weg von der salamitaktik! - infekt.ch · pedis** klinische zeichen keine 1 kein eiter, keine...

Post on 05-Aug-2019

213 Views

Category:

Documents

0 Downloads

Preview:

Click to see full reader

TRANSCRIPT

18. St. Galler Infekttag

Weg von der Salamitaktik!

Der infizierte diabetische Fuss

Matthias Schlegel

Infektiologie/Spitalhygiene

KSSG

Woher stammt der Begriff Salamitaktik?

Salamitaktik leitet sich von der Schlacht bei

Salamis ab

Salamitaktik leitet sich aus dem ungarischen

szalámitaktika ab

Beides stimmt nicht

Hallo, wo bin ich hier?

Seeschlacht von Salamis

Salamitaktik Taktik Problematische, weil unpopuläre Ziele werden über einen langen Zeitraum in kleinen, kaum wahrnehmbaren Schritten verwirklicht, die jeder für sich nur eine kleine, scheinbar unbedeutende Änderung darstellen, und somit einer Mehrheit vermittelbar sind.

Projektmanagement Großen Aufgaben ihren Schrecken zu nehmen, indem man sich die einzelnen Bestandteile der Aufgabe verdeutlicht und sie „Scheibe für Scheibe“ abarbeitet.

Politik Verhandlungsstil mit immer nur minimalen Zugeständnissen, Verlängerung der Verhandlung und Zermürbung des Gegners.

Informatik Unerwünschtes Verhalten des Kunden: immer wieder neue Anforderungen an ein Projekt zu stellen, Konsequenz: mangelhafte Planung und unkoordinierte sowie fehleranfällige Umsetzung.

Salamitaktik

Medizin

Zynische Bezeichnung für chirurgisches Vorgehen mit

schritt-/scheibenweise Amputation der Zehen, des

Vorfußes, Rückfusses und Unterschenkelamputation

zum Beispiel beim diabetischen Fuss

Pathophysiologie Infektion

Haut ist besiedelt mit Bakterien

Wunde ist besiedelt mit Bakterien

Infektion

Eintreten des Erregers in sterile

Räume/Gewebe

und

Reaktion des Wirtes

Beeinflussende Faktoren Erreger

• Keim

• Virulenz

• Resistenz

Betreuung

Wirt

• Adhärenz

• Mobilität, Visus

• Neuropathie

• Vaskuläre Insuffizienz

• Metabolisch/ Hyperglykämie

• Ernährung

• Immunsystem

• .....

Definition Infektion

Klinik Lokal

Schwellung, Rötung, Überwärmung, Schmerz,

Funktionsverlust

Eiter

Fehlende Heilung einer chronischen Wunde

Ev: nichteitrig. Sekret, unterhöhlte Wunden,

Geruch

Systemisch

Fieber, Schüttelfrost, Verwirrtheit, Hypotonie

Schweregrad Infektion (Bsp Diabetische Wunde)

Schwere-

grad * PEDIS** Klinische Zeichen

Keine 1 Kein Eiter, keine klinischen Entzündungszeichen

Mild 2

>2 Entzündungszeichen (Pus, Rötung, Sz, Überwärmung,

Induration),

Zellulitis/Erythem < 2 cm um Ulkus

Haut, oberflächliche Subcutis

Keine systemischen Infektzeichen

Mittel-

schwer,

Moderat

3

Wie milde Infektion, kreislauf- und metabolisch stabil

> 1 von:

Zellulitis/Erythem > 2 cm

Lymphadenitis

Tiefe Infektion (tiefe Subcutis, Abszess, Gangraen, Muskel,

Sehnen, Gelenk oder Knochen)

Schwer 4

Systemische Zeichen: Kreislaufinstabil, Azidose, Fieber,

Schüttelfrost, Tachykardie, Hypotension, Konfusion, Erbrechen,

Leukozytose, Azidose, Hyperglykämie

Evaluation: Prädiktiv für Outcome?

1600 Pat mit

Diabetes

Follow up 2 ½ y

15% mit Wunde 47% mild

34% moderat

18% schwer

Multidisziplinäres Management

Patient

Infektiologie

Angiologie

Diabeto-logie

Chirurgie Ernährungs-

medizin

Orthopädist

Hausarzt

Welche (infektiologische) Diagnostik

Ziel

Festlegen eines angepassten optimierten Vorgehens

Heilung vs Kontrolle

Bildgebung: Ausdehnung Infektion

Mikrobiologie: Erreger, Resistenz

Weitere

Durchblutung, metabolische Störung, ...

Soziale Situation

Warum (mikrobiologische) Diagnostik

Langwierige Therapie

Hohe diagnostische Sicherheit

Ausdehnung in Tiefe/Knochenbefall

Erreger

Resistenz

Mikrobiologische Proben: Was und wann?

Fieber = Blutkulturen

Infizierte Wunde

Weichteil/Knochenbiopsie (1. Wahl; Goldstandard;

Débridement /Reinigung (keine Desinfektion)

Aspiration von Eiter

Abstriche obsolet

Häufig Besiedelungskeime: Alle Wunden sind

kolonisiert

Nachgewiesene Bakterien korrelieren schlecht mit

infektverursachendem Erreger

Nicht-infizierte Wunde

MRSA/Multiresistenz

Keine Probe

Allenfalls bei leichtem Infekt & keine vorgängige

Antibiotika

Osteomyelitis: Daran denken

Tiefe ausgedehnte Wunde

Entzündungsparameter

Erhöhte BSR (>70) + Ulcus > 2cm (Sens 89%, Spez 100%)

Positive probe to bone = whs Knochenbeteiligung

/Osteomyelitis (Sens 60% (38-87), Spez 90% (85-91))

Positive probe to bone + extremitätenbedrohende Infektion

= Knochenbeteiligung / Osteomyelitis

Geschwollener Fuss und anamnestisch Ulcus

Unerklärte persistierende Entzündungsparameter

Fehlende Heilung

Radiologisch Knochendestruktion

Osteomyelitis Diagnostik

Konventionelle Radiologie

(Sens 54%, Spez 68%): genügend wenn

Keine kortikale Erosion, periostale Sequester, Sklerose,

„nicht an Osteomyelitis gedacht werden muss“

2 Wochen Therapie (= Therapie eines Weichteilinfektes)

und Reevaluation

Frühestens nach 2 Wochen manifest, Weichteile

nicht beurteilbar

MRI

Beurteilung Knochen und Weichteile

Osteomyelitis (Sens 90%, Spez 79%)

Senneville E et al. Dia Care 2008;31:637-642 Copyright © 2011 American Diabetes Association, Inc.

Infizierte Wunde: antibiotische Therapie?

Keine Infektion Keine Therapie

„Subklinische Infektion“ Keine Prophylaxe/Therapie

Keine verbesserte Wundheilung

Resistenzentwicklung, Kosten, Nebenwirkungen

Infektion Therapie

Grenzsituationen: Ischämie, Verfärbung, Geruch, Sz, keine Heilung trotz Treffen aller Massnahmen Therapieversuch, kurzfristige Reevaluation

Welches Antibiotikum verschreiben Sie

empirisch beim infizierten diabetischen

Fuss am häufigsten?

Amoxicilin/Clavulansäure

Clindamycin

Ciprofloxacin

Moxifloxacin

Doxycyclin

Anderes

Welche Erreger?

Akute Infektion: häufig nur ein Erreger Staphylococcus aureus, Streptokokken

Chronische Infektion: häufig polymikrobiell Enterokokken, Enterobakteriaceae, Pseudomonas

aeruginosa, Anaerobier

Cave: Resistenz bei vorgängiger langdauernder Hospitalisation/Antibiotikatherapie

Nekrotisches Gewebe (Weichteile und Knochen) Auch Infektionen mit „niedrig-virulenten“ Keimen (koag.

neg. Staphylokokken, Corynebakterien)

Bakte

rizid

MR

SA

Sta

phylo

kokken

Str

epto

kokken

Ente

rokokken

Ente

robabakte

rien

ES

BL

Pseudom

onas

Anaero

bie

r

(Amino)penicillin x

Amoxicillin/Clavulanat x

Ceftriaxon x

Ceftazidime x

Piperacillin/Tazobac x

Imipenem x

Ciprofloxacin x

Vancomycin (x)

Cotrimoxazol (TMP/SMX)

Clindamycin

Tetracyclin

Wirkspektrum

perorale Antibiotika Akut

Chronisch

Empfehlungen empirische antibiotische

Therapie

Antibiotikum Mild Mittel Schwer

Verabreichung Oral Oral oder

parenteral

(Initial)

Parenteral

Dalacin X (X)

Cotrimoxazol

Doxycyclin

X

Amoxicillin/

Clavulanat

X X X

(Dalacin/

Ciprofloxacin)*

X

*Rasche Resistenzentwicklung bei g-, i.R. nicht empirisch

Nicht vergessen: Anpassen gemäss

Erreger und Resistenz

Bestwirksamstes Antibiotikum

Erreger, Spektrum

Engstes Spektrum

Weniger Kollateralschaden

Meist billiger

Berücksichtigung Wirtsfaktoren

Allergie

Interaktion

Niereninsuffizienz

Wie lang?

Schwierig!

So kurz wie möglich, so lange wie nötig!

Zu lange

Nebenwirkungen

Resistenzentwicklung, Beeinflussung Flora

Zu kurz

Rezidiv

Streuherde

01.03.2013

Therapie infizierter diabetischer Fuss:

Verabreichung und Dauer

Anatomie, Schweregrad Administration Dauer

Weichteilinfekt

Mild po 7-14 Tage

Mittel po (initial iv) 2-4 Wochen

Schwer Initial iv 2-4 Wochen

Osteomyelitis / Arthritis

„Im Gesunden“ (vollständiges

Debridement/ Amputation)

iv oder po 2-5 Tage

Residuelles infiziertes Gewebe

Weichteile

Infizierter vitaler Knochen

iv oder po

Initial iv, dann po

2-4 Wochen

4-6 Wochen

Keine Chirurgie oder residuelles

avitales Knochengewebe

Initial iv, dann po

> 3 Monate

Caveats

Staphylokokken

Keine Monotherapie mit Chinolonen

Keine Penicilline/Cephalosporine per os bei

Knocheninfekten

Amoxicillin/Clav: 3xtgl

Abszesse: Antibiotika + Chirurgie

Keine topische antibiotische Therapie

Antibiotika sind nicht

Fiebersenker

Entzündungsparametersenkende Medikamente

„Abszessausräumer“

Beruhigungsmittel für das behandelnde Team

Wund(er)heiler

Wann Hospitalisieren?

Schwere Infektion

Moderate Infektion mit Risikofaktoren (z.B.

schwere PAVK)

Ambulante adäquate Therapie nicht möglich

Ev. bei fehlender Besserung unter ambulanter

Therapie

Chirurgische Intervention?

Urgent

Nekrotisierende Fasciitis, Abszess, Gaseinschüsse

Klinisch instabil

Nach Stabilisierung/Revaskularisierung

Ausgedehntes avitales Gewebe, extensiver Weichteil-

Gelenk- oder Knochenbefall

Erfolg multidisziplinäre Behandlung?

Dänemark

Bessere Heilungsraten, Reduktion Mayor

Amputationsrate

Deutschland, Leverkusen

35%-Reduktion Inzidenz US-Amputation 90/91 vs

94/05

England

40%-Reduktion Inzidenz Amputationen (62% mayor

amp) über 11 Jahre

Gottrup, Arch Surg 2001; 136:765–72. Trautner, Diabetes Care 2007; 30:2633–7. Krishnan, Diabetes

Care 2008; 31:99–101.

Wundauflagen

Infizierter diabetischer Fuss

Interdisziplinär

- "Der diabetische Fuss - eine interdisziplinäre

Herausforderung“, Donnerstag, 20. Juni 13:30 - 18:00

- Diabetologische Fusssprechstunde KSSG

(www.endocrinology.ch, 494 31 16)

Rationaler Antibiotikaeinsatz

Händedesinfektion

top related