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Katharina Fournier
Migrantenorganisationen und
Jugendsozialarbeit
ISS-Fachtagung
„Migrantenselbstorganisationen in der sozialen Arbeit“
28. Oktober 2010, Instituto Cervantes, Frankfurt/Main
Aufbau
I. Jugendsozialarbeit für junge Menschen mit
Migrationshintergrund
II. Migrantenorganisationen als Akteure der
Jugendsozialarbeit
n Migrantenorganisationen als Partner
n Migrantenorganisationen als Träger der Jugendhilfe
III. Chancen und Stolpersteine
IV. Anforderungen für die Stärkung von MO in der
Jugendsozialarbeit
Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit
Zusammenschluss (Netzwerk) der bundesweiten Organisationen der
Jugendsozialarbeit:
n die Arbeiterwohlfahrt (AWO),
n die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG
EJSA)
n die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG
KJS),
n die Bundesarbeitsgemeinschaft örtlich regionaler Träger der
Jugendsozialarbeit (BAG ÖRT),
n der Paritätische Gesamtverband (DER PARITÄTISCHE),
n das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und
n der Internationale Bund (IB).
= Ziel ist es, die gesellschaftliche und politische Teilhabe von benachteiligten
Jugendlichen zu verbessern.
Angeschlossene Einrichtungen sind freie Träger der Kinder- und
Jugendhilfe mit Angebote der Jugendsozialarbeit für Jugendliche und
jungen Menschen.
I. Ziele der Jugendsozialarbeit
§ 13 SGB VIII: Jugendsozialarbeit
(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen
oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem
Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der
Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre
schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die
Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.
Arbeitsfelder der Jugendsozialarbeit
n Jugendsozialarbeit für junge Menschen mit
Migrationshintergrund
n mobile/aufsuchende Jugendsozialarbeit, Streetwork
(Arbeit mit schwer erreichbaren Jugendliche)
n Offene Jugend(sozial)arbeit
n Schulbezogene Jugendsozialarbeit (Schulsozialarbeit,
Arbeit mit schulmüden Jugendlichen)
n Jugendberufshilfe/berufsbezogene Jugendsozialarbeit
(Maßnahmen im Übergang Schule-Beruf, soz.-päd.
Begleitung)
n Geschlechtsspezifische Jugendsozialarbeit
Förderstrukturen der Jugendsozialarbeit
n Kommune: Die Förderung von Angebote der Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII
ist Aufgabe der kommunalen Jugendhilfe (aktuell: 1,4 % der gesamten Ausgaben der
Kinder- und Jugendhilfe werden für Jugendsozialarbeit aufgewendet, mit
abnehmender Tendenz)
n Land: Ergänzende Förderprogramme (Bsp. Schulbezogene Jugendsozialarbeit)
n Bund: Förderung von Angeboten für junge Menschen mit Migrationshintergrund über
den Kinder- und Jugendplan:
Programm 2.18: Eingliederung junger Menschen mit Migrationshintergrund
„Junge Menschen mit Migrationshintergrund sollen eine bedarfsgerechte Förderung
erhalten, die ihnen die schulische, berufliche und soziale Eingliederung ermöglicht.
Mit dieser Hilfe sollen zuwanderungsbedingte Nachteile ausgeglichen und
Chancengleichheit zu einheimischen Jugendlichen hergestellt werden. Die Förderung
umfasst Beratungs- und Betreuungsaufgaben sowie deren Koordinierung, z. B.
aufsuchende Sozialarbeit, Freizeiten, Seminare, Kurse und ähnliches. Die Arbeit
umfasst auch Prävention und Vermittlung zu den Regeldiensten und den
Spezialdiensten der Jugendhilfe. Die sprachliche Integration wird darüber hinaus
durch eigenständige Regelungen gewährleistet.“
Herausforderungen der Jugendsozialarbeit
Förderung von Teilhabegerechtigkeit:
n Ausgleich struktureller Benachteiligungen und individueller
Beeinträchtigungen junger Menschen mit Migrationshintergrund
n Abbau von Zugangshürden zu Leistungen der Kinder- und
Jugendhilfe
Weiterentwicklung konzeptioneller Ansätze:
n Förderung des sozialen Kapitals und der Selbsthilfepotentiale
innerhalb von Netzwerken von MigrantInnen
n Bedarf an differenzierter Wahrnehmung und Reflektion der Vielfalt
und Diversität junger Menschen und ihrer Lebenswelten
Abbau von Legitimationsdefiziten:
n Stärkung der Interessen junger Menschen mit Migrationshintergrund
n Stärkung der Pluralität der Träger der Jugendsozialarbeit/Kinder-
und Jugendhilfe
II. Migrantenorganisationen als Akteure der
Jugendsozialarbeit
a.) Migrantenorganisationen als Partner der Jugendsozialarbeit
n Jugendliche und ihre Familien werden besser erreicht, ihre Themen
und Fragestellungen werden aufgegriffen. Über MO werden neue
Zugänge zu Unterstützungsangeboten und sozialen Netzwerken
schaffen (Gatekeeper-Funktion)
n Es werden Begegnungen ermöglicht und Begegnungsorte etabliert
n Es werden repräsentative Dialog- und Arbeitsstrukturen geschaffen
b.) Migrantenorganisationen als Träger der Jugendsozialarbeit/Kinder-
und Jugendhilfe
n Die Trägerlandschaft wird vielfältiger und pluraler
n Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Organisationen
werden in ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten und in der politischen
Interessenvertretung gestärkt
n professionelle Ansätze der Jugendsozialarbeit werden für die
Erfordernisse moderner, pluraler Gesellschaften weiterentwickelt
Im Fokus: Integrationsförderung durch
Migrantenorganisationen
Beispiele:
n „Satzungszweck ist die Förderung multikulturellen Zusammenlebens und
Handelns, die Stärkung der Migrantenbevölkerung sowie der Abbau von
Benachteiligungen“ (IFAK e.V, gegr. 1974)
n „Der Zweck des Vereins ist die Förderung von Jugendpflege,
Jugendfürsorge und Jugendhilfe. Weiterhin dient der Verein der Förderung
von Erziehungs-, Berufsausbildungs-, und Freizeitprojekten zur Integration
von Jugendlichen in und aus Afrika, besonders arbeitslosen bzw. von
Arbeitslosigkeit bedrohten Jugendlichen, der Unterstützung von Familien
bzw. Eltern der Jugendlichen, dem Kampf gegen Landflucht in Afrika und
damit indirekt gegen illegale Einwanderung.“ (JHA 2000 e.V., gegr. 2000)
n „Ziel unserer Arbeit ist es, Menschen konkret zu helfen und damit die
Integration der Zugewanderten in die deutsche Gesellschaft zu
beschleunigen.“ (PHOENIX-Köln e.V., gegr. 2002)
a.) Migrantenorganisationen als Partner der
Jugendsozialarbeit
n Kultur- und Bildungsvereine
n Elternvereine
n Sportvereine
n Jugendvereine
n Religiöse Vereine und Glaubensgemeinschaften
n Einzelpersonen
n Zusammenschlüsse ausländischer Unternehmer
= Große Vielfalt der Vereinsstrukturen, je nach regionaler
Zuwanderungsgeschichte, sozialer (Infra)struktur und
gesellsaftspolitischer Unterstützung
b.) Migrantenorganisationen als Träger der
Jugendsozialarbeit
Daten:
n Aktuell gibt es keine verlässlichen Daten zur Anzahl von
Migrantenorganisationen, die als Träger der Kinder- und Jugendhilfe anerkannt
und tätig sind
n Beispiel: Zusammenschluss von 100 Migrantenorganisationen im „Forum der
Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband“
Voraussetzungen:
n Anerkennung als freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII
n Migrantenorganisationen, die integrationspolitische Ziele verfolgen
Schwerpunkte von MO, die als Träger tätig sind:
n Träger von Bildungseinrichtungen und –angeboten (Kitas, überbetriebliche
Ausbildungen, Beratungsleistungen der Jugendhilfe)
n Begleitende Bildungs- und Freizeitangebote für junge Menschen
(Hausaufgaben-/Nachhilfe, berufliche Orientierung, Berufshilfemaßnahmen&-
vermittlung, Offene Jugendarbeit)
n Schul- und Ausbildungsbegleitende Elternarbeit
(Orientierungsangebote/Seminare, Ausbildung von Lotsen und
MultiplikatorInnen, Mitarbeit in Schulgremien, geschlechtsspezifische
Elternarbeit zur Erziehungskometenz)
§ 75 SGB VIII: Anerkennung als Träger der
freien Jugendhilfe
(1) Als Träger der freien Jugendhilfe können juristische Personen und
Personenvereinigungen anerkannt werden, wenn sie
1. auf dem Gebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 1 tätig sind,
2. gemeinnützige Ziele verfolgen,
3. aufgrund der fachlichen und personellen Voraussetzungen
erwarten lassen, daß sie einen nicht unwesentlichen Beitrag zur
Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten imstande sind,
und
4. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche
Arbeit bieten.
(2) Einen Anspruch auf Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe
hat unter den Voraussetzungen des Absatzes 1, wer auf dem Gebiet
der Jugendhilfe mindestens drei Jahre tätig gewesen ist.
(3) Die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts
sowie die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände
der freien Wohlfahrtspflege sind anerkannte Träger der freien
Jugendhilfe.
IFAK e.V. - Verein für multikulturelle Kinder-
und Jugendhilfe, Migrationsarbeit
...ist eine Selbstorganisation von Zuwanderern und Einheimischen auf kommunaler
Ebene. Der Verein ist Träger von mehreren Einrichtungen, Projekten und
Maßnahmen im Bereich der interkulturellen Kinder- und Jugendhilfe sowie der
Migrationssozialarbeit in verschiedenen Bochumer Stadtteilen.
Die IFAK e.V. ist Mitglied im Paritätischen NRW und seit 1975 staatlich anerkannter
Träger der freien Jugendhilfe. Auf kommunaler Ebene ist die IFAK e.V. Mitglied in
der Arbeitsgemeinschaft der Offenen Türen in Bochum (AGOT).
Gegründet wurde der Verein 1974 als ehrenamtliche Initiative von Lehrern und
Schülern eines Bochumer Gymnasiums. Hintergrund war seinerzeit der verstärkt
einsetzende Familiennachzug von Angehörigen ausländischer Arbeitnehmer nach
dem Anwerbestop. 1996 wurde der IFAK-Kindergarten e.V. als Trägerverein von
Tageseinrichtungen für Kinder gegründet. 2005 wurde der IFAK Förderverein e.V.
gegründet um Aktivitäten und Maßnahmen zur Förderung und Untersützung der
sozialen und pädagogischen Arbeit der beiden IFAK Vereine zu bündeln.
Bis heute hat sich die IFAK e.V. zu einer Organisation entwickelt, in der sowohl
Mitgliedschaft und Vorstand als auch die Teams der einzelnen Einrichtungen
multiethnisch besetzt sind. Diese verfolgen alle einen interkulturellen Arbeitsansatz
und damit das gemeinsame Ziel, das Zusammenleben und die gegenseitige
Akzeptanz und Toleranz von Zuwanderern und Einheimischen zu fördern.
III. Chancen und Stolperstein
„Die Rolle der MO wird in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen.
Noch ist zu wenig die Rede von den gelungenen
Integrationsleistungen der Zuwanderer, die schon erbrachten
Leistungen werden leider zu wenig gesehen und anerkannt. (…) MO
sind in der öffentlichen Projektförderung unterrepräsentiert und ihre
materielle Ausstattung ist im Vergleich zu den großen etablierten
Trägern in der Integrationsarbeit gering. Der Zugang zu der
Projektförderung scheitert oft an Förderbedingungen, die die kleinen
Vereine gar nicht erfüllen können, wie zum Beispiel an der
Kofinanzierung.“
(Sharif Rahim, Shefa, Transkulturelles Zentrum in Schleswig-
Holstein, Präsentation im Rahmen der Fachtagung
„Migrantenorganisationen als Partner der Jugendsozialarbeit 2009)
Chance: Politische Repräsentation als
Motor der Strukturentwicklung
Migrantenorganisationen:
n „Recht auf einen gerechten Zugang
zu den vom Staat im Auftrag der
Gemeinschaft verwalteten Mittel“
(NIP-Umsetzungsbericht 2008)
n Stärkung der
Mitbestimmungsmöglichkeiten von
Menschen mit MGH an den
integrationspolitischen
Entscheidungsprozessen (NIP-
Prozess, Islam-Konferenz)
Kooperationsverbund
Jugendsozialarbeit
(Umsetzung Nat. Integrationsplan 2009):
n Stärkung der Zusammenarbeit mit MO
auf lokaler und überregionaler Ebene
(Bsp.: 75% der JMD kooperierten in
2009 mit MO, Forum der Migrantinnen
(Initiative ABI, Lobbyarbeit)
Forderungen:
n Qualifizierungsmaßnahmen zur
Professionalisierung der
Zusammenarbeit
n Förderung von MO als Träger der
Kinder- und Jugendhilfe
n Ressourcen um handlungsfähige,
jugendpolitische Strukturen zu schaffen.
Fortschritte: Punktuelle Ausbildung von
Förderstrukturen
Ziele:
n Qualifizierung und Professionalisierung von Vereinsstrukturen
(Bsp. Coaching-Projekt, EmPa, Interkulturell on Tour)
n MO als Träger von Integrationsangeboten (Bund im Bereich
sprachlicher und gemeinwesensorientierter
Integrationsförderung (Anteil von MO als Träger von BAMF-
Integrationsprojekten in 2009: 28%), Landes- und kommunale
Strukturförderung)
n Repräsentative Mitwirkung in integrationspolitischen
Entscheidungsprozessen
= unabhängig von der formalen Anerkennung als KJ-Träger
Stolpersteine der Kooperation
Spannungsfelder ungleicher Machtbeziehungen und
Ressourcenverteilung in Kooperationsbeziehungen zwischen
etablierten Trägern und Migrantenorganisationen:
n Ehrenamt vs. Hauptamt (Kontinuität, Zeitressourcen,
Professionalität)
n Selbstbestimmung und Emanzipation vs.
Fremdbestimmung und Strukturwissen
n Vertrauen und Wertschätzung vs. Konkurrenz um
finanzielle und politische Einflussnahme
n Gegenseitige Unsicherheit und Vorbehalte, interkulturelle
Kompetenz
Hürden für MO im Prozess der
Pluralisierung der Trägerlandschaft
n Hohe Anforderungen an MO hinsichtlich der
Organisationsentwicklung: Infragestellung und Veränderung des
Selbstverständnisses (Ziele, Öffnung für andere Zielgruppen,
Professionalität)
n Überforderung von Trägern durch kurzfristige Politiken (finanzielle
und formale Anforderungen, kurzfristige Programme)
n Fehlende gesellschaftliche und politische Anerkennung von MO
n Kooperation als quasi-Voraussetzung für Zugangsgerechtigkeit bei
gleichzeitiger Konkurrenz um begrenzte finanzielle und politische
Einflussnahme
IV. Anforderungen für die Stärkung der
Rolle von MO in der Jugendsozialarbeit
Langfristige Strukturentwicklung durch:
n Förderung von begleitenden Dialog- und
Kooperationsstrukturen zwischen etablierten Träger und MO
n Förderung der Qualifizierung und Professionalisierung von
MO als Träger der Kinder- und Jugendhilfe
n Transparente, systematische und funktional differenzierte
Förderpolitiken, Projektförderung als Werkstatt
n Aktive Einbeziehung und Repräsentation von MO in
(jugend)politischen Entscheidungsprozessen
n Beidseitige Offenheit und Lernbereitschaft, ehrlicher Dialog
über gemeinsame Ziele und Grenzen.
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