anmerkung zu lg meiningen, beschl. v. 27.6.2013 – hk o 80/12 (80)

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Aus der erforderlichen Gesamtschau folgt, dass es sich bei der Antragsgegnerin bzw. dem Unternehmensverbund nicht um ein „reines“ Tendenzunternehmen handelt. Die Servicegesellschaften betreiben quantitativ und qualitativ wirtschaftlich orientierte Tätigkeiten, die mit Gewinn- erzielungsabsichten verbunden sind. Umsätze von ca. 25 Mio. € in der M. Klinik Gruppe und ein Bilanzgewinn von 1.503.387,30 € im Jahr 2010 sprechen nicht für den Ausnahmecharakter eines Tendenzunternehmens. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ist ein Großteil nicht tendenzgeschützter Bereiche innerhalb des von der An- tragsgegnerin beherrsch[t]en Konzerns zu berücksichtigen (vgl. OLG Dresden, a. a. O.) Dies gilt insbesondere für die Servicegesellschaften und deren nicht unerhebliche ten- denzfremde Tätigkeiten (vgl.: LG Frankfurt, Beschl. v. 25. 3. 2010 – 31 O 21/10 –, juris.). Sie sind nicht allein des- halb Tendenzunternehmen, weil sie karitative Tätigkeiten der Kliniken unterstützen. Sie führen in erheblichem Um- fang nicht direkt tendenzbezogene Leistungen für andere aus und beschäftigen hierfür eine Vielzahl der Mitarbeiter. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach Angaben der Antragsgegnerin die Anzahl der Arbeitnehmer in der Klinikum C. GmbH die [der] in der C. Service GmbH tä- tigen Arbeitskräfte übersteigt und die innerhalb der Klini- kum C. GmbH beschäftigten 500 bis maximal 700 Schwes- tern des BRK bei der Beurteilung der karitativen Tätigkeit ggf. mitzuzählen sind. Die Tätigkeit der Antragsgegnerin ist nicht losgelöst von ihren Tochtergesellschaften und Ser- vicegesellschaften zu betrachten. Daher sind diese bei der Gesamtbeurteilung der karitativen Tätigkeit auch dann zu berücksichtigen, wenn bei der Antragsgegnerin selbst auf- grund der betriebenen Alten- und Pflegeheime vom Vor- liegen der Tendenz auszugehen ist. Für die Beteiligung von Vertretern der Betriebsräte im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin spricht auch § 9 Abs. 7 der Satzung der Antragsgegnerin selbst, wonach jeweils ein be- nanntes Mitglied der Betriebsräte der Krankenhausgesell- schaften an den Sitzungen des Aufsichtsrates teilnimmt, es sei denn, der Aufsichtsrat beschließt Abweichendes. Diese Regelung wurde offensichtlich aufgrund der regionalen Ausrichtung der Unternehmensgruppe und der gebotenen Beteiligung von Vertretern aller Gesellschaften getroffen. Allerdings ist die Einschränkung auf die Wahl des Auf- sichtsrates zu unbestimmt und nicht klar definiert. Das Rechtsschutzinteresse der Betriebsräte an der Feststellung der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bildung und Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach dem Mitbestim- mungsgesetz entfällt dadurch nicht. Nach dem Vortrag der Antragsteller wurden in der Vergangenheit Vertreter der Betriebsräte an den Aufsichtsratssitzungen auch beteiligt. Nach alledem sind die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 4 S. 1 MitbestG nicht erfüllt. Der Antragsgegnerin steht daher kein Tendenzschutz zu. Bei ihr ist ein Aufsichts- rat gemäß §§ 1, 5, 6, 7 MitbestG zu bilden. Dies war an- tragsgemäß [gemäß] § 98 Abs. 2 AktG festzustellen. DOI: 10.1007/s00350-013-3583-1 Anmerkung zu LG Meiningen, Beschl. v. 27. 6. 2013 – HK O 80/12 (80) Marc Winstel Für den Fall, dass streitig oder ungewiss ist, nach wel- chen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat einer Ge- sellschaft zusammenzusetzen ist, ist in §§ 98 f. AktG 1 das Statusverfahren als ein Verfahren mit besonderen Regeln vorgesehen worden. Dies gilt auch dann, wenn die Par- teien darum streiten, ob eine Gesellschaft Tendenzschutz nach den Mitbestimmungsgesetzen genießt. So wurden in jüngerer Zeit eine Reihe solcher Entscheidungen in Sta- tusverfahren veröffentlicht, die sich um den Tendenzschutz nach den Mitbestimmungsgesetzen 2 (MitbestG; DrittelbG) ranken. Dies gibt Anlass, auch einen näheren Blick auf den Beschluss des LG Meiningen zu werfen. 1. „Genießen“ Krankenhauskonzerne und ihre Tochtergesellschaften Tendenzschutz nach § 1 Abs. 4 MitbestG? Anders als § 118 BetrVG, der in tendenzgeschützten Un- ternehmen nur einzelne Beteiligungsrechte des Betriebs- rats ausklammert, die Pflicht zur Errichtung eines Be- triebsrats selbst aber unberührt lässt, schließt § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 MitbestG u. a. in karitativen Tendenzunterneh- men die Errichtung eines paritätisch besetzten Aufsichts- rats generell aus 3 . Aber welche Unternehmen genießen überhaupt Tendenzschutz aufgrund der Erbringung ka- ritativer Dienste? Das BAG definiert in ständiger Rechtsprechung zum identischen Begriff in § 118 BetrVG ein Unternehmen als karitativ, wenn es sich den sozialen Dienst an körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel gesetzt hat und seine Tätigkeit auf die Heilung oder Milderung oder die vorbeugende Abwehr der inneren oder äußeren Nöte sol- cher Hilfsbedürftigen gerichtet ist, sofern diese Betätigung ohne die Absicht der Gewinnerzielung erfolgt und das Un- ternehmen selbst nicht von Gesetzes wegen unmittelbar zu derartiger Hilfeleistung verpflichtet ist 4 . Nach herrschen- der Meinung hat der Gesetzgeber durch die Hinzufügung des Kriteriums „unmittelbar“ ferner deutlich gemacht, dass nicht jedes karitative Unternehmen von der Ausnahme des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 MitbestG profitieren soll 5 . Dement- sprechend muss der Unternehmensgegenstand selbst und unmittelbar der geschützten Tendenz dienen, und nicht nur nach seiner wirtschaftlichen Ausrichtung geeignet sein, ge- wisse Tendenzen zu fördern 6 . Im Fall des LG Meiningen bestand nun eine für Kran- kenhauskonzerne typische Gemengelage aus (a) den unmit- telbar im Tendenzbereich tätigen Krankenhaus-Tochterge- sellschaften, zwei Tochterunternehmen, die Service- und Cateringdienstleistungen erbringen, und (b) einer auch operativ tätigen, beteiligungsverwaltenden Krankenhaus- Holding. Das LG lehnte indes (zumindest inzident) bei al- len Unternehmen den Tendenzschutz nach § 1 Abs. 4 Mit- bestG ab. a) Tendenzschutz der Krankenhausgesellschaften Das LG Meiningen versagte in einem ersten Schritt schon den Tochtergesellschaften der Antragstellerin, die unmit- telbar die Krankenhäuser betrieben, den Tendenzschutz. Zwar geht das Gericht mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur selbstverständlich davon aus, Rechtanwalt Dr. iur. Marc Winstel, wuertenberger Partnerschaft von Rechtsanwälten, Herdweg 60, 70174 Stuttgart, Deutschland Rechtsprechung 798 MedR (2013) 31: 798–800 1) Für die – im konkreten Fall vorliegende – GmbH: §§ 98 f. AktG i. V. mit § 27 EGAktG. 2) LG Düsseldorf, Beschl. v. 30. 4. 2013 – 33 O 126/12 –, juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 5. 2. 2013 – 6 Wx 5/12 –, juris; OLG Dresden, NZG 2011, 462, 463 m. w. N. 3) So etwa Oetker, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2013, § 5 MitbestG, Rdnr. 9. 4) Vgl. nur BAG, NZA 2006, 1422, 1424 f.; eingehend Thüsing/Pöt- ters, RdA 2011, 280 ff. 5) Vgl. z. B. LG Düsseldorf, Beschl. v. 30. 4. 2013 – 33 O 126/12 –, juris, zum DRK-Blutspendedienst. 6) Koberski, in: Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestim- mungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 1 MitbestG, Rdnr. 50.

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Page 1: Anmerkung zu LG Meiningen, Beschl. v. 27.6.2013 – HK O 80/12 (80)

Aus der erforderlichen Gesamtschau folgt, dass es sich bei der Antragsgegnerin bzw. dem Unternehmensverbund nicht um ein „reines“ Tendenzunternehmen handelt. Die Servicegesellschaften betreiben quantitativ und qualitativ wirtschaftlich orientierte Tätigkeiten, die mit Gewinn-erzielungsabsichten verbunden sind. Umsätze von ca. 25 Mio. € in der M. Klinik Gruppe und ein Bilanzgewinn von 1.503.387,30 € im Jahr 2010 sprechen nicht für den Ausnahmecharakter eines Tendenzunternehmens. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ist ein Großteil nicht tendenzgeschützter Bereiche innerhalb des von der An-tragsgegnerin beherrsch[t]en Konzerns zu berücksichtigen (vgl. OLG Dresden, a. a. O.) Dies gilt insbesondere für die Servicegesellschaften und deren nicht unerhebliche ten-denzfremde Tätigkeiten (vgl.: LG Frankfurt, Beschl. v. 25. 3. 2010 – 31 O 21/10 –, juris.). Sie sind nicht allein des-halb Tendenzunternehmen, weil sie karitative Tätigkeiten der Kliniken unterstützen. Sie führen in erheblichem Um-fang nicht direkt tendenzbezogene Leistungen für andere aus und beschäftigen hierfür eine Vielzahl der Mitarbeiter. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach Angaben der Antragsgegnerin die Anzahl der Arbeitnehmer in der Klinikum C. GmbH die [der] in der C. Service GmbH tä-tigen Arbeitskräfte übersteigt und die innerhalb der Klini-kum C. GmbH beschäftigten 500 bis maximal 700 Schwes-tern des BRK bei der Beurteilung der karitativen Tätigkeit ggf. mitzuzählen sind. Die Tätigkeit der Antragsgegnerin ist nicht losgelöst von ihren Tochtergesellschaften und Ser-vicegesellschaften zu betrachten. Daher sind diese bei der Gesamtbeurteilung der karitativen Tätigkeit auch dann zu berücksichtigen, wenn bei der Antragsgegnerin selbst auf-grund der betriebenen Alten- und Pflegeheime vom Vor-liegen der Tendenz auszugehen ist.

Für die Beteiligung von Vertretern der Betriebsräte im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin spricht auch § 9 Abs. 7 der Satzung der Antragsgegnerin selbst, wonach jeweils ein be-nanntes Mitglied der Betriebsräte der Krankenhausgesell-schaften an den Sitzungen des Aufsichtsrates teilnimmt, es sei denn, der Aufsichtsrat beschließt Abweichendes. Diese Regelung wurde offensichtlich aufgrund der regionalen Ausrichtung der Unternehmensgruppe und der gebotenen Beteiligung von Vertretern aller Gesellschaften getroffen. Allerdings ist die Einschränkung auf die Wahl des Auf-sichtsrates zu unbestimmt und nicht klar definiert. Das Rechtsschutzinteresse der Betriebsräte an der Feststellung der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bildung und Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach dem Mitbestim-mungsgesetz entfällt dadurch nicht. Nach dem Vortrag der Antragsteller wurden in der Vergangenheit Vertreter der Betriebsräte an den Aufsichtsratssitzungen auch beteiligt.

Nach alledem sind die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs.  4 S.  1 MitbestG nicht erfüllt. Der Antragsgegnerin steht daher kein Tendenzschutz zu. Bei ihr ist ein Aufsichts-rat gemäß §§ 1, 5, 6, 7 MitbestG zu bilden. Dies war an-tragsgemäß [gemäß] § 98 Abs. 2 AktG festzustellen.

DOI: 10.1007/s00350-013-3583-1

Anmerkung zu LG Meiningen, Beschl. v. 27. 6. 2013 – HK O 80/12 (80)

Marc Winstel

Für den Fall, dass streitig oder ungewiss ist, nach wel-chen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat einer Ge-

sellschaft zusammenzusetzen ist, ist in §§ 98 f. AktG 1 das Statusverfahren als ein Verfahren mit besonderen Regeln vorgesehen worden. Dies gilt auch dann, wenn die Par-teien darum streiten, ob eine Gesellschaft Tendenzschutz nach den Mitbestimmungsgesetzen genießt. So wurden in jüngerer Zeit eine Reihe solcher Entscheidungen in Sta-tusverfahren veröffentlicht, die sich um den Tendenzschutz nach den Mitbestimmungsgesetzen 2 (MitbestG; DrittelbG) ranken. Dies gibt Anlass, auch einen näheren Blick auf den Beschluss des LG Meiningen zu werfen.

1. „Genießen“ Krankenhauskonzerne und ihre Tochtergesellschaften Tendenzschutz nach § 1 Abs. 4 MitbestG?

Anders als § 118 BetrVG, der in tendenzgeschützten Un-ternehmen nur einzelne Beteiligungsrechte des Betriebs-rats ausklammert, die Pflicht zur Errichtung eines Be-triebsrats selbst aber unberührt lässt, schließt § 1 Abs.  4 S. 1 Nr. 1 MitbestG u. a. in karitativen Tendenzunterneh-men die Errichtung eines paritätisch besetzten Aufsichts-rats generell aus 3. Aber welche Unternehmen genießen überhaupt Tendenzschutz aufgrund der Erbringung ka-ritativer Dienste?

Das BAG definiert in ständiger Rechtsprechung zum identischen Begriff in § 118 BetrVG ein Unternehmen als karitativ, wenn es sich den sozialen Dienst an körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel gesetzt hat und seine Tätigkeit auf die Heilung oder Milderung oder die vorbeugende Abwehr der inneren oder äußeren Nöte sol-cher Hilfsbedürftigen gerichtet ist, sofern diese Betätigung ohne die Absicht der Gewinnerzielung erfolgt und das Un-ternehmen selbst nicht von Gesetzes wegen unmittelbar zu derartiger Hilfeleistung verpflichtet ist 4. Nach herrschen-der Meinung hat der Gesetzgeber durch die Hinzufügung des Kriteriums „unmittelbar“ ferner deutlich gemacht, dass nicht jedes karitative Unternehmen von der Ausnahme des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 MitbestG profitieren soll 5. Dement-sprechend muss der Unternehmensgegenstand selbst und unmittelbar der geschützten Tendenz dienen, und nicht nur nach seiner wirtschaftlichen Ausrichtung geeignet sein, ge-wisse Tendenzen zu fördern 6.

Im Fall des LG Meiningen bestand nun eine für Kran-kenhauskonzerne typische Gemengelage aus (a) den unmit-telbar im Tendenzbereich tätigen Krankenhaus-Tochterge-sellschaften, zwei Tochterunternehmen, die Service- und Cateringdienstleistungen erbringen, und (b) einer auch operativ tätigen, beteiligungsverwaltenden Krankenhaus-Holding. Das LG lehnte indes (zumindest inzident) bei al-len Unternehmen den Tendenzschutz nach § 1 Abs. 4 Mit-bestG ab.

a) Tendenzschutz der Krankenhausgesellschaften

Das LG Meiningen versagte in einem ersten Schritt schon den Tochtergesellschaften der Antragstellerin, die unmit-telbar die Krankenhäuser betrieben, den Tendenzschutz. Zwar geht das Gericht mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur selbstverständlich davon aus,

Rechtanwalt Dr. iur. Marc Winstel, wuertenberger Partnerschaft von Rechtsanwälten, Herdweg 60, 70174 Stuttgart, Deutschland

Rechtsprechung798 MedR (2013) 31: 798–800

1) Für die – im konkreten Fall vorliegende – GmbH: §§ 98 f. AktG i. V. mit § 27 EGAktG.

2) LG Düsseldorf, Beschl. v. 30. 4. 2013 – 33 O 126/12 –, juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 5. 2. 2013 – 6 Wx 5/12  –, juris; OLG Dresden, NZG 2011, 462, 463 m. w. N.

3) So etwa Oetker, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2013, § 5 MitbestG, Rdnr. 9.

4) Vgl. nur BAG, NZA 2006, 1422, 1424 f.; eingehend Thüsing/Pöt-ters, RdA 2011, 280 ff.

5) Vgl. z. B. LG Düsseldorf, Beschl. v. 30. 4. 2013 – 33 O 126/12 –, juris, zum DRK-Blutspendedienst.

6) Koberski, in: Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestim-mungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 1 MitbestG, Rdnr. 50.

Page 2: Anmerkung zu LG Meiningen, Beschl. v. 27.6.2013 – HK O 80/12 (80)

dass die Trägergesellschaft eines Krankenhauses karitative Dienste erbringt 7. Der Tendenzschutz scheiterte aber vor-liegend daran, dass in den Satzungen der Krankenhaus-gesellschaften nicht ausdrücklich niedergeschrieben war, dass diese trotz der erwirtschafteten beträchtlichen Jah-resüberschüsse keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgten. Eine die volle Kostendeckung überschreitende Gewinner-zielungsabsicht schließe die karitative Tätigkeit aber von vornherein aus 8. Den Hinweis darauf, dass die Gesellschaf-ten bislang keinerlei Gewinne ausgeschüttet hätten, ließ das Gericht nicht als Argument für die fehlende Gewinnerzie-lungsabsicht greifen.

In diesem Punkt bewegt sich das LG Meiningen ver-meintlich auf der Grundlage einer gefestigten Recht-sprechung, die indes nicht derart streng ist, wie man bei der Lektüre der Gründe den Eindruck gewinnen könn-te. Dabei mag zwar im Ansatzpunkt richtig sein, dass die Gewinnerzielungsabsicht aus Gründen der Rechtssicher-heit nicht zur Disposition der Leitungsorgane der Gesell-schaft gestellt werden und deshalb nicht in Zweifel stehen darf 9. Allerdings ist selbst die eindeutige Verankerung der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht in der Satzung keine Garantie dafür, dass tatsächlich keine Gewinne an die Gesellschafter ausgeschüttet werden (dürfen). Die Ge-sellschafterversammlung könnte sich nämlich – zumin-dest nach teilweise vertretener Auffassung – im Wege der punktuellen Satzungsdurchbrechung über die Satzung der GmbH hinwegsetzen und eine Gewinnausschüttung be-schließen 10.

Es sollte deshalb überdacht werden, die nicht vorhande-ne Verankerung der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht in der Satzung als absolutes Dogma bzw. als „unwider-legliche Vermutung“ des Gegenteils zu werten 11. Viel-mehr sollte anhand einer Gesamtschau ermittelt werden, ob bei der Verrichtung der karitativen Dienste Gewinne beabsichtigt sind oder nicht, zumal die Krankenhausge-sellschaften vorliegend ausdrücklich in ihren Satzungen verankert hatten, dass sie gemeinnützige Zwecke i. S. der Abgabenordnung verfolgten, was wiederum die Selbstlo-sigkeit der Tätigkeit und damit ein fehlendes Gewinn-streben voraussetzt (§ 55 AO) 12. So wird auch ein Bilanz-gewinn als unschädlich angesehen, sofern dieser ohne Gewinnerzielungsabsicht und zur Verwendung für ge-meinnützige Zwecke erwirtschaftet wird 13. Hierbei kann und sollte auch die jahrelang nicht erfolgte Gewinnaus-schüttung trotz vorhandener Möglichkeiten als Indiz für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht gewertet wer-den 14. Wie das LG Meiningen selbst darlegt, besteht der Gesellschaftszweck einer GmbH nur regelmäßig aus der Erwirtschaftung von Gewinnen – dies impliziert schon Ausnahmen 15, die anhand einer wertenden Betrachtung ermittelt werden müssen.

Dennoch ist die Einordnung des LG Meiningen im Er-gebnis richtig. Angesichts der – meist unbedacht in die Satzung aufgenommenen – Möglichkeit zum Erwerb und zur Begründung von Beteiligungen und der beträchtlichen Gewinne, die die Krankenhäuser erwirtschafteten, müsste man auch nach einer wertenden Gesamtbetrachtung davon ausgehen, dass die fehlende Gewinnerzielungsabsicht nicht hinreichend deutlich zutage trat. Dies gilt insbesondere aufgrund der (wohl) kundgetanen Absicht der Antragsgeg-nerin, über den Landkreis und die Landesgrenzen hinweg einen wirtschaftlich erfolgreichen Gesundheitskonzern aufzubauen.

b) Tendenzschutz der Krankenhaus-Holding

Bleibt weiter die Frage, ob die Antragsgegnerin als die Krankenhaus- und Servicegesellschaften führende und verwaltende Holdinggesellschaft Tendenzunternehmen i. S. des § 1 Abs. 4 MitbestG war und damit einen Aufsichts-rat errichten muss. Unstreitig war zunächst nur, dass sich

die Antragsgegnerin mehr als 2.000 Mitarbeiter zurechnen lassen musste (§ 5 Abs. 1 S. 1 MitbestG). Umstritten war aber der Tendenzcharakter der Holdinggesellschaft. Han-delt es sich um einen „Tendenzkonzern“, dessen herrschen-des Unternehmen zwar selbst u. U. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 MitbestG erfüllt, bei dem die Tochterunterneh-men aber (überwiegend) keinen Tendenzcharakter haben, muss auch das herrschende Unternehmen einen paritä-tisch besetzten Aufsichtsrat errichten 16. Dies beruht auf der Überlegung, dass sich die von der Obergesellschaft wahr-genommene Leitungsmacht überwiegend auf tendenzge-schützte Bereiche erstrecken muss. Sowohl bezogen auf den Gesamtumsatz 17 der Krankenhausgruppe im Verhältnis zu demjenigen der Obergesellschaft als auch auf das Verhält-nis der Mitarbeiterzahlen der Obergesellschaft und des Ge-samtkonzerns, die sich nicht auf den tendenzgeschützten Bereich bezogen, war vorliegend indes davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin nicht den Schutz des § 1 Abs. 4 MitbestG genießt.

In solchen Fällen ist entscheidend, ob der tendenzge-schützte Bereich dem Krankenhauskonzern sein „Geprä-ge“ gibt. Mit der damit verbundenen Streitfrage, welche Faktoren dem Konzern sein „Tendenzgepräge“ geben, setzt sich das LG Meiningen indes nicht auseinander, son-dern kommt aufgrund allgemeiner Erwägungen zu dem Schluss, dass der nicht tendenzgeschützte Bereich bei der Antragsgegnerin überwiege, weil die Antragsgegnerin und die Tochtergesellschaften in den Satzungen die feh-lende Gewinnerzielungsabsicht nicht verankert hatten. Wohlgemerkt: Dies ist ein Umstand, der bis zum Abschluss der (wohl beschrittenen) Beschwerdeinstanz noch „ge-heilt“ werden könnte 18. In diesem Fall müsste sich das ggf. mit der Sache befasste OLG Thüringen sicherlich anhand konkreterer Kriterien (Umsatz- bzw. Personalzahlen) eine Meinung darüber bilden, ob der tendenzgeschützte oder aber der nicht tendenzgeschützte Bereich dem Konzern sein „Gepräge“ geben.

2. Gesellschaftsrechtliche Problemstellungen und Hinweise für die Praxis

Abschließend sei aus Sicht der Praxis noch auf Folgendes hingewiesen:

a) Gesundheitskonzernen und ihren Beratern ist drin-gend zu empfehlen, die fehlende Gewinnerzielungsabsicht prominent in den Satzungen der Gesellschaften hervorzu-heben, um etwaige Streitfragen von vornherein zu vermei-den. Ferner könnte auch (aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht) die Rechtsformwahl – ggf. hin zu einer nicht mit-

Rechtsprechung MedR (2013) 31: 798–800 799

7) Wißmann, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, § 279, Rdnr. 22.

8) OLG Dresden, NZG 2011, 462, 463 m. w. N.9) OLG Dresden, NZG 2011, 462, 463 m. w. N.10) So etwa Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 1, Rdnr. 4a;

Lawall, DStR 1996, 1691, 1173; anders nun OLG Dresden, GmbHR 2012, 213, 214.

11) Auch die vom LG Meiningen angeführte Entscheidung des BayObLG (BB 1995, 2233, 2234) ist nicht i. S. eines „Alles-oder-nichts-Prinzips“ zu lesen.

12) Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 11. Aufl. 2012, § 55, Rdnr. 2.13) So etwa Oetker, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht,

13. Aufl. 2013, § 5 MitbestG, Rdnr. 9.14) In diese Richtung OLG Dresden, NZG 2011, 462, 463.15) So etwa das Beispiel bei Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012,

§ 1, Rdnr. 4a: Betrieb einer Bauunternehmung zum Zwecke der Gewinnerzielung oder zu dem (ideellen) Zweck der Errichtung von Kindergärten etc.

16) Koberski, in: Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestim-mungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 1 MitbestG, Rdnr. 56

17) Z. B. Loritz, ZfA 1985, 497, 516 ff.18) Vgl. § 99 Abs. 3 S. 3 AktG i. V. mit § 559 ZPO; und Habersack, in:

MüKo/AktG, 3. Aufl. 2008, § 99, Rdnr. 21.

Page 3: Anmerkung zu LG Meiningen, Beschl. v. 27.6.2013 – HK O 80/12 (80)

bestimmungspflichtigen Form der Kapitalgesellschaft & Co. 19 – überdacht werden.

b) Schließlich war es vorliegend so, dass die Gesellschaft schon einen (freiwilligen) Aufsichtsrat nach § 52 Abs.  1 GmbHG errichtet hatte. In diesen Fällen muss die Gesell-schaft aber – anders als der Tenor der Entscheidung des LG Meiningen vermuten lässt – keinen neuen Aufsichtsrat bil-den, sondern den vorhandenen Aufsichtsrat nun nach den Regelungen des MitbestG besetzen 20.

 

Aufnahme eines geplanten Krankenhauses in den Krankenhausplan

KHG §§ 1 Abs. 1, 2, 8 Abs. 1 u. 2; LKHG Bad-Württ. §§ 2 a, 7 Abs. 1 u. 2, 25 Abs. 1

Voraussetzung für die Aufnahme eines lediglich als Entwurf existierenden Krankenhauses in den Kran-kenhausplan ist das Vorliegen eines hinsichtlich seines Inhalts und seiner Realisierbarkeit hinreichend konkre-tisierten schlüssigen Konzepts. Dieses Konzept muss eine an § 2 Nr. 1 KHG ausgerichtete Beschreibung des Krankenhauses wie auch die Beurteilung seiner Leis-tungsfähigkeit anhand seiner personellen, räumlichen und medizinischen Ausstattung ermöglichen und er-kennen lassen, dass die Finanzierung des Vorhabens hinreichend gesichert ist.VGH Bad.-Württ., Urt. v. 5. 12. 2012 – 9 S 2770/10 (VG Stuttgart)

Problemstellung: In nachstehendem Urteil hatte sich der 9. Senat des VGH Bad.-Württ. mit der Frage zu befassen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn sich ein noch nicht existentes Krankenhaus um die Aufnahme in den Krankenhausplan bewirbt. Zu-treffend dürfte die Bestätigung durch den Senat sein, dass noch nicht existente Krankenhäuser nicht grund-sätzlich von der Aufnahme in den Krankenhausplan ausgeschlossen sein dürfen. Dies ergibt sich nicht zu-letzt aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Dynamik des Krankenhausplanungsrechts (vgl. z. B. BVerfG, Beschl. v. 23. 4. 2009 – 1 BvR 3405/08  –). Zutreffend hat der Senat jedoch auch herausgearbeitet, dass die Mindestanforderungen an ein Krankenhaus mit einem hinreichend konkretisierten Planungsstand darzulegen sind. Dies gelte sowohl für die Vorausset-zungen für die Erfüllung des Begriffs „Krankenhaus“ nach § 2 Nr. 1 KHG als auch für die medizinische und betriebswirtschaftliche Konzeption im Fall von inno-vativen Projekten, die auf eine sektorenübergreifende Versorgung der Patienten abzielen.

Bei einem solchen Antrag eines neu in den Kranken-hausplan aufzunehmenden projektierten Krankenhau-ses dürfe die Bedarfsberechnung ebenfalls nicht außer Betracht bleiben. Auch ein solches projektiertes Kran-kenhaus müsse darlegen, aus welchen Gründen das von ihm beabsichtigte medizinische Versorgungspotenzial bedarfsgerecht sei.

Damit sind die Anforderungen an projektierte Kran-kenhäuser nicht eben gering gefasst. Durch die mit der Aufnahme in den Krankenhausplan verbundene Pflicht zur Übernahme der Finanzierung der Plankrankenhäu-ser durch die Länder und die Krankenkassen erschei-nen diese Anforderungen durch den Senat jedoch an-gemessen. Dies gilt insbesondere für den Hinweis des Senates, dass noch offene Fragen nicht ausschließlich durch Nebenbestimmungen im Feststellungsbescheid konkretisiert werden könnten. Denn Nebenbestimmun-gen sind sicher nicht geeignet, die gesetzlich geforderte Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses erstmals „her-zustellen“.

Auch wenn die Zeichen der Zeit eher auf Schließung von Krankenhäusern stehen und nicht auf der Neuauf-nahme von Krankenhäusern in den Krankenhausplan, so scheint nicht ausgeschlossen, dass neu projektierte Kran-kenhäuser auch künftig in die Krankenhauspläne der Länder aufgenommen werden. Hierfür sollten aber die Mindestanforderungen, wie sie vom Senat in der Ent-scheidung formuliert wurden, berücksichtigt werden.

Zum Sachverhalt: Der Kl. begehrt die Aufnahme der als Fach-klinik für Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen projektierten K.-Klinik in den Krankenhausplan des Bekl.

Mit Schreiben v. 23. 7. 2008 beantragte die „K.-Klinik, vertreten durch den Kl.“, sie in der Fachrichtung Orthopädie/Unfallchirurgie mit 30 Betten in den Krankenhausplan aufzunehmen.

Zur Begründung wurde angegeben, es sei geplant, Erkrankun-gen des musculo-skeletalen Systems zu behandeln, von der Akut-behandlung über Diagnostik und Therapie bis zur Nachbehandlung und Prävention mit Schwerpunkt im operativen Bereich und in der Diagnostik. Zwar sei die Klinik noch nicht errichtet, der Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Bedarfgerechtigkeit müsse aber erst im Zeitpunkt der Planaufnahme erbracht werden. Ein Bauvorbescheid über die Zulässigkeit eines orthopädischen Dienst-leistungszentrums am vorgesehenen Standort wurde vorgelegt. Die Leistungsfähigkeit bestätige das vorgelegte Betreiberkonzept. Fi-nanzierungszusagen von Banken lägen seit dem 21. 5. 2008 und dem 20. 6. 2008 vor. Die Klinik rechne auf der Grundlage des DRG-Sys-tems ab. Damit sei das Merkmal der Wirtschaftlichkeit erfüllt. Sie sei auch bedarfsgerecht, nämlich geeignet, den vorhandenen und stän-dig steigenden Bedarf im orthopädischen und unfallchirurgischen Bereich, insbesondere in ihrem Kernbereich, der Behandlung von Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen, neben anderen Kranken-häusern im Großraum Stuttgart zu decken.

Nach einer Bestandsaufnahme hinsichtlich des Bettenangebots im chirurgischen und/oder orthopädischen Bereich und dessen Auslas-tung bei den Krankenhäusern der Region Stuttgart lehnte das Re-gierungspräsidium Stuttgart den Antrag mit Bescheid v. 9. 11. 2009 ab. Bei der Antragstellerin handele es sich nicht um eine rechtlich existente Klinik. Daher könne sie durch den Kl. auch nicht vertreten werden und sei so schon formal nicht in der Lage, einen gültigen Antrag zu stellen. Auch die hilfsweise materielle Prüfung des An-trags führe zu dessen Ablehnung. Das vorgesehene Leistungsangebot sei fachlich und krankenhausplanerisch ausschließlich der Chirurgie zuzuordnen, nachdem 2006 in der Weiterbildungsordnung für Ärz-te das bisherige Fachgebiet Orthopädie in das Fachgebiet Chirurgie eingegliedert worden sei.

Das VG hat mit Urt. v. 28. 10. 2010 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Antrag sei vom Kl. für das Projekt „K.-Klinik“ gestellt worden. Jedoch lägen die Voraussetzungen für die Aufnah-me dieser Klinik in den Krankenhausplan nicht vor. Bereits die erforderliche dauerhafte Leistungsfähigkeit sei nicht erkennbar. Hierfür müsse die nach medizinischen Erkenntnissen erforderliche personelle, räumliche und medizinische Ausstattung vorhanden sein und konstant erhalten bleiben. Vorliegend fehle es bereits an einem verbindlichen Konzept, an dem eine weitergehende Beur-teilung ansetzen könne. Mangels Baugenehmigung sei das zu er-wartende Kostenvolumen noch nicht hinreichend konkretisiert. Das Baugrundstück stehe nicht im Eigentum des Kl., eine verbindliche Zusage über dessen Neubebauung fehle ebenso wie ein konkreter Finanzierungsplan und eine gesicherte Finanzierung. Eine zukünf-tige Leistungsfähigkeit der Klinik lasse sich nicht feststellen. Damit lägen die Voraussetzungen dafür, in den Kreis der Krankenhäu-

Bearbeitet von Rechtsanwältin Dr. iur. Kerrin Schillhorn, MIL, Fachanwältin für Verwaltungsrecht und Fachanwältin für Medizinrecht, Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hohenstaufenring 57, 50674 Köln, Deutschland

Rechtsprechung800 MedR (2013) 31: 800–803

19) Vgl. nur Raiser/Veil, Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteili-gungsgesetz, 5. Aufl. 2009, § 4 MitbestG, Rdnr. 17; § 5 MitbestG, Rdnr. 20.

20) Meier, DStR 2011, 1430, 1431; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 52, Rdnr. 38.