modellierung des bruchmechanischen verhaltens von
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Institut für Verbundwerkstoffe GmbH - 1995
Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von Faserverbundwerkstoffen mittels der
Methode der Finiten Elemente ---------------------------------------------------------------------------------
vom Fachbereich Maschinenwesen
der Universität Kaiserslautern
genehmigte Dissertation
zur Erlangung des Grades
Doktor-Ingenieur
vorgelegt von:
Dipl.-Phys. Wieland Beckert
aus Dresden Fachgutachter:
Prof. Dr.-Ing. K. Friedrich
PD Dr. rer. nat. habil. B. Lauke
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Kurzfassung und Abstract
Zusammenfassung
Das Verständnis der mikroskopischen Mechanismen und ihre Umsetzung in makroskopische Materialgesetze sind eine Voraussetzung für die bewußte Optimierung der mechanischen Eigenschaften faserverstärkter Verbundwerkstoffe. Die dazu notwendige, modellmäßige Beschreibung der Deformation erweist sich wegen ihrer inhomogenen Struktur, ihrer Anisotropie und ihrer speziellen Einsatzgeometrien als problematisch und übersteigt häufig die Möglichkeiten mathematisch-analytischer Lösungsverfahren. Numerische Methoden, wie die Finite-Elemente-Modellierung, ermöglichen eine realistische Berücksichtigung auch kompli-zierter Einflußgrößen und ergänzen die analytischen Verfahren gut. Dies wird an zwei Beispielen zum makro- und mikromechanischen Versagensverhalten faserverstärkter Werkstoffe demonstriert.
Ausgehend von einer makroskopischen, bruchmechanischen Betrachtung werden die Deformation und das Versagen beim ‘Curved Cantilever Beam Test’ mit einem Finite-Elemente-Modell untersucht. Der Test wird zur Charakterisierung der Delaminationszähigkeit von gekrümmten Probekörpern aus faserverstärkten Verbundwerkstoffen verwendet. Derartige Formen ergeben sich z.B. im Resultat von Wickelverfahren für faserverstärkte Thermoplastmaterialien. Die Interpretation der experimentellen Testergebnisse wird erschwert durch die gekrümmte Geometrie, das Auftreten von starker Biegung und von bruchmechanischen ‘Mixed-Mode’-Zuständen. Aufgrund dieser Schwierigkeiten existierte bisher kein spezielles Deformationsmodell für den Versuch. Die vorgestellte Finite Elemente Modellierung liefert eine gesicherte Basis für die Ermittlung der kritischen Energiefreisetzungsrate Gc der Delamination aus dem CDCB-Test. Mit ihrer Hilfe wird gezeigt, daß sich ein einfaches und genaues empirisches Verfahren zur Bestimmung von Gc aus den experimentellen Ergebnissen anwenden läßt, obwohl die Deformation der Probe nichtlinear ist und aufgrund der wirkenden Scherdeformationen auch mit aufwendigen analytischen Modellen nicht befriedigend beschrieben werden kann. Trotz der unsymmetrischen Geometrie der CDCB-Probe ist der Mode-II-Anteil der Belastung bei mittiger Lage der Rißebene in der Probe vernachlässigbar. Allerdings ergeben sich starke Mode-II-Beiträge bei bereits geringen Abweichungen der Rißlage von der Mittelebene der Probe. In den Experimenten muß daher vom Auftreten ausgeprägter, aber kaum einschätzbarer ‘Mixed-Mode’-Situationen bei der Delamination ausgegangen werden. Durch Normierung und Rechnungen über einen weiten Parameterbereich wurden Hilfsmittel in Diagrammform geschaffen, die in Abhängigkeit von der Materialsteifigkeit eine Dimensionierung der CDCB-Proben vor der Herstellung der Probekörper hinsichtlich ihrer Anfangsrißlänge und der Dicke ermöglichen. Die theoretische Untersuchung wird durch experimentelle Ergebnisse an Glasfaser/ Polyamid 6-Proben untersetzt.
Das zweite Beispiel befaßt sich mit der mikromechanischen Beschreibung des spröden Versagens der Faser-Matrix-Grenzfläche beim Einzelfaser-Auszugsversuch. Zielstellung der Finite-Elemente-Modellierung war es, die bislang vorherrschende Grenzflächenscherfestigkeit durch ein bruchmechanisches Debonding-Kriterium zu ersetzen. Ein besonderer Schwerpunkt wurde auf die Berücksichtigung der Überlagerung von Radial- und Scherspan-nungskomponenten in der Grenzfläche gelegt, gegenüber denen die Haftung mit sehr unterschiedlicher Empfindlichkeiten reagiert. Ein einziger, lediglich auf die Scherbelastung bezogener, Parameter erscheint zur Charakterisierung der Grenzfläche nicht ausreichend. Dem wurde durch die Nutzung eines ‘Mixed-Mode’-Versagenskriteriums für die kritische
Energiefreisetzungsrate in der Analyse Rechnung getragen. Besonders die Anfangsphase der Grenzflächenrißausbreitung ist durch dominante und sich mit der Rißlänge stark ändernde Mode-I-Anteile gekennzeichnet. In diesem Bereich tritt auch die maximale Debondingkraft auf. Sie ist zwar das signifikanteste Ergebnis der experimentellen Tests, wird jedoch unter wenig reproduzierbaren ‘Mixed-Mode’-Bedingungen erreicht. Ihr Wert ist zum Vergleich mit anderen Belastungsituationen daher wenig geeignet. Für mittlere Rißlängen durchläuft die Rißausbreitung eine Plateauphase, in der sich die Belastungssituation nur wenig ändert und für welche die Energiefreisetzungsrate durch ein einfaches analytisches Modell beschrieben werden kann. Sie bietet daher verläßlichere Bedingungen für die Bestimmung und den Vergleich der Grenzflächeneigenschaften. In der Praxis ist stabile Rißausbreitung bis in diese Zone nur für sehr steife Versuchsanordnungen und sehr kurze freie Faserlängen zu erreichen und konnte erst kürzlich von HAMPE realisiert werden. Der Vergleich mit den dabei erhaltenen experimentellen Ergebnissen erfordert die Einbeziehung von Grenzflächenreibung, die durch eine einfache analytische Erweiterung des FE-Modells näherungsweise erfaßt werden kann. Dabei wird das in der Modellierung erhaltene Bild vom Grenzflächenversagen bestätigt, insbesondere was den Prozeß der Grenzflächenrißinitiierung an der Matrixoberfläche und die geringe Widerstandsfähigkeit der Haftung gegenüber Normalbelastungen betrifft. Ein empirisches Verfahren zur getrennten Abschätzung der Reibungs- und der Haftungsanteile aus den Belastungskurven der stabilen Rißausbreitung des Faserauszugs wird vorgeschlagen. Die vorgestellten Methoden zur Berechnung der bruchmechanischen Kenngrößen und zur Charakterisierung des ‘Mixed-Mode’-Zustandes können unmittelbar auf ähnliche makro-mechanische oder mikromechanische Testgeometrien übertragen werden. Eine Erweiterung der Modelle hinsichtlich der Beschreibung inelastischen Materialverhaltens ist geplant.
Abstract
The understanding of the microscopic mechanisms and its formulation in macroscopic material laws is essential for a conscious optimization of the mechanical properties of fibre-reinforced composite materials. The necessary modeling of the deformational behavior is complicated because of the inhomogeneous structure, the anisotropy and the high endurance of this materials. It often exceeds the possibilities of mathematical-analytical methods. This is demonstrated in this work on two examples for the micromechanical and macromechanical failure behavior of fibre-reinforced materials.
The deformation and fracture of a ‘Curved-Double-Cantilever-Beam’-Specimen are investigated with a finite element analysis by a macroscopic, fracture mechanics approach. This test is used for characterization of delamination toughness of curved thermoplastic composite samples, that are the result of a filament winding technology. The interpretation of the experiments is complicated by the curved geometry, large deflection and fracture-mechanical mixed-mode-conditions. No particular deformational model for this geometry has been known until now. The presented finite element analysis provides a reliable basis for the estimation of the critical debonding energy release rate Gc from the experimental results. For this purpose a simple, empirical data reduction scheme could be confirmed, though the sample shows a nonlinear deformation that cannot be satisfactory described by closed mathematical expressions. In spite of the asymmetrical geometry and loading of the CDCB-test, the mode-II-contribution of the loading has been proven to be neglectable for a central position of the crack plane with regard to specimen thickness. But large mode-II-contributions occur for small deviations of the crack from the specimens middle-plane. The real loading state in the CDCB-experiments will therefore be ruled by mixed-mode conditions, rarely to judge. Diagrams are presented as a result of the FE-analysis, that can be used as a tool for the dimensioning of the
CDCB-specimens with regard to sample thickness and initial crack length. The theoretical investigation is complemented with an experimental study for glass-fibre/ polyamid 6 samples.
The second example refers to a micromechanical description for brittle failure of the fibre-matrix-interface in the single-fibre-pull-out-test. The intention of the finite element analysis was to replace critical interface-shear-strength by a fracture-mechanical debonding criterion. Special emphasis was laid on the mixed mode state due to the radial- and axial stress components at the interface. The adhesion is expected to respond with different sensitivities to the miscellaneous modes of loading and a single parameter will not be sufficient for characterization of the interfacial quality. This has been taken into consideration in the analysis by help of mixed-mode-criterion for critical energy release rate. Particularly the initial phase of interface-crack-extension is characterized by dominant and quickly changing mode-I-contributions. Maximum debonding force is observed in this range as the most significant experimental result. But owing to its rarely reproducible mixed-mode-conditions this value seems not suitable for the purpose of comparison. For medium crack lengths the energy release rate G of interface crack extension passes a plateau with only small changes in loading state. In this range the value of G can be approximated by the free fibre contribution with a very simple analytic expression. This plateau should offer more reliable conditions for the experimental estimation and the comparison of interfacial properties from different material systems. Stable crack extension can be maintained into this zone for very stiff test conditions and short free fibre lengths. That has been realized in experiment only recently by HAMPE. The comparison of his results requires the inclusion of interface friction into the predictions of the FE-analysis, which is possible in an approximate way by help of an analytical extension to the FE-results. The experiments confirm the view of interfacial failure, supplied by the model. That especially applies for its explanation of the crack-initiation process and the importance of the high interface sensitivity towards normal loading for the stability of crack extension. An empirical method is proposed to split up the experimental results for pull-out into the contribution of interface friction and of pure debonding.
The presented procedures for computation of fracture mechanics parameters with FE-models can be transferred directly to similar macromechanical and micromechanical test-geometries. An extension of the model is planned toward the consideration of inelastic material properties.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 1
1.1 Makromechanische und mikromechanische Beschreibung von Verbundwerkstoffen
1
1.2 Zum Versagensverhalten faserverstärkter Kunststoffe 2
1.3 Konzepte für Versagenskriterien 6
1.4 Grenzen der mathematisch-analytischen Modellierung 9
1.5 Zielstellung der Arbeit 11
2. Makromechanische Modellierung: Charakterisierung des Delaminationswiderstandes gekrümmter Probekörper
13
2.1 Thermoplastwickeltechnologie 13
2.2 Charakterisierung der Delaminationzähigkeit 15
2.2.1 'Double Cantilever Beam'-(DCB)-Test für ebene Materialien 16
2.2.2 'Curved Double Cantilever Beam'-(CDCB)-Test für gekrümmte Materialien 17
2.3 Modellierung DCB-Test 19
2.3.1 FE-Modell der DCB-Geometrie 19
2.3.2. Analytische Modelle des DCB-Tests 22
2.3.3. Ermittlung der Energiefreisetzungsrate G aus den FE-Ergebnissen 25
2.3.3.1 Compliance-Methode und Energie-Methode 26
2.3.3.2 Bestimmung von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern 28
2.3.4 Ergebnisse der FE-Modellierung 35
2.3.5 Schlußfolgerungen 40
2.4 Modellierung CDCB-Test 42
2.4.1 FE-Modell der CDCB-Geometrie 42
2.4.2 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate 44
2.4.2.1 Berechnung der Energiefreisetzungsrate für nichtlineare Deformation aus dem Last-Verschiebungs-Zusammenhang und der Änderung der elastischen Energie
44
2.4.2.2 Berechnung der ‘Mixed-Mode’-Anteile von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern
46
2.4.3 Analytisches Modell für Biegung gekrümmter Stäbe 49
2.4.4 Verfahren nach WILLIAMS 55
3. Ergebnisse der FE-Modellierung für CDCB-Test 59
3.1 Einfluß von Probekörpergeometrie, Materialeigenschaften und nichtlinearer Deformation
60
3.2. ‘Mixed-Mode’-Beanspruchung 64
3.3 Gültigkeit analytischer und empirischer Modelle 66
3.4 Konsequenzen für Gestaltung der CDCB-Prüfkörper 70
4. CDCB-Experimente 75
4.1 Versuchsdurchführung und Materialien 75
4.2 Ergebnisse 75
4.3 Vergleich der Experimente mit FE-Rechnungen 81
5. Mikromechanische Modellierung des Grenzflächenversagens beim Einzelfaser-Auszugstest
84
5.1 Mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung der Qualität von Faser-Matrix-Grenzflächen
84
5.2 Kurzer Überblick über mikromechanische Modellierung der Faser-Auszugs-Problematik
89
5.3 Modellierung des Einzelfaser-Auszugstests 96
5.3.1 Geometrie 96
5.3.2 FE-Modell des Einzelfaser-Auszugstests 97
5.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen 99
5.3.3.1 Compliance- und Energiemethode 99
5.3.3.2 Bestimmung der ‘Mixed-Mode’-Anteile aus den Rißspitzennahfeldern 100
5.3.4 Berechnung der Last-Verschiebungs-Kurven 104
5.3.5 ‘Mixed-Mode’-Kriterium für Grenzflächenversagen 105
6. Ergebnisse der mikromechanischen Modellierung 110
6.1 Ergebnisse der FE-Modellierung 110
6.1.1 Einfluß der geometrischen Abmessungen und elastischen Materialeigenschaften auf die Energiefreisetzungsrate
110
6.1.2 Einfluß der ‘Mixed-Mode’-Belastung 113
6.1.3 Schlußfolgerungen 121
6.2 Vergleich mit experimentellen Ergebnissen 123
7. Schlußfolgerungen für Einsatz der FE-Methode zur Modellierung des Versagens faserverstärkter Verbundwerkstoffe
130
I Anhang I: Transformation der Rißuferverschiebungen auf mitbewegtes Rißspitzen-Koordinatensystem für geometrisch nichtlineare FE-Analyse
133
II Anhang II: Differentialgleichung für starke Biegung gekrümmter Balken
135
III Anhang III: Koeffizienten des analytischen Stabmodells der CDCB-Probe
139
Literatur 141
Danksagung 151
Lebenslauf 152
1
1. Einleitung
1.1 Makromechanische und mikromechanische Beschreibung von Verbund-
werkstoffen
Verbundwerkstoffe sind in inhomogener Weise aus verschiedenen Materialkomponenten mit in
der Regel stark unterschiedlichen Eigenschaften aufgebaut. Zielstellung ihrer Entwicklung ist
die Kombination der für einen bestimmten Einsatzzweck vorteilhaften Eigenschaften jeder
Komponente. Unter dem Gesichtspunkt der mechanischen Eigenschaften bedeutet dies meist,
die gute Zähigkeit und Verarbeitbarkeit eines ökonomisch günstigen Matrixmaterials mit der
hohen Steifigkeit und Festigkeit eines Verstärkungsmaterials zu verbinden. Neben den reinen
Materialeigenschaften der Komponenten haben auch die geometrischen Verhältnisse, wie
Größe, Packungsdichte und Orientierung der Verstärkungskomponenten sowie die Herstel-
lungsbedingungen großen Einfluß auf das Verhalten des Verbundwerkstoffes. Parallel zu den
vorteilhaften Wirkungen ergeben sich durch eine Kombination auch häufig negative Einflüsse
auf die Eigenschaften des Verbundwerkstoffes. Aufgabe der Materialwissenschaft ist es, durch
Einsatz geeigneter Materialkomponenten, Strukturgeometrien und Prozeßführung, das
ökonomische und technische Optimum für die verschiedenen Anwendungen zu finden.
Die Verstärkungskomponenten partikel- und faserverstärkter Materialien auf Kunststoffbasis
zeichnen sich im allgemeinen durch mikroskopische Abmessungen und dichte Packung aus.
Der Durchmesser der dafür häufig verwendeten Glasfasern liegt im 10 µm-Bereich. Die aus
den Materialien aufgebauten technischen Bauteile haben im Vergleich dazu wesentlich größere
(„makroskopische“) Abmessungen in Größenordnungen von Millimetern bis Metern. Für den
Anwender und Konstrukteur sind in erster Linie die technischen Eigenschaften der Materialien
auf dieser makroskopischen Strukturebene interessant. Sie ergeben sich nicht einfach aus der
Summe oder dem Mittel der Eigenschaften der mikroskopischen Strukturelemente, sondern
sind Ergebnis komplizierter Wechselwirkungen und Mechanismen. Das Verhalten von ver-
stärkten Materialien kann ausgehend von zwei verschiedenen Sichtweisen beschrieben werden.
Die mikromechanische Betrachtungsweise beschränkt ihren Horizont auf einen kleinen aber
repräsentativen Ausschnitt des Verbundwerkstoffes und untersucht auf dieser Ebene die Wech-
selwirkungen zwischen den mikroskopischen Verstärkungskomponenten [1]. Das Material
wird als inhomogen betrachtet und die unterschiedliche Geometrie und Eigenschaften der
Strukturelemente werden explizit in die Betrachtung einbezogen. Die Zielsetzung ist, den
Zusammenhang zwischen den Eigenschaften und Mechanismen der mikroskopischen Struktur-
komponenten und den makroskopischen, technischen Eigenschaften und Vorgängen
2
experimentell und theoretisch aufzuklären. Das Verständnis der mikroskopischen Prozesse ist
notwendig für eine bewußte Optimierung der Konstruktionseigenschaften der Verbund-
werkstoffe. Ihre vollständige Beschreibung ausgehend, von einem mikroskopischen Modell, ist
jedoch nicht möglich.
Die makroskopische Betrachtungsweise untersucht und beschreibt das Verhalten und die
Eigenschaften der Materialien in Bezug auf die aus ihnen aufgebauten technischen Bauteile
(z.B. Laminattheorie [2]). Sie verzichtet auf eine Unterscheidung der mikroskopischen
Strukturkomponenten und behandelt die Materialien als homogen. Dies ist akzeptabel, solange
ein homogenes Volumenelement ausreichend viele mikroskopische Strukturkomponenten für
eine statistische Interpretation enthält. Die vielfältigen Wechselwirkungen auf der mikro-
skopischen Strukturebene werden in integraler Weise in makroskopischen Materialgesetzen
widergespiegelt, die oft einen komplizierteren Charakter (Anisotropie, Inelastizität,
Schädigungsverhalten) als für unverstärkte Materialien haben. Die dafür verwendeten
Beziehungen sind nur empirischer Natur und hängen von den mikroskopisch induzierten
Mechanismen ab. Sie können sich für verschiedene Belastungssituationen und Bauteil-
geometrien stark unterscheiden. Die mikromechanische Modellierung versucht diese Vorgänge
aufzuklären und die Grundlagen zu ihrer makromechanischen Beschreibung bereitzustellen.
Wichtigste Quelle für die Bestimmung der Konstruktionseigenschaften und ihrer konkreten
Materialgesetze und die Verifizierung der Modelle ist indes das Experiment, das sich am
konkreten Einsatzfall der Materialien orientiert. Deshalb gibt es zur makroskopischen
Charakterisierung der Verbundwerkstoffe eine Fülle verschiedener Prüfverfahren, welche die
mechanischen Eigenschaften und das Versagensverhalten unter den unterschiedlichen,
technisch relevanten Belastungssituationen bestimmen sollen.
Eine makromechanische Modellierung ist daher nicht nur für die Konstruktion und
Dimensionierung der Bauteile notwendig, sondern dient auch als Grundlage zur Auswertung
der experimentellen Prüfverfahren.
Die Beschreibung der Verbundwerkstoffe auf beiden Betrachtungsebenen gehört daher zum
Aufgabengebiet der Materialwissenschaft.
1.2 Zum Versagensverhalten faserverstärkter Kunststoffe
Faserverstärkte Verbundwerkstoffe zeigen aus makroskopischer Sicht anisotrope
Eigenschaften, in Orientierungsrichtung der Fasern sind z.B ihre Steifigkeit und Festigkeit viel
höher als in den Querrichtungen. Davon wird auch ihr Versagensverhalten wesentlich
beeinflußt. Bei langfaserverstärkten Materialien oder Schichtverbunden ist dies ganz besonders
ausgeprägt: Versagen in der Matrix oder in der Grenzfläche parallel zu den Fasern tritt
3
bevorzugt gegenüber Faserbruch senkrecht zum Querschnitt auf. Eine bei diesen Materialien
im praktischen Einsatz häufig beobachtete Versagensform ist die sogenannte Delamination
([3]-[7]). Sie beginnt an herstellungs- oder belastungsbedingten Fehlstellen zwischen den in
realen Verbunden meist schichtartig übereinanderliegenden Strukturzonen aus Fasern und
Matrix. Bei ausreichender Belastung wird der entstandene Riß sich auf dem Weg des
geringsten Widerstandes im Gebiet zwischen übereinanderliegenden Faserschichten flächig
ausbreiten. Dies kann in der Matrix durch Schädigung und Fließen oder entlang der Faser-
Matrix-Grenzflächen durch Versagen der Haftung erfolgen. Die verschiedenen Prozesse
können gemeinsam auftreten, in Abhängigkeit von der äußeren Belastung wird jedoch der eine
oder der andere dominieren [4]. Normalbelastungen senkrecht zur Schichtebene resultieren
häufig in verstärktem Grenzflächenversagen, Scherbelastungen in der Schichtebene dagegen in
Mikrorißbildung und Fließen in der Matrix [5]. Die Anfälligkeit eines Materials gegenüber
Debonding ist daher von der Zusammensetzung der Belastung abhängig und im allgemeinen
senkrecht zur Rißebene besonders hoch ([8]-[10]).
Durch die Orientierung der Fasern und ihre Anordnung in Schichten bleibt der entstehende Riß
über große Distanzen in der Ebene seiner Entstehung, auch bei nichtsymmetrischer Belastung
oder Krümmungen der Struktur. Aus makroskopischer Sicht entspricht dies einer kollinearen
Rißausbreitung und vereinfacht die Beschreibung. Durch die verstärkende Wirkung der steifen
Fasern verhält sich das Material während des Versagens im überwiegenden Teil der Proben für
viele Materialien äußerlich elastisch, so daß zur Beschreibung der Delamination häufig ein
bruchmechanischer Ansatz gewählt werden kann ([11], [12]; Grenzen der Anwendung: [13]).
Zur Charakterisierung der Anfälligkeit eines Schicht-Verbundes gegenüber Delamination wird
meist die kritische Energiefreisetzungsrate gewählt. Ihre Definition beruht auf der
Energiebilanz der Rißausbreitung (GRIFFITH [14]) und hat - im Gegensatz zum Konzept der
Spannungsintensitätsfaktoren (IRWIN [15]) - daher auch dann Gültigkeit, wenn lokal begrenzte
inelastische Prozesse auftreten oder die inhomogene Struktur der Verbundwerkstoffe
gegenüber ihren äußeren Abmessungen spürbar wird [16]. Derartige Bedingungen sind für
langfaserverstärkte Materialien fast immer gegeben, was die Nutzung von
Spannungsintensitätsfaktoren ungeeignet erscheinen läßt. Vorraussetzung für die
Anwendbarkeit des Konzepts der Energiefreisetzungsrate ist allerdings, daß die Rißausbreitung
selbstähnlich [17] erfolgt, was bedeutet, daß sich die von einer elastischen, homogenen
Beschreibung abweichenden Zonen während der Rißausbreitung nicht wesentlich ändern
dürfen. Bis zu einem gewissen Umfang lassen sich solche Änderungen, besonders nach der
Rißinitiierung, in einer Abhängigkeit der kritischen Größe von der Rißgröße erfassen. Das
Delaminationsverhalten solcher Materialien wird dann nicht mehr durch eine Konstante,
4
sondern durch sogenannte ‘R-Kurven’ charakterisiert ([18]-[20]). Die dafür verantwortlichen
Mechanismen stehen bei der Delamination oft in Zusammenhang mit einem Übergreifen des
Risses auf benachbarte Zwischenschichten und dadurch induzierter zusätzlicher Dissipation.
Ein darauf zurückzuführender, häufig beobachteter und mit einem Anstieg des
Delaminationswiderstandes korrelierender Prozeß ist die Bildung sogenannter Faserbrücken
([21]-[23]) welche den entstandenen Delaminationsriß überspannen. Sie bewirken eine
Abschirmung der Belastung der Rißspitze und vermehrte Dissipation infolge von Faserbruch
und von Ablösung der Fasern von den Rißflächen. Ihre Ausbildung hängt jedoch von den
Formen der Belastung und der Geometrie der deformierten Körper ab ([6], [20]).
Die experimentelle Charakterisierung der Delaminationseigenschaften liefert dem Konstrukteur
Informationen zur Auswahl des geeigneten Compositematerials. Dem Technologen vermitteln
diese darüber hinaus Anhaltspunkte über die erreichten Konsolidierungseigenschaften des
Materials und die Güte des Herstellungsprozesses. Die Delaminationskenngrößen gehören zu
den wichtigsten makroskopischen Versagenseigenschaften von Schichtverbundwerkstoffen.
Die mechanischen Eigenschaften lang- und kurzfaserverstärkter Materialien werden auf mikro-
skopischer Ebene wesentlich durch die Qualität der Haftung zwischen Faser und Matrix
bestimmt ([24]-[29]). Aufgrund der ausgeprägt inhomogenen Struktur der Eigenschaften,
Spannungen und Deformationen dieser Materialgruppe gibt es eine große Zahl von Einfluß-
faktoren (inelastisches Materialverhalten, komplizierte lokale Spannungszustände ...) und
Wechselwirkungsmöglichkeiten (Grenzschichten, Faser-Matrix-Reibung, Faser-Faser-
Wechselwirkungen,...). Beim ihrem Versagen werden verschiedenste Mechanismen wirksam
(Debonding, Matrixbruch und -fließen, Faserbruch, Faser-Pull-Out usw.), die für ein und
dasselbe Material unter verschiedenen Belastungsbedingungen in ganz unterschiedlicher
Verteilung angeregt werden können [30]. Die Faser-Matrix-Haftung nimmt für viele der
Prozesse eine Schlüsselstellung ein.
Die große Zahl der wirkenden Faktoren ist ein Problem, jedoch zugleich auch ein bedeutendes
Potential der Verbundwerkstoffe, denn sie bieten vielfältige Möglichkeiten der technologischen
Einflußnahme auf die technischen Eigenschaften dieser Materialien. Eine Beschreibung der
Zusammenhänge zwischen der Beschaffenheit der mikroskopischen Strukturkomponenten und
den makroskopischen Konstruktionseigenschaften und ein Verständnis der sich mikroskopisch
vollziehenden Prozesse ist insbesondere für das Versagensverhalten von Verbundwerkstoffe
überaus schwierig ([31]. Während die makroskopische Steifigkeit eher integralen Charakter
trägt und gegenüber lokalen Abweichungen weniger empfindlich ist, wird das makroskopische
Versagen immer an lokalen Störungen initiiert und weitergeleitet und zeigt die Merkmale eines
5
katastrophalen Prozesses. Letzteres kommt deutlich in der starken Streuung bei der
experimentellen Bestimmung der Versagenskenngrößen zum Ausdruck ([32], [33]).
Obwohl grundlegende Mechanismen des Versagens von faserverstärkten Materialien schon seit
längerem bekannt sind und experimentell und modellmäßig untersucht werden, gibt es im
Detail noch eine Vielzahl offener Fragen. Gerade die Rolle der Faser-Matrix-Haftung ist
vielschichtig. Eine gute Haftung ist wünschenswert, um eine effektive lokale Ableitung der
Last an mikroskopischen Störstellen (Faserbrüchen/ -enden) und eine hohe verstärkende
Wirkung der Fasern zu erreichen. Im Sinne einer hohen Steifigkeit und Festigkeit in Quer-
richtung (und zumindest für kurzfaserverstärkte Materialien auch in Faserlängsrichtung) ist die
Verbesserung der Faser-Matrix-Haftung eine uneingeschränkt zu fördernde Zielstellung, die
auch die bisherige technologische Entwicklungsrichtung von Faser-Matrix-Systemen bestimmt.
Um jedoch eine hohe Widerstandsfähigkeit (Zähigkeit) der Verbundwerkstoffe gegenüber dem
Versagen an herstellungs- oder belastungsbedingten Störstellen zu realisieren, ist die durch die
äußere Belastung eingebrachte Energie in möglichst hohem Maße über die Umgebung der
Störstelle hinweg zu dissipieren und so deren lokale Belastung abzuschirmen. Als wirkungsvoll
hat sich dafür vor allem die Aktivierung einer möglichst großen Anzahl von
energiedissipativen Mechanismen erwiesen. Für diese Zielsetzung ist eine besonders starke
Haftung zwischen Faser und Matrix nicht unbedingt vorteilhaft. Eine mittlere Haftung hat
Faser-Matrix-Versagen an einer Vielzahl von Fasern im belasteten Bereich zur Folge und
dissipiert dabei wesentlich mehr Energie als das Versagen einer - noch so starken - einzelnen
Grenzfläche ([29], [21], [6]). Unter diesem Aspekt sollte es ein Optimum der Faserhaftung für
einen Verbundwerkstoff geben, das aber wesentlich auch durch dessen Einsatzzweck bestimmt
wird.
Die Aufklärung des Einflusses und die Optimierung der Qualität der mikroskopischen
Grenzfläche hinsichtlich den makroskopischen Versagenseigenschaften ist Gegenstand
zahlreicher experimenteller ([34]-[40]) und theoretischer Untersuchungen ([41]-[44]). Wichtige
Voraussetzung dafür ist die experimentelle Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften
der Grenzschicht in mikroskopischen Faser-Matrix-Systemen ([45]-[48]).
Ein denkbarer Zugang ist die Untersuchung der physikalischen und chemischen Wechsel-
wirkungen, die unmittelbar in der Grenzfläche zwischen den Molekülen der unterschiedlichen
Materialien bestehen (Review [24], [48]-[50]). Die relevante Größe ist die thermodynamische,
freie Grenzflächenenergie ([48], [51]) deren Anteile von verschiedenen Wechsel-
wirkungsformen (chemische Bindung, Van der Waals, Dipolwechselwirkung, mechanische
Wechselwirkung [52], ...) sich aus diversen Meßverfahren (Benetzungsuntersuchungen:
Kapillarsteighöhenmethode, Wilhelmy-Methode [53]; Spektroskopische Oberflächenunter-
6
suchungen: SIMS, ISS, XFS; Zeta-Potential [54], ...) ermitteln lassen. In Bezug auf die beim
Faser-Matrix-Debonding in der mikroskopischen Strukturebene (Faser-Matrix, Größenordnung
µm ) umgesetzten Energien stellt diese molekulare Wechselwirkungsenergie jedoch nur einen
nahezu verschwindenden Bruchteil ([48], [55]). Ursache dafür ist, daß beim Lösen der
Verbindung zwischen Faser und Matrix nicht nur die unmittelbar benachbarten
Molekülschichten beteiligt sind, sondern aufgrund der in der Umgebung der Spitze des
Grenzflächenrisses auftretenden Spannungskonzentrationen Umordnungen (Fließen und
Schädigung der Materialien) in einem ganzen räumlichen Bereich („Prozeßzone“), mit einer
um Größenordnungen höheren Anzahl von Molekülen, auftreten. In diesen wird weitaus mehr
Energie dissipiert, als in der unmittelbaren Grenzfläche. Allerdings ist die Größe der
Prozeßzone und damit der Betrag der in ihr dissipierten Energie abhängig vom Grad der
Adhäsion: hoher direkter Zusammenhalt der Grenzfläche führt zu stärkeren Spannungs-
konzentrationen, größeren Prozeßzonen und damit höherer ingesamt dissipierter Energie.
Die molekulare Grenzflächenwechselwirkung allein ist zur Beschreibung der Qualität der
Faser-Matrix-Grenzfläche daher nicht ausreichend. Sie wird auf dieser mikroskopischen
Strukturebene (zu unterscheiden von der molekularen Strukturebene im nm-Bereich) durch
weiter gefaßte Parameter, wie der Grenzflächenscherfestigkeit oder der kritischen Energiefrei-
setzungsrate des Debonding charakterisiert [56]. Diese beinhalten den Einfluß der Prozeßzone
und der räumlichen Struktur der sogenannten Grenzschicht, die durch die Nachbarschaft der
Grenzfläche geänderte Eigenschaften gegenüber dem reinen Matrixmaterial besitzt ([57]-[59]).
Da anzunehmen ist, daß diese Gebiete entscheidend durch die absoluten Größenverhältnisse,
die mikroskopische Geometrie und den Verbundbildungsprozeß bestimmt werden, erfordert
ihre experimentelle Charakterisierung eine realitätsnahe Probengestaltung in Anlehnung an die
mikroskopische Struktur der Verbundwerkstoffe. Die in makroskopischen Testverfahren
(„Peel-Test“, „Brazilian-Disc“, ... [60], [61],) ermittelten Haftungsparameter sind nur bedingt
für das mikroskopische Verhalten typisch.
Der mikromechanischen, experimentellen Bestimmung der Grenzflächeneigenschaften wird
große Aufmerksamkeit geschenkt und sie ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der Arbeit
zahlreicher Forschungsgruppen. Eine Übersicht zu dieser Thematik ist in Kap. 5.1 zu finden.
1.3 Konzepte für Versagenskriterien
Zur Beschreibung des Versagens spröder Materialien gibt es verschiedene Konzepte. Bleibt die
Spannungsverteilung im Material endlich, so ist ein Festigkeitskriterium anwendbar ([62],
[63]). Dieses geht davon aus, daß ein Volumenelement des Materials einer Belastung nur bis zu
einer materialtypischen maximalen Spannung oder Dehnung widerstehen kann. In
7
mehrachsigen Spannungszuständen wird dafür ein Vergleichswert aus den verschiedenen
Lastkomponenten eingeführt (z.B. von MISES-Spannung). Voraussetzung für eine solche
Beschreibung ist, daß über ein statistisch repräsentatives Volumenelement die Spannung als
homogen angesehen werden kann [17]. Versagen wird immer an Fehlstellen (Mikrorissen,
Einschlüssen, Hohlräumen) induziert. Enthält das Volumenelement ausreichend viele dieser
mikroskopischen Strukturelemente um eine statitistische Homogenisierung seiner
Eigenschaften und Deformationen zuzulassen und erfolgt die Belastung des Volumenelementes
gleichmäßig, so werden unterschiedliche Bereiche des Materials unabhängig im Mittel unter
gleichen Bedingungen versagen.
Liegt jedoch eine größere Störung, z.B. ein Riß im Material vor, so treten starke Spannungs-
konzentrationen und -gradienten auf, die sich bis in die mikroskopische Substruktur fortsetzen.
Für ein Volumenelement auf einer bestimmten Betrachtungsebene läßt sich dann kein
einheitlicher Spannungswert mehr angeben. In der mathematischen Modellierung dieses Sach-
verhalts ergeben sich Singularitäten mit unbegrenzten Werten für die Spannung. Das Festig-
keitskonzept ist für derartig inhomogene Spannungsverteilungen nicht geeignet. Für die
Beschreibung des Versagens bei Vorliegen einer auf der Betrachtungsebene spürbaren
Schädigung wurde die Bruchmechanik entwickelt ([14], [15]). In ihrer gebräuchlichsten
Formulierung untersucht sie die Ausbreitung eines Risses in einem Material ausgehend von der
dabei auftretenden Energiebilanz [64]. Für elastische Systeme ist die entsprechende Kenngröße
die Energiefreisetzungsrate G. Für die Phase der Ausbreitung eines bestehenden Risses der
Länge a um eine differientiell kleine Länge da unter einer äußeren Last P kann eine Bilanz der
zugeführten und verbrauchten Energie aufgestellt werden:
dU dW dW dWaußen Riß Dissipation− + + = 0 (1.1),
wobei ( ) ( )dU U a da U a= + − der Änderung der im System gespeicherten elastischen Energie
U entspricht. dWaußen ist die während der Rißausbreitung am System von äußeren Kräften ver-
richtete Arbeit, dWRiß die bei Ausbreitung des Risses um eine Länge da zur eigentlichen
Trennung des Materials aufzuwendende (Adhäsions-)-Arbeit ( dWRiß > 0 ). Der Anteil
dWDissipation ist die während der Rißausbreitung durch Dissipation (plastische Verformung, Rei-
bung, Erwärmung) in der Prozeßzone oder im Material verbrauchte Energie ( dWDissipation > 0).
Bei Annahme ideal elastischer Materialeigenschaften wird der letzte Anteil vernachlässigt oder
der zur Trennung der Rißflächen benötigten Arbeit dWRiß zugeordnet. Die zur Ausbreitung des
Risses notwendige Arbeit dWRiß ist im Differentiellen proportional der neu entstandenen
Rißfläche B da⋅ . Der Proportionalitätsfaktor beschreibt den Widerstand eines Materials gegen-
über Rißausbreitung und wird als kritische Energiefreisetzungsrate Gc bezeichnet (B... Breite
der Rißfläche):
8
dW G B daRiß c= ⋅ ⋅ (1.2)
Für elastische Materialien läßt sich die Energiebilanz wie folgt formulieren:
−−
⋅=
dU dW
B daGaußen
c (1.3).
Der Term auf der linken Seite entspricht der vom System für die Rißausbreitung zur Verfügung
gestellten Energie, er wird als Energiefreisetzungsrate G bezeichnet:
Gd U W
B daaußen= −
−
⋅
( ) (1.4)
Die rechte Seite von Gl. 1.3. enthält die während der Rißausbreitung verbrauchte Energie. Die
Herleitung der Bilanz geht von einem quasistatischen Rißwachstum aus. Dynamische Effekte
(kinetische Energie) sind in der bisherigen Formulierung nicht berücksichtigt, sie bewirken
eine Erhöhung der Dissipation des Systems. Unter Verwendung der Definition der Energiefrei-
setzungsrate ergibt sich folgendes Kriterium für das Auftreten von Rißausbreitung: die vom
System zur Verfügung gestellte Energiefreisetzungsrate G muß gleich oder größer als die für
das Material typische kritische Energiefreisetzungsrate sein [14]:
G G c≥ (1.5)
Die kritische Energiefreisetzungsrate Gc wird im allgemeinen als materialtypische Kenngröße
verstanden. Sie charakterisiert die bei einer Rißausbreitung vom Material verbrauchte Energie.
Die Ausbreitung eines Risses kann sich im gleichen Material in Abhängigkeit von der lokalen
Belastung der Rißspitze jedoch auf Basis ganz unterschiedlicher mikroskopischer Prozesse
(Scherbelastung, Normalbelastung usw.) mit unterschiedlichem Energieverbrauch vollziehen.
Daher hängt die kritische Energiefreisetzungsrate eines Materials von den bei der Rißaus-
breitung induzierten Mechanismen ab. Für Risse in elastischen Materialien werden drei
Belastungssituationen unterschieden, die oft mit verschiedenen Versagensmechanismen
verknüpft sind, die Mode-I-, Mode-II- und Mode-III-Belastung. Mode I entspricht einer lokalen
Beanspruchung der Rißspitze, die bestrebt ist, den Riß durch Normalspannungen senkrecht zur
Rißebene zu öffnen. Mode II erzeugt eine antisymmetrische Scherbelastung parallel zur
Ausdehnungsrichtung des Risses. Mode III wird durch die antisymmetrische Scherbelastung in
Richtung der Rißfront festgelegt. Die unterschiedlichen Situationen sind in Abb. 1.1 skizziert.
Gewöhnlich weist ein Material bei reiner Belastung für jede dieser Moden einen
unterschiedlichen Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate auf: G Ic , G IIc oder GIIIc .
Allgemeine Belastungssituationen ergeben sich oft als Überlagerung der Moden ('Mixed-
Mode'), die entsprechende kritische Energiefreisetzungsrate Gc folgt in diesem Fall aus einem
9
'Mixed-Mode'-Versagenskriterium ( )G G G Gc I II III, , , ihr Wert ist darin abhängig vom Anteil
der einzelnen Belastungsmoden an der Gesamtenergiefreisetzungsrate [17]:
G G G GI II III= + + (1.6.).
Abb. 1.1 Definition der bruchmechanischen Moden
1.4 Grenzen der mathematisch-analytischen Modellierung
Eine theoretische Beschreibung des mechanischen Verhaltens kann die realen Vorgänge nur
näherungsweise in physikalischen Modellen wiedergeben. Deren wichtigste und am häufigsten
verwandte Grundlage ist die Elastizitätstheorie. Obwohl sie inelastische Prozesse wie Fließen
oder Mikroschädigung nicht berücksichtigt, folgen die meisten Materialien im Bereich kleiner
und mittlerer Deformation ihren Gesetzen. Die verbreiteteste Variante geht von einem linearen
Zusammenhang zwischen der Belastung und der Deformation der Materialien aus, was für den
Elastizitätsbereich der meisten Werkstoffe, ausgenommen die Elastomere, im praktischen
Einsatzfall in guter Näherung zutrifft. Selbst in ihrer einfachsten, isotropen Formulierung liegt
dieser Theorie ein System aus partiellen Differentialgleichungen 4.Ordnung (NAVIER’sche
Gleichungen [65]) zugrunde, das gelöst werden muß, um allgemeine dreidimensionale
Aufgabenstellungen zu bearbeiten. Mit Ausnahme simpelster Geometrien (Kugel, Quader o.ä.)
unter homogenen Belastungen ist eine gleichungsmäßige Formulierung real auftretender
Randbedingungen sehr aufwendig. Eine exakte, mathematisch analytische Ermittlung der
Spannungs- und Verschiebungsverteilung unter Verwendung vollständiger Ansatzfunktionen
für die Differentialgleichungen ist für reale Randbedingungen und Geometrien wegen der dabei
auftretenden mathematischen Probleme im allgemeinen praktisch undurchführbar [65].
Vereinfachungen und Vernachlässigungen der Problemstellungen sind unabdingbar, um
wenigstens näherungsweise Lösungsausdrücke für eine Problemstellung zu erhalten. In
manchen Fällen ist eine Reduktion auf eine zweidimensionale Beschreibung möglich, wenn
eine Rotationssymmetrie, eine sehr geringe oder eine sehr große Ausdehnung der Geometrie in
einer Richtung vorliegen (Fasern, Folien, Stäbe, Platten). Dennoch ist der verbleibende
Aufwand bei allgemeinen zweidimensionalen Geometrien und Randbedingungen für eine
exakte mathematisch analytische Behandlung zu groß und erfordert weitere grundlegende
Mode IIMode I Mode III
10
Vereinfachungen. Unter günstigsten Umständen lassen sich die realen Fragestellungen mit
Grenzfällen analytischer Modelle vergleichen, für die einfache Lösungen des analytischen
Systems existieren. Ein Beispiel dafür ist die Balkentheorie, deren sehr simple mathematische
Formulierung sich für unendlich lange Stäbe aus den Grundgleichungen der Elastizitätstheorie
ergibt [66]. Häufig jedoch müssen willkürliche Vernachlässigungen von Komponenten und
ihren Abhängigkeiten vorgenommen werden, nur um die mathematischen Umformungen zur
analytischen Lösung zu ermöglichen. Dies betrifft z.B. die in Kap. 5.2 vorgestellten ‘Shear-
Lag’-Näherungen [67]. Inwieweit die auf derartiger Basis erhaltenen Ausdrücke das
Deformationsverhalten richtig wiedergeben, ist in der Regel völlig unklar und kann nur durch
unabhängige Untersuchungen entschieden werden. Mehr als eine qualitative Beschreibung
sollte von diesen Näherungen nicht erwartet werden [1]. Daneben zeigt sich für viele
mechanische Systeme, daß die Deformation und das Materialverhalten wesentlich von
nichtlinearen (starke Biegung, große Dehnung) und nichtelastischen (Plastizität) Einflüssen
bestimmt wird, die über die lineare Elastizität hinausgehen und noch weitaus schwieriger zu
beschreiben sind. Obwohl sich Grundgleichungen auch dafür angeben lassen. ist ihre
mathematisch analytische Lösung nur in Ausnahmefällen möglich [1].
Mathematisch analytische Lösungsverfahren können die meisten praktischen Aufgabenstellun-
gen nur über Modelle behandeln, die bereits in den Grundlagen mehr oder weniger stark
vereinfacht sind. Diese liefern nur Näherungslösungen. Dabei können wesentliche Aspekte des
realen Verhaltens verlorengehen und eine Beurteilung der Gültigkeit und Genauigkeit der
erhaltenen Resultate ist auf rein analytischer Basis in vielen Fällen nicht möglich.
Zur Bewältigung komplizierter mathematischer Probleme sind numerische Lösungsverfahren
besser geeignet. Zwar ermöglichen auch sie nur eine näherungsweise Lösung, doch erlauben sie
meist eine vollständige Behandlung aller Grundgleichungen des Systems und ihre Genauigkeit
kann im Prinzip durch Verfeinerung der Diskretisierung stets weiter verbessert werden.
Praktisch ist sie durch die verfügbare Rechnerleistung begrenzt. Numerische Methoden, wie die
Finite-Elemente-(FE)-Methode [68] haben sich daher in letzter Zeit zur Modellierung
mechanischer und vieler anderer Aufgabenstellungen durchgesetzt. Sie vermögen auch den
Maßstab für die Gültigkeit der mathematisch analytischen Lösungen zu liefern.
Die analytischen Ergebnisse haben jedoch weiterhin eine große Bedeutung, wenn sie die Zu-
sammenhänge zwischen den physikalischen Größen mittels mathematischen Formelausdrücken
in allgemeiner, einfacher und anschaulicher Form wiedergeben können. In diesem Fall sind sie
für praktische Anwendungen den numerischen Verfahren überlegen, denn jene vermitteln
Lösungen nur für den speziellen Fall über aufwendige und wenig transparente Verfahren.
11
1.5 Zielstellung der Arbeit
Das Potential der FE-Methode zur wirklichkeitsnahen Beschreibung auch komplexer Einfluß-
größen (3 D-Spannungszustände, komplizierte Geometrien, anisotrope Materialeigenschaften,
nichtlineare Deformationen, inelastische Materialgesetze) bietet die Perspektive einer
realistischeren, detaillierteren Modellbildung des Versagensprozesses von faserverstärkten
Verbundwerkstoffen. Auf diesem Weg möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.
Das besondere Augenmerk richtet sich darin auf die Versagensmechanismen in spröden, faser-
verstärkten Materialien. Für deren Modellierung soll das bruchmechanische Konzept zur
Beschreibung von Versagen sowohl auf der makroskopischen Ebene (Delamination) als auch
auf der mikroskopischen Ebene (Faser-Matrix-Debonding) konsequent und detailgetreu
(‘Mixed-Mode’, nichtlineare Deformation, anisotropes Materialverhalten) angewendet werden.
Wegen der großen Vielfalt und Komplexität der wirkenden Mechanismen kann nur eine
Grundlage gelegt werden, die in nachfolgenden Arbeiten erweitert werden soll (inelastisches
Materialverhalten: Matrixfließen oder -plastizität, Materialschädigung, Reibung; zusätzliche
Strukturelemente: Interphase, Faserbrücken, Wechselwirkungen mit Nachbarfasern).
Diese allgemeine Zielstellung bildet den Hintergrund und den Rahmen für den eigentlichen
Schwerpunkt der Arbeit, der auf der Bearbeitung von je einer anwendungsrelevanten
Fragestellung zur makroskopischen und zur mikroskopischen Beschreibung des Versagens
faserverstärkter Verbundwerkstoffe liegt.
Die Thematik "Charakterisierung des Delaminationsverhaltens gekrümmter Probekörper"
vertritt die makromechanische Ebene der Modellierung:
Im Ergebnis der Thermoplast-Wickeltechnologie entstehen langfaserverstärkte Verbund-
werkstoffe mit meist rotationsymmetrischer Gestalt. Um die Qualität der mit dieser Tech-
nologie erzeugten Materialien beurteilen zu können, werden ringförmige Probekörper
hergestellt und getestet. Ein wichtiger Maßstab für die Konsolidierungsgüte der Materialien ist
ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Delaminationsversagen. Ein weitgehend standardisiertes
Verfahren dafür existiert nur für ebene Proben ('Double Cantilever Beam Test', DCB-Test),
wird aber in abgewandelter Form auch für die gekrümmten Probekörper angewendet ('Curved-
Double-Cantilever-Beam-Test', CDCB-Test). Für diese Variante ist aus der Literatur keine
spezielle Methode zur Auswertung bekannt. Sie erfolgt bisher nur qualitativ oder auf
Grundlage allgemeiner Vorstellungen, die den Besonderheiten dieses Tests kaum Rechnung
tragen, da ein Deformationsmodell dieser Geometrie nicht existiert.
Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, eine makromechanische Modellierung des CDCB-Tests zu
erstellen, welche die zur experimentellen Bestimmung der bruchmechanischen Kenngrößen
notwendigen Zusammenhänge liefert und eine Diskussion hinsichtlich einer optimalen Proben-
gestaltung ermöglicht. Besonderer Wert wird dabei auf eine realistische Berücksichtigung auch
12
komplizierterer Einflußfaktoren wie Scherdeformationen, Materialanisotropie, bruchmecha-
nischer 'Mixed-Mode'-Belastung und nichtlinearer Deformation gelegt. Als primäre
Analysemethode wird eine Finite-Elemente-Modellierung angewendet, an Hand deren
Ergebnisse sich jedoch auch die Leistungsfähigkeit und Anwendbarkeit der herkömmlichen
analytischen Methoden beurteilen lassen.
Die mikroskopische Betrachtungsebene steht im Mittelpunkt der zweiten Aufgabenstellung zur
"Mikromechanischen Modellierung des Versagens der Faser-Matrix-Grenzfläche beim
Einzelfaser-Auszugstest":
Die Qualität der Faser-Matrix-Grenzfläche hat wesentlichen Einfluß auf die mechanischen
Eigenschaften faserverstärkter Verbundwerkstoffe, insbesondere deren Festigkeit und Zähig-
keit. Da die Grenzfläche durch Wahl von Faser-Matrix-Kombination, Faserbehandlung und
Schlichtesubstanzen beeinflußbar ist, bietet sie die Möglichkeit einer Optimierung der
mechanischen Eigenschaften der Verbundwerkstoffe. Allerdings sind die Mechanismen der
Eigenschaftsverbesserung auf Grund der zahlreichen Wechselwirkungen der mikroskopischen
Strukturkomponenten faserverstärkter Materialien sehr komplex und im Rahmen eines
umfassenden theoretischen Modells noch nicht hinreichend verstanden. Meist wird daher der
Weg einer empirischen Untersuchung des Einflusses von Faser-Matrix-Haftung auf die mecha-
nischen Eigenschaften von Verbundwerkstoffen beschritten. Dafür ist eine experimentelle
Charakterisierung der mechanischen Qualität der eingesetzten Faser-Matrix-Systeme
notwendig. Eine häufig verwendete, mikromechanische Charakterisierungsmethode ist der
Einzelfaser-Auszugsversuch. Trotz seiner einfachen Geometrie sind die auftretenden
Deformationen und Spannungen kompliziert und entziehen sich einer einfachen analytischen
Modellierung, obwohl zahlreiche Versuche dazu unternommen wurden. Die herkömmliche
Interpretation der Ergebnisse versucht, die Grenzflächenqualität durch eine Grenzflächen-
scherfestigkeit zu charakterisieren. Für spröde Materialien ist die Grenzflächenbelastung
jedoch durch das Auftreten stark inhomogener Spannungskonzentrationen (theoretisch -
singularitäten) gekennzeichnet. Hier versagt ein Festigkeitskriterium und eine bruch-
mechanische Beschreibung der Ausbreitung eines Grenzflächenrisses ('Debonding') mit einer
kritischen Energiefreisetzungsrate als Debonding-Kriterium erscheint angemessener. Dies ist
die Zielstellung des zweiten Teils der Arbeit. Der bruchmechanische Ansatz und die
Möglichkeiten der Finite-Elemente-Methode sollen ein detailliertes Bild der Entstehung und
Ausbreitung von Grenzschichtrissen für spröde Interfacesysteme am Beispiel des Einzelfaser-
Auszugsversuchs liefern. Dieses Bild läßt sich zukünftig auf die Einbeziehung inelastischen
Materialverhaltens und von Wechselwirkung mit anderen Strukturelementen (Nachbarfasern,
Zwischenschichten) erweitern, welche in realen Verbundsystemen eine wesentliche Rolle
spielen.
13
2. Makromechanische Modellierung: Charakterisierung des Delamina-
tionswiderstandes gekrümmter Probekörper
2.1 Thermoplastwickeltechnologie
Die Thermoplastwickeltechnologie ist ein relativ junges technologisches Verfahren zur
Herstellung langfaserverstärkter Verbundwerkstoffe mit thermoplastischer Kunststoffmatrix
([20], [69]-[75]). Sie gestattet die automatisierte Erstellung von mehr oder weniger rotations-
symmetrischen Bauteilen in einem Arbeitsgang ohne zusätzliche zeitaufwendige Schritte wie
manuelles Auflegen und Anordnung von Prepreg-Schichten oder nachfolgende Aushärt- und
Konsolidierungsprozesse. Die Verwendung thermoplastischer Materialien für die Matrix
beinhaltet für viele Anwendungszwecke eine Reihe von Vorteilen gegenüber duromeren
Materialien [72]: die Materialien zeigen bessere Zähigkeit hinsichtlich Bruch, Delamination
und Schlag, sie haben kurze Verarbeitungszeiten und benötigen weniger Verarbeitungsschritte.
Die aus Thermoplastverbundwerkstoffen gefertigten Bauteile und Formkörper sind auch nach
ihrer Herstellung noch umformbar und lassen sich schweißen. Und nicht zuletzt bieten sie gute
Recyclingmöglichkeiten. Neben materialspezifischen Problemen, die natürlich auch existieren
(hohe Verarbeitungsviskosität und -temperatur, hohen Materialkosten) waren es besonders die
fehlenden Verbundbildungstechnologien, die eine technische Nutzung langfaserverstärkter
Thermoplastmaterialien im industriellen Umfang bisher verhindert haben. Hier wurde mit der
Thermoplastwickeltechnologie ein interessanter Ansatz gefunden.
Abb. 2.1
Prinzip einer Thermoplast-
wickelanlage [72]
Das Prinzip ist in Abb. 2.1 illustriert. Im Verfahren werden die Verstärkungsfäden und das
Thermoplastmaterial gemeinsam und kontinuierlich dem Verbundbildungsprozeß zugeführt.
Für die Kombination von Faser und Matrix, die sogenannte Faserimprägnierung, im
Ausgangsmaterial gibt es verschiedene Möglichkeiten [72]. Die Matrix kann über
Thermoplastfasern oder -foliebänder von einer getrennten Spule zugeführt werden bzw. in
Form von Thermoplastpulver in einer dünnen Hülle oder als Bänder die Fasern unmittelbar
Vorspannung
Vorwärmkammer
Ausgangsmaterial
EinlaufpunktheizungWickeldorn
Laminatring
Andruckrolle
Einlaufpunkt
14
umschließen. Letzterer Fall erfordert eine zusätzliche Verarbeitungsstufe zur Faser-
imprägnierung, hat aber den Vorteil, daß das Ausgangsmaterial einheitlich, fertig konfiguriert
und auf einem einzigen Träger vorliegt. Von der Spule mit dem Halbzeug gelangt die Faser mit
der Matrix in eine Vorheizstrecke, die eine gleichmäßige Aufheizung des Materials bis an den
Schmelzpunkt der Matrix bewirken soll. Unter einer regulierbaren Faserspannung wird das
Material am Einlaufpunkt auf dem Wickeldorn abgelegt. Ein mechanischer Druck und die
punktuelle Erwärmung an dieser Position befördern die Konsolidierung des aufgeschmolzenen
Matrixmaterials mit den darin eingebetteten Fasern zu einem möglichst homogenen
Verbundwerkstoff ([20], [75]). Dieser Abschnitt des Wickelprozesses ist von besonderer
Bedeutung, weil die hier eingestellten Bedingungen die Eigenschaften des hergestellten
Verbundwerkstoffs entscheidend bestimmen. Auf dem Wickeldorn, der die Geometrie des
hergestellten Formteils festlegt, erfolgt während der nachfolgenden Rotation die allmähliche
Abkühlung. Für die ökonomische Effizienz sind eine hohe Wickelgeschwindigkeit bei der
Bauteilherstellung und ein geringer Energieverbrauch während der Aufheizung wichtig. Dies
steht in gewissem Widerspruch zu den technologischen Forderungen einer möglichst guten
Konsolidierung des Verbundes. Jene wird durch ein vollständiges Aufschmelzen und eine
gleichmäßige Benetzung und Verteilung der Fasern in der Schmelze bestimmt. Dabei sollen
möglichst wenige Luftblasen und andere Fehlstellen im Material verbleiben. Voraussetzung
sind eine ausreichende Temperatur und ein gewisser mechanischer Druck am Einlaufpunkt
sowie eine genügend lange Verweilzeit des Materials im Bereich der Schmelztemperatur.
Andererseits darf nur eine möglichst geringe thermische oder mechanische Schädigung von
Matrix und Faser während des Wickelprozesses auftreten. Für die Parameter des Wickel-
prozesses, wie Vorheizleistung, Temperatur und Druck am Einlaufpunkt, Fadenspannung,
Dorntemperatur und Wickelgeschwindigkeit muß daher eine optimale Einstellung gefunden
werden. Der erreichte Erfolg beim Konsolidierungsprozess läßt sich neben direkten
mikroskopischen Untersuchungen am deutlichsten aus den mechanischen Eigenschaften der
hergestellten Verbundwerkstoffe beurteilen [76]. In besonderer Weise sind davon die Ver-
sagenseigenschaften betroffen, die vorwiegend durch die Fehlstellen eines Werkstoffes
bestimmt werden. Eine hohe Empfindlichkeit gegenüber derartigen Schädigungen zeigt bei
langfaserverstärkten, schichtartigen Materialien die Delamination ([6] [7]), so daß speziell
deren Untersuchung Informationen zur optimalen Gestaltung des technologischen Prozesses
bereitstellt.
15
2.2 Charakterisierung der Delaminationszähigkeit
Zur Charakterisierung der Widerstandsfähigkeit langfaserverstärkter Verbundwerkstoffe
gegenüber Delamination existieren verschiedene Testverfahren für ebene Probekörper ([7],
[72]). Zur Ermittlung der bruchmechanischen Kennwerte werden sogenannte Anfangsriß-
Verfahren eingesetzt. Bei diesen wird vor der Belastung ein künstlicher Riß der Länge a 0 in
der Probenmittelebene zwischen die Faserschichten eingebracht und die zu dessen Ausbreitung
notwendige Probenbelastung P gemeinsam mit der Rißöffnung δ und der aktuellen Rißlänge a
während des Tests aufgezeichnet. Aus diesen Größen läßt sich entsprechend dem
bruchmechanischen Konzept die kritische Energiefreisetzungsrate G c des Delaminations-
versagens ermitteln. Für stabile Rißausbreitung erhält man deren Abhängigkeit von der
Rißlänge a, welche einer R-Kurve entspricht. Die Einbringung des Anfangsrisses erfolgt bereits
während des Verbundbildungsprozesses durch Einlegen einer Trennfolie (z.B. PTFE) zwischen
die mittleren Verbundschichten des Probekörpers.
Die verschiedenen Prüfgeometrien entsprechen unterschiedlichen Formen der praktischen
Belastung eines bereits delaminationsgeschädigten Bauteils. Eine wichtige Unterscheidung ist
durch die verschiedenartigen Moden der Belastung gegeben, denen die Rißspitze ausgesetzt
sein kann: ob sie versucht, den Riß senkrecht zur Rißebene zu öffnen (‘Mode I’) oder ob sie in
Richtung der Rißflächen erfolgt (‘Mode II’). Die Anfälligkeit des Materials gegenüber
Ausbreitung der Delamination ist in der Regel abhängig von der Art der Belastung, im allge-
meinen ist die senkrechte Belastung (‘Mode I’) kritischer ([6], [8], [9]). Die Prüfgeometrien
lassen sich nach der Form der Belastung typisieren [77]. Die für Laminate am häufigsten
angewendeten Mode-II-Tests sind der ‘End Notched Flexure’ (ENF) und der ‘End Loaded
Split’-Test. Das zur Mode-I-Charakterisierung vorwiegend eingesetzte Verfahren ist der
‘Double Cantilever Beam’ (DCB)- Test.
Bedingt durch die starke Anisotropie, die hohe Steifigkeit parallel zu den Verstärkungs-
richtungen und die schichtweise Herstellungstechnologie der Laminatwerkstoffe unterscheidet
sich die Probekörpergeometrie zur bruchmechanischen Charakterisierung von Laminat-
werkstoffen wesentlich von der isotroper Materialien (Metalle, reine und partikelverstärkte
Kunststoffe). Für diese werden zumeist Varianten des ‘Compact Tension’-Tests verwendet
([17], [78]). Unverstärkte oder partikelverstärkte Materialien werden für mechanisch bean-
spruchte Bauteile oft in kompakter Geometrie eingesetzt, bei der sich die Belastung über große
Querschnitte verteilt. In diesem Fall führen äußere Belastungen nur zu relativ geringen
Deformationen der Gesamtgeometrie. Dagegen bilden Verbundwerkstoffe zumeist Platten oder
Schalen und widerstehen starken Dehn- und Biegebelastungen. Insbesondere die letzteren
können für die vergleichsweise geringen Materialdicken starke Biegedeformationen bewirken,
16
die eine geometrisch nichtlineare Verformung [66] zur Folge haben. Die starke Anisotropie der
Steifigkeit führt überdies zu einem weit größeren Anteil an Scherdeformation bei der Biegung
als dies bei herkömmlichen, isotropen Materialien der Fall ist [79]. Diese beiden Faktoren
erschweren die zur Auswertung der Testergebnisse notwendige Modellierung des Defor-
mationsverhaltens für die Laminat-Prüfkörper.
2.2.1 ‘Double Cantilever Beam’-(DCB)-Test für ebene Materialien
Die Geometrie des DCB-Tests mit den verwendeten Symbolen ist in Abb. 2.2 dargestellt. Die
geometrischen Abmessungen und die Art der Krafteinleitung wurden für das in der Arbeit
beschriebene Modell und die Experimente entsprechend einem verbreiteten ESIS-Standard [77]
gewählt. Die Übertragung der Belastung wird mittels auf die Probe geklebter Alu-
miniumklötzchen realisiert. Ein Anfangsriß der Länge a mm0 25= (gemessen unter den
Lastpunkten in Klötzchenmitte) wird durch Einlegen einer PTFE-Folie während der Proben-
herstellung eingebracht. Da die Geometrie und die Belastung symmetrisch zur Rißebene sind,
tritt eine reine Mode-I-Belastung des Risses auf. Zur praktischen Durchführung des Tests wird
die Probe in einer Zugprüfmaschine eingespannt. Die Last P wird über in den Bohrungen frei
bewegliche Stahlstifte momentenfrei auf die Klötzchen übertragen, die relative Verschiebung
der Achspunkte der gegenüberliegenden Klötzchen wird von der Maschine gemessen und im
Kontext der Arbeit als Lastverschiebung δ bezeichnet. Da die Rißausbreitung meist stabil
erfolgt, kann während des Tests auch die aktuelle Rißlänge a gemessen und in bestimmten
Zeitabständen dokumentiert werden. Zu diesem Zweck wird vor Beginn des Tests eine
Seitenfläche der Probe mit einer Lackschicht versehen, in die eine Längenskala der Rißlänge
eingekratzt wird. Ergebnis eines DCB-Tests ist die Last-Verschiebungs-Kurve ( )( )P aδ , in
Abhängigkeit von der aktuellen Rißlänge a.
Abb. 2.2 Geometrie der DCB-Probe (ESIS [72]: L mm= 125 ; H mm= 3 ;
B mm= 20 ; h mmk = 30 ;
h mmkl = 22 5, ; l mmkl = 20 ;
25 75mm a mm≤ ≤ )
2*hkl+H+δ
hk
lkl
hklL
Stahlstifte zurKrafteinleitung
Probenmaterial
(aufgeklebt)
Alu-Halteklötzchen
B
H
P
a
17
Probleme bei der praktischen Durchführung des DCB-Tests ergeben sich insbesondere
hinsichtlich der parallelen und mittigen Einbringung des Anfangsrisses, im Hinblick auf eine
ausreichende Belastbarkeit der Klebeverbindung zwischen Klötzchen und Probenenden, bei der
genauen Bestimmung der aktuellen Rißlänge und durch das Auftreten starker Durchbiegungen
für weniger steife Proben und lange Rißlängen.
2.2.2 ‘Curved Double Cantilever Beam’-(CDCB)-Test für gekrümmte
Materialien
Im Ergebnis von Wickelverfahren zur Verbundherstellung entstehen zylindrische Strukturen,
aus denen nur gekrümmte Probekörper zur Materialprüfung herstellbar sind. Die für ebene
Materialien entwickelte Geometrie des DCB-Tests läßt sich nicht unmittelbar auf diese Proben
anwenden. Eine Übertragung des Grundprinzips ist jedoch möglich und führt zu einer
gekrümmten Variante des DCB-Tests: dem ‘Curved Double Cantilever Beam’-Test (CDCB-
Test) ([20], [72], [80]). Dafür wird eine Ringprobe in vier 90°-Segmente aufgeteilt. Durch
Einlegen zweier Trennfolien, die sich auf dem Ring gegenüberliegen, werden die Anfangsrisse
in der Mitte des Wickelprozesses eingebracht. Aus einem Ring lassen sich durch
symmetrisches Abtrennen der Segmente 4 Probekörper mit Anfangsriß gewinnen. Die
Geometrie der CDCB-Probe und die Bezeichnung der geometrischen Parameter ist in Abb. 2.2
dargestellt. In Analogie zum DCB-Test werden an den freien Rißenden der Probe Aluminium-
klötzchen zur Krafteinleitung aufgeklebt. Die Klebeflächen der Klötzchen müssen einen, dem
Innen- bzw. Außendurchmesser des Ringes entsprechenden, gekrümmten Schliff erhalten. Die
Probe wird über zwei in den Klötzchen frei gelagerte Achsen in eine Zugprüfmaschine
eingespannt, die Lastkraft P wird gemeinsam mit der Verschiebung δ der Achsen über dem
gesamten Bereich der Rißausbreitung registriert. Aufgrund des laminaren Probenaufbaus folgt
der Riß der Krümmung der Probe, seine aktuelle Länge wird mittels einer vor dem Test
aufgebrachten Skalierung gemeinsam mit P und δ während des Versuchs aufgezeichnet.
Abb. 2.3 Geometrie der CDCB-Probe
2*h kl+H+δδδδ
h k
h kl
P
l kl
R i
a
H B
18
Im Gegensatz zum DCB-Test erfolgt die Belastung beim CDCB-Test nicht symmetrisch zur
Rißebene, was die Interpretation der Ergebnisse erschwert. Es kann nicht davon ausgegangen
werden, daß der Mode-II-Anteil der Belastung des Materials verschwindet, da auch
Belastungskomponenten parallel zur Richtung der Rißausbreitung an der Rißspitze auftreten.
Allerdings läßt die Prüfmaschine ausschließlich Kraft- und Verschiebungskomponenten in
senkrechter Richtung zu, durch die drehbare Lagerung der Achsen in den Klötzchen kann die
Probe Verspannungen durch Rotation ausweichen. Eine überschlagsmäßige Abschätzung der
dabei auftretenden Verteilung auf die einzelnen Belastungsmoden [72] läßt einen nur geringen
Mode-II-Anteil erwarten.
Dieser Rotationseffekt ist schon bei relativ niedrigen Belastungen signifikant und nicht an das
Auftreten starker Deformationen gebunden. Drehungen lassen sich im Rahmen der üblichen,
geometrisch linearen Modellierung der Deformation nicht korrekt beschreiben. Zur
Modellierung des mechanischen Verhaltens der CDCB-Probe erscheint daher die Berück-
sichtigung nichtlinearer Deformation noch dringender geboten als bei der DCB-Probe.
Eine weitere Schwierigkeit der Modellbildung besteht in der Krümmung der Probekörper [81].
Die einfachste Form der Modellierung beschreibt deren Deformation durch ein Balkenmodell,
in dem die beiden Rißhälften der Probe als Stäbe bzw. schmale Platten betrachtet werden, die
einer Biegedeformation unterworfen sind. Während dies für die ebene Form der DCB-Probe
einfach zu berechnen ist, ergeben sich infolge der Krümmung für die CDCB-Probe
komplizierte Ausgangsgleichungen, für die ohne weiteres kein analytisch geschlossenes
Ergebnis gefunden werden kann. Da aus der Literatur gegenwärtig kein Deformationsmodell
der CDCB-Probe bekannt ist, gestaltet sich die Auswertung des CDCB-Tests, d.h. die
Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate G c aus den Meßergebnissen, schwierig.
Die für den DCB-Test aufgestellten Formeln sind dafür nicht anwendbar. In [20], [72] wird ein
empirisches Verfahren zur Auswertung des DCB-Tests verwendet („experimentelle
Compliance-Methode“), welches direkt auf der linearen Definition der Energiefreisetzungsrate
aus der äußeren Belastung beruht. Da jedoch für die CDCB-Probe von einer deutlichen
Nichtlinearität der Belastungskurve ausgegangen werden muß, ist die Gültigkeit dieser
Näherung nicht gesichert.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß aufgrund des Auftretens von ‘Mixed-Mode’-
Belastungen, Krümmung und Drehung der CDCB-Proben die Interpretation der Ergebnisse des
Test wesentlich komplizierter als die des DCB-Tests erscheint und eine eigenständige
Modellierung der CDCB-Geometrie erfordert.
19
2.3 Modellierung DCB-Test
Obwohl die eigentliche Zielstellung dieses Teils der Arbeit in der Modellierung des CDCB-
Tests besteht, wurde zunächst eine Modellierung der ähnlichen, aber einfacheren DCB-
Geometrie durchgeführt. Da für den DCB-Test bereits eine Reihe von unabhängigen Modellen
und Erfahrungen existieren, lassen sich daran die Zuverlässigkeit und Effektivität der in dieser
Arbeit verwendeten Modelle und Analysemethoden aus dem Vergleich beurteilen und
optimieren. Die gesammelten Erfahrungen sollen insbesondere dazu genutzt werden, die
Untersuchung des CDCB-Tests auf den Einfluß der wesentlichen Parameter zu beschränken.
2.3.1 FE-Modell der DCB-Geometrie
Die DCB-Geometrie wurde mit einem detaillierten zweidimensionalen und einem weniger
detaillierten dreidimensionalen Finite-Elemente-Modell nachgebildet [82]. Zur Durchführung
der Analyse wurden das kommerzielle Finite-Elemente-Programm ANSYS 5.0 und ein DOS
Personalcomputer AT-486 eingesetzt.
Die Vernetzung erfolgte für das 2D-FE-Modell mittels isoparametrischer 2D-Solid-Elemente
mit 8 Knoten. Für diese wurden homogene, linear elastische, orthotrope Materialeigenschaften
definiert. Im Gegensatz zu einer Modellierung mittels Schalenelementen, die ebenfalls möglich
wäre, erlaubt eine vollständige, zweidimensionale Modellierung mit Solidelementen eine
wirklichkeitsnahe Berücksichtigung der bei der Biegung auftretenden Scherdeformationen.
Diese kann mit Schalenelementen, die auf der KIRCHHOFF’SCHEN Plattentheorie beruhen,
(auch bei Nutzung einer TIMOSHENKO-Korrektur) nicht oder nur ungenügend erfolgen.
Wegen der Symmetrie der Probe zur Rißebene ist bei Wahl entsprechender symmetrischer
Randbedingungen in der Mittelebene die Modellierung einer Probenhälfte ausreichend.
Abb. 2.4 Netz des 2D-FE-Modells der DCB-Probe
Rißspitzenregion
RißspitzenelementeRißspitze
Delaminierter Probenteil
20
Eine Darstellung der verwendeten Vernetzung ist in Abb. 2.4 zu finden. Sie ist der besseren
Anschaulichkeit wegen vergröbert und soll die gewählten Grundprinzipien der Vernetzung
illustrieren, die im Hinblick auf eine bruchmechanische Beschreibung der Rißausbreitung
allgemein beachtet werden müssen. Diese Prinzipien sind auch für die übrigen, in dieser Arbeit
vorgestellten FE-Modelle (CDCB-Test, Einzelfaserauszugs-Test) gültig und sollen deshalb an
dieser Stelle stellvertretend kommentiert werden.
Bevorzugte Nutzung regelmäßiger Vernetzung (‘Mapped Meshing’) der für die
Gesamtdeformation wesentlichen Gebiete:
Der dominierende Beitrag zur Deformation der DCB-Probe wird durch die Biegung des
delaminierten Teils des Probekörpers geliefert. Für diesen Bereich wurde eine regelmäßige
Vernetzung (‘mapped meshing’) gewählt, weil diese Methode die genauesten Ergebnisse
liefert. Um mit den Solid-Elementen die Biegedeformationen hinreichend genau wiedergeben
zu können, wurde eine Netzdichte von ca. 4-6 Elementen über die Probenbreite eingesetzt, die
sich bei Vergleichsrechnungen als ausreichend erwies. Der noch nicht delaminierte Probenteil
vor der Rißspitze ist nur sehr geringen Spannungen ausgesetzt und wurde daher nur halb so
dicht vernetzt.
Netzverfeinerung durch ‘Free-Meshing’ im Bereich starker Spannungsgradienten:
An der Spitze des Delaminationsrisses treten starke Spannungskonzentrationen auf. Daher
wurde, beginnend in einem Abstand von einer Probendicke H, eine starke Netzverfeinerung des
Modells hin zur Rißspitze gewählt. Eine Möglichkeit zur Berechnung der bruchmechanischen
Kenngrößen für linear elastische Materialien ergibt sich über die Bestimmung der
Spannungsintensitätsfaktoren aus den singulären Nahfeldern an der Rißspitze. Diese Methode
erlaubt insbesondere die Charakterisierung des ‘Mixed-Mode’-Zustandes bei unsymmetrischen
Geometrien wie z.B. der CDCB-Probe. Sie soll zunächst unter den reinen Mode-I-
Belastungsbedingungen der DCB-Geometrie getestet und mit den Ergebnissen für G aus der
äußeren Reaktion des Systems verglichen werden. Die singulären Felder dominieren nur in
einem sehr kleinen Bereich unmittelbar um die Rißspitze (klein gegenüber einer
charakteristischen Abmessung s.u.) [83]. Das Modell muß hier eine sehr feine räumliche
Auflösung von weniger als 1%, bezogen auf die charakteristische Dimension (Probendicke H),
liefern. Entsprechend muß die Elementgröße unmittelbar an der Rißspitze deutlich unterhalb
dieser Auflösung liegen. Die Größe der Elemente um die Rißspitze kann im Modell durch
spezielle Netzgestaltung variabel bis hinab zu etwa 1/10000 der Probendicke gewählt werden.
Eine Vermittlung zwischen dieser extremen Netzdichte und dem Rest des Modells kann
sinnvoll nur mittels einer freien Vernetzung (‘free meshing’, erlaubt unregelmäßige Benutzung
21
von Vierecks - und Dreieckselementen) bewältigt werden. Diese wurde für den
Rißspitzenbereich des Modells verwendet. Regelmäßige Vernetzungsvarianten für diesen
Übergangsbereich wurden im Vorfeld getestet, lieferten jedoch schlecht reproduzierbare und
weniger glatte Ergebnisse für die Spannungen. Die Ursache dafür ist, daß sich ein regelmäßig
vernetzter Übergang von der Standardnetzdichte entlang der Probendicke zum extrem feinen
Netz an der Rißspitze nicht ohne stark gedehnte Elementformen und spitze Elementwinkel
realisieren läßt. Diese starken Abweichungen von der quadratischen Idealform der Elemente
verschlechtern die Genauigkeit der FE-Approximierung erheblich. Eine freie Vernetzung in
diesen Bereichen mit dem automatischen Netzgenerator unter Vorgabe der Maximal- und der
Minimalgröße der Elemente führt zu wesentlich ausgewogeneren Elementproportionen. Durch
entsprechende Wahl der Verdichtungsparameter kann auch bei freier Vernetzung eine
näherungsweise regelmäßige Netzgestaltung in diesem Bereich erzielt werden. Die damit
erreichte Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bei Variation der Netzparameter ist hervorragend.
Die unmittelbare Rißspitze wurde durch einen Ring von speziellen Rißspitzenelementen
(degenerierte isoparametrische 6-Knoten-Elemente mit verschobenen Seitenmittelknoten [84])
gebildet, welche der r −1 2/ -Singularität der Spannungsfelder an der Rißspitze Rechnung tragen.
Unveränderlichkeit der lokalen Vernetzungsbereiche bei Änderung der Rißlänge:
Für die Analyse jeder DCB-Konfiguration mit bestimmten Materialeigenschaften wurden
jeweils 11 verschiedene Rißlängen mit dem FE-Modell berechnet. Aus den meist sehr kleinen
Änderungen der Probeneigenschaften (Nachgiebigkeit, elastischer Energieinhalt der Probe) mit
der Rißlänge läßt sich die Energiefreisetzungsrate ( )G P a, der Probe unmittelbar ableiten. Um
sicherzustellen, daß die Änderungen zwischen FE-Modellen für zwei benachbarte Rißlängen
der Probe tatsächlich aus der Rißlängenänderung folgen und nicht durch eine unterschiedliche
Vernetzung der FE-Näherung für verschiedene Rißlängen verursacht sind, darf sich das Netz
lokal nicht ändern. Dies wurde realisiert, indem die Probe in ein relativ kompliziertes System
von Vernetzungsgebieten aufgeteilt wurde, die bei einer Änderung der Rißlänge in sich
ungeändert mitverschoben werden. Lediglich zwischen den regelmäßig vernetzten Gebieten vor
und hinter der Rißspitze werden Elemente ausgetauscht, um eine Änderung der Rißlänge zu
erreichen. Die Größe, Zahl und Form sämtlicher übriger Elemente bleibt dabei ungeändert.
Alle Kriterien konnten im Rahmen einer automatischen Vernetzung (‘Solid Modelling’) erfüllt
werden. Die Steuerung der Modellierung, der Berechnungen sowie des Postprozessings und
Abspeicherns der FE-Ergebnisse in Listen erfolgte automatisch mit Hilfe einer Makro-
steuerung. Sämtliche geometrischen und materiellen Größen wurden durch Variablen
parametrisiert und erlauben damit eine extrem einfache Kontrolle und Variation des Modells.
22
Die Anzahl der Knoten für die 2D-FE-Modelle lag zwischen 2000 und 12000, je nach
Zielstellung der Analyse.
Die tatsächliche DCB-Probe besitzt eine endliche Breite B. Eine zweidimensionale
Modellierung vermag die Räumlichkeit des auftretenden Spannungszustandes nur für zwei
Grenzfälle zu beschreiben, den ebenen Spannungszustand (ESZ) und den ebenen
Verzerrungszustand (EVZ). Der ESZ ist näherungsweise für sehr schmale Proben realisiert
( B H< ) während der EVZ dem Fall sehr breiter Proben ( B H>> ) entspricht: die reale Probe
liegt zwischen beiden Extremen. Das 2D-FE-Modell wurde unter Zugrundelegung sowohl des
ESZ als auch des EVZ berechnet. Um den Einfluß der endlichen Probenbreite auf die
Ergebnisse des DCB-Modells untersuchen zu können, wurde auch eine vollständige 3D-FE-
Analyse mit orthotrop elastischen, isoparametrischen 3D-Solid-Elementen durchgeführt. Da
jedoch der Aufwand einer 3D-Analyse hinsichtlich Elementanzahl und Wellenfront bei
gleicher Vernetzungsdichte wesentlich höher als der einer 2D-FE-Analyse ist, wurde eine
weniger dichte Vernetzung benutzt, um den Rechenaufwand erträglich zu halten. Eine Skizze
des verwendeten FE-Netzes ist in Abb. 2.5 dargestellt. Es wurden die gleichen Vernetzungs-
prinzipien wie beim 2D-FE-Modell berücksichtigt. Die Zahl der Knoten für das 3D-Modell
variierte zwischen 1500-3000, eine feinere Vernetzung scheiterte an der Begrenzung der
verfügbaren Wellenfrontgröße (≤ 500). Durch eine breite Variation der Netzparameter wurde
die Verläßlichkeit des 3D-FE-Modells überprüft. Die Ergebnisse für Compliance und
Energiefreisetzungsrate erwiesen sich dabei praktisch als unabhängig von der Variation als
Indiz für eine gute Genauigkeit auch der 3D-FE-Näherung.
Abb. 2.5 Netz des 3D-FE Modells der DCB-Probe
2.3.2 Analytische Modelle des DCB-Tests
Unter Voraussetzung linearer, elastischer Deformation und Rißausbreitung unter konstanter
Belastung P ergibt sich aus der Definition der Energiefreisetzungsrate G (Gl. 1.4) folgender
Zusammenhang zwischen G und äußerer Last P bzw. Lastverschiebung δ und Rißlänge a:
Änderung elastischer Energie dU P d= ⋅1
2δ (2.1)
von außen zugeführte Arbeit dW P daußen = ⋅ δ (2.2)
23
Energiefreisetzungsrate ( ) ( )G P a
P
B
P a
aP const
,,
= ⋅=
2
∂δ
∂ (2.3)
Die mechanische Reaktion des Systems auf die Belastung wird durch die Nachgiebigkeit
(Compliance) C charakterisiert:
( ) ( )C a
P a
P=
δ , (2.4)
Mit ihrer Hilfe läßt sich die Energiefreisetzungsrate G in einer praktisch gut handhabbaren
Form angeben:
GP
BC
dC
da= ⋅
δ2
(2.5)
Die Ableitung für Gl. 2.5 unter Annahme konstanter Last P bedeutet keine Einschränkung der
Allgemeinheit, da sich derselbe Ausdruck auch unter Annahme beliebiger Änderung der
Belastung ( )P a im Moment der Rißausbreitung ergibt. Notwendig zur Berechnung der von
einem (punktförmig belasteten) linear elastischen System bei einer bestimmten Belastung P
zur Verfügung gestellten Energiefreisetzungsrate G ist die Kenntnis der Abhängigkeit der
Nachgiebigkeit ( )C a des Systems von der Rißlänge.
Obwohl die DCB-Geometrie unkompliziert erscheint, übersteigt eine vollständige drei- oder
auch nur zweidimensionale Analyse des Deformationsverhaltens die Möglichkeiten einer
exakten, mathematisch-analytischen Berechnung im Rahmen der linearen Elastiztätstheorie.
Aus der Literatur sind jedoch eine Reihe von näherungsweisen Modellen bekannt ([85]-[89];
Reviews siehe [7], [19], [77], [90]).
Abb. 2.6 Stabmodell der DCB-Probe
Die einfachste und am häufigsten verwendete Abstraktion ist die Beschreibung der DCB-Probe
mittels der Balkentheorie [85]. Darin wird der delaminierte Teil der DCB-Probe als ein
P
a
2δ
24
symmetrisches System zweier an der Rißspitze starr miteinander verbundener Stäbe der Länge
a (Rißlänge) betrachtet, die durch die Kraft P an ihrem freien Ende auf Biegung beansprucht
werden (Abb. 2.6). Die einfache Balkentheorie liefert für die Nachgiebigkeit (‘Compliance’)
eines derartigen Systems folgenden Ausdruck:
( )C a E B Ha
E B HBT x
x
, , , =⋅
⋅ ⋅
64 3
3 (2.6).
Das Einsetzen von Gl. 2.6. in die Definition der Energiefreisetzungsrate nach Gl. 2.5 erlaubt
die Berechnung einer Näherung für G aus den meßbaren Größen P, δ und der Rißlänge a:
GP
BaBT =
⋅⋅
3
2
δ (2.7).
Das reale Deformationsverhalten kann jedoch erhebliche Abweichungen von dieser simplen
Näherung aufweisen. Die einfache Balkentheorie setzt voraus, daß die Querschnitte des Stabes
während der Deformation eben bleiben („KIRCHHOFF’SCHE HYPOTHESE“) und
berücksichtigt daher keine Scherdeformationen. Für isotrope Materialien und lange, dünne
Stäbe ist diese Bedingung in guter Näherung erfüllt. Für faserverstärkte Materialien ist jedoch
der Schermodul G xz in der Biegeebene x-z wesentlich niedriger als der E-Modul in
Faserrichtung E x , wodurch bei Biegung verstärkt Scherdeformationen auftreten. Zudem erfüllt
die Probe für kurze Rißlängen a die Bedingung langer, schlanker Stäbe nur schlecht.
Abweichungen zu Gl. 2.6 sind zu erwarten.
Eine Korrektur der Balkentheorie hinsichtlich der Einbeziehung von Scherdeformationen
wurde von TIMOSHENKO eingeführt, die entsprechende Erweiterung zu Gl. 2.6 ist in [90]
angegeben:
( )C a E B Ha
E B H
E H
G aBT x
x
x
xz
, , , =⋅
⋅ ⋅⋅ + ⋅
⋅
⋅
641 3
16
3
3
2
2 (2.8).
Weitere Korrekturen sind notwendig zur Berücksichtigung:
- der speziellen Lagerungsbedingungen des „Balkens“ an der Rißspitze [87],
- des Einflusses der Lastklötzchendrehung auf Verschiebung und Moment am Probenende
[90],
- des Auftretens starker, nichtlinearer Verformung bei der Biegung [86],
- der endlichen Breite B der Proben [90].
Trotz des hohen rechnerischen Aufwandes und des großen Umfanges der erhaltenen Ausdrücke
ist keine der analytischen Näherungen in der Lage, die Deformation der DCB-Probe vollständig
25
zu beschreiben, da sich insbesondere die singuläre Spannungsverteilung an der Rißspitze einer
Beschreibung durch einfache analytische Modelle entzieht.
Einen Ausweg hinsichtlich einer, von Modellfehlern unbelasteten, experimentellen
Bestimmung von G bieten sogenannte empirische Methoden. Diese berechnen die Energiefrei-
setzungsrate nach ihrer Definition Gl. 2.5. unmittelbar aus den experimentellen Ergebnissen.
Da aus den Meßkurven ( )( )P aδ auch die Compliance ( )C a und ihre Ableitung unmittelbar
interpoliert werden können, ist ein Modell für das Deformationsverhalten nicht unbedingt
erforderlich. Zum Approximieren der Abhängigkeit der Compliance aus den Meßpunkten
( )( )P ai i iδ existieren unterschiedliche Ansätze.
Die Methode nach [91] nimmt in Anlehnung an die Balkentheorie-Näherung eine Potenzform
der Abhängigkeit an:
( )C a R an= ⋅ (2.9),
deren freie Parameter R und n durch logarithmische Approximation aus den experimentellen
Ergebnissen bestimmt werden.
Die Flächenmethode [92] ersetzt die Ableitung in Gl. 2.5 durch den Differenzenquotienten aus
den experimentellen Resultaten für benachbarte Rißlängen ( ) ( )C C a ai i i i+ +− −1 1/ .
Jedoch auch die empirischen Methoden sind nur unter Einschränkung gültig. Die Ableitung der
Energiefreisetzungsrate nach Gl. 2.5 setzt ausdrücklich die Linearität der auftretenden
Deformationen voraus. Praktisch wird jedoch häufig starke Biegung der DCB-Proben
beobachtet ([93], [94]), welche die Anwendung einer nichtlinearen Definition der
Energiefreisetzungsrate erforderlich macht (siehe Kap. 2.4.2.1). Die lineare Definition für G
nach Gl. 2.5 ist dann nicht mehr gültig und ohne eine unabhängige Modellierung kann über den
bei ihrer Anwendung auftretenden Fehler kein Urteil getroffen werden. Darüber hinaus sind die
empirischen Gleichungen nur für den Fall stabilen, gleichmäßigen Rißswachstums einsetzbar,
da sie mehrere Meßpunkte zur Berechnung von G benötigen. Für instabiles Rißwachstum oder
‘Slip-Stick’-Verhalten ist die Nutzung eines Deformationsmodells zur Bestimmung von
dC da/ notwendig.
2.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate G aus den FE-Ergebnissen
Die durchgeführte Finite-Elemente-Analyse liefert bei festgelegter Geometrie und elastischen
Eigenschaften der DCB-Probe eine numerische Näherung des Deformationsverhaltens für eine
Reihe diskreter Rißlängen im Bereich 25 75mm a mmi≤ ≤ . Die gesuchte Zielgröße ist die
Energiefreisetzungsrate ( )G P a, , die für eine bestimmte Rißlänge a und Belastung P von der
Probe bereitgestellt wird. Diese Größe steht nicht unmittelbar mit den FE-Ergebnissen zur
26
Verfügung, sondern muß aus ihnen abgeleitet werden. Dafür gibt es mehrere prinzipiell
unterschiedliche Verfahren. In der Arbeit wurden drei Varianten verwendet, welche G aus
voneinander relativ unabhängigen Ergebnissen der FE-Modellierung berechnen.
2.3.3.1 Compliance-Methode und Energie-Methode
Energiemethode:
Die unmittelbarste Variante zur Berechnung nutzt die Definition von G aus der Änderung der
Energie des Systems mit der Rißlänge (Gl. 1.4). Im Kontext der elastischen Bruchmechanik ist
die Energiefreisetzungsrate ( )G P a, eine Zustandsgröße, die nur von der momentan wirkenden
Belastung P und der momentanen Rißlänge a abhängt. Rißausbreitung wird immer dann
auftreten, wenn der aktuelle Wert für ( )G P a, den Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate
Gc des Materials übersteigt, unabhängig davon, wie sich nach erfolgter Initiierung der
Rißausbreitung die Belastung mit der Rißlänge ändert. Diese Abhängigkeit, ( )P a , wird durch
das äußere System (d.h. die Testeinrichtung) bestimmt. Sie entscheidet nur darüber, ob die
Rißausbreitung stabil oder instabil weiterverläuft. Zur Bestimmung der einer bestimmten Last
P und Rißlänge a zugeordneten Energiefreisetzungsrate ( )G P a, des Systems mittels Gl. 1.4 ist
es unerheblich, ob die darin enthaltene Ableitung d U W daaußen( ) /− für konstante äußere Kraft
P oder Verschiebung δ während der Rißausbreitung gebildet wird [16]. Sämtliche Annahmen
für die Abhängigkeit ( )P a (bzw. ( )δ a ) während der differentiellen Rißausbreitung führen zum
gleichen Ergebnis für G. Die Annahme δ = const beinhaltet, daß während der Rißausbreitung
die äußere Kraft P keine Arbeit am System verrichtet: dWaußen = 0 . Damit vereinfacht sich
Gl. 1.4 auf die Ableitung der in der Probe bei einer Last P und Rißlänge a gespeicherten,
elastischen Energie nach der Rißfläche:
( ) ( )G a
B
U a
aconst
δ∂ δ
∂δ
,,
= − ⋅=
1 (2.10).
Dieses Verfahren ist auch für nichtlinear-elastisches Verhalten gültig.
Die Finite-Elemente-Analyse liefert die in den Elementen gespeicherte elastische Energie als
direkte Ausgabegröße. Die Summe über alle Elemente ergibt die in der Probe gespeicherte
elastische Energie ( )U ai i iδ , für die konkrete Rißlänge ai. Da die Ableitung für δ = const
gebildet werden muß, sollte bei der Berechnung für alle Rißlängen ai eine identische
Lastverschiebung δ im FE-Modell vorgegeben werden.
Um die Ableitung nach der Rißlänge entsprechend Gl. 2.10 bilden zu können, muß aus den
diskreten Ergebnissen ( )U ai iδ, des FE-Modells eine Interpolationsfunktion ( )U aδ, bezüglich
a gebildet werden. Als Methode bietet sich z.B. eine stückweise Polynom-Interpolation an, wie
27
sie in kommerzieller Software (MATHEMATICA [95]) bereits fertig implementiert angeboten
wird.
Compliance-Methode:
Für linear elastisches Materialverhalten und lineare Deformation läßt sich die
Energiefreisetzungsrate G unter Nutzung der Gl. 2.1, 2.2 und 2.4 aus der Änderung der
Nachgiebigkeit ( )C a der Probe mit der Rißlänge definieren:
( ) ( )G P a
P
B
dC a
da, =
2
2 (2.11).
Die Nachgiebigkeit (Compliance) ergibt sich aus dem FE-Modell für jede der Rißlängen ai sehr
einfach aus Last Pi und Verschiebung δ i durch ( ) ( )C a P a Pi i i i i= δ , / . Zur Berechnung der in
Gl. 2.11 benötigten Ableitung bietet sich wiederum eine Interpolation der vom FE-Modell
gelieferten diskreten Daten ( )C a i für die Nachgiebigkeit an.
Beide Methoden nutzen unabhängige Ergebnisgrößen der Modellierung: die in den Elementen
gespeicherte elastische Energie bzw. den für den Lastpunkt berechneten Last-Verschiebungs-
Zusammenhang. Die Verfahren nutzen integrale Resultate der Modellierung und sind daher
gegenüber der lokalen Vernetzung wenig empfindlich. Sie liefern stabile Ergebnisse für G
bereits für eine vergleichsweise grobe Modellierung der Rißspitzenregion und erfordern einen
geringeren Vernetzungsaufwand. Dies entspricht der Tatsache, daß in der Rißspitzenumgebung
wegen der starken Spannungskonzentration zwar eine hohe Energiedichte auftritt, sich dieses
lokale Feld aber während einer infinitesimalen Rißausbreitung kaum ändert. Es bewegt sich
einfach mit der Rißspitze mit und hat daher nur geringen Einfluß auf die Energie-
freisetzungsrate, die sich aus der Änderung der im System gespeicherten Energie ergibt. Der
dominierende Beitrag zu G wird dagegen durch die Änderung der äußeren Geometrie des
Systems infolge der Erhöhung der Rißlänge a geliefert: für die DCB-Probe ändert sich
praktisch die Länge der gebogenen Probenhälften um da. Der Hauptanteil der Energieänderung
stammt daher aus weiter von der Rißspitze entfernten Bereichen der Probe und kann durch eine
relativ grobe FE-Modellierung ermittelt werden.
Erfährt allerdings das Rißspitzenfeld während der infinitesimalen Rißausbreitung eine starke
Änderung, z.B. wenn es sich in der Nähe eines Probenendes oder einer anderen geometrischen
Störung befindet, kann sein Anteil an G beträchtlich werden. In diesem Fall ergibt sich die
Notwendigkeit einer sehr feinen Vernetzung der Rißspitzenumgebung oder die Genauigkeit der
integralen Methode fällt stark ab. Für einen ausreichenden Abstand der Rißspitze von einigen
charakteristischen Längen (Probendicke H) zu den Probenenden, wie im Modell der DCB-
Probe realisiert, sind die Effektivität und Verläßlichkeit dieser Methoden jedoch sehr gut.
28
2.3.3.2 Bestimmung von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern
Neben den integralen Verfahren ist es auch möglich, bruchmechanische Kenngrößen aus den
lokalen Feldern um die Rißspitze abzuleiten. Dies ist der Bereich, in dem sich die
mikroskopischen Vorgänge der Rißausbreitung vollziehen, die in ihm auftretenden
Spannungsfelder und Deformationen bestimmen den Verlauf der Mechanismen. Dieses Gebiet
birgt damit die unmittelbarsten Informationen für eine Beschreibung des Versagens. So kann
bei nichtsymmetrischer Probengeometrie und -belastung der Anteil der einzelnen
Belastungsmoden im allgemeinen nur aus den Feldern der Rißspitzen-Nahzone ermittelt
werden.
Aus der linear elastischen Beschreibung der Spannungsverteilung an Rissen in homogenen
Materialien ist bekannt, daß an der Rißspitze singuläre Spannungsfelder mit einer typischen
räumlichen Verteilung auftreten ([16], [17], [18]). Die singulären Felder werden durch 3
Parameter vollständig charakterisiert, die als Spannungsintensitätsfaktoren KI, KII, KIII
bezeichnet werden. Gleiche Spannungsintensitätsfaktoren entsprechen, unabhängig von der
äußeren Geometrie der Probe, gleichen lokalen Spannungsfeldern an der Rißspitze. Da die
Rißausbreitung ausschließlich durch die in diesem lokalen Gebiet herrschenden Bedingungen
bestimmt ist, lassen sich kritische Spannungsintensitätsfaktoren als Kriterium für die
Ausbreitung eines Risses in linear elastischen, homogenen Materialien verwenden.
Die singulären Felder können als erste Glieder einer Entwicklung der Spannungsfelder in der
Umgebung einer Rißspitze aufgefaßt werden [17]. Ihre Gestalt ist durch eine r −1 2/
Abhängigkeit von der Distanz r zur Rißspitze sowie durch bestimmte Winkelabhängigkeiten
gekennzeichnet und ist allein durch die Geometrie der Rißspitze festgelegt. Die Form der sin-
gulären Felder wird nicht durch die äußere Geometrie beeinflußt, deren Einwirkung bestimmt
nur die Intensität und den Anteil der einzelnen Moden, also die Spannungsintensitätsfaktoren.
Neben den singulären Termen treten in der Entwicklung der Spannungsfelder jedoch auch
Glieder höherer Ordnung auf ( r n / 2 , n ≥ 0 ). Sie sind nicht mehr für die Geometrie der Rißspitze
typisch, sondern werden auch durch die äußere Geometrie mitbestimmt. Aufgrund der
reziproken Abhängigkeit r −1 2/ der singulären Spannungsanteile spielt der Anteil der Terme
höherer Ordnung unterhalb eines bestimmten Rißspitzenabstandes in der Entwicklung keine
Rolle mehr. Bezugsgröße hinsichtlich der Einwirkung der Umgebung auf die Rißspitze ist
deren Abstand zum nächsten "Repräsentanten" der äußeren Geometrie, sei es das gegenüber-
liegende Ende des Risses, der äußere Rand des Probekörpers, eine benachbarte Rißfront o.ä..
Diese Distanz wird als "charakteristische Länge" bezeichnet. Dominanz der singulären Terme
29
kann nur in einem Bereich um die Rißspitze erwartet werden, der sehr klein gegenüber dieser
charakteristischen Länge ist.
Im Fall der vorliegenden DCB-Geometrie entspricht die charakteristische Abmessung der
halben Probendicke H / 2 . Die Ableitung der Spannungsintensitätsfaktoren aus den singulären
Feldern an der Rißspitze erfordert eine Auflösung des FE-Modells bis hinab in die
Größenordnung, in welcher diese Felder dominieren. Die Vernetzung muß eine gute Näherung
der Spannungen auch für Abstände zur Rißspitze von weniger als 1% der charakteristischen
Abmessung liefern. Dies ist nur möglich, wenn die Größe der Elemente in diesem Bereich
wenigstens noch eine Größenordnung darunter liegt. Diese Forderung stellt hohe Ansprüche an
die FE-Modellierung und steigert den Modellaufwand erheblich.
Abb. 2.7 Rißspitzenkoordinatensystem und Skizze der zur Bestimmung der Km-Faktoren verwendeten Ligament- und Rißufer-Knoten eines FE-Modells
Die singulären Terme für die Felder an
Rißspitzen in orthotrop elastischen Materialien sind ausführlich in [96] und [97] beschrieben.
Ihre prinzipielle Gestalt im Rißspitzenkoordinatensystem (siehe Abb. 2.7) bei einer reinen
Mode-m Belastung kann folgendermaßen dargestellt werden:
Spannungen: ( ) ( ) ( ) ( )σ ϕπ
ϕijm m
ijmr
K
rf, =
⋅ ⋅⋅
2 (2.12)
Verschiebungen: ( ) ( ) ( ) ( )u r Kr
gim
m ijm,ϕ
πϕ= ⋅
⋅⋅
2 (2.13).
Im allgemeinen 'Mixed-Mode'-Fall, der durch 3 Spannungsintensitätsfaktoren KI, KII und KIII
gekennzeichnet ist, findet eine Überlagerung der Spannungsfelder der einzelnen Moden statt.
Für zwei spezielle Richtungen vereinfachen sich die Felder beträchtlich: bei den Spannungen
für ϕ = 0 (Rißligament) und bei den Verschiebungen für ϕ π= (Rißufer). Wenn die Richtung
des Risses (x-Richtung) mit der Hauptrichtung der orthotropen Materialeigenschaften
zusammenfällt (wie dies bei Delamination gegeben ist), ergeben sich für die singulären Felder
längs dieser beiden Richtungen die in Tab. 2.1 wiedergegebenen Ausdrücke.
z
x
FE-Knoten
Rißufer
Rißspitze
Ligament
r
ϕ
30
Tabelle 2.1
Mode I Mode II
Spannungen
auf Ligament
ϕ = 0
( ) ( )σπ
zzI Ir
K
r=
2
( ) ( )σ xzI r = 0
( ) ( )σ zzII r = 0
( ) ( )σπ
xzII IIr
K
r=
2
Verschiebung
der Rißufer
(„Rißöffnung“)
ϕ π=
( ) ( )u rxI = 0
( ) ( )u r Kr
EzI
I
z
= − ⋅ ⋅+
2 1 1 2
1 2π
µ µ
µ µIm
( ) ( ) [ ]u r Kr
ExII
II
x
= ⋅ ⋅ ⋅ +
2 11 2π
µ µIm
( ) ( )u rzII = 0
(Die komplexen Parameter µ1 und µ2 folgen aus den anisotropen Materialeigenschaften und
ergeben sich aus Gl. 2.16.)
Mode-III tritt bei den in der Arbeit untersuchten Proben nicht auf und wird ist daher hier nicht
berücksichtigt,. Die Terme für die Verschiebung sind unter Annahme des ebenen
Spannungszustandes berechnet.
Auf dem Ligament sind die Spannungskomponenten der einzelnen Moden unter obigen
Bedingungen voneinander entkoppelt. Die Scherspannung σ xzLigament wird allein durch die Mode-
II-Komponente der Belastung bestimmt, die Normalspannung σ zzLigament senkrecht zum Riß ist
völlig durch den Mode-I-Anteil festgelegt. Dasselbe gilt für die x- bzw. z-Komponenten der
Rißuferverschiebungen. Aus der Spannungs- bzw. Verschiebungsverteilung des FE-Modells an
der Rißspitze ist somit eine getrennte Bestimmung der Spannungsintensitätsfaktoren KI und KII
möglich.
Dafür existieren zwei prinzipiell unterschiedliche Methoden:
Bestimmung der Km aus den Ligamentspannungen:
Das Netz muß so gewählt werden, daß die Ligamentlinie einer Vernetzungslinie des Modells
entspricht und bei der Vernetzung eine regelmäßige Reihe von Knotenpunkten direkt auf dieser
Linie entsteht (Abb. 2.7). Nach erfolgter Analyse werden diese Knoten k ausgewählt und im
Rißspitzenkoordinatensystem die entsprechenden Spannungen ( )σ ij kr und Abstände zur
Rißspitze rk aus dem FE-Modell ermittelt. Für jeden dieser Knotenpunkte kann, unter Nutzung
der singulären Terme aus Tabelle 2.1, durch Umstellen nach Km ein Näherungswert für KI und
KII bestimmt werden. Trägt man diese Näherungen ( )K rm k in einem Diagramm über dem
31
Abstand rk des jeweiligen Knotens zur Rißspitze ab (Abb. 2.8), so ergibt sich für die
Näherungswerte eine vom Abstand abhängige Verteilung.
Diese hat zwei Ursachen:
Zum einen sind neben den singulären Termen auch Terme höherer Ordnung in den vom FE-
Modell gelieferten Ligamentspannungen enthalten, die in den Ausdrücken von Tabelle 2.1
nicht berücksichtigt sind. Da ihr Einfluß jedoch mit geringer werdendem Abstand von der
Rißspitze abnimmt, führt eine Extrapolation r → 0 (mindestens theoretisch) zum exakten Wert
für Km ([16], [84]):
( ) ( )( )( )K r rIr k zz
Ligamentk= ⋅ ⋅ ⋅
→lim
02 π σ (2.14)
( ) ( )( )( )K r rIIr k xz
Ligamentk= ⋅ ⋅ ⋅
→lim
02 π σ (2.15).
Die Erfahrung hat für lineare Analysen gezeigt, daß sich die Näherungswerte ( )K rm k
bezüglich ihres Rißspitzenabstandes rk nahezu auf einer Geraden anordnen [83]. Dies gilt für
einen Bereich von zumindestens 10% der charakteristischen Abmessungen bis hinab zu einem
Abstand von von etwa 3-4 Elementen vor der Rißspitze (Abb. 2.8).
0,70
0,75
0,80
0,85
0,90
0,95
1,00
1,05
0,00 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10
Abstand r von Rißspitze [mm]
KI(r)
KI(GI)KI aus uz, rct=7,5 µm
KI aus uz, rct=1,5 µm
KI aus uz, rct=0,3 µm
KI aus σz, rct=7,5 µm
KI aus σz, rct=0,3 µm
KI aus σz, rct=1,5 µm
Abb. 2.8 Beispiel zur Extrapolation des Spannungsintensitätsfaktors KI aus den Ligamentspannungen ( )σ ϕzz r, = 0 und den Rißuferverschiebungen ( )u rz ,ϕ π=
für unterschiedliche Größe der Rißspitzenelemente rct.
Die Abweichung für sehr kleine Rißspitzenabstände ist im Näherungscharakter der FE-Metho-
de begründet. Innerhalb der Elemente wird das Spannungsfeld durch einen linearen Verlauf
approximiert. Die Elemente unmittelbar vor der Rißspitze vermögen daher die dort auftre-
tenden starken Spannungsgradienten nicht nachzuvollziehen, sie reagieren zu steif und liefern
zu niedrige Knotenspannungen. Über eine geringe Anzahl von Elementen hinweg stabilisiert
sich die Approximation jedoch. Daher sollten die Ergebnisse an den Knoten der ersten 4 zur
32
Rißspitze benachbarten Elementreihen für die Extrapolation der Spannungsintensitätsfaktoren
nicht verwendet werden. Für den übrigen Bereich bis zu etwa 10% der charakteristischen
Länge liefert der Ordinatenschnittpunkt einer lineare Regression eine gute Näherung für den
Wert des Spannungsintensitätsfaktors. Die Grenzen des in die Extrapolation einzubeziehenden
Bereichs der Knoten werden für eine Probe am Besten mittels einer grafischen Kontrolle vom
Auswertenden festgelegt.
Bestimmung der Km aus den Rißuferverschiebungen:
Die Ergebnisse der FE-Methode für die Knotenverschiebungen sind Näherungen höherer
Ordnung [68] und deshalb genauer als die Resultate für die Knotenspannungen. Sie
versprechen im kritischen Bereich starker Spannungsgradienten bessere Ergebnisse. Eine
Berechnung der Spannungsintensitätsfaktoren aus den Verschiebungen der Rißufer ist ebenfalls
möglich. Lediglich die Ausdrücke für die singulären Terme (Tabelle 2.1) sind etwas
komplizierter und erfordern die Berechnung der komplexen Parameter µ1 und µ 2 aus den
anisotropen elastischen Materialeigenschaften. Sie ergeben sich als zwei nicht zueinander
konjugiert komplexe Lösungen der Gleichung [96]:
1
21 1
04 2
E E G Ex
xz
x xz z
⋅ + − ⋅ + ⋅ + =µν
µ( ) (2.16)
(Ex, Ez ... E-Modul in Probenlängs bzw. -dickenrichtung, Gxz... Schermodul in Längs-Dicken-
Ebene, ν xz ... POISSON-Zahl, bezogen auf Ex )
Diese Gleichung gilt nur für orthotropes Material und parallele Orientierung des Risses zur
Longitudinalrichtung (x-Richtung) der Materialeigenschaften.
Die durch die singulären Felder verursachten Verschiebungen der Rißufer gemäß Tabelle 2.1
beziehen sich auf ein in der Rißspitze ruhendes und parallel zum Ligament orientiertes
Koordinatensystem. Die FE-Ergebnisse für die Verschiebungen müssen daher aus einem im
FE-Modell entsprechend orientierten Koordinatensystem bestimmt werden. Um Translations-
bewegungen der Umgebung der Rißspitze aus den Verschiebungen zu entfernen, bietet sich
eine einfache Methode an, die jedoch eine identische Position der Knoten auf den einander
gegenüberliegenden Rißufern erfordert (Abb. 2.7) [84]. Die einem Knotenpaar, mit
bestimmtem Abstand rk zur Rißspitze, zugeordnete Rißuferverschiebung im Sinne von
Tabelle 2.1 wird aus der Differenz der globalen Verschiebungen beider Knoten ermittelt.
Gemeinsame Translationen heben sich bei der Differenzbildung auf. An jeder Knotenposition
rk des Rißufers kann aus den Verschiebungen eine Näherung ( )K rm k für die Spannungs-
intensitätsfaktoren berechnet werden. Zur genauen Bestimmung von Km wird wieder die
Extrapolation r → 0 angewendet:
33
( )
( )( ) ( )( )K
r
u r u r
E
Ir
k
zoberes Rißufer
k zunteres Rißufer
k
z
= − ⋅ ⋅−
⋅+
→lim
Im0
1 2
1 2
1
2 2 1
π
µ µµ µ
(2.17)
( )
( )( ) ( )( )( )
Kr
u r u r
E
IIr
k
xoberes Rißufer
k xunteres Rißufer
k
x
= ⋅ ⋅−
⋅ +
→lim
Im0
1 2
1
2 2 1
π
µ µ
(2.18).
Abb. 2.8 demonstriert die Anwendung dieser Methode an einem Beispiel der DCB-Geometrie.
Die sich aus den Verschiebungen ergebenden Näherungswerte ordnen sich nahezu auf einer
Geraden an. Auch für die der Rißspitze unmittelbar benachbarten Elemente ergeben sich keine
nennenswerten Abweichungen von dieser Linie. Der extrapolierte Wert für KI stimmt mit dem
aus den Spannungen extrapolierten Wert in guter Näherung überein. Die Abweichungen für die
linearen Analysen liegen in der Größenordnung von 1-2%.
Um die Zuverlässigkeit der FE-Ergebnisse in der Umgebung der Rißspitze zu überprüfen,
wurden die Vernetzungsdichte in diesem Gebiet variiert und deren Einfluß auf die Ergebnisse
bewertet. Die minimale Elementgröße (Radius der Rißspitzenelemente) wurde über einen
Bereich von mehr als einer Größenordnung ( 0.02% - 0.5% der charakteristischen Länge H / 2 )
geändert (Abb. 2.8). Die Ergebnisse der drei unterschiedlichen Vernetzungen fügen sich alle in
die selbe Extrapolationsgerade ein. Lediglich die Werte aus den Ligamentspannungen der
unmittelbar der Rißspitze benachbarten Elemente zeigen eine Abweichung, deren Ursache
bereits diskutiert wurde. Die Übereinstimmung ist ein Beleg für die Zuverlässigkeit der
ermittelten Spannungsintensitätsfaktoren.
Zur Charakterisierung der Delaminationszähigkeit von Laminatmaterialien wird der
Spannungsintensitätsfaktor kaum verwendet, die dafür üblicherweise eingesetzte Größe ist die
Energiefreisetzungsrate. Auf der Grundlage der Bruchmechanik für homogene und elastische
Materialien besteht zwischen beiden Parametern ein direkter Zusammenhang und die
verschiedenen Kriterien sind einander gleichwertig. Die Kenntnis der Werte der
Spannungsintensitätsfaktoren erlaubt die Berechnung derjenigen Energiefreisetzungsrate, die
der jeweiligen Belastung entspricht. Der Zusammenhang wird über die Methode der virtuellen
Rißschließung vermittelt [16], [17]. Für orthotrope, linear elastische Materialien sind die
entsprechenden Ergebnisse in [96] wiedergegeben. Es gilt unter der Voraussetzung, daß die
Richtung des Rißebene mit einer der Hauptebenen der Materialanisotropie zusammenfällt, daß
sich die gesamte Energiefreisetzungsrate G bei ‘Mixed-Mode’-Beanspruchung in eine Summe
34
von Anteilen aufteilen läßt, die jeweils nur vom Wert eines Spannungsintensitätsfaktors
abhängen [96]:
( ) ( ) ( )G K K G K G KI II I I II II, = + (2.19)
Für die hier beschriebene Delamination in unidirektionalen Faserverbunden ist diese
Bedingung erfüllt. Die eindeutige Zuordnung der Beiträge GI zu KI und GII zu KII erlaubt deren
Interpretation als ‘Mixed-Mode’-Anteile der Energiefreisetzungsrate G. GI ist die Energiefrei-
setzungsrate, die sich bei einer reinen Mode-I-Belastung der Probe mit einem Spannungs-
intensitätsfaktor KI ergibt. Entsprechendes gilt für GII und KII. In derselben Weise, wie sich ein
‘Mixed-Mode’-Zustand aus der Überlagerung der reinen Mode-I- und Mode-II-
Spannungsfelder für KI und KII ergibt, folgt die Gesamtenergiefreisetzungsrate hier aus der
Summe der Anteile der reinen Moden.
In Belastungsfällen, bei denen Mode-III auftritt, wäre Gl. 2.19 ein entsprechender Anteil GIII
hinzuzufügen.
Nach [96] berechnen sich die Moden der Energiefreisetzungsrate unter obigen
Voraussetzungen und den Bedingungen des ebenen Spannungszustandes aus den jeweiligen
Spannungsintensitätsfaktoren:
( ) ( )G K
K
E
KI I
I
z
I= −⋅
⋅⋅ +
⋅
21 2
1 2
Imµ µ
µ µ (2.20)
( ) ( )[ ]G KK
EKII II
II
x
II=⋅
⋅ ⋅ +2 1 2Im µ µ (2.21).
Gl. 2.20 und 2.21 gestatten einen Vergleich der Ergebnisse der integralen und lokalen Methode
zur Bestimmung von G bzw. K aus dem FE-Modell. In Abb. 2.8 sind die Spannungs-
intensitätsfaktoren auf den Wert ( )K GI I normiert, der in Umkehrung von Gl. 2.20 aus der
nach der Compliance-Methode ermittelten Energiefreisetzungsrate G I der DCB-Probe folgt.
Die Übereinstimmung mit dem lokal extrapolierten Spannungsintensitätsfaktor ist sehr gut.
Auch in diesem Vergleich liefern die Rißuferverschiebungen etwas bessere Ergebnisse als die
Ligamentspannungen. Sie sollten daher zur Bestimmung der Spannungsintensitätsfaktoren aus
den Rißspitzenfeldern bevorzugt verwendet werden.
35
2.3.4 Ergebnisse der FE-Modellierung
Die FE-Modellierung des DCB-Tests hat verschiedene Anliegen. Sie soll zunächst klären,
inwiefern die Balkentheorie und ihre verschiedenen Erweiterungen geeignet sind, das
Deformationsverhalten von Probekörpern aus Laminatmaterial zu beschreiben. Eine darüber
hinausgehende Fragestellung betrifft die Genauigkeit der auf ihr oder auf noch allgemeineren
Modellen beruhenden Verfahren zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den
experimentellen Ergebnissen. Eine Variation der verschiedenen Materialeigenschaften und
geometrischen Parameter soll schließlich Klarheit darüber verschaffen, welche der zahlreichen
Einflußgrößen nur geringe Auswirkungen auf die Deformation bzw. das bruchmechanische
Verhalten besitzen und daher in zukünftigen Analysen geringerer Aufmerksamkeit bedürfen.
Die am Beispiel der DCB-Probe gewonnenen allgemeinen Erkenntnisse lassen sich prinzipiell
auf andere mechanischen Testverfahren (CDCB-Test,...) für Laminatwerkstoffe übertragen, für
welche Biegung ebenfalls die Hauptform der Deformation darstellt.
Die modellierten Materialeigenschaften wurden in den Grenzen des für langfaserverstärkte
Kunststoffe typischen Bereichs variiert. Als Bezug wurde ein uniaxial verstärktes (hypo-
thetisches) Material mit mittleren mechanischen Eigenschaften gewählt:
Tabelle 2.2. Anisotrope Eigenschaften des Bezugsmaterials (x-Richtung: Faserlängsrichtung,
identisch zur Probenlängsrichtung; y-Richtung: Probenbreite; z-Richtung: Probendicke).
E-Modul Schermodul POISSON-
Zahl
Ex = 50 GPa GE
xzz= =2
2 5, GPa νxz = 0 3,
E Ey z= = 5 GPa G Gxy xz= = 2 5, GPa νxy = 0 3,
Ez = 5 GPa ( )
GE
yzz
yz
=⋅ +
=2 1
192ν
, GPa νyz = 0 3,
Die zur Definition der POISSON-Zahlen verwendete Konvention ergibt sich durch den Bezug
von ν ij auf E i .
Im Gegensatz zu isotropen Materialien, bei denen der Schermodul durch G E= +/ / ( )2 1 ν
festgelegt wird, ist diese Größe für orthotrope Materialien im Prinzip unabhängig von den
anderen elastischen Parametern. Jedoch zeigt die Erfahrung, daß die Wahl G Exz z= / 2 für den
Schermodul in der Biegeebene für die meisten Laminatmaterialien eine gute Näherung bildet.
36
Tabelle 2.3. Literaturwerte für anisotrope Materialeigenschaften faserverstärkter Kunststoffe
Material-System Quelle Ex
[GPa]
Ez
[GPa]
νxz Gxz
[GPa]
E
Ex
z
G
Exz
z
CF-Epoxy 1 [12] 140 10,3 0,29 5,15 13,6 0,50
CF-Epoxy 2 [12] 160 9,2 0,33 5,24 17,4 0,57
T300/DDS (CF-Epoxy) [88] 133 7,7 0,33 4,20 17,3 0,55
GF-PE [98] 40 8,2 0,26 3,90 4,9 0,48
GF-Epoxy (E-Glas) [99] 45 12,0 0,20 5,50 3,8 0,46
GF-Epoxy (S-Glas) [99] 55 16,0 0,26 7,60 3,4 0,48
CF-Epoxy (HS-CF) [99] 145 10,0 0,25 4,80 14,5 0,48
CF-Epoxy(HM-CF) [99] 220 6,2 0,25 4,80 35,5 0,77
Kevlar49-Epoxy [99] 80 5,5 0,31 2,10 14,5 0,38
CF-Epoxy [89] 108 7,8 0,34 4,10 13,8 0,53
Die Darstellung der Ergebnisse der FE-Modellierung für Nachgiebigkeit ( )C a und
Energiefreisetzungsrate ( )G a erfolgt immer relativ auf die Ergebnisse der Balkentheorie-
Näherung ( )C aBT (Gl. 2.6.) und ( )G aBT (Gl. 2.7.) bezogen [82].
Abb. 2.9 zeigt den Einfluß der Anisotropie der elastischen Eigenschaften E Ex z/ auf die Nach-
giebigkeit ( )C a der Probe. Die Ergebnisse der 2D-FE-Analyse (ESZ) bestätigen die starken
Abweichungen der Balkentheorie bei der Beschreibung der Deformation für kurze Rißlängen
und stark anisotrope Materialien. Im ungünstigsten Fall ( a = 25 mm , E Ex z/ = 20 ) liegen die
Fehler, bezogen auf eine vollständige Modellierung, bei mehr als 40%. Mit wachsender Riß-
länge und sinkender Anisotropie nähert sich die Balkentheorie rasch den FE-Ergebnissen an:
für isotropes Material überschreitet der Fehler die 10%-Marke auch für kurze Rißlängen nicht.
Diese Resultate bestätigen, daß die Balkentheorie für anisotrope Materialien eine ungenügende
Beschreibung der Biegung liefert und als Näherung nur für lange, dünne Proben akzeptabel ist.
Ursache dafür ist das verstärkte Auftreten von Scherdeformationen in der Biegeebene, da der
Schermodul Gxz von der wesentlich schwächeren Quersteifigkeit Ez bestimmt wird. Um dies zu
überprüfen, wurde in Abb. 2.10 der Schermodul der Biegeebene für ein stark anisotropes
Material ( E Ex z/ = 20 ) variiert. Eine Verringerung auf G Exz z/ /=1 3 vergrößert die Abwei-
chung der Deformation gegenüber der Balkentheorie beträchtlich. Bei einer Verhinderung von
Scherdeformationen durch hypothetische Annahme einer praktisch völlig schersteifen Probe
(G Exz z/ = 1000 ) stimmen die Deformationen mit der Balkentheorie-Näherung relativ gut
überein. Die verbleibenden Abweichungen im 10%-Bereich sind der Nichtberücksichtigung der
Klötzchenmomente und der lokalen Deformation an der Rißspitze in Gl. 2.6. geschuldet.
37
Abb. 2.9 Einfluß des Aniso-tropieverhältnisses E Ex z/ auf die Nach-
giebigkeit C der DCB-Probe. Die 2D-FE-Ergebnisse CFEM sind auf die Resultate des Balkenmodells CBT (Gl. 2.6) bezogen.
Abb. 2.10 Einfluß des Schermoduls Gxz auf die Nachgiebig-keit C der DCB-Probe (2D-FE-Modell, ESZ)
Der Vergleich der Energiefreisetzungsraten bietet prinzipiell das gleiche Bild. Für kurze Riß-
längen und starke Materialanisotropie (Abb. 2.11) bzw. geringe Schersteifigkeit (Abb. 2.12)
ergeben sich die größten Abweichungen zwischen 2D-FE-Modell und Balkentheorie.
Allerdings ist das Ausmaß der Unterschiede für die Energiefreisetzungsrate wesentlich geringer
als für das Deformationsverhalten. Die Abweichungen gehen auch im ungünstigsten, berech-
neten Fall nicht über 10% hinaus. Ursache für das geringere Ausmaß der Abweichung ist die
spezielle Struktur dieser Gleichung zur Ableitung der Energiefreisetzungsrate aus der fehler-
belasteten Compliance des analytischen Modells. Sie verwendet sowohl für P als auch für δ
die tatsächlichen Werte (aus der vollständigen FE-Analyse bzw. dem Experiment) und nutzt
nur für den verbleibenden Koeffizienten ( )dC da C/ / das balkentheoretische Modell. Für
diesen scheint sich der Fehler der Compliance im Zähler und im Nenner in der gleichen
Richtung auszuwirken und dadurch teilweise wieder zu kompensieren.
1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]
CFEM
CBT
Ex/Ez = 20
isotrop
Ex/Ez = 10
Ex/Ez = 5
Ex/Ez = 2
2D-FE (ESZ)Gxz/Ez = 0,5
1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]
CFEM
CBT
Gxz/Ez = 1/3
Gxz/Ez = 1/2
Gxz/Ez = 3/4
Gxz/Ez = 1000
2D-FE (ESZ)
Ex/Ez = 20
38
Abb. 2.11 Einfluß des Anisotropie-verhältnisses E Ex z/ auf
die Energiefreisetzungs-rate G der DCB-Probe. Die 2D-FE-Ergebnisse GFEM sind auf die Resultate des Balken-modells GBT (Gl. 2.7) bezogen.
Abb. 2.12 Einfluß des Schermoduls Gxz auf die Energiefrei-setzungsrate der DCB-Probe (2D-FE-Modell, ESZ)
Abb. 2.13 Einfluß des räumlichen Spannungszustandes auf Energiefreisetzungsrate G der DCB-Probe. Vergleich der Ergebnisse von 2D- und 3D-FE-Modellierung
0,90
0,92
0,94
0,96
0,98
1,00
1,02
20 30 40 50 60 70 80
Rißlänge a [mm]
GFEM
GBT
2D-FE (ESZ)Gxz/Ez = 0,5
isotrop
Ex/Ez = 2
Ex/Ez = 5
Ex/Ez = 10
Ex/Ez = 20
0,88
0,90
0,92
0,94
0,96
0,98
1,00
20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]
GFEM
GBT
Gxz/Ez = 1/3
Gxz/Ez = 1/2
Gxz/Ez = 3/4
Gxz/Ez = 1000
2D-FE (ESZ)
Ex/Ez = 20
0,90
0,91
0,92
0,93
0,94
0,95
0,96
0,97
0,98
0,99
1,00
1,01
20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]
GFEM
GBT
FEM Gxz/Ez = 0,53
3D, Ex/Ez = 14, Ey/Ez=1
3D, Ex/Ez = 3, Ey/Ez=1
2D, Ex/Ez = 3, ESZ
3D, Ex/Ez = 14, Ey/Ez=2
2D, Ex/Ez = 14, ESZ
3D, Ex/Ez = 3, Ey/Ez=2
39
Eine Unsicherheit der 2D-FE-Analyse betrifft die Auswirkung der endlichen Breite B der
Probe. In Abb. 2.13 sind dazu die Ergebnisse der vollständigen 3D-FE-Analyse mit denen der
2D-FE-Analyse für den ebenen Spannungszustand (ESZ) verglichen. Der Unterschied in den
Ergebnissen der 2D- und 3D-FE-Modelle ist besonders für die Energiefreisetzungsrate gering,
der Einfluß des räumlichen Spannungszustandes und der anisotropen Materialeigenschaften in
Breitenrichtung (speziell Ey) spielt eine untergeordnete Rolle [82]. In entgegengesetzter
Tendenz zu den Scherdeformationen ist die Abweichung für isotrope Materialien größer als für
anisotrope Materialien, bleibt aber in jedem Fall auf einige wenige Prozent beschränkt. Der
Aufwand für eine Berücksichtigung der räumlichen Spannungen im Rahmen einer 3D-FE-
Modellierung und die dadurch bedingten Nachteile (gröbere Vernetzung) erscheint ihrem
Einfluß nicht angemessen. Die Ergebnisse der 2D-FE-Analyse unter Annahme des ebenen
Spannungszustands liefern insbesondere für anisotrope Materialien für praktische Belange
ausreichend genaue Ergebnisse.
Abb. 2.14 Vergleich verschiedener Modelle zur Bestimmung der Energiefrei-setzungsrate G der DCB-Probe (TIMOSHENKO: Gl. 2.8; BERRY: Gl. 2.9; WHITNEY: [90])
Die Variation der POISSON-Zahlen ν ij zwischen 0 2 0 3. .≤ ≤ν ij brachte keine nennenswerte
Änderung der Compliance oder der Energiefreisetzungsrate.
Die einfache Balkentheorie ist nur bedingt in der Lage, das Deformationsverhalten der
anisotropen Probe zu beschreiben. Mit einigem rechnerischem Aufwand wurden Korrekturen
zur Balkentheorie entwickelt, die verschiedenen Einflußgrößen Rechnung tragen sollen (siehe
Kapitel 2.3.2.). In Abb. 2.14 sind die Ergebnisse der FE-Modellierung für die Energie-
freisetzungsrate mit denen einiger analytischer Modelle verglichen. Bezugsgröße ist wiederum
die sich aus der einfachen Balkentheorie entsprechend Gl. 2.7. ergebende Näherung GBT.
Eine Scherspannungs-Korrektur der Balkentheorie nach TIMOSHENKO [79] führt zu keiner
wesentlichen Verbesserung der Beschreibung und wird den tatsächlich auftretenden Scher-
deformationen in Verbundwerkstoffen anscheinend kaum gerecht.
0,88
0,90
0,92
0,94
0,96
0,98
1,00
20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]
G
GBT
FEM 2D (ESZ)
WHITNEY
FEM 3D
TIMOSHENKO
BERRY (emp.)
Ex/Ez = 14; Gxz/Ez = 0,53
40
Bessere Übereinstimmung, zumindest für mittlere bis große Rißlängen, zeigt das analytische
Modell nach WHITNEY [90]. Der Aufwand der Berechnung und der Umfang der sich
ergebenden Ausdrücke läßt es jedoch für eine praktische Anwendung zur experimentellen
Auswertung wenig geeignet erscheinen. Insbesondere seine Übertragung auf kompliziertere
Probengeometrien (CDCB-Test) würde große rechnerische Probleme bereiten.
Gemessen am Verhältnis von Aufwand zu Ergebnis liefert das empirische Modell nach
BERRY [91] die besten Resultate. Allerdings beruht es auf einer linearen Definition der
Energiefreisetzungsrate und seine Gültigkeit beim Auftreten starker Biegung kann an Hand der
hier durchgeführten linearen FE-Analyse nicht beurteilt werden.
Die Ergebnisse der FE-Modellierung des DCB-Tests fanden Berücksichtigung bei einer
experimentellen Untersuchung des Einflusses verschiedener Schlichtematerialien auf das
Delaminationsverhalten glasfaserverstärkter Thermoplast- und Duromermaterialien. Die
Ergebnisse dieser Arbeit von THEUERKORN wurden in [93], [100] und [101] veröffentlicht.
2.3.5 Schlußfolgerungen
Das Beispiel der FE-Modellierung der DCB-Probe erlaubt einige allgemeine
Schlußfolgerungen für das Deformationsverhalten ähnlicher Probekörper.
Die einfache Balkentheorie ist zur Beschreibung der Biegung stark anisotroper Materialien
speziell für sehr kurze Biegelängen (Länge/Dicke<15) schlecht geeignet, die auftretenden
Fehler bei der Nachgiebigkeit können auf über 40% anwachsen. Durch eine geschickte,
halbempirische Einbeziehung aller experimentell meßbaren Größen ( )P a, ,δ läßt sich der
Fehler bei der Berechnung von G allerdings beträchtlich herabsetzen.
Starken Einfluß auf die Deformation haben von den anisotropen Materialeigenschaften nur die
Moduli in Probenlängs- und Dickenrichtung, Ex und Ez, sowie der Schermodul in der
Biegeebene, Gxz. Sie bestimmen den Anteil der Scherdeformationen gegenüber den Dehnungen
bei der Biegung. Die Variation der anderen orthotropen Materialeigenschaften (POISSON-
Zahlen, Moduli mit Bezug zur Breitenrichtung y) liefert kaum Veränderungen und ist daher
nicht sinnvoll.
Der räumliche Spannungszustand und die endliche Breite der Probe haben eine vergleichsweise
geringe Wirkung auf die Nachgiebigkeit und Energiefreisetzungsrate, die mit wachsender
Anisotropie ( E Ex z/ >1) noch dazu rasch abnimmt. Da sich die Abweichungen selbst für
isotropes Material auf einige wenige Prozent beschränken, kann die Deformation hinreichend
genau durch Annahme von ESZ-Bedingungen beschrieben werden. Eine vollständige 3D-FE-
Analyse ist sehr aufwendig und deshalb nur mit gröberer Vernetzung zu bewältigen. Damit
verringert sich jedoch wieder die Genauigkeit der Näherung, was unter Umständen größere
41
Abweichungen als die Nichtberücksichtigung des räumlichen Spannungszustands
hervorzurufen vermag.
Für die Analyse des ebenen Spannungszustandes reicht die Kenntnis der elastischen
Materialeigenschaften in der Biegeebene aus (Ex, Ez, Gxz, νxz ). Nur deren Einfluß hat sich im
Verlauf der Modellierung als wesentlich erwiesen.
42
2.4. Modellierung CDCB-Test
2.4.1. FE-Modell der CDCB-Geometrie
Die CDCB-Probe wurde mittels einer zweidimensionalen Finite-Elemente-Analyse unter Ver-
wendung von isoparametrischen 8-Knoten-Solid-Elementen mit linear elastischen, orthotropen
Materialeigenschaften modelliert [102]. Die Erfahrungen bei der Analyse des DCB-Tests
rechtfertigten eine Beschränkung auf den ebenen Spannungszustand. Der zu erwartenden
starken Durchbiegung und Drehung der Probe wurde durch eine geometrisch nichtlineare
Analyse Rechnung getragen. Diese berücksichtigt iterativ die Änderung der Geometrie der
Probe und ihrer Belastung während einer allmählichen Aufbringung der Last und ist als Option
standardmäßig in der FE-Software ANSYS implementiert [103]. Durch die schrittweise
Belastung und iterative Ausführung mehrerer einfacher FE-Rechnungsläufe bis zum jeweiligen
Gleichgewicht, verlängert sich die Rechenzeit gegenüber der linearen FE-Analyse auf ein Viel-
faches. Zur Berechnung des nichlinearen Zusammenhangs zwischen Kraft und Verschiebung
für eine vorgegebene Rißlänge waren 50 und mehr Rechenläufe erforderlich. Die Rechenzeit
für eine Probe bei Variation der Rißlänge betrug auf dem PC mehrere Tage. Durch Einsatz
einer Workstation IBM RISC 6000 konnte diese Zeit auf etwa einen Tag reduziert werden.
Die Vernetzung der CDCB-Geometrie ist in Abb. 2.15. dargestellt. Dabei wurde besonderer
Wert auf die Berücksichtigung der Prinzipien zur Netzgestaltung für bruchmechanische FE-
Analysen gelegt, die am Beispiel der DCB-Probe in Kapitel 2.3.1. erläutert wurden.
Abb. 2.15 FE-Vernetzung der CDCB-Probe (zur besseren Darstellung vergröbert und unter leichter Belastung).
Den Hauptbeitrag zur Gesamtdeformation liefern die delaminierten Probenhälften, die daher
mit einer höheren Dichte (8 Elemente über Probendicke H/2) regelmäßig vernetzt wurden.
In einem Bereich H um die Rißspitze erfolgte eine starke Netzverfeinerung mittels einer freien
Vernetzung. Als Rißspitzenelemente fanden die bereits bei der DCB-Probe eingesetzten,
43
singulären Dreieckselemente Verwendung. Die Wahl ihrer Größe zu 1/5000 der
charakteristischen Abmessung H (Probendicke) erlaubt die Untersuchung der singulären
Rißspitzenfelder am FE-Modell.
Die Aufteilung in verschiedene Vernetzungsbereiche wurde so gewählt, daß die Änderung der
Rißlänge a im FE-Modell ohne Modifikation der lokalen Vernetzung möglich ist. Der Einfluß
der Vernetzung auf die FE-Ergebnisse wurde damit minimiert.
Die Anzahl der Knoten der FE-Modelle lag etwa bei 5000.
Um der kreisförmigen Krümmung des anisotropen Materials Rechnung zu tragen, mußte eine
entsprechende Wahl der Orientierung des Koordinatensystems jedes einzelnen Elements
getroffen werden. Durch Definition eines globalen zylindrischen Koordinatensystems im
Krümmungsmittelpunkt der Proben und Nutzung einer diesbezüglichen Vernetzungsoption war
dies in ANSYS auch bei Nutzung des automatischen Netzgenerators problemlos möglich. Die
Festlegung der orthotropen Materialeigenschaften erfolgt immer bezüglich dieses
Elementkoordinatensystems, so daß sich eine Orientierungrichtung der anisotropen elastischen
Materialeigenschaften entsprechend der Probenkrümmung ergibt.
Die Last wurde für die nichtlineare Analyse in 10 gleichmäßigen Lastschritten (Substeps)
aufgebracht. Sie wurde in Gestalt der senkrechten Verschiebung uz des oberen und unteren
Klötzchenachspunktes vorgegeben, in waagerechter Richtung wurde keine Verschiebung ux
zugelassen. Als maximale Rißöffnung δ (gegenseitige Verschiebung der Achspunkte) wurde
der Wert der halben jeweiligen Rißlänge a festgelegt, was bereits einer starken Biegung und
beträchtlichen Nichtlinearität der Deformation entspricht. Die Steuerung der
Gleichgewichtsiterationen der nichtlinearen Analyse organisiert ANSYS selbst. Die Anzahl der
vom Programm pro Lastschritt benötigten Iterationsschritte variierte zwischen 3 und 50.
Die gesamte Steuerung der Modellierung (Rißlängenänderung, Vernetzung, nichtlineare
Analyse, Datenauswertung und Abspeicherung von Ergebnislisten) wurde durch Programm-
makros gewährleistet. Variable definieren sämtliche Modellparameter. Die Analyse einer Probe
mit bestimmter Geometrie und Materialeigenschaften konnte daher über den gesamten Bereich
der Rißlängenänderung automatisch erfolgen. Die weitere Auswertung der verschiedenen
Ergebnislisten wurde mittels der Mathematik-Software MATHEMATICA [95] zu großen
Teilen automatisiert.
Als Bezug wurde eine CDCB-Probe mit folgenden Eigenschaften gewählt:
Geometrie:
Innenradius der Probenkrümmung: R i = 50 mm
Materialdicke: H = mm5
Probenbreite: B = mm20
44
Höhe der Klötzchen: h k =15 mm
Höhe der Klötzchen bis zum Achspunkt: h kl = mm9
Länge der Klötzchen: l kl = 20 mm
Bereich der Rißlängenvariation: ca a ca. . mm mm30 75≤ ≤
Materialeigenschaften entsprechend Tab. 2.2.
Ausgehend von dieser Konfiguration, die den Eigenschaften von Probekörpern aus dem
Thermoplastwickelverfahren nahekommt, wurden die einzelnen Parameter variiert, um ihren
Einfluß zu untersuchen.
Im Vorfeld der eigentlichen Analyse wurden verschiedene Testläufe mit unterschiedlicher
Wahl der Parameter der nichtlinearen Analyse und der Vernetzung durchgeführt und ihre
Ergebnisse verglichen. Für die verwendeten Einstellungen konnte praktisch keine Änderung
der Analyseergebnisse beobachtet werden. Die Verläßlichkeit der verwendeten FE-Näherung
ist damit gesichert.
2.4.2 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate
Die Definition der Energiefreisetzungsrate G aus der Energiebilanz der Rißausbreitung
entsprechend Gl. 1.4 ist für elastische Materialien allgemein gültig und auch bei Auftreten
nichtlinearer Deformationen anwendbar. Prinzipiell läßt sich G auch in diesem Fall aus den
Änderungen der in der Probe gespeicherten elastischen Energie, aus dem Last-Verschiebungs-
Zusammenhang oder den lokalen Rißspitzenfeldern berechnen. Jedoch kann im allgemeinen
nicht mehr von einer Proportionalität zwischen Lastkraft und resultierender Deformation aus-
gegangen werden, so daß sich die Berechnung von G aus den Ergebnissen einer nichtlinearen
FE-Analyse komplizierter gestaltet, als in Kapitel 2.3. für die lineare Analyse dargestellt.
2.4.2.1 Berechnung der Energiefreisetzungsrate für nichtlineare Deformation
aus dem Last-Verschiebungs-Zusammenhang und der Änderung der
elastischen Energie
Für nichtlineare Deformation ist der Quotient C aus Verschiebung δ und wirkender Kraft P am
Lasteinleitungspunkt keine die Struktur beschreibende Konstante, sondern die Nachgiebigkeit
C ist abhängig von der wirkenden Last bzw. Verschiebung: ( )C C a= δ, . Auch die Beziehung
U P= ⋅( ) /δ 2 für die in einer Struktur gespeicherte elastische Energie ist nur unter
Vorraussetzung eines linearen Zusammenhangs zwischen Last-Kraft P und Verschiebung δ
gültig; im allgemeinen Fall muß sie durch die Integration ( )U P d= ⋅∫ δ δδ
' '0
ersetzt werden.
45
Der Ausdruck Gl. 2.1 ist für nichtlineare Deformation nicht korrekt und die Berechnung der
Energiefreisetzungsrate aus der Änderung der Compliance entsprechend Gl. 2.5 daher nicht
gerechtfertigt [97].
Abb. 2.16 Definition der nichtlinearen Energie-freisetzungsrate
Die Energiefreisetzungsrate ( )G aδ, für eine Struktur mit einer Rißlänge a und unter einer
Belastung δ entspricht der Fläche 0-1-2-0 im Kraft-Verschiebungs-Diagramm (Abb. 2.16),
bezogen auf die Änderung der Rißfläche B a⋅ ∆ :
( )
( )( ) ( )( )
( )
( ) ( ) ( )( )
( ) ( ) ( ) ( ) ( )( )
G a
B aP a d P a a a a
d a a
d ad a P a a d
BP a
d a a
d aP a
d a a
d a
P a a
ad
a
a a a a
a
a a
a a
a
δ
∂∂
δ δ δδ
δ δ
δδ
δδ ∂ δ
∂∆δ
δ
δ
δ δ
δ
,
', ' ' , ''
'' ', '
, ,',
'
= ⋅ ⋅ + + + ⋅+
⋅ − + ⋅
= ⋅ ⋅+
− ⋅+
−+
⋅
∫ ∫ ∫
∫
+ +
=
= =
+
=
1
1
0 00
0 0 0 0
∆∆ ∆
∆
∆∆ ∆
∆
∆
∆
∆
∆
∆ ∆
∆
∆ ∆
∆
∆
(2.22)
Die Umformung ergibt folgenden Ausdruck zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus
dem Last-Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang bei nichtlinearer Deformation:
( ) ( )G a
B
P a
ad
const
δ∂ δ
∂δ
δ
δ
,',
''
= − ⋅ ⋅=
∫1
0
(2.23).
Diese Beziehung ist das nichtlineare Äquivalent zur linearen Definition Gl. 2.3, die nicht
allgemein gültig ist. Bei Vorgabe der Lastkraft P statt der Lastverschiebung δ resultiert eine
Transformation von Gl. 2.23 in eine analoge Form:
( ) ( )G P a
B
P a
adP
P const
P
,',
''
= ⋅ ⋅=
∫1
0
∂δ
∂ (2.24),
die alternativ verwendet werden kann.
Eine nichtlineare FE-Analyse liefert nur diskrete Ergebnisse für bestimmte Lastschritte { }i und
eine endliche Reihe { }k von Rißlängen. Zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate
entsprechend Gl. 2.23 oder Gl. 2.24 machen sich jedoch die Integration der bisherigen
0
1
δδδδ
PP(δ,a) P(δ(a+∆a'),a+∆a’)
P(δ,a+∆a)
2
46
Belastungsgeschichte und eine Differentiation bezüglich der Änderung mit der Rißlänge
erforderlich. Der Übergang von den diskreten Ergebnissen zu den dafür benötigten stetigen
Größen ( ) ( )P a P aik i kδ δ, ,→ kann mit einer zweidimensionalen, stückweisen Polynom-
Interpolation vollzogen werden. In dieser Arbeit wurde dazu auf die in der Mathematik-
Software MATHEMATICA verfügbare Funktion Interpolation zurückgegriffen [95]. Der
Aufwand zur Berechnung von G aus einer nichtlinearen Belastungskurve ist infolge der dazu
notwendigen Integration deutlich höher als im linearen Fall (‘Compliance Methode’ in
Kap. 2.3.3.1.).
Die Form der Definition der Energiefreisetzungsrate aus der elastischen Energie entsprechend
Gl. 2.10 ist für nichtlineares Deformationsverhalten dagegen uneingeschränkt gültig [97]:
( ) ( )G a
B
U a
aconst
δ∂ δ
∂δ
,,
= − ⋅=
1 (2.10.).
Auch bei einer nichtlinearen Analyse stellt das FE-Programm die in der Struktur gespeicherte
elastische Energie als Ausgabegröße bereit. Eine Interpolation ( ) ( )U a U aik i kδ δ, ,→ der
diskreten Resultate ermöglicht die Ausführung der Ableitung in Gl. 2.10 und die Berechnung
der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen. Dieses Verfahren erfordert keine
zusätzliche Integration wie in Gl. 2.23/ 2.24 und ist daher praktisch einfacher zu realisieren.
Ein Vergleich der Methoden an den Ergebnissen des nichtlinearen FE-Modells der CDCB-
Probe erbrachte eine nahezu ideale Übereinstimmung der Resultate für die Energie-
freisetzungsrate. Die relative Abweichung ging im gesamten untersuchten Bereich über
maximal 0,1% nicht hinaus. Da der Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang und die elastische
Energie auf voneinander unabhängigen Ergebnissen der FE-Analyse beruhen, ist dies zugleich
ein überzeugender Beleg für die Zuverlässigkeit des Modells.
In Anbetracht der Äquivalenz der Resultate beider Verfahren ist die Berechnung der
Energiefreisetzungsrate aus der Änderung der elastischen Energie im Falle nichtlinearer
Deformation wegen des geringeren Berechnungsaufwandes vorzuziehen.
2.4.2.2. Berechnung der ‘Mixed-Mode’-Anteile von G aus den Rißspitzen-
Nahfeldern
Die Extrapolation der Spannungsintensitätsfaktoren nach den in Kap. 2.3.3.2 beschriebenen
Methoden liefert für das lineare FE-Modell der CDCB-Probe gut übereinstimmende Ergebnisse
(Abb. 2.17). Die Abweichungen zwischen den aus den Spannungsintensitätsfaktoren und der
Energiemethode erhaltenen Werten für G bleiben unterhalb von 1%.
47
Abb. 2.17 Extrapolation der Spannungsintensitäts-faktoren aus dem linearen FE-Modell der CDCB-Probe
Eine geometrisch lineare Analyse vernachlässigt die Änderung der Probengeometrie mit der
Belastung, sie ist daher nur für geringe Deformationen der Gesamtstruktur anwendbar. Die
nichtlineare Analyse dagegen bezieht die aktuellen Belastungen und Randbedingungen immer
auf die momentane Probengestalt [104]. Relativ zu diesem aktuellen Zustand erfolgen die
differentiellen Deformationen jedoch weiterhin linear. Praktisch wird jedem Punkt (bzw. FE-
Element) der Struktur ein eigenes, mitbewegtes Bezugssystem zugeteilt, welches der
Translation und Drehung des Volumenelementes folgt. Die lokalen Dehnungen und das
Materialgesetz werden dabei in diesem mitbewegten Koordinatensystem betrachtet und
behalten innerhalb dieses Systems ihre lineare Struktur [103].
Die einzelnen Punkte der CDCB-Probe erfahren zum Teil beträchtliche Verschiebungen und
Drehungen im Raum, das örtliche Materialverhalten bleibt jedoch linear elastisch. Für die
Spannungsverteilung an der Rißspitze kann daher die Gültigkeit der singulären Terme ([83],
[96], [97]) für anisotrope Materialien entsprechend Gl. 2.12 angenommen werden, allerdings
bezogen auf ein mitbewegtes Rißspitzenkoordinatensystem. Die Krümmung der Rißfront und
der Materialorientierung bei der CDCB-Probe sollte die praktische Anwendbarkeit der
singulären Terme (Tab. 2.1) nicht beeinträchtigen, da diese ohnehin nur für sehr kleine
Abstände zur Rißspitze gültig sind ( r H/ .< 0 01) und in diesem Bereich die Abweichung der
Rißfront von der Ebene infolge des großen Krümmungsradius ( R Hi / >10 ) der Struktur
praktisch keine Rolle spielt.
Die Spannungsergebnisse einer nichtlinearen FE-Analyse werden von ANSYS immer im
aktuellen, mitbewegten Elementkoordinatensystem ausgegeben. Die Resultate für die
Ligamentspannungen können damit entsprechend Gl. 2.14 bzw. Gl. 2.15 unmittelbar zur
Extrapolation der Spannungsintensitätsfaktoren KI und KII benutzt werden (siehe Kapitel
2.3.3.2.). Betrachtet man allerdings die daraus folgende Verteilung der Näherungswerte
0
200
400
600
800
1000
1200
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0
Abstand von der Rißspitze r [mm]
Km
Lineare Analyse
K I aus u' z
K II aus u' x
Rißufer
K I aus σ zz
K II aus σ xz
Ligament
48
( )( )K rm k über den Rißspitzenabständen ( )r k der verschiedenen Ligamentknoten k, so ist diese
nicht annäherungsweise linear (Abb. 2.18). Die Extrapolation der Werte der
Spannungsintensitätsfaktoren auf die Rißspitze r → 0 ist nur aus sehr weit von der Rißspitze
entfernten Knoten möglich und daher sehr ungenau.
Abb. 2.18 Extrapolation der Spannungsintensitäts-faktoren aus Ligament-spannungen und Rißufer-verschiebungen im mitbewegten Rißspitzen-Koordinatensystem (Nichtlineares FE-Modell der CDCB-Probe)
Die Hauptursache dafür liegt in der Tatsache, daß in ANSYS die Durchführung einer
geometrisch nichtlinearen Analyse immer mit der Nutzung eines logarithmischen Dehnungs-
maßes („HENKY“-Dehnung, [104]) gekoppelt ist. Dieses weicht für große Dehnungen
(>ca.10%) zunehmend vom linearen Dehnungsmaß ab, welches zur Ableitung der singulären
Spannungsterme Gl. 2.12 verwendet wurde. Da unmittelbar an der Rißspitze starke Dehnungen
auftreten, ergibt sich mit geringer werdendem Abstand r zur Rißspitze eine zunehmende
Diskrepanz zwischen den singulären Termen und den FE-Ergebnissen, die im vorliegenden
Fall die Extrapolation erschwert.
Darüber hinaus ist die Genauigkeit der Knotenspannungen einer FE-Analyse im Bereich hoher
Spannungsgradienten naturgemäß nicht optimal, was obige Probleme noch verstärkt.
Bessere Ergebnisse läßt die Analyse der Rißuferverschiebungen erwarten. Die in Tabelle 2.1
dafür angegebenen Terme sind für die nichtlineare Betrachtung auf das aktuelle, mitbewegte
und mitrotierte, Rißspitzenkoordinatensystem zu beziehen. Die Ausgabe der Ergebnisse für die
Verschiebungen einer nichtlinearen FE-Analyse erfolgt in ANSYS immer nur relativ zu einem
globalen, ruhendem Koordinatensystem. Daher macht sich eine Transformation der erhaltenen
Verschiebungswerte auf das der Deformation entsprechende aktuelle Rißspitzenkoordinaten-
system erforderlich. Aus dem FE-Modell stehen dafür nur die ursprünglichen Positionen der
Knoten im FE-Netz und die Werte der Knotenverschiebungen im momentanen Zustand der
Deformation zur Verfügung. Die erforderliche Prozedur ist in Anhang I beschrieben.
0
500
1000
1500
2000
2500
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0
Abstand von der Rißspitze r [mm]
Km
Nichtlineare Analyse
K I aus u' z
K II aus u' x
Rißufer
K I aus σ zz
K II aus σ xz
Ligament
49
Sie liefert die Komponenten der Verschiebung { }ux uzko ko' , ' und { }ux uzku ku' , ' im
Rißspitzenkoordinatensystem für jedes Knotenpaar k auf dem oberen (Index o) bzw. unteren
(Index u) Rißufer senkrecht (uz) und parallel (ux) zur Rißebene. Diese entsprechen den
Rißuferverschiebungen { }u uxoberes Rißufer
zoberes Rißufer, und { }u ux
unteres Rißuferzunteres Rißufer, im Sinne von
Gl. 2.17 und Gl. 2.18, die zur Extrapolation der Werte für die Spannungsintensitätsfaktoren aus
den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Analyse verwendet werden.
Der Abstand von der Rißspitze ( )r k wird durch die x’-Koordinate des Knotenpaares im
Rißspitzenkoordinatensystem des undeformierten Zustandes festgelegt:
( ) ( )r x xk ko ku= =' ', ,0 0 (2.25).
In Abb. 2.18 ist die Extrapolation von KI und KII aus den Rißuferverschiebungen für die
nichtlineare Analyse der CDCB-Probe demonstriert. Über einen weiten Bereich ordnen sich die
Näherungswerte für Km nahezu auf einer Geraden an, nahe der Rißspitze ergeben sich jedoch
Abweichungen infolge der starken Dehnung. Eine Extrapolation der Werte für beide
Spannungsintensitätsfaktoren ist aus dem linearen Kurvenabschnitt gut möglich. Im nicht-
linearen Fall ist die Methode zur Bestimmung der Spannungsintensitätsfaktoren aus den
Rißuferverschiebungen der Methode aus den Ligamentspannungen eindeutig überlegen. Für die
Ermittlung des ‘Mixed-Mode’-Verhältnisses K KI II/ der Belastung der CDCB-Probe wurden
daher nur die Verschiebungen ausgewertet.
Die Gültigkeit des Zusammenhangs (Gl. 2.19-2.21) zwischen den Moden GI und GII der
Energiefreisetzungsrate und den Spannungsintensitätsfaktoren KI und KII wird durch die
nichtlineare Analyse nicht beeinträchtigt.
2.4.3 Analytisches Modell für Biegung gekrümmter Stäbe
Ein Nachteil numerischer Lösungsverfahren besteht darin, daß die Abhängigkeit zwischen den
Eingangs- und Ergebnisgrößen im allgemeinen nicht in einer kontinuierlichen, mathematischen
Gleichungsform angegeben werden kann, sondern über numerische Algorithmen der Zusam-
menhang zwischen den Eingangsgrößen und den Zielgrößen nur für diskrete Werte vermittelt
wird. An Hand einer formelmäßigen Beschreibung werden die gegenseitigen Beziehungen
jedoch transparenter. Diese kann als Ergebnis einer mathematisch analytischen Bearbeitung des
Problems erhalten werden. Für einen realen Sachverhalt ergeben sich bei der Umsetzung der
analytischen Lösung in der Regel große mathematische Schwierigkeiten, die nur unter um-
fangreichen Vereinfachungen und Vernachlässigungen zu bewältigen sind. Die Gültigkeit der
erhaltenen Näherungen bleibt dabei oft unklar. Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit der
analytischen Ergebnisse bietet sich der Vergleich zu den Lösungen numerischer Verfahren an,
die weniger Einschränkungen bei der Umsetzung des realen Problems bedürfen.
50
Um die prinzipielle Abhängigkeit der Deformation und der Energiefreisetzungsrate von den
geometrischen und materiellen Parametern wenigstens näherungsweise formelmäßig zu erfas-
sen, war es eine Zielstellung dieser Arbeit, auch ein mathematisch analytisches Modell der
CDCB-Probe zu entwickeln. Dafür bietet sich an, die Probe durch ein System gekrümmter
Stäbe anzunähern (Abb. 2.19), welches mittels der Balkentheorie modelliert wird. Da starke
Biegung im realen CDCB-Test häufig auftritt, ist im Modell die Option zur nichtlinearen
Analyse ausdrücklich vorgesehen.
Abb. 2.19 Stabmodell der CDCB-Probe
Zur Basis der Analyse gehören die KIRCHHOFF’sche Hypothese der Plattenbiegung und die
Vernachlässigung der auftretenden Scherspannungen [105]. Ohne diese Vereinfachungen wäre
der Aufwand für eine analytische Modellierung unverhältnismäßig höher.
Die delaminierte obere und untere Probenhälfte werden zunächst getrennt betrachtet. Die für
beide Hälften erhaltenen Ausdrücke erweisen sich jedoch als prinzipiell identisch. Lediglich
die Vorzeichen der senkrechten Last-Komponente Fz und des Klötzchen-Parameters hkl,
müssen für den oberen Probenteil als positiv ( F hzoben
kloben> >0 0; ) und für den unteren
Probenteil als negativ ( F hzunten
klunten< <0 0; ) angenommen werden.
Das im folgenden beschriebene Stabmodell entspricht der oberen Probenhälfte und ist in
Abb. 2.19 veranschaulicht.
Der freie, delaminierte Teil des Probematerials, der einer Biegung unterworfen ist, wird durch
einen Stab mit konstanter Anfangskrümmumg R repräsentiert.
Die aktuelle Rißlänge a bestimmt die Winkelposition ϕ ϕ= 1 der Rißspitze und damit das
untere Ende des Stabes:
ϕπ
1 2 2= − +
⋅
a
R
l
Rklarcsin (2.26)
hkl
Fz lkl
R
ϕ1
ϕE
αmi
51
An dieser Stelle treffen sich die beiden Probenhälften und sind steif miteinander verbunden.
Eine zusätzliche Vereinfachung des hier verwendeten Modells besteht darin, die Einspannung
jedes der beiden Probenteile für sich als starr und feststehend im Raum zu betrachten. Für die
CDCB-Probe entspricht dies nicht völlig der Realität: die Verschiebung und Drehung der Probe
an der Rißspitze ergeben sich aus dem Gleichgewicht der Deformation von oberer und unterer
Probenhälfte. Da diese unsymmetrisch erfolgt, kann es zu Richtungsänderungen kommen. Die
Berücksichtigung dieses Umstandes, der für kleine Belastungen (lineare Deformation) keine
Rolle spielt, würde das ohnehin aufwendige Modell so komplizieren, daß eine analytische
Lösung dann nicht mehr sinnvoll erschiene.
Die Belastung in Gestalt der senkrechten Kraft Fz wird nicht unmittelbar am freien Ende des
Stabes aufgebracht. Für die Deformation der CDCB-Probe muß die versteifende Wirkung des
aufgeklebten Aluminiumklötzchens berücksichtigt werden. Der Probenstreifen ist nur bis zum
Rand des Lastklötzchens flexibel, hier muß auch das freie Ende des deformierbaren
Stabmodells angesetzt werden. Dieser Punkt liegt nicht bei ϕ π= / 2 sondern ist um die halbe
Klötzchenlänge lkl / 2 vorverlegt:
ϕπ
Ekll
R= −
2 2arcsin (2.27)
Die eigentliche Last greift im Achspunkt des Klötzchens bei ϕ π= / 2 und in radialer Richtung
um die Achspunkthöhe hkl versetzt an. Das Klötzchen wird als völlig steif betrachtet und ist
starr mit dem Stabende verbunden. Eine Deformation der Probe führt zu einer Drehung des
Klötzchens, die in Abhängigkeit von der Achspunkthöhe hkl eine zusätzliche Verschiebung
zwischen Achspunkt und freiem Stabende zur Folge hat. Da die Lastverschiebung δ im
Experiment am Achspunkt gemessen wird, muß diese Drehungskorrektur im Modell berück-
sichtigt werden. Zugleich bewirkt die Verschiebung des Belastungspunktes gegenüber dem
Stabende eine zusätzliche Änderung des Lastmomentes auf die Probe. Diese Effekte üben
zusammen mit der Versteifung der Probe über die Distanz lkl / 2 einen wesentlichen Einfluß
auf das Deformationsverhalten der Probe aus. Sie haben sich in vorbereitenden
Untersuchungen als die wichtigste Quelle der Nichtlinearität des Kraft-Verschiebungs-
Zusammenhangs der Belastung erwiesen. Selbst im Rahmen einer linearen Analyse können sie
die Deformation wesentlich beeinflussen. Eigene Vorgängermodelle ohne Berücksichtigung
des Klötzchens in seiner Längen- ( lkl / 2 ) und Höhenausdehnung (hkl) lieferten insbesondere
für kurze und mittlere Rißlängen sehr unbefriedigende Ergebnisse mit Abweichungen bis zu
30%. Die Bedeutsamkeit des Klötzcheneinflusses für die Deformation der CDCB-Probe ist
eine wesentliche Erfahrung dieser analytischen Modellierung.
52
Der theoretische Hintergrund des hier verwendeten Modells zur Beschreibung der starken
Deformation gekrümmter Stäbe basiert auf [66] und ist in Anhang II beschrieben.
Die Differentialgleichung für die räumliche Verschiebung ( ) ( ){ }u ux zϕ ϕ, eines Punktes des
Balkens mit der Winkelposition ϕ lautet.
( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )E I
Ru u u u
Ru u u u F
Rux y
x z z x x z x z z x
⋅⋅ − ⋅ − + ⋅ + ⋅ − ⋅
= ⋅ − ⋅
3
1 1'' '' ' sin '' ' ' ' cos ' '' ' ' ' ' ' sin 'ϕ ϕ ϕ
( Iy ... Flächenträgheitsmoment des Stabquerschnitts) (2.28).
Da nur reine Biegedeformation betrachtet wird, ergibt sich als Nebenbedingung folgender
Zusammenhang zwischen den Verschiebungskomponenten:
( ) ( ) ( ) ( )u R R
u
Rxz' sin cos'
ϕ ϕ ϕϕ
= ⋅ − ⋅ − +
1
2
(2.29).
Zwei Randbedingungen folgen aus der starren Einspannung am festgehaltenen Stabende:
( )ux ϕ1 0= und ( )u z ϕ1 0= (2.30)
sowie ( )u x' ϕ1 0= und ( )u z' ϕ1 0= (2.31).
Die dritte Randbedingung entsteht durch die Forderung der Gleichheit von äußerem
Kraftmoment und innerem Biegemoment am Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 :
( ) ( ) ( ) ( )[ ]
( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )
−⋅
⋅ ⋅ + ⋅
= + ⋅ − + ⋅ +
+ ⋅ ⋅ +
− ⋅
E I
Ru u
F u uh
Ru
h
RR
x y
z x
z x E z E Ekl
x E Ekl
2 1 1 1 1
11 1 1
sin '' cos ''
' sin ' cos cos
ϕ ϕ ϕ ϕ
ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ
(2.32).
Dem Unterschied der Achspunktverschiebungen { }u ux KL z KL, ,, gegenüber den Verschiebungen
( ) ( ){ }u ux E z Eϕ ϕ, des freien Balkendes wird Rechnung getragen durch:
( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh
Ru
h
Rx KL x E z E Ekl
x E Ekl
, ' sin ' cos= + ⋅ − + ⋅ +
+ ⋅ ⋅ +
ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1
(2.33a)
( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh
Ru
h
Rz KL z E x E Ekl
z E Ekl
, ' sin ' cos= + ⋅ − ⋅ +
+ ⋅ ⋅ +
ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1
(2.33b)
53
Mit den Gl. 2.28 bis 2.32 ist das Differentialgleichungssystem der Verschiebung zwar
vollständig bestimmt, seine komplizierte nichtlineare Struktur läßt die Bestimmung
geschlossener analytischer Ausdrücke für die Verschiebungsfunktionen ( )( )u F ax z , ,ϕ ϕ1 und
( )( )u F az z , ,ϕ ϕ1 jedoch nicht zu. Ein Ausweg bietet sich im Versuch einer näherungsweisen
Lösung mittels eines Potenzreihenansatzes:
( )( ) ( )u F a B Fx z st zs t
t
n
s
nF
, ,ϕ ϕ ϕ ϕϕ
1 100
= ⋅ ⋅ −==∑∑ (2.34a)
( )( ) ( )u F a A Fz z st zs t
t
n
s
nF
, ,ϕ ϕ ϕ ϕϕ
1 100
= ⋅ ⋅ −==∑∑ (2.34b).
Einsetzen der Ansatzfunktionen Gl. 2.34 in die Differentialgleichung und in die
Nebenbedingungen liefert Systeme von Gleichungen, aus denen die Koeffizienten Bst und A st
ermittelt werden können. Die sich ergebenden Ausdrücke sind extrem umfangreich, sie konnten
nur mit Hilfe des symbolischen Mathematikprozessors der Software MATHEMATICA [95]
und für endliche Ordnungen nF und nϕ der Entwicklung in Gl. 2.34 abgeleitet und
ausgewertet werden. Die erhaltenen Koeffizienten hängen dabei neben den elastischen
Eigenschaften und der Klötzchengeometrie (hkl und lkl) noch von der Rißlänge a bzw. der
Winkelposition ( )ϕ1 a der Einspannung ab ( ( )B h lst kl klϕ1 , , , ... , ( )A h lst kl klϕ1 , , ,... ). Zur
praktischen Bestimmung dieser Abhängigkeiten machte sich zusätzlich eine Entwicklung der
Koeffizienten nach ϕ1 erforderlich. Als Ordnung dieser Entwicklung wurde die Ordnung nϕ
der winkelabhängigen Terme aus Gl. 2.34 verwendet.
Die Beschreibung der Winkelabhängigkeit wird ganz wesentlich durch die Glieder mit hohen
Potenzen ( )ϕ ϕ− 1
t bestimmt. Um auch für große Rißlängen vernünftige Ergebnisse zu
erhalten, müssen diese mindestens bis zur 7. Ordnung berücksichtigt werden.
Von eigentlichem Interesse für diese Arbeit sind die Verschiebungen des freien Stabendes
( )u Fx z , ,ϕ ϕ ϕ= 1 1 und ( )u Fz z , ,ϕ ϕ ϕ= 1 1 . Aus diesen läßt sich über die Gl. 2.33 durch ent-
sprechendes Zusammenfassen die Beziehung für die Verschiebung der Klötzchen-Lastpunkte
( )( )u F ax KL z, ,ϕ1 und ( )( )u F az KL z, ,ϕ1 in Form einer Reihenentwicklung formulieren:
( )( )u F a b Fx KL z stt
n
s
n
zs
tF
, ,ϕπ
ϕϕ
111
12
= ⋅ ⋅ −
==∑∑ (2.35a)
( )( )u F a a Fz KL z stt
n
s
n
zs
tF
, ,ϕπ
ϕϕ
111
12
= ⋅ ⋅ −
==∑∑ (2.35b)
Eine nichtlineare Beschreibung des Deformationsverhaltens der modellierten Geometrie konnte
durch die Entwicklung der Gleichungen 2.34 bis maximal zur 3. Ordnung in Fz und der
54
7. Ordnung in ϕ und ϕ1 erhalten werden. Auf Grund des Umfangs der erhaltenen Ausdrücke
können die Koeffizienten dieser Lösung hier nicht wiedergegeben werden. Die Genauigkeit der
Näherung wurde durch den Vergleich mit den Ergebnissen einer nichtlinearen FE-
Modellierung mit einfachen Stabelementen beurteilt. Das Auftreten von Scherdeformationen
wurde dabei auch im FE-Modell nicht berücksichtigt.
Die Entwicklung bis zur 1. Ordnung ( n F = 1) bezüglich der Lastkraft Fz entspricht einer
linearen Analyse. Ihr Vergleich zu den Ergebnissen einer linearen Modellierung mit FE-
Stabelementen hat gezeigt, daß das lineare analytische Näherungsmodell über den gesamten
Rißlängenbereich eine gute Übereinstinmmung mit weniger als 2% Abweichung zu den FE-
Resultaten liefert. In Anhang III sind die Koeffizienten ( )a h R Ft kl n mi1 / , ,α der linearen
Potenzreihennäherung Gl. 2.35b für die Verschiebung der Lastpunkte der oberen Probenhälfte
in senkrechter Richtung u z KLoben, angegeben. Die Lösung für den unteren Probenteil u z KL
unten, ergibt
sich durch Ersetzen von h hkl kl→ − und F Fz z→ − in Gl. 2.35b.
0,00
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25
0,30
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Winkelposition der Rißspitze ϕϕϕϕ1 [°]
1.Ordnung in Fz, 9. Ordnung in ϕ1
2.Ordnung in Fz, 9. Ordnung in ϕ1
3.Ordnung in Fz, 7. Ordnung in ϕ1
obere Probenhälfte
uz,KL
a
Abb. 2.20 Maximale Deformation u az KL, / , für welche der relative Fehler der analytischen
Näherung für die Verschiebung u z KL, 10% gegenüber der nichtlinearen FE-
Näherung nicht übersteigt. ( h mmkl = 9 , l mmkl = 20 , R mm= 52 5. , H mm= 5 , E GPax = 50 )
In Abb. 2.20 ist demonstriert, daß die nichtlineare analytische Näherungslösung eine wesentlich
erweiterte Gültigkeit gegenüber dem linearen Modell bei der Beschreibung des
Deformationsverhaltens aufweist. Der Fehler in der Wiedergabe der z-Verschiebung der
Klötzchenpunkte übersteigt auch bei einer mittelstarken Deformation u az KL, / ,≤ 0 15 die 10%-
Grenze nicht.
55
Die Genauigkeit der Näherung nimmt mit Verringerung der Klötzchenabmessungen (hkl und
lkl) stark zu.
Mit
( ) ( )( ) ( )( )δ ϕ ϕF a u F a u F az z KLoben
z z KLunten
z, , ,, ,= −1 1 (2.36)
und Gl. 2.26 für ( )ϕ1 a stehen damit alle Beziehungen zur Verfügung, die zur Berechnung einer
analytischen Näherung der linearen Energiefreisetzungsrate für die CDCB-Probe entsprechend
Gl. 2.5 benötigt werden.
Im Ergebnis der analytischen Modellierung tritt die Lastkraft Fz in allen Potenzen der
Reihenentwicklung immer nur in einem Quotienten ( F Fz n/ ) gemeinsam mit bestimmten
Parametern des Modells auf, die in einer Konstante Fn mit der Dimension einer Kraft
zusammengefaßt werden können:
FE I
Rn
x y=⋅2
(2.37).
Der Zusammenhang zwischen Verschiebungen ui und Kraft Fz läßt sich in der
Reihenentwicklung in einer normierten Form mit einer verringerten Anzahl von unabhängigen
Parametern darstellen („Dimensionsanalyse“ [16]):
( )u u F a R l h E Iu
a
u
a
F
F
a
R
l
R
h
Ri i z kl kl z yi i z
n
kl kl= → =
, , , , , , ,... , , , ,... (2.38).
In dieser Gestalt werden viele prinzipielle Zusammenhänge zwischen den Einflußgrößen besser
erkennbar. So liefert z.B. die Möglichkeit der Normierung über den Parameter Fn entsprechend
Gl. 2.37 die Erkenntnis, daß weder der Längsmodul der Probe Ex noch das
Flächenträgheitsmoment Iy das Deformationsverhalten der CDCB-Probe unabhängig
beeinflußen, sondern dieses nur durch deren gemeinsames Produkt bestimmt wird. Durch
derartige Betrachtungen läßt sich einschätzen, ob Proben mit eigentlich unterschiedlichen
Eigenschaften (Dicke, Breite, Krümmungsradius, Steifigkeit,...) unter Umständen
vergleichbares Deformationsverhalten zeigen. Dieses ist insbesondere bei der Dimensionierung
von CDCB-Experimenten von Interesse (siehe Kapitel 3.4.).
2.4.4 Verfahren nach Williams
Zur Abschätzung der von einer bruchmechanischen Probe bei einer bestimmten Belastung zur
Verfügung gestellten Energiefreisetzungsrate ist nicht unbedingt ein vollständiges
Deformationsmodell der Struktur erforderlich. In vielen Geometrien ändern sich die lokalen
Rißspitzenfelder und die in dieser Zone auftretende Energie während der Rißausbreitung kaum.
56
Für die Delamination in streifenförmigen Probekörpern trifft dies zu, wenn die Rißspitze sich
nicht in unmittelbarer Nähe eines Probenendes oder einer anderen geometrischen Störung
(Lastklötzchen) befindet und der Riß sich parallel zur Probenoberfläche ausbreitet. Der
überwiegende Teil der Energiefreisetzungsrate entsteht dann aus der Änderung der elastischen
Energie infolge des Hinzukommens eines neuen Teilstückes +da zum delaminierten und dem
entsprechenden Verschwinden eines Teilstückes -da aus dem nichtdelaminierten Bereich der
Probe. Unter der Voraussetzung, daß die lokalen Gegebenheiten an der Rißspitze sich nur
wenig ändern, können die Teilstücke gewissermaßen in einem Bereich mit homogenen
Deformationen hinzugefügt bzw. abgezogen werden, für den sich die Energieänderungen aus
der makroskopischen Belastung einfach abschätzen lassen.
Ein allgemeines Verfahren auf dieser Grundlage ist bei WILLIAMS [97] ausführlich
dargestellt. Darin wird zwischen Energieänderungen in den Teilstücken unterschieden, die sich
aus unterschiedlichen Belastungsformen der Probe an der Rißspitze ergeben
a) Anteil aus den Dehnkräften F1 und F2 in Probenlängsrichtung, die auf obere (Index 1) und
untere (Index 2) delaminierte Probenhälfte wirken. Dieser Anteil liefert nur einen Beitrag zur
Mode-II-Belastung der Rißspitze.
G IP = 0 (2.39a)
( )
GE B
F
h
F
h
F F
HIIP
x
=⋅ ⋅
⋅ + −+
1
2 212
1
22
2
1 2
2
(2.39b)
(h1, h2 ... Dicke der oberen bzw. unteren delaminierte Probenhälfte, H h h= +1 2 )
b) Anteil aus den Biegemomenten M1 und M2, die auf die obere und untere Probenhälfte im
Rißspitzenbereich ausgeübt werden. Diese Momente können sowohl zur Mode-I- als auch zur
Mode-II-Belastung beitragen.
( )
( )G
E B
h M h M
h h h hIM
x
=⋅
⋅⋅ − ⋅
⋅ ⋅ +
62
13
2 23
1
2
13
23
13
23
(2.40a)
( )
( )G
E B H
h h M M
h h hIIM
x
=⋅ ⋅
⋅⋅ ⋅ +
+
182 2
2 13
1 2
2
12
13
23
(2.40b)
c) Anteil infolge von Scherdeformationen in der Biegeebene. Ihr Einfluß bleibt auf die Mode-I-
Belastung beschränkt.
GG B h
dM
da h
dM
da H
dM
da
dM
daIS
xz
=⋅ ⋅
⋅ ⋅
+ ⋅
− +
3
5
1 1 12
1
1
2
2
2
2
1 2
2
(2.41a)
G IIS = 0 (2.41b)
57
Außermittige Rißausbreitung kann durch h h1 2≠ in obigen Gleichungen beschrieben werden.
Die Kräfte F1 und F2 sowie die Momente M1 und M2 die auf die obere und untere Probenhälfte
der CDCB-Probe wirken, lassen sich für den Fall kleiner Deformationen leicht ermitteln
(Abb. 2.19):
Kräfte: ( )F Fz1 1= ⋅cos ϕ (2.42a)
( )F Fz2 1= − ⋅cos ϕ (2.42b)
Momente: ( )M F Rz1 1= − ⋅ ⋅ cos ϕ (2.43a)
( )M F Rz2 1= ⋅ ⋅cos ϕ (243b)
Ableitungen: ( )dM
da
dM
RdFz
1 1
1
1= − = − ⋅ϕ
ϕsin (2.44a)
( )dM
da
dM
RdFz
2 2
1
1= − = ⋅ϕ
ϕsin (2.44b)
In diesen Ausdrücken sind die Änderungen der Struktur mit der Deformation nicht
berücksichtigt, die Vorgehensweise entspricht daher einer linearen Analyse.
Mode I:
Mit G IP = 0 ;
( ) ( )G
F R
E B
h h
h hIM z
x
=⋅ ⋅ ⋅
⋅⋅
+
⋅
6 2 2 21
2
13
23
13
23
cos ϕ und
( )G
F
G B h hIS z
xz
=⋅ ⋅
⋅ ⋅⋅ +
3
5
1 12 2
1
21 2
sin ϕ
folgt ( ) ( ) ( )
GF R
E B h
h h
h
E
G
h
R
h
hIz
x
x
xz
=⋅ ⋅ ⋅
⋅ ⋅⋅
+
⋅+ ⋅ +
12
2 201
2 2 21
213
13
23
23
21 1
2
21
2
cos tanϕ ϕ (2.45a)
Mode II:
Mit ( )
GF
E B h hIIP z
x
=⋅
⋅ ⋅⋅ +
2 21
21 22
1 1cos ϕ; G II
M = 0 und G IIS = 0
folgt ( )
GF
E B h hIIz
x
=⋅
⋅ ⋅⋅ +
2 21
21 22
1 1cos ϕ (2.45b)
Aus Gl. 2.45a kann der Anteil der Scherdeformationen an der Energiefreisetzungsrate GI
abgeschätzt werden (Abb. 2.21). Für stark anisotrope Proben und kurze Rißlängen wird ein
beachtlicher Einfluß vorausgesagt.
Das „Mixed-Mode“-Verhältnis G GII I/ läßt sich mittels den Gl. 2.45 ebenfalls beurteilen. Bei
Vernachlässigung der Scherdeformationen ergibt sich folgender Zusammenhang:
58
( ) ( )
( )G
G
H
RIIP
IM
=⋅
⋅− ⋅ +
+ ⋅
2
2
2 2
248
1 1
1 3
ς ς
ς (2.46)
mit ( )
ς =−h h
H1 2 und ( )ς h h1 2 0= = .
Abb. 2.21 Beitrag der Scherdefor-mationen (GS
I) am Mode-I-Anteil der Energiefrei-setzungsrate im WILLIAMS-Modell der CDCB-Probe
Da das Verhältnis H R/ für die CDCB-Proben im allgemeinen in der Größenordnung von
10% liegt, kann erwartet werden, daß der Mode-II-Anteil der Belastung verschwindend gering
ist. Auch für außermittige Rißlage liefert die Abschätzung nach WILLIAMS keine
wesentlichen Mode-II-Anteile. An dieser Stelle muß jedoch betont werden, daß sämtliche
Gleichungen dieser Näherung nur aus einer groben Verallgemeinerung des Problems stammen
und darüber hinaus die Änderung der Geometrie während der Deformation hier nicht
berücksichtigt wurde. Erst die FE-Analyse kann Klarheit über die Gültigkeit der Ergebnisse der
WILLIAMS-Näherung verschaffen.
0,00
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25
0,30
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Winkelposition Rißspitze ϕϕϕϕ1 [°]
GSI
GM
I
R = 52,5 mm; G xz = 2,5 GPa
Ex = 50 GPa; h1= 3 mm; h2= 2 mm
Ex = 50 GPa; h1= h2= 2,5 mm
Ex = 100 GPa; h1= h2= 2,5 mm
Ex = 10 GPa; h1= h2= 2,5 mm
59
3. Ergebnisse der FE-Modellierung für CDCB-Test
3.1 Einfluß von Probekörpergeometrie, Materialeigenschaften und nichtlinearer
Deformation
Aus den experimentellen Erfahrungen ist bekannt, daß beim CDCB-Test starke Deformationen
auftreten ([20], [72]). Eine der wesentlichsten Fragestellungen an die FE-Modellierung dieser
Probe betrifft daher die Auswirkungen nichtlinearer Deformation auf die Bestimmung der
Steifigkeit und der Energiefreisetzungsrate. In Abb. 3.1 und 3.2 sind die Ergebnisse von
nichtlinearer und linearer FE-Analyse für den Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang und die
Energiefreisetzungsrate einer Probe für verschiedene Rißlängen miteinander verglichen.
Abb. 3.1 Vergleich zwischen Ergebnissen der nichtlinearen und linearen FE-Modellierung für Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang bei konstanter Rißlänge ( E GPax = 50 ;
G GPaxz = 2 5, ;
E GPaz = 5 ; H mm= 5 ,
B mm= 10 )
Abb. 3.2 Vergleich der Ergebnisse der nichtlinearen und linearen FE-Modellierung für Abhängigkeit der Energiefreisetzungsrate von normierter Rißöffnung bei konstanter Rißlänge ( E GPax = 50 ;
G GPaxz = 2 5, ;
E GPaz = 5 ; H mm= 5 ,
B mm= 10 )
Bei kurzen Rißlängen ergeben sich besonders große Unterschiede, die im Beispiel bis zu 50%
erreichen. Für lange Rißlängen bleibt der relative Fehler auf ca. 10% beschränkt. Diese
0
500
1000
1500
2000
2500
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5Normierte Rißöffnung δδδδ/a
P(δδδδ/a)
[N]
nichtlinear FEa= 30 mm
linear FE
a= 70 mm nichtlinear FE
linear FE
0
50
100
150
200
250
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5Normierte Rißöffnung δδδδ/a
G(δδδδ/a)[kJ/m
2]
nichtlinear FEa= 30 mm
linear FE
a= 70 mm nichtlinear FE
linear FE
60
Tendenz läßt sich dadurch erklären, daß die Klötzchen infolge ihrer versteifenden Wirkung und
ihrer Drehung die wesentliche Quelle des nichtlinearen Verhaltens der CDCB-Probe sind. In
der Relation zur Rißlänge wirken sich die endlichen Klötzchenabmessungen für kurze
Rißlängen in einer viel stärkeren Nichtlinearität der Deformation aus.
Abb. 3.3 Lastkraft P (bezogen auf Klebe-fläche der Klötzchen A Klotz) aus nichtlinearer FE-Modellierung in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a ( E GPax = 50 ; E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;
B mm= 10 ; A mmKlotz = 200 2 )
Abb. 3.4 Energiefreisetzungsrate ( )G anl δ,
aus nichtlinearer FE-Modellierung in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a ( E GPax = 50 ; E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 )
Andererseits erfolgt der Anstieg von Lastkraft und Energiefreisetzungsrate für ein System mit
kurzer Rißlänge viel steiler. Eine Darstellung dieser Größen über der Fläche aus Rißlänge a und
der relativen Rißöffnung δ / a (Abb. 3.3, 3.4) macht das besonders deutlich. Die zur
30 40 50 60 70
δδδδ/a
Rißlänge a [mm]
0,1
0,2
0,3
0,5
0,75
2 1,5
1
0,5
0,25
P/A Klotz [N/mm2]
0,4
30 40 50 60 70
δδδδ/a
Rißlänge a [mm]
0,1
0,2
0,3
0,5
1
2
3
4
5
10
20 G nl [kJ/m2]
0,4
61
Ausbreitung des Risses benötigte kritische Energiefreisetzungsrate wird bei wesentlich
geringeren relativen Deformationen δ / a erreicht als für das System mit großer Rißlänge.
Dieser Effekt kompensiert die verstärkte Nichtlinearität für kleine Rißlängen (Abb. 3.5), so daß
die Rißausbreitung im Bereich zwischen kurzer und langer Rißlänge unter nahezu konstantem
Anteil von Nichtlinearität G Gnlln / verläuft. Dies ist in Abb. 3.6 für die Annahme einer
(während der Rißausbreitung konstanten) kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/
demonstriert.
Abb. 3.5 Verhältnis zwischen Ergebnis der linearen und der nichtlinearen FE-Analyse für Energie-freisetzungsrate G Glin nl/
in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a . ( E GPax = 50 ;
E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, ;
H mm= 5 )
Abb. 3.6 Auswirkung der Nicht-linearität auf Energie-freisetzungsrate während der Rißausbreitung
(G konst kJ mc = = 2 2/ )
für verschieden steife Proben und unterschied-liche Klötzchenhöhen.
Experimentell beobachtete Werte der Delaminationszähigkeit liegen bei faserverstärkten Ther-
moplastwerkstoffen im Mittel zwischen 1 4 2− kJ m/ [20]. Innerhalb dieses Bereichs
unterscheiden sich die Ergebnisse des linearen und nichtlinearen Deformationsmodells um
weniger als 15%. Für sehr nachgiebige Proben (dünnes Material, geringer Längsmodul) sind die
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25
0,30
0,35
0,40
0,45
0,50
30 40 50 60 70
0,95-1,00
0,90-0,95
0,85-0,90
0,80-0,85
0,75-0,80
0,70-0,75
0,65-0,70
0,60-0,65
0,55-0,60
Rißlänge a [mm]
Normierte
Rißöffnung
δδδδ/a
G lin,FEM
G nl,FEM
0,80
0,85
0,90
0,95
1,00
30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]
Gln, FEM
Gnl, FEM
Ex = 10 GPa; h kl = 9 mm
Ex = 50 GPa; h kl= 9 mm
Ex = 50 GPa; h kl= 20 mm
G c= 2 kJ/m2
62
Abweichungen ausgeprägter, da sie sehr hohe relative Deformationen für das Zustandekommen
von Rißausbreitung erfordern (Abb. 3.7). Insgesamt ist der Einfluß von nichtlinearer
Deformation auf die Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate geringer als erwartet.
Abb. 3.7 Energiefreisetzungsrate ( )G anl δ,
aus nichtlinearer FE-Modellierung in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a ( E GPax = 10 ; E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 )
Abb. 3.8 Energiefreisetzungsrate ( )G anl δ,
aus nichtlinearer FE-Modellierung in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a ( E GPax = 90 ; E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ).
Die Materialsteifigkeit, die wesentlich durch den E-Modul in Faserrichtung Ex und die Dicke
der Proben H bestimmt wird, ist die dominierende Einflußgröße. Ihre Wirkung auf die
Energiefreisetzungsrate ist aus dem Vergleich der Abb. 3.4, 3.7. und 3.8 zu erkennen, zwischen
denen der Längsmodul Ex der Proben variiert wurde. Für steife Proben und kurze Rißlängen
30 40 50 60 70
δδδδ/a
Rißlänge a [mm]
0,1
0,2
0,3
0,5
1
2
3
51020 G nl [kJ/m2]
0,4
30 40 50 60 70
δδδδ/a
Rißlänge a [mm]
0,1
0,2
0,3
2
3
0,5
1
4
5
10
20
G nl [kJ/m2]
0,4
63
tritt ein sehr starker Anstieg von Energiefreisetzungsrate und Lastkraft P schon für sehr geringe
Rißöffnungen δ / a auf.
In Abb. 3.9 ist der Verlauf der Last-Verschiebungs-Kurven ( )( )P aδ während stabiler Rißaus-
breitung für verschieden steife Proben dargestellt, der sich aus dem nichtlinearen FE-Modell
unter Annahme einer konstanten, kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ ergibt.
Abb. 3.9 Kraft-Verschiebungs-Kurve für stabile Rißausbreitung
bei G konst kJ mc = = 2 2/
aus den nichtlinearen FE-Modellen verschieden steifer Proben. Die Last-kraft ist auf die Klebefläche der Klötzchen
A mmKlotz ≈ 200 2
( B mm= 10 ) normiert. Der
Abstand der Punkte in den Kurven entspricht 5 mm -
Schritten in der Rißlänge a.
Die zur Rißausbreitung erforderliche Kraft P muß über die Klebeverbindung der Klötzchen in
die Probe eingeleitet werden. Diese kann jedoch nur einer endlichen Flächenlast P AKlebe/
widerstehen, deren Grenze erfahrungsgemäß bei 0 3 0 5 2, , /− N mm erreicht ist [93]. Diese
Werte werden für steife Proben und kurze Rißlängen schon weit vor Erreichen des Beginns der
Rißausbreitung überschritten (Abb. 3.9) was zum Abriß der Klötzchen führt. Dem kann nur
über Herabsetzung der Steifigkeit durch entsprechend geringe Probendicke und durch Vorgabe
einer ausreichend großen Anfangsrißlänge a0 entgegengesteuert werden. Andererseits wird für
sehr nachgiebige Proben und große Rißlängen die zur Rißausbreitung benötigte kritische
Energiefreisetzungsrate auch für sehr starke Deformationen δ / ,a ≈ 0 5 unter Umständen nicht
mehr erreicht. Daher ist in der Wahl der Steifigkeit ein Kompromiß bei der Vorbereitung der
Proben zu treffen (Kap. 3.4).
Neben den reinen Dehndeformationen, die durch den E-Modul in Längsrichtung der Proben
bestimmt sind, treten auch Scherdeformationen in der Biegeebene auf, die insbesondere durch
die Materialeigenschaften in Dickenrichtung der Probe (Ez und Gxz) kontrolliert werden. Ihre
Variation (Abb. 3.10) offenbart einen beträchtlichen Einfluß der Scherdeformationen auf G
besonders für kurze Rißlängen. Er ist nahezu unabhängig von der aktuellen Rißöffnung δ / a .
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
0 5 10 15 20 25 30Rißöffnung δδδδ [mm]
P
A Klotz
[N/mm2]
G c = konst = 2 kJ/m2
E x = 10 GPa; H= 5 mm
E x = 50 GPa; H= 5 mm
E x = 90 GPa; H= 5 mm
E x =100 GPa; H= 2,3 mm
a= 30 mm
a= 70 mm
64
Abb. 3.10 Einfluß der Materialeigen-schaften in Dickenrichtung auf Energiefreisetzungsrate G(a). Bezug ist eine Probe mit folgenden Eigenschaften: E GPax = 50
E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, .
3.2 ’Mixed-Mode’-Beanspruchung
Ein weiteres wichtiges Anliegen der FE-Modellierung bestand in der Abschätzung der infolge
der unsymmetrischen Geomtrie der CDCB-Probe auftretenden Mode-II-Anteile. welche die
Interpretation der ermittelten Energiefreisetzungsrate als Mode-I-Wert der Delaminations-
zähigkeit GIc beeinträchtigen.
Für jede der untersuchten Parametervarianten wurden über den gesamten Rißlängen- und
Deformationsbereich die Spannungsintensitätsfaktoren KI und KII entsprechend der in
Kap. 2.4.2.2. dargestellten Methode ermittelt. Auf Grund der großen Datenmengen wurde die
Extrapolation der Werte aus den FE-Ergebnissen für die Rißspitzenfelder automatisch durch
Makros durchgeführt. Die Grenzen für die Auswahl der zur Extrapolation herangezogenen
Knoten wurden einheitlich festgelegt, auf eine Optimierung für jede einzelne Extrapolation
wurde verzichtet. Zunächst soll nur entschieden werden, ob wesentliche Anteile an Mode-II-
Belastung überhaupt auftreten. Grundlage dafür bildet das Verhältnis der
Spannungsintensitätsfaktoren K KII I/ . Dieses erwies sich für alle Proben als weitgehend
unabhängig von der aktuellen Rißlänge a und Deformation δ . Auch zwischen linearer und
nichtlinearer Analyse gab es keine nennenswerten Unterschiede. In Tabelle 3.1 sind daher nur
die erhaltenen Maximalwerte des Verhältnisses für verschiedene Proben aufgeführt.
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
1,2
1,3
0 10 20 30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]
Gvariiert
GBezug
Ex = 50 GPa
Gxz = 5 GPa; Ez = 10 GPa, δ/a = 0,5Gxz = 5 GPa; Ez = 10 GPa, δ/a = 0,05Gxz = 1,25 GPa; Ez = 5 GPa, δ/a = 0,05Gxz = 1,25 GPa; Ez = 5 GPa, δ/a = 0,5
65
Tabelle 3.1
Materialeigenschaften Geometrische Eigenschaften KII/KI GII/GI
E GPax = 50 ;
G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5
h h mm1 2 2 5= = , ;
h mmkl = 9
6,0% 0,11%
E GPax =100 ;
G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5
h h mm1 2 2 5= = , ;
h mmkl = 9
6,3% 0,09%
E GPax =10 ;
G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5
h h mm1 2 2 5= = , ;
h mmkl = 9
4,3% 0,13%
E GPax = 50 ;
G GPaxz = 5 ; E GPaz =10
h h mm1 2 2 5= = , ;
h mmkl = 9
5,3% 0,13%
E GPax = 50 ;
G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5
h h mm1 2 2 5= = , ;
h mmkl = 20
8,1% 0,21%
E GPax = 50 ;
G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5
h mm1 3= ; h mm2 2= ;
h mmkl = 9
-44,4% 6,12%
Für sämtliche Parameterkombinationen von Probekörpern mit Rißausbreitung in der
Mittelebene ( h h1 2= ) ergab sich ein gegenüber Mode I praktisch vernachlässigbarer Mode-II-
Anteil der Spannungsintensitätsfaktoren von unter 10%.
Für die Probe, bei welcher die Rißausbreitung um 0,5 mm zur Probenmittelebene versetzt
angenommen wurde, lieferte das FE-Modell jedoch einen sehr starken Mode-II-Anteil von 44%
bezogen auf K I . Da es bei der praktischen Probengestaltung sehr schwierig ist, den Anfangsriß
genau in der Mittelebene zu plazieren und während der Ausbreitung auch dort zu halten, muß
von einer ausgeprägten ‘Mixed-Mode’-Belastung bei der Durchführung der CDCB-Tests
ausgegangen werden. Die Intensität des Mode-II-Anteils wird fast ausschließlich durch die
Abweichung des Risses von der Mittelebene bestimmt. Problematisch ist dessen
Empfindlichkeit gegenüber bereits geringen Verlagerungen der Rißebene. Die ‘Mixed-Mode’-
Situation wird sich daher von Probe zu Probe stark unterscheiden und kann sich auch während
der Durchführung eines Tests mit der Rißausbreitung ändern. Die Angabe eines einheitlichen
Wertes für einen Versuch ist dadurch kaum möglich.
Das analytische Modell nach WILLIAMS [97] (siehe Kap. 2.44) ist nicht geeignet, die
Abhängigkeit des Mode-II-Anteils von der Lage der Rißebene zu beschreiben. Es ergeben sich
für außermittige Rißausbreitung ( )ς = −h h H1 2 / nur sehr geringe Änderungen von
[ ]( )G GII I/ ς (Gl 2.46). Zur Abschätzung des Verhältnisses für eine konkrete Probe muß daher
die FE-Analyse bemüht werden.
66
Es kann davon ausgegangen werden, daß der Effekt nicht nur auf die CDCB-Konfiguration
beschränkt ist, sondern auch z.B. beim DCB-Test ein unsymmetrisches Rißwachstum das
Auftreten von signifikanten ‘Mixed-Mode’-Belastungen verursacht.
3.3 Gültigkeit analytischer und empirischer Modelle
Die Nutzung des Finite-Elemente-Modells zur Auswertung der experimentellen Ergebnisse von
einzelnen CDCB-Tests ist prinzipiell möglich, jedoch unter praktischen Gesichtspunkten sehr
aufwendig. Dafür sind analytische oder empirische Modelle im allgemeinen effektiver einsetz-
bar. Wegen den in ihnen enthaltenen Vereinfachungen oder Hypothesen liefern sie jedoch mehr
oder weniger stark fehlerbelastete Ergebnisse. Für jedes dieser Verfahren gibt es bestimmte
Grenzen in der Probengeometrie, den Materialeigenschaften und der Belastung, außerhalb derer
die Abweichungen von der Realität nicht mehr tolerierbar sind. Diese Grenzen für die einzelnen
Modelle zu bestimmen, eventuelle Korrekturmöglichkeiten zu entwickeln und das einer
konkreten Situation am besten angepaßte Modell zu ermitteln, wird als eine der wesentlichen
Aufgaben der FE-Modellierung angesehen.
Abb. 3.11 Vergleich der Energiefrei-setzungsrate nach der Methode von WILLIAMS mit den Ergebnissen der linearen FE-Analyse für verschieden steife CDCB-Proben ( R mm= 52 5, ).
Das einfachste analytische Modell für die Bestimmung der Energiefreisetzungsrate der CDCB-
Probe kann aus der Methode nach WILLIAMS [97] abgeleitet werden (Gl. 2.45). Seine
Umsetzung in dieser Arbeit basiert auf einer linearen Analyse der Deformation. Daher wird es
zunächst auch nur mit den Ergebnissen der linearen FE-Analyse verglichen (Abb. 3.11). Der
Vergleich offenbart, daß die WILLIAMS-Näherung nur eine sehr grobe Schätzung der
Energiefreisetzungsrate liefert. Insbesondere für kurze Rißlängen und steife Proben ist bereits
die Abweichung zum linearen Modell kaum akzeptabel. Auf eine Wiedergabe des Vergleichs
mit dem nichtlinearen Modell wurde wegen des sich dann noch verstärkenden Fehlers
0,70
0,75
0,80
0,85
0,90
0,95
1,00
1,05
30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]
GWILLIAMS
Gln, FEM
Ex = 50 GPa
Ex = 10 GPa
Ex = 100 GPa
Gxz = 2,5 GPa
H = 5 mm
67
verzichtet. Auch für die Abschätzung des Mode-II-Anteils der Belastung kann das WILLIAMS-
Modell bestenfalls eine qualitative Antwort geben (siehe Kapitel 3.2).
Eine Alternative bietet das in Kapitel 2.43 vorgestellte Stabmodell der CDCB-Probe. Es ist
jedoch Beschränkungen in zweierlei Hinsicht unterworfen:
a) Die mathematischen Ausdrücke zu seiner Formulierung sind sehr umfangreich. Das
nichtlineare Ergebnis ist für eine praktische Auswertung kaum zu handhaben.
b) Der Einfluß von Scherdeformation kann wegen der zugrundegelegten, einfachen
Balkentheorie nicht berücksichtigt werden.
Ein Vergleich der Deformationen mit dem linearen FE-Modell erbrachte für kurze Rißlängen
und stark anisotrope Proben große Abweichungen bis zu 30%. Diese sind ein Resultat der
vernachlässigten Scherdeformationen: für schersteife Materialeigenschaften ( G Exz x≈ ) ergab
sich eine gute Übereinstimmung auch für kurze Rißlängen.
Eine Berechnung der Energiefreisetzungsrate allein über das lineare Deformationsmodell
( )δ P a, aus der Lastkraft P und der momentanen Rißlänge a entsprechend Gl. 2.3:
( ) ( )G P a
P
B
P a
aP const
,,
= ⋅=
2
∂δ
∂
läßt wegen dieser Unzulänglichkeiten von vornherein nur eine geringe Genauigkeit erwarten.
Allerdings steht die Information über die erfolgte Deformation ( )δ P a, bereits aus dem
Experiment zur Verfügung. In der linearen Definition von G entsprechend Gl. 2.5:
GP
B C
dC
da= ⋅
δ2
1
können für ( )P a und ( )δ a die tatsächlich gemessenen (nichtlinearen) Werte verwendet werden.
Benutzt man das Ergebnis des linearen Deformationsmodells nur für die Abhängigkeit der
Nachgiebigkeit ( )C a (bzw. ( )C a' ) von der Rißlänge, so entspricht dies einer halbempirischen
Bestimmung der Energiefreisetzungsrate. Wird als Deformationsmodell für die Nachgiebigkeit
( )C a z.B. das lineare FE-Modell verwendet, P und δ jedoch aus den Ergebnissen der
nichtlinearen FE-Modellierung (als „Ersatz-Realität“) entnommen, so liefert das
halbempirische Verfahren (Abb. 3.12) für stark nichtlineare Deformation deutlich genauere
Ergebnisse als das reine, linear elastische Deformationsmodell (Abb. 3.5). Da das Ergebnis des
Deformationsmodells für die Nachgiebigkeit ( )C a im Quotienten von Gl. 2.5 in Zähler und
Nenner in gleichem Maße eingeht, hebt sich ein Teil des Fehlers auf. Eine halbempirische
Ergebnisauswertung vermag Unzulänglichkeiten des Deformationsmodells durch verstärkte
Nutzung experimenteller Information teilweise zu beheben.
68
Abb. 3.12 Vergleich des halbem-pirischen Verfahrens zur Bestimmung von G aus den Ergebnissen der linearen Analyse
G lin FEMhalbempirisch
, mit den
Resultaten der nicht-linearen FE-Analyse G nl FEM, .
( E GPax = 50 ;
E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, ;
H mm= 5 )
Die Anwendung des halbempirischen Verfahrens auf das lineare Stabmodell entsprechend
Kap. 2.4.3 der CDCB-Probe ist in Abb. 3.13 dargestellt. Zwar ergeben sich damit im Bereich
kurzer Rißlängen infolge der Scherdeformationen stark abweichende Werte für die Energie-
freisetzungsrate gegenüber den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung. Beginnend im
Bereich mittlerer Rißlängen a mm≥ 45 bleibt der Fehler jedoch unterhalb 15%, auch für starke
Deformationen. Diese Unsicherheit ist angesichts der übrigen experimentellen Störfaktoren
(ungleichmäßige Rißausbreitung, Faserbrücken) für den CDCB-Test noch akzeptabel.
Abb. 3.13 Vergleich der Ergebnisse für G des halbempirischen, analytischen Stabmodells
(G lin analytischhalbempirisch
, ) mit den
Resultaten der nicht-linearen FE-Analyse G nl FEM, .
( E GPax = 50 ;
E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, ;
H mm= 5 )
Bei Vorliegen stabiler Rißausbreitung, d.h. stetiger Meßkurven ( )( )P aδ , ist auch die Änderung
der Compliance mit der Rißlänge dC da/ aus den experimentellen Ergebnissen über
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25
0,30
0,35
0,40
0,45
0,50
30 40 50 60 70
0,98-1,00
0,96-0,98
0,94-0,96
0,92-0,94
0,90-0,92
0,88-0,90
0,86-0,88
Rißlänge a [mm]
Normierte
Rißöffnung
δδδδ/a
G lin,FEM
G nl,FEM
halbempirisch
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25
0,30
0,35
0,40
0,45
0,50
30 40 50 60 70
1,30-1,35
1,25-1,30
1,20-1,25
1,15-1,20
1,10-1,15
1,05-1,10
1,00-1,05
Rißlänge a [mm]
Normierte
Rißöffnung
δδδδ/a
G lin,analytisch
G nl,FEM
halbempirisch
69
( ) ( ) ( )C a a P a= δ / direkt zu ermitteln. Mit Kenntnis dieses Zusammenhangs aus dem
Experiment ist überhaupt kein Deformationsmodell zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate
entsprechend Gl. 2.5 mehr notwendig. Zur Durchführung der Ableitung kann die experimentell
ermittelte Abhängigkeit ( )C a durch eine Approximationsfunktion angenähert werden. Diese
Vorgehensweise ermöglicht eine rein empirische Bestimmung der Energiefreisetzungsrate.
Die Definition der Energiefreisetzungsrate gemäß Gl. 2.5 ist nur für lineare bzw. kleine
Deformation gültig. Im Falle der CDCB-Probe werden jedoch in der Praxis starke Biegungen
beobachtet, die eine Anwendung von Gl. 2.23 zur Berechnung von G erfordern. Wegen der
darin durchzuführenden Integration reicht die Kenntnis der experimentellen Versagenskurve
( )( )P aδ der Rißausbreitung zur Berechnung von G allein nicht aus. Wird die lineare Definition
Gl. 2.5 dennoch verwendet, so ist bei stark nichtlinearem Deformationsverhalten die
Zuverlässigkeit der damit ermittelten Werte der Energiefreisetzungsrate ungewiß.
In Abb. 3.14 ist die experimentelle Situation an Hand der Ergebnisse der nichtlinearen FE-
Modellierung nachgestellt. Unter Annahme einer konstanten kritischen Energiefreisetzungsrate
G kJ mc = 2 2/ wurde der Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang für die stabile Rißausbreitung
als Äquivalent des experimentellen Ergebnisses berechnet und daraus die Abhängigkeit der
Compliance ( )( ) ( ) ( )C a a a P a, /δ δ= von der Rißlänge ermittelt. Der erhaltene Zusammenhang
ist monoton fallend und kann durch eine potentielle Abhängigkeit approximiert werden:
( )C a c al ckl= ⋅ −
1
2
2 (3.1).
Dieser Zusammenhang entspricht dem häufig verwendeten Ansatz nach BERRY [91] und
wurde auch schon zur Analyse von CDCB-Tests eingesetzt [20].
Abb. 3.14 Änderung der Compliance
( )C a mit der Rißlänge,
die bei stabiler Rißausbreitung mit Gc = konstant aus den
Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung (Punkte) folgt. Die Linien demonstrieren die Güte der Anpassung der Approximationsfunktion nach BERRY.
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]
C(a)
Ex = 50 GPa
Gc= 1 kJ/m2
Ex = 50 GPa
Gc= 20 kJ/m2
Ex = 10 GPa
Gc= 10 kJ/m2
Approximationsfunktion
C(a)=c1*(a-lkl/2)c2
[mm/N]
70
Das Ergebnis der Anwendung der rein empirischen Methode (Gl. 2.5) ist in Abb. 3.15 für
verschieden steife Systeme und unterschiedliche kritische Energiefreisetzungsraten Gc
demonstriert. Die Darstellung erfolgt normiert auf den vorgegeben Wert für Gc und ist damit
direkt ein Maß für die Abweichung der empirischen Methode. Diese reproduziert den
Vorgabewert Gc über den gesamten Rißlängenbereich und auch für starke Deformation (große
Gc) mit einer Genauigkeit besser als 5-10%.
Abb. 3.15 Vergleich der mit der empirischen Methode (BERRY-Ansatzfunktion) aus dem nichtlinearen FE-Modell (Abb. 3.14) ermittelten Energiefrei-setzungsrate (GBERRY ) mit
dem Vorgabewert Gc .
Das rein empirische Verfahren liefert also trotz seiner linearen Basis die Werte der Energie-
freisetzungsrate auch bei stark nichtlinearer Deformation mit einer sehr guten Genauigkeit. Es
erscheint zur experimentellen Auswertung am besten geeignet. Allerdings ist es an eine stabile
Ausbreitung des Delaminationsrisses gebunden.
Bei instabiler Rißausbreitung oder ‘Slip-Stick’-Verhalten ist die Verwendung eines Defor-
mationsmodells für die Ableitung ( )C a' der Nachgiebigkeit unumgänglich. In diesem Fall kann
das oben dargestellte halbempirische Stabmodell der CDCB-Probe eingesetzt werden.
3.4. Konsequenzen für Gestaltung der CDCB-Prüfkörper
Bei der Herstellung der Probekörper zum CDCB-Test muß eine gewisse Dimensionierung
erfolgen, um sicherzustellen, daß Rißausbreitung überhaupt stattfindet und eine ausreichende
Genauigkeit der Auswerteverfahren gewährleistet ist.
In Abhängigkeit von der Materialsteifigkeit sind zur Initiierung und Ausbreitung des
Delaminationsrisses bei kurzen Rißlängen hohe Lasten in die Probe einzubringen. Die
Klebeverbindung zwischen Klötzchen und Probe kann jedoch nur eine endliche Spannung von
P A N mmKlotz/ , , /≤ −0 3 0 5 2 vermitteln. Diese Grenze wird auch bei mäßig steifen Materialien
für kurze Rißlängen rasch überschritten, was zum Abriß der Klötzchen führt. Für ein Material
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]
GBERRY
Gc
Vorgabewert
(GBERRY=Gc)
Parameter des n.l. FE-Modells:
Ex = 50 GPa; Gc = 1 kJ/m2
Ex = 50 GPa; Gc = 20 kJ/m2
Ex = 10 GPa; Gc = 10 kJ/m2
71
mit bestimmtem Längsmodul Ex läßt sich dem in zwei Richtungen entgegenwirken: durch
Verringerung der Probendicke H und durch Wahl einer genügend großen Anfangsrißlänge a0
(Länge der Rißfolie).
Die Biegesteifigkeit läßt sich (als Erfahrung aus dem analytischen Stabmodell) in erster
Näherung mit dem Parameter Fn (Gl. 2.37) beschreiben. Dessen Gestalt:
( )
FE B H
Rnx=⋅ ⋅
⋅
/ 2
12
3
2
erlaubt es, die Steifigkeit von unterschiedlichen Proben mit verschiedenen Parametern Ex , B, H
und R auf einen einheitlichen Wert zu normieren, der zusammen mit der normierten Rißlänge
a R/ das Deformationsverhalten der Proben vergleichbar macht: Proben mit gleichen
normierten Parametern Fn und a R/ werden sich in erster Näherung gleich deformieren. Der
Einfluß der Scherdeformationen ist in Fn nicht berücksichtigt.
0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347
142
236
331
425
0,90-1,00
0,80-0,90
0,70-0,80
0,60-0,70
0,50-0,60
0,40-0,50
0,30-0,40
0,20-0,30
0,10-0,20
Normierte Rißlänge a/R
Normierte
Proben-
steifigkeit
Fn [N]
E x = 90 GPa
E x = 30 GPa
E x = 50 GPa
E x = 70 GPa
E x = 10 GPa
H= 5 mm,R=52,5 mm,
B=10 mm
a = 30 mma = 40 mm
a = 50 mma = 60 mm
a = 70 mm
P
A Klotz
[N/mm2]
für
G c = 2 kJ/m2
Abb. 3.16 Belastung P AKlotz/ der Klebeflächen der Klötzchen, die zum Erreichen einer
kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist, in
Abhängigkeit von Steifigkeit und Rißlänge der Proben. ( E GPaz = 5 ;
G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ; B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )
In Abb. 3.16 ist die zur Rißausbreitung erforderliche Belastung der Klebeflächen bei Vorgabe
einer kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ in Abhängigkeit von Materialsteifigkeit
Fn und normierter Rißlänge a R/ dargestellt. Die Rechnungen wurden an Proben mit einer
Dicke H mm= 5 , Breite B mm= 10 , Klebefläche A mmKlotz ≈ 200 2 und einem mittleren
Krümmungsradius R mm= 52 5, durchgeführt. Die dieser Geometrie entsprechenden
unnormierten Werte für E-Modul Ex und Rißlänge a sind zusammen mit den normierten Daten
72
an den Achsen aufgetragen. Die Umrechnung auf andere Probendicken oder Krümmungsradien
kann über Gl. 2.37 erfolgen. Der gewählte Wert für Gc entspricht einem mittleren Wert der
Debondingzähigkeit langfaserverstärkter Kunststoffmaterialien.
0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347
142
236
331
425
0,35-0,40
0,30-0,35
0,25-0,30
0,20-0,25
0,15-0,20
0,10-0,15
0,05-0,10
Normierte Rißlänge a/R
Normierte
Proben-
steifigkeit
Fn [N]
E x = 90 GPa
E x = 30 GPa
E x = 50 GPa
E x = 70 GPa
E x = 10 GPa
H= 5 mm,R=52,5 mm,
B=10 mm
a = 30 mma = 40 mm
a = 50 mma = 60 mm
a = 70 mm
δδδδ
a
für
G c = 2 kJ/m2
Abb. 3.17 Relative Lastverschiebung δ / a , die zum Erreichen einer kritischen Energie-
freisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist, in Abhängigkeit von Steifigkeit
und Rißlänge der Proben. ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;
B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )
Die Darstellung kann als Diagramm zur Probendimensionierung verwendet werden, indem man
für ein vorhandendes Material mit einer bestimmten Biegesteifigkeit Fn diejenige Anfangs-
rißlänge aussucht, bei der ein maximaler Vorgabewert für die Spannung in der Klebefläche
nicht überschritten wird.
Aus dem Diagramm wird ersichtlich, daß es schon bei einem wenig steifen Material mit
E GPax = 40 und einer relativ großen Anfangsrißlänge a mm0 40= schwierig ist, bei einer
Probendicke von H mm= 5 eine kritische Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ überhaupt zu
erreichen. Mit einer Flächenlast P AKlotz/ von mehr als 0 5 2, /N mm , die sich aus dem
Diagramm ergibt ( F Nn = 189 ), dürfte die Grenze der Belastbarkeit der Klebeverbindung
bereits überschritten sein. Abhilfe schafft hier die Verringerung der Probendicke auf z.B.
H mm= 4 . Aus Gl. 2.37 folgt bei gleichen übrigen Parametern dafür ein Wert für die
normierte Probensteifigkeit von F Nn = 97 , die entsprechende Flächenbelastung würde sich
nach Abb. 3.16 auf etwa P A N mmKlotz/ , /≈ 0 4 2 verringern.
Aus Abb. 3.17 kann die normierte Rißöffnung δ / a entnommen werden, die zum Erreichen
einer kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist. Nur für sehr steife
Proben und kurze Rißlängen bleibt sie im Bereich kleiner Deformation δ / ,a ≤ 0 15, in welchem
73
die lineare Betrachtungsweise gerechtfertigt ist. Für sehr nachgiebige Proben sind die Aus-
wirkungen des nichtlinearen Verhaltens auf die Energiefreisetzungsrate spürbar (Abb. 3.18).
0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347
142
236
331
425
0,95-0,96
0,94-0,95
0,93-0,94
0,92-0,93
0,91-0,92
0,90-0,91
0,89-0,90
0,88-0,89
0,87-0,88
0,86-0,87
Normierte Rißlänge a/R
Normierte
Proben-
steifigkeit
Fn [N]
E x = 90 GPa
E x = 30 GPa
E x = 50 GPa
E x = 70 GPa
E x = 10 GPa
H= 5 mm,
R=52,5 mm,
B=10 mm
a = 30 mma = 40 mm
a = 50 mma = 60 mm
a = 70 mm
G lin, FEM
Gnl, FEM
für
G c = 2 kJ/m2
Abb. 3.18 Unterschied zwischen Vorhersagen der linearen und nichtlinearen Analyse für G
beim Wert G kJ mc = 2 2/ in Abhängigkeit von Steifigkeit und Rißlänge der
Proben ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ; B mm= 10 ; h mmkl = 9 ;
l mmkl = 20 )
0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347
142
236
331
425
1,35-1,40
1,30-1,35
1,25-1,30
1,20-1,25
1,15-1,20
1,10-1,15
1,05-1,10
1,00-1,05
0,95-1,00
0,90-0,95
Normierte Rißlänge a/R
Normierte
Proben-
steifigkeit
Fn [N]E x = 90 GPa
E x = 30 GPa
E x = 50 GPa
E x = 70 GPa
E x = 10 GPa
H= 5 mm,
R=52,5 mm,
B=10 mm
a = 30 mma = 40 mm
a = 50 mma = 60 mm
a = 70 mm
G lin, anal
G nl, FEM
halbempirisch
für
G c = 2 kJ/m2
Abb. 3.19 Abweichung der Ergebnisse des halbempirischen, analytischen Stabmodells für
G zur nichtlinearen FE-Analyse beim Wert G kJ mc = 2 2/ in Abhängigkeit von
Steifigkeit und Rißlänge der Proben ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;
B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )
74
Der zu erwartende Fehler bei einer Nutzung des halbempirischen analytischen Stabmodells zur
Ermittlung der Energiefreisetzungsrate ist in Abb. 3.19 dargestellt. Er ist für kurze Rißlängen
und steife Proben relativ hoch.
Weitere Schlußfolgerungen, die sich für die Gestaltung der CDCB-Proben aus dieser Analyse
ergeben, betreffen die Geometrie der Proben und wurden bereits weiter oben gezogen. Sie seien
an dieser Stelle daher nur rekapituliert.
Die Höhe der Klötzchen hkl sollte so niedrig wie möglich gehalten werden, da sie die
Nichtlinearität der Deformation wesentlich bestimmt. Für hohe Klötzchen wird die Genauigkeit
der analytischen Deformationsmodelle noch weiter verringert.
Schon geringe Abweichungen der Lage der Rißebene von der Probenmittelebene führen zu
starken Mode-II-Anteilen in der Belastung der Rißspitze. Das Einbringen der Folie für den
Anfangsriß in die Mittelebene der Probe hat daher besonders sorgfältig zu erfolgen. Proben mit
stark außerhalb der Mittelebene liegender Rißfläche sollten ausgesondert werden.
75
4. CDCB-Experimente
4.1 Versuchsdurchführung und Materialien
Die für die experimentellen CDCB-Tests benutzte Probengeometrie entspricht in ihren
Abmessungen der modellierten Konfiguration (siehe Kap. 2.4.1). Lediglich die Probendicke H
und -breite B wurden variiert. Zur Aufbringung und Messung der Last wurde eine INSTRON-
Prüfmaschine bei einer Belastungsgeschwindigkeit von 2 mm / min eingesetzt.
Die Herstellung der Prüfkörper erfolgte in einem Thermoplastwickelverfahren im Institut für
Polymerforschung Dresden e.V. [75]. Als Ausgangsmaterial wurde ein ebenfalls dort
entwickeltes und hergestelltes, kontinuierliches Hybridgarn (‘commingled yarn’) aus E-Glas-
fasern und Polyamid-6-Fasern verwendet. Das Granulat zum Spinnen der Polyamidfasern
wurde von der Firma Thüringische Faser-AG Schwarza bezogen. Das Verhältnis der
Masseanteile von Glas zu Polyamid im fertigen Material beträgt 13:5, was einem Glasfaser-
Volumenanteil von 54% entspricht.
Das Wickeln der Ringe erfolgte mit einer Wickelgeschwindigkeit von 5 cm s/ und bei einer
Verarbeitungstemperatur von 240 °C am Einlaufpunkt sowie einer Temperatur der
Vorwärmkammer von 270 °C . Die Heizung wurde über ein Heißluftgebläse realisiert.
Zur Einbringung des Anfangsrisses wurde in der Hälfte des Wickelprozesses eine Polyimid-
Folie eingelegt. Dies erwies sich als eine kritische Stelle des Herstellungsprozesses der CDCB-
Probekörper, da die ebene und mittige Lage der Rißebene dadurch bestimmt wird. Während des
Aufbringens der nachfolgenden Schichten kam es häufig zu einer Wellung der Folie auf der
Schmelze und - dadurch bedingt - zu ungleichmäßigen Dicken der gebogenen Probehälften.
Dies beeinflußt sowohl die Deformation als auch die Rißfläche und erschwert die Interpretation
der Versuchsergebnisse wesentlich. Bei den hier untersuchten Proben konnte das Problem nicht
optimal gelöst werden, was in einer starken Streuung der erhaltenen Ergebnisse für die
kritische Energiefreisetzungsrate resultiert. Für die zukünftigen experimentellen Unter-
suchungen sind an dieser Stelle Verbesserungen dringend notwendig.
4.2 Ergebnisse
Es wurden 3 verschiedene Versuchsreihen untersucht, die unter gleichen technologischen
Bedingungen hergestellt wurden, sich jedoch in der Dicke der gewickelten Probenringe
unterscheiden: „WB a-d“ mit H mm= −3 6 3 8, , ; „WB4 a-d“ mit H mm= −4,7 4,9 und
„WB5 a-d“ mit H mm= −7,9 8,0 . Die aufgenommenen Kraft-Verschiebungskurven ( )P δ der
stabilen Rißausbreitung sind in den Abb. 4.1a bis 4.1c wiedergegeben.
76
0
20
40
60
80
100
120
0 10 20 30 40
WB a
WB b
WB c
WB d
Lastverschiebung δδδδ [mm]
P
[N]
H = 3,7 mm
B = 6,7 mm
Abb. 4.1a
0
20
40
60
80
100
120
140
0 5 10 15 20 25
WB 4a
WB 4b
WB 4c
WB 4d
P
[N]
Lastverschiebung δδδδ [mm]
H = 4,8 mm
B = 7,3 mm
Abb. 4.1b
0
20
40
60
80
100
120
140
0 5 10 15 20 25 30
WB 5a
WB 5b
P
[N]
Lastverschiebung δδδδ [mm]
H = 8,0 mm
B = 7,5 mm
Abb. 4.1c
Abb. 4.1a-c Last-Verschiebungs-Kurven ( )P δ der CDCB-Tests an den Probenreihen a) WB,
b) WB4 und c) WB5.
77
Innerhalb jeder Probengruppe ergaben sich beträchtliche Streuungen und die Rißausbreitung
vollzog sich relativ ungleichmäßig und teilweise sprunghaft. Die Ursache dafür ist in einer
heterogenen Ausbildung einzelner Bündel von Faserbrücken und von Parallelrissen in
Nachbarlagen zu sehen, deren Initiierung und Versagen sich als Einzelereignisse in den
Belastungskurven widerspiegeln. Besonders ausgeprägt waren die Auswirkungen für die Serie
der dünnen Proben („WB x“), bei denen diese Vorgänge zwar auch nicht häufiger auftraten,
aber relativ eine viel stärkere Wirkung auf die Gesamtdeformation der Probe besitzen.
Außerdem war bei diesen Proben die Lage des Anfangsrisses schon aus dem
Herstellungsprozeß besonders ungleichmäßig, so daß sie trotz gleicher Dicke eine breite
Streuung in den Werten der Nachgiebigkeit ( )C a aufwiesen. Dies wird im Vergleich zu den
anderen Testreihen aus den Abb. 4.2a-4.2c deutlich. Für die Bestimmung der kritischen
Energiefreisetzungsrate der Delamination ( )G ac wurde das empirische Verfahren (Gl. 2.5) mit
der Ansatzfunktion Gl. 3.1 nach BERRY (siehe Kap. 3.3) gewählt. Die Gültigkeit dieser
Näherung für die experimentell ermittelte Abhängigkeit der Compliance ( )C a kann für alle
Proben aus den Abb. 4.2 beurteilt werden. Aufgrund der großen individuellen Streuungen ist
eine Einschätzung schwierig, aber zur Wiedergabe der generellen Abhängigkeit der
Nachgiebigkeit scheint Gl. 3.1 gut geeignet. Ihre rigide Form, die nur einen monotonen Anstieg
zuläßt und lokalen Sprüngen in ( )C a nicht folgt, wirkt glättend auf die Ergebnisse und
entspricht im Mittel dem realen Verlauf für eine ideale Probe sicher gut. Die Verwendung von
Ansatzfunktionen mit mehr Freiheitsgraden, die auch versucht wurde, erbrachte noch
ungleichmäßigere Ergebnisse für die Energiefreisetzungsrate. Einzelne Ausreißer heben sich in
einer vergleichenden Darstellung der Compliance für die jeweilige Versuchsserie besonders
deutlich hervor.
Die experimentell erhaltenene Abhängigkeit der Nachgiebigkeit von der Rißlänge entspricht
den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung für einen Längsmodul in Faserrichtung von
E GPax ≈ 40 . Da bisher noch keine Charakterisierung der Steifigkeit der hergestellten Proben
über ein unabhängiges Verfahren vorgenommen wurde, kann eine vergleichende Beurteilung
dieses Wertes nicht erfolgen. Seine Größe erscheint jedoch vernünftig.
In den Abb. 4.3a-4.3c sind für die einzelnen Probenserien die Ergebnisse für den ermittelten
Verlauf der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G ac über der Rißlänge dargestellt. Die
Streuung ist generell sehr hoch und äußert sich einmal in starken Schwankungen innerhalb
einer Probe und andererseits in unterschiedlichen Plateauwerten zwischen den Proben.
78
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
20 30 40 50 60 70
WB a; exp.
WB a; Fit
WB b; exp.
WB b; Fit
WB c; exp.
WB c; Fit
WB d; exp.
WB d; Fit
Rißlänge a [mm]
C(a)
[mm/N]
H = 3,7 mm
B = 6,7 mm
Abb. 4.2a
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
20 30 40 50 60 70
WB 4a; exp.
WB 4a; Fit
WB 4b; exp.
WB 4b; Fit
WB 4c; exp.
WB 4c; Fit
WB 4d; exp.
WB 4d; Fit
Rißlänge a [mm]
C(a)
[mm/N]
H = 4,8 mm
B = 7,3 mm
Abb. 4.2b
0
0,1
0,2
0,3
40 60 80 100 120
WB 5a; exp.
WB 5a; Fit
WB 5b; exp.
WB 5b; Fit
Rißlänge a [mm]
C(a)
[mm/N]
H = 8,0 mm
B = 7,5 mm
Abb. 4.2c
Abb. 4.2a-c Experimentelle Ergebnisse („exp.“) und Güte der Anpassung entsprechend Gl. 3.1 („Fit“) für Abhängigkeit der Nachgiebigkeit ( )C a von der Rißlänge für
die CDCB-Tests.
79
0
1
2
3
4
5
6
20 30 40 50 60 70
WB a
WB b
WB c
WB d
Rißlänge a [mm]
G c
[kJ/m 2]
H = 3,7 mm
B = 6,7 mm
Abb. 4.3a
0
1
2
3
4
5
6
20 30 40 50 60 70
WB 4a
WB 4b
WB 4c
WB 4d
Rißlänge a [mm]
G c
[kJ/m 2]
H = 4,8 mm
B = 7,3 mm
Abb. 4.3b
0
1
2
3
4
5
6
40 60 80 100 120
WB 5a
WB 5b
Rißlänge a [mm]
G c
[kJ/m 2]
H = 8,0 mm
B = 7,5 mm
Abb. 4.3c
Abb. 4.3a-c Experimentelle Resultate für die kritische Energiefreisetzungsrate ( )G ac für die
CDCB-Probenserien mit unterschiedlicher Dicke H.
80
Ursache für die Schwankungen ist die ungleichmäßige Ausbildung von einzeln auftretenden
Strängen von Faserbrücken, die auf eine heterogene Konsolidierung und einen noch nicht
optimalen Verbundbildungsprozeß hinweisen. Ein weiteres Indiz dafür liefert auch das optische
Erscheinungsbild der Probekörper, das eine starke farbliche Maserung aufweist und
unterschiedlich konsolidierte Faserstränge erkennen läßt. Darüber hinaus ändert sich die Lage
der Rißebene während der Probenausbreitung für einige Proben mehr oder weniger stark, was
großen Einfluß auf ihre Nachgiebigkeit hat. Dies wirkt sich bei der Bildung der Ableitung der
Compliance negativ auf die Genauigkeit der empirschen Betrachtung aus.
Zwischen den einzelnen Proben einer Serie unterscheidet sich die tatsächliche Rißfläche
infolge der in Kap. 4.1 beschriebenen Wellung der Rißebene, was zu scheinbaren
Unterschieden in den Werten der kritischen Energiefreisetzungsrate beiträgt. Schon eine gering
außermittige Lage der Rißebene führt entsprechend den Ergebnissen der FE-Modellierung zu
beträchtlichen Mode-II-Anteilen der Belastung an der Rißspitze. Für diese ist bei der
Delamination aus den Erfahrungen eine höhere kritische Energiefreisetzungsrate zu erwarten,
was die relativ hohen gemessenen Werte erklären könnte. Dies trifft insbesondere für die
dünnen Proben zu („WB x“), die sowohl absolut als auch relativ die größten Abweichungen
des Risses von der Mittelebene zeigten. Die Streuung und der Betrag der Werte für Gc war bei
dieser Probenreihe dementsprechend besonders hoch, was über einen starken Mode-II-Anteil
eine gewisse Interpretation finden würde. Bei den dickeren Proben war die mittige Lage der
Rißebene vergleichsweise besser realisiert und die Streuung zumindest im Bereich mittlerer
und langer Rißlängen geringer. Die für kurze Rißlängen auftretenden Differenzen lassen sich
durch die individuellen Unterschiede bei der Rißinitiierung am künstlich eingebrachten Anriß
erklären. Nach Ausbreitung über eine kurze Distanz ergeben sich zwischen den einzelnen
Proben einer Serie vergleichbare Verhältnisse und die Werte werden einheitlicher (Abb. 5.3b).
Für die dicken Proben konnte der in LAUKE [20] beschriebene Effekt beobachtet werden, daß
die kritische Energiefreisetzungsrate mit wachsender Rißlänge kontinuierlich ansteigt, was mit
der zunehmenden Ausbildung von Faserbrücken erklärt wird. Aufgrund der großen Steifigkeit
der Proben und der sich daraus ergebenden geringen Rißöffnung kommt es bei dicken Proben
kaum zum Reißen der Faserbrücken, so daß immer weitere Fasern in den Ablöseprozeß von
den Rißflächen einbezogen werden. Dadurch erhöht sich die Dissipation von Energie während
des Rißwachstums kontinuierlich. Dieser Prozeß ist für den realen Einsatzfall der Verbunde
jedoch nicht unbedingt typisch und charakterisiert die Qualität des Verbundes nicht
unmittelbar. Für vergleichende Untersuchungen sollte dieser Effekt durch ausreichend dünne
Proben vermieden werden. Eine Dicke von H mm≈ 5 erscheint nach den Ergebnissen dieser
Arbeit optimal, da noch dünnere Proben wegen ihrer großen Empfindlichkeit gegenüber der
Lage der Rißebene kaum noch reproduzierbare Ergebnisse liefern.
81
Basierend auf den vorgestellten experimentellen Ergebnissen kann im Vergleich mit Proben
aus anderen Materialsystemen oder aus unterschiedlichen technologischen Herstellungsregimen
die Aussagefähigkeit des CDCB-Versuchs zur Charakterisierung des Konsolidierungszustandes
beurteilt werden.
Als problematisch werden in dieser Hinsicht die beobachteten starken Streuungen angesehen,
die jedoch bereits an sich eine Information über die Güte und insbesondere Homogenität
untersuchter Materialien beinhalten. Hohe Werte der Delaminationszähigkeit in Kombination
mit geringer Streuung beim Versagen sollten den zu erreichenden Idealzustand für ein
Materialsystem und eine Technologie kennzeichnen.
4.3 Vergleich der Experimente mit FE-Rechnungen
Zum Abschluß der experimentellen Untersuchung soll die Frage geklärt werden, inwiefern die
FE-Modellierung für die tatsächlich auftretenden Deformationen der CDCB-Probe repräsen-
tativ ist. Dazu sind für die Probe WB 4a mit einer Dicke von H mm= 4 8, in Abb. 4.4 die
experimentellen Ergebnisse für den Zusammenhang zwischen Kraft und Rißlänge mit den
Vorhersagen des nichtlinearen FE-Modells verglichen. Die beste Übereinstimmung hat sich im
Vorfeld für eine Annahme von E GPax = 40 für den Modul in Faserlängsrichtung ergeben.
Dieser Wert entspricht auch der Abschätzung E V E GPax f Glas≈ ⋅ = 39,4 gemäß der
Mischungsregel aus dem Faservolumenanteil von Vf = 54 % und dem Modul der Glasfasern
E GPaGlas = 73 und wird durch Literaturwerte bestätigt [98]. Für die weiteren in der FE-
Modellierung benötigten Materialeigenschaften wurde folgende Wahl getroffen:
G GPaxz = 2 5, , E GPaz = 5 , νxz = 0 3, . Die Berechnung der in Abb. 4.4 dargestellten
Abhängigkeit ( )P δ erfolgte mit dem FE-Modell unter Verwendung dieser Annahmen aus den
im Experiment gemessenen Rißlängen a und Rißöffnungen δ .
Abb. 4.4 Vergleich zwischen Ergeb-nissen aus dem CDCB-Experi-ment und der nichtlinearen Mo-dellierung für die Abhängigkeit der Lastkraft P von der Rißöffnung δ am Beispiel der Probe WB 4a.
0
20
40
60
80
100
120
140
0 5 10 15 20
WB 4a: exp.
WB 4a: FEM
FEM-ParameterE x = 40 GPa
E z = 5 GPa
G xz = 2,5 GPa
Probe:
H = 4,8 mm
B = 7,3 mm
Rißöffnung δδδδ [mm]
P [N]
82
Das Modell beschreibt im Mittel das tatsächliche Deformationsverhalten der CDCB-Probe
richtig. Die auftretenden lokalen Abweichungen sind auf Unregelmäßigkeiten bei der
Rißausbreitung zurückzuführen. Diese wurden z.B. in Form von Faserbrückenbündeln oder
Verlagerungen der Rißebene bei den untersuchten Proben in relativ großem Ausmaß
beobachtet, lassen sich in dem idealisierten FE-Modell jedoch nicht berücksichtigen. Das
Deformationsverhalten reagiert gegenüber diesen Störungen sehr empfindlich, bereits kleine
Änderungen der Rißlage erhöhen die Nachgiebigkeit der Probe beträchtlich. Die
Zuverlässigkeit der mit Modellen erhaltenen Beschreibung der realen Deformation wird durch
diese Unwägbarkeiten beeinträchtigt, was als ein Argument für die Anwendung der
empirischen Methode zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate anzusehen ist. Der Vergleich
der aus dem FE-Modell und aus dem empirischen Verfahren berechneten kritischen
Energiefreisetzungsrate ist für die Probe WB 4a in Abb. 4.5 dargestellt. Die Übereinstimmung
ist auch hier im Mittel gut, jedoch zeigen aus oben genannten Gründen die aus der FE-
Modellierung erhaltenen Werte eine breitere Streuung.
Abb. 4.5 Vergleich zwischen Ergebnissen der empirischen Methode nach BERRY und der nichtlinearen Modellierung für die Bestimmung der kritischen Energiefrei-setzungsrate Gc
aus dem Experi-ment.
Insgesamt betrachtet, bestätigen die Experimente die Gültigkeit des vorgestellten FE-Modells
und der auf seiner Basis getroffenen Schlußfolgerungen. Die tatsächlich beobachtete
Deformation entspricht der Beschreibung der FE-Analyse und wird dementsprechend durch
Nichtlinearität und Materialanisotropie wesentlich beeinflußt. Sie kann daher nach den in
Kap. 3 gesammelten Erfahrungen mit einfachen analytischen Modellen nicht mit allgemein
befriedigender Genauigkeit wiedergegeben werden. Die Ermittlung der Steifigkeitsparameter
von Verbundwerkstoffen aus dem Experiment läßt sich durch die Verwendung der FE-Analyse
entscheidend verbessern.
0
1
2
3
4
5
30 40 50 60 70
WB 4a: exp.
WB 4a: FEM
FEM-Parameter
E x = 40 GPa
E z = 5 GPa
G xz = 2,5 GPa
Probe:
H = 4,8 mm
B = 7,3 mm
Rißlänge a [mm]
G c
[kJ/m 2 ]
83
Zur Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate der Delamination existiert mit der
empirischen Compliance-Methode und dem Ansatz nach BERRY jedoch ein einfaches und
hinreichend genaues Verfahren. Dessen Anwendung liefert praktisch dieselben Ergebnisse wie
die aufwendige Finite-Elemente-Modellierung, obwohl die Grundlagen seiner Gültigkeit
aufgrund der komplizierten Deformationen weit überschritten werden. Diese Erkenntnis folgt
allerdings erst aus dem Vergleich mit dem vollständigen Modell und dessen Bestätigung aus
den experimentellen Resultaten und wird als eine wesentliche Schlußfolgerung der
durchgeführten Analyse betrachtet.
84
5. Mikromechanische Modellierung des Grenzflächenversagens beim
Einzelfaser-Auszugstest
5.1 Mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung der Qualität von
Faser-Matrix-Grenzflächen
Zur experimentellen Charakterisierung der mechanischen Qualität der Faser-Matrix-Grenz-
fläche auf der mikroskopischen Strukturebene (siehe Kapitel 1.1) wurde eine ganze Reihe
mikromechanischer Verfahren entwickelt, die eine Beurteilung der Haftung für reale Größen-
verhältnisse der Fasern ermöglichen sollen. Ihr gemeinsames Prinzip besteht darin, eine
einzelne Faser in einem Modellverbund mit einer Matrix unter definierten Bedingungen bis
zum Versagen der Grenzfläche zu belasten. Infolge der experimentellen Schwierigkeiten bei
der Präparation und den Messungen im mikroskopischen Bereich, die sich nicht mit dem
Standard-Repertoire der makroskopischen Materialprüfung bewältigen lassen, existiert eine
Vielzahl von Varianten. Für das Einbringen der Belastung und die Durchführung der
Messungen wurden verschiedene Lösungen gefunden, deren wichtigste Vertreter sich in 3
Gruppen klassifizieren lassen.
Abb. 5.1a-c Häufig verwendete mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung von Faser-Matrix-Haftung: a) Fragmentierungsversuch; b) Matrixtropfen-Abscherversuch; c) Einzelfaser-Auszugstest.
Ein ausführlicher Überblick darüber wird z.B. bei MERETZ [58] gegeben, an dieser Stelle sei
nur kurz darauf eingegangen.
Beim Fragmentierungstest oder Einzelfaserverbundtest wird als Probekörper ein auf Zug
belasteter, durchsichtiger Prüfstab aus Matrixmaterial verwendet, in den eine einzelne Faser
eingebettet ist (Abb. 5.1a). Mit zunehmender Dehnung der Probe kommt es zu fortgesetzten
Brüchen der Faser bis sich eine Sättigungsverteilung der Faserfragmente einstellt. Der
Lastübertrag erfolgt über die Scherbelastung der Faser-Matrix-Grenzfläche. Da diese nur einer
endlichen Scherspannung widerstehen kann, ist eine Mindestlänge lC der Faser zum Aufbau
der für ihren Bruch notwendigen Spannung F erforderlich („kritische Länge“). Sie ist mit der
(c)
(a)
(b)
85
Haftfähigkeit des Faser-Matrix-Systems korreliert und ergibt sich im Experiment aus der
oberen Grenze der Längenverteilung der Faserbruchstücke im Sättigungszustand. Die
Interpretation des Tests wird dadurch erschwert, daß er über die Beobachtung des Faserbruchs
nur eine indirekte Beurteilung der Haftung erlaubt. Die Festigkeit der Fasern F ist selbst
einer relativ breiten, statistischen Verteilung unterworfen [106].
Auf Grund der eher makroskopischen Proben ist die Präparation und Durchführung des
Versuchs vergleichsweise einfach. Daher ist er die am häufigsten verwendete mikrome-
chanische Versuchsanordnung (eingeführt von KELLY [107], Experimente: [108]-[113];
Modelle: [106], [114]-[118]).
Die Testkonfiguration des Matrixabstreif-Tests oder Pull-Off-Tests gibt es in zahlreichen
Varianten, von denen hier nur der Tropfenabscherversuch beschrieben sei ([34], [35], [119]-
[124]; Modelle: [125]-[127]). Bei diesem wird das Matrixmaterial in flüssiger Form (Schmelze
oder Harz) auf die Faser gebracht, welche es infolge der Oberflächenspannung in Tropfenform
umschließt. In erstarrtem Zustand wird versucht, die Faser mittels einer Zugeinrichtung aus
dem Tropfen, der über Schneiden oder eine Ringblende möglichst nah zur Faser gegengehalten
wird, herauszuziehen (Abb. 5.1b). Die Dehnbelastung der Faser wird durch eine
Scherspannung in der Grenzfläche über die Einbettlänge l f der Faser allmählich an die Matrix
überführt. Mit wachsender Zugkraft P auf die Faser erhöht sich auch die Belastung der
Grenzfläche. Die gemessene Maximalkraft Pmax im Moment des Versagens der Grenzfläche
enthält eine Information über die Haftung des Faser-Matrix-Systems.
Gegenüber der im Folgenden dargestellten, vom Prinzip her ähnlichen, Einzelfaser-Auszugs-
anordnung hat der Tropfenabscherversuch den Vorteil einer einfacheren Präparation.
Die am häufigsten verwendete Variante des Einzelfaser-Auszugsversuchs oder Single Fibre
Pull-Out Tests ([37], [128]-[132]) besteht aus einem auf seiner Unterfläche an einen
Probenhalter geklebten Matrixtropfen, in den im flüssigen Zustand eine Faser bis zu einer
bestimmten Einbettlänge l f senkrecht eingebettet wurde (Abb. 5.1c). In erstarrtem Zustand
wird die Kraft an der Faser gemessen, die zum Aufreißen der Haftverbindung notwendig ist.
Sie wird mit dem beobachteten Maximum der Kraft-Verschiebungskurve Pmax identifiziert. Die
Präparation des Versuches und die Messung der Kraft sind wegen der Biege-
bruchempfindlichkeit der Faser aufwendig und erfordern spezielle Vorrichtungen. Trotzdem ist
dieser Versuch relativ verbreitet.
Das einfachste und praktisch am meisten eingesetzte Modell zur Auswertung aller oben
beschriebenen mikromechanischen Versuche beruht auf der sogenannten KELLY-TYSON-
Näherung [133]. Es geht davon aus, daß infolge plastischen Fließens der Matrix die
Grenzfläche im Moment des Versagens über ihre ganze Länge mit einer konstanten
86
Scherspannung d belastet wird. Für den Fragmentierungsversuch folgt daraus eine sehr
einfache Relation zur kritischen Faserlänge lC und zur Festigkeit der Fasern F :
dF F
C
r
l
(5.1).
Der Tropfenabscherversuch und Einzelfaser-Auszugstest werden im Rahmen des KELLY-
TYSON-Modells durch den gleichen Zusammenhang zwischen der maximalen Grenzflächen-
scherspannung d , der Fasereinbettlänge l f und der maximalen Lastkraft Pmax beschrieben:
d
f f
P
r l max
2 (5.2).
Die Interpretation des adhäsiven Versagens nach der KELLY-TYSON-Näherung ist allerdings
in sich widersprüchlich.
Einer vollständigen Homogenisierung der Scherspannung entlang der Grenzfläche entspricht
die Voraussetzung eines idealplastischen Materialgesetzes zur Beschreibung der Matrix-
deformation. Mit diesem kann jedoch die maximale Scherbelastung d der Grenzfläche den
Wert der Fließgrenze der Matrix Yield nicht überschreiten. Läge die Belastbarbarkeit der
Grenzfläche über diesem Wert, würde nur die Matrix plastisch verformt, niemals jedoch die
Grenzfläche versagen. Der maximale Wert der Scherspannung in der Grenzfläche d
entspräche dann der Fließgrenze der Matrix und enthielte keine spezifische Information über
die Grenzfläche. Würde die maximale Scherbelastbarkeit der Grenzflächenhaftung unterhalb
der Fließgrenze erreicht, könnte es nicht zur Plastifizierung der Matrix kommen. Das System
bliebe elastisch und die Scherspannungsverteilung in der Grenzfläche wäre extrem inhomogen
im Widerspruch zu den Voraussetzungen. Denkbar wäre im letzteren Fall höchstens eine
homogene Spannung im aufgerissenen Teil der Grenzfläche infolge Faser-Matrix-Reibung, die
aber keine Information über die eigentliche Haftung der Grenzfläche beinhaltet.
Die tatsächlichen Spannungsverhältnisse in der Grenzfläche sind für alle vorgestellten
Testgeometrien überaus komplex und durch das Auftreten von stark inhomogenen Spannungen
gekennzeichnet, besonders an den Faserenden, den Spitzen von Debondingriß-Bereichen und
am Austritt der Faser an der Matrixoberfläche. Dies konnte u.a. experimentell durch
Untersuchung der lokalen Faserdehnung mit Hilfe der RAMAN-Streuung an einer Reihe von
mikromechanischen Versuchen demonstriert werden ([112], [134], [135]). Eine Anwendung
von Gl. 5.1 bzw. Gl. 5.2 liefert für d nur den Mittelwert der in der Grenzfläche im Moment
des Versagens auftretenden Scherspannungsverteilung. Der auf diese Weise errechnete
Parameter ist höchstens mittelbar an die Haftungsqualität gekoppelt und repräsentiert nicht die
lokale, maximale Scherbelastbarkeit der Grenzfläche.
87
Eine befriedigende Beschreibung der tatsächlichen Spannungsverteilung in der Grenzfläche ist
mit mathematisch-analytischen Methoden bisher für keine der obigen Anordnungen gelungen,
auch wenn zahlreiche Näherungen, zumeist auf Basis von Shear-Lag-Modellen, entwickelt
wurden (Review [136]). Diese sind höchstens zu einer qualitativen Wiedergabe des
Deformationsverhaltens tauglich.
Neben der Scherspannung treten in der Grenzfläche bei allen mikromechanischen
Versuchsanordnungen auch Spannungskomponenten in radialer und in Umfangsrichtung der
Faser auf. Ihr Betrag kann den der auftretenden Scherspannungen sogar überschreiten.
Beim Fragmentierungsversuch [118] tragen die Radialspannungen kompressiven Charakter.
Beim Einzelfaser-Auszugsversuch ([137], [138]) und beim Tropfenabscherversuch [127] führt
die Einleitung der Last in die Faser durch deren POISSON-Kontraktion zu Zugspannungen in
radialer Richtung, die im Gegensatz zu den Kompressionsspannungen die Belastbarkeit der
Grenzfläche herabsetzen.
Die Spannungsverteilung der Grenzfläche in axialer und radialer Richtung kann für die oben
beschriebenen, mikromechanischen Testverfahren auch durch das Auftreten von Oberflächen-
rauhigkeit der Fasern und thermischen Spannungen der Matrix wesentlich beeinflußt werden
[139].
Insgesamt muß eingeschätzt werden, daß die Faser-Matrix-Grenzfläche in allen Mikro-
mechanik-Versuchen einer sehr inhomogenen, komplexen und während des Tests sich stark
ändernden Belastung ausgesetzt ist, die sich einer Beschreibung mit einfachen Modellen bisher
weitgehend entzieht. Zusätzlich erfolgt die Belastung der Grenzfläche in den verschiedenen
Testverfahren durch Überlagerung von ganz unterschiedlichen Komponenten. Dies sind
denkbar ungünstige Voraussetzungen für eine Anordnung zur experimentellen Eigenschafts-
bestimmung, jedoch existiert dazu infolge der mikroskopischen Dimension des Unter-
suchungsobjektes und der damit verknüpften präparativen und meßtechnischen Probleme keine
Alternative. Die unter solchen Umständen auf Basis unzureichender Modellvorstellungen
abgeleiteten Grenzflächenfestigkeiten entsprechen sicher keinen real auftretenden Maximal-
spannungen, sondern sind nur implizit und in Abhängigkeit von anderen Probenparametern mit
der Haftfähigkeit korreliert. Zudem ist es mit Hinblick auf die mehrachsige Spannungssituation
unwahrscheinlich, daß die mechanische Qualität der Faser-Matrix-Grenzschicht mit einem
einzelnen Parameter, wie einer Scherfestigkeit, umfassend charakterisiert werden kann. Die
Überlagerung einer kompressiven Radialspannung auf die Faser wird das Grenzflächen-
versagen erschweren, eine Zugspannung in radialer Richtung wird es begünstigen. Das
Auftreten von Spannungen in Umfangsrichtung beeinflußt die Ausbildung plastischer Zonen in
der Matrix, die den Anstieg der Spannung in der Grenzfläche begrenzen, bzw. die beim
Versagen der Grenzfläche dissipierte Energie erhöhen.
88
Auf Basis derartiger Voraussetzungen ist für die aus den verschiedenen mikromechanischen
Tests ermittelten Werte der Grenzflächenscherfestigkeit keine direkte Vergleichbarkeit zu
erwarten, wie am Beispiel eines Round-Robin-Versuches für ein Kohlenstoffaser-Epoxidharz-
System in Abb. 5.2 demonstriert werden konnte [140]. Dieser unbefriedigende Zustand war
und ist der Ausgangspunkt von zahlreichen Versuchen, die bei den unterschiedlichen
Testgeometrien in der Grenzfläche auftretenden Spannungen mit theoretischen oder
experimentellen Mitteln zu beschreiben (Review in [141]).
0
20
40
60
80
100
120
140
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Labornummer
Fragmentation XAU-Faser Fragmentation XAS-Faser
Strip-off XAU-Faser Strip-off XAS-Faser
Pull-out XAU-Faser Pull-out XAS-Faser
Indentation XAU-Faser Indentation XAS-Faser
d
[MPa]
Abb. 5.2 Scheinbare Grenzflächenscherfestigkeit, die für zwei Kohlenstoffaser-Epoxidharz-Systeme (XAS-Faser, XAU-Faser) mit unterschiedlichen mikro-mechanischen Testmethoden von verschiedenen Experimentatoren erhalten wurde ([140]).
Dabei besteht die große Gefahr, den praktischen Hintergrund der Charakterisierungsmethoden
aus den Augen zu verlieren: die Verbesserung und die Aufklärung der mit der Faser-Matrix-
Haftfähigkeit in Verbindung stehenden, technischen Eigenschaften realer Verbundwerkstoffe.
Die innerhalb eines mikromechanischen Testverfahrens erhaltenen Grenzflächen-Parameter
ermöglichen zumindest das Aufstellen einer Reihenfolge für die Haftung alternativer, praktisch
relevanter Matrixsyteme. In gewissen Grenzen gelingt es, diese mit makroskopischen
Eigenschaften der daraus aufgebauten technischen Verbundwerkstoffe zu korrelieren ([34]-
[37]). Allerdings sind diese Ergebnisse häufig nicht widerspruchsfrei. Ursache dafür ist, daß
die auf Basis unzutreffender Modelle abgeleiteten Parameter nicht den unabhängigen
Charakter von Materialeigenschaften besitzen, sondern wegen des unvollständigen
Verständnisses noch von den speziellen Bedingungen bei ihrer experimentellen Bestimmung
abhängen. In den realen Verbundwerkstoffen erfolgt die Belastung und das Versagen der
Grenzfläche aber, z.B. wegen der Wechselwirkung der vielen dichtbenachbarten Fasern, unter
sehr unterschiedlichen Situationen. Eine Verbesserung der Einsicht in die Mechanismen der
Grenzfläche ist daher auch eine wichtige Voraussetzung zur Aufklärung der Zusammenhänge
89
zwischen den Eigenschaften der mikroskopischen Strukturkomponenten und den technischen
Eigenschaften der Verbundwerkstoffen. Die Belastung und das Verhalten der Grenzfläche in
den verschiedenen mikromechanischen Einzelfaserversuchen ähnelt in wichtigen Aspekten den
Verhältnissen in realen Verbunden. Die vergleichsweise definierten Bedingungen und die
fehlende Wechselwirkung mit den Nachbarfasern erlauben in den Einfasersystemen eine
einfachere modellmäßige Beschreibung und experimentelle Verifizierung wesentlicher
Mechanismen des Grenzflächenversagens. Ein detailliertes Verständnis des Einflusses der
Grenzfläche auf die Verbundeigenschaften ist ohne ein adäquates Verständnis der
mikromechanischen Versuche nicht möglich.
5.2 Kurzer Überblick über mikromechanische Modellierung der Faser-Auszugs-
Problematik
Die Übertragung und Umverteilung lokaler Belastungen zwischen Matrix und Faser durch die
Faser-Matrix-Grenzfläche bestimmt die Verstärkungs- und Versagensmechanismen faserver-
stärkter Materialien wesentlich. Die Beschreibung der auftretenden Spannungsverteilungen in
der Faser-Matrix-Grenzfläche ist eine grundlegende Zielstellung der mikromechanischen
Modellierung. Ein in realen Kurzfaser-Verbunden und mikromechanischen Versuchen häufig
auftretender Fall ist die Belastung eines aus dem Matrixverbund herausragenden Faserendes
bis zum Versagen der Haftung mit der Matrix. Diese Konstellation wird als ‘Fibre-Pull-Out’
bezeichnet und ist Gegenstand zahlreicher theoretischer Modellierungen (Review: [136],
[142]). Die meisten der Modelle beziehen sich auf die Belastung einer einzelnen Faser in
einem Ausschnitt aus einem idealisierten Mehrfaser-Verbundwerkstoff. Die Wechselwirkung
mit den Nachbarfasern der unmittelbaren Umgebung wird im allgemeinen nicht im Detail
berücksichtigt, sondern im Sinne einer ‘mean-field’-Näherung über die Definition einer
rotationssymmetrischen Einheitszelle mit entsprechenden Randbedingungen näherungsweise
einbezogen. Die Modellierung des verbleibenden Einfasersystems wird durch die Reduktion
auf eine axialsymmetrische, zweidimensionale Analyse vereinfacht.
Als Objekt zur Untersuchung des mikroskopischen Grenzflächenversagens wurde in dieser
Arbeit der Einzelfaser-Auszugsversuch gewählt. Er besitzt a priori eine rotationssymmetrische
Geometrie. Obwohl die Belastung der Faser dem Einheitszellenmodell des ‘Pull-Out’ im
Mehrfaserverbund entspricht, besteht doch ein wesentlicher Unterschied in der Größe des
umgebenden Matrixzylinders und den gewählten Randbedingungen. Beim Mehrfaserverbund-
modell ist der äußere Radius des Matrixzylinders durch den Faservolumenanteil bestimmt, es
ergibt sich nur eine relativ schmale Matrixhülle um die Faser. Infolge der Wechselwirkung mit
den umgebenden Fasern ist der äußere Mantel nicht spannungsfrei. Beim Einzelfaser-
Auszugsversuch umgibt den eingebetteten Teil der Faser ein im Vergleich dazu sehr großer
90
Matrixbereich (Matrixtropfen), dessen seitliche Flächen spannungsfrei sind. Für diese spezielle
Geometrie existieren explizit relativ wenige analytische Modelle, daher werden zur Beschrei-
bung des Einzelfaser-Auszugsversuchs die Mehrfaserverbundmodelle mit herangezogen.
Historisch und auch noch aktuell die größte Bedeutung besitzt eine ganze Gruppe von
Modellen, die als ‘Shear-Lag’-Näherungen klassifiziert werden und auf einen Ansatz von COX
[143] zurückgehen. Die spezielle Formulierung für den Faserauszug wurde von GRESZCZUK
[144] und LAWRENCE [145] vorgenommen. Die allgemeinen Kennzeichen dieser Näherung
sind die folgenden:
a) Faser und Matrix werden durch zwei konzentrische, linear elastische, perfekt miteinander
verbundene Zylinder repräsentiert
b) auf Grund ihrer hohen Steifigkeit wird die Deformation der Faser als homogen über ihren
Querschnitt angenommen und nur durch eine axiale Verschiebung u zzFaser beschrieben
c) im Mittelpunkt der Betrachtung steht das differentielle Kraftgleichgewicht zwischen der
axialen Belastung der Faser P zFaser und der Scherspannung i rzMatrix
fz z r r ,
(„Grenzflächenscherspannung“) der Matrix an der Grenzfläche: dP z r z dzFaser f i 2
d) die Differenz der axialen Verschiebungen der Matrix an der Faseroberfläche
u z r r u zzMatrix
f zFaser, und den durch Randbedingungen vorgegebenen Ver-
schiebungen u z r rzMatrix
m, auf der äußeren Matrixzylinderfläche wird dazu genutzt, um
mittels vorgegebener Ansatzfunktionen einen Zusammenhang zu den an der Grenzfläche
wirkenden Scherspannungen zu konstruieren: i rzMatrix
zMatrix
f zMatrix
mz z u z r u z r , , , ,
e) die Ansatzfunktionen zwischen Verschiebung und Scherspannung in der Matrix werden
durch willkürliche Vernachlässigungen von Spannungs- und Deformationskomponenten
und ihrer Richtungsableitungen in den Gleichgewichts- und Kompatibilitätsbedingungen
sowie dem HOOKE’schen Materialgesetz erhalten. Diese Ansatzfunktionen erfüllen die
elastomechanischen Bedingungen nur unvollständig.
Die Standardform der ‘Shear Lag’-Annahmen (LAWRENCE [145]) ignoriert die
Radialspannungen rr und die axiale Abhängigkeit der Matrixdehnspannungen zz z in den
axialsymmetrischen Gleichgewichtsbedingungen:
zzMatrix
rzMatrix
rzMatrix
rzMatrix
rzMatrix
z r r r r 0 (5.3a)
und im HOOKE’schen Materialgesetz:
91
Em zzMatrix
zzMatrix
m rrMatrix Matrix
zzMatrix (5.3b)
sowie die Änderung der radialen Verschiebungen in axialer Richtung:
2
rz
Matrix rMatrix
zMatrix
zMatrixu
z
u
r
u
r
(5.3c).
Die verbleibenden Gleichgewichtsbedingungen und HOOKE’schen Gleichungen werden
überhaupt nicht berücksichtigt ([146], [147]).
Unter diesen Voraussetzungen wird als Ansatzfunktion eine einfache Proportionalität der
Grenzflächenscherspannung zur Differenz der axialen Verschiebungen erhalten:
i zMatrix
f zMatrix
mz H u z r u z r , , (5.3d).
Dieser Zusammenhang bildet die zentrale Annahme der meisten Varianten der ‘Shear-Lag’-
Modelle. Die Proportionalitätskonstante H hängt neben den Abmessungen des Matrixzylinders
(bzw. dem Faservolumenanteil) auch von der Annahme für die Spannungsrandbedingungen auf
dem Außenradius rm des Matrixzylinders ab und hat z.B. bei COX und GRESZCZUK die
Form: H G r r rm f m f / ln / .
Unter den Voraussetzungen des Modells von LAWRENCE erhält man damit folgenden, für die
‘Shear Lag’-Näherungen typischen Zusammenhang zwischen Faserbelastung P und der Scher-
spannungsverteilung i z in der Grenzfläche [136] im Abstand z zur Matrixoberfläche:
i
f
fzP
rl z z
2coth cosh sinh (5.4)
mit
22
G
r E r rm
f f m fln / ( Gm ... Schermodul der Matrix).
Das Modell liefert einen endlichen, maximalen Wert für die Scherspannung in der
Grenzfläche. Er tritt am Eintauchpunkt der Faser in die Matrix ( z 0) auf und ergibt sich zu:
max coth
P
rl
f
f2 (5.5).
In der üblichen Form der Interpretation des Modells vermittelt Gl. 5.5 den Zusammenhang
zwischen der maximalen Scherspannung d , welcher die Grenzfläche widerstehen kann
(„Grenzflächenscherfestigkeit“), und der im Moment des Grenzflächenversagens beobachteten
äußeren Belastung der Faser Pmax .
Beim Einzelfaser-Auszugsversuch führt die Identifikation des Außenradius des
Matrixzylinders rm mit den Außenabmessungen des Tropfens zu unakzeptablen Ergebnissen
für . Die Überlegungen, welche dem Modell zugrundeliegen, gehen von einem nur schmalen
Matrixzylinder aus. Es wird versucht dies für den Einzelfaser-Auszugsversuch zu
92
berücksichtigen, indem man die ‘Shear-Lag’-Betrachtungen nur auf einen Ausschnitt des
Matrixbereichs um die Faser in Gestalt eines im Tropfeninneren liegenden Matrixzylinders
beschränkt. Dessen Durchmesser ist allerdings nicht bekannt. Der Parameter wird daher für
die Auswertung von Einzelfaser-Auszugsexperimenten als unbekannter Parameter betrachtet,
der an die Ergebnisse angepaßt werden muß.
Im Vergleich mit detaillierteren Analysen auf numerischer Basis zeigt sich, daß die‘Shear-
Lag’-Modelle den tatsächlichen Spannungsverhältnissen in der Matrix und der Grenzfläche
nicht gerecht werden und diesen höchstens in qualitativer Weise im Mittelbereich des
eingebetteten Faserteils entsprechen ([136], [147]). Aufgrund der geometrischen Inhomo-
genitäten an den Faserkanten bzw. am Eintauchpunkt der Faser in die Matrix ergeben sich an
diesen Stellen im ideal elastischen Modell Spannungssingularitäten ([148], [149]), die auch
unter realen Verhältnissen (endliche Schärfe der Kanten, Matrixfließen) hohen Konzen-
trationen und starken Gradienten für sämtliche Spannungskomponenten entsprechen.
Die im ‘Shear-Lag’-Ansatz getroffenen Vernachlässigungen korrespondieren mit den
tatsächlich in der Umgebung der Faser herrschenden Bedingungen in keiner Weise und sind
nicht zu rechtfertigen. Dies konnte aus dem Vergleich des in dieser Arbeit vorgestellten FE-
Modells mit den der Shear-Lag-Näherung zugrundeliegenden Annahmen Gl. 5.3 demonstriert
werden (SINGLETARY [147]). Keine der vorgenommenen Vereinfachungen konnte mit
befriedigender Übereinstimmung bestätigt werden. Besonders unakzeptable Ergebnisse liefern
die Vernachlässigung der axialen Abhängigkeit in den Matrixspannungen entsprechend
Gl. 5.3a im gesamten Matrixbereich und des Einflusses der Radial- und Umfangsspannungen
auf die axiale Deformation Gl. 5.3b im Bereich der Rißspitze. Auch läßt sich kein Radius für
einen Matrixzylinder um die Faser finden, auf dem die Randbedingungen nur annähernd den
Annahmen des GRESZCZUK-Modells entsprechen. Sehr starke Abweichungen ergaben sich
für sämtliche Annahmen in der Nähe der Faserenden. In diesen Gebieten resultieren die
unvollständige Erfüllung der elastischen Grundgleichungen und die Nichtberücksichtigung von
Komponenten für die Ansatzfunktionen der ‘Shear-Lag’-Modelle in völlig unbrauchbaren
Ergebnissen für die Spannungsverteilung. Doch gerade in diesen räumlichen Bereichen erfolgt
wegen der hohen Spannungskonzentrationen die Initiierung und die Ausbreitung des
Grenzflächenversagens. Um den Prozeß zu beschreiben, sind ‘Shear-Lag’-Modelle daher
denkbar schlecht geeignet. Auch die Nutzung komplizierterer Ansatzfunktionen durch
Einbeziehung z.B. der Radialspannungen ([150], [151], [152]) kann hier keine prinzipielle
Abhilfe schaffen, da die verbesserten analytischen Ansätze nur aus den homogenen Lösungen
rotationssymmetrischer, in axialer Richtung unendlich ausgedehnter Geometrien (LAME’sche
Lösungen: [105]) abgeleitet wurden. Sie sind in den für das Grenzflächenversagen
entscheidenden Zonen ebenfalls nicht gültig.
93
Neben den ‘Shear-Lag’-Näherungen existieren noch einige andere analytische Modelle für den
Lastübertrag zwischen der Faser und der Matrix, die auf einer vollständigeren Umsetzung der
elastomechanischen Gleichungen und Bedingungen beruhen. Die Modelle von PHAN-THIEN
[153] und MUKI und STERNBERG [154] beschreiben ein System aus einer starren Faser, die
in einen unendlichen, elastischen Halbraum eingebettet ist, mittels Überlagerung der exakten,
linear elastischen Lösungen für Punktkräfte. Die sich ergebenden Integrationen sind jedoch
analytisch nicht zu bewältigen und können nur abgeschätzt oder numerisch berechnet werden.
Bei PHAN-THIEN folgt aus der verwendeten Abschätzung nur die triviale Lösung einer
konstanten Scherspannung längs der Grenzfläche. Die Analyse bei MUKI und STERNBERG
führt auf eine numerische Lösung für die Spannungsverteilung längs der Faser, die wegen des
Umfangs der verwendeten Ausdrücke und der Notwendigkeit einer numerischen Lösung für
eine praktische Auswertung nicht handhabbar ist. Gleiches gilt für die Modellierung von LUK
und KEER [155], die eine Hankel-Transformation der elastischen Grundgleichungen in
Integralgleichungen benutzt, aber ebenfalls eine unüberschaubare und nur numerisch zu
bewältigende Lösung liefert.
Aus diesen Erfahrungen heraus erscheinen mathematisch analytische Modellierungen generell
nicht dazu geeignet, die komplizierten Belastungen der Grenzfläche beim Einzelfaser-
Auszugsversuch befriedigend zu beschreiben.
In der Literatur wird über eine Anzahl von FE-Modellierungen der Einzelfaser-Auszugstests
berichtet ([137], [148], [149], [156]-[160]). In dieser Form der numerischen Analyse können
sämtliche Gleichgewichts- und Kompatibilitätsbedingungen, verschiedenste Materialgesetze
und andere Einflußgrößen in guter Näherung erfüllt werden. Die Komplexität der Geometrien
spielt dabei keine Rolle. Die Genauigkeit der Ergebnisse hängt nur von der Dichte und der
Güte der Vernetzung und damit von der verfügbaren Rechnerleistung ab.
Die bisher umfangreichste FE-Analyse ist die von MAROTZKE ([137], [149], [156], [157])
und untersucht den Einfluß von Faserlänge, elastischen und geometrischen Eigenschaften auf
die Spannungsverteilung in der Grenzfläche. Die Ergebnisse dieser Modellierung bestätigen
die starke Inhomogenität und das Auftreten verschiedener Komponenten der Spannungen in
der Grenzfläche. Obwohl die Modellierung eine weitgehende Beschreibung des Deformations-
verhaltens und der Spannungen beim Einzelfaser-Auszugsversuch liefert, macht sie zugleich
auch ein grundlegendes Problem der Verwendung einer Grenzflächenscherfestigkeit als
Versagenskriterium deutlich.
Es besteht in der Schwierigkeit, aus einer Modellbeschreibung einen definierten Maximalwert
für die auftretende Scherbelastung der Grenzfläche der Probe zu erhalten. In einer vollständig
elastischen Modellierung mit scharfen Geometriekanten an den Faserenden, Debonding-
rißspitzen und am Eintrittspunkt der Faser in die Matrix ergeben sich an diesen Positionen stets
94
Spannungssingularitäten [149]. Die in der Grenzfläche auftretenden Spannungen überschreiten
bei einem ausreichend geringen Abstand zur geometrischen Störung jede beliebige Grenze.
Unter diesen Umständen ist ein Festigkeitsmaß nicht sinnvoll. In der Realität bleiben die
Spannungen an diesen Stellen natürlich begrenzt, bedingt durch die nur endliche Schärfe der
Geometriekanten und durch die inelastische Verformung des Materials. Die tatsächlich
auftretenden Spannungen werden in höchst empfindlicher Weise durch die konkrete
(submikroskopische) Geometrie und das konkrete mikroskopische Materialgesetz bestimmt.
Beides entzieht sich jedoch weitgehend der Kenntnis und auch der Bestimmungsmöglichkeit
des Untersuchenden. Die auf makroskopischer Ebene und zumeist nur unter einachsigen Span-
nungszuständen ermittelten Materialgesetze sind nicht ohne weiteres auf die mikroskopischen
m - Dimensionen und die dort herrschenden dreiachsigen Spannungen übertragbar.
Ein Ausweg für spröde Materialsysteme ergibt sich durch eine bruchmechanische
Beschreibung des Grenzflächenversagens als Wachstum eines Risses in der Ebene zwischen
zwei benachbarten Materialien mit unterschiedlichen elastischen Eigenschaften. Die bruch-
mechanische Sicht reduziert für die konkrete mikroskopische Geometrie einer Rißspitze unter-
schiedliche Formen der äußeren Belastungen auf einen einheitlichen Belastungszustand, der
durch wenige Parameter beschrieben wird. Auf dieser Ebene läßt sich die Haftung durch die
Widerstandsfähigkeit der Grenzfläche gegen die Ausbreitung des Grenzflächenrisses
beschreiben. Das entsprechende Grenzflächen-Kriterium wird durch eine kritische Energiefrei-
setzungsrate G c gebildet. Bleibt der Bereich inelastischen Materialverhaltens unmittelbar an
der Rißspitze klein gegenüber einer, den Einfluß der äußeren Geometrie kennzeichnenden,
„charakteristischen“ Abmessung (Faserradius), so ist eine konkrete Beschreibung der in dieser
„Prozeßzone“ herrschenden Verhältnisse nicht erforderlich [161]. Sie werden in den die
Grenzschicht charakterisierenden „kritischen“ Parameter ( Gc ) mit einbezogen.
Verschiedene, mathematisch analytische Modelle auf ‘Shear-Lag’-Basis versuchen die
Energiefreisetzungsrate der Grenzflächenrißausbreitung beim Einzelfaser-Auszugsversuch zu
berechnen ([152], [162]-[167]). Wegen ihres nur qualitativen Näherungscharakters kann über
die Zuverlässigkeit der damit erhaltenen Ergebnisse keine Aussage gegeben werden. Auf Basis
von Modellierungen mit Finiten Elementen wurden bruchmechanische Beschreibungen der
‘Pull-Out’-Geometrie von ATKINSON [148], BUCHHOLZ [158], MORRISON [160] und von
GENT [159] vorgestellt. Die dabei modellierten Geometrien betreffen kurze Fasern in einer
vergleichsweise kleinen Matrixumgebung und sind daher nicht repräsentativ für den
mikromechanischen Einzelfaser-Auszugsversuch. Das Modell in [160] ist sehr grob vernetzt
und läßt keine Untersuchung der Rißinitiierung bei kurzen Rißlängen zu.
Eine bruchmechanische Beschreibung gestattet auch eine definierte Charakterisierung der
Überlagerung verschiedener Lastkomponenten in der Grenzfläche, die beim
95
Einzelfaserversuch insbesondere durch die starken Radialspannungsanteile gegeben sind. Die
Bestimmung der einzelnen ‘Mixed-Mode’-Anteile der Energiefreisetzungsrate ist aus der
Analyse der Rißspitzennahfelder im FE-Modell möglich ([148], [158]).
Zielstellung der in dieser Arbeit vorgenommenen Modellierung des Einzelfaser-Auszugs-
versuchs ist eine in sich konsistente Beschreibung des Versagens spröder Grenzflächen für
elastische Materialien auf Basis des bruchmechanischen Kriteriums der
Energiefreisetzungsrate. Insbesondere soll dabei die Betrachtung der Belastung nicht auf die in
der Grenzfläche auftretenden Scherkräfte beschränkt bleiben, sondern mittels eines ‘Mixed-
Mode’-Versagenskriteriums auch die Überlagerung der radialen Komponenten detailliert
berücksichtigt werden. Die Analyse soll den realen geometrischen Verhältnissen entsprechen
und den Einzelfaser-Auszugs-Versuch für lange, schlanke Fasern in einer ausgedehnten
Matrixumgebung beschreiben.
Eine wesentliche Rolle für den Mechanismus der Lastübertragung zwischen Faser und Matrix
kommt der Reibung in bereits aufgerissenen Teilen der Grenzfläche zu. Ein großer Teil der in
der Literatur zugänglichen Modelle befaßt sich besonders mit diesem Aspekt des Faser-
Auszugs ([139], [152], [165], [168]). Der Einfluß der Reibung wird darin relativ unabhängig
vom eigentlichen Prozeß des Grenzflächenversagens untersucht. Dessen Einbeziehung in die
Analysen erfolgt nur auf Grundlage sehr einfacher Näherungen (‘Shear-Lag’, empirische
Kriterien), die in keinem Fall über die bereits dargestellten Beschreibungsversuche
hinausgehen. Hinsichtlich einer Übersicht über diese Modelle sei auf [139] verwiesen.
Das große Leistungsvermögen der FE-Analyse zeigt sich besonders bei der Einbeziehung
komplizierter Einflußfaktoren, wie z.B. inelastischem Materialverhalten in Form von Matrix-
plastizität oder -schädigung. Die Interpretation dieser, für Kunststoffmaterialien besonders
wichtigen, Prozesse geht über die Möglichkeiten der herkömmlichen, linear elastischen Bruch-
mechanik hinaus und erfordert die Anwendung wesentlich komplexerer Konzepte auf Basis
einer Schädigungs- und Fließbruchmechanik. Eine Ausdehnung der hier vorgestellten Analyse
auf die Berücksichtigung inelastischer Mechanismen übersteigt den zeitlichen Rahmen dieser
Arbeit. Sie ist als deren Fortführung nach Auswertung aller in der linearen Modellierung
gesammelten Erfahrungen geplant.
96
5.3 Modellierung des Einzelfaser-Auszugstests
5.3.1 Geometrie
Die dem FE-Modell des Einzelfaser-Auszugsversuchs zugrundegelegte Geometrie ist in
Abb. 5.3 dargestellt. Sie entspricht in etwas schematisierter Form der sogenannten ‘Micro-
Bottom-Load’-Variante des Tests [58], die ausführlich in [36] und [129] beschrieben ist. Der
auf den Probenhalter aufgebrachte Matrixtropfen wird im vorliegenden Modell durch einen
Zylinder idealisiert, dessen Radius rm und Höhe lm als groß gegenüber der Länge l f des
eingebetteten Teils der Faser angenommen werden: l r lm m f 4 8.. . Variationen der relativen
Abmessungen des Matrixzylinders bewirkten in den Resultaten der Modellierung nur sehr
geringe Änderungen von einigen wenigen Prozent, bezogen auf den Absolutwert der
Energiefreisetzungsrate. Im Vergleich zum Einfluß der eingebetteten Faserlänge erwies sich
der Einfluß der Matrixgeometrie jedoch als mindestens ebenbürtig.
Abb. 5.3 Geometrie des Modells der Einzelfaser-Auszugs-Probe
Das Versagen der Haftung wird im Modell
durch die Ausbreitung eines Risses in der Faser-Matrix-Grenzfläche beschrieben, der seinen
Ausgang unmittelbar unter der Matrixoberfläche nimmt und dessen Wachstum entlang nahezu
der gesamten, eingebetteten Faserlänge untersucht wird: r l l rf d f f/10 2 . An welchem
Faserende die Initiierung der Rißausbreitung stattfindet, wird durch die eingebettete Faserlänge
und das Steifigkeitsverhältnis E Ef m/ bestimmt ([137], [169]). Der hier ausschließlich
untersuchte Fall einer von der Matrixoberfläche ausgehenden Rißausbreitung ist für Glasfaser-
Systeme mit einem Längen- zu Durchmesserverhältnis l rf f/ 2 7 realisiert [137] und ist
für die mikromechanischen Einzelfaser-Auszugs-Experimente typisch. Lediglich für relativ zur
Matrix sehr steife Fasern (C-Fasern) oder sehr kurze eingebettete Faserlängen kann über die
Länge der Grenzfläche nicht ausreichend Faserspannung abgebaut werden, so daß am
r m
l f
l d
l frei
l m
2 r f
Probenhalter
Matrixtropfen
Faser
Lastverschiebung u
Lastkraft P
97
eingebetteten Faserende noch genügend Last vorhanden ist, um eine Rißausbreitung hier zu
initiieren.
Die Aufbringung und Messung der Lastkraft P bzw. der Lastverschiebung u auf das freie Ende
der Faser werden im realen Experiment mittels einer speziell dafür konstruierten Zugein-
richtung über Piezo-Translatoren realisiert. Obwohl die Steuerung der Belastung daher
eigentlich verschiebungskontrolliert erfolgt, wird in den meisten realisierten Testanordnungen
aufgrund der langen freien Faserlänge der Beginn der instabilen Rißausbreitung durch die
aktuelle Lastkraft kontrolliert. Das Belastungssystem reagiert demzufolge träge, was einen
frühzeitigen Beginn der instabilen Rißausbreitung begünstigt. Erst in letzter Zeit ist es
gelungen, die Probe so zu gestalten, daß die freie Faserlänge kurz bleibt [132]. Bei dieser
Versuchsdurchführung kann stabile Rißausbreitung über einen weiten Bereich entlang der
Faserlänge aufrecht erhalten werden. Zugleich wurde durch ebene Probengestaltung die
Möglichkeit geschaffen, die aktuelle Länge des Debondingrisses im Experiment zu verfolgen.
Dies eröffnet neue Perspektiven für die Untersuchung des Debonding.
5.3.2 FE-Modell des Einzelfaser-Auszugs-Tests
Die rotationssymmetrische Geometrie gestattet eine einfache Beschreibung der Probe mit
einem zweidimensionalen, axialsymmetrischen Modell. Für die FE-Analyse ([138], [170])
wurden linear elastisches Deformationsverhalten vorausgesetzt und isoparametrische 2D-
Solidelemente mit 8 Knoten verwendet. Die Beschreibung der Rißausbreitung erfolgt über die
Berechnung einer ganzen Reihe von FE-Modellen für eine Probe unter schrittweiser Erhöhung
der Grenzflächenrißlänge ld . Für die Untersuchung der Rißinitiierung bei extrem kurzer
Rißlängen r l rf d f/10 2 wurde eine Vernetzung mit einer sehr kleinen Riß-Schrittweite
l rd f /10 benutzt. Die Modellierung im Bereich r l l rf d f f 2 bis zum fast vollständigen
Debonding verwendete eine Schrittweite von l rd f / 2 für die Rißlänge. Eine hinsichtlich
der Netzdichte stark reduzierte Darstellung der Vernetzung ist in Abb. 5.4 zu finden. Die in
Kap. 2.3.1 eingeführten Prinzipien zur Netzgestaltung bei der bruchmechanischen FE-
Modellierung wurden auch beim Modell des Einzelfaser-Auszugs berücksichtigt. Die etwas
komplizierte Aufteilung der Probe in unterschiedlich vernetzte Bereiche ermöglicht die lokale
Konstanz der Vernetzung bei der Änderung der Rißlänge. Neben der unmittelbaren
Rißspitzenzone wurden unregelmäßig vernetzte Flächen auch eingesetzt, um zwischen den fein
vernetzten Gebieten dicht um die Faser und dem nur wenig belasteten und daher gröber ver-
netzten äußeren Matrixbereich zu vermitteln. Allein auf diese Weise konnten große äußere
Abmessungen der Matrix bei gleichzeitig extrem feiner Vernetzung der Rißspitze und der
Grenzfläche mit einem akzeptablen Aufwand an Elementen verwirklicht werden. Zur Untersu-
chung der singulären Felder an der Rißspitze wurde das Netz in dieser Umgebung bis zu einer
98
Größe der singulären Rißspitzenelemente von weniger als 0,1% des Faserradius als charak-
teristischer Abmessung verfeinert. Zahlreiche Rechnungen unter Variation der Vernetzungs-
parameter demonstrierten die Zuverlässigkeit der mit dieser Vernetzung erhaltenen Ergebnisse.
Faser
Matrix
Last
Probenhalter
Rißspitze
Riß
Abb. 5.4 FE-Vernetzung der Einzelfaser-Auszugs-Geometrie (vergröberte Darstellung)
Sämtliche Proben- und Netzparameter wurden über Variable parametrisiert. Der gesamte
Analyseablauf für eine Probe erfolgte mittels Makrosteuerung automatisch, was die
Bewältigung des großen Rechenaufwandes für die Vielzahl der untersuchten Parameter-
kombinationen überhaupt erst ermöglichte. Die Knotenanzahl der berechneten Modelle lag
zwischen 8000-15000 Knoten. Zur Berechnung einer Probe wurden etwa 20-50 FE-Modelle
unterschiedlicher Rißlänge analysiert, die Rechenzeit mit der FE-Software ANSYS 5.0 auf
einem Personalcomputer AT486 betrug dafür zwischen 8-24 Stunden.
Die für die Modellierung verwendeten Materialeigenschaften für Faser und Matrix können als
repräsentativ für spröde Glasfaser-Kunststoffmatrixsysteme angesehen werden. Die
Matrixeigenschaften sind mit denen von Epoxidharz und Polycarbonat vergleichbar.
Tabelle 5.1 Elastische Eigenschaften der modellierten Faser-Matrix-Systeme
Faser (Glas) Matrix 1 (Epoxidharz) Matrix 2 (Polycarbonat)
E GPaf 80
G GPaf 30,8
f 0,3
E GPam 5
G GPam 1 92,
m 0,3
E GPam 2,5
G GPam 0,96
m 0,3
Ausgehend von diesen Werten wurden auch geänderte Varianten untersucht.
99
5.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen
5.3.3.1 Compliance und Energiemethode
Die durchgeführte FE-Modellierung bleibt auf die lineare Beschreibung der Deformation und
des Materialverhaltens beschränkt. Damit ist zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate auch
deren lineare Definition aus der Compliance ( ) ( ) ( )C l u P l P ld d d= , / hinreichend:
( ) ( )G P l
P
r
dC l
dld
f
d
d
, = ⋅2
4π (5.6).
Aus der FE-Modellierung werden diskrete Werte für die Abhängigkeit der Nachgiebigkeit
( ) ( )( )C li d i von der Rißlänge erhalten. Eine Interpolation der Ergebnisse, z.B. durch stückweise
Polynomfunktionen, ermöglicht die näherungsweise Berechnung der Ableitung und damit der
Energiefreisetzungsrate entsprechend Gl. 5.6. Dieses Verfahren wurde bereits in Kap. 2.3.3.1
als Compliance-Methode am Beispiel der DCB-Probe vorgestellt [82].
Die ebenfalls dort als Energie-Methode beschriebene, alternative Berechnungsvariante kann
völlig analog verwendet werden, um die Energiefreisetzungsrate aus den Ergebnissen des
Modells für die in den Elementen gespeicherte elastische Energie U zu ermitteln:
( ) ( )G P l
r
U P l
ld
f
d
d P const
,,
= ⋅=
1
2π
∂
∂ (5.7).
Beide Verfahren beziehen sich auf unabhängige Ergebnisse der FE-Modellierung. Trotzdem
liefern sie beim hier vorgestellten FE-Modell praktisch völlige Übereinstimmung über den
gesamten Rißlängenbereich (Abb. 5.5) für alle untersuchten Proben.
0,5
1,0
1,5
2,0
0 10 20 30 40 50 60 70Grenzflächenrißlänge l d [µµµµm]
G aus KG aus CG aus UE f = 80 GPa; ν f = 0,3
E m = 5 GPa; ν m = 0,3
r f = 5 µm
l f = 75 µm
G
G Frei
0,99
1,00
1,01
0 10 20 30 40 50 60 70
Relative Abweichung zwischen den Methoden
G(E)
G(K)
Grenzflächenrißlänge l d
Abb. 5.5 Vergleich der Methoden zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen: Energiemethode (U); Compliancemethode (C); Berechnung aus den Spannungsintensitätsfaktoren (K)
100
5.3.3.2 Bestimmung der ‘Mixed-Mode’-Anteile aus den Rißspitzen-
nahfeldern
Die unterschiedlichen bruchmechanischen Belastungsanteile in der Rißspitzenumgebung
werden aus der Untersuchung der dort auftretenden Spannungsfelder ermittelt. Die prinzipielle
Verfahrensweise der Extrapolation der Spannungsintensitätsfaktoren aus den an den Ligament-
knoten erhaltenen Näherungswerten entspricht dabei dem im Kapitel 2.3.3.2 für die DCB-
Probe dargestellten Verfahren. Allerdings unterscheiden sich die Terme für die singulären
Felder. Die singulären Ausdrücke für einen Riß an der Grenzfläche zwischen zwei elastischen
Materialien wurden von WILLIAMS und RICE entwickelt und sind in [161] und [171]-[173]
erläutert. Für die Spannungen auf dem Ligament ergibt sich folgender Zusammenhang im
Rißspitzensystem (r... Abstand zur Rißspitze, ϕ ... Winkel zum Ligament):
( ) ( ) ( )σ σπ
ϕϕ ϕεligament
rligament i rr i r
K i K
re+ ⋅ =
+ ⋅⋅ ⋅1 2
2
ln (5.8).
Der Parameter ε ist die sogenannte Bimaterialkonstante und folgt aus den elastischen
Eigenschaften beider Materialien (Fall: ebener Verzerrungszustand):
( )( )
επ
ν
ν= ⋅
− +
− +
1
2
3 4 1
3 4 1f f m
m m f
G G
G G
/ /
/ / (5.9).
Für übereinstimmende, elastische Materialeigenschaften gilt ε = 1 und Gl. 5.8 nimmt die
bekannte Gestalt für isotrope Materialien an. Allgemein ist häufig ε <<1 erfüllt, so auch für
die hier modellierten Materialsysteme (Tab. 5.1): εFaser Matrix/ ,1 0 082= − ; εFaser Matrix/ ,2 0 088= − .
In der Formulierung Gl. 5.8 werden die Ligamentspannnungen durch einen komplexen
Spannungsintensitätsfaktor K K i K= + ⋅1 2 festgelegt. Im Gegensatz zu den homogenen
Materialien findet beim Riß an einer Grenzfläche keine generelle Entkopplung zwischen den
Komponenten des Spannungsintensitätsfaktors (K1 bzw. K2 ) und der Scher- bzw. Normal-
spannungskomponente ( ( )σ ϕrligament r und ( )σϕϕ
ligament r ) statt [161]. Ursache dafür ist das Auftreten
eines distanzabhängigen Faktors ( )e i rε⋅ln neben der üblichen r−1 2/ -Abhängigkeit für den Betrag
der Spannungen. Dieser bewirkt eine Rotation um einen Winkel ( )ε ⋅ ln r im komplexen Raum
bei der Zuordnung der Spannungskomponenten ( ) ( )σ σϕϕ ϕligament
rligamentr i r+ ⋅ zu den Komponenten
des komplexen Spannungsintensitätsfaktors K K i K= + ⋅1 2 . Eine Entkopplung ist nur für
diskrete Abstände rn gegeben, für die der Winkel ein Vielfaches von π ergibt: ( )n rn⋅ = ⋅π ε ln ,
dazwischen ist jede beliebige Zuordnung der Komponenten denkbar. Für die Beschreibung
realer Proben erweist sich die Oszillation im Hinblick auf die Mehrfachkeit der Lösungen
allerdings als bedeutungslos, da aufgrund der logarithmischen Abhängigkeit zwischen
Rißspitzendistanzen rn für unterschiedliche Perioden n mehrere Größenordnungen Unterschied
101
bestehen: ( )r rn n+ =1 / exp /π ε . Am Beispiel εFaser Matrix/ ,1 0 082= − ergibt sich für
r rn n+−≈ ⋅1172,3 10/ , was die praktische Irrelevanz der Vorstellung einer „Oszillation“ der
Felder anschaulich demonstriert: der Abstand zwischen zwei benachbarten Perioden entspräche
gerade dem Verhältnis von Atomgröße (10 10− m ) und dem doppelten Durchmesser der Erd-
kugel (1 2 10 7, ⋅ m ). Die vieldiskutierte Oszillation und das damit verbundene Überlappen der
Rißufer im theoretischen Modell [174] verlieren sich in der inelastischen Prozeßzone, über
deren innere Verhältnisse im Rahmen der Bruchmechanik keine Aussage gemacht werden kann
und werden soll. Ist diese Zone ausreichend klein gegenüber der äußeren Geometrie (beschrie-
ben durch die „charakteristische Länge“), so würde auch eine exakte Berücksichtigung der
tatsächlich in der Prozeßzone auftretenden Randbedingungen eine Spannungsverteilung liefern,
die durch Gl. 5.8 mit guter Genauigkeit im Bereich oberhalb der Größe der Prozeßzone und
unterhalb der Größe der charakteristischen Länge wiedergegeben wird [161]. Die Gültigkeit
der singulären Felder entsprechend Gl. 5.8 wurde auch durch die Ergebnisse der FE-
Modellierung bestätigt, bei der die Prozeßzone gewissermaßen durch die Größe der
Rißspitzenelemente r rc f= ⋅0 001, repräsentiert wird.
Aus den singulären Spannungen entsprechend Gl. 5.8 kann für jeden Knoten m auf dem
Ligament eine Näherung für die Komponenten des komplexen Spannungsintensitätsfaktors
berechnet werden [173]. Die Extrapolation auf die Rißspitze kompensiert den Einfluß der
nichtsingulären Spannungsfelder, wie in Kapitel 2.3.3.2 beschrieben:
( ) ( )( )( )( ) ( )( )( )K i K r e r i r
r
i r ligamentm r
ligamentm
m
1 20
2+ ⋅ = ⋅ ⋅ + ⋅
→
− ⋅lim
lnπ σ σ
ε
ϕϕ ϕ (5.10)
Wegen der Linearität der sich aus den FE-Resultaten ergebenden Verteilung ist die
Extrapolation problemlos möglich (Abb. 5.6).
Abb. 5.6 Beispiel für Extrapolation der Mode-1- und Mode-2- Spannungsintensitätsfakto-ren aus den Spannungser-gebnissen des FE-Modells an den Ligamentknoten
-0,3
-0,2
-0,1
0,0
0,1
0,2
0,3
0,05 0,10 0,15 0,20
Abstand von Rißspitze r [µµµµm]
K m K 1, (k)
K 2, (k)
K m,(k) aus σ ij,(k)
Ligament
102
Der Zusammenhang zwischen der Energiefreisetzungsrate und den Komponenten des
komplexen Spannungsintensitätsfaktors kann für das axialsymmetrische System in sehr guter
Näherung durch die Ausdrücke für den ebenen Verzerrungszustand ([161], [172]) vermittelt
werden [148]:
( ) ( )G K
G GK
f
f
m
m1 1 1
2
1 1
4=
−+
−
⋅⋅
ν ν
πεcosh (5.11a)
( ) ( )G K
G GK
f
f
m
m2 2 2
2
1 1
4=
−+
−
⋅⋅
ν ν
πεcosh (5.11b)
( ) ( ) ( )G K K G K G K1 2 1 1 2 2, = + (5.11c)
Durch die hohe Steifigkeit der Faser wird eine Deformation in Umfangsrichtung in
unmittelbarer Umgebung der Faseroberfläche nahezu vollständig verhindert, so daß hier
praktisch die Bedingungen des ebenen Verzerrungszustandes realisiert sind [175]. Die
Richtigkeit dieser Annahme kann über den Vergleich der FE-Ergebnisse für die aus der
Compliance-, der Energie-Methode und den Spannungsintensitätsfaktoren ermittelten Werte
der Energiefreisetzungsrate bestätigt werden. Die Methoden liefern eine außerordentlich gute
Übereinstimmung (Abb. 5.5).
Ermittelt man den komplexen Spannungsintensitätsfaktor K aus den singulären Feldern um die
Rißspitze gemäß z.B. Gl. 5.10, so ergibt sich der zunächst unerwartete Effekt, daß das
Verhältnis seiner beiden Komponenten K K2 1/ , also gewissermaßen das ‘Mixed-Mode’-
Verhältnis, vom bei der Modellierung verwendeten Maßeinheitensystem für den Abstand zur
Rißlänge r abhängt. Ursache ist wiederum der Faktor ( )ε ⋅ ln r , der eine Drehung im komplexen
Raum der Spannungszustände beschreibt. Er ist der Ausdruck für die Tatsache, daß sich das
Verhältnis von Scherspannungskomponente zu Normalspannungskomponente auf dem
Ligament eines Risses zwischen unterschiedlichen elastischen Materialien mit dem Abstand
von der Rißspitze ändert [161]. Im Gegensatz zum Riß in homogenen Materialien wird der
Belastungszustand beim Grenzflächenriß also nicht durch ein konstantes Verhältnis von
Normalbelastung und Scherbelastung in der Rißebene charakterisiert.
Dennoch beschreiben die zwei Konstanten K1 und K2 die in der Nähe der Rißspitze
auftretenden Felder eindeutig. Lediglich die strenge Zuordnung von K2 zur Scherbelastung
und von K1 zur Normalbelastung der Rißebene ist wegen der Änderung des Verhältnisses
dieser Spannungskomponenten mit dem Abstand r von der Rißspitze nicht mehr generell
möglich. Nur für jeweils einen Abstand r, an dem der Wert dieser Distanz den Betrag r = 1
103
annimmt, existiert diese Zuordnung (wenn man die hypothetische „Oszillation“ außer acht
läßt). Diese Stelle ist durch das Verschwinden der Winkeldifferenz zwischen der komplexen
Spannung und dem komplexen Spannungsintensitätsfaktor in Gl. 5.8 gekennzeichnet:
( )ε ⋅ = =ln r 1 0 .
Der Übergang zu einem anderen Einheitensystem [ ]r' entspricht einfach nur einer Transformation der Komponenten des Spannungsintensitätsfaktors, um dieser entkoppelten
Zuordnung an der neuen Position r' = 1 zu entsprechen. Die Spannungsfelder bleiben davon
unberührt. Das eigentliche Problem ist die mathematisch unklare Definition von Gl. 5.8, in
welcher der Logarithmus auf eine mit einer Maßeinheit versehene Größe angewendet wird. Die
Wahl einer Maßeinheit [ ]r bei seiner Ausführung impliziert immer die Vorgabe eines Normierungsabstandes [ ]r r0 1= ⋅ , der gerade einer Einheit dieses Maßes entspricht:
( ) ( )ε ε⋅ → ⋅ln ln /r r r0 . Für diesen Abstand r0 auf dem Ligament ist die reine Zuordnung
( ) ( )K r rligament1 0 0⇔ σϕϕ und ( ) ( )K r rr
ligament2 0 0⇔ σ ϕ der Komponenten des Spannungsintensitäts-
faktors zu den Spannungskomponenten realisiert. Die Transformation von einem auf die
Maßeinheit [ ]r bezogenen Spannungsintensitätsfaktor [ ]( )K r auf den Wert ( )K r0 ist in
identischer Weise für einen beliebigen Rißspitzenabstand r0 möglich und folgt einfach aus
einer Umformung von Gl. 5.8:
( ) ( ) ( ) [ ]( ) [ ]( )( ) [ ]( )
( ) ( )( )
σ σπ π
π
ϕϕ ϕε
εε
ε
ligamentrligament i r
i r ri
r
r
ir
r
r i rK i K
re
K r i K r e
re
K r i K r
re
+ ⋅ =+ ⋅
⋅ =+ ⋅ ⋅
⋅
=+ ⋅
⋅
⋅
⋅⋅
⋅
1 2 1 2
1 0 2 0
2 2
2
0
0
0
ln
ln /ln
ln
(5.12).
Die Transformation von dem im Maßeinheitensystem [ ]r ermittelten Spannungsintensitäts-faktor auf einen beliebigen Normierungsabstand r0 wird vermittelt durch:
( ) ( )( ) [ ]( ) [ ]( )( ) [ ]( )K r i K r K r i K r ei r r
1 0 2 0 1 20+ ⋅ = + ⋅ ⋅ ⋅ε ln /
(5.13).
Die Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den transformierten Werten ( )K r0 erfolgt
entsprechend den Gl. 5.11. Das Ergebnis für den Gesamtwert ( ) ( )( )G K r K r1 0 2 0, ist unabhängig
vom gewählten Normierungsabstand r0 , nur die Aufteilung auf die Moden ( )( )G K r1 1 0 und
( )( )G K r2 2 0 wird davon beeinflußt.
Die Werte für die Komponenten des Spannungsintensitätsfaktors oder der Energiefrei-
setzungsrate können für einen Grenzflächenriß demnach nicht unabhängig von einem
zugrundegelegten Normierungsabstand r0 angegeben werden. Das daraus abzuleitende ‘Mixed-
Mode’-Verhältnis ( ) ( )K r K r2 0 1 0/ charakterisiert den speziellen Wert für das Verhältnis von
104
Scherspannung zu Normalspannung ( ) ( )σ σφ ϕφrligament ligamentr r0 0/ , der auf dem Ligament an der
Position des Normierungsabstandes r0 eingenommen wird.
Obwohl die strenge Zuordnung von Mode 1 zur Normalbelastung und von Mode 2 zur Scher-
belastung beim Grenzflächenriß nicht gegeben ist, bleibt in der Praxis dennoch eine gewisse
Korrelation erhalten. Die durch den Winkel ( )ε ⋅ ln /r r0 vermittelte Drehung des Spannungs-
zustandes über den Bereich, in dem die singulären Felder überhaupt gültig sind, ist wegen des
meist sehr kleinen Wertes für ε gering. Dieser Bereich beginnt etwa eine Dekade unterhalb der
charakteristischen Abmessung und erstreckt sich höchstens über ein bis zwei Dekaden bis
hinab zur Prozeßzonengröße. Für das hier berechnete Materialsystem mit εFaser Matrix/ ,1 0 082= −
folgt für die Rotation des Spannungszustandes ein Wert von ca. 11° pro Abstandsdekade. Wird
der zur Definition der Spannungsintensitätsfaktoren benötigte Normierungsabstand r0 in der
Größenordnung zwischen Prozeßzone und charakteristischer Abmessung gewählt, so ist über
diesen Bereich die Zuordnung von ( )K r1 0 zur Normalbelastung ( )σϕϕligament r0 und von ( )K r2 0
zur Scherbelastung ( )σ ϕrligament r0 näherungsweise erfüllt.
5.3.4 Berechnung der Last-Verschiebungs-Kurven
Die Energiefreisetzungsrate G liefert das bruchmechanische Kriterium, ob für eine Probe mit
einer aktuellen Rißlänge ld unter einer Belastung P Rißausbreitung stattfindet:
( ) ( )G P l G ld c d, ≥ (5.14).
Die kritische Größe Gc entspricht der für eine Erhöhung der Rißfläche vom Material veraus-
gabten Energie. Diese wird aber neben den Materialeigenschaften auch noch durch die
Mechanismen bestimmt, unter denen sich die Rißausbreitung vollzieht. Im allgemeinen
existieren unterschiedliche mikroskopische Prozesse des Versagens, die in Abhängigkeit von
der äußeren Belastung angeregt werden. Die kritische Energiefreisetzungsrate ist daher für
reale Materialien keine Konstante, sondern hängt von der Geometrie und der aktuellen
Belastung ab. Sie wird im Einzelfaser-Auszugs-Versuch durch die Überlagerung von Radial-
und Normalspannungskomponenten in der Grenzfläche bestimmt, die sich im Verlauf der
Rißausbreitung ändern. In Gl. 5.14 wird dies durch die Annahme einer Rißlängenabhängigkeit
der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G lc d berücksichtigt.
Aus der Definition der Energiefreisetzungsrate ( )G P ld, entsprechend Gl. 5.6 kann die zur
Ausbreitung des Risses (d.h. zur Erfüllung von Gl. 5.14) bei einer bestimmten Rißlänge
notwendige äußere Kraft ( )P ld d berechnet werden:
105
( )( ) ( )( )
P l G lr G l
dC l
dl
d d c df c d
d
d
, =⋅
4π (5.15).
Die dazu gehörende Verschiebung ( )u Pd d des in die Prüfmaschine eingespannten Endes der
freien Faser ergibt sich über die Compliance ( )C ld der Probe am Matrix-Austrittspunkt der
Faser und der Dehnung des freien Faserteils l frei :
( )( ) ( ) ( )u P l l P l C ll
E rd d d frei d d d
frei
f f
, = ⋅ +
π 2 (5.16).
Die Belastung durch die Prüfmaschine erfolgt meist verschiebungsgesteuert. Das Rißwachstum
kann dafür nur solange stabil gehalten werden, wie zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts
der Rißausbreitung entsprechend Gl. 5.15 und 5.16 eine Steigerung der Lastverschiebung
( )u Pd d mit der Rißlänge notwendig ist. Kommt man über diesen Bereich hinaus, kann die
Prüfmaschine auf Grund der Trägheit nicht schnell genug die Lastverschiebung auf den sich
verringernden Gleichgewichtswert zurücknehmen. Dies entspricht dem Beginn des instabilen
Rißwachstums und der Riß breitet sich schlagartig entlang der gesamten, verbleibenden
Grenzfläche aus.
Für lange freie Faserlängen bleibt der Ausdruck in der Klammer auf der rechten Seite nahezu
konstant, und die Änderung der Lastverschiebung ist proportional der Änderung der Lastkraft.
In diesem Fall entspricht der Beginn der instabilen Rißausbreitung auch der maximalen
Debondingkraft ( )[ ]P Max P ld dmax = , die zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der
Rißausbreitung nach Gl. 5.15 erforderlich ist.
Die zur stabilen Rißausbreitung benötigte Belastung ( )( )P l ud d d kann entsprechend den
Gl. 5.15 und 5.16 aus den Ergebnissen der FE-Modellierung für die Compliance berechnet
werden. Für die Beschreibung der Rißlängenabhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungs-
rate ( )G lc d muß eine Modellannahme getroffen werden. Die in dieser Arbeit dafür gewählte
Näherung wird im nächsten Kapitel vorgestellt.
5.3.5 ‘Mixed-Mode’-Kriterium für Grenzflächenversagen
Die Prozesse, die für das Versagen der Grenzfläche verantwortlich sind, vollziehen sich in
einem räumlichen Gebiet unmittelbar um die Rißspitze, das einer Prozeßzone der
Rißausbreitung entspricht [161]. Innerhalb dieser Zone kann nicht mehr von der Gültigkeit des
linear elastischen Materialverhaltens ausgegangen werden: infolge von Mikrorißbildung,
Crazing, Fließen und ähnlichen Vorgängen ist das Deformationsverhalten sehr kompliziert und
die tatsächlichen, lokalen Materialgesetze sind einer Modellierung kaum zugänglich.
106
Bleibt diese Zone jedoch auf eine Größe beschränkt, die sehr klein gegenüber der charak-
teristischen Abmessung für die elastischen, singulären Felder ist, so werden sich diese relativ
unbeeinflußt in der elastischen Umgebung ausbilden, welche die Prozeßzone einschließt. Diese
verursacht dann lediglich eine kleine Störung der linear elastischen Rißgeometrie. Die Gestalt
der singulären Felder ist allein durch die Form des Risses festgelegt, ihre Intensität wird von
der äußeren Geometrie bestimmt und durch die 3 Spannungsintensitätsfaktoren K1 , K 2 und
K 3 charakterisiert. Die Belastung der Prozeßzone kontrolliert das Versagen. Im Fall
ausreichend geringer Größe der Zone ist die Belastung dann ausschließlich durch die Intensität
der Moden der singulären Felder bestimmt und wird durch die Werte der Spannungs-
intensitätsfaktoren vollständig beschrieben [161]. Jeder möglichen Belastung der Prozeßzone
entspricht in diesem Modell ein Punkt im Raum der drei Spannungsintensitätsfaktoren
{ }K K K1 2 3, , und jeder Richtung in diesem Raum ist eindeutig ein Punkt zugeordnet, an dem
Versagen auftritt. Die Gesamtheit dieser Punkte bildet eine zusammenhängende Fläche
( )F K K K1 2 3, , , welche für eine beliebige Überlagerung der Moden { }K K K1 2 3: : die zum
Versagen notwendige Belastung der Grenzfläche charakterisiert. Der Ausdruck ( )F K K K1 2 3, , ,
der diese Fläche beschreibt, wird als Versagenskriterium bezeichnet. Die Form der Fläche ist
für jedes Materialsystem unterschiedlich und zunächst völlig unbekannt. Sie muß aus experi-
mentellen Untersuchungen rekonstruiert werden, deren Realisierung schwierig ist. Ein häufig
beschrittener Weg ist die Annäherung der Fläche durch eine Approximationsfunktion, deren
Parameter aus dem Experiment ermittelt werden.
Abb. 5.7 Demonstration des Einflusses des Normierungsabstandes r0 , der eine
Drehung des elliptischen ‘Mixed-Mode’-Versagenskriteriums bewirkt (Darstellung im K-Koordinatensystem mit r m0 1= µ ).
Die Punkte auf der Versagenskennlinie markieren die Lastzustände der Probe, die bis zum Erreichen der maximalen Debondingkraft Pmax durchlaufen werden.
-2,0
-1,5
-1,0
-0,5
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
0,5 1,0 1,5
K 1 (r 0= 1 µµµµm)
K 2 (r 0= 1 µµµµm)
G 2c / G 1c=( K 2c / K 1c ) 2= 4
r 0= 1 µm
r 0= 0,001 µm
Ef =80 GPa
Em =5 GPa
νf = νm = 0,3ε = -0,082
107
Der einfachste Ansatz für eine geschlossene Fläche im Raum ist ein Ellipsoid, das in seiner
Hauptachsendarstellung durch folgenden Zusammenhang formuliert wird:
K
K
K
K
K
Kc c
' ' '1
1c
2
2
2
2
3
3
2
1
+
+
= (5.17).
Das Versagensellipsoid ist der in der Bruchmechanik homogener Materialien verbreiteteste
Ansatz für ein Versagenskriterium [17].
Für die hier betrachtete Einzelfaserauszugsgeometrie tritt in der Grenzfläche nur eine ebene
Belastung auf, die durch { }K K1 2, beschrieben wird, so daß sich Gl. 5.17 auf eine
Ellipsengleichung reduziert.
Im allgemeinen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Hauptachsen der Ellipse
parallel zu den Achsen des Systems der Spannungsintensitätsfaktoren { }K K1 2, orientiert sind.
Eine um einen bestimmten Winkel gedrehte Lage der Ellipse sollte berücksichtigt werden.
Die praktische Rechtfertigung dafür ergibt sich aus dem Vergleich mit experimentell
ermittelten Versagenskriterien ([56], [161], [176], [177]).
Andererseits folgt die Berücksichtigung einer Drehung auch zwingend aus der Tatsache, daß
die Komponenten des komplexen Spannungsintensitätsfaktors für einen Grenzflächenriß immer
nur bezogen auf einen ganz bestimmten Normierungsabstand r0 angegeben werden können
(siehe Kap. 5.3.3). Die Wahl einer anderen Basislänge r'0 erfordert zur Beschreibung des
selben realen Lastzustandes eine Transformation (Gl. 5.13) der Komponenten des Spannungs-
intensitätsfaktors: ( ) ( )( ) ( ) ( )( ) ( )K r i K r K r i K r ei r r1 0 2 0 1 0 2 0
0 0' ' ln ' /+ ⋅ = + ⋅ ⋅ ⋅ε . Diese entspricht gerade
einer Drehung im Koordinatensystem { }K K1 2, um den Winkel ( )ε ⋅ ln ' /r r0 0 . Für die
Beschreibung der Belastung und des dadurch verursachten Versagens ist die zur Formulierung
der Spannungsintensitätsfaktoren gewählte Basislänge r0 physikalisch völlig unerheblich. Ein
und dasselbe Versagensverhalten wird bei Zugrundelegung verschiedener Basislängen durch
gegeneinander verdrehte Versagensellipsen in den transformierten Systemen beschrieben (siehe
Abb. 5.7). Zur Vereinfachung des Ausdrucks für eine bestimmte Ellipsengleichung kann daher
diejenige Basislänge r0 benutzt werden, für welche die Ellipse parallel zu dem dazugehörigen
System der Spannungsintensitätsfaktoren ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0, orientiert ist. In diesem System
ergibt sich einfach die Hauptachsendarstellung des Versagensellipsoids:
( ) ( )K r
K
K r
K c
1 0
1c
2
2 0
2
2
1
+
= (5.18).
Die Basislänge r0 erhält bei dieser Vorgehensweise die Bedeutung eines Parameters, der die
Transformation der Ellipse in ihr Hauptachsensystem vermittelt und aus der Anpassung an die
experimentelle Versagenskurve erhalten werden kann. Die Gestalt der Ellipse wird durch die
108
Hauptachsenwerte K1c und K c2 bestimmt. Im Hauptachsensystem ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0, ent-
sprechen sie den kritischen Werten der Spannungsintensitätsfaktoren für den reinen Mode-1-
bzw. Mode-2-Belastungsfall. Diese Werte verkörpern Extremwerte des Versagenswiderstan-
des. Es wäre plausibel, wenn sie in einer Versagenskennlinie realer Grenzflächen physikalisch
unterschiedliche Versagensmechanismen repräsentieren, etwa auf Grundlage von Normal- und
Scherbelastung der Prozeßzone. Eine entsprechende Zuordnung von Mode 1 zur Normalspan-
nung und Mode 2 zur Scherspannung an der Grenze der Prozeßzone wird erreicht, indem r0 in
der Größenordnung der Ausdehnung dieses Gebiets gewählt wird. Obwohl diese Argumen-
tation nur hypothetisch ist, sollte sie zumindest einen Anhaltspunkt für die Größenordnung des
Parameters r0 bieten. Überlegungen in ähnlicher Richtung sind auch in [161] vorgestellt.
Das ‘Mixed-Mode’-Versagenskriterium für die Grenzfläche im Modell wird also durch 3
Parameter festgelegt: K1c , K c2 und r0 .
Der Zusammenhang zur Energiefreisetzungsrate wird durch die Gl. 5.11 vermittelt. Eine
Formulierung des Versagenskriteriums Gl. 5.18 in den ‘Mixed-Mode’-Anteilen ( )G r1 0 und
( )G r2 0 für die Basislänge r0 ergibt:
( ) ( )G r
G
G r
G c
1 0
1c
2 0
2
1
+
= (5.19)
in welcher die Eigenschaften der Grenzfläche durch die Parameter G1c , G c2 und r0 beschrie-
ben werden. Über empirische Betrachtungen der Energiefreisetzungsrate kommt [176] zu
einem vergleichbaren Versagenskriterium für ‘Mixed-Mode’-Probleme. Aus der Versagens-
kennlinie Gl. 5.19 läßt sich die Abhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate
( ) ( )G G r G rc = +1 0 2 0 vom ‘Mixed-Mode’-Verhältnis ( ) ( ) ( )Θ1 2 0 1 0 2 0/ /r G r G r= ableiten:
( )( ) ( )
( )G G G r G
r
rG
G
c c c
c
2 1c 1 2 0 21 2 0
1 2 02
1c
1
1
, , //
/
ΘΘ
Θ
= ⋅+
⋅
+
(5.20)
Bei der Einzelfaserauszugsprobe hängt dieses Verhältnis von der Rißlänge ld ab:
( )Θ Θ1 2 1 2 0/ / ,= l rd . Damit ergibt sich der zur Berechnung des Lastverlaufs bei stabiler
Rißausbreitung in Gl. 5.15 benötigte Zusammenhang für die kritische Energiefreisetzungsrate
( ) ( )( )G l G G G l rc d c c d= 2 1c 1 2 0, , ,/Θ . Das ‘Mixed-Mode’-Verhältnis ( )Θ1 2 0/ ,l rd kann aus den
Ergebnissen der FE-Modellierung berechnet werden. Beispiele für den Verlauf der
Abhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate von der Rißlänge für verschiedene
Annahmen der Grenzflächenparameter G1c , G c2 und r0 sind in Abb. 5.8 dargestellt.
109
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
1,2
1,4
0 20 40 60 80Grenzflächenrißlänge l d [µµµµm]
G c (l d )
G c (P max )
G 2c /G 1c= 1
G 2c /G 1c = 2; r 0= 1 µm
G 2c /G 1c = 4; r 0= 0,001 µm
G 2c /G 1c = 4; r 0= 1 µm
'Mixed-Mode'-Grenzflächenparameter
E m= 80 GPa; E m= 5 GPa; ν f = ν m= 0,3; l f= 75 µm; r f = 5 µm
Abb. 5.8 Abhängigkeit des Wertes der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G lc d von der
aktuellen Rißlänge, infolge der Änderung des ‘Mixed-Mode’-Lastzustandes. Die Darstellung jeder Kurve ist normiert auf den Wert der kritischen
Energiefreisetzungsrate ( )G Pc max , der beim Erreichen der maximalen
Debondingkraft Pmax eingenommen wird.
110
6. Ergebnisse der mikromechanischen Modellierung
6.1. Ergebnisse der FE-Modellierung
6.1.1 Einfluß der geometrischen Abmessungen und elastischen Material-
eigenschaften auf die Energiefreisetzungsrate
Ausgewählte Ergebnisse der FE-Modellierung [178] für die Abhängigkeit der Energie-
freisetzungsrate ( )G P const ld= , von der Grenzflächenrißlänge ld bei konstanter Last P sind in
Abb. 6.1 dargestellt. Die darin wiedergegebenen Kurven unterscheiden sich in der Steifigkeit
des Matrixmaterials Em und der eingebetteten Faserlänge l f . Die Energiefreisetzungsrate des
Systems steigt während der Rißausbreitung unter konstanter Last P über nahezu den gesamten
Bereich der Faserlänge an. Für den praktisch häufigsten Fall einer nachgiebigen Versuchsein-
richtung resultiert dies in einem instabilen Verlauf der Rißausbreitung über die fast
vollständige Grenzfläche. Dieses Resultat wird durch die experimentellen Erfahrungen
bestätigt.
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0 1 2 3 4 5 6 7 8
ld [µµµµm]
E f = 80 GPa; r f = 5 µm;
ν f = ν m = 0,3
Em= 2,5 GPa; l f = 75 µmEm= 5 GPa; l f = 75 µmEm= 2,5 GPa; l f =200 µm
Em= 5 GPa; l f =200 µm
G(l d )
G Frei
Bereich um Minimum von G(l d )
a) b)
Abb. 6.1a Detailausschnitt des Anfangsbereichs der Rißausbreitung zur deutlicheren
Darstellung des Minimums der Energiefreisetzungsrate ( )G ld .
Abb. 6.1b Vergleich des Einflusses von eingebetteter Faserlänge l f und E-Modul der
Matrix Em auf Abhängigkeit der Energiefreisetzungsrate ( )G ld von der
Rißlänge ld (für konstante Last P). Die Darstellung der Energiefreisetzungsrate
erfolgt bezogen auf den Anteil der freien Faser G konstFrei = (Gl. 6.1).
Alle Kurven zeigen jedoch am unmittelbaren Beginn der Rißausbreitung bei sehr kurzen
Rißlängen zunächst eine abfallende Tendenz von G (Abb. 6.1a). Dieses Verhalten ermöglicht
eine bruchmechanische Interpretation der Initiierung der Rißausbreitung. Das Versagen wird
0
1
2
3
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200
Länge des Grenzflächenrisses ld [µµµµm]
Anteil der freien Faserlänge l f =75 µm
l f =200 µmMinimum in G
E f = 80 GPa
r f = 5 µm
ν f = ν m = 0,3
Em= 2,5 GPa; l f = 75 µmEm= 5 GPa; l f = 75 µmEm= 2,5 GPa; l f =200 µm
Em= 5 GPa; l f =200 µm
G(l d )
G Frei
111
infolge der hohen Spannungskonzentration im Bereich der Matrixoberfläche seinen Ausgang
an irgendeiner Störung in der Grenzfläche (‘Interface-Precrack’) nehmen. Schon bei sehr
geringer Belastung werden sich die winzigen, bereits in dieser Zone vorhanden, Bereiche ohne
Haftung weiter vergrößern. Da jedoch im Anfangsbereich die vom System gelieferte
Energiefreisetzungsrate mit der Rißausbreitung absinkt, ist zur Aufrechterhaltung des
Wachstums eines ‘Precracks’ eine ständige Erhöhung der Belastung P erforderlich. Erfolgt
diese nicht, kommt das Rißwachstum zum Erliegen. Die Rißinitiierung vollzieht sich also unter
Bedingungen stabilen Rißwachstums in definierter Weise. Erst wenn die Rißlänge einen
kritischen Wert ld is, überschreitet, beginnt die Energiefreisetzungsrate G mit der
Rißausbreitung zu wachsen und diese schlägt in einen instabilen Verlauf um. Der Wert ld is,
hängt von der Nachgiebigkeit des Testsystems und der Änderung der kritischen
Energiefreisetzungsrate ( )G lc d mit der Rißlänge ab. Für sehr nachgiebige Systeme (lange freie
Faserlänge) und konstantes Gc (ohne Berücksichtigung der ‘Mixed-Mode’-Abhängigkeit)
entspricht die kritische Rißlänge der Lage des Minimums von ( )G P const ld= , und liegt in der
Größenordnung des Faserradius.
Der Beginn der instabilen Rißausbreitung korreliert für den Fall langer freier Faserlänge mit
der experimentell bestimmbaren, maximalen Kraft der Belastungskurve des Einzelfaser-
Auszugstests ( ) ( )P u P ld is d ismax , ,= . Für kurze freie Faserlängen kann die Rißausbreitung auch
über das Kraftmaximum hinaus stabil erfolgen (siehe Kap. 5.3.4). Der Beginn der instabilen
Ausbreitung wird dann durch die Verschiebung des freien Faserendes am Lastkopf der
Prüfmaschine kontrolliert.
Lage und Wert des Minimums der Energiefreisetzungsrate zeigen eine nur geringe
Abhängigkeit von den geometrischen und elastischen Eigenschaften der Probe (Abb. 6.1a),
was den experimentellen Erfahrungen für die Änderung der maximalen Debondingkraft Pmax in
spröden Materialsystemen bei großen eingebetteten Faserlängen entspricht [136], [179]. Die
Wirkung von Variationen der POISSON-Zahlen und der Größe des Matrixtropfens ist absolut
gesehen ebenfalls gering, jedoch in derselben Größenordnung wie die von Faserlänge und
Matrixmodul.
Trotz der unterschiedlichen Eigenschaften der Proben zeigen alle Kurven in Abb. 6.1b ein
gemeinsames Plateau der Energiefreisetzungsrate ( )G P const ld= , für Rißausbreitung über den
Mittelteil der eingebetteten Faser. Um dies zu erklären, wurden die Beiträge der räumlichen
Bereiche der Probe zur Energiefreisetzungsrate untersucht. Dafür wurde im FE-Modell die
Geometrie in unterschiedliche Gebiete aufgeteilt und die Änderung der in ihnen gespeicherten
elastischen Energie mit der Rißausbreitung ermittelt (Abb. 6.2). Diese entspricht dem Anteil
des Gebietes an der gesamten Energiefreisetzungsrate des Systems. Dabei zeigt sich, daß der
überwiegende Teil der Energieänderung aus der Zunahme der freien Faserlänge ( )l lf d− durch
112
das Grenzflächenversagen entstammt [170]. Bei der Ausbreitung des Grenzflächenrisses um
eine Länge dld wird ein entsprechendes Stück der Faser von der umgebenden Matrix
freigegeben und kommt unter den vollen Einfluß der Last P. Die elastische Energie des freien
Teils der Faser steigt dabei um ( )P dl E rd f f2 22⋅ ⋅ ⋅ ⋅/ π an. Bezogen auf die Änderung der
Rißfläche 2πr dlf d⋅ ergibt dies einen Anteil an der Energiefreisetzungsrate von:
GP
E rFrei
f f
=2
2 34 π (6.1).
-1,0
-0,5
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 SUM
Index des Modellbereichs
Rißlänge
Modellparameter
Faser: E f = 80 GPa; ν f = 0,3
l f = 75 µm; r f = 5 µm
Matrix: E m = 5 GPa; ν m = 0,3
l m =r m = 300 µm
dargestellter Rißlängenbereich:
7,5 µm < l d < 65 µm
01
2
4 3
6 578
9
10
11
12G(l d )
G Frei
Abb. 6.2 Anteile der verschiedenen Zonen der Einzelfaser-Auszugs-Probe an der
Energiefreisetzungsrate ( )G ld während der Rißausbreitung (Darstellung
bezogen auf Anteil GFrei der freien Faser an ( )G ld )
0
10
20
30
40
50
60
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 SUM
Index des Modellbereichs
Rißlänge
Modellparameter
Faser: E f = 80 GPa; ν f = 0,3
l f = 75 µm; r f = 5 µm
l frei = 10 µm
Matrix: E m = 5 GPa; ν m = 0,3
l m =r m = 300 µm
dargestellter Rißlängenbereich:
7,5 µm < l d < 65 µm
01
2
4 3
6 578
9
10
11
12
U(l d )
Abb. 6.3 Anteile der verschiedenen Zonen der Einzelfaser-Auszugs-Probe an der
elastischen Energie ( )U ld während der Rißausbreitung.
113
Dieser einfache Ausdruck beschreibt den Plateauwert der Energiefreisetzungsrate im Bereich
mittlerer Grenzflächenrißlängen nahezu exakt (Abb. 6.1b). Er entspricht dem Ergebnis des
Modells von OUTWATER [163], der ihn in ganz analoger Weise für ein System aus
nachgiebigen Fasern in einer steifen Matrix ableitete. Die Gültigkeit kann jedoch, wie hier
gezeigt, viel weiter gefaßt werden. Der größte Teil der elastischen Energie ist auch bei
Systemen mit steifen Fasern und nachgiebiger Matrix im freien Teil der Faser gespeichert
(Abb. 6.3). Außer in der freien Faser herrscht eine hohe Energiedichte nur in einer, im
Vergleich zur Gesamtabmessung der Probe, kleinen Zone um die Rißspitze. Dieser Bereich
wandert jedoch während der Rißausbreitung nahezu ungeändert mit dem Riß mit. Die
Änderung der Energie und der Anteil an G aus diesen Gebieten ist daher gering. Lediglich für
kurze und lange Rißlängen „spürt“ die mitwandernde Zone die Begrenzungen der äußeren
Geometrie und erfährt merkliche Veränderungen. Diese resultieren in wesentlichen Anteilen an
der Energiefreisetzungsrate aus nahezu allen Gebieten der Probe. Im Fall kurzer Rißlängen
oder sehr fortgeschrittenen Grenzflächenversagens läßt sich kein einfaches analytisches Modell
zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate mehr formulieren.
Gelingt es durch Versteifung der Versuchseinrichtung (kurze freie Faserlängen!) die
Rißausbreitung bis in den Plateaubereich bei etwa der Hälfte der eingebetteten Faserlänge
stabil zu halten, so liefert der Anteil der freien Faser entsprechend Gl. 6.1 eine sehr gute
Näherung zur Bestimmumg der kritischen Energiefreisetzungsrate Gc . Unter diesem Aspekt
sind die kürzlich von HAMPE [132] mit einer verbesserten Testeinrichtung erzielten
Ergebnisse von besonderem Interesse.
6.1.2. Einfluß der ‘Mixed-Mode’-Belastung
Die lokale Belastung des Grenzflächenrisses ergibt sich aus einer Überlagerung von Radial-
und Normalspannungen, die im bruchmechanischen Kontext einem ‘Mixed-Mode’-Zustand
mit gemeinsamen Auftreten von Mode-1- und Mode-2-Komponenten der
Energiefreisetzungsrate entspricht. Diese wurden aus den Rißspitzennahfeldern des FE-
Modells nach dem in Kap. 5.3.3.2 beschriebenen Verfahren ermittelt.
114
Abb. 6.4 Aufteilung der Energie-
freisetzungsrate ( )G ld
auf die Moden ( )G r1 0
und ( )G r2 0 für eine
Wahl des Normierungs-abstandes r m0 1= µ .
Abb. 6.5 Aufteilung der Energie-
freisetzungsrate ( )G ld
auf die Moden ( )G r1 0
und ( )G r2 0 für eine
Wahl des Normierungs-abstandes r m0 0,01= µ .
In Abb. 6.4 sind die erhaltenen Abhängigkeiten ( )G ld1 , ( )G ld2 und ( ) ( ) ( )G l G l G ld d d= +1 2
für einen Wert der Basislänge r m0 1= µ an einem Beispiel dargestellt. Für Risse zwischen
unterschiedlichen Materialien kann, wie in Kap. 5.3.3.2 erläutert, die Festlegung der Moden
immer nur bezogen auf eine, im übrigen beliebige, Normierungslänge r0 erfolgen. Die Wahl
einer anderen Basislänge macht zur Beschreibung ein und derselben physikalischen Belastung
die Transformation der Moden des (komplexen) Spannungsintensitätsfaktors und der Energie-
freisetzungsrate erforderlich. Die Gesamtenergiefreisetzungsrate bleibt dabei unbeeinflußt,
lediglich deren Aufteilung auf die Moden 1 und 2 ändert sich. Dies wird aus dem Vergleich zu
Abb. 6.5 deutlich, welche eine Darstellung der gleichen Belastung wie in Abb. 6.4, jedoch mit
einer geänderten Wahl für die Normierungslänge r m0 0,01= µ , enthält. Der prinzipielle
Verlauf beider Kurven ist ähnlich. Der Beginn der Grenzflächenrißausbreitung vollzieht sich
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
0 10 20 30 40 50 60 70
Länge des Grenzflächenrisses l d [µµµµm]
E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3
E m = 5 GPa
r f = 5 µm; l f = 75 µm
P = konst
r 0 = 1 µm
G=G 1 +G 2
G 1 (r 0 )
G 2 (r 0 )G(l d )
G Frei
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
0 10 20 30 40 50 60 70
Länge des Grenzflächenrisses l d [µµµµm]
E f = 80 GPa
ν f = ν m = 0,3
E m = 5 GPa
P = konst
r 0 = 0,01 µm
G=G 1 +G 2
G 1 (r 0 )
G 2 (r 0 )G(l d )
G Frei
r f = 5 µm; l f = 75 µm
115
unter einer dominanten Mode-1-Belastung, die mit zunehmender Rißlänge stark abfällt. Der
Mode-2-Anteil der Belastung ist zu Beginn relativ gering, nimmt mit weiterer Rißausbreitung
jedoch rasch zu und bestimmt das Versagen über den größten Bereich der Rißausbreitung. Im
Plateaubereich der Energiefreisetzungsrate bleibt das Verhältnis der Moden nahezu konstant.
Das Minimum der Energiefreisetzungsrate für sehr kurze Rißlängen ist Ergebnis der Überla-
gerung der sich hier absolut und relativ zueinander extrem stark ändernden Lastkomponenten.
Der Einzelfaser-Auszugs-Versuch ist also ganz wesentlich durch ‘Mixed-Mode’-Belastungs-
zustände gekennzeichnet. Beim herkömmlichen Test mit nachgiebiger Versuchsdurchführung
infolge langer freier Faserlängen ist dies besonders kritisch. Hier tritt instabile Rißausbreitung
schon bei sehr kurzen Rißlängen auf, bei welcher sich der ‘Mixed-Mode’-Zustand sehr stark
ändert. Von Versuch zu Versuch werden damit die Kenngrößen für die Grenzfläche unter ganz
unterschiedlichen Belastungsbedingungen bestimmt, was ihre Vergleichbarkeit in Frage stellt.
Abb. 6.6 Abhängigkeit der zur Auf-rechterhaltung der Rißaus-breitung erforderlichen
Kraft ( )P ld d von der Riß-
länge. Die Variation der Grenzflächenparameter erfolgt unter der Voraus-setzung, daß für alle Kurven an der Position des
Kraftmaximums ( )l Pd max
der gleiche Wert
G kJ mc = 1 2/ für die
kritische Energiefrei-setzungsrate eingenommen wird.
Unter Nutzung des Modells Gl. 5.18 für ein ‘Mixed-Mode’-Versagenskriterium und der
Ergebnisse der FE-Modellierung wird die Abhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate
von der Rißlänge erhalten { }( )G G G r lc c d1c 2 0, , , (Gl. 5.20). Die Parameter { }G G rc c1 2 0, ,
beschreiben die Eigenschaften der Grenzfläche. Die zur Rißausbreitung notwendige Last
{ }( )P G G r ld c c d1 2 0, , , kann aus Gl. 5.15 berechnet werden und ändert sich mit der Rißlänge. Der
Einfluß der Grenzflächenparameter auf diese Abhängigkeit ist in Abb. 6.6 für eine
Beispielprobe demonstriert. Die dazugehörigen Last-Verschiebungskurven am Einspannende
der freien Faser sind in Abb. 6.7 für eine verhältnismäßig lange ( l mfrei = 500 µ ) und in
Abb. 6.8 für eine relativ kurze ( l mfrei = 60 µ ) freie Faserlänge wiedergegeben. Der Wert der
kritischen Energiefreisetzungsrate an der Position der maximalen Debondingkraft wurde für
alle Kurven als gleich angenommen: ( )( )G l P kJ mc d max /= 1 2 .
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
0 10 20 30 40 50 60 70
Länge des Grenzflächenrisses ld [µµµµm]
E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3; E m = 5 GPa
P d (l d )
[mN] G c (P max ) = 1 kJ/m 2
G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 µmG 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 µm
G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 µm
r f = 5 µm; l f = 75 µm
116
650
700
750
800
850
60 65 70 75Verschiebung des freien Faserendes u [µµµµm]
P d (u)
[mN]
E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3; E m = 5 GPa
r f = 5 µm; l f = 75 µm; l frei = 500 µµµµm
l d (P max ) = l d, is = 3,7 µm
G c (P max ) = 1 kJ/m 2
G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 µm
G 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 µm
G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 µm
l d (P max ) = l d, is = 6,8 µm
l d (P max ) = l d, is = 8,8 µm
Abb. 6.7 Kraft-Verschiebungs-Kurven für die große freie Faserlänge l mfrei = 500 µ
(„nachgiebige Versuchsanordnung“) für den Bereich stabiler Rißausbreitung beginnend bei einer Grenzflächenrißlänge l md,min = 1µ . Der Beginn der
instabilen Rißausbreitung wird durch den maximalen Wert von u charakterisiert. Der daran anschließende, schwach ausgezogene Teil der Kurven wird im realen Experiment nicht beobachtet. Alle Kurven besitzen an der Position des
Kraftmaximums ( )l Pd max den gleichen Wert G kJ mc = 1 2/ für die kritische
Energiefreisetzungsrate.
500
600
700
800
10 11 12 13 14 15Verschiebung des freien Faserendes u [µµµµm]
P d (u)
[mN]
E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3; E m = 5 GPa
r f = 5 µm; l f = 75 µm
l frei = 60 µµµµm
l d (P max ) = l d, is
= 3,7 µm
G c (P max ) = 1 kJ/m 2
G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 µm
G 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 µm
G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 µm
l d (P max ) = 6,8 µm
l d (P max ) = 8,8 µm
l d, is = 50 µm
l d, is = 50 µm
Abb. 6.8 Kraft-Verschiebungs-Kurven für die kurze freie Faserlänge l mfrei = 60 µ
(„steife Versuchsanordnung“) über den Bereich stabiler Rißausbreitung beginnend bei einer Grenzflächenrißlänge l md,min = 1µ . Der Beginn der
instabilen Rißausbreitung entspricht dem maximalen Wert von u und fällt im allgemeinen nicht mit dem Maximum der Debondingkraft zusammen. Informationen zur Darstellung siehe Abb. 6.7.
Der gezeichnete Bereich der Kurven entspricht einem Wachstum der Rißlänge von l md >1µ
bis l md < 65µ . Die Darstellung beginnt daher nicht im lastfreien Zustand und ist nur gültig für
den Bereich der stabilen Rißausbreitung. Aufgrund der Trägheit der Testeinrichtung kann die
117
Rißausbreitung nur solange stabil gehalten werden, wie zur Aufrechterhaltung des
Rißwachstums eine Erhöhung der Lastverschiebung u notwendig ist. Instabiles Rißwachstum
beginnt an dem Punkt, ab dem die Verschiebung ( )u ld in den Kurven wieder abnimmt. Der
schwach ausgezogene Teil der Kurven wird daher in der Realität nicht durchlaufen.
Für den Fall der langen freien Faser (Abb. 6.7) stimmt der Instabilitätspunkt mit dem Erreichen
der maximalen Lastkraft Pmax überein und wird bereits sehr früh, bei sehr niedrigen Werten der
Rißlänge ld , erreicht.
Das System mit der kurzen freien Faserlänge erlaubt stabile Rißausbreitung über einen viel
weiteren Bereich der Rißlänge (Abb. 6.7). Der Instabilitätspunkt liegt dabei hinter der Position
der maximalen Lastkraft Pmax .
Bereits bei der gewählten, zurückhaltenden Variation der Grenzflächenparameter wird
deutlich, daß diese für beide Systeme den Lastverlauf, die Maximalkraft Pmax und das
Eintreten der instabilen Rißausbreitung wesentlich beeinflussen. Obwohl das Modell rein
linear elastisch ist, ergeben sich infolge der stabilen Rißausbreitung nichtlineare
Belastungskurven. Das Ausmaß der Nichtlinearität und die Höhe der maximalen
Debondingkraft wird vor allem durch das Verhältnis G Gc c2 1/ der reinen Moden der kritischen
Energiefreisetzungsrate bestimmt. Je größer die relative Unempfindlichkeit der Grenzfläche
gegenüber Mode 2 (näherungsweise mit der Scherbelastung korreliert, siehe Kap. 5.3.3.2) ist
(G Gc c2 1 1/ > ), desto mehr wird der Beginn der instabilen Rißausbreitung verzögert.
In Abb. 6.9 ist illustriert, daß der ‘Mixed-Mode’-Belastungszustand in der Grenzfläche bei
Erreichen der Maximalkraft (P Pd = max ) wesentlich durch die Grenzflächenparameter festgelegt
wird. Sie kontrollieren sogar, ob der Beginn des instabilen Versagens unter dominanten
Mode-1- oder Mode-2-Bedingungen erfolgt.
Im allgemeinen sind Normalbelastungen (Mode 1) für Risse kritischer als Scherbelastungen
(Mode 2), was einem Verhältnis G Gc c2 1 1/ > entpricht. Dies wird aus der Literatur für
Grenzflächenrisse in besonderem Maße bestätigt ([161], [176], [177]). Die in [161]
präsentierte, experimentell ermittelte Versagenskurve für eine Glas-Epoxidharz-Grenzfläche
zeigt in Mode-2-Richtung eine um Größenordnungen breitere Ausdehnung [Abb. 6.10]. Dies
entspricht einem sehr großen Wert des Verhältnisses G Gc c2 1/ und resultiert praktisch in einer
weitestgehenden Unempfindlichkeit der Grenzfläche gegenüber dem Mode-2-Anteil der
Belastung. Allerdings erfolgte die experimentelle Bestimmung der Kennlinie an
makroskopische Proben, es ist daher nicht gewiß, ob sie in identischer Form auch auf
mikroskopischer Ebene gilt.
118
0,51
24
1
0,1
0,01
0,001
0,1
1
10
100
r 0 [µµµµm]
E f = 80 GPa
E m = 5 GPa
ν f = ν m = 0,3
l f = 75 µm
r f = 5 µm
G 2c / G 1c
G 1 / G 2 (P max )
Abb. 6.9 Einfluß der Grenzflächenparameter auf den ‘Mixed-Mode’-Zustand
( ) ( )G P G P1 2max max/ an der Position der maximalen Kraft Pmax
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
-90 -45 0 45 90
r 0 = 50 µµµµm
artcan[K 2 (r 0 )/K 1 (r 0 )] [ ° ]
G c (K 2 /K 1 )
[J/m 2 ]
-8
-6
-4
-2
0
2
4
6
8
0 2 4 6 8 10 12 14 16
K 1 (r 0 )
K 2 (r 0 )r 0 = 50 µµµµm
Abb. 6.10 An makroskopischen Proben bestimmte Versagenskennlinie für eine Glas-Epoxidharz-Grenzfläche [161]. Die Darstellung zeigt die Abhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate vom Positionswinkel des ‘Mixed-Mode’-
Zustandes im ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0; -Koordinatensystem. Bei der gewählten
Basislänge der Darstellung ergibt sich eine parallele Lage des Kriteriums zur
( )K r2 0 -Achse („Hauptachsensystem“), die auf eine geringe Empfindlichkeit der
Grenzfläche gegenüber Mode-2-Belastungen hindeutet.
Die Widerstandsfähigkeit der Grenzfläche hängt in realen Materialien stark vom Mode der
Belastung ab. Unter diesen Umständen erscheint eine Charakterisierung der Grenzfläche mit
nur einem Parameter, etwa der kritischen Energiefreisetzungsrate am Punkt der instabilen
Rißausbreitung, als nicht ausreichend. Im Rahmen des hier vorgestellten, einfachen Versagens-
modells wird die Grenzfläche durch die 3 Parameter { }G G rc c1 2 0, , beschrieben. Die kritische
Energiefreisetzungsrate ergibt sich daraus entsprechend Gl. 5.20 und hängt vom aktuellen
119
Belastungszustand G G1 2/ der Grenzfläche ab (Abb. 6.11). Zwischen den verschiedenen
mikromechanischen Versuchen, aber auch für einen einzelnen Test kann der
Belastungszustand in extremer Weise variieren. Die aus unterschiedlichen Versuchen
erhaltenen Werte für die kritische Energiefreisetzungsrate sind daher grundsätzlich kaum
vergleichbar.
Abb. 6.11 Abhängigkeit der kriti-schen Energiefreiset-zungsrate
( )G G G G Gc c1 2 2 1c/ , /
vom Mixed-Mode-Zustand G G1 2/ und
vom Grenzflächen-parameter G Gc2 1c/
entsprechend dem Versagenskriterium Gl. 5.20
Es kommt hinzu, daß die kritischen Werte im allgemeinen nur aus dem einzigen signifikanten
Punkt der experimentellen Meßkurve mikromechanischer Versuche ermittelt werden. Dieser
wird durch die maximal auftretende Lastkraft Pmax gestellt. Beim Einzelfaser-Auszugsversuch
wird diese ganz im Anfangsbereich der Rißausbreitung erreicht. Für kurze Rißlängen ist die
Belastungssituation der Grenzfläche jedoch extrem komplex und durch sich stark ändernde
‘Mixed-Mode’-Verhältnisse gekennzeichnet. Dies führt zu beträchtlichen Unsicherheiten bei
der Bestimmung der kritischen Parameter, wie in Abb. 6.12 verdeutlicht werden kann. Sie
beschreibt die Situation eines Experimentators, der aus dem Einzelfaser-Auszugsversuch den
Wert der maximalen Debondingkraft P Pd ismax ,= erhalten hat. Mit Hilfe des FE-Modells
möchte er daraus den Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate an dieser Stelle ermitteln.
Zwar hat er Informationen über die elastischen und geometrischen Eigenschaften der Probe,
kann allerdings für die Grenzflächenparameter G Gc c2 1/ und r0 nur Vermutungen anstellen.
Der aus dem Modell erhaltene Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G Pc c is, hängt
jedoch in empfindlicher Weise von den für diese Parameter getroffenen Annahmen ab. Da das
Verhältnis von Mode-2- und Mode-1-Belastbarkeit und der Wert der Basislänge r0 (inter-
pretierbar als Größe der Prozeßzone ?) für reale Materialien höchstens abgeschätzt werden
können, ist der ermittelte Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate sehr unsicher.
1/41/2
12
40,01
0,1
1
10
100
0
0,5
1
1,5
2
2,5
2-2,5
1,5-2
1-1,5
0,5-1
1/4
1/21
2
G 1 / G 2
G 2c / G 1c
G c
G c ( = 1)G 2c
G 1c
120
Abb. 6.12 Abhängigkeit der aus dem Modell für einen vorgegeben Wert der Maximalkraft Pmax
erhaltenen kritischen Energiefreisetzungsrate
( )G Pc max von der Wahl
der ‘Mixed-Mode’-Grenzflächenparameter.
Die Wichtigkeit der Berücksichtigung der Sensibilität der Grenzfläche gegenüber unterschied-
lichen Belastungssituationen ist abschließend in Abb. 6.13 illustriert. Darin ist der Einfluß der
Geometrie-, der Material- und der ‘Mixed-Mode’-Grenzflächenparameter auf die maximale
Debondingkraft gegenübergestellt. Von allen Parametern wirken sich jene, welche die
Grenzfläche beschreiben, am stärksten aus.
r 0 =1 µm
E m =5 GPa
l f =75 µm
νννν f =0,15G 2c /G 1c =1
G c,is=1 kN/m
r 0 =1 µm
E m =2,5 GPa
l f =75 µm
ν f =0,3
G2c /G 1c =1
G c,is=1 kN/m
r 0 =1 µµµµm
E m =5 GPa
l f =75 µµµµm
νννν f =0,3
G 2c /G 1c =1
G c,is=1 kN/m
r 0 =0,001 µµµµmE m =5 GPa
l f =75 µm
ν f =0,3
G 2c /G 1c =4G c,is=1 kN/m
r 0 =1 µm
E m =5 GPa
l f =75 µm
ν f =0,3
G 2c /G 1c =4G c,is=1 kN/m
r 0 =1 µm
E m =5 GPa
l f =200 µµµµm
ν f =0,3
G 2c /G 1c =1
G c,is=1 kN/m
100%
100% 101,1% 102,5%94,6% 90,6%
102,7%
Einfluß verschiedener Parameter auf die Maximalkraft P max beim Einzelfaser-Auszugs-Versuch
(Ref)
P max
P max(Ref)
Geometrie Material Grenzfläche
Abb. 6.13 Vergleich der Wirkung verschiedener Parameter auf Maximalkraft Pmax des
Debonding beim Einzelfaser-Auszugsversuch.
0,9
1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
0 1 2 3 4 5 6 7
'Mixed-Mode'-Parameter G 2c /G 1c
P max = konst
r 0 = 1 µm
r 0 = 0,1 µm
r 0 = 0,01 µm
r 0 = 0,001 µmG c (P max )
E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3
E m = 5 GPa
r f = 5 µm; l f = 75 µm
121
6.1.3 Schlußfolgerungen
Die Einzelfaser-Auszugs-Geometrie ist durch das Auftreten sehr inhomogener und komplexer
Spannungsfelder in der Matrix und entlang der Faser-Matrix-Grenzfläche gekennzeichnet, die
sich den Möglichkeiten einer einfachen, analytischen Beschreibung weitestgehend entziehen.
Von besonderer Bedeutung für das Versagensverhalten der Grenzfläche erweist sich die
Überlagerung von Belastungskomponenten in radialer Richtung auf die Faseroberfläche. Sie
lassen sich trotz der Besonderheiten des Lastzustandes an der Grenze zwischen unter--
schiedlichen Materialien bei vernünftiger Wahl des Normierungabstandes r0 mit dem Mode-1-
Anteil der bruchmechanischen Beschreibung korrelieren und können die durch axiale Scher-
(bzw. Mode-2-) Komponenten induzierte Belastung der Grenzfläche bei weitem übertreffen.
Eine auschließliche Beschränkung auf die Charakterisierung der Scherbelastung der
Grenzfläche, wie dies in den meisten experimentellen Untersuchungen durch den Parameter
einer Grenzflächenscherfestigkeit erfolgt, wird nur unvollständige und widersprüchliche
Informationen über die Belastbarkeit der Grenzfläche liefern. Diese hängt in wesentlichem
Maße von der Zusammensetzung der Belastung ab und ist wahrscheinlich durch eine im
Vergleich zu Mode 2 wesentlich höhere Anfälligkeit gegenüber Normalbelastungen (Mode 1)
gekennzeichnet. Diese Schlußfolgerung ist aus experimentellen Resultaten abzuleiten ([161]),
entspricht jedoch auch den Erwartungen, da die Grenzflächenhaftung unter Scherbelastung
durch zusätzliche, submikroskopische mechanische Wechselwirkungen (Verhakungen) infolge
der Oberflächenrauhigkeit der Materialien, beinflußt wird [176].
Um die Abhängigkeit der Widerstandsfähigkeit der Grenzfläche von der Überlagerung
verschiedener Lastkomponenten zu beschreiben, ist ein einzelner Parameter, z.B. eine kritische
Energiefreisetzungsrate Gc , nicht mehr ausreichend. Entsprechende Kenngrößen sind nicht
konstant, sondern zeigen eine Abhängigkeit vom ‘Mixed-Mode’-Zustand der Belastung. Der
einfachste Ansatz zur Annäherung des tatsächlichen Versagenskriteriums („Versagensellip-
soid“) benötigt zur Charakterisierung bereits 3 Parameter, die sich im Versuch einer
physikalischen Deutung vielleicht mit der Widerstandsfähigkeit der Prozeßzone gegenüber
Normal- (G1c ) und Scherbelastung (G c2 ) und der Größenordnung ihrer räumlichen Aus-
dehnung ( r0 ) in Beziehung setzen lassen. Die Auswirkungen dieser Parameter auf das
Versagensverhalten der Einzelfaser-Auszugs-Proben haben sich im Rahmen der hier
vorgestellten Modellierung als wesentlich erwiesen und übertreffen die der anderen Material-
und Geometrieeigenschaften. Dies betrifft insbesondere die experimentell zugänglichen
Größen wie Lage ld,max und Wert der maximalen Kraft Pmax der Belastungskurve und Beginn
der instabilen Rißausbreitung ld is, . Eine relativ geringere Mode-2-Empfindlichkeit äußert sich
dabei in einer Verzögerung des Beginns der instabilen Rißausbreitung und einer verstärkten
122
Nichtlinearität der Belastungskurven. Dieser Effekt korreliert mit kürzlich erhaltenen,
experimentellen Ergebnissen [132] (siehe Kap. 6.2).
Die gegenwärtige Versuchsdurchführung und Interpretation des Einzelfaser-Auszugs-Tests
konzentriert sich fast auschließlich auf den Wert der gemessenen, maximalen Faser-Auszugs-
Kraft Pmax , da dieser das signifikanteste und am einfachsten zu erhaltende Ergebnis der
Experimente darstellt. Er tritt aufgrund der um die Faser an der Matrixoberfläche auftretenden
starken Spannungsgradienten bereits zu Beginn der Grenzflächenrißausbreitung bei sehr
kurzen Rißlängen auf. In diesem Bereich wird der Belastungszustand in der Grenzfläche
jedoch noch direkt von der komplexen Situation nahe der Matrixoberfläche beeinflußt und ist
durch starke Überlagerung von radialen und axialen Komponenten und einer raschen
Änderung mit der Rißlänge bestimmt. Zwischen den einzelnen Versuchen bestehen an dieser
Stelle nicht vergleichbare und gegenüber zufälligen Beinflussungen sehr empfindliche
Belastungssituationen. Dies resultiert in einer großen Unsicherheit für die aus der maximalen
Debondingkraft ermittelten Kenngrößen. Es besteht keine Aussicht, diesen Zustand mit
einfachen Modellen befriedigend zu beschreiben.
Wesentlich stabilere Bedingungen sollte der Plateaubereich der Rißausbreitung entlang des
Mittelteils der eingebetteten Faser bieten. Der ‘Mixed-Mode’-Zustand bleibt hier relativ
konstant und ist von Mode 2 dominiert. Der Anteil der freien Faser GFrei liefert in diesem
Gebiet eine gute Näherung zur Beschreibung der Energiefreisetzungsrate und ist aus einem
einfachen, analytischen Ausdruck zu erhalten (Gl. 6.1) [163]. Die herkömmliche Art der
Versuchsdurchführung mit großen freien Faserlängen kann diesen Bereich allerdings nicht
untersuchen, da instabile Rißausbreitung bereits frühzeitig, mit dem Erreichen der maximalen
Debondingkraft auftritt. Der Aufbau einer steifen Versuchsanordnung mit kurzen freien
Faserlängen ( l mfrei ≤ 60 µ ) ist von der Präparation her sehr aufwendig, wurde jedoch bereits
experimentell realisiert [132]. Die Rißausbreitung kann damit über große Teile der
eingebetteten Faser stabil gehalten werden, was eine Auswertung auch des Plateaubereichs
erlaubt, die wesentlich verläßlichere Ergebnisse bieten sollte. Wichtige zusätzliche
Informationen liefert dabei auch die Bestimmung der tatsächlichen, aktuellen Rißlänge aus
dem Experiment. Sie eröffnet eine von der Modellierung unabhängige Möglichkeit der
Bestimmung der Energiefreisetzungsrate durch unmittelbare Auswertung der Definition Gl. 5.6
von G über die Änderung der experimentellen Compliance mit der Rißlänge.
In weiterführenden Untersuchungen mit dem hier vorgestellten FE-Modell, die jedoch noch
nicht abgeschlossen sind, hat sich gezeigt, daß auch noch andere wesentliche Einflußgrößen für
das Versagen der Grenzfläche existieren. Neben Faser-Matrix-Reibung sind diese insbesondere
durch inelastisches Matrixverhalten bedingt. Eigene Untersuchungen mit einem elastisch-ideal-
plastischen Materialgesetz für eine Matrix mit einer relativ hohen Versagensspannung
123
σYield MPa= 100 haben gezeigt, daß auch für spröde Kunststoffmaterialien ausgedehnte
inelastische Zonen in der Nähe der Grenzflächenrißspitze auftreten. Für eine experimentell
typische Faserbelastung von P mN≈ 100 ergab sich eine Größe der inelastischen Matrix-
bereiche in radialer Richtung in der Größenordnung des Faserradius. Unter diesen Umständen
erscheint selbst bei makroskopisch sprödem Versagensverhalten faserverstärkter Kunststoff-
materialien eine rein linear elastische bruchmechanische Beschreibung der Grenzfläche als
nicht ausreichend. Es macht sich die Anwendung von Konzepten der Fließbruchmechanik und
die Kenntnis der realen, inelastischen Materialgesetze für die Matrices erforderlich.
Die große Bedeutung der Berücksichtigung der verschiedenen, insbesondere radialen
Belastungskomponenten, die den Schwerpunkt der vorgestellten Arbeit darstellt, wird dadurch
in keiner Weise gemindert. Sie sind für inelastisches Materialverhalten in gleichem Ausmaß zu
erwarten [118] und werden auch dafür besonders den Anfangsbereich der Rißausbreitung
dominieren und dessen Interpretation erschweren. Die Schlußfolgerungen für die Gestaltung
der Versuchsdurchführung (Begrenzung der freien Faserlänge) bleiben ungeändert gültig.
6.2. Vergleich mit experimentellen Ergebnissen
Die am besten reproduzierbare Grundlage zur Charakterisierung der Grenzfläche sollte nach
den Ergebnissen der theoretischen Studie die Auswertung des Plateaubereichs der Energiefrei-
setzungsrate für mittlere Längen des Grenzflächenrisses bieten. Nur im Mittelteil der eingebet-
teten Faser kann die Rißausbreitung relativ ungestört von den komplexen Spannungsfeldern an
der Matrixoberfläche bzw. am Faserende erfolgen. In dieser Zone bleibt der Belastungszustand
(G G1 2/ ) am Versagenspunkt der Grenzfläche während des Rißwachstums näherungsweise
konstant und ist zwischen verschiedenen Systemen am ehesten vergleichbar.
Eine stabile Ausbreitung des Grenzflächenrisses bis in diesen Bereich kann im Experiment
jedoch nur mit einem sehr steifen Belastungssystem aufrechterhalten werden. Wichtige Vor-
aussetzung dafür ist eine möglichst kurze Länge des freien Faserteils zwischen Einspannung
und Matrixoberfläche, was die Präparation und Versuchsdurchführung beträchtlich erschwert.
Die praktische Realisierung einer derartigen, steifen Einzelfaser-Auszugsvorichtung ist nur aus
der Literatur bekannt. Die von HAMPE benutzte Apparatur (Abb. 6.14) ist in [132] zusammen
mit ersten Versuchsergebnissen an Glasfaser-Polymermatrix-Systemen beschrieben und
ermöglicht die Begrenzung der freien Faserlänge auf 20 60µ µm l mfrei< < . Zusätzlich zur
Messung der Kraft-Verschiebungs-Kurven ( )P u gestattet das Probendesign auch eine
spannungsoptische Bestimmung der aktuellen Länge ld des Grenzflächenrisses, was neue
Möglichkeiten für die Interpretation der experimentellen Ergebnisse eröffnet.
124
Abb. 6.14 Schematischer Aufbau der von Hampe [132] verwendeten Einzelfaser-Auszugsapparatur mit kurzer freier Rißlänge
Die mit der Apparatur erhaltenen Meßkurven sind sehr detailliert und enthalten neben dem
Maximalwert der Auszugskraft weitere signifikante Informationen. Die in [132] veröffent-
lichten Resultate wurden deshalb ausgewählt, um das in der theoretischen Modellierung
erhaltene Bild des Grenzflächenversagens beim Einzelfaser-Auszug zu verifizieren.
In Abb. 6.15 sind die experimentellen Kraft-Weg-Verläufe für ein Glasfaser-Polyamid 66-
System aus [132] dargestellt. Die Einbettlänge der Fasern variiert zwischen den Kurven inner-
halb 270 450µ µm l mf< < , die freie Faserlänge wird mit l mfrei = 30 µ angegeben. Obwohl
die geometrischen wie auch die materiellen Daten nicht mit den in dieser Modellierung
verwendeten Parametern übereinstimmen, ist ein qualitativer Vergleich der Ergebnisse
möglich.
Auf den ersten Blick scheinen die Kurven denen für G Gc2 1c 1/ > aus dem Modell erhaltenen
Kraft-Verschiebungs-Kurven (z.B. Abb. 6.8) unmittelbar zu entsprechen: an das Kraft-
maximum schließt sich nach steilem Abfall eine Zone langsamer Kraftverminderung an. In der
auf reinem Debonding basierenden Interpretation des Modells muß dieser Bereich mit der
stabilen Ausbreitung des Grenzflächenrisses entlang des größten Teils der eingebetteten
Faserlänge identifiziert werden. Am Fußpunkt des steilen Kraftabfalls würde danach die
erreichte Länge des Grenzflächenrisses erst wenige µm betragen und läge noch im Anfangs-
bereich der Faserlänge. Dies steht aber im Widerspruch zu der im Experiment beobachteten
Rißlängenentwicklung: am in Abb. 6.15 mit D bezeichneten Fußpunkt des steilen Kraftabfalls
war bereits der überwiegende Teil der Faser von der Grenzfläche gelöst und der sich
anschließende, flache Teil der ( )P u setzt sich stetig und ungestört bis zum vollständigen
Auszug fort. Er charakterisiert daher die reine Reibung der völlig abgelösten Faser während
des Faserauszugs. Auffällig in den experimentellen Kurven ist das Auftreten eines „Knickes“
125
bei sehr kleinen Belastungen, der in [132] als die Initiierung des Debonding gedeutet wird.
Seine Lage ist von der Einbettlänge l f der Fasern unabhängig. Das gleiche gilt für den Anstieg
der Kraft in dem sich daran anschließenden Bereich B-C bis zur maximal auftretenden Kraft,
die allerdings mit der Einbettlänge deutlich zunimmt. An dieser Position hat im Experiment die
Haftung über einen wesentlichen Teil der Faserlänge bereits versagt. Das Maximum entspricht
daher nicht der Maximalkraft im Modell des reinen Debonding.
Abb. 6.15 Experimentelle Kraft-Weg-Kurven des Faser-auszugs für ein Glasfaser-Polyamid66-System aus [132]. (Einbettlänge: zwischen 270 µm und 450 µm, freie Faserlänge: 30 mm, Geschwindigkeit des Auszugs: 0,06 µm/s)
Die Ursache für den großen Unterschied zum Experiment liegt im Auftreten von Reibung
zwischen Faser und Matrix im bereits aufgerissenen Teil der Grenzfläche. Diese wurde in der
Modellierung nicht explizit berücksichtigt, hat jedoch häufig einen starken Einfluß auf reale
Systeme. Bei der Modellierung des Einzelfaser-Auszugsversuchs ergeben sich infolge der
Belastung eine radiale Schrumpfung der Faser und eine Erweiterung des Matrix-Loches im
aufgerissenen Abschnitt der Grenzfläche, die einem Kontakt von Faser- und Matrix entgegen-
wirken. Die Berücksichtigung eventueller, aus dem Herstellungsprozeß entstandener
thermischer Spannungen reicht nicht aus, um eine Berührung der Flächen im Modell herbei-
zuführen (eigene Untersuchungen). Dennoch wird Reibung im Experiment experimentell
zweifelsfrei registriert, was das Ergebnis der Oberflächenrauhigkeit der Fasern und darauf
beruhendem Kontakt sein dürfte. Eine Abschätzung der belastungsinduzierten Aufweitung des
Grenzflächenrisses aus dem FE-Modell liefert (bis auf die unmittelbare Umgebung der
Rißspitze) einen relativ einheitlichen Wert unterhalb 1% des Faserradius. Dies ist nicht
hinreichend, um die Rauhigkeit der Fasern auszugleichen. In das vorliegende FE-Modell läßt
sich die Struktur der Faseroberfläche nicht mit einbringen.
Über die Verteilung der durch die Reibung auf die Faser ausgeübten Scherspannung ( )τR l
lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die einfachste Annahme besteht in einem konstanten,
von der Position und der Faserbelastung unabhängigen, Wert der Grenzflächenreibung τR .
126
Eine gewisse Rechtfertigung erhält diese Hypothese aus der Tatsache, daß in den experimen-
tellen Kraft-Weg-Kurven der vorwiegend durch die Reibung bestimmte Bereich zwischen
„Knick“ und Maximalkraft (B-C) einen relativ gleichbleibenden Anstieg zeigt und sich für
verschiedene Einbettlängen in diesem Gebiet übereinanderliegende Kurvenverläufe ergeben
(Abb. 6.15).
Abb. 6.16 Kraft-Weg-Kurven des Einzelfaser-Auszugs-modells mit Berücksich-tigung von konstanter Faser-Matrix-Reibung τR MPa= 20 für ver-
schiedene eingebettete Faserlängen l f . Zum
Vergleich sind die Anteile der reinen Debondingkraft
( )P ld d („ohne Reibung“)
im Diagramm mit eingezeichnet.
Mit weiteren Beschränkungen ist es möglich, durch eine einfache analytische Erweiterung die
Ergebnisse der FE-Modellierung hinsichtlich des Einflusses von Reibung ergänzen. Bleibt
deren Auswirkung auf die zum Versagen der Grenzfläche in der Faser unmittelbar an der
Rißspitze l ld= notwendige Kraft ( )P ld d („Debondingkraft“) unberücksichtigt ([139], [152],
[160]), so kann für diese einfach das Ergebnis der FE-Modellierung verwendet werden. Die
Wirkung der Reibung reduziert sich dann auf eine Abbau von Faserspannung von der
Matrixoberfläche l = 0 bis zum Versagenspunkt l ld= :
( ) ( ) ( )∆P l P l P l l r lFricd
Fricd f R d= = − = = ⋅ ⋅0 2π τ (6.2).
Um Rißausbreitung in der Grenzfläche zu erreichen, muß an der Matrixoberfläche l = 0 eine
um ( )∆P lFricd höhere, kritische Kraft in der Faser gegenüber der reinen Debondingkraft ( )P ld d
an der Versagensstelle aufgewendet werden: ( ) ( ) ( )P l P l P ldFric
d dFric
d= = +0 ∆ . Die zusätzlich
benötigte Kraft steigt linear mit der Rißlänge ld an und dominiert für lange Rißlängen im
Vergleich mit ( )P ld d .
Die Verschiebung des Faserendes ändert sich durch die erhöhte und nun nicht mehr konstante
Last in der Faser geringfügig entsprechend ( ) ( )du dl P l E rf f/ /= π 2 . Dies kann in einem
Korrekturterm zur Verschiebung ( )( )u P l ld d d frei, Gl. 5.16 des freien Faserendes des reinen
Debondingmodells formuliert werden:
( )( ) ( )( ) ( )u P l l l u P l ll
E rl ld
Fricd d R d frei d d d frei
R d
f f
d frei, , , ,ττ
= + ⋅ + 2 (6.3).
100
120
140
160
180
200
220
240
260
2 4 6 8 10
l f = 200 µm
l d, is = 175 µm
l f = 150 µml d, is = 130 µm
l f = 100 µml d, is = 80 µm
Mit Reibung:τ R = konst = 20 MPa
Ohne Reibung
l frei = 60 µµµµm
E f = 80 GPa
E m = 5 GPa
Verschiebung des freien Faserendes u [µµµµm]
P [mN]
G c, Knick = 0,05 kJ/m 2
G 2c / G 1c = 4
r 0 = 1 µµµµmP d, Plateau
127
Gl. 6.2 und 6.3 ermöglichen zusammen mit den FE-Ergebnissen, die Berechnung der Kraft-
Weg-Kurven des Faserauszugs unter Berücksichtigung von Reibung. Die Resultate sind in
Abb. 6.16 für die Annahme einer mittleren Reibspannung τR MPa= 20 und einer Variation
der eingebetteten Faserlänge 100 200µ µm l mf≤ ≤ dargestellt. Der Verlauf der reinen
Debondingkraft aus dem FE-Modell ohne Einbeziehung der Reibung ist dünner ausgezogen
ebenfalls im Diagramm eingezeichnet. Der Vergleich mit den experimentellen Ergebnissen in
Abb. 6.15 liefert nun eine vollständige, qualitative Übereinstimmung. Der Bereich A-B in
Abb. 6.15 bis zum „Knick“ am Beginn der Belastungskurven kann im leichten Unterschied zur
Interpretation in [132] mit der stabilen Rißausbreitung bis zum Erreichen des Maximums der
reinen Debondingkraft identifiziert werden. Der „Knick“ entspricht genau diesem Wert und
dem Übergang in den abfallenden Plateaubereich der reinen Debondingkurve. Der Kraftanstieg
bis zur Maximalkraft zwischen B und C in den experimentellen Kurven korrespondiert mit
dem Plateaubereich des reinen Debondingmodells. Der steile Abfall C-D markiert das
endgültige, nicht stabil zu haltende Versagen des verbleibenden, kurzen Grenzflächen-
abschnittes und entspricht der instabilen Rißausbreitung im FE-Modell. Diese wird im Modell
auch für die Kurven mit Berücksichtigung von Reibung durch das nicht realistische
Zurückgehen der Verschiebung ( )u ld mit der weiteren Rißausbreitung charakterisiert.
Abb. 6.17 Einfluß der „Mixed-Mode“-Empfindlichkeit der Grenzfläche auf die Instabilität der Kraft-Weg-Kurven des Einzel-faserauszugsmodells mit Berücksichtigung von Faser-Matrix-Reibung. Stabile Rißausbreitung über den „Knick“ hinaus ist nur für das System mit geringerer Mode-2-Empfindlichkeit (G Gc2 1c 4/ = ) möglich.
Die Zone B-C des konstanten Kraftanstiegs ist in den experimentellen Kurven deutlich
ausgeprägt und relativ breit. Das reine Debonding durchläuft daher den Plateaubereich nach
dem Maximum der Debondingkraft in stabiler Weise. Dies ist nach den in Kap. 6.2 beschrie-
benen Erfahrungen nur möglich, wenn die Grenzfläche eine stärkere Empfindlichkeit für
Mode 1 gegenüber Mode 2 besitzt (G Gc2 1c 1/ > ). Ist dies nicht der Fall, ist auch bei
Einbeziehung der Reibung (die für kurze Rißlänge keine wesentliche Rolle spielt) keine stabile
Rißausbreitung über das Maximum der Debondingkraft hinaus möglich (Abb. 6.17). An der
120
130
140
150
160
170
180
190
200
210
2 2,5 3 3,5 4
(l d, is = 165 µm)
Mit Reibung:
τ R = konst = 20 MPa
l f = 200 µµµµm
l frei = 60 µµµµm
E f = 80 GPa
E m = 5 GPa
Verschiebung des freien Faserendes u [µµµµm]
P [mN]
G c, Knick = 0,05 kJ/m 2
r 0 = 1 µµµµm
G 2c / G 1c = 1 G 2c / G 1c = 4
(l d, is = 3,7 µm)
128
Position des „Knickes“ würde instabile Rißausbreitung, zumindest in Form eines Lastkraft-
sprunges auftreten, was den experimentellen Erfahrungen nicht entspricht. Dies kann als
experimenteller Beleg für die Kernaussage der theoretischen Modellierung angesehen werden,
daß das Versagensverhalten der Grenzschicht entscheidend durch deren unterschiedliche
Sensibilität gegenüber Scher- und Normalbelastungen bestimmt wird und eine Betrachtung
allein der Scherbelastung ein nur unvollständiges Bild der mikromechanischen Versuche
liefert.
Der Vergleich der durch die Reibung beeinflußten Kraft-Weg-Kurven zu den, das reine
Debonding beschreibenden aber experimentell nicht zugänglichen Abhängigkeiten zeigt, daß
in den Versuchsergebnissen die Information über die Haftung von der Reibung überdeckt wird.
Die Zielgröße des Einzelfaser-Auszugsexperiments zur Charakterisierung der Haftung stellt
die kritische Energiefreisetzungsrate G c Plateau, im Plateaubereich des reinen Debonding dar. Sie
kann über die Näherung Gl. 6.1 aus der Kenntnis des Anteils der reinen Debondingkraft
Pd Plateau, im Bereich B-C der experimentellen Kraft-Weg-Kurven ermittelt werden. Dieser
Anteil wird durch die zur Rißlänge ld proportionale Reibungskraft ( )∆P lFricd (Gl. 6.2) in der
Grenzfläche überlagert und ist direkt nicht zugänglich. Für große eingebettete Faserlängen l f
ist das Plateau ( )P l P konstd d d Plateau≈ =, deutlich ausgebildet und der Teil B-C der experimen-
tellen Kurven ist durch einen linearen Anstieg der Reibungskraft P mit der Rißlänge ld
gekennzeichnet. Extrapoliert man die sich in diesem Gebiet ergebende Gerade auf den Fall
verschwindender Reibung ld → 0 , so erhält man einen Näherungswert für die reine
Debondingkraft Pd Plateau, .
Abb. 6.18 Kraft-Rißlängen-Kurve
( )P ld für das Einzelfaser-
Auszugsmodell mit Faser-Matrix-Reibung. Die Ab-hängigkeit der reinen
Debondingkraft ( )P ld d
ohne Reibung ist ebenfalls mit dargestellt. Am Beispiel der größten Ein-bettlänge l mf = 200 µ ist
die Extrapolation der Pla-teaukraft Pd Plateau, des rei-
nen Debonding als Para-meter für die Haftung vorgeführt.
Dies ist in Abb. 6.18 an den Ergebnissen der Modellierung demonstriert. Die Extrapolation von
Pd Plateau, aus der Abhängigkeit der gemessenen Kraft des Einzelfaserauszugs ( )P ld von der
100
120
140
160
180
200
220
240
260
0 50 100 150 200
l f = 200 µm
l f = 150 µm
Mit Reibung:
τ R = 20 MPa
Ohne Reibung
l frei = 60 µµµµm; E f = 80 GPa
E m = 5 GPa
Länge des Grenzflächenrisses l d [µµµµm]
P [mN]
G c, Knick = 0,05 kJ/m 2
G 2c / G 1c = 4
r 0 = 1 µµµµml f = 100 µm
Extrapolationsgerade
P d, Plateau
129
Grenzflächenrißlänge läßt sich an Gl. 6.2 einfach nachvollziehen, allerdings erfordert die
Bestimmung der aktuellen Rißlänge zusätzlichen experimentellen Aufwand. Dieser sollte sich
jedoch auch in der Hinsicht auszahlen, daß bei der Extrapolation aus ( )P ld der Anstieg
( )dP l dld d/ entsprechend Gl. 6.1 eine Information über die im realen System auftretende
Faser-Matrix-Reibung τR beinhaltet:
τπ
R
f d B Cr
dP
dl≈ ⋅
−
1
2 (6.4).
In der zum experimentellen Vergleich benutzten Veröffentlichung [132] ist der dem Glasfaser-
Polyamid-System aus Abb. 6.15 entsprechende Zusammenhang zwischen Lastkraft P und
aktueller Grenzschichtrißlänge ld leider nicht dokumentiert. Daher kann das vorgeschlagene
Extrapolationsverfahren zur Bestimmung des Plateauwertes der Debondingkraft Pd Plataeu, hier
nicht unmittelbar angewendet werden. Um dennoch eine Näherung für die zu erwartende
Größenordnung der kritischen Energiefreisetzungsrate des reinen Debonding im Plateaubereich
des Glas-Polyamid-Systems zu erhalten, kann der Wert für Pd Plataeu, aus der Meßkurve ( )P u
Abb. 6.15 abgeschätzt werden. Aus Abb. 6.16 ist ersichtlich, daß der Plateauwert Pd Plataeu,
zwischen dem Wert von P an der Position des „Knicks“ (B) und dem auf u = 0 extrapolierten
Wert für P des sich daran anschließenden, reibungsdominierten Abschnittes (B-C) liegt. Für
das experimentelle System von Abb. 6.15 ergibt sich somit eine Abschätzung von
20 30mN P mNd Plateau< <, . Über Gl. 6.1 kann daraus eine Näherung für die kritische
Energiefreisetzungsrate des Grenzflächenversagens dieses Systems erhalten werden:
GP
E rJ m J mc Plateau
d Plateau
f f
,, / , /=
⋅= −
2
2 3
2 2
40,8 1 6
π
(E GPaf = 73 5, ; r mf = 5 6, µ ). Dieser Wert liegt in der Größenordnung der mit makro-
skopischen Verfahren („Brazilian-Disc“, „Peel-Test“) für verschiedene Glas-Polymer-
Grenzflächen erhaltenen Werte ( [56], [159], [161]) und wesentlich unter der in [132] aus der
Gesamtfläche unter der Phase B-D berechneten Bruchenergie von 6 2J m/ . Diese beinhaltet
neben der reinen Debondingenergie jedoch auch die durch Grenzflächenreibung dissipierte
Energie, welche durch die Versuchsumstände (thermische Spannungen, Geometrie) beeinflußt
wird und nicht als für die Grenzflächenhaftung typische Größe angesehen werden kann.
Auf Grund bisher noch ungenügender Daten für weitere Grenzflächensysteme in der Literatur
konnte nicht untersucht werden, ob das hier vorgestellte Verfahren eine signifikante
Unterscheidung der Systeme nach ihrer Haftfähigkeit ermöglicht. Dies, sowie die Beurteilung
der Gültigkeit des hier verwendeten, einfachen Modells des Reibungseinflusses muß
weiterführenden Arbeiten überlassen bleiben.
130
7. Schlußfolgerungen für Einsatz der FE-Methode zur Modellierung des
Versagens faserverstärkter Verbundwerkstoffe
Die vorliegende Arbeit konnte am Beispiel von zwei Fragestellungen demonstrieren, daß die
Finite-Elemente-Modellierung eine effektive Grundlage zur bruchmechanischen Beschreibung
des Versagensverhaltens faserverstärkter Verbundmaterialien bietet.
Sowohl der Einzelfaser-Auszugs-Versuch als auch der CDCB-Test sind durch eine einfache
geometrische Gestalt gekennzeichnet. Dennoch hat sich gezeigt, daß es mit analytischen
Lösungsverfahren auch im Rahmen einer linear elastischen Modellierung dieser Probleme
nicht möglich ist, Näherungslösungen für die Verschiebungen mit einer akzeptablen
Genauigkeit zu erhalten. Selbst die wesentlich vereinfachende Behandlung der CDCB-Probe
als ein System gekrümmter, stark deformierter Balken war nur unter überaus großem
mathematischen Aufwand und näherungsweise zu bewältigen. Dennoch stellt sie sich als
unzureichend heraus, da ihre Ergebnisse für die Verschiebungen bis zu 40% von denen einer
vollständigen Modellierung abweichen. Analytische Modelle des Einzelfaser-Auszugs mit
erträglichem Formulierungsaufwand (‘Shear-Lag’) erwiesen sich als prinzipiell ungeeignet, die
bei diesem Versuch auftretenden, für das Versagen verantwortlichen,
Spannungskonzentrationen an den Faserenden quantitativ zu beschreiben. Die Einbeziehung
komplexerer Einflußgrößen, wie nichtlinearer Deformation oder Überlagerung verschiedener
Belastungskomponenten an der Rißspitze (‘Mixed-Mode’) läßt sich in den Beispielen mit
analytischen Lösungsverfahren noch weit unbefriedigender verwirklichen und geht über eine
Abschätzung nicht hinaus. Besonders problematisch für die analytischen Ergebnisse ist die
Tatsache, daß zu ihrer Ableitung für praktische Problemstellungen häufig nicht gerechtfertigte
Vereinfachungen der vollständigen Modelle vorgenommen werden müssen. Deren Auswirkung
auf die Genauigkeit der Ergebnisse kann ohne Vergleichsmöglichkeit zu den exakten
Resultaten nicht eingeschätzt werden.
Der Aufwand für eine Finite-Elemente-Modellierung der untersuchten Geometrien erweist sich
dank der heute verfügbaren, kommerziellen Programme für den Bearbeiter als deutlich
geringer. Die Vorgehensweise bei der Lösung ganzer Gruppen von Aufgabenstellungen wird
durch die FE-Methode vereinheitlicht. Zwar sind eingehende Erfahrungen für den Erhalt
verläßlicher Ergebnisse dabei unverzichtbar, doch sind sie nicht so spezieller Art und erfordern
weniger Intuition, als dies eine erfolgreiche analytische Bearbeitung der meisten Fragestel-
lungen voraussetzt. Die FE-Methode ist ein effektives Hilfsmittel besonders für denjenigen,
der mit der Modellierung von zahlreichen, unterschiedlichen Problemstellungen konfrontiert
wird.
131
Die Genauigkeit der mit der FE-Methode erhaltenen Ergebnisse wurde für die in der Arbeit
behandelten Beispiele einer gründlichen Überprüfung unterzogen und erbrachte für die
gewählten Diskretisierungen Abweichungen unterhalb 1 3− %. Dies geht für die meisten
praktisch relevanten Geometrien über die Möglichkeiten der analytischen Modellierung weit
hinaus. Selbst für so einfache Konfigurationen wie die CDCB-Probe liefert z.B. das
aufwendige, nichtlineare analytische Stab-Modell für kurze Rißlängen bereits einen Fehler von
mehr als 30 % in der Deformation.
Selbst für die bewußt geometrisch einfach gewählten Aufgabenstellungen konnten durch die
FE-Modellierung Erkenntnisse erhalten werden, die einer analytischen Behandlung bei
vergleichbarem Aufwand nicht zugänglich sind. Dies betrifft bei der CDCB-Probe z.B. das
Auftreten starker Mode-II-Anteile bei außermittiger Rißausbreitung und die gute Gültigkeit
des rein empirischen Verfahrens zur Bestimmung der Energiefreisetzungsrate auch bei stark
nichtlinearer Deformation. Für den Einzelfaser-Auszugsversuch vermag nur die FE-Analyse
ein quantitatives Bild der auftretenden ‘Mixed-Mode’-Zustände zu liefern und daraus den
Mechanismus der Grenzflächenriß-Initiierung zu erklären. In noch viel stärkerem Maße gilt die
Erweiterung der Beschreibungsmöglichkeiten für kompliziertere Geometrien und inelastische
Prozesse.
Dennoch hat sich gezeigt, daß die analytische Methode nach wie vor eine wichtige Rolle für
die Ableitung und die praktische Umsetzung der Ergebnisse der numerischen Methoden ein-
nimmt. Allein die auf analytischer Basis erhaltenen Ausdrücke für die singulären Felder an der
Rißspitze ermöglichen überhaupt die Ermittlung der ‘Mixed-Mode’-Anteile der Belastung.
Erst das analytische Stabmodell der CDCB-Probe vermag allgemeine Zusammenhänge
zwischen den Probenparametern und der Deformation zu offenbaren, die eine Normierung und
Reduzierung der Kenngrößen der Probe, z.B. in Form des Parameters Fn , gestatten.
Andererseits können bei Kenntnis des tatsächlichen Verhaltens einer Probe aus dem FE-
Modell oftmals einfache Ausdrücke auf analytischer Basis gefunden werden, die in gewissen
Grenzen die Probe mit hinreichender Genauigkeit charakterisieren. Beispiele dafür sind der
Anteil der freien Faser an der Energiefreisetzungsrate beim Einzelfaser-Auszugsversuch oder
die Gültigkeit der linearen empirischen Definition für die Energiefreisetzungsrate bei der stark
deformierten CDCB-Probe. Durch sie wird eine praktisch handhabbare Auswertung der
experimentellen bruchmechanischen Charakterisierung möglich. Eine ausschließliche Nutzung
der FE-Methode wäre für die Alltagsarbeit des Prüflabors zu aufwendig und zu schwerfällig.
Ohne die FE-Methode ließe sich über die Gültigkeit derartiger, stark vereinfachender
Ausdrücke keinerlei verläßliche Aussage treffen.
Die Nutzung der FE-Analyse verspricht in Wechselwirkung mit den analytischen Methoden
ein wesentlich erweitertes Verständnis für die Beschreibung des Versagensverhaltens faser-
132
verstärkter Verbundwerkstoffe auf der makro- und mikroskopischen Betrachtungsebene. Die in
dieser Arbeit dafür vorgestellten Methoden und gesammelten Erfahrungen zur bruch-
mechanischen Charakterisierung können in analoger Weise auf eine Reihe ähnlicher
Fragestellungen (Faser-Fragmentierung, Matrixtropfen-Abscherversuch, ‘End-Notched-
Flexure’-Test, ...) übertragen werden.
133
Anhang I. Transformation der Rißuferverschiebungen auf mitbewegtes
Rißspitzen-Koordinatensystem für geometrisch nichtlineare
FE-Analyse
Um die den singulären Feldern entsprechenden Rißuferverschiebungen gemäß Tabelle 2.1 aus
dem nichtlinearen FE-Modell der CDCB-Probe ermitteln zu können, macht sich die Trans-
formation der FE-Ergebnisse für die Verschiebungen aus dem globalen, ruhenden
Koordinatensystem in das lokale, mitbewegte Rißspitzenkoordinatensystem erforderlich
(Abb. 2.7).
Die jeweilige Position der Rißspitze { }x zCT CT, im globalen ruhenden Koordinatensystem
{ }x z, kann aus der Position des Rißspitzenknotens { }x zCT CT, ,,0 0 im undeformierten Zustand
und seiner Verschiebung { }ux uzCT CT, berechnet werden:
x x ux
z z uz
CT CT CT
CT CT CT
= +
= +,
,
0
0
(I.1)
Zur Bestimmung der Rißöffnungen wurden Knotenpaare k auf den sich gegenüberliegenden
(gekrümmten) Rißufern mit im undeformierten Zustand identischer Position
{ } { }x z x zko ko ku ku, , , ,, ,0 0 0 0= generiert. Die Knoten auf der oberen Rißseite werden im
folgenden mit dem Index o, die auf der unteren Rißseite mit dem Index u gekennzeichnet.
Ihre aktuelle Position im globalen System ergibt sich über die entsprechende Verschiebung
{ }ux uzko ko, bzw. { }ux uzku ku, :
x x ux
z z uz
ko ko ko
ko ko ko
= +
= +,
,
0
0
(I.2a)
x x ux
z z uz
ku ku ku
ku ku ku
= +
= +,
,
0
0
(I.2b).
Der Orientierungswinkel ( )α 0k des Rißspitzenkoordinatensystems im undeformierten Zustand
bezüglich der x-Achse des globalen Koordinatensystem kann aus der relativen Position jedes
Knotens auf dem Rißufer berechnet werden:
( )( )tan, ,
, ,
α 00 0
0 0
k ko CT
ko CT
z z
x x=
−
− (I.3)
Wegen der Krümmung der Rißflächen im Fall der CDCB-Probe folgt für jedes Knotenpaar k
eine leicht unterschiedliche Orientierung des Rißspitzensystems, ein Umstand der in der zum
Abschluß durchgeführten Extrapolation r→ 0 neutralisiert wird.
134
Es folgt für die ursprüngliche Position (undeformierter Zustand) des Knotenpaares k im in
Rißrichtung orientierten Rißspitzen-Koordinatensystem:
( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )
x x x z z
z' x x z z
ko ko CT
k
ko CT
k
ko ko CT
k
ko CT
k
' cos sin
sin cos
, , , , ,
, , , , ,
0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
= − ⋅ + − ⋅
= − − ⋅ + − ⋅ =
α α
α α (I.4a)
und analog für das untere Rißufer: x x
z' z'
ku ko
ku ko
' ', ,
, ,
0 0
0 0 0
=
= = (I.4b)
Für den deformierten Zustand wird das Rißspitzenkoordinatensystem des Knotenpaares k im
allgemeinen eine andere Orientierung ( )α k zur globalen x-Achse einnehmen. Die Lage der
Rißebene { }x zkR kR, an der Position des Knotenpaares k wird durch den Mittelpunkt der
Verbindungslinie beider verschobener Knoten festgelegt:
xx x
zz z
kRko ku
kRko ku
=+
=+2
2
(I.5).
Damit läßt sich der Orientierungswinkel ( )α k des aktuellen Rißspitzenkoordinatensystems
hinsichtlich der globalen x-Achse ermitteln:
( )( )tan α k kR CT
kR CT
z z
x x=
−−
(I.6).
Die Position der verschobenen Rißuferknoten { }x zko ko' , ' und { }x zku ku' , ' im mitrotierten
Rißspitzenkoordinatensystem { }x z'', folgt aus:
( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )
x x x z z
z' x x z z
ko ko CT
k
ko CT
k
ko ko CT
k
ko CT
k
' cos sin
sin cos
= − ⋅ + − ⋅
= − − ⋅ + − ⋅
α α
α α (I.7a)
bzw. ( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )
x x x z z
z' x x z z
ku ku CT
k
ku CT
k
ku ku CT
k
ku CT
k
' cos sin
sin cos
= − ⋅ + − ⋅
= − − ⋅ + − ⋅
α α
α α (I.7b)
Die Verschiebung der Rißuferknoten im mitbewegten und mitrotierten Rißspitzen-Koordi-
natensystem ergibt sich aus der Differenz ihrer aktuellen und ihrer ursprünglichen Position:
ux x x
uz' z' z'
ko ko ko
ko ko ko
' ' ' ,
,
= −
= −0
0
(I.8a)
ux x x
uz z z
ku ku ku
ku ku ku
' ' '
' ' '
,
,
= −
= −0
0
(I.8b).
135
Anhang II: Differentialgleichung für starke Biegung gekrümmter Balken
Untersucht wird die Biegung eines kreisförmig gekrümmten Balkens in der x-z-Ebene. Dieser
ist an einem Ende (ϕ ϕ= 1 ) fest eingespannt und wird am anderen Ende (ϕ ϕ= E ) über ein starr
verbundenes Klötzchen mit einer senkrechten Kraft Fz bei ϕ π= / 2 belastet (Abb. 2.19).
Die Grundlagen der Beschreibung starker Biegung von geraden Stäben sind in [66] ausführlich
beschrieben. Die dort dargestellte Ableitung läßt sich auf den allgemeinen Fall gekrümmter
Stäbe erweitern und liefert aus der lokalen Drehmomenten-Bilanz folgende
Differentialgleichung für die Deformation:
( ) ( )
( ) ( )( ) ( )( ) ( )( )E I
dt l
dl
dt l
dlt l t l
d t l
dlF t l t lx y
b
b
b
b⋅ ⋅ × + + ×
= × +
0
0
2
2 0 (II.1).
Die darin vorkommenden Größen haben folgende Bedeutung:
Ex E-Modul des Stabes in Längsrichtung;
IBh
y =3
12 Flächenträgheitsmoment des Biegequerschnitts (rechteckiger Stab);
B Breite des rechteckigen Stabquerschnittes;
h Höhe des rechteckigen Stabquerschnittes;
l Längenposition entlang des Stabes
F Vektor der äußeren Lastkraft (am belasteten Stabende)
( )( )
t ldr l
dl0
0= Tangentenvektor an den undeformierten Stab bei Position l
( )r l0 Ortsvektor des undeformierten Stabes bei Länge l
( ) ( ) ( )( ) ( )( ) ( )( )
t l t l t ld r l r l
dl
d u l
dlb = − =−
=0
0
Differenz zwischen Tangentenvektor in deformiertem Zustand ( )t l und
undeformierten Zustand ( )t l0 bei Stabposition l
( ) ( ) ( )u l r l r l= − 0 räumliche Verschiebung eines Punktes auf dem Stab bei Position l
Für den speziellen Fall eines Stabes mit konstantem Krümmungsradius R läßt sich die
Längenposition l durch die Winkelposition ϕ bezüglich dem Krümmungsmittelpunkt und der
globalen x-Achse ersetzen: ( )l r= ⋅ −ϕ ϕ1 . ϕ1 entspricht dabei der Winkelposition der festen
Einspannung (tangential zur Probe).
136
In Analogie zur CDCB-Probe wird das Wirken nur einer senkrechten Kraftkomponente Fz auf
das freie Probenende angenommen: FFz
=
0
Die Kontur des undeformierten Stabes läßt sich bei kreisförmiger Krümmung durch:
( ) ( )( )
rR
R0 ϕϕ
ϕ=
⋅
⋅
cos
sin beschreiben.
Damit folgt für die in der Differentialgleichung Gl. II.1 auftretenden Ableitungen:
( )( )
tdr
dl R
dr
d0
0 01= = ⋅ =
−
ϕ
ϕ
ϕ
sin
cos;
( )( )
dt
dl
d r
dl R
d r
d R
020
2 2
20
2
1 1= = ⋅ = ⋅
−
−
ϕ
ϕ
ϕ
cos
sin;
( )( )
d t
dl
d r
dl R
d r
d R
20
2
30
3 3
30
3 2
1 1= = ⋅ = ⋅
−
ϕ
ϕ
ϕ
sin
cos
Der Vektor der globalen Verschiebungskomponenten ( )u lx und ( )u lz an der Position ( )l ϕ des
Stabes und seine Ableitungen in Gl. II.1 ergeben sich wie folgt:
uu
ux
z
=
; t
du
dl R
du
d R
u
ubx
z
= = ⋅ = ⋅
1 1
ϕ
'
';
dt
dl
d u
dl R
d u
d R
u
u
b x
z
= = ⋅ = ⋅
2
2 2
2
2 2
1 1
ϕ
' '
' ';
d t
dl
d u
dl R
d u
d R
u
u
b x
z
2
2
3
3 3
3
3 3
1 1= = ⋅ = ⋅
ϕ
' ' '
' ' ' (mit ( ) ( )
fdf
d' ϕ
ϕ
ϕ= )
Einsetzen der speziellen Abhängigkeiten für den kreisförmig gekrümmten Stab in Gl. II.1
liefert die Differentialgleichung für das Deformationsverhalten dieser Geometrie:
( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )E I
Ru u u u
Ru u u u F
Rux y
x z z x x z x z z x
⋅⋅ − ⋅ − + ⋅ + ⋅ − ⋅
= ⋅ − ⋅
3
1 1'' ' ' ' sin '' ' ' ' cos ' ' ' ' ' ' ' ' sin 'ϕ ϕ ϕ
(II.2).
Die beiden Verschiebungsfunktionen ( )ux ϕ und ( )u z ϕ sind nicht unabhängig. Ihr Zusammen-
hang wird durch die Bedingung bestimmt, daß die Länge des Tangentenvektors an den Stab
sich während der Deformation nicht ändert (reine Biegung, Stabdehnung vernachlässigt):
( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )t l t l t l t l t l t l t l t lb b b0
2 2
0
2
0
2 2
02 1= = + = + + ⋅ ⋅ =
Für den kreisförmig gebogenen Stab folgt daraus:
( ) ( ) ( ) ( )u R R
u
Rxz' sin cos'
ϕ ϕ ϕϕ
= ⋅ − ⋅ − +
1
2
(II.3).
Mit diesem Ausdruck lassen sich die Ableitungen von ( )ux ϕ in der Differentialgleichung
Gl. II.2 durch ( )u z ϕ substituieren.
137
Zur Lösung der Differentialgleichung ist die Einbeziehung der Randbedingungen notwendig.
1. Randbedingung: Festhalten des Balkens am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1
( )u ϕ1 0= : ( )ux ϕ1 0= ; ( )u z ϕ1 0= (II.4)
2. Randbedingung: Starre Halterung des Balkens am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1
( ) ( ) ( )t t t bϕ ϕ ϕ1 0 1 1 0− = = ⇒ ( )du
dlϕ1 0= : ( )u x' ϕ1 0= ; ( )u z' ϕ1 0= (II.5)
3. Randbedingung: Biegemoment ( )M i ϕ1 am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1 ist gleich dem
durch die Lastkraft Fz aufgebrachten äußeren Moment ( )M a ϕ1
Das innere Moment ( )M li über den Querschnitt an einer Position l im Stab berechnet sich
nach [66]:
( ) ( ) ( )( ) ( )M l E I t l t l
dt l
dli x y b
b= ⋅ ⋅ + ×
0
Für den kreisförmigen Stab am Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 ergibt sich daraus unter
Berücksichtigung der Randbedingung Gl. II.5:
( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]ME I
Ru ui
x yz xϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 2 1 1 1 1= −
⋅⋅ ⋅ + ⋅sin ' ' cos ' ' (II.6)
Das äußere Moment der Probe folgt aus: ( ) ( ) ( )[ ]M r l r Fa E KLϕ ϕ ϕ1 1= + − × .
Infolge des starr auf die Probe aufgeklebten Klötzchens wird das eigentliche freie Ende des
gekrümmten Stabes auf die Position ( )ϕ π αE mi= −/ 2 vorverlegt. αmi ist die Winkelbreite
zwischen Lot des Klötzchen-Lastpunktes auf die Probe und rechter Begrenzung des
Klötzchens. Das Klötzchen wird als steif betrachtet. Der Lastpunkt ist um den Vektor lKL vom
derart definierten freien Probenende entfernt. Im undeformierten Zustand ist er durch
( ) ( )( )[ ]
( )( )[ ]l
R
R h
R
R hKL
mi
mi kl
E
E kl
0
1 1=
− ⋅
⋅ − +
=
− ⋅
⋅ − +
sin
cos
cos
sin
α
α
ϕ
ϕ festgelegt.
Durch die Deformation und wegen der starren Anbindung des Klötzchens wird er um den
Änderungswinkel ∆α der Tangentenrichtung ( )t b Eϕ am freien Probenende gedreht:
( ) ( ) ( ) ( )( ) ( ) ( ) ( )
ll l
l lKL
x KL z KL
x KL z KL
=⋅ + ⋅
− ⋅ + ⋅
, ,
, ,
cos sin
sin cos
0 0
0 0
∆α ∆α
∆α ∆α.
Für den Drehwinkel ∆α folgt aus ( )t b Eϕ :
( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]cos ' sin ' cos∆α = − ⋅ ⋅ − ⋅11
Ru ux E E z E Eϕ ϕ ϕ ϕ
( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]sin ' sin ' cos∆α = ⋅ ⋅ + ⋅1
Ru uz E E x E Eϕ ϕ ϕ ϕ
138
Daraus ergibt sich für die Komponenten des Klötzchenvektors lKL :
( ) ( ) ( ) ( ) ( )l uh
Ru
h
RRx KL z E E
klx E E
klE, ' sin ' cos cos= ⋅ − + ⋅ +
+ ⋅ ⋅ +
− ⋅ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1
( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]l uh
Ru
h
Rh R Rz KL x E E
klz E E
klkl E, ' sin ' cos sin= ⋅ − ⋅ +
+ ⋅ ⋅ +
+ + ⋅ − ⋅ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1 1
Mit FFz
=
0 läßt sich nun das äußere Moment auf den Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 formulieren:
( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )M F u uh
Ru
h
RRa z x E z E E
klx E E
kl= + ⋅ − + ⋅ +
+ ⋅ ⋅ +
− ⋅
ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ' sin ' cos cos1 1 1 1
(II.7)
Gleichsetzen von innerem (Gl. II.6) und äußerem Moment (Gl. II.7) an der Einspannstelle
liefert die dritte zu befriedigende Randbedingung. Damit stehen alle zur Lösung der
Differntialgleichung notwendigen Ausdrücke zur Verfügung.
Bei der CDCB-Probe werden nicht die Verschiebungen des freien Endpunktes (ϕ ϕ= E ) der
Proben gemessen, sondern die Verschiebung des Klötzchenlastpunktes. Zwischen den Werten
besteht eine Differenz infolge der Klötzchendrehung während der Deformation. Um aus dem
Modell die Verschiebung der Klötzchenlastpunkte { }u ux KL z KL, ,, zu berechnen, muß eine
entsprechende Korrektur { }∆ ∆u ux z, zu den Verschiebungen des freien Endes
( ) ( ){ }u ux E z Eϕ ϕ, des Stabes hinzuaddiert werden:
( ) ( )u u l lx KL x E x KL x KL, , ,= + −ϕ 0 ; ( ) ( )u u l lz KL z E z KL z KL, , ,= + −ϕ 0
Die Verschiebungen des Klötzchen-Lastpunktes betragen damit:
( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh
Ru
h
Rx KL x E z E E
klx E E
kl, ' sin ' cos= + ⋅ − + ⋅ +
+ ⋅ ⋅ +
ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1
( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh
Ru
h
Rz KL z E x E E
klz E E
kl, ' sin ' cos= + ⋅ − ⋅ +
+ ⋅ ⋅ +
ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1
(II.8). Der Winkel ϕE ergibt sich (bei Klötzchen mit mittiger Bohrung) aus der halben Klötzchen-
länge l kl / 2 über: ϕπ
Ekll
R= −
2 2
arcsin (II.9)
139
Anhang III: Koeffizienten des analytischen Stabmodells der CDCB-Probe
Die Koeffizienten einer bezüglich der Kraft Fz linearen Entwicklung (Gl. 2.35) für die
senkrechte Verschiebungskomponente u z KL, der Klötzchen-Achspunkte lauten:
aR
F
h
Rn
mi mi klmi10
3 57
3 15
1
80
2
315= − + − +
α αα
ah
F
kl
n
mi11
67
80= α
aR
F
h
R
h
Rn
klmi
klmi12
5 721
80
737
3360
139
672= − + +
α α
aR
F
h
R
h
Rn
klmi
klmi13
4 61
3
7
16
907
1440
443
864= + − +
α α
aR
F
h
R
h
R
h
Rn
klmi
klmi
klmi14
3 5 77
16
359
480
183
160
11503
40320
11671
40320= − + +
− +
α α α
aR
F
h
R
h
R
h
Rn
klmi
klmi
klmi15
2 4 61
15
21
80
317
480
131
96
587
1152
47057
86400= − + − +
+ +
α α α
aR
F
h
R
h
R
h
R
h
R
n
klmi
klmi
klmi
klmi
16
3 5
7
7
80
1459
4320
1543
1440
697
1152
12479
17280
398033
3628800
400049
3628800
= − + +
−
+
+
+ +
α α α
α
aR
F
h
R
h
R
h
R
h
R
n
kl klmi
klmi
klmi
17
2 4
6
2
315
1
80
55
672
599
1120
2683
5760
27221
40320
110563
725760
22759
145152
=
+ − +
+ +
−
− +
α α
α
Die Winkelbreite αmi des halben Klötzchens ergibt sich aus:
απ
ϕmikl
E
l
R=
= −arcsin
2 2
140
141
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Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. B. Lauke, der mir die Anregung und den Einstieg zur
Thematik der Arbeit vermittelte und als Betreuer ihren Werdegang zielstrebig und mit großem
Einsatz förderte. Er war ein stets geduldiger, hilfreicher und optimistischer Ansprechpartner
bei allen fachlichen und organisatorischen Problemen und hat großen Anteil am
Zustandekommen der Arbeit. Auch über deren Rahmen hinaus hat er meine wissenschaftliche
und persönliche Entwicklung wesentlich mit geprägt.
Herrn Prof. Dr. K. Friedrich danke ich für die Bereitschaft, als Gutachter mitzuwirken, für
seine kritsche Diskussion der Arbeit und für seine freundliche Unterstützung bei der
Vorbereitung des Promotionsverfahrens.
Mein Abteilungsleiter, Herr Dr. K. Schneider, hat viel dafür getan, organisatorische Probleme
zu lösen und mir ein reibungsloses und effektives Arbeiten zu ermöglichen. Dafür möchte ich
Ihm ganz herzlich danken.
Für das Verständnis und die großzügige Unterstützung meiner Tätigkeit möchte ich den
Direktoren des Institutes für Polymerforschung in Dresden, Herrn Prof. Dr. H.-J. Jacobasch
und Herrn Prof. Dr. K. Lunkwitz meinen nachdrücklichen Dank aussprechen.
Viele Kollegen waren mittelbar oder unmittelbar am Zustandekommen der Arbeit beteiligt
und haben mich durch Rat und Tat unterstützt. In besonderer Weise danke ich Frau
V. Kirsanova und Herrn. J. Singletary für ihre Hilfe bei den Rechnungen, für die
Durchführung der experimentellen Untersuchungen gilt mein Dank Frau C. Starke und Herrn
R. Voigtländer. Neben anderen in verschiedener Weise geholfen haben mir Frau U. Bunzel,
Herr S. Lin und Herr Dr. A. Schöne.
Die Arbeit überhaupt erst ermöglicht hat mir das Institut für Polymerforschung Dresden e.V.
durch die großzügige Bereitstellung der finanziellen Mittel, der Infrastruktur und der
benötigten, leistungsfähigen Rechentechnik und sonstigen Ausrüstung. Dieser Institution bin
ich zu ganz besonderem Dank verpflichtet. Weitere wichtige finanzielle Unterstützung hat
meine Tätigkeit durch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefunden,
welches mit dem Projekt Nr. 7541.83 das Thema gefördert hat.
Zahlreiche Entbehrungen und zusätzliche Aufgaben hat meine Lebensgefährtin Katrin Heisig
für mich auf sich genommen, und mir damit den Weg zur Durchführung der Arbeit geebnet.
Für den Rückhalt, das Verständnis und die Kraft, die sie mir gegeben hat, möchte ich ihr vor
allem danken.
Lebenslauf Persönliche Daten Name: Beckert, Wieland Geburtsdatum/Ort: 20.05.1964, Dresden Familienstand: verheiratet Nationalität: deutsch Schulbildung 1970 – 1978 8. Polytechnische Oberschule, Dresden 1978 – 1982 Erweiterte Oberschule „Martin Andersen Nexö“, Dresden Abitur Wehrdienst 1982 – 1984 Grundwehrdienst, Artillerieregiment „Henne“, Erfurt Studium 1984 – 1989 Studium der Physik, Vertiefung Polymerphysik, Technische Hochschule „Carl Schorlemmer“, Merseburg Abschluss: Dipl.-Phys. Wissenschaftliche Berufstätigkeit 1989-1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Polymerforschung
Dresden 1998-2001 Postdoc, Institut für Werkstoffwissenschaft, TU Dresden Promotion 1995 Titel: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von
Faserverbundwerkstoffen mittels der Methode der Finiten Elemente
Berufstätigkeit seit 2001 Fraunhofer Institut für keramische Technologien und Systeme,
Dresden, Gruppenleiter Simulation
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