seelenschmerz – wie seelische verletzungen das gehirn verändern dr. samuel pfeifer klinik...
Post on 05-Apr-2015
106 Views
Preview:
TRANSCRIPT
Seelenschmerz – wie seelische Verletzungen das Gehirn
verändern
Dr. Samuel PfeiferKlinik Sonnenhalde, Riehen
Übersicht
Körperlicher Schmerz vs. seelischer SchmerzGesunde und pathologische Trauma-ReaktionenDie Hauptsymptome einer posttraumatischen StörungWas geschieht im Gehirn?Möglichkeiten der TherapieResilienz
Körperschmerz - Seelenschmerz
Körperlicher Schmerz
Körperlicher Schmerz
Körperschmerz kann ganz unterschiedlich sein. Im besten Fall ist er ein kurzes Gefahrensignal, im schlimmsten Fall ein chronischer Begleiter, der das gesamte Leben überschattet.Physischer Schmerz kann auch wie ein seelisches Trauma wirken
Seelischer Schmerz
Seelischer Schmerz hinterlässt keine äusseren Verletzungen
Dennoch macht das Erleben etwas mit der Person und auch mit dem Gehirn.
Zwei Traumatypen
Typ-I-Trauma:Folgen eines einmaligen traumatischen Erlebens (z.B. Überfall, Vergewaltigung).
Typ-II-Trauma:Folgen lang anhaltenden wiederholten Traumas (Gefangenschaft, wiederholter sexueller Missbrauch)Erleben von extremer Hilflosigkeit und Demütigung, die zu einer tief greifenden Erschütterung existentieller Grundannahmen über den Wert der eigenen Person führt.
Traumaverarbeitung
VerleugnungWeigerung, sich an das Trauma zu erinnern
IntrusionGedanken, Bilder drängen sich auf
DurcharbeitenAuseinandersetzen mit der Realität des Traumas
Abschluss der TraumaarbeitWeiterleben
Emotionaler AusbruchFurcht, Traurigkeit, Wut
Panik, ErschöpfungÜbersteigerte emot. Reaktion
Extreme VermeidungRückzug, Drogen, um Schmerz zu ersticken
ÜberflutungszuständePersistierende Flashbacks
Psychosomatische ReaktionenLangfristige körp. Konsequenzen
Emotionaler AusnahmezustandEmotionale Überwältigung
PersönlichkeitswandelLangzeitfolgen, Verlust der Fähigkeit zu Liebe Arbeit
nach Horowitz 1986
TRAUMA
PTSD – Drei Hauptsymptome
Wiedererleben des Traumas(Intrusion / Flashbacks)
Vermeidungsverhalten(sozialer Rückzug)
Vegetative Übererregbarkeit(Körpersymptome)
Vier Muster der Verarbeitung
Chronisch
Verzögert
Recovery
Resilienz
Bonanno G.A. (2004). Loss, trauma, and human resilience. American Psychologist 59:20-28.
Ereignis 1 Jahr 2 Jahre
Wie toxisch ist ein Trauma?
Besonders schwere Traumareaktionen sind zu erwarten bei folgenden Umständen eines Traumas (häufig in der Kindheit)
1. Lange Dauer. 9. Persönlichkeit ist noch nicht gefestigt.
2. Häufige Wiederholung. 10. Sexuelle Gewalt.
3. Schwere körperliche Verletzung. 11. Sadistische Folter.
4. Vom Opfer schwer zu verstehen. 12. Mehrere Täter.
5. Gewalt durch andere Menschen. 13. Opfer hatte starke Dissoziationen.
6. Täter ist nahe stehende Person. 14. Niemand stand dem Opfer unmittelbar nach dem Ereignis bei.
7. Opfer hatte (hat) den Täter gern. 15. Niemand hat nach der Tat mit dem Opfer darüber gesprochen.
8. Opfer fühlt sich mitschuldig.
nach
M. H
ub
er
1. WIEDERERLEBEN DES TRAUMAS
«Wer gefoltert wurde, bleibt gefoltert. Unauslöschlich ist die Foter in ihn eingebrannt, auch dann, wenn keine klinisch-objektiven Spuren nachzuweisen sind.»
» Jean Amery
2. BEWUSSTSEINSVERÄNDERUNGEN
– Amnesie oder Hypermnesie, was die traumatischen Ereignisse anbelangt.
– zeitweilig dissoziative Phasen.– Depersonalisation /
Derealisation.– Wiederholungen des
traumatischen Geschehens, entweder als intrusive Symptome oder als ständige grüblerische Beschäftigung.
nach
J. Herm
an
n, S
. 16
9/1
70
3. VEGETATIVE / EMOTIONALE SYMPTOME
Hypervigilanz (ständige Wachsamkeit)Übermässige SchreckreaktionSchlafmangel – Reizbarkeit / WutKörperliche Symptome: Herzklopfen, Schwitzen, Schmerzen – alles erinnert an das Trauma oder signalisiert Gefahr.anhaltende Verstimmung (Dysphorie)chronische Suizidgedanken oder Selbstverletzung
4. GESTÖRTE SELBSTWAHRNEHMUNG
– Ohnmachtsgefühle, Lähmung jeglicher Initiative.
– Scham und Schuldgefühle, Selbstbezichtigung.
– Gefühl der Beschmutzung und Stigmatisierung.
– „Kainsmal“ – Gefühl, sich von anderen grundlegend zu unterscheiden (die Person fühlt sich mutterseelenallein, glaubt, niemand könne ihn verstehen oder nimmt eine nichtmenschliche Identität an).
nach J. Hermann, S. 169/170
5. GESTÖRTE WAHRNEHMUNG DES TÄTERS
ständiges Nachdenken über die Beziehung zum Täter (auch Rachegedanken).unrealistische Einschätzung des Täters, der für allmächtig gehalten wird (Vorsicht: Das Opfer schätzt die Machtverhältnisse eventuell realistischer ein als der Arzt).Idealisierung oder paradoxe Dankbarkeit.Gefühl einer besonderen oder übernatürlichen Beziehung.Übernahme des Überzeugungssystems oder der Rationalisierungen des Täters.
6. BEZIEHUNGSPROBLEME
Isolation und Rückzuggestörte Intimbeziehungenwiederholte Suche nach einem Retter (eventuell alternierend mit Isolation und Rückzug)anhaltendes Mißtrauenwiederholt erfahrene Unfähigkeit zum Selbstschutzzwanghafte oder extrem gehemmte Sexualität (eventuell alternierend)
7. VERÄNDERUNG DES WERTESYSTEMS
– Verlust fester Glaubensinhalte
– Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung
Was geschieht im Gehirn?
Das Gefühl der Geborgenheit und des Urvertrauens findet seine neurobiologische Entsprechung im Gehirn.
Das psychische Gleichgewicht ist abhängig davon, dass die neuronalen und hormonalen Warnsysteme auf „Grün“ stehen.
Die neurobiologischen Netzwerke der Persönlichkeit festigen sich mit jedem Lebensjahr und erhöhen die Widerstandsfähigkeit bei traumatischen Ereignissen.
Traumatische Erfahrungen können im Gehirn bleibende Schädigungen hervorrufen, die sich in den psychischen Symptomen der post-traumatischen Reaktionen (Intrusion – Vermeidung – vegetative Labilität) äussern.
Angst
Grundbedürfnisse erfüllt- Obdach, Wärme, Kleidung
- Äussere Sicherheit
- Wertschätzung
- Liebe, Annahme
- Selbständigkeit, Freiheit
Vertrauensvolle Beziehung- Zur primären Bezugsperson
- Zu sich selbst
- Zu anderen - Zu Gott
Verdrängung des Bösen
„Mich trifft es nicht!“
Elemente der Geborgenheit
PositiveKontrollüberzeugung „Wenn ich brav bin – wenn ich meine Pflichten erfülle etc.
Dann stösst mir nichts Böses zu.
TRAUMA
Limbisches System:AmygdalaHippocampus
Stirnhirn: DenkenGrundannahmen
Wichtige Elemente der Traumareaktion
Amygdala:Gefühle, spez.Angst
Amygdala:Gefühle, spez.Angst
Hippocampus:GedächtnisprägungBilder, Gerüche, Geräusche etc.
Hippocampus:GedächtnisprägungBilder, Gerüche, Geräusche etc.
GrundtemperamentVerletzlichkeitÄngstlichkeitbiol. Rhythmen
GrundtemperamentVerletzlichkeitÄngstlichkeitbiol. Rhythmen
Stammhirn:biol. RhythmenSchlaf
TraumaTrauma
Aktivierung desvegetativen Systems: „Daueralarm“
Aktivierung desvegetativen Systems: „Daueralarm“
Vermeidensverhaltensozialer Rückzug
Vermeidensverhaltensozialer Rückzug
Traumatische Veränderung von Bewusstsein und Gedächtnis.(Wiedererleben,Dissoziation).
Traumatische Veränderung von Bewusstsein und Gedächtnis.(Wiedererleben,Dissoziation).
Auswirkungen im Gehirn
Der lange Schatten des Traumas Durch das Trauma wurde eine Welt
zerstört. Aus vertrauensvollen Menschen werden misstrauische. Aus Menschenfreunden werden Menschenfeinde.
Eine lebensfrohe Person verwandelt sich in jemand, der ängstlich und zurückgezogen lebt.
Aus einem Menschen, der Mitarbeiter und Freunden vertrauen konnte, wird einer, der Angst bekommt, wenn er nicht alle und alles unter Kontrolle behält. Ein Mensch mit Zukunftsplänen und Visionen wird ein pessimistischer Skeptiker, nur noch bedacht auf die eigene Sicherheit.
nach
G. Fi
sch
er,
S. 9
6
Möglichkeiten der Therapie
StabilisierungVertrauensvolle therapeutische BeziehungStrukturierende, unterstützende InterventionenImaginationsübungen („sicherer Ort“, „innere Helfer“)Ressourcenaktivierung (was hat bisher geholfen zu überleben?)Klären von Umfeld, Lebenssituation (besteht aktuell weiteres Trauma?)
TraumatherapieZiel: Aufhebung der Abspaltung / DissoziationIntegration des Traumas in die BiographieTherapeutisches GesprächEvtl. Traumaexpositionstechniken (z.B. Bildschirm-Technik), EMDR
Therapie II
Gestaltung des aktuellen Lebens und der ZukunftBehandlungsbedürftigkeit von Begleiterkrankungen klären (z.B. Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen)Interessen, Pläne, AufgabenEntwicklung einer Nicht-Opfer-IdentitätUnterstützung der Bildung eines gesunden stützenden Umfeldes
Posttraumatische Reifung
Dieser neue Begriff umschreibt “seelische Reifung nach einem traumatischen Ereignis”. Menschen mit dieser Form der Resilienz zeigen folgende Eigenschaften:
Mehr Mitgefühl und Empathie für andere, die durch ein Trauma oder einen Verlust gehen.
Vermehrte psychologische und emotionale Reife im Vergleich zu Gleichaltrigen.
Erhöhte Resilienz gegenüber Schicksalsschlägen. Mehr Wertschätzung für das Leben im Vergleich zu Gleichaltrigen Vertieftes Verständnis für die eigenen Werte, Lebenszweck und
Lebenssinn. Mehr Wertschätzung persönlicher Beziehungen.
Calhoun L. & Tedeschi, R.(2006). - Park C.L. & Fenster J.R. (2004).
Psychotherapie verändert das Gehirn
Studien haben wiederholt gezeigt, dass Psychotherapie im Gehirn eine Veränderung bewirkt.
– Lindauer RJL (2008). Effects of psychotherapy on regional cerebral blood flow during trauma imagery in patients with post-traumatic stress disorder: a randomized clinical trial. Psychological Medicine, 38,543-554.
Resilienz trotz seelischer Wunden
Mammutbäume im Park der Klinik Sonnenhalde
Resilienz: Glaube, Liebe, Hoffnung
Werte jenseits psychologischer Konstrukte.
Resilienz bedeutet den Glauben nicht aufzugeben– Trotz unerfüllter Wünsche und offener Fragen an Gott.
Resilienz bedeutet die Liebe nicht aufzugeben– Trotz erfahrener Lieblosigkeit und Ungerechtigkeit.
Resilienz bedeutet, die Hoffnung nicht aufzugeben– Trotz schier unüberwindbarer Hindernisse und Widerstände.
DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
top related