bachelorarbeit - uni-kiel.de
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0. Inhaltsverzeichnis
I
Bachelorarbeit
im Studiengang Agrarwissenschaften
Risikopräferenzen, Risikoevaluation und Risikomanagement in der
Milchwirtschaft
vorgelegt von
Benjamin Hübner
Kiel, November 2012
Erstgutachter: Prof. Dr. Johannes Sauer
Zweitgutachter: Prof. Dr. Uwe Latacz-Lohmann
Institut für Agrarökonomie
Abteilung: Ökonomie der Milch- und Ernährungswirtschaft
Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
0. Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................................. II
Tabellenverzeichnis ................................................................................................................................ III
1. Einleitung ......................................................................................................................................... 1
2. Theoretischer Hintergrund .............................................................................................................. 2
2.1 Risikopräferenz, Risikomanagement und Risikoevaluation ........................................................ 2
2.2 Struktur Molkereiwirtschaft ........................................................................................................ 7
2.3 Risiken und Risikopräferenzen in Molkereigenossenschaften .................................................... 9
3. Daten und Methode ...................................................................................................................... 12
3.1 Untersuchungsdesgin ................................................................................................................ 12
3.2 Beschreibung der Stichprobe .................................................................................................... 13
4. Ergebnisse und Diskussion ............................................................................................................ 15
4.1 Risikoanalyse ............................................................................................................................. 15
4.1.1 Risikoneigung und Bedeutung der Risikobereiche ................................................................ 15
4.1.2 Risikobewertung .................................................................................................................... 20
4.1.3 Risikomatrix ........................................................................................................................... 21
4.2 Risikomanagementstrategien.................................................................................................... 23
5. Fazit ............................................................................................................................................... 24
6. Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 26
Anhang .................................................................................................................................................. 28
7. Danksagung ................................................................................................................................... 31
Eidesstattliche Erklärung ....................................................................................................................... 32
0. Abbildungsverzeichnis
II
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Der Risikomanagementprozess, Quelle: in Anlehnung an Wolke, 2007 .............. 3
Abbildung 2: Risikoarten im Unternehmen, Quelle: in Anlehnung an Wolke, 2007 ................. 4
Abbildung 3: Grundsätzliche Risikoneigung der befragten Molkereien .................................. 15
Abbildung 4: Risikopräferenzen der befragten Molkereien .................................................... 16
Abbildung 5: Risikopräferenz der befragten „großen“ Molkereien ......................................... 17
Abbildung 6: Risikopräferenz der befragten „kleinen & mittleren“ Molkereien ..................... 17
Abbildung 7: Bedeutung der vier Risikobereiche ..................................................................... 18
Abbildung 8: Unternehmensplanung der Molkereien ............................................................. 19
Abbildung 9: Risikomatrix ........................................................................................................ 22
0. Tabellenverzeichnis
III
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Unternehmensstrukturen der Molkereien in Deutschland und der Stichprobe,
Quelle: Eigene Erhebung; Milchindustrie-Verband e.V., 2010 ............................. 13
Tabelle 2: Größenklassen der Molkereien nach Umfang der Milchverarbeitung und der
Umsatzerlöse, Quelle: Eigene Erhebung; Bundesanstalt für Landwirtschaft und
Ernährung, 2010 .................................................................................................... 14
Tabelle 3: Unternehmensstrukturen der Stichprobe nach den Größenklassen .................... 18
Tabelle 4: Risikobewertung .................................................................................................... 20
Tabelle 5: Risikomanagementstrategien ............................................................................... 23
1. Einleitung
1
1. Einleitung
Die Fusion der Molkereien MUH mit dem skandinavischen Konzern Arla Foods GmbH ist ein
aktuelles Beispiel des zunehmenden Strukturwandels in der Milchwirtschaft. Bald wird der
deutsche Milchmarkt unter vier oder fünf großen Unternehmen aufgeteilt sein und daneben
wird es noch einige Spezialisten und Nischenanbieter geben (top agrar, 08/2012).
In Deutschland sind die Molkereien in verschiedenen Unternehmensformen organisiert.
Rund zwei Drittel der produzierten Milch wird von Genossenschaften erfasst, die restliche
Milch wird von privaten Molkereien verarbeitet. Diese sind entweder als Kapital- oder Per-
sonengesellschaft organisiert. Die Herausforderungen für die deutsche Milchwirtschaft blei-
ben unverändert groß. Mit dem Auslaufen der Milchquote 2015, dem unaufhaltsamen Struk-
turwandel und den Gegebenheiten eines globalisierten Marktes muss sich die Milchwirt-
schaft verstärkt auseinandersetzen (Milchindustrie-Verband e.V., 2010).
Mit dem Wandel auf dem Milchmarkt wachsen mit den Risiken auch die Anforderungen an
das Risikomanagement und die Geschäftsführung der Molkereiunternehmen. Studien zum
Thema Risikomanagement befassen sich vorwiegend mit Großunternehmen (börsennotierte
Aktiengesellschaften) (Lingnau, 2008), es gibt aber auch Studien zu der Milchwirtschaft auf
der Erzeugerebene (Schaper et al., 2008).
Das Thema Risikopräferenz, Risikoevaluation und Risikomanagement in der Molkereiwirt-
schaft ist dagegen ziemlich unerforscht. Die gewonnenen Informationen der Befragung unter
den norddeutschen Molkereiunternehmen sollen darüber Aufschluss geben, wie stark die
Unternehmen durch bestimmte Risiken beeinflusst werden. Welche Risikoeinstellungen die
genossenschaftlichen Molkereien haben und welche möglichen Risikomanagementstrate-
gien eingesetzt werden.
2. Theoretischer Hintergrund
2
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Risikopräferenz, Risikomanagement und Risikoevaluation
Zunächst werden die wesentlichen Begrifflichkeiten Risiko, Risikopräferenz und Risikoma-
nagement erläutert. Danach wird die Struktur der deutschen Milchwirtschaft genauer be-
schrieben und auf die speziellen Unterschiede zwischen genossenschaftlicher und privater
Molkerei eingegangen. Am Ende des theoretischen Hintergrunds werden zwei Hypothesen
über die Einwirkungen und Einstellungen zu den Unternehmen formuliert, die dann im Teil
Ergebnis & Diskussion im Kapitel 4 abgelehnt oder angenommen werden.
Risiko ist ein wesentlicher und untrennbarer Bestandteil jeder unternehmerischen Handlung.
Eine einheitliche Definition zu Risiko gibt es nicht, weshalb es in dieser Studie wie folgt defi-
niert wird: „Informationsunsicherheit über zukünftige Ereignisse und dadurch die Möglich-
keit der negativen Beeinträchtigung von Zielen“ (Wocken, 2008).
Risikopräferenz ist der „Grad der Risikoneigung bei rationalen Entscheidungen unter Risiko“
(Wagner, 2011). Darunter gibt es drei unterschiedliche Ausprägungen: Risikoaversion, Risi-
koneutralität und Risikofreude. Bei Risikoneutralität haben positive und negative Abwei-
chungen vom Erwartungswert einer Zielgröße die gleiche Gewichtung. Der rationale Ent-
scheidungsträger wählt dann aus mehreren Alternativen die aus, die den höchsten Erwar-
tungswert bringt.
Risikofreude liegt vor, wenn positive Abweichungen vom Erwartungswert des Entschei-
dungsträgers höher gewichtet sind, als die negativen Abweichungen. In diesem Fall wird aus
mehreren Handlungsmöglichkeiten die gewählt, die bei gegebenen Erwartungswerten die
für die Zielgröße vergleichsweise risikoreichere, damit aber auch chancenreichere Alternati-
ve ergibt.
Bei Risikoaversion haben negative Abweichungen vom Erwartungswert bei dem Entschei-
dungsträger eine höhere Gewichtung als die positiven Abweichungen. Der rationale Ent-
scheidungsträger wählt aus mehreren Alternativen diejenige aus, bei der sich, bei einem
gegebenen Erwartungswert für die Zielgröße, eine vergleichsweise risikoärmere, damit aber
auch chancenärmere Alternative ergibt (Wagner, 2011).
„Unter Risikomanagement wird die Messung und Steuerung aller betriebswirtschaftlichen
Risiken unternehmensweit verstanden“ (Wolke, 2007). Das Hauptziel ist die Existenzsiche-
rung des Unternehmens. Darüber hinaus können verschiedene Nebenziele, wie z.B. das
2. Theoretischer Hintergrund
3
Vermeiden oder die Senkung von Risikokosten, die Abwendung von Vermögensverlusten
und die Sicherung des zukünftigen Erfolges angestrebt werden (Kirchner, 2002).
In der Praxis läuft das Risikomanagement als ein Prozess ab und beinhaltet folgende 4 Schrit-
te:
Abbildung 1: Der Risikomanagementprozess, Quelle: in Anlehnung an Wolke, 2007
Die einzelnen Schritte müssen vollständig durchlaufen werden und es müssen die notwendi-
gen Strukturen (Risikocontrolling, Internes Kontrollsystem) vorhanden sein. Dann kann das
Risikomanagementsystem auch für weitere Außendarstellung verwendet werden: Als Folge
der Beschlüsse von Basel II müssen auch kleinere und mittlere Unternehmen, die auf Bank-
kredite angewiesen sind, ihren Banken darlegen, dass sie ein niedriges Kreditausfallrisiko
haben (Grund, 2003).
Hinter dem Begriff Basel II verbirgt sich die seit 1988 geltende und seither mehrfach ergänz-
te Eigenkapitalvereinbarung („Basel I“) die zum 1.1.2007 durch die neue Eigenkapitalverein-
barung („Basel II“) ersetzt wurde. Ziel war die Vermeidung weltweiter Finanzkrisen durch
entsprechende Empfehlungen für die nationalen Bankenaufsichten. Gut informierte Markt-
teilnehmer, mit einer risikobewussten Geschäftsführung und einem wirksamem Risikoma-
nagement werden seitdem von ihren Banken in deren Anlage- und Kreditentscheidungen
honoriert, bei risikoreichem Verhalten aber entsprechend sanktioniert (Hofmann, 2007).
Professionelles Controlling und Risikomanagement können daher die Kreditkonditionen po-
sitiv beeinflussen.
Im ersten Schritt, der Risikoidentifikation, werden alle betriebswirtschaftlichen Risiken im
Sinne der Definition erfasst (siehe Abb. 2). Dabei gibt es unterschiedliche Herangehenswei-
sen, die von der Unternehmensbesonderheit und den Organisationsstrukturen abhängen
Risikoidentifikaton
• Risikoarten:
•Finanz-wirtschaftliche
•Leistungs-wirtschaftliche
Risikoevaluation
•Messung
•Beschreibung
•Analyse
•Bewertung
Risikosteuerung
•Instrumente:
•Vorsorge
•Vermeidung
•Diversifikation
•Abwälzung
Risikocontrolling
•Organisation:
•Planung
•Kontrolle
•Information
•Koordination
2. Theoretischer Hintergrund
4
(z.B.: Analyseraster, Risikotabellen, Analyse aller Ablaufprozesse). Dabei wird unterschieden
zwischen finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Risiken. Zu den finanzwirt-
schaftlichen gehören Zahlungsstromrisiken (Unsicherheit zukünftiger Zahlungsströme) und
Finanzwertrisiken (Vermögensverluste durch eine negative Wertentwicklung von Finanzti-
teln), die weiter unterteilt werden in Marktpreis-, Liquidität- und Kreditrisiko. Die leistungs-
wirtschaftlichen Risiken entstehen durch den unternehmerischen Erstellungsprozess von
Gütern oder Dienstleistungen und deren Verwertung an den Märkten. Mögliche Verluste
können dabei in den Bereichen Beschaffung, Produktion und Absatz auftreten. Deshalb wer-
den diese in Betriebs- und Beschaffungs-/Absatzrisiken untergliedert. Allerdings muss dabei
beachtet werden, dass sich die Risiken nicht exakt voneinander abgrenzen lassen. So kann
z.B. ein Kreditrisiko zu einem Liquiditätsrisiko führen und umgekehrt (Wolke, 2007).
Abbildung 2: Risikoarten im Unternehmen, Quelle: in Anlehnung an Wolke, 2007
Bei den Betriebsrisiken wird unterschieden zwischen internen und externen Risiken. Externe
Risiken (Natur- und Politikrisiken) können von dem einzelnen Unternehmen kaum beein-
flusst werden. Die internen Risiken (Produktions-, Personal-, Finanz- und Anlagerisiken) da-
gegen können größtenteils durch aufbau- und ablauforganisatorische Maßnahmen (z.B.
Trennung von Kontroll- und Ausführungsfunktionen) die das Unternehmen selbst durchführt
gesteuert werden (im Gegensatz zu den externen). Im günstigsten Fall wird beim Betriebsri-
Unternehmensrisiken
Finanzwirtschaftliche
Marktpreis Zinsänderungsrisiko,
Währungsrisiko
Liquidität
Kredit Bürgschaften, Garantien
Leistungswirtschaftliche
Betrieb
Externe
Interne
Beschaffung/ Absatz Güterpreis
2. Theoretischer Hintergrund
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siko kein Verlust realisiert (es tritt kein Ausfall oder Betriebsschaden ein). Im Unterschied
zum Absatzrisiko kann hier aber auch kein Gewinn erzielt werden. Dort geht man von einem
positiven zu erwartenden Absatz aus und es wird die mögliche negative Abweichung von
diesem erwartenden Absatz gemessen (Wolke, 2007).
Das Güterpreisrisiko ist die negative Abweichung von einer geplanten Zielgröße (Vermögen,
Gewinn). Diese Abweichung hängt aufgrund unsicherer zukünftiger Entwicklungen der Be-
schaffungspreise und Absatzerlösen vom operativen Geschäft ab. Beschaffungsrisiko ist das
Risiko, dass zukünftig zu beschaffende Güter teurer werden können. Ein Beispiel dafür ist das
Lieferpreisrisiko, welches sich in den verschiedenen Arten der zu beschaffenden Produkti-
onsfaktoren Rohstoffe und Massengüter (z.B. Milch, Strom) und die Beschaffung von Investi-
tionsgütern (Maschinen, Gebäude) unterscheidet. Hauptbestandteil des Absatzrisikos bildet
das Verkaufsrisiko, welches eintritt, wenn die Produkte nicht abgesetzt werden können. Es
umfasst alle Verlustgefahren die bei der Veräußerung der Produkte bzw. nach deren Erstel-
lung auftreten können (Wolke, 2007).
Im zweiten Schritt, der Risikoevaluation, erfolgt die Messung und Beschreibung und die
dadurch mögliche Bewertung/Analyse der Risiken. Bei der Messung muss unterschieden
zwischen quantitativen und qualitativen Messverfahren. Bei der quantitativen Messung
werden Kennzahlen vorhandener beobachtbarer Marktdaten berechnet. Für viele Risiken
liegen keine Marktdaten vor, weshalb auf Messverfahren für qualitative Risiken zurückgegrif-
fen wird (z.B. Scoring-Modelle). In der Analyse werden dann die Messergebnisse ausgewer-
tet und die relevanten Risiken herausgefiltert. Ziel ist es, herauszufinden, ob anhand der ge-
messenen und relevanten Risiken Handlungsbedarf besteht. Die Bewertung erfolgt in drei
Teilschritten: Schätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit für jede Risikoart, Bestimmung der
Höhe des im Fall des Eintretens zu erwartetenden Schadens und die Ordnung der Risiken
nach dem Erwartungswert (Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe)
(Grund, 2003).
Ergebnis der Risikoanalyse ist die Grundlage der Risikosteuerung im dritten Schritt. Die mög-
lichen Instrumente zur Steuerung können grob eingeteilt werden in: Vorsorgemaßnahmen,
Risikovermeidung und -begrenzung, Risikodiversifikation und Risikoüberwälzung.
Die entscheidende betriebswirtschaftliche Größe für die Risikotragfähigkeit eines Unter-
nehmens ist das Eigenkapital. Eine Erhöhung des Eigenkapitals bedeutet eine Erhöhung der
2. Theoretischer Hintergrund
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Risikotragfähigkeit für neue Risiken. Rückstellungen und die Bildung stiller Reserven können
ebenfalls als Puffer für die Risikotragfähigkeit dienen und damit für die Risikovorsorge.
Ein Beispiel für eine gezielte Risikovermeidung wäre es, wenn man keine Aufträge ohne Vo-
rauszahlung annimmt. In vielen Fällen ist es nicht möglich, den Schadenseintritt sicher aus-
zuschließen, jedoch kann die Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. die Höhe des zu erwartenden
Schadens deutlich gesenkt werden. In diesem Fall spricht man von Risikobegrenzung. Für die
Steuerung von Absatz- und Beschaffungsrisiken gibt es zwei wesentliche Instrumente: Durch
Warenterminkontrakte von Rohstoff- und Warenpreisen die an der Börse gehandelt werden
oder durch Lieferverträge von nicht an der Börse gehandelten Gütern (Wolke, 2007).
Zu den Strategien der Risikoreduktion zählt auch die Ausnutzung von Diversifikationseffek-
ten. Diese werden erzielt, wenn sich die Risiken von mindestens zwei Vermögenspositionen
gegenseitig kompensieren und dadurch das Risiko der zusammengefassten Vermögensposi-
tionen kleiner ist als die Summe der Einzelrisiken. Der Gewinn der zusammengefassten Posi-
tionen verringert sich dabei nicht so stark wie das des Risikos und verbessert dadurch die
Gewinn-Risiko-Relation (Wolke, 2007). Beispiel: Die Fusion oder Kooperationen von Unter-
nehmen um mögliche Skalenvorteile zu erzielen und die Risiken zu diversifizieren. Der glei-
che Effekt ist auch beim Prinzip der genossenschaftlichen Molkereien gegeben. Durch die
Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und das Prinzip der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbst-
verantwortung beinhaltet die Verfolgung gemeinsamer Interessen durch die Auslagerung
betrieblicher Funktionen auf einen Organbetrieb und damit die Nutzung von Skaleneffekten
im gemeinsamen Interesse (Grund, 2003).
Risiken, die für das Unternehmen nicht tragbar sind (z.B. Feuerschaden), weil sie eine Exis-
tenzgefährdung bedeuten, können durch Abgabe an den Markt auf Dritte abgewälzt oder
durch das Abschließen von Versicherungen begrenzt werden. Die Abwälzung erfolgt durch
Factoring (Außenstände und das damit verbundene Risiko werden an einen Dienstleister
verkauft) oder durch Finanztransaktionen (Kreditinstitute bieten Sicherungsinstrumente z.B.
für Währungsrisiken an).
Im Risikocontrolling, dem vierten Schritt des Risikomanagements wird schließlich der organi-
satorische Aspekt des Risikomanagement berücksichtigt. Die allgemeine Funktion besteht in
der Unterstützung der Unternehmensführung durch Planung, Kontrolle und Generierung von
Information. Controlling-Methoden kommen in allen Phasen des Risikomanagementprozes-
ses zum Einsatz. Die Kennzahlen im Rahmen der Risikoanalyse und die Risikobewältigung
2. Theoretischer Hintergrund
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können z.B. durch den Einsatz einer Balanced Scorecard und durch die Planung von Wagnis-
kosten unterstützt werden. Mit diesen Ergebnissen werden dann geeignete Maßnahmen
eingeführt oder bisher nicht berücksichtigte Risikoarten identifiziert. Insgesamt bilden die
einzelnen Schritte des Risikomanagement-Prozesses damit einen Kreislauf (Wolke, 2007).
2.2 Struktur Molkereiwirtschaft
In Deutschland nimmt die Milchproduktion mit 29 Mio. t produzierter Milch im Milchwirt-
schaftsjahr 2010 und 21,7 Mrd. Euro Umsatz eine bedeutende Stellung in der Ernährungs-
wirtschaft ein. Nahezu 70% der erzeugten Milchmenge wird von Genossenschaften verarbei-
tet, welche daher die vorherrschende Organisationsform in der Molkereiwirtschaft darstellt
(Milchindustrie-Verband e.V., 2010).
Gemäß der Legaldefinition nach §1 des GenG umfasst die Genossenschaft „Gesellschaften
von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirt-
schaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken.“ Die ein-
getragene Genossenschaft nimmt eine Sonderstellung unter den juristischen Personen des
Handelsrechts ein, weil ihr Hauptziel die Förderung der Mitglieder und nicht die Gewinner-
zielung ist. Mitglieder, die sogenannten Genossen, sind die Basis der Genossenschaft und
finanzieren die Gemeinschaft durch ihre Einlagen. Die Mindestanzahl von sieben Mitgliedern
ist Existenzkriterium einer Genossenschaft (§4 GenG) (Grund, 2003).
Allerdings gibt es auch deutliche Schwächen bei diesen Unternehmen. Kritisiert wird vor al-
lem der geringe Wertschöpfungsindex der genossenschaftlichen Molkereien in Deutschland.
Die Privatmolkerei Hochland SE realisierte den höchsten Wertschöpfungsindex (Verhältnis
Umsatz zur Milchmenge) mit 2,22. Die erfolgreichste genossenschaftliche Molkerei Bayern-
land erreicht einen Index von 1,43 und die größte deutsche Molkerei, das Deutsche Milch-
kontor lediglich einen Index von 0,68.
Zur Erhöhung der Wertschöpfung und damit des Indexes gibt es verschiedene Strategien:
Markenaufbau (Differenzierung), Wachstum und Internationalisierung (Kostenführerschaft
oder Differenzierung). Diese Strategien sind zunächst mit hohen Investitionen verbunden,
die sich erst nach einer bestimmten Zeit rentieren (Hellberg-Bahr et al., 2011).
Kostenführerschaft bedeutet die Rationalisierung und die Nutzung von Skaleneffekten im
Unternehmen. Unternehmen die eine Differenzierungsstrategie (auch Nischenstrategie) ver-
folgen, müssen z.B. in die Bildung von Marken investieren. Internationalisierungsstrategien
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können aus günstigen Kostenpositionen, als auch aus Differenzierungsvorteilen bestehen
(Hellberg-Bahr et al., 2011).
Wachstumsstrategien waren in deutschen Molkereigenossenschaften bisher schwierig um-
zusetzen: Die Fusion zwischen Nordmilch und Humana Milchunion wurde erst im wiederhol-
ten Versuch bewältigt und eine Fusion zwischen Humana Milchunion und der Milchunion
Hocheifel im Jahr 2007 scheiterte am Widerstand der landwirtschaftlichen Anteilseigner der
Milch-Union-Hocheifel (MUH). Diese befürchteten einen Rückgang der seit Jahren hohen
Auszahlungspreise und lehnte diese deshalb ab (Wocken et al, 2008).
Im Vergleich zu den Privatmolkereien gestaltet sich der Markenaufbau der Genossenschaf-
ten als schwierig. So zeigen Kommunikationsanalysen von 2010, die den Bekanntheits-, Sym-
pathie- und Verwendungsgrad von Marken bei Frauen untersuchten, dass genossenschaft-
lich produzierte Milchmarken nicht unter den Top 10 der bekanntesten Milchmarken vertre-
ten sind. Erfolgreiche Investitionen in eine Marke tätigte die Genossenschaft Hochwald mit
dem Kauf der etablierten Marke „Bärenmarke“ (Bekanntheit: 87%) von Nestlé (Hellberg-
Bahr et al., 2011).
Der Internationalisierungsgrad der deutschen Molkereiwirtschaft ist mit einem Anteil des
Auslandsgeschäftes von rund 40% relativ niedrig, aber mit steigender Tendenz. Bei Genos-
senschaften beruht dieses Wachstum im Wesentlichen auf Exportstrategien. Kapitalintensive
Direktinvestitionen finden dagegen eher bei Unternehmen anderer Rechtsform statt, etwa
bei der Molkerei Müller mit einer Tochtergesellschaft in Großbritannien (Hellberg-Bahr et al.,
2011).
Die Praxisbeispiele zeigen insgesamt ein weit gefächertes Bild strategischer Ausrichtungen
der genossenschaftlichen Molkereien. Bei einem fortschreitenden Strukturwandel (1990:
508 Molkereien, 2010: 193 Molkereien (Milchindustrie-Verband e.V., 2010)) ist es den ge-
nossenschaftlichen Unternehmen dennoch gelungen, ihre marktführende Position in der
deutschen Rohmilch zu verteidigen. Im Bereich Markenprodukte und Nischensegmente sind
Kapitalgesellschaften und Eigentümerunternehmen eindeutig dominierend. Bei Direktinves-
titionen in die Auslandsmärkte ist die deutsche Milchwirtschaft bis auf wenige Ausnahmen
eher zurückhaltend. Genossenschaften sind hinsichtlich Unternehmenswachstum und Kos-
tenführerschaftsstrategien verhältnismäßig gut aufgestellt (Hellberg-Bahr et al., 2011). Der
Strukturwandel hat einen erheblichen Einfluss auf das Risikomanagement und die -präferenz
der Molkereien. Denn entweder müssen die Unternehmen wachsen und mit den Risiken
2. Theoretischer Hintergrund
9
auch das Risikomanagement oder bei Risikoaversion, sich z.B. auf Nischenprodukte speziali-
sieren um am Markt bestehen zu bleiben.
2.3 Risiken und Risikopräferenzen in Molkereigenossenschaften
Zu beachten ist bei der konkreten Ausgestaltung eines Risikomanagementsystems, dass die-
se von der Art, Komplexität, Größe und Risikogehalt eines Unternehmens abhängt. Aus-
gangspunkt eines Risikomanagementprozesses ist die Formulierung einer Risikomanage-
mentstrategie, in welcher Unternehmensziele leistungswirtschaftlicher und finanzwirtschaft-
licher Art, sowie die Prozesse und Verantwortlichkeiten der Risikobewältigung und -
dokumentation festgelegt werden. Das Fehlen einer eindeutigen Strategie- und Zielformulie-
rung kann schon an sich eine Risikoquelle für das Unternehmen sein. Die Herausforderungen
des Risikomanagements in Genossenschaften sind sehr ähnlich denen anderer Unterneh-
mensformen. Die branchenspezifischen Risiken und die größenspezifischen Möglichkeiten
sind die wichtigsten Bestimmungsfaktoren des Risikomanagementssystems (Grund, 2003).
Damit lässt sich die erste Hypothese aufstellen:
H1: Marktwirtschaftliche Veränderungen haben Einwirkungen auf das unternehmerische
Verhalten von Molkereigenossenschaften.
Genossenschaftliche Unternehmen arbeiten vor allem erfolgreich im Dienstleistung-Geschäft
(Herstellung von Produkten zur Weiterverarbeitung, z.B. Quark). In vielen Fällen zeigen sie
aber Schwächen bei der Differenzierung und Internationalisierung. Erklärt werden kann das
mit der geringen Bereitschaft der Anteilseigner in langfristig orientierte Strategien mit lan-
gen Amortisationszeiträumen (Prozess innerhalb dessen in einer Investition gebundene Kapi-
tal zurückgeflossen ist) (Hellberg-Bahr et al., 2011).
Wertschöpfungsstrategien, z.B. der Aufbau einer profilierten Marke verlangt eine langfristige
Ausrichtung der Unternehmenspolitik, denn es muss zunächst über mehrere Jahre umfang-
reiche Investitionen erfolgen. Landwirtschaftliche Anteilseigner in Genossenschaften haben
aus ökonomisch nachvollziehbaren Gründen wenig Interesse an einer Steigerung des Unter-
nehmenswertes durch strategische Investitionen. Nach dem Genossenschaftsgesetz haben
sie kein Recht auf Erträge aus dem Eigentum, so dass sich jede Investition über den Auszah-
lungspreis der Molkerei amortisieren muss. Gründe dafür sind die fehlende Verzinsung der
Genossenschaftsanteile und die Abwesenheit eines Marktes für Anteile. Genossenschafts-
mitglieder können beim Ausstieg ihre Anteile nämlich nur zum Nennwert realisieren.
2. Theoretischer Hintergrund
10
Ein weiteres Problem stellt das Trittbrettfahrer-Problem (Free-Rider-Problem) dar. Das Ge-
nossenschaftsgesetz verbietet eine zeitliche Diskriminierung der Mitglieder, so dass neu hin-
zukommende Mitglieder den gleichen Milchauszahlungspreis erhalten wie langjährige Mit-
glieder. Wenn die alten Mitglieder aber durch Investitionen auf Rendite verzichten, sollten
sie auch einen höheren Auszahlungspreis bekommen, dass die Möglichkeit der Amortisie-
rung der getätigten Investitionen besteht. Alles zusammen genommen führt das zu einer
Orientierung an der kurzfristigen Maximierung der Auszahlungspreise. Im Genossenschafts-
gesetz ist die Auszahlung der eventuell erwirtschaftenden Unternehmensgewinne (anteilig)
an die Genossen vorgesehen, das wird jedoch zum Ende eines jeden Geschäftsjahres vorge-
nommen und somit am kurzfristigen Unternehmenserfolg und nicht an langfristigen Investi-
tionsstrategien gemessen. Die Voraussetzungen für eine langfristig angelegte Unterneh-
mensstrategie, die kontinuierlicher Investitionen über einen mittel- bis langfristigen Zeithori-
zont bedarf, sind demnach als schlecht einzuschätzen (Hellberg-Bahr et al., 2011).
Die bisherigen Erläuterungen treffen allgemein auf die genossenschaftliche Lieferantenbasis
zu. Diese ist jedoch bezüglich ihrer strukturellen Voraussetzungen als heterogen anzusehen.
Betriebsleiter großer Betriebe haben aufgrund ihrer strategischen Betriebsausrichtung und
der damit einhergehenden Notwendigkeit eines professionellen Managements häufig lang-
fristigere Ziele als kleinere Betriebe. Zudem ist auch der Planungshorizont der landwirt-
schaftlichen Betriebe als heterogen anzusehen, aufgrund der unterschiedlichen Betriebsgrö-
ßen und der Altersstruktur bei den Milchviehhaltern. Der Strukturwandel in der Landwirt-
schaft führt dazu, dass im Laufe der Zeit immer mehr Betriebe aus der Erwerbstätigkeit aus-
scheiden müssen (Hellberg-Bahr et al., 2011). In der Milchwirtschaft liegt die jährliche Aus-
stiegsrate zzt. bei ca. 5 % (Milchindustrie-Verband e.V., 2010).
Mehr als die Hälfte aller Landwirte ist älter als 50 Jahre und in weniger als der Hälfte der
Fälle ist die Nachfolge geregelt. Für landwirtschaftliche Unternehmen, die kurz- oder mittel-
fristig den Ausstieg aus der Milchproduktion planen, ist es daher nicht rational auf eine lang-
fristige Investitionspolitik der Genossenschaft zu bauen. Die Wahrscheinlichkeit an den Er-
folgen der Investitionsentscheidung im Rahmen der verbleibenden Mitgliedszeit nicht teilzu-
nehmen ist zu groß. Vielmehr wird diese Gruppe eine Maximierung der Auszahlungspreise
fordern. Deshalb ist gerade in einer Genossenschaft, mit einem hohen Anteil an Genossen,
die sich in der Endphase der Mitgliedszeit befinden, kaum ein Antrieb für strategische Inves-
titionen zu erwarten und schon gar nicht für risikoreiche Investitionen zu erwarten. Viel
2. Theoretischer Hintergrund
11
mehr wird darauf geachtet Unsicherheiten zu vermeiden, um den Status quo beizubehalten.
(Hellberg-Bahr et al, 2011). Daran anlehnend lässt sich Hypothese 2 wie folgt formulieren:
H2: Die Führungsebene der genossenschaftlichen Molkereiunternehmen ist risikoavers bis
-neutral.
Es gibt bisher noch keine empirischen Studien, die sich mit dem Thema Risikomanagement
und -präferenzen in der deutschen Molkereiwirtschaft beschäftigt haben. Die meisten Arbei-
ten beschäftigen sich mit dem Risikomanagement in Großkonzernen, Banken und Versiche-
rungen, einige wenige über das Risikomanagement in kleinen und mittleren Unternehmen
und eine über integriertes Risikomanagement in Genossenschaften (s. Übersicht bei Grund,
2003) und über unternehmensstrategische Defizite in Genossenschaftsmolkereien (s. Über-
sicht Hellberg-Bahr et al., 2011). Allerdings gibt es schon eine Arbeit über die Risikowahr-
nehmung auf der Erzeugerebene (Wocken et al., 2008). Das nachfolgend dargestellte Ergeb-
nis dieser empirischen Studie soll damit einen Anfang zur Verkleinerung dieser Forschungs-
lücke beitragen.
3. Daten und Methode
12
3. Daten und Methode
3.1 Untersuchungsdesgin
Das Risiko in der deutschen Milchwirtschaft wurde mittels eines standardisierten Fragebo-
gens von der Geschäftsführung/Vorstandsebene der einzelnen genossenschaftlichen Molke-
reien abgefragt. Ziel der Studie war eine quantitative Befragung von den Unternehmen aus
dem nördlichen Bundesgebiet Deutschland. Im September 2012 nahmen insgesamt 9 von 45
angeschriebenen genossenschaftlichen Molkereien an der Befragung teil, was einer Rück-
laufquote von 20% entspricht. Aufgrund der geringen Stichprobengröße hat die Untersu-
chung Fallstudiencharakter. Es lässt sich einen Trend erkennen, aber kann keine Repräsenta-
tivität beanspruchen (Schaper et al, 2008).
Der standardisierte Fragebogen umfasst zwei DIN-A4 Seiten mit Fragen zum Unternehmen,
zu der Unternehmensplanung, zu der Einteilung von Risikogruppen und Risikofaktoren und
zu der Risikoeinstellung. Die Bearbeitungszeit beträgt in etwa 10 Minuten (Fragebogen ist in
Abbildung A.2 im Anhang zu finden). Im Gegensatz zur mündlichen Befragungsmethode bie-
tet die schriftliche den Vorteil, dass innerhalb eines kurzen Zeitraums mit vergleichsweise
geringem Zeitaufwand eine größere Anzahl an Unternehmen abgefragt werden kann. Ande-
rerseits können unklar formulierte Fragen nicht näher erläutert werden, fehlendes Feedback
und die Gefahr der Unvollständigkeit, Nachlässigkeit oder der gar nicht beantworteter Fra-
gebögen nimmt zu. Zudem kann in der Regel nicht kontrolliert werden, ob die tatsächlich
dafür zuständige Person den Fragebogen ausgefüllt hat oder ob dies teilweise oder sogar
vollständig durch andere erfolgt ist (Attesländer, 2003).
Am Anfang werden die Daten des Unternehmens abgefragt und danach erfolgt eine vierstu-
fige Ratingskala (1-4), die zur Rangierung und anschließenden Einordnung in verschiedenen
Risikogruppen dient. Es werden fünfstufige Likert-Skalen eingesetzt um die Risikoeinstellung
der Molkereien zu erfassen und die Risikofaktoren und Risikomaßnahmen zu evaluieren.
Diese sind von 1 (lehne voll und ganz ab) über 3 (teils/teils) bis 5 (stimme voll und ganz zu)
kodiert. Außerdem wird noch die Unternehmensplanung mit vorgegebenen Antwortkatego-
rien abgefragt.
3. Daten und Methode
13
3.2 Beschreibung der Stichprobe
Der Schwerpunkt der Erhebung liegt in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen,
Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein.
In Tabelle 1 sind die Unternehmensstrukturdaten der Molkereien der Stichprobe denen der
Mittelwerte aus dem gesamten Bundesgebiet Deutschland gegenübergestellt.
Der Anteil der größeren Molkereien ist in der Stichprobe größer als in der Grundgesamtheit.
Die befragten Unternehmen verarbeiten mehr Milch (Streuung zwischen 20 und 600 Mio. kg
Milch) und erzielen höhere Umsatzerlöse (Streuung zwischen 2 und 450 Mio. €) mit weniger
Milchlieferanten und Mitarbeitern. Im Vergleich mit der Grundgesamtheit haben diese aller-
dings einen niedrigeren Wert im Wertschöpfungsindex und dem Exportanteil. Im Schnitt
haben die Unternehmen der Stichprobe 42 Produkte in ihrer Produktpalette bei 1,4 Produk-
tionsstätten.
Tabelle 1: Unternehmensstrukturen der Molkereien in Deutschland und der Stichprobe ,
Quelle: Eigene Erhebung; Milchindustrie -Verband e.V., 2010
Ø
Milchver-arbeitungs-
menge (1.000kg)
Milch-lieferanten
Mit-arbeiterzahl
Umsatz-erlöse
(1.000€)
Wert-schöpfungs-
index
Produkte in der
Produkt-palette
Pro-duktions-
stätten
Export-anteil(%)
Stichprobe 245.222 297 143 134.889 0,55 42 1,4 ca. 20
Gesamt 150.269 474 152 112.435 0,75 ca. 40
Aufteilen lassen sich die Molkereien der Stichproben in Tabelle 2 in 3 Größenklassen, in
„kleinere“ Molkereien mit einer Milchverarbeitung von weniger als 50 Mio.t Milch und ei-
nem Umsatzerlös von weniger als 10 Mio.€ im Jahr, in „mittlere“ mit einer Milchverarbei-
tung zwischen 50 und 300 Mio.t Milch und einem Umsatzerlös zwischen 10 und 100 Mio.€
im Jahr und in „größere“ mit einer Milchverarbeitung von mehr als 300 Mio.t Milch und ei-
nem Umsatzerlös von mehr als 100 Mio.€ im Jahr. Neben der Milchverarbeitungsmenge und
den Umsatzerlösen haben die „größeren“ Molkereien auch mehr Milchlieferanten, mehr
Mitarbeiter, einen höheren Wertschöpfungsindex und eine größere Anzahl der Produkte in
der Produktpalette als die „mittleren“ und diese wiederum als die „kleinen“.
Auch in Tabelle 2 lässt sich die relative Überrepräsentation der größeren Molkereien in der
Stichprobe erkennen. Die Anzahl der Unternehmen ist bei allen drei Größenklassen in der
Stichprobe gleich, in der Grundgesamtheit dagegen nimmt die Anzahl bei den größeren Klas-
sen ab.
3. Daten und Methode
14
Tabelle 2: Größenklassen der Molkereien nach Umfang der Milchverarbeitung und der U m-
satzerlöse, Quelle: Eigene Erhebung; Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, 2010
Größenklassen nach Umfang der
Milchverarbeitung (Mio./Jahr)
Anzahl der Unternehmen
in Deutsch-land
Milch-verarbeitung
(1 000 t)
Anzahl der Unternehmen der Stichpro-
be
Milch-verarbeitung
(1 000 t)
< 50.000 102 926.000 3 97.000
50.001 to 300.000 64 9.086.000 3 470.000
> 300.000 27 18.989.000 3 1.640.000
Insgesamt 193 29.002.000 9 2.207.000
Durchschnitt 150.269 245.222
Größenklassen nach Umfang der
Umsatzerlöse (Tausend €/Jahr)
Unternehmen in Deutsch-
land
Umsatzerlöse (1.000 €)
Anzahl der Unternehmen der Stichpro-
be
Umsatzerlöse (1.000 €)
< 10.000 3 20.000
10.001 to 100.000 3 201.000
> 100.000 3 993.000
Insgesamt 193 21.700.000 9 1.214.000
Durchschnitt 112.435 134.889
Vergleichend lassen sich zwei Annahmen treffen, dass es ähnlich wie in der Milchviehhaltung
ein Nord-Süd-Gefälle auch in der Molkereiwirtschaft gibt, was hier aufgrund der geringen
Fallzahl aber auch nur Zufall sein kann. Im Norden Deutschland sind die milcherzeugenden
Betriebe im Schnitt größer als die im Süden (Milchindustrie-Verband e.V., 2010). Die Molke-
reien der Stichprobe, stehend für die im Norden Deutschlands, verarbeiten im Schnitt eine
höhere Menge an Milch mit weitaus weniger Milchlieferanten als die der Grundgesamtheit
und könnten daher im Schnitt größer sein als die im Süddeutschen Raum.
Die zweite Annahme die sich treffen lässt, ist, dass die Molkereien im Süden höherwertigere
Milchprodukte (z.B. Käse) und die im Norden einfacher zu verarbeitende Milchprodukte her-
stellen (z.B. Milchkonzentrate, Milchpulver). Begründen lässt sich das durch einen Blick auf
Tabelle 1. Die Unternehmen der Stichprobe verarbeiten ihre Milch mit weniger Mitarbeitern,
aber auch zu einem geringeren Wertschöpfungsindex und exportieren weniger ins Ausland.
Die Molkereien der Grundgesamtheit, miteinbeziehend die Süddeutschen, verarbeiten ihre
Milch zu höherwertigen Produkten, wodurch sie mehr Angestellte brauchen, aber auch hö-
here Umsatzerlöse erzielen und diese mehr im Ausland nachgefragt und exportiert werden.
4. Ergebnisse und Diskussion
15
4. Ergebnisse und Diskussion
4.1 Risikoanalyse
Die im Folgenden wiedergegebenen Befragungsergebnisse stellen wahrgenommene Risiken
aus Sicht der genossenschaftlichen Molkereien dar. Dabei handelt sich um subjektive Bewer-
tungen der Führungsebene der Unternehmen, die nicht unbedingt durch betriebswirtschaft-
liche Kalkulationen abgesichert sein müssen (Schaper et al, 2008).
4.1.1 Risikoneigung und Bedeutung der Risikobereiche
Die grundsätzliche Risikoneigung der befragten Unternehmen wurde mittels drei Statements
evaluiert. Diese spiegeln wieder, ob die Unternehmen eher risikofreudig oder eher risiko-
avers eingestellt sind. Abbildung 3 ist die Häufigkeitsverteilung dargestellt.
Abbildung 3: Grundsätzliche Risikoneigung der befragten Molkereien
Es zeigt sich, dass die Molkereien Risiken in der Produktion und risikoreiche Entscheidungen
in der Produktion mit über 50%iger Zustimmung („stimme voll und ganz zu“) vermeiden.
Anders sieht es dagegen bei dem Statement aus „Um unsere betrieblichen Ziele im Unter-
nehmen zu verwirklichen, nehmen wir keine Risiken in Kauf“ aus, hier stimmen nur über 30%
voll und ganz zu und über 30% beantworteten die Frage auch mit „teils/teils.“ Die genossen-
0
10
20
30
40
50
60
lehne voll undganz ab
lehne ab teils/teils stimme zu stimme voll undganz zu
%
In der Produktion geht unser Unternehmen lieber auf Nummer sicher als etwas zu riskieren
Unser Unternehmen vermeidet risikoreiche Entscheidungen in der Produktion
Um unsere betrieblichen Ziele im Unternehmen zu verwirklichen, nehmen wir keine Risiken inKauf
4. Ergebnisse und Diskussion
16
schaftlichen Molkereien sind sich offensichtlich darüber bewusst, dass bei der Erreichung
von betrieblichen Zielen Risiken in Kauf genommen werden müssen.
Weiter untersuchen lässt sich noch, wie es mit dem Grad der Risikoeinstellung bei den Un-
ternehmen aussieht. Die Antwortmöglichkeiten der drei Statements werden nun den drei
unterschiedlichen Präferenzen zugeteilt. „Lehne voll und ganz ab“ und „lehne ab“ wird die
risikofreudige, „teils/teils“ als risikoneutrale und „stimme zu“ und „stimme voll und ganz zu“
als risikoaverse Neigung definiert. Daraus ergibt sich das folgende Kreisdiagramm in Abbil-
dung 4. Es zeigt sich, dass die genossenschaftlichen Molkereien zu 74 % risikoavers, zu 15%
risikoneutral und zu 11% risikofreudig geneigt sind. Die aufgestellte Hypothese 2 im Punkt
2.3 lässt sich damit annehmen, dass die Führungsebene der genossenschaftlichen Molkerei-
unternehmen größtenteils risikoavers bis -neutral eingestellt ist. Dieses Ergebnis gilt aller-
dings nur für die befragten Unternehmen und ist keine allgemeingültige Aussage.
Abbildung 4: Risikopräferenzen der befragten Mo lkereien
In der Beschreibung der Stichprobe wurden die befragten Molkereien in 3 Größenklassen
eingeteilt. Nun werden noch die einzelnen Risikoneigungen der Unternehmen weiter unter-
sucht, ob es Unterschiede zwischen den verschiedenen Größenklassen gibt. Tatsächlich zeigt
sich ein differenziertes Bild, wie sich bei dem Vergleich der beiden Abbildungen 5 und 6
zeigt. Die großen Molkereien weichen deutlich von der Stichprobengesamtheit ab und sind
wesentlich risikofreudiger mit 33% und nur zu 45% risikoavers eingestellt (Abb.5). Die klei-
nen und mittleren Molkereien sind dagegen genau gleich eingestellt und entsprechen der
angenommenen Hypothese 2. Diese sind zu 89% risikoavers, zu 11% risikoneutral und nicht
risikofreudig eingestellt (Abb. 6).
risikofreudig 11%
risikoneutral 15%
risikoavers 74%
4. Ergebnisse und Diskussion
17
Abbildung 5: Risikopräferenz der befragten „großen“ Molkereien
Abbildung 6: Risikopräferenz der befragten „kleinen & mittleren“ Molkereien
Erklären lässt sich das anhand der einzelnen Daten zu den Unternehmen in der Tabelle 3. Die
kleinen und mittleren Molkereien haben im Schnitt ungefähr 20 Produkte in ihrer Produktpa-
lette (Kleinen: 19, Mittleren: 23). Die Großen dagegen haben im Schnitt 85 Produkte in ihrer
Produktpalette. “Große und vor allem breit aufgestellte Unternehmen haben den Vorteil,
dass die Milchströme bis zu einem gewissen Maß in die Verarbeitung lenken können, die
gerade die höchste Verwertung bietet. Dadurch sind sie unanfälliger, wenn die Preise einzel-
ner Verwertungen sich reduzieren. Diese Flexibilität ist von hoher Bedeutung“, sagt Dr.
Hans-Jürgen Seufferlein vom Milcherzeugerverband Bayern in der „top agrar“ vom 08/2012.
Dies zeigt sich auch beim höheren Wertschöpfungsindex der größeren Molkereien. Insge-
samt kann damit angenommen werden, dass die größeren Unternehmen mehr Spielraum
risikofreudig 33%
risikoneutral 22%
risikoavers 45%
risikofreudig 0%
risikoneutral 11%
risikoavers 89%
4. Ergebnisse und Diskussion
18
bei ihren Handlungsentscheidungen haben und dadurch risikofreudiger eingestellt sind als
die kleineren und mittleren Unternehmen in dieser Befragung.
Tabelle 3: Unternehmensstrukturen der Stichprobe nach den Größenklassen
Ø Großen Molkereien Mittleren Molkereien Kleinen Molkereien
Milchverarbeitungsmenge in Mio. kg
547 157 32
Milchlieferanten 775 220 55
Mitarbeiter 347 62 22
Umsatzerlöse in Mio. € 331 67 6,67
Wertschöpfungsindex 0,61 0,43 0,21
Produkte Produktpalette 85 23 19
Die relative Bedeutung der vier Risikobereiche Markt-, Politik-, Produktions- und Kreditrisiko
wurde mithilfe einer Konstantsummenskala erhoben. Dabei sollten die Molkereien 100%
entsprechend der jeweiligen Bedeutung für ihr Unternehmen auf die Risikobereiche vertei-
len (Lutter, 2009). Im Ergebnis wurden drei der vier Felder in der Abbildung 7 unterschiedlich
gewertet. Die Marktrisiken stehen mit einem Mittelwert von 1,38 an erster Stelle. Es folgen
die Politikrisiken mit einem Mittelwert von 2,13 und die Produktionsrisiken und Kreditrisiken
mit 3,25. Größenspezifische Unterschiede bei den Risikobereichen gibt es keine, die Eintei-
lung ist in allen drei Größenklassen in etwa gleich.
Abbildung 7: Bedeutung der vier Risikobereiche
Genauso sieht es bei der Planung der Molkereien aus, die bei allen Unternehmen in etwa
gleich ist. Dort lässt sich vor allem zwischen der Absatz- und Zukaufsplanung und der Investi-
tionsplanung in Abbildung 8 ein Unterschied feststellen. Die Zukaufs- und Absatzplanung der
1,38
2,13
3,25 3,25
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
Marktrisiko Politikrisiko Produktionsrisiko Kreditrisiko
4. Ergebnisse und Diskussion
19
Milch ist es in etwa ausgeglichen zwischen kurzfristiger und langjähriger. Die Planung bei den
Investitionen ist diese dagegen zu knapp 90% langjährig.
Abbildung 8: Unternehmensplanung der Molkereien
Erklären lässt sich die langfristige Planung bei der Investition dadurch, dass sich bei Investiti-
onen das eingesetzte Geld auch wieder amortisieren muss. Das dauert im Regelfall länger als
ein Jahr. Beim Zukauf und Absatz sieht es dagegen anders aus. Die großen Einzelhandelsket-
ten in Deutschland werden gewöhnlich direkt von Molkereien beliefert, um größtmögliche
Frische zu garantieren und Lagerkosten zu sparen. Mindestens zweimal im Jahr wird in Ge-
sprächen zwischen Einzelhandelsunternehmen und Molkereien der Preis festgelegt, für die
die Molkereien für die gelieferten Milchprodukte über einen gewissen Zeitraum (je nach
Marktlage zwischen vier und sechs Monaten) gezahlt wird. Der Handel schreibt bestimmte
Produkte und eine bestimmte Menge aus, für die die Molkereien Preisangebote einreichen
und untereinander in Konkurrenz treten, zunehmend auch auf internationaler Ebene. Basie-
rend auf diesen Angeboten finden Verhandlungen statt und werden entsprechend vertrauli-
che Abnahmeverträge geschlossen. Die Ergebnisse der Preisverhandlungen zwischen Handel
und Molkereien wirken sich wiederum auf die Preise für den Verbraucher und die Erzeuger-
preise seitens der Molkereien an die Milcherzeuger (Milchindustrie-Verband e.V., 2010).
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
kurfristige Planung (<1 Jahr) langjährige Planung (>1Jahr)
keine
%
Absatzplanung Zukaufsplanung Investitionsplanung
4. Ergebnisse und Diskussion
20
4.1.2 Risikobewertung
Die Risikobewertung erstreckt sich auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensaus-
maß bzw. die Schadensauswirkung. Im Fragebogen wurden beide Aspekte für jeden Risiko-
bereich getrennt abgefragt. Tabelle 4 gibt einen ersten Überblick. Es ist jeweils der Mittel-
wert der vermuteten Eintrittswahrscheinlichkeit und der erwarteten Schadensauswirkung
dargestellt. Daneben ist die Gesamtrisikobewertung (Erwartungswert) als Produkt von Ein-
trittswahrscheinlichkeit und Schadensauswirkung errechnet worden (rechte Spalte). Die Risi-
kobereiche sind in absteigender Reihenfolge der Gesamtrisikobewertung dargestellt. Für die
Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schadensauswirkung ist jeweils noch der Rangplatz ange-
geben.
In der Annahme, dass die Marktrisiken den größten Risikofaktor für die genossenschaftlichen
Molkereien darstellen, wie sich auch später in der Abbildung 7 herausgestellt hat, wurden
diese in Form von Faktorpreis-, Beschaffungs- und Absatzrisiko detaillierter abgefragt. Stei-
gende Energiekosten werden der Auswertung nach mit der größten Eintrittswahrscheinlich-
keit und dem größten Gesamtrisiko bewertet. Danach erfolgt die Konkurrenz durch andere
Molkereien aus dem In- und Ausland und die Kündigung der Mitglieder auf den Rangplätzen
2 und 3.
Tabelle 4: Risikobewertung
Eintrittswahr-scheinlichkeit
Schadens-auswirkung
Gesamtrisiko-bewertung
Rang Mittelwert Rang Mittelwert
a Steigende Energiekosten 1 4,22 7 3,22 13,60
b Konkurrenz durch andere Molke-reien aus dem In- und Ausland
3 3,67 3 3,44 12,63
c Kündigung der Mitglieder durch unterdurchschnittliche Milch-auszahlungspreise über 2 Jahre
6 3,11 1 3,67 11,41
d Absatzrisiko 5 3,28 3 3,44 11,28
e Steigende Lohnkosten 2 3,89 9 2,78 10,80
f Beschaffungsrisiko 7 3,00 2 3,5 10,5
g Faktorpreise 4 3,59 8 2,81 10,09
h Verändertes Konsumverhalten der Verbraucher für Molkereiprodukte
8 2,89 3 3,44 9,95
i Weitere Ausdünnung der Milcher-zeugung in der Region
8 2,89 6 3,33 9,63
j Steigende Gebäudekosten 10 2,67 10 2,44 6,52
4. Ergebnisse und Diskussion
21
Von den drei Marktrisikogruppen Faktorpreis-, Beschaffungs- und Absatzrisiko hat das Ab-
satzrisiko die höchste Gesamtrisikobewertung. Steigende Faktorpreise werden die höchsten
Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeteilt, aber auch die geringste Schadensauswirkung. Für das
Risiko der Beschaffung wurde dagegen die höchste Schadensauswirkung ermittelt, mit der
geringsten Eintrittswahrscheinlichkeit.
Steigende Energiekosten und steigende Lohnkosten werden demnach als Faktorpreise auch
die höchsten Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeteilt. Kündigung der Mitglieder durch unter-
durchschnittliche Milchauszahlungspreise über 2 Jahre hat als Beschaffungsrisiko den größ-
ten Mittelwert als Schadensauswirkung. Knapp dahinter folgen die Absatzrisiken verändertes
Konsumverhalten der Verbraucher für Molkereiprodukte und Konkurrenz durch andere Mol-
kereien aus dem In- und Ausland mit der gleichen bewerteten Schadensauswirkung.
Steigende Gebäudekosten werden die niedrigsten Eintrittswahrscheinlichkeiten und Scha-
densauswirkungen zugeteilt. Danach folgen die Beschaffungsrisiken: Kündigung der Mitglie-
der durch unterdurchschnittliche Milchauszahlungspreise über 2 Jahre und weitere Ausdün-
gung der Milcherzeugung in der Region. Verändertes Konsumverhalten der Verbraucher für
Molkereiprodukte wird ebenfalls eine geringere Eintrittswahrscheinlichkeit zugerechnet. Die
geringsten Schadensauswirkungen haben allesamt die Faktorpreisrisiken.
4.1.3 Risikomatrix
In Abbildung 9 ist die Risikomatrix (Risk Map) der Befragung dargestellt. Die Eintrittswahr-
scheinlichkeit ist auf der Abszisse abgetragen (von 1 = „sehr unwahrscheinlich“ bis 5 = „sehr
wahrscheinlich), auf der Ordinate die Schadensauswirkung (von 1 = „keine Auswirkungen“
bis 5 = Existenzgefährdend). Somit ergibt sich eine zweidimensionale Darstellung der Risiko-
bereiche, die der unterschiedlichen Ausprägung von empfundener Eintrittswahrscheinlich-
keit und Schadensauswirkung Rechnung trägt. Auf dieser Grundlage können die Risiken ent-
sprechend ihrer Relevanz eingeteilt werden. Es ist zum Beispiel ein Risiko mit hoher Ein-
trittswahrscheinlichkeit, aber geringe Schadensauswirkung anders zu bewerten als ein Risiko
mit zwar geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, jedoch hoher Schadensauswirkung. Der er-
rechnete Gesamtrisikowert könnte dagegen gleich sein, so dass eine alleinige Konzentration
auf diese Größe zu einem Informationsverlust führen würde (Schaper et al, 2008).
4. Ergebnisse und Diskussion
22
Abbildung 9: Risikomatrix
Insgesamt sind alle befragten Marktrisiken als relevant einzustufen. Aufgrund der Tatsache,
dass die Marktrisiken als die wichtigste Risikogruppe analysiert wurden, war dies anzuneh-
men. Allerddings zeigt sich gerade in dieser Abbildung eine ungünstige Formulierung in dem
Fragebogen. „Steigende Gebäudekosten“ hätten besser abgefragt werden sollen als „reine
steigende Gebäudekosten“ und als „steigende Anlagekosten“. Die steigenden Anlagekosten
würden dann wahrscheinlich relevanter als die jetzigen Gebäudekosten und die reinen Ge-
bäudekosten als weniger relevanter eingeschätzt worden. Die verschieden Unterscheidun-
gen zwischen den einzelnen Risiken wurde in 4.1.2 näher beschrieben. Alle Marktrisiken,
wenn diese bedeutend für Marktwirtschaftlichen Veränderungen stehen, haben nach der
Abbildung 9 eine Einwirkung auf die Unternehmen und können damit die in 2.3 aufgestellte
Hypothese 1 für die in diesen analysierten Fällen annehmen.
a
b c
d
e
f
g
h
i
j
0
1
2
3
4
5
0 1 2 3 4 5
erw
arte
te S
chad
ensa
usw
irku
ng
wahrgenommene Eintrittswahrscheinlichkeit
a Steigende Energiekosten b Konkurrenz durch andere Molkereien
c Kündigung der Mitglieder d Absatzrisiko
e Steigende Lohnkosten f Beschaffungsrisiko
g Faktorpreise h Änderung Konsumverhalten Verbraucher
i Ausdünnung der Milcherzeugung j Steigende Gebäudekosten
relevante Risiken
weniger relevante Risiken
4. Ergebnisse und Diskussion
23
4.2 Risikomanagementstrategien
Nach der Erhebung der Risikobewertung wurden die Molkereien zur Nutzung von 3 mögli-
chen Risikomanagementstrategien befragt und in der Tabelle 5 miteinander verglichen. Vor
der Untersuchung wurde meinerseits die Annahme getroffen, dass die Marktrisiken die
größte Risikogruppe für die Molkereien darstellen. Deshalb wurde jeweils eine Maßnahme
zur Absicherung von Absatz- und Beschaffungsrisiken evaluiert. In Punkt 2.1 wurden schon
mögliche Risikomanagementstrategien näher beschrieben. Maßnahmen gegen steigendes
Faktorpreisrisiko wurden hier nicht weiter abgefragt und behandelt. Sie sind zwar von hoher
Eintrittswahrscheinlichkeit, allerdings ist ihr Schaden, den sie anrichten können, als geringfü-
giger eingeschätzt worden.
Die externen Risiken lassen sich im Wesentlichen in Rechts- und Naturrisiken unterscheiden.
Politikrisiken gehören deshalb mit zu den externen Risiken (Rechtsrisiko) sind vor allem Än-
derungen von Gesetzen (z.B. Steuergesetz). Sobald diese vom Gesetzgeber beschlossen sind,
müssen sie auch von den Unternehmen umgesetzt werden. Absicherungen dagegen gibt es
keine, allerdings lassen sich die Rechtsrisiken durch drei Instrumente steuern: eigene
Rechtsabteilung, externe Rechtsberater und die Rechtsschutzversicherung. Zu den Naturrisi-
ken zählen ausgelöste Schäden durch Feuer, Unwetter, Erdbeben und Überschwemmungen.
Hauptinstrumente zur Absicherung sind Versicherungen oder technische Maßnahmen zur
Risikovermeidung (z.B. Rauchmelder) (Wolke, 2007), auf die in dieser empirischen Untersu-
chung auch nicht weiter eingegangen worden ist.
Anders sieht es bei den Produktionsrisiken aus (s.h. Punkt 2.1), allerdings wurde in dieser
Arbeit der Schwerpunkt auf die äußerlichen Risiken gelegt, die sich nicht innerhalb des Un-
ternehmens bewerkstelligen lassen. Deshalb wurde als dritte Risikomanagementstrategie
noch ein finanzwirtschaftliches Risiko, nämlich die Absicherung von Krediten durch Inan-
spruchnahme von Wertpapiermärkten abgefragt.
Tabelle 5: Risikomanagementstrategien
Risikomanagementstrategie Mittelwert Zustimmung
(in %) Ablehnung
(in %)
Kontrakte mit Abnehmern 3,29 28,57 14,29
Kontrakte mit Lieferanten 3,21 35,71 28,57
Inanspruchnahme von Wertpapiermärkten 1,83 0,00 71,43
5. Fazit
24
Nachdem sich in Punkt 4.1.1. der Risikoneigung und Bedeutung der Risikobereiche ergeben
hat, dass Marktrisiken die wichtigste und Kreditrisiken die weniger wichtige Risikogruppe ist,
zeigt sich gleiche Bild auch in der Tabelle 5 der evaluierten Risikomanagementstrategien.
Allerdings dürfen die Kreditrisiken nicht unterschätzt werden, auch wenn sie in den hier be-
trachteten Fällen, als sekundär betrachtet werden. Einerseits kann es daran liegen, dass die
befragten Molkereien mit relativ wenig Fremdkapital auskommen oder eine andere und die
wahrscheinlich plausibelste Erklärung dafür wäre, dass das momentane niedrige Zinsniveau
für Kredite für die große Ablehnung von Wertpapiermärkten von über 70% ist. Eine Befra-
gung zu einem anderen Zeitpunkt mit einem anderen Zinsniveau könnten hier durchaus an-
dere Ergebnisse liefern.
In Punkt 4.1.2. der Risikobewertung kam heraus, dass Absatzrisiken größer bewertet wurden
als die Beschaffungsrisiken. Dieses Bild zeigt sich auch bei den Risikomanagementstrategien.
Die Strategie des Abschließens von Kontrakten mit Abnehmern hat einen geringfügigen hö-
heren Mittweltwert als das mit den Lieferanten. Zwar wird das abschließen von Kontrakten
mit den Abnehmern mit knapp 30% weniger zugestimmt als bei den Lieferanten mit 35%,
allerdings wird es dafür deutlich weniger abgelehnt mit knapp 15% anstatt mit ungefähr 30%
beim Abschließen von Kontrakten mit den Lieferanten.
5. Fazit
Das Risiken mit jeder unternehmerischen Handlung verbunden sind, ist keine neue wissen-
schaftlich Erkenntnis. Ziemlich unerforscht bis dato ist allerdings das Risiko von unternehme-
rischen Handlungen genossenschaftlicher Molkereien.
Die in der Einleitung gestellten Ausgangsfragen konnten im Ergebnis- & Diskussionsteil be-
antwortet und weiter erläutert werden. Um Handlungsempfehlungen ableiten zu können,
werden mehr Informationen benötigt und sind deshalb nur bedingt praxistauglich. Die rele-
vanten Risiken wurden eingehender definiert und es konnte herausgestellt werden, dass das
Risikoverhalten mit den betrieblichen Charakteristika zusammenhängt, allerdings gibt es
keinen signifikanten Zusammenhang und ist deshalb nur für die Fälle gültig.
Für ein erfolgreiches Risikomanagement gibt es allerdings keine allgemeingültigen, vorgefer-
tigten Standardlösungen. Welche Risiken eine Bedeutung haben und den Einsatz konkreter
Instrumente zur Risikobegrenzung erfordern, bleibt Aufgabe der eigenen Unternehmensfüh-
rung. Ziel eines strategischen Risikomanagements sollte es auch nicht sein, Risiken grund-
5. Fazit
25
sätzlich zu vermeiden, sondern notwendige Informationen zu sammeln und auszuwerten um
fundierte Entscheidungen zu treffen (Frentrup, 2012).
Da im Rahmen einer Bachelorarbeit diese Untersuchung nur Fallstudiencharakter hat, bleibt
natürlich am Ende die große offene Frage: Treffen die hier dargestellten Ergebnisse auch bei
einem größerem Stichprobenumfang zu? Weiterer Forschungsbedarf besteht auch beim
Thema Risikomanagement. In welcher Art und Weise haben die genossenschaftlichen Mol-
kereien bereits ein strategisches Risikomanagement und wie sehen die Instrumente zur Risi-
koabsicherung aus? Im Vergleich dazu auch mit den Privatmolkereien und im Zusammen-
hand mit dem Strukturwandel in der Milchwirtschaft.
Diese empirische Untersuchung leistet daher einen ersten kleinen Anfang und lässt einen
Trend erkennen.
6. Literaturverzeichnis
26
6. Literaturverzeichnis
Frentrup M., Heyder M., Theuvsen L. (2012): Risikomanagement in der Landwirtschaft –
Leitfaden für Landwirte: So behalten Sie die Risiken im Griff. Edmund Rehwinkel-Stiftung der
Rentenbank, Frankfurt am Main
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institut für Genossenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg, Arbeitspapiere
Hellberg-Bahr Anneke, Steffen Nina, Spiller Achim (2011): Unternehmensstrategische Defi-
zite in Genossenschaftsmolkereien: Eine Mitgliederbasierte Fallstudie, Vortrag an der GE-
WISOLA von der Uni-Göttingen
Hellberg-Bahr Anneke et al., (2011): Heterogene Mitgliederinteressen in Molkereigenossen-
schaften – ein Fallbeispiel: http://oega.boku.ac.at/ filead-
min/user_upload/Tagung/2010/Band_20_1/14_Hellberg-Bahr_et_al_2010.pdf. Abruf:
16.09.2010
Hofmann, Gerhard (2007): Basel II und MaRisk. Frankfurt School Verlag, Frankfurt
Kirchner, M. (2002): Risikomanagement – Problemaufriss und praktische Erfahrungen unter
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R6
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einen Blick, Verlag Rommerskirchen GmbH, Berlin
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Rentenbank, Schriftenreihe Band 23, Frankfurt am Main
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Wolke, Thomas (2007): Risikomanagement, Oldenbourg Wirtschaftsverlag, München
6. Literaturverzeichnis
27
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(1), Supplement: Die landwirtschaftlichen Märkte an der Jahreswende 2007/2008: 36-58.
Wocken Christian et al., (2008): Risikowahrnehmung in Milchviehbetrieben: Eine Empiri-
sche Studie zur Vergleichenden Bewertung von Politik-, Markt-, und Produktionsrisiken, Vor-
trag an der GEWISOLA von der Uni-Göttingen
0. Anhang
28
Anhang
Abbildung A.1: Anschreiben der Befragung: „Risiko und Risikopräferenzen in der
Milchwirtschaf“
0. Anhang
29
Abbildung A.2: „Fragebogen“ der Befragung
0. Anhang
30
7. Danksagung
31
7. Danksagung
Ich danke Herrn Prof. Dr. Sauer für die Überlassung des Themas. Gleichzeitig gilt mein Dank
auch Herrn Prof. Dr. Latacz-Lohmann für die Übernahme des Zweitgutachtens. Für die Be-
treuung während der Bearbeitungphase und der Korrektur möchte ich mich bei Frau Julia
Schreiner bedanken.
Außerdem möchte ich mich bei Arne Rahn und meinem Vater Günter Hübner bei der Erstel-
lung des Fragebogens bedanken, die mich mit ihrem Praxiswissen unterstützt haben. Zudem
bei meinem Freund Malte Vollersen für das Korrekturlesen und einigen Formatierungshilfen
bei meiner Arbeit.
Weiterer Dank gilt dem Genossenschaftsverband Rendsburg e.V., besonders Herrn Burge-
meister für die Aushändigung der Adressen der genossenschaftlichen Molkereien im nord-
deutschen Raum. Größter Dank geht an die Molkereien, die teilgenommen haben.
Vielen Dank!
0. Eidesstattliche Erklärung
32
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe ange-
fertigt und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.
Die eingereichte schriftliche Fassung der Arbeit entspricht der auf dem elektronischen Spei-
chermedium. Weiterhin versichere ich, dass diese Arbeit noch nicht als Abschlussarbeit an
anderer Stelle vorgelegen hat.
Kiel, im November 2012 Unterschrift: