soll der Belagerungszustand für das Target und die Unsi-
89 S. Art. 3 f. und Art. 18 f. der Verordnung gegen die übermässige Vergütung bei
börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) vom 20. November 2013 (SR 221.
331). Die Verordnung trat am 1. Januar 2014 in Kraft. 90
Art. 53 Abs. 1 und 2 UEV. Zur PUSU s. TSCHÄNI RUDOLF, Put-up or Shut-up
(PUSU), in: WEBER (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen des Gesellschafts- und
Finanzmarktrechts – Festschrift für Hans Caspar von der Crone zum 60. Ge-
burtstag, Zürich/Basel/Genf 2017, 657 ff. (zit. PUSU).
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
52
cherheitsphase für dessen Aktionäre, Mitarbeiter und Geschäftsumfeld zeit-
lich eingegrenzt werden. Hält sich der potenzielle Anbieter nicht an die Ver-
pflichtung, kann die UEK ein vom ihm später publiziertes Angebot als im
Zeitpunkt der Bekanntgabe des potenziellen Angebots vorangemeldet be-
trachten, soweit sich dies zugunsten der Angebotsempfänger auswirkt91
. Al-
lerdings setzt eine PUSU-Anordnung durch die UEK voraus, dass die öffent-
liche Bekanntgabe des Übernahmevorschlags vom Übernahmeinteressenten
ausgeht. Wird der Vorschlag ohne dessen Zutun zufolge eines Lecks, einer
Indiskretion oder einer Ad hoc-Meldung der Zielgesellschaft öffentlich be-
kannt, ist die PUSU-Regel in der Schweiz (im Unterschied zum Vereinigten
Königreich) nicht anwendbar92
. Ferner ist vorausgesetzt, dass sich die Be-
kanntgabe auf ein öffentliches Kaufangebot bezieht. Wird spezifisch eine
Fusion oder vage ein „Zusammenschluss“ öffentlich vorgeschlagen, so bleibt
für eine PUSU-Verfügung im Grundsatz kein Raum93
. Ausserdem hat auch
die Zielgesellschaft oft kein Interesse an einer PUSU-Order, weil diese den
Druck auf ihren Verwaltungsrat, innerhalb der von der UEK gesetzten Frist
eine Transaktion mit dem potenziellen Anbieter zu verhandeln und den Ak-
tionären zu präsentieren, u.U. zusätzlich erhöht. Vor diesem Hintergrund
erging bislang keine einzige PUSU-Anordnung. Namentlich sah die UEK im
Paradefall Monsanto-Syngenta davon ab, der Monsanto eine PUSU-Frist zu
setzen94
.
VI. Beendigungsrechte und Deal Protection
1. Beendigungsrechte
Die Zusammenschluss- bzw. Transaktionsverträge, die in Megadeals abge-
schlossen werden, sehen regelmässig das Recht der Transaktionsparteien vor,
den Vertrag unter gewissen Umständen zu beenden. Abgesehen von öffentli-
chen Kaufangeboten führt eine solche Vertragsbeendigung ohne weiteres
91 Art. 53 Abs. 4 UEV.
92 S. TSCHÄNI, PUSU (FN 90), 660 f.
93 S. TSCHÄNI, PUSU (FN 90), 661.
94 TSCHÄNI, PUSU (FN 90), 667.
20 Jahre Megadeals
53
auch zum Abbruch der Transaktion. So bedingt z.B. eine Fusion einen gülti-
gen Fusionsvertrag95
. Eine Übernahme mittels Kaufangebot ist hingegen
– da technisch direkt an die Aktionäre gerichtet – nicht abhängig vom Be-
stand der Transaktionsvereinbarung zwischen dem Anbieter und der Zielge-
sellschaft und kann im Gegenteil nur beendet werden, wenn gleichzeitig
auch eine Bedingung des Angebots ausfällt. Ansonsten bleibt der Anbieter an
sein Angebot gebunden, auch wenn die Vereinbarung mit der Zielgesell-
schaft wegfällt.
Die in den Verträgen anzutreffenden Voraussetzungen und Mechanismen zur
Beendigung sind im Einzelnen vielfältig. Grob lassen sich drei Kategorien
von Umständen unterscheiden, unter welchen ein Beendigungsrecht vorge-
sehen ist. Zunächst steht regelmässig jeder Partei grundsätzlich das Recht zu,
den Vertrag zu beenden, wenn eine Bedingung ausfällt, bzw. bis zu einem
bestimmten Datum („Long Stop Date“ oder „Outside Date“) nicht eintritt
und darauf nicht verzichtet wird. In einem Zusammenschluss (Fusion, Trian-
gular Merger) steht z.B. jeder Partei das Recht zur Beendigung zu, wenn
eine der Generalversammlungen den Zusammenschluss nicht genehmigt
bzw. die notwendigen Beschlüsse nicht gefasst hat, oder wenn die zuständi-
gen Fusionskontrollbehörden die notwendigen Freigaben bis zum Long Stop
Date nicht erteilt haben96
. Auch in Megadeals, die als öffentliche Kaufange-
bote strukturiert sind, ist eine solche Regelung nicht unüblich97
, wobei die
Vertragsfreiheit der Parteien durch die übernahmerechtlichen Vorschriften
und die Praxis der UEK zum Zeitplan des Angebots und zur Geltungsdauer
der Bedingungen eingeschränkt ist. So sind die Parteien z.B. nicht frei darin,
für die wettbewerbsrechtlichen Freigaben ein Long Stop Date nach eigenem
Gutdünken zu vereinbaren.
Oft sehen die Verträge sodann ein Beendigungsrecht zugunsten einer Partei
vor, wenn die Gegenpartei alle oder bestimmte Zusicherungen oder Ver-
tragspflichten in wesentlicher Weise verletzt hat98
. In Zusammenschlussver-
trägen (Fusion, Triangular Merger) erlauben es solche Klauseln, die Transak-
95 Art. 12 ff. FusG.
96 S. z.B. Merger Agreement Clariant-Huntsman (FN 52), Ziff. 8.1(c), (f), (g) und (h).
97 S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 11(a)(i).
98 S. z.B. Merger Agreement Clariant-Huntsman (FN 52), Ziff. 8.1(b).
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
54
tion gegebenenfalls abzubrechen. Auch in Transaktionsverträgen zu öffentli-
chen Kaufangeboten sind entsprechende Beendigungsrechte zu finden, na-
mentlich zugunsten des Anbieters für den Fall, dass der Verwaltungsrat der
Zielgesellschaft das Angebot vertragswidrig nicht zur Annahme empfiehlt
oder seine Empfehlung zurückzieht99
. Allerdings bleibt der Anbieter unge-
achtet einer solchen Vertragsbeendigung an sein öffentliches Angebot ge-
bunden und kann davon nur Abstand nehmen, wenn zugleich eine Angebots-
bedingung ausfällt100
.
Die letzte Kategorie von Beendigungsrechten steht im Zusammenhang mit
dem sog. „Fiduciary Out“ des Verwaltungsrates. Danach soll der Verwal-
tungsrat einer Zusammenschlusspartei bzw. der Zielgesellschaft in einem
öffentlichen Kaufangebot frei sein, von der vereinbarten Transaktion Ab-
stand zu nehmen, soweit dies zur Erfüllung seiner Sorgfalts- und Treue-
pflichten notwendig ist, wenn eine Konkurrenztransaktion unterbreitet wird,
die in der bona fide Beurteilung des Verwaltungsrats der vereinbarten Trans-
aktion überlegen ist101
. Zieht der Verwaltungsrat unter solchen Umständen
z.B. seine Empfehlung des Erstangebots zurück, kann jede Partei die Verein-
barung beenden, die sich zurückziehende Partei jedoch nur dann, wenn sie
ihre No Shop-Verpflichtung nicht verletzt hat und das der Gegenpartei einge-
räumte Informationsrecht und Right to Match wahrt sowie eine allenfalls
vereinbarte Break Fee bezahlt102
.
99 S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 11(a)(iii).
100 Dies ist einer der Gründe, weshalb Zusicherungen und Gewährleistungen durch die
Zielgesellschaft dem Anbieter in einem öffentlichen Kaufangebot praktisch keinen
Schutz verleihen. Auch wenn die Verletzung einer Zusicherung dem Anbieter das
Recht gibt, die Transaktionsvereinbarung mit der Zielgesellschaft zu beenden,
bleibt er dennoch an sein Angebot gebunden (MAC vorbehalten), ohne den Ange-
botspreis reduzieren zu können; s. dazu jüngst SCHENKER URS, Die Übernahme von
Autonomy durch Hewlett-Packard, GesKR 4/2017, 502 ff., 504 ff., m.w.H. 101
S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 3.3(a) am Ende
und Ziff. 3.3(c). 102
S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 3.3(c) i.V.m.
Ziff. 11(a)(v) und (vi). Zu Informationsrecht, Right to Match und Break Fee s. VI.2.
und VI.3. sogleich unten.
20 Jahre Megadeals
55
2. No Shop, Information Right und Right to Match
Die Transaktionsvereinbarungen im Megadeal-Bereich sehen regelmässig
No Shop-Verpflichtungen, Informationspflichten und ein Right to Match vor.
Bei Zusammenschlüssen (Fusion, Triangular Merger, Quasi-Fusion) werden
die Rechte und Pflichten beiden Parteien reziprok eingeräumt bzw. auferlegt,
während bei Übernahmen mittels öffentlichen Kaufangeboten lediglich die
Zielgesellschaft verpflichtet ist.
Eine No Shop-Verpflichtung besteht in der Pflicht, nicht aktiv nach Dritt-
transaktionen zu suchen und mit Dritten nicht aktiv in entsprechende Ge-
spräche einzutreten103
. Wird die verpflichtete Partei hingegen passiv von
einem Dritten angegangen, so darf sie (unter gewissen Voraussetzungen) mit
diesem Dritten Gespräche aufnehmen und in Verhandlungen eintreten104
.
Gegebenenfalls trifft die angesprochene Partei jedoch die Pflicht, die Gegen-
partei ohne Verzug – oft innerhalb von 24 oder 48 Stunden – zu informieren
(Information Right)105
. Unterbreitet ein Dritter schliesslich einen Vorschlag
für eine Konkurrenztransaktion in Bezug auf die Zielgesellschaft oder eine
Zusammenschlusspartei, so hat die Gegenpartei das Right to Match, d.h. das
Recht, die ursprünglich vereinbarte Transaktion in finanzieller Hinsicht kurz-
fristig aufzubessern, um mit der vorgeschlagenen Konkurrenztransaktion
mindestens gleichzuziehen106
. Tut sie dies, so bleibt die andere Vertragspartei
an den Vertrag (mit den besseren Konditionen) gebunden und darf nicht „die
Seite wechseln“. Übt die berechtigte Partei hingegen das Right to Match
nicht fristgerecht aus, hat die angesprochene Partei das Recht, die Transakti-
onsvereinbarung zu beenden.
103 S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 3.3(a)(i)-(iv).
104 S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 3.3(a) am
Ende. 105
S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 3.3(d). 106
S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 3.3(c).
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
56
No Shop, Information Right und Right to Match sind unter Schweizer Recht
grundsätzlich als gültig zu betrachten107
. Zuweilen werden die Klauseln aber
sehr einschränkend formuliert. Es sollte nach Möglichkeit darauf geachtet
werden, dass sie die Parteien nicht in ein zu enges Korsett zwingen, das es
diesen faktisch verunmöglicht, vertragskonform aus der vereinbarten Trans-
aktion auszusteigen, nachdem eine höherwertige Konkurrenztransaktion von
aussen herangetragen wurde.
3. Break bzw. Termination Fee
Break bzw. Termination Fees werden in Megadeals fast standardmässig ver-
einbart, und zwar sowohl im Rahmen von Zusammenschlüssen (Fusion,
Triangular Merger, Tauschangebot) als auch – sofern rechtlich zulässig108
–
in öffentlichen Übernahmen109
. In Zusammenschlüssen sind die vereinbarten
Break Fees in der Tendenz höher und die Umstände, unter welchen sie zahl-
bar sind, weiter gefasst als in Übernahmen, was nicht zuletzt darauf zurück-
zuführen sein dürfte, dass sie in Zusammenschlüssen reziprok vorgesehen
werden.
a) Bei öffentlichen Übernahmen
Bei Übernahmen mittels öffentlichen Kaufangeboten wird die Break Fee
lediglich einseitig durch die Zielgesellschaft versprochen. Diese verpflichtet
sich gegenüber dem Anbieter zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme,
falls das Angebot nicht zustande kommt, weil beispielsweise der Verwal-
tungsrat seine Empfehlung widerruft, eine Dritttransaktion zur Annahme
empfiehlt oder mit einem Dritten eine Vereinbarung über eine Dritttransakti-
on abschliesst, oder etwa weil ein Dritter mehr als 50% erwirbt und sein
107 Dies im Unterschied z.B. zu der Lage im Vereinigten Königreich. Dort sind solche
Sicherungsmechanismen durch den City Code on Takeovers and Mergers weitge-
hend untersagt. 108
Gewisse Rechtsordnungen, namentlich der City Code on Takeovers and Mergers,
schliessen Break Fees in öffentlichen Übernahmen explizit aus. 109
Zu Break Fees im Allgemeinen s. die Nachweise in FN 79 sowie TANNÒ CHRIS-
TIAN, Break-up fee-Vereinbarungen in Unternehmenszusammenschlussverträgen,
Zürich/St. Gallen 2012.
20 Jahre Megadeals
57
Angebot als zustande gekommen erklärt110
. Demgegenüber wäre eine Fee,
die allein deshalb zahlbar ist, weil das Angebot nicht zustande kommt, gänz-
lich unüblich. Eine Ablehnung des Angebots durch die Aktionäre bleibt so-
mit grundsätzlich folgenlos, solange kein Konkurrenzangebot vorliegt.
Betragsmässig sind die in Grossübernahmen vereinbarten Break Fees be-
achtlich. So war Syngenta zur Zahlung einer Fee an ChemChina in Höhe von
848 Millionen Franken verpflichtet, entsprechend 1.99% des Transaktions-
werts111
, während sich die Zahlung, die Actelion an Johnson & Johnson hätte
leisten müssen, auf 500 Millionen Franken oder 1.65% des Transaktions-
werts belief112
. Allerdings sind die Parteien nicht frei, eine Fee in beliebiger
Höhe zu vereinbaren. Vielmehr prüft die UEK die Break Fee und schreitet
ein, wenn sie sie als übermässig beurteilt. Übermässig ist die Abstandszah-
lung dann, wenn sie die Entscheidungsfreiheit der Angebotsempfänger ein-
schränkt, indem diese vor die Wahl gestellt werden, das öffentliche Angebot
anzunehmen oder einen Minderwert der Zielgesellschaft in Kauf zu nehmen,
oder wenn potentielle Konkurrenzanbieter von der Lancierung eines Kon-
kurrenzangebots abgeschreckt werden113
. Vor diesem Hintergrund muss die
Höhe der Fee unter Würdigung aller relevanter Umstände verhältnismässig
sein und sich insbesondere an den Kosten des Anbieters orientieren, ohne
dass ein fester Grenzwert (absolut oder in Prozent des Transaktionswerts)
massgeblich wäre114
. Den Umstand, dass die Parteien gegebenenfalls eine
Reverse Break Fee vereinbart haben, betrachtet die UEK als irrelevant115
.
Letztlich muss es dem Anbieter damit gelingen, der UEK plausibel darzule-
110 S. z.B. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina (FN 80), Ziff. 9(b).
111 S. Verfügung 624/02 Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 7.2 Rz 38. Die ursprüng-
lich vereinbarte Fee betrug gar 1.5 Milliarden US-Dollar; s. FN 116. 112
S. Verfügung 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 8.2 Rz 66. Für eine
Übersicht über die in der Vergangenheit vereinbarten und von der UEK akzeptier-
ten Break Fees s. TSCHÄNI/DIEM/IFFLAND/GABERTHÜEL (FN 16), FN 463. 113
Verfügungen 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 8.1 Rz 62; 624/02
Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 7.1 Rz 30. 114
Verfügungen 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 8.1 Rz 63; 624/02
Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 7.1 Rz 31, m.w.H. 115
Verfügung 624/02 Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 7.2 Rz 36; zur Reverse
Break Fee s. IV.3 oben.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
58
gen, dass die Break Fee seine Kosten bei einem Abbruch der Transaktion
nicht übersteigt. Gelingt dieser Nachweis nicht, muss die Fee auf den Betrag
der nachgewiesenen Kosten gekürzt werden116
.
b) Bei Zusammenschlüssen
Bei Zusammenschlüssen (Mergers of Equals) mittels Fusion, Triangular
Merger oder Tauschangebot wird die Break Fee i.d.R. reziprok vereinbart.
Sie ist im Falle einer Beendigung der Transaktion durch diejenige Partei
zahlbar, welcher die Beendigung zuzuschreiben ist, z.B. weil deren Verwal-
tungsrat seine Empfehlung widerruft, eine Dritttransaktion zur Annahme
empfiehlt oder mit einem Dritten eine Vereinbarung über eine Dritttransakti-
on abschliesst, weil ein Dritter mehr als 50% an dieser Partei erwirbt und
sein Angebot als zustande gekommen erklärt, oder mitunter bereits deshalb,
weil die Generalversammlung der betreffenden Partei ihre Zustimmung ver-
weigert, ohne dass eine Dritttransaktion im Raume steht117
. In den vorlie-
gend behandelten Megadeals wurden Break Fees z.B. wie folgt vereinbart:
– Clariant-Huntsman: 60 Millionen US-Dollar (ca. 0.6% des Transakti-
onsvolumens), zahlbar falls die Generalversammlung die Zustimmung
verweigert, bzw. 210 Millionen US-Dollar (ca. 2% des Transaktionsvo-
lumens), sollte die Transaktion aus bestimmten anderen Gründen (na-
mentlich aufgrund einer Dritttransaktion) beendet werden118
.
116 So geschehen im Fall Syngenta-ChemChina, in welchem die ursprünglich verein-
barte Fee von USD 1.5 Mrd. durch Teilverzicht der ChemChina auf den Betrag der
durch HSBC nachgewiesenen Kosten in Höhe von USD 865 reduziert wurde; s.
Verfügung 624/02 Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 7.2 Rz 34 ff. 117
S. z.B. Merger Agreement Clariant-Huntsman (FN 52), Ziff. 8.2(b) und (c). 118
Mit Termination Agreement vom 26. Oktober 2017 einigten sich Clariant und
Huntsman darauf, die Transaktion im gegenseitigen Einvernehmen zu beenden, oh-
ne dass eine Zahlung der einen an die andere Partei fällig würde; s. Termination
Agreement among Clariant Ltd, HurricaneCyclone Corporation und Huntsman
Corporation vom 26. Oktober 2017, abrufbar unter <https://www.sec.gov/Archives/
edgar/data/1089748/000110465917064132/a17-24503_2ex10d1.htm>. Jedoch ver-
einbarten die Parteien eine Tail Fee; s. dazu VI.3.c) unten.
20 Jahre Megadeals
59
– The Chubb-ACE: 930 Millionen US-Dollar (ca. 3% des Transaktions-
volumens) als einseitige Verpflichtung von The Chubb als übertragende
Partei (keine Fee zahlbar durch ACE als übernehmende Gesellschaft)119
.
– Holcim-Lafarge: 350 Millionen Euro (ca. 0.75% des Transaktionsvolu-
mens), zahlbar namentlich wenn ein Drittangebot auf Holcim bzw.
Lafarge unterbreitet wird und der Verwaltungsrat der Holcim bzw.
Lafarge seine Empfehlung zurückzieht120
.
– SBG-SBV (UBS): potenzielle Zahlung in Milliardenhöhe bei einem
öffentlichen Kaufangebot, nachdem die Generalversammlungen der
Parteien die Fusion beschlossen haben121
.
Problematisch sind bei Zusammenschlüssen namentlich Break Fees, welche
allein an die Nichtzustimmung der Generalversammlung einer Partei an-
knüpfen, ohne dass eine Dritttransaktion vorgeschlagen oder angekündigt
wurde, wie dies z.B. im Fall Clariant-Huntsman (wenn auch in vergleichs-
weise geringer Höhe) vereinbart wurde. Nach h.M. sind solche Fees für die
Schweizer Gesellschaft ungültig, wenn dadurch die Entscheidungsfreiheit
der Generalversammlung nicht unerheblich eingeschränkt wird122
. Vor die-
sem Hintergrund sollte nach Möglichkeit angestrebt werden, auf eine Break
Fee, die nur an einen ablehnenden Generalversammlungsbeschluss anknüpft,
in einem klar übermässigen Betrag zu verzichten.
119 S. Ziff. 8.2(b) des Agreement and Plan of Merger by and among ACE Limited,
William Investment Holdings Corporation and The Chubb Corporation vom
30. Juni 2015, abrufbar unter <https://www.sec.gov/Archives/edgar/data/20171/000
119312515318547/d36120ddefm14a.htm>. 120
S. Registration Statement der Holcim Ltd vom 11. Mai 2015, abrufbar unter <http://
www.lafargeholcim.com/sites/lafargeholcim.com/files/atoms/files/amf_150511_en_
registration_document_bis.pdf>, S. ii. 121
Abrufbar unter <https://www.rwi.uzh.ch/dam/jcr:00000000-5fc0-4a8e-ffff-ffffbef60
5c1/UBS_AG_Fus ionsvertrag_I_5.12.1997.pdf>. 122
S. für die Fusion WOLF MATTHIAS, Art. 12 N 12, in: WATTER et al. (Hrsg.), Basler
Kommentar zum Fusionsgesetz, 2. Aufl., Basel 2015, m.w.H.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
60
c) „Tail Fee“?
In Megadeals wird regelmässig vereinbart, dass die Break Fee durch die
Zielgesellschaft bzw. durch eine Zusammenschlusspartei auch nach Beendi-
gung der Transaktion zahlbar ist, wenn vorher eine Konkurrenztransaktion
vorgeschlagen oder öffentlich angekündigt wurde und diese oder allenfalls
eine andere Alternativtransaktion innerhalb eines bestimmten Zeitraumes
(z.B. 9, 12 oder 18 Monaten) durchgeführt oder zumindest vereinbart
wird123
. In dieser Ausgestaltung ist eine solche „Tail Break Fee“ gerechtfer-
tigt, weil sie dem legitimen, beidseitigen Bedürfnis der Parteien Rechnung
trägt, die vereinbarte Transaktion gegen Konkurrenztransaktionen abzusi-
chern. Ungerechtfertigt wäre demgegenüber eine „Tail Fee“, die zahlbar
wird, wenn die vereinbarte Ersttransaktion ohne Vorliegen einer Konkurrenz-
transaktion am Widerstand der Aktionäre scheitert und danach eine Alterna-
tivtransaktion zustande kommt. Unseres Wissens wurde eine so gestaltete
Fee aufgrund besonderer Umstände erst einmal vereinbart, nämlich im Fall
Clariant-Huntsman. Nachdem sich dort abgezeichnet hatte, dass der verein-
barte Zusammenschluss mittels Triangular Merger am Widerstand eines Cla-
riant-Grossaktionärs scheitern würde, kamen die Parteien überein, die Trans-
aktion im gegenseitigen Einvernehmen zu beenden, ohne dass eine Break
Fee zu bezahlen war124
. Im Gegenzug verpflichtete sich Clariant, Huntsman
eine Tail Fee in Höhe von 60 Millionen US-Dollar bzw. unter gewissen Um-
ständen 210 Millionen US-Dollar zu entrichten, falls innerhalb von 18 Mo-
naten eine im Einzelnen definierte, vergleichbare Transaktion über Clariant
konsumiert oder vereinbart würde125
. Abgesehen möglicherweise von sol-
123 Solche Tail Fees waren z.B. vorgesehen im Holcim-Lafarge-Zusammenschluss mit
einer Tail-Periode von 9 Monaten (s. Registration Statement Holcim vom 11. Mai
2015 (FN 120), S. ii), in der ChemChina-Syngenta Übernahme mit einer Tail Peri-
ode von 12 Monaten (s. Transaction Agreement Syngenta-ChemChina [FN 80],
Ziff. 9(b)(iv)), in der The Chubb-ACE-Transaktion mit einer Tail-Periode von
18 Monaten (s. Merger Agreement ACE-The Chubb [FN 119], Ziff. 8.2[b]), oder
im Clariant-Huntsman-Zusammenschluss mit einer Tail-Periode von ebenfalls
18 Monaten (s. Merger Agreement Clariant-Huntsman [FN 52], Ziff. 8.2(b) und
[c]). 124
S. Termination Agreement Clariant-Huntsman (FN 118), Ziff. 1. 125
S. im Einzelnen Termination Agreement Clariant-Huntsman (FN 118), Ziff. 3; s.
auch FN 65.
20 Jahre Megadeals
61
chen Spezialsituationen sind so ausgestaltete Tail Fees in M&A-Transaktio-
nen nicht angezeigt, weil sie die Handlungsfreiheit des Verwaltungsrates
nach einer gescheiterten Transaktion einschränkt.
4. Tender Undertaking und Voting Agreement
Eine naheliegende Möglichkeit, die Transaktionssicherheit von Zusammen-
schlusstransaktionen zu erhöhen, stellt das Voting Agreement dar126
. Darin
verpflichten sich bedeutende nahestehende Aktionäre eines Fusionspartners
gegenüber dem anderen Fusionspartner, an der Generalversammlung der
eigenen Gesellschaft für die Beschlüsse zu stimmen, die für die Durchfüh-
rung der Transaktion notwendig sind – im Falle einer Fusion also namentlich
für den Fusionsbeschluss und bei einem Triangular Merger bzw. einer Quasi-
fusion für den Kapitalerhöhungsbeschluss127
. Damit die Stimmpflicht nicht
ins Leere läuft, wird dem Aktionär ausserdem regelmässig die Pflicht aufer-
legt, den Aktienbestand jedenfalls bis zu der Generalversammlung nicht zu
veräussern oder wesentlich zu reduzieren.
Voting Agreements sind unter Schweizer Recht ohne weiteres gültig. Jedoch
ist die Offenlegungspflicht zu beachten, wenn der Grossaktionär einer
Schweizer Fusionspartei eine Stimmbindung eingeht. Durch den Abschluss
des Voting Agreement werden der verpflichtete Aktionär und der berechtigte
(Schweizer oder ausländische) Fusionspartner zu einer offenlegungspflichti-
gen Gruppe, was die Meldepflicht begründet, sofern die Parteien zusammen
mindestens 3% der Stimmrechte halten128
. Eine offenlegungsrechtlich rele-
vante Gruppenbildung ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn die berech-
126 Zum Tender Undertaking als Instrument zur Erhöhung der Transaktionssicherheit
von öffentlichen Kaufangeboten s. III.2. (bei FN 21 ff.) oben. 127
Für ein Beispiel sei auf die Holcim-Lafarge-Transaktion hingewiesen, in welcher
sich die nahestehenden Grossaktionäre von Holcim und Lafarge jeweils verpflich-
teten, ihre Stimmen an der jeweiligen Generalversammlung für die erforderlichen
Beschlüsse abzugeben (Holcim-seitig) bzw. ihre Aktien in das Angebot anzudienen
(Lafarge-seitig). 128
Art. 120 f. FinfraG; Art. 12 der Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktauf-
sicht über die Finanzinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und De-
rivatehandel (Finanzmarktinfrastrukturverordnung-FINMA, FinfraV-FINMA) vom
3. Dezember 2015 (SR 958.111).
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
62
Nachfristsofern Angebot erfolgreich
(10 BT)
Karenzfrist(10 BT)
max. 6 Wochen Angebotsfrist(20 – 40 BT)
Voranmeldung Prospekt Zwischenergebnis(Erklärung, ob zustande
gekommen oder nicht)
Endg.
Ergeb-
nis
Vollzug
10 BT
4 BT
tigte Fusionspartei (oder eine ihrer Gruppengesellschaften) selbst eine Betei-
ligung am Schweizer Fusionspartner hält; ist dies nicht der Fall, entsteht
mangels Gruppenbildung keine Meldepflicht129
.
VII. Megadeals mittels öffentlichen Kaufangeboten
1. Zeitplan
a) Ausgangslage
Aufgrund der regulatorischen Meldepflichten und Hürden ist von der An-
noncierung eines Megadeals bis zu dessen Vollzug ohne weiteres mit einem
Zeitbedarf von 9 bis 12 Monaten oder mehr zu rechnen130
. Demgegenüber
beträgt der gesetzlich vorgegebene Zeitplan öffentlicher Kaufangebote rund
4 bis maximal 5 Monate, wie sich aus dem folgenden groben Ablaufschema
ergibt:
Angesichts der Diskrepanz zwischen dem gesetzlich vorgegebenen und dem
für einen Megadeal benötigten Zeitrahmen stellt sich die Frage, wie die Zeit-
129 Die Begründung einer offenlegungspflichtigen Gruppe setzt voraus, dass die betei-
ligten Personen Aktien an der Gesellschaft halten; s. TSCHÄNI RUDOLF/GABER-
THÜEL TINO, in: SESTER et al. (Hrsg.), St. Galler Handbuch zum Schweizer Fi-
nanzmarktrecht, Finanzmarktaufsicht und Finanzmarktinfrastrukturen, § 23 N 58,
m.w.H. 130
S. IV.1. oben.
20 Jahre Megadeals
63
pläne in Übereinstimmung zu bringen sind. In erster Linie stehen dazu der
Vollzugsaufschub (Verlängerungsvariante „front-loaded“) oder die Verlänge-
rung der Angebotsfrist (Variante „back-loaded“) zur Verfügung.
b) Verlängerungsvariante „front-loaded“: Aufschub des Vollzugs
In der Variante „front-loaded“ läuft das Angebot zunächst nach Massgabe
der gesetzlich vorgesehenen Fristen im üblichen Rahmen ab131
. Gleichzeitig
mit der Annoncierung der Transaktion wird die Voranmeldung publiziert, um
den „Preis einzufrieren“, gefolgt vom Angebotsprospekt mit dem Bericht des
Verwaltungsrates der Zielgesellschaft. Erklärt der Anbieter das Angebot nach
Ablauf der Karenzfrist und der Angebotsfrist als zustande gekommen, läuft
die übliche Nachfrist. Weil die regulatorischen Angebotsbedingungen in
einem Megadeal zu diesem Zeitpunkt häufig noch nicht erfüllt sind, schiebt
der Anbieter nun jedoch den Vollzug um bis zu vier Monate auf132
, wozu er
sich nach der jüngeren Praxis der UEK bereits im Angebotsprospekt ver-
pflichten muss133
. Sind am Ende der viermonatigen Aufschubsfrist immer
noch nicht alle regulatorischen Bedingungen erfüllt, doch besteht Aussicht
darauf, dass die Bedingungen noch eintreten werden, so muss der Anbieter
bei der UEK eine weitere Verlängerung der Frist beantragen134
. Die UEK
entscheidet über dieses weitere Verlängerungsgesuch im Rahmen einer Inte-
131 So ging z.B. Johnson & Johnson in ihrem Angebot auf Actelion vor; s. Definitive
Meldung des Endergebnisses vom 27. April 2017, S. 2. 132
Dazu ist er nach Art. 14 Abs. 6 UEV berechtigt. Zusätzlich verlangt die UEK für
einen Aufschub, dass sich der Anbieter das Recht zum Vollzugsaufschub im Pros-
pekt ausdrücklich vorbehalten hat. Dazu und zur Verlängerungsfrist von vier Mona-
ten s. Verfügungen 630/02 gategroup Holding AG vom 18. November 2016, E. 1
Rz 1, m.w.H.; 382/02 Ciba Holding AG vom 11. März 2009, E. 2 Rz 5. 133
Verfügung 648/01 Pax Anlage AG vom 4. Januar 2017, E. 2.2.2 Rz 16. 134
In der Vergangenheit handelte es sich um ein Recht des Anbieters. Die UEK gestat-
tete solche weiteren Verlängerungen, wenn der Anbieter ein spezielles Interesse
nachweisen und darlegen konnte, dass die ausstehenden Bedingungen in Kürze er-
füllt werden, wobei zusätzlich das Interesse der andienenden Aktionäre berücksich-
tigt wurde; s. Verfügung 382/02 Ciba Holding AG vom 11. März.2009, E. 2 Rz 5;
Empfehlung 0249/01 Saia-Burgess Electronics Holding AG vom 15. Juli 2005,
E. 3.2; zuletzt Verfügung 630/02 gategroup Holding AG vom 18. November 2016,
E. 1 Rz 1.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
64
ressenabwägung und wird ihm stattgeben bzw. eine Verlängerung gar anord-
nen, wenn sie zum Schluss gelangt, dass die Verlängerung im Interesse der
Angebotsempfänger, welche das öffentliche Angebot angenommen haben,
liegt135
.
c) Verlängerungsvariante „back-loaded“: Verzögerung des Prospekts
bzw. Verlängerung der Angebotsfrist
In der Variante „back-loaded“ publiziert der Anbieter zunächst die Voran-
meldung wiederum gleichzeitig mit der Annoncierung der Transaktion, ver-
zögert danach jedoch die Publikation des Prospekts oder verlängert die An-
gebotsfrist jeweils derart, dass die Angebotsfrist in etwa dann abläuft, wenn
die letzte regulatorische Zustimmung vorliegt.
Der Anbieter muss den Angebotsprospekt grundsätzlich innerhalb von sechs
Wochen seit der Voranmeldung veröffentlichen136
. Die UEK kann die Frist
auf Gesuch verlängern, wenn dies durch überwiegende Interessen gerechtfer-
tigt ist, namentlich wenn der Anbieter eine Bewilligung einer Behörde, ins-
besondere einer Wettbewerbsbehörde, einholen muss137
. Gestützt darauf
wurden im Zusammenhang mit wettbewerbsrechtlichen Freistellungen in der
Vergangenheit einige Verlängerungen bewilligt138
. Die UEK war dabei je-
doch jeweils sehr zurückhaltend und räumte nur kurze Verlängerungen von
135 S. Verfügungen 648/01 Pax Anlage AG vom 4. Januar 2017, E. 2.2.2 Rz 16; 630/02
gategroup Holding AG vom 18. November 2016, E. 1; 624/04 Syngenta AG vom
31. Oktober 2016, E. 1.3 (im Zusammenhang mit einer Verlängerung der Angebots-
frist); 621/01 Micronas Semiconductor Holding AG vom 21. Dezember 2015,
E. 6.2 Rz 32. 136
Art. 8 Abs. 1 erster Satz UEV. 137
Art. 8 Abs. 1 zweiter Satz UEV. 138
S. z.B. Verfügungen 648/01 Pax Anlage AG vom 4. Januar 2017, E. 3; 495/02 Uster
Technologie AG vom 30. Januar 2012, E. 1; 495/01 Uster Technologie AG vom
15. Dezember 2011, E. 1; Empfehlungen 0170/01 Bon appétit Group AG vom
18. Juli 2003, E. 1; 0202/01 Aare-Tessin AG für Elektrizität vom 11. Mai 2004,
E. 1; 0051/01 Keramik Holding AG Laufen vom 7. Oktober 1999; 0030/01 Fotola-
bo SA vom 10. März 1999.
20 Jahre Megadeals
65
wenigen Tagen und maximal drei Wochen ein139
. Eine dreiwöchige Verlänge-
rung des Angebotsprozesses wird in aller Regel jedoch nicht genügen, um
dem Zeitbedarf eines Megadeals gerecht zu werden.
Es bleibt dem Anbieter die Möglichkeit, die Angebotsfrist zu verlängern.
Diese beträgt grundsätzlich maximal 40 Börsentage; eine längere Frist setzt
die Zustimmung der UEK voraus140
. Die UEK gewährt Verlängerungen über
vierzig Börsentage hinaus, wenn dies durch überwiegende Interessen ge-
rechtfertigt ist. Im Rahmen der Übernahme der Syngenta durch ChemChina
räumte die UEK dem Anbieter die Möglichkeit ein, die Angebotsfrist jeweils
spätestens am letzten Börsentag der (gegebenenfalls verlängerten) Angebots-
frist um jeweils maximal 40 Börsentage zu verlängern, solange nicht sämtli-
che Bedingungen des Angebots erfüllt sind. Diese Verlängerungsmöglichkeit
wurde zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten seit dem Ablauf der
ursprünglichen Angebotsfrist gewährt141
, später aber noch einmal um weitere
fünf Monate (also auf insgesamt elf Monate) verlängert, nachdem die EU-
Kommission eine Phase II-Prüfung angeordnet hatte142
. Begründet wurde das
Verlängerungsrecht in diesem wie auch in einem weiteren Fall143
damit, dass
das Angebot in materieller Hinsicht wie auch verfahrensmässig möglichst
gleich ablaufen soll wie das parallel laufende US-Angebot, um die Gleichbe-
handlung der Angebotsempfänger zu gewährleisten. Ausserdem war von
Bedeutung, dass aufgrund des US-Angebots den Aktionären auch unter dem
Schweizer Angebot ein Widerrufsrecht gewährt wurde und eine zweite Han-
delslinie eingerichtet worden war, auf der angediente Aktien gehandelt wer-
den konnten144
.
139 S. Verfügung 648/01 Pax Anlage AG vom 4. Januar 2017, E. 3: Erstreckung um
drei Wochen; Empfehlungen 0384/02 sia Abrasives Holding AG vom 7. November
2008, E. 1 Rz 1 ff.: Erstreckung um acht Tage; 0269/01 Amazys Holding AG vom
8. März 2006, E. 1.1: Erstreckung um zehn Tage; 0103/01 Altin AG vom 22. Juni
2001, E. 1.1: Erstreckung um sieben Tage. 140
Art. 14 Abs. 4 UEV. 141
Verfügung 624/02 Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 11.1. 142
Verfügung 624/04 Syngenta AG vom 31. Oktober 2016, E. 1. 143
Verfügung 572/02 UBS AG vom 22. August 2014, E. 1. 144
Verfügung 624/04 Syngenta AG vom 31. Oktober 2016, E. 1.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
66
d) Vor- und Nachteile der Varianten
Aus Sicht des Anbieters, und regelmässig auch der Zielgesellschaft, weist
die Variante „front-loaded“ mit Vollzugsaufschub den Vorteil auf, dass der
Schwebezustand des zur Annahme offenen Angebots kurz ist und sich die
Aktionäre frühzeitig entscheiden müssen, ob sie das Angebot annehmen
wollen oder nicht. Dementsprechend kurz ist die Zeitperiode, während wel-
cher Marktschwankungen (d.h. namentlich steigende Börsenkurse) den Er-
folg des Angebots beeinträchtigen können. Im üblichen Rahmen bewegt sich
auch das Zeitfenster für Interloper, um ein Konkurrenzangebot zu unterbrei-
ten – es schliesst sich ebenfalls mit dem Ablauf der Angebotsfrist145
. Dem
steht der Nachteil gegenüber, dass die übliche No MAC-Bedingung nach der
Praxis der UEK146
bereits zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt, näm-
lich ebenfalls am Ende der Angebotsfrist, dahinfällt. Würde während der
nachfolgenden Monate bis zum Vollzug des Angebots ein Material Adverse
Change eintreten, könnte sich der Anbieter nicht mehr auf die Bedingung
berufen und müsste das Angebot dennoch vollziehen. Umgekehrt weist die
Variante „back-loaded“ aus Sicht des Anbieters den Vorteil auf, dass die No
MAC-Bedingung fast bis zum Vollzug des Angebots greift. Dem stehen als
Nachteile die lange Phase des zur Annahme offenen Angebots mit Wider-
rufsrecht der Aktionäre gegenüber, was vor allem in steigenden Märkten die
Annahmequote negativ beeinflussen kann, sowie das grosse Zeitfenster,
welches Interloper für ein konkurrierendes Angebot zur Verfügung steht.
In Anbetracht dieser Vor- und Nachteile dürfte die Variante „front-loaded“
mit Vollzugsaufschub aus Anbietersicht regelmässig die bevorzugte Variante
sein. Namentlich hält sie die Phase, während welcher die Transaktion den
Marktkräften und Interlopern ausgesetzt ist, kurz. Voraussetzung ist aller-
dings, dass der Anbieter nicht verpflichtet ist, den Aktionären nach Massga-
be des US-amerikanischen Rechts ein Widerrufsrecht zu gewähren147
.
145 Art. 50 Abs. 1 UEV.
146 S. z.B. Verfügung 651/01 LifeWatch AG vom 17. Februar 2017, E. 8.2 Rz 36 f.
147 S. dazu VII.2.b) unten.
20 Jahre Megadeals
67
2. Koordination mit den US-amerikanischen Vorschriften
a) Ausgangslage
In einem Megadeal sieht sich der Anbieter regelmässig mit der Situation
konfrontiert, dass ein hoher Bestand der Aktien der Zielgesellschaft, meis-
tens über 10% des Aktienkapitals, durch in den USA domizilierte Aktionäre
gehalten wird, sei es direkt in Aktien oder in sog. American Depositary Re-
ceipts (ADR) bzw. American Depositary Shares (ADS)148
. Würden diese
„U.S. Holders“ vom Angebot ausgeschlossen, was aus Schweiz-rechtlicher
Sicht unter gewissen Voraussetzungen möglich ist149
, wäre der Erfolg des
Angebots bzw. das Erreichen der Squeeze-out-Schwelle von mindestens
90% meistens gefährdet. Daher dürfte sich der Anbieter in einem Megadeal
148 So wurden zum Zeitpunkt des Angebots der ChemChina rund 27% der Syngenta-
Aktien durch U.S. Holders gehalten; s. Exemptive and No-Action Letter der SEC
vom 21. März 2016, Beilage S. 11, abrufbar unter <https://www.sec.gov/divisions/
corpfin/cf-noaction/2016/syngenta-032116-14d-11c.pdf>. Auch im Fall Actelion
und Ciba (letzteres kein Megadeal) betrug der Anteil der durch U.S.-Aktionäre ge-
haltenen Aktien jeweils mehr als 10% (jedoch weniger als 40%). 149
Gestützt auf die einschlägige Praxis der UEK (s. z.B. Verfügung 416/01 Jelmoli
Holding AG vom 13. Juli 2009, E. 3; Empfehlung 0243/08 Leica Geosystems Hol-
dings AG vom 24. August 2005, E. 3.3) werden sog. Sales Restrictions in Bezug
auf Aktionäre in den USA regelmässig zugelassen, es sei denn, die Zielgesellschaft
habe in der Vergangenheit ihre Aktien öffentlich auf dem US-Markt platziert, d.h.
öffentlich zur Zeichnung angeboten (Verfügung 416/01 Jelmoli Holding AG vom
13. Juli 2009, E. 3; Empfehlung 0243/08 Leica Geosystems Holdings AG vom
24. August 2005, E. 3.2). Auch die Emission von ADR (gesponsertes Programm)
dürfte eine öffentliche Platzierung in den USA darstellen, weshalb es einem US-
Aktionär bei Vorliegen von ADR möglich sein muss, seine Aktien ins Angebot an-
zudienen (vgl. Verfügung 416/01 Jelmoli Holding AG vom 13. Juli 2009, E. 3;
Empfehlung 0318/04 Converium Holding AG vom 9. Juni 2007, E. 3). Auf die
ADR selbst muss sich das Angebot aber nicht notwendigerweise beziehen (Verfü-
gung 450/01 Day Software Holding AG vom 20. August 2010, E. 2.2; Empfehlun-
gen 0162/03 Centerpulse AG vom 2. Juli 2003, E. 3.2.1; 0162/01 Centerpulse AG
vom 16. April 2003, E. 3.2.1). Ausserdem dürfte ein Ausschluss von US-
Aktionären auch ohne aktive öffentliche Platzierung problematisch sein, wenn ein
vergleichsweise grosser Anteil, z.B. 30-40%, der Aktien der Zielgesellschaft von
US-Aktionären gehalten wird (s. Verfügung 469/01 Schweizerische Rückversiche-
rungs-Gesellschaft AG vom 15. Februar 2011, E. 2 Rz 9).
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
68
regelmässig dazu entschliessen, die US-Aktionäre nicht vom Angebot auszu-
schliessen.
b) Angebot auf Registered Securities: Withdrawal Rights und Dual Offer
Schliesst der Anbieter die US-Aktionäre nicht vom Angebot aus, so gelangen
grundsätzlich die Vorschriften des US Exchange Act150
darauf zur Anwen-
dung151
. Allerdings hat die Securities and Exchange Commission (SEC) für
sog. Foreign Private Issuers gewisse Erleichterungen bzw. Ausnahmen von
den Vorschriften des Exchange Act zugelassen152
. Die Erleichterungen bzw.
Ausnahmen gehen je nach Anteil der durch US-Aktionäre gehaltenen Aktien
unterschiedlich weit. Die sog. Tier I Exemption steht bis zu einem Anteil von
10% zur Verfügung, während die sog. Tier II Exemption bis zu einem Anteil
von 40% in Anspruch genommen werden kann153
. Bei Megadeals dürfte
meistens die Tier II Exemption einschlägig sein154
.
Die Anforderungen, welche ein Angebot unter der Tier II Exemption gemäss
Exchange Act zu erfüllen hat, sind unterschiedlich, je nachdem ob sich das
Angebot auf Beteiligungsrechte der Zielgesellschaft bezieht, die gemäss
Section 12 des Exchange Act registriert sind oder nicht155
. Registered Securi-
150 Securities Exchange Act of 1934, as amended.
151 Vgl. zum Nachfolgenden MILLER FRANK L./BOYER ANDREW, Selected Topics to
the Impact of US Law on Public takeovers in Europe, in: TSCHÄNI (Hrsg.), Mergers
& Acquisitions VIII, Zürich/Basel/Genf 2006, 61 ff.; BASNAGE JOHN M./CURTIN III
WILLIAM J., Cross-border Tender Offers and Other Business Combination Transac-
tions and the U.S. Federal Securities Laws: An Overview, The Business Lawyer,
Vol. 71, 2016, 459 ff. 152
Die Regelung wurde im Jahr 2008 in zahlreichen Punkten ergänzt bzw. geändert; s.
SEC Release No. 33-8957; 34-58597; File No. S7-10-08, vom 19.9.2008, abrufbar
unter <www.sec.gov/rules/final/2 008/33-8957.pdf>. 153
Die Ermittlung der einschlägigen US ownerhsip ist aufgrund des anzuwendenden
„look through“-Tests alles andere als trivial; s. dazu MILLER/BOYER (FN 152),
72 f.; BASNAGE/CURTIN (FN 152), 470 ff. 154
So auch in den Fällen Syngenta, Actelion und Ciba; s. FN 148. 155
Demgegenüber sind die unter der Tier I Exemption gewährten Erleichterungen
unabhängig davon verfügbar, ob sich das Angebot auf Registered Securities bezieht
oder nicht.
20 Jahre Megadeals
69
ties sind insbesondere Aktien oder ADS, die an einer US-Börse, namentlich
der NYSE oder NASDAQ, kotiert sind. Zurzeit verfügen ABB, Credit Suisse
Group und Novartis über ADS, die an der NYSE kotiert sind156
, während
UBS Group und Logitech ihre Aktien direkt an der NYSE bzw. der
NASDAQ haben kotieren lassen.
Bezieht sich das Angebot auf solche registrierten Aktien oder ADS, gelangen
namentlich die im Exchange Act vorgesehenen Withdrawal Rights zur An-
wendung, ohne dass die Tier II Exemption davon wesentliche Ausnahmen
vorsieht. Sie gestatten es jedem Aktionär, der seine Aktien in das Angebot
angedient hat, die Andienung (vereinfacht gesagt) bis zur Erfüllung der An-
gebotsbedingungen zu widerrufen157
. Dies bedeutet, dass die Angebotsfrist
ebenfalls erst zu diesem Zeitpunkt enden kann; ansonsten liefe der Anbieter
die Gefahr, dass die Aktionäre ihre Andienung widerrufen, das Angebot da-
nach aber nicht mehr annehmen könnten. Mit anderen Worten ist der Anbie-
ter bei einem Angebot auf Registered Securities regelmässig gezwungen, im
Bedarfsfall die Verlängerungsvariante „back-loaded“ mit den entsprechenden
Nachteilen in Anspruch zu nehmen158
.
In den beiden Präzedenz-Transaktionen, in welchen sich das Angebot auf
Registered Shares der Zielgesellschaft bezog159
, entschloss sich der Anbieter
jeweils, zusätzlich zum Schweizer Angebot ein separates US-Angebot an die
U.S. Holder zu unterbreiten. Ein solches Dual Offer ist nicht vorgeschrieben,
unter der Tier II Exemption aber möglich. Zwecks Koordination der Angebo-
te gewährte die UEK dem jeweiligen Anbieter einige Ausnahmen von der
Schweizer Übernahmeregelung:
– Acceptance Period: Um eine zeitliche Synchronisierung der Angebote
zu erreichen und zu verhindern, dass der Anbieter vor jeder Verlänge-
rung der Angebotsfrist über 40 Börsentage hinaus formell um eine Zu-
156 Dasselbe traf auf Syngenta zu.
157 Section 14(d)(5) Exchange Act sowie Exchange Act Rule 14d-1(d)(2)(vii), 17
C.F.R. § 240.14d-1(d)(2)(vii) (2015); s. BASNAGE/CURTIN (FN 151), 491 f. 158
S. dazu VII.1.c) und d) oben. 159
Nämlich das Angebot der ChemChina auf Syngenta und das Holdingangebot der
UBS Group an die eigenen Aktionäre der UBS AG (mangels Kontrollwechsels kein
Megadeal im hier verstandenen Sinne).
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
70
stimmung der UEK ersuchen muss, hat die UEK im Fall Syngenta dem
Anbieter gestattet, die Angebotsfrist ohne vorgängige Zustimmung der
UEK um jeweils maximal 40 Börsentage zu verlängern, sollte kurz vor
Ablauf der Angebotsfrist eine Bedingung noch nicht eingetreten sein160
.
– Withdrawal Rights: Obwohl das Schweizer Übernahmerecht ein Wider-
rufsrecht nur für den Fall einer Konkurrenzofferte vorsieht161
, liess es
die UEK zu, dass den Angebotsempfängern ein allgemeines Widerrufs-
recht bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingeräumt wurde, um eine Un-
gleichbehandlung mit den Adressaten des US-Angebots, welche ein sol-
ches Widerrufsrecht unter dem Exchange Act von Gesetzes wegen ha-
ben, zu vermeiden162
.
– Prompt Payment Rule: Die US-Prompt Payment Rule verlangt den
Vollzug des öffentlichen Kaufangebotes unverzüglich (promptly) nach
Ende der Angebotsfrist. Das schweizerische Übernahmerecht verlangt
den Vollzug (unter Vorbehalt eines Aufschubs) spätestens zehn Börsen-
tage nach Ablauf der Nachfrist. Um einen Gleichlauf des Schweizer
Angebots und des US-Angebotes zu ermöglichen, ist es einem Anbieter
gemäss Praxis der UEK gestattet, zwei Vollzugsdaten vorzusehen, ein
erstes nach dem Ablauf der Angebotsfrist und ein zweites nach dem Ab-
lauf der Nachfrist163
.
Bezieht sich das Angebot auf Registered Securities, hat der Anbieter neben
den Withdrawal Rights weitere spezifische Anforderungen des Exchange Act
zu erfüllen. So muss er z.B. das Angebot und andere öffentliche Verlautba-
rungen (wie z.B. Pressemitteilungen) auf Form TO bei der SEC einrei-
chen164
.
160 S. Verfügung 624/02 Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 11.1; 624/04 Syngenta
vom 31. Oktober 2016, E. 1. 161
Art. 51 Abs. 2 UEV. 162
S. Verfügungen 624/02 Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 11.4; 572/02 UBS AG
vom 22. August 2014, E. 3. 163
S. Verfügung 624/02 Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 11.3; s. ferner den Ange-
botsprospekt der UBS AG vom 29. September 2014. 164
S. im Einzelnen BASNAGE/CURTIN (FN 151), 489 ff.
20 Jahre Megadeals
71
c) Angebot auf nicht in den USA registrierte Aktien
Bezieht sich das in einem Megadeal durchgeführte öffentliche Kaufangebot
nicht auf Aktien oder ADR, die unter dem Exchange Act als registriert gel-
ten, so kann der Anbieter das Angebot unter Inanspruchnahme der Tier II
Exemption weitestgehend nach Massgabe des Schweizer Übernahmerechts
durchführen165
. Namentlich ist er nicht verpflichtet, den Aktionären ein Wi-
derrufsrecht einzuräumen. Ist aufgrund von regulatorischen Meldepflichten
mit längeren Wartezeiten zu rechnen, kann der Anbieter das Angebot im
normalen Ablauf durchführen und nach dem Ende der Nachfrist den Vollzug
aufschieben, bis die notwendigen Genehmigungen und Freistellungen vor-
liegen (Variante „front-loaded“)166
.
3. Angebotspreis in US-Dollar
In Grossübernahmen kann der Schweizer Fremdkapitalmarkt für die Kapi-
talbeschaffung unter Einschluss etwaiger Währungsabsicherungstransaktio-
nen (Hedging) zu wenig Volumen bieten, um dem Anbieter zu erlauben, sich
die notwendigen Mittel zur Bezahlung des Angebotspreises in Schweizer
Franken zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund hat es die UEK in den bei-
den Grossübernahmen ChemChina-Syngenta und Johnson & Johnson-Acte-
lion dem Anbieter jeweils gestattet, den Angebotspreis in US-Dollar zu de-
nominieren, obwohl die Aktien in Schweizer Franken gehandelt wurden und
sich die Aktionäre damit dem Wechselkursrisiko ausgesetzt sahen167
. Voraus-
setzung für die Zulässigkeit solcher Fremdwährungsangebote sind gemäss
UEK zunächst ein aussergewöhnlich hohes Transaktionsvolumen und eine
hohe Liquidität der Aktien der Zielgesellschaft168
, was bei Grossübernahmen
in der Regel der Fall sein wird. Zusätzlich muss der Anbieter für Retail-
165 S. für einen Präzedenzfall das öffentliche Kaufangebot der Johnson & Johnson auf
Actelion; Verfügung 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017. 166
S. VII.1.b) oben. 167
S. Verfügungen 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 4.1; 624/01 Syngen-
ta AG vom 2. Februar 2016, E. 2. 168
Verfügungen 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 4.1 Rz 17; 624/01
Syngenta AG vom 2. Februar 2016, E. 2.
Rudolf Tschäni/Hans-Jakob Diem
72
Anleger mit Basiswährung Schweizer Franken im Rahmen des Vollzugs des
Angebots eine Umtauschmöglichkeit (Exchange Facility) bereitstellen, wel-
che privat investierende natürliche Personen in Bezug auf die Wechselkosten
den übrigen Anlegern gleichstellt169
. Ausserdem hat der Anbieter im Ange-
botsprospekt explizit und an prominenter Stelle auf die mit dem Angebot
verbundenen Währungsrisiken hinzuweisen170
.
VIII. Schlussfolgerungen
Betrachtet man die Schweizer Megadeals der letzten 20 Jahre, fällt auf, dass
die drei wertmässig grössten Transaktionen Fusionen (Statutory Mergers)
zwischen Schweizer Gesellschaften darstellten (Novartis, UBS, Alcon), ge-
folgt von jüngeren Transaktionen, welche als öffentliche Kauf- bzw. Tausch-
angebote strukturiert waren (LafargeHolcim, Syngenta).
Bei der Wahl der geeigneten Transaktionsstruktur ist zunächst die Frage zu
beantworten, ob ein Zusammenschluss zweier gleichberechtigter Parteien
oder eine Kontrollübernahme beabsichtigt ist. Erfahrungsgemäss sind Mer-
ger of Equals mit grösseren Vollzugsrisiken behaftet als Takeovers. Von Be-
deutung sind sodann namentlich die Sitzstaaten der beteiligten Parteien, die
steuerliche Situation und die jeweiligen Zustimmungserfordernisse. Unter
Vorbehalt spezieller Faktoren sind die Fusion die bevorzugte Struktur für
einen Merger of Equals zwischen zwei Schweizer Gesellschaften, der Trian-
gular Merger die naheliegende Struktur für den Zusammenschluss einer
Schweizer Gesellschaft mit einer US-Gesellschaft und resultierender Schwei-
zer Obergesellschaft, und die Quasi-Fusion mittels öffentlichem Tauschan-
gebot die Struktur der Wahl für den Zusammenschluss einer Schweizer mit
einer im Ausland domizilierten Gesellschaft. Eine Übernahme wird demge-
genüber in der Regel mittels eines öffentlichen Kaufangebots implementiert.
One Step Transactions, d.h. die Fusion und der Triangular Mergers, sind in
169 Verfügungen 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 4.1 Rz 18; 624/02
Syngenta AG vom 7. März 2016, E. 10. 170
Verfügungen 652/01 Actelion Ltd vom 14. Februar 2017, E. 4.1 Rz 19; 624/01
Syngenta AG vom 2. Februar 2016, E. 4.
20 Jahre Megadeals
73
der Regel den Two Step Transactions, d.h. öffentlichen Kauf- oder Tausch-
angeboten, vorzuziehen.
Die regulatorischen Hürden, namentlich die wettbewerbsrechtlichen Zu-
sammenschlusskontrollen, stellen in zeitlicher und sachlicher Hinsicht die
grössten Vollzugsrisiken für Megadeals dar. Der resultierende hohe Zeitbe-
darf bedingt unter anderem eine schwierige Einschätzung der Marktsituation
in z.B. 12 Monaten und erhöht das Risiko, dass Interloper oder aktivistische
Aktionäre die Transaktion zu Fall bringen, erheblich. In sachlicher Hinsicht
ist oft mit Auflagen seitens der Behörden und unter Umständen gar mit einer
Untersagung der Transaktion zu rechnen. Diese Risiken sind vertraglich nur
beschränkt in den Griff zu bekommen. Zur Adressierung des Auflagen- bzw.
Untersagungsrisikos haben sich in Übernahmen namentlich Reverse Break
Fees in erheblicher Höhe durchgesetzt. In Zusammenschlüssen sind solche
Fees hingegen nicht anzutreffen.
Megadeals lassen sich letztlich nur friendly, d.h. mit Zustimmung der betei-
ligten Parteien, erfolgsversprechend durchführen. Daher hängt der Erfolg
eines Transaktionsvorhabens entscheidend davon ab, ob die Gegenseite für
Gespräche bzw. Verhandlungen gewonnen werden kann. Zu diesem Zweck
kann die willige Partei mit verschiedenen Mitteln Druck auszuüben versu-
chen. In der Vergangenheit waren solche Druckversuche allerdings mehrheit-
lich nicht erfolgreich, resultierten aufgrund der entstehenden Dynamik aber
nicht selten in Alternativtransaktionen.
Sind sich die Parteien einig, so sehen sie in der Regel verschiedene vertragli-
che Deal Protection-Mechanismen vor, um die Transaktion nach Möglichkeit
gegen Interventionen von Interlopern oder aktivistischen Aktionären abzusi-
chern. Primäres Mittel dazu sind Break Fees, die in Zusammenschlüssen
reziprok und in Übernahmen durch die Zielgesellschaft einseitig versprochen
werden. Ausschliessen lassen sich Interventionen damit jedoch nicht, zumal
die Fees zwar regelmässig beachtlich ausfallen, aber nicht prohibitiv hoch
angesetzt werden können.
Schliesslich ist festzustellen, dass sich das Schweizer Übernahmerecht in der
Anwendung durch die UEK als genügend flexibel erweist, um die Durchfüh-
rung eines Megadeals mittels öffentlichen Kaufangebots zu ermöglichen.
Insbesondere lässt sich der gesetzlich vorgesehene Zeitplan derart anpassen,
dass er dem Zeitbedarf eines Megadeals gerecht wird. Auch ist die Beschaf-
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