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Post on 02-Feb-2021
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Das Handwerk im Wandel der Zeit
Was ist unter „Strukturwandel“ zu verstehen?
War das Handwerk ein Verlierer des zurückliegenden Strukturwandels?
Hat sich der Strukturwandel in den letzten Jahren beschleunigt?
Georg-August-Universität Göttingen
Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung
Volkswirtschaftliches Institut für Mittelstand und Handwerk
-
222
Übersicht
1. Einführung: Strukturwandel im Handwerk
2. Das Handwerk in der Industriegesellschaft
3. Das Handwerk in der Dienstleistungsgesellschaft
4. Beschleunigter Strukturwandel ab Mitte der 90er
5. Diskussion: Neue Herausforderungen für das Handwerk?
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1. Einführung: Strukturwandel im Handwerk
• „Strukturwandel“ bezeichnet die längerfristige Veränderung
volkswirtschaftlicher Größen. Somit unterscheiden sich Struktur-
veränderungen von kurzfristigen Konjunkturschwankungen
3
Begriff
„Strukturwandel“
Qualifikations- und Altersstruktur von Beschäftigten
Regionale Strukturen
Verteilung der Wertschöpfung auf
Wirtschaftsbereiche und -branchenVerteilung der Beschäftigen auf
Wirtschaftsbereiche und -branchenGeänderte Bedeutung von Produktionsfaktoren
(Kapital, Arbeit, Wissen etc.)
-
Wie hat sich das Handwerk im vergangenen Strukturwandel
behauptet?
4
Wirtschaftsbereich
Handwerk
Einzelne
Handwerksbranchen
Einzelner
Handwerksbetrieb
Auswirkungen des
Strukturwandels im
Handwerk
-
2. Das Handwerk in der Industriegesellschaft
Herausforderung: Wandel durch technischen Fortschritt
5
Industriegesellschaft
(ab ca. 1900)
Zeitverlauf
Agrargesellschaft
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• An der Wende zum 20. Jahrhundert entbrannte unter Experten
eine Diskussion über die Zukunftsfähigkeit des Handwerks
• Damalige Prognose: Verdrängung handwerklicher Produktions-
weise durch den technischen Fortschritt im Zuge der Industria-
lisierung
• Das „traditionelle“ Handwerk wurde durch moderne Produktions-
formen in der Tat massiv verdrängt (z.B. Textil- und Bekleidungs-
handwerke)
• Zahlreiche Handwerksberufe sind im Zuge des Strukturwandels
verschwunden (z.B. Kesselflicker, Besenbinder, Nagelschmiede)
6
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• Insgesamt konnte sich das Handwerk den neuen Gegebenheiten
aber anpassen und vom technischen Fortschritt profitieren…
z.T. Eroberung von Nischen der Massenproduktion
Verschiebung der Tätigkeitsschwerpunkte von der Produktion zu
Handel, Wartung und Reparatur: z.B. Uhrmacher oder Schumacher
Entstehen neuer Handwerksberufe
z.B. Kfz-Mechaniker, Radio- und Fernsehtechniker
Wandel von Arbeitsinhalten und -strukturen durch den technisch-
en Fortschritt, der bis heute andauert („Selbstindustrialisierung“)
(z.B. Schreiner: „vom Fuchsschwanz und Handhobel zur CNC-gesteuerten
Holzbearbeitungsmaschine“) 7
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• Anstatt verdrängt zu werden, hat sich also „nur“ der Charakter
von handwerklichen Tätigkeiten dem technischen Fortschritt
angepasst!
• Plastische Umschreibung dieses bewältigten Strukturwandels:
• Als stabile Grundlage des Modernisierungsprozesses wirkte stets
ein handwerksspezifisches Selbstverständnis
handwerkliche Berufsausbildung (Lehrling, Geselle, Meister)
starkes Zusammengehörigkeitsgefühl (Innung, Ehrenamt)8
Handwerksdefinitionen
Klassische Definition: Handwerk = Werk der Hände
Neuere Definition: Handwerk = Individualtechnik
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2. Das Handwerk in der Dienstleistungsgesellschaft
Herausforderung: Wandel durch Tertiärisierung
9
Industriegesellschaft
(ab ca. 1900)
Zeitverlauf
Agrargesellschaft
Dienstleistungsgesellschaft
(ab ca. 1970)
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• Enge Strukturwandeldefinition: Sektorale Tertiärisierung („Der
Weg in die Dienstleistungsgesellschaft“)
• Wie ist das Handwerk in dieser Entwicklung einzuordnen?
10
Quelle: Nolden u.a.
2010
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• Das Handwerk ist keine „klassische“ Branche, sondern ein
sektorübergeifender Wirtschaftsbereich!
• Produzierendes Gewerbe: z.B. Bau-, Ausbau-, Lebensmittel- und
technische Investitionsgüterhandwerke
• Dienstleistungssektor: z.B. Kfz, Friseure, Gesundheitshandwerke
11Quelle: HZ 1995
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• „Mittellage“ des Handwerks im Rahmen des sektoralen Struktur-
wandels mit starker Tendenz zum produzierenden Sektor
• Konsequenz: Auch das Handwerk konnte im 20. Jahrhundert von
der sektoralen Tertiärisierung stark profitieren
Existenz und Expansion von Handwerksbranchen im tertiären Sektor
(z.B. Gebäudereiniger, Gesundheitshandwerke)
Wartung, Reparatur und Service als handwerkliche Dienstleis-
tungsangebote (z.B. Kfz- oder Landmaschinentechniker)
• Angesichts der gegebenen handwerklichen Berufsstruktur (HwO)
waren die sektoralen Expansionsmöglichkeiten jedoch begrenzt!
• Aber: Von der sektoralen Tertiärisierung ist die zunehmende
Tertiärisierung auf der betrieblichen Ebene zu unterscheiden!12
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• Begrenzte Aussagekraft der amtlichen Statistik: Dienstleistungs-
aktivitäten von Unternehmen im Produzierenden Gewerbe kom-
men nicht zum Ausdruck! (Schwerpunktprinzip)
• Konsequenz: Unterschätzung gerade des handwerklichen
Dienstleistungsspektrums, denn…
Zunehmender Dienstleistungsgehalt der Produkte im Produzie-
renden Handwerk („Handwerksunternehmen als Problemlöser“)
Information, Beratung und Service rund um das handwerkliche
Leistungen immer wichtiger („Mentalitätswandel“)
Beispiel: Beratungs-, Planungs-, Installations- und Wartungskom-
petenz beim Einbau einer Solaranlage durch einen SHK-Betrieb13
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14
Verkäufermarkt:
Nachfrage > AngebotKäufermarkt
Angebot > Nachfrage
Motto:
„Ein gutes handwerkliches
Produkt verkauft sich von selbst“
Motto:
„Der Kunde ist König“
Konsequenz:
Beschränkung auf handwerkliche
Kernkompetenzen (z.B. Tischler,
Bäcker, Friseure etc.)
Konsequenz:
Erweiterung des handwerklichen
Kernangebots (z.B. Fleischer mit
Catering-Angebot, Kfz-Betriebe in
Car-Sharing-Netzwerken etc.)
Wandel
-
Zwischenfazit:
• Das Handwerk konnte sich bisher im Strukturwandel durch seine
Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten behaupten
• Die pessimistischen Einschätzungen zur Zukunftsfähigkeit des
Handwerks an der Wende zum 20. Jahrhundert haben sich somit
nicht bewahrheitet
• An der Schwelle zum 21. Jahrhundert ist jedoch erneut eine
Debatte über die Zukunftsfähigkeit des Handwerks entbrannt
Was ging dem voran?
15
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4. Beschleunigter Strukturwandel ab Mitte der 90er
• Vergleich zur Gesamtwirtschaft im Jahr 2009: Nach wie vor hohe
volkswirtschaftliche Bedeutung des deutschen Handwerks
- 26,1 % aller Betriebe
- 11,8 % aller Erwerbstätigen
- 29,4% aller Auszubildenden
- ca. 8,4% der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung
• Jedoch ab Mitte der 1990er starker Schrumpfungsprozess (Be-
schäftigte, Umsatz), der sich erst in jüngster Zeit verlangsamt hat
Rückgang der Handwerksbeschäftigung in Deutschland um mehr als
1,5 Millionen zwischen 1995 und 2005
16
Quelle: ZDH
-
17
• Niedersächsisches Handwerk im Jahr 2009:
- 426.800 Beschäftigte
- 37,0 Mrd. Euro Umsatz
Quelle: LHN, LSKN
-
• Dabei Tendenz zur Verschiebung der Betriebsgrößenstruktur
(„Zweiteilung des Handwerks“)
1. viele Kleinstbetriebe („Ein-Mann-Betriebe“)
2. Zunahme der Großbetriebe (50 Beschäftigte und mehr)18
Quelle: Müller 2011
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• Mögliche Ursachen der Veränderungsprozesse im Handwerk:
Zusammenspiel struktureller und konjunktureller Einflüsse
• Strukturell: starke Schrumpfung im Bausektor ab Mitte 90er
durch langanhaltende Krise in der Bauwirtschaft
19
siehe Beschäftigungsstruktur im zulassungspflichtigen Handwerk:
Quelle: ZDH
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• strukturell: starke Marktanteilsverluste gegenüber nichthand-
werklichen Anbietern (vor allem im Konsumgüterbereich)
• strukturell: Weichenstellungen der Wirtschaftspolitik
90er: Verteuerung des Faktors „Arbeit“ zuungunsten des Handwerks
HWO-Novelle 2004: vor allem Einfluss auf die Betriebszahlen
• konjunkturell: ungünstige Konjunkturkonstellation 2002 bis 2005
(Benachteiligung des binnenmarktorientierten Handwerks)20
Quelle: Dürig u.a. 2004
Marktanteilsverluste des Handwerks in ausgewählten Wirtschaftszweigen
Rückgang des Marktanteils gegenüber nicht-handwerklichen
Anbietern zwischen 1994 und 2000
Fleischerhandwerk - 4 %
Bäcker- und Konditorenhandwerk - 10 %
Uhrmacherhandwerk - 27 %
-
• Der Wirtschaftsbereich „Handwerk“ hat sich im vergangenen
Strukturwandel durch seine Anpassungsfähigkeit behauptet
• Wahrnehmung beschleunigter Veränderungsprozesse im
Handwerk ab Mitte der 90er Jahre
Hat sich auch aus Ihrer Sicht der Strukturwandel im Handwerk in
den letzten Jahren beschleunigt?
Wenn ja, woran macht sich das fest?
21
5. Diskussion
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Neue Herausforderungen für das Handwerk?
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Industriegesellschaft
(ab ca. 1900)
Zeitverlauf
Agrargesellschaft
Dienstleistungsgesellschaft
(ab ca. 1970)
?
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These 1
Auch der gegenwärtige Strukturwandel wird das
Erscheinungsbild des Handwerks wesentlich verändern.
These 2
Die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen wird von
den Handwerksbetrieben auch weiterhin eine umfassende
Wandlungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit erfordern.
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2424
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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