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Biogasanlage Technische Sicherheit Bd. 4 (2014) Nr. 11/12 - November/Dezember 27 Biogasanlagen – sicherheitstechnisches Niemandsland? Max Westphalen, Andreas Eiklenborg M it dem Jahr 2000 überstieg die An- zahl der Biogasanlagen in Deutsch- land die Tausendermarke und ist inzwi- schen auf ca. 8 000 Anlagen angestiegen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es ca. 14 000 Tankstellen . Der jährliche Bericht der Kommis- sion für Anlagensicherheit (KAS) be- züglich der Auswertung der Erfah- rungsberichte über Prüfungen der Sach- verständigen im Sinne von § 29a BImSchG zeigt seit Jahren auf, dass es bei Biogasanlagen erhebliche sicher- heitstechnische Defizite gibt. Die Aus- wertung der Prüfungen des Jahres 2012 (Bericht KAS-31) 1) kommt zu dem Er- gebnis, dass bei ca. 71 % der geprüften Biogasanlagen (391 Anlagen) bedeut- same Mängel festgestellt wurden. Grundsätzlich muss festgehalten wer- den, dass in der Biogasbranche sicher- heitstechnische Defizite als Normal- zustand akzeptiert sind. Eine derartige Häufung von Defiziten in Bezug auf eine bestimmte Anlagentechnik liegt in ande- ren Branchen bei Weitem in diesem Maße nicht vor. Handelt es sich hierbei um sicherheits- technisches Niemandsland? Technische und rechtliche Vorgaben liegen aus unter- schiedlichen Rechtsbereichen vor. Die Biogasanlage fällt unter diverse Rechts- bereiche mit z. T. sehr unterschiedlichen Anforderungen: Arbeitsschutzrecht, Gefahrstoffrecht, Störfallrecht; Wasserrecht: Unter anderem brachte der Paradig- menwechsel im Arbeitsschutzrecht im Zuge der Einführung der Betriebssicher- heitsverordnung ein hohes Maß an Eigenverantwortung für den Betreiber. Die Vorgaben zum Erreichen eines sicheren Arbeitsplatzes sind auf Schutz- ziele ausgerichtet und basieren weniger auf konkreten Vorgaben. Häufig resul- tiert hieraus, dass vom Betreiber die Freiheit der eigenen Verantwortung gerne akzeptiert wird, die konsequente Dokumentation der Wege zur Einhal- tung dieser Schutzziele allerdings nicht erfolgt. Gleiches gilt im Störfallrecht allerdings mit grundsätzlich höherem Anspruch (Stichwort: „Stand der Sicher- heitstechnik“). Die Vorgaben beim Wasserrecht sind dagegen üblicherweise präzise. Die Bio- gasanlage fiel allerdings über Jahre hin- weg durch das Raster der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wasser- Biogasanlagen weisen bei der Auswertung der Erfahrungsberichte über Prüfungen der Sachverständigen im Sinne von § 29a BImSchG einen erheblichen Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Sicherheitstechnik auf. Aus der Arbeit von Sachverständigen werden nachfolgend Beispiele typischer Mängel an Biogasanlagen vor- gestellt. 1) www.kas-bmu.de/publikationen/kas/KAS_31.pdf Tabelle 1 Beispiele aus Explosionsschutzdokumenten. Explosionsschutzdokumente Formulierung Anmerkung Der Container ist ausreichend zwangsbelüftet und das BHKW ist mit Gaswarntechnik ausgestattet und stellt somit keinen Explosionsschutzbereich dar. Zudem liegt eine Abschaltmatrix der BHKW vor, aus der die Schaltwerte der Gaswarngeräte zu entnehmen sind. Was ist im konkreten Fall ausreichend? Welcher Volumenstrom wird erreicht? Weder die Schaltwerte noch die Abschaltmatrix liegen als Teil des Explosionsschutzdokumentes vor. Es besteht keine Gefahr eines Gasaustritts da die Durchführungen zusätzlich z.B. durch Gasleckagemessungen überwacht werden. Die Umsetzung auf der konkreten Anlage ist nicht festgelegt. In Zone 1 ist damit zu rechnen, dass gefährliche explosionsfähige Atmosphäre gelegentlich auftritt: Im Umkreis von 1 m um Gasanschlüsse, die auf Dauer technisch dicht sind. Ein auf Dauer technisch dichter Gasanschluss schließt den Austritt aus. Im Kondensatschacht mit Siphon kann sich eine explosionsfähige Atmosphäre einstellen. Die Wahrscheinlichkeit ist selten. Auf die konsequente Einteilung als Zone 2 wird im Folgenden verzichtet. Zone 2 während der Inbetriebnahme. Festlegung des Normalbetriebs und Festlegung zusätzlichen Explosionsschutzanforderungen bei Abweichungen vom Normalbetrieb notwendig.

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Page 1: Biogasanlagen – sicherheitstechnisches Niemandsland? · Die Anforderungen an den Einsatz von Gas- ... die Planung, Auswahl und Errichtung von Geräten gemäß der Richtlinie

Biogasanlage

Technische Sicherheit Bd. 4 (2014) Nr. 11/12 - November/Dezember 27

Biogasanlagen – sicherheitstechnisches Niemandsland? Max Westphalen, Andreas Eiklenborg

Mit dem Jahr 2000 überstieg die An-zahl der Biogasanlagen in Deutsch-

land die Tausendermarke und ist inzwi-schen auf ca. 8 000 Anlagen angestiegen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es ca. 14 000 Tankstellen .

Der jährliche Bericht der Kommis-sion für Anlagensicherheit (KAS) be-züglich der Auswertung der Erfah-rungsberichte über Prüfungen der Sach-verständigen im Sinne von § 29a BImSchG zeigt seit Jahren auf, dass es bei Biogasanlagen erheb liche sicher-heitstechnische Defizite gibt. Die Aus-wertung der Prüfungen des Jahres 2012 (Bericht KAS-31)1) kommt zu dem Er-gebnis, dass bei ca. 71 % der geprüften Biogasanlagen (391 Anlagen) bedeut-same Mängel festgestellt wurden.

Grundsätzlich muss festgehalten wer-den, dass in der Biogasbranche sicher-heitstechnische Defizite als Normal-

zustand akzeptiert sind. Eine derartige Häufung von Defiziten in Bezug auf eine bestimmte Anlagentechnik liegt in ande-ren Branchen bei Weitem in diesem Maße nicht vor.

Handelt es sich hierbei um sicherheits-technisches Niemandsland? Technische und rechtliche Vorgaben liegen aus unter-schiedlichen Rechtsbereichen vor. Die Biogasanlage fällt unter diverse Rechts-bereiche mit z. T. sehr unterschiedlichen Anforderungen: l Arbeitsschutzrecht, l Gefahrstoffrecht, l Störfallrecht; l Wasserrecht:

Unter anderem brachte der Paradig-menwechsel im Arbeitsschutzrecht im Zuge der Einführung der Betriebssicher-heitsverordnung ein hohes Maß an Eigenverantwortung für den Betreiber. Die Vorgaben zum Erreichen eines

sicheren Arbeitsplatzes sind auf Schutz-ziele ausgerichtet und basieren weniger auf konkreten Vorgaben. Häufig resul-tiert hieraus, dass vom Betreiber die Freiheit der eigenen Verantwortung gerne akzeptiert wird, die konsequente Dokumentation der Wege zur Einhal-tung dieser Schutzziele allerdings nicht erfolgt. Gleiches gilt im Störfallrecht allerdings mit grundsätzlich höherem Anspruch (Stichwort: „Stand der Sicher-heitstechnik“).

Die Vorgaben beim Wasserrecht sind dagegen üblicherweise präzise. Die Bio-gasanlage fiel allerdings über Jahre hin-weg durch das Raster der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wasser-

Biogasanlagen weisen bei der Auswertung der Erfahrungsberichte über Prüfungen der Sachverständigen im

Sinne von § 29a BImSchG einen erheblichen Handlungsbedarf bei der Umsetzung der Sicherheitstechnik auf.

Aus der Arbeit von Sachverständigen werden nachfolgend Beispiele typischer Mängel an Biogasanlagen vor-

gestellt.

1) www.kas-bmu.de/publikationen/kas/KAS_31.pdf

Tabelle 1 Beispiele aus Explosionsschutzdokumenten.

Explosionsschutzdokumente

Formulierung Anmerkung

Der Container ist ausreichend zwangsbelüftet und das BHKW

ist mit Gaswarntechnik ausgestattet und stellt somit keinen

Explosionsschutzbereich dar. Zudem liegt eine Abschaltmatrix der

BHKW vor, aus der die Schaltwerte der Gaswarngeräte zu entnehmen

sind.

Was ist im konkreten Fall ausreichend?Welcher Volumenstrom wird erreicht?

Weder die Schaltwerte noch die Abschaltmatrix liegen als Teil des Explosionsschutzdokumentes vor.

Es besteht keine Gefahr eines Gasaustritts da die Durchführungen

zusätzlich z.B. durch Gasleckagemessungen überwacht werden.

Die Umsetzung auf der konkreten Anlage ist nicht festgelegt.

In Zone 1 ist damit zu rechnen, dass gefährliche explosionsfähige

Atmosphäre gelegentlich auftritt: Im Umkreis von 1 m um

Gasanschlüsse, die auf Dauer technisch dicht sind.

Ein auf Dauer technisch dichter Gasanschluss schließt den Austritt aus.

Im Kondensatschacht mit Siphon kann sich eine explosionsfähige

Atmosphäre einstellen. Die Wahrscheinlichkeit ist selten.

Auf die konsequente Einteilung als Zone 2 wird im Folgenden verzichtet.

Zone 2 während der Inbetriebnahme. Festlegung des Normalbetriebs und Festlegung zusätzlichen Explosionsschutzanforderungen bei Abweichungen vom Normalbetrieb notwendig.

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gefährdenden Stoffen und über Fach-betriebe (VAwS). Erst die kommende Ver-ordnung AwSV greift voraussichtlich die Biogasanlage als wasserrechtlichen Tat-bestand auf.

Im Zuge der Prüfung von Biogasanla-gen in den aufgeführten Rechtsbereichen werden die unterschiedlichsten Mängel festgestellt. Die folgende Gliederung die-ser Mängel richtet sich nach der Häufig-keit der sicherheitstechnischen Mängel gemäß des Berichts KAS-31. Auf eine Darstellung der Mängel aus dem Bereich Arbeitsschutz und VAwS wird verzichtet, um an dieser Stelle die Rechtsbereiche nicht zu vermischen.

Organisatorische Maßnahmen Der Betrieb einer Biogasanlage erfor-

dert unterschiedliche Dokumente (u. a. Ex-Dokument, Gefährdungsbeurteilung) mit den zugehörigen Anhängen und Prä-zisierungen (u. a. Sicherheitsdatenblät-ter, Angaben zu Grenzwerten, Betriebs-anweisungen), deren Inhalte sich häufig überschneiden. Die Dokumente weisen unterschiedliche Detaillierungsgrade auf und häufig bleiben die entscheidenden Informationen und Details unbestimmt. Tabelle 1 zeigt einige Beispiele aus Ex-plosionsschutzdokumenten.

Neben der „sicherheitsrelevanten“ Dokumentation zählen zu den organisa-torischen Maßnahmen auch das Vorhan-

densein von Fluchtwegen und deren Zu-stand. Bild 1 zeigt das Beispiel eines Fluchtwegs, der auf der Innenseite als solcher ausgeschildert ist.

Qualitätssicherung und Instand -haltung von Anlagen, Prüfungen

Der wesentliche sicherheitstechnische Aspekt im laufenden Betrieb einer Bio-gasanlage besteht darin, durch eine geeig-nete Überwachung Undichtigkeiten im Gassystem schnellstmöglich zu erkennen bzw. die Dichtigkeit durch den Einsatz geeigneter Produkte aufrechtzuerhalten.

Zur Detektion von Undichtigkeiten gibt es verschiedene Möglichkeiten (z. B. Infrarot-Spektro-Radiometrie, Abdrü-cken, Abschäumen, Messungen mit einem Gasspürgerät). In der Fachwelt-gibt es hier bezüglich der Interpretation von Ergebnissen z. T. Differenzen. Hier-bei geht es darum, unter welchen Bedin-gungen die Dichtigkeit festgestellt wer-den kann und ob das Fehlen einer Leckage gleichzeitig die Feststellung der Dichtigkeit bedeutet. Festzuhalten bleibt, dass die konsequente Über-wachung der Anlage auf Dichtigkeit häu-fig vernachlässigt wird. Ein wesentlicher Schritt hin zu mehr Anlagensicherheit, wäre eine regelmäßige Überwachung.

Bild 2 zeigt das Beispiel einer wahr-scheinlich bereits seit längerer Zeit un-dichten Armatur.

Zur Beseitigung von Undichtigkeiten werden nicht immer die allgemein aner-kannten Regeln der Technik angewandt, wobei dies u. U. auch für Hersteller und Installateure gilt. Im in Bild 3 gezeigten Fall wurde die Gasleitung mit Klebeband abgedichtet und „zur Sicherheit“ noch mit der Rohrleitungsfarbe überstrichen.

Explosionsschutz Das in Biogasanlagen erzeugte Gas,

wird im Blockheizkraftwerk (BHKW) in Wärme und elektrische Energie umge-wandelt oder aufbereitet ins Erdgasnetz einspeist.

Im Hinblick auf den Explosionsschutz soll hier kurz auf die Stichpunkte Zonen-einteilung, Gaswarntechnik und Elek-troinstallation eingegangen werden.

Die Einstufung in Zonen veranschau-licht die Häufigkeit des Auftretens einer gefährlichen explosionsfähigen Atmo-sphäre. Diese Einstufung erfolgt durch den Betreiber. Hier soll als Beispiel die Zone 1 um die Ausblasöffnung der Über-drucksicherung für die Auswirkungen ei-ner solchen Festlegung herangezogen werden.

Bild 1 Versperrter

Fluchtweg.

Bild 3 Mit Klebeband abgedichtete Gasleitung. Bild 2 Undichte Armatur.

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Als Konsequenz aus dieser Festlegung folgt, dass der direkte Blitzeinschlag in Zone 1 zu verhindern ist. Die Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 2152-3 (Vermeidung der Entzündung ge-fährlicher explosionsfähiger Atmo-sphäre) legt dies unter Kapitel 5.8.2 fest.

Eine Risikobeurteilung gemäß VDE 0185-305-2 „Blitzschutz – Teil 2: Risiko-Management: Abschätzung des Schadensrisikos für bauliche Anlagen“ beschreibt die Vorgehensweise zur Be-wertung von wirtschaftlichen Verlusten. Der Anwendungsbereich sieht die Scha-densarten von öffentlichem Interesse (Verlust von Menschenleben, Verlust von (technischen) Dienstleistungen für die Öffentlichkeit und Verlust von unersetz-lichem Kulturgut) nicht vor.

Die Festlegung der TRBS 2152-3 durch eine Abschätzung des Schadens-risikos zu ersetzen, entspricht nicht ihrem rechtlichen Stellenwert. Der An-satz, über die korrekte Bewertung der Häufigkeit und eine belastbare Gefähr-dungsbeurteilung zu gehen, wäre tech-nisch sinnvoll und im Sinne des Gesetz-gebers.

Die Installation von Gaswarnanlagen ermöglicht das Unterbinden einer gefähr-lichen explosionsfähigen Atmosphäre, was in den Maschinenaufstellräumen der BHKW genutzt wird. Durch diese Mess-einrichtung mit automatischer Aus-lösung von Notfunktionen kann auf eine Zoneneinteilung verzichtet werden. Die Anforderungen an den Einsatz von Gas-warngeräten im Rahmen des Explosions-schutzes legt die TRBS 2152-3 (Kapitel 2.5) fest. Die Gaswarngeräte haben den Anforderungen an die messtechnische Funktionsfähigkeit gemäß der Richtlinie 94/9/EG Anhang II zu genügen oder es

handelt sich um geeignete gelistete Ge-räte der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI).

In Biogasanlagen wird die gesamte Bandbreite der auf dem Markt verfüg-baren Gasmessgeräte eingesetzt – von ge-eigneten bis hin zu Geräten für den Ein-satz beim Camping zur Detektion von Propan. Eine sicherheitsgerichtete Sig-nalverarbeitung in der folgenden Steue-rung bleibt häufig aus.

Ein wesentlicher Bestandteil einer Bio-gasanlage ist die elektrische Installation. Fehler bei der Installation ziehen sicher-heitstechnische Konsequenzen nach sich. Bei einer Biogasanlage sind dies nicht nur Bereiche, die der Installation gemäß der Richtlinie VDE 0100 unterlie-gen, sondern auch jene, die besondere Fachkenntnisse z. B. für die Errichtung von Betriebsmitteln in explosionsgefähr-deten Bereichen erfordern (siehe Norm DIN EN 60079-14; Anhang F).

Folgende Grundkenntnisse müssen die verantwortlichen Personen, die für die Planung, Auswahl und Errichtung von Geräten gemäß der Richtlinie 94/9/EG verantwortlich sind, u. a. auf-weisen: l Allgemeines Verständnis der relevanten Elektrotechnik, l Arbeitskenntnis und Verständnis der einschlägigen Normen über den Explo -sionsschutz.

Das allgemeine Verständnis der Elek-trotechnik im Hinblick auf die Installa-tion von elektrischen Betriebsmitteln fehlt den verantwortlichen Personen häufig.

Nicht nur die Installation der Betriebs-mittel in und außerhalb von explosions-gefährdeten Bereichen, auch die Doku-mentation zur Installation stellt einen

wesentlichen Bestandteil zum sicheren Betrieb einer Ex-Anlage dar. Hier ist der Installateur aufgefordert, seine Arbeit durch einen Prüf- bzw. Messbericht der Gesamtanlage durch Besichtigen, Erpro-ben und durch Messen zu dokumentie-ren. Anforderungen zur Dokumentation für die Erstprüfung sind in der Norm DIN VDE 0100-600 und für wiederkeh-rende Prüfungen in DIN VDE 0105-100 zu finden.

Die Beispiele in den Bildern 4 und 5 verdeutlichen, dass das allgemeine Ver-ständnis der Elektrotechnik sowie die Anfertigung von Prüf- und Messpro-tokollen nicht durchgeführt wurden.

Die erforderlichen Fachkenntnisse zur Installation von Betriebsmitteln in explo -sionsgefährdeten Bereichen beinhaltet das Verständnis von den allgemeinen Prinzipien der Schutzarten und der Gerä-tekennzeichnung. Woher erfährt der In-stallateur, welches Gerät mit welcher Kennzeichnung in welchem explosions-gefährdeten Bereich installiert werden darf? Warum muss ein Motor mit der Zündschutzart „e“ noch eine Schutzein-richtung, die auch gemäß Richtlinie 94/9/EG zertifiziert sein muss, vor-geschaltet haben? Der Motor ist doch ex-plosionsgeschützt?

Im Rahmen der Prüftermine stellt sich oft heraus, dass die Installateure gar nicht wissen, warum hier derartige Geräte in-stalliert werden müssen. Hier kommen Aussagen wie „Die Zone 2 ist hier gar nicht so oft.“

Auslegung von Anlagen und Anlagen-teilen

Die Auslegung und Feststellung der Eignung der verwendeten Anlagenteile für den Einsatzfall obliegt meist dem Her-

Bild 5 Nicht fachgerecht installierter Unterverteiler. Bild 4 Nicht fachgerecht installierter Kabelkasten.

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Bild 6 Überlasteter Kompensator.

Bild 8 Erhöhte Brand-

last durch erhebliche

Verunreinigung mit Altöl,

Putzlappen und Ver-

packungsmaterial.

Bild 7 Alternativer Frost-

schutz.

steller. Nachrüstungen und Ergänzungen finden allerdings häufig durch den Betrei-ber statt. Nachfolgend zwei Beispiele, die einen Eindruck der Vielfalt von Defiziten in verschiedenen Anwendungsfällen ver-mitteln.

In den „Sicherheitsregeln für Biogas-anlagen“ (Technische Information 4) der landwirtschaftlichen Berufsgenossen-schaft heißt es bezüglich der zum BHKW gehörenden gasführenden Verbindungs-teile: „Die Eignung der zum BHKW ge -hörenden, gasführenden flexiblen Verbin-dungsstücke […] müssen vom Hersteller des BHKW bescheinigt werden.“

Bild 6 zeigt einen Kompensator, der zum Anschluss des Motorblocks an die Biogasleitung dient, wobei die Belastun-gen augenscheinlich außerhalb der Gren-zen der Auslegung liegen.

Der Winterbetrieb von Biogasanlagen erfordert die besondere Aufmerksamkeit des Betreibers und ggf. zusätzliche Maß-nahmen. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sollten auch auf Interimslösungen angewendet werden (Bild 7).

Die Verwendung von Kanalgrundrohr (KG-Leitung) als gasführende Leitung bleibt eine Bauart, die aktuell immer noch bei Biogasanlagen anzutreffen ist, obwohl bereits in den Sicherheitsregeln für Biogasanlagen von 2002 deren Ver-

hin zu VdS-Prüfungen entsprechend der Vorgaben für Versammlungsstätten. Diese Vorgaben richten sich auf die Aus-führung der Bauwerke und den Anlagen-aufbau sowie auf formale Regelungen.

Im Rahmen der sicherheitstech-nischen Prüfungen vor Ort fallen ins-besondere die betrieblichen Defizite auf, die grundsätzlich zur Vermeidung von Bränden (vergl. Explosionsschutz) bzw. der Verringerung des Brandpotenzials dienen. Im Bericht KAS-31 heißt es u. a. hinsichtlich typischer Mängel des Brand-schutzes: „Erhöhte Brandlasten im BHKW-Raum durch Lagerung von Altölen sowie lose herumliegende verunreinigte Putz -lappen, Filter, Aufsaugmassen.“ Bild 8

zeigt ein Beispiel, das diesen Mangel widerspiegelt.

Prozessleittechnik Über die Prozessleittechnik wird aus

der Vielzahl einzelner Komponenten und z. T. funktionsfähigen Einzelmaschinen (z.B. BHKW, Fütterung) eine ganzheit-lich zusammenwirkende Biogasanlage. Die überwiegende Anzahl der Funktio-nen dient dem Betrieb und hat keine sicherheitstechnische Relevanz. Überge-ordnet finden sich üblicherweise für die-jenigen Situationen, in denen die betrieb-lichen Funktionen den „Gutbereich“ der Funktion verlassen, zusätzliche PLT-Ein-

wendung als unzulässig ausgewiesen wurde und die oberirdische Installation (UV-Belastung, keine vollflächige Auf-lage) nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

Die Umsetzung von sicherheitstechni-schen Anforderungen findet in der Bran-che vielfach auf niedrigstem Niveau statt. Beispielhaft sei hier die Nachrüstung der Biogasanlagen mit einer zusätzlichen Gasverbrauchseinrichtung im Zuge der EEG-Novellierung ab 2014 genannt. Hier haben Hersteller Fackeln auf den Markt gebracht, die dem Stand der Technik nicht genügen (keine Flammenüber-wachung, keine automatische Zündung, unkontrollierte Flamme bei Wind). Die eindeutige Festlegung über das Merkblatt KAS-28 fand leider relativ spät statt.

Brandschutz Die Vorgaben zum Brandschutz resul-

tieren aus dem jeweiligen Landesbau-recht, ergänzend hierzu dienen die Anga-ben in den „Sicherheitsregeln für Biogas-anlagen“ als anlagentypische Festlegun-gen. Die Anforderungen aus den Geneh-migungsbescheiden weisen eine große Bandbreite und unterschiedliche Detail-lierung auf. Die Vorgaben reichen von der Einweisung der Feuerwehr über die Er-stellung einer Brandschutzordnung bis

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richtungen zur Absicherung der Anlage (z. B. Übervollmelder).

Eine systematische Gefahrenanalyse bzw. Risikobeurteilung, die die Kon-struktion und das Zusammenwirken der unterschiedlichen Funktionen der An-lage bewertet, liegt üblicherweise nicht vor bzw. wurde im Zuge der Ergänzung um weitere Komponenten (z. B. Fackel) nicht fortgeschrieben. Der Ablauf von kritischen Funktionen, die im „betrieb -lichen Alltag“ des Betreibers nicht statt-finden, bleibt häufig im Rahmen eines Prüftermins nicht nachvollziehbar. Tabelle 2 zeigt einige Beispiele, die ver-deutlichen, dass das Konzept durch ge-ringe Eingriffe in das ganzheitliche Zu-sammenwirken der Komponenten sinn-los wird.

Eine Einstufung in sicherheitsgerich-tete Funktionen, sei es nach VDI 2180, DIN EN 61511 oder DIN EN ISO 13849, auf der Basis der systematischen Gefah-renanalyse bzw. Risikobeurteilung liegen in der Regel nicht vor. Die Beispiele zei-gen, dass es sich hierbei vielfach um Wechselwirkungen der gasführenden Komponenten handelt und somit das Ge-fahrenpotenzial nicht zu vernachlässigen ist. Die Gefahrenbewertung im Zuge der Planung wurde nicht durchgeführt bzw. nicht nachvollziehbar dokumentiert und entsprechende und qualitativ ausrei-chende Funktionen wurden nicht imple-mentiert.

zu treffen, die auch im Betrieb umgesetzt werden.

Die Einhaltung von handwerklichen Standards entsprechend der allgemeinen anerkannten Regeln bei der Installation durch Hersteller und Installateure bleibt davon unberührt und sollte frühzeitig überprüft werden, um spätere Nachrüs-tungen sowie zusätzliche Kosten und Verzögerungen zu vermeiden.

Die konsequente Umsetzung dieser Pflichten auf Seiten der Hersteller sowie Betreiber und deren Überwachung bleibt bis auf Weiteres eine umfassende Auf-gabe, damit Biogasanlagen nicht im sicherheitstechnisches Niemandsland stehen. TS 411

Fazit Die dargestellten Mängel geben eine

ungefähre Vorstellung der Bandbreite hinsichtlich der konkreten technischen und organisatorischen Aspekte.

Die Hoffnung innerhalb der Branche auf Vorschriften, die exakte Vorgaben für den Betrieb liefern, wird unerfüllt blei-ben. Die Rechtsbereiche Betriebssicher-heits- und Gefahrstoffverordnung wer-den weiterhin über die Festlegung von Schutzzielen die Rahmenbedingungen für den sicheren Betrieb definieren. Dem Betreiber bleibt die Freiheit eigenverant-wortlich zu agieren und anlagenspezi-fisch Festlegungen zu treffen. Hieraus re-sultiert gleichzeitig die Pflicht, den Nach-weis über den Weg zum Erreichen der Schutzziele zu führen (u. a. Gefähr-dungsbeurteilung und Explosions-schutzdokument). Die frühzeitige Fest -legung der konkreten standortspezi-fischen Umsetzung sowie deren Nachver-folgung muss durch den Betreiber ini-tiiert werden.

Im Rahmen der Prüfungen ist immer wieder eine große Unsicherheit bei Be-treibern feststellbar, was dazu führt, dass eher wenig konkret festgelegt und doku-mentiert wird und somit die Eigenverant-wortung nur halbherzig bzw. sogar widersprüchlich genutzt wird. Um hier erfolgreich vorzugehen, kann nur appel-liert werden, die Sachverständigen ein-zubinden und gemeinsam Festlegungen

Tabelle 2 Beispiele, wie eine Umrüstung das sicherheitstechnische Konzept aushebelt.

Typische Beispiele von Funktion

Sollfunktion Istzustand: Anmerkung

Der Aufstellraum des BHKW soll im Falle eines Gasaustritts spannungslos geschaltet werden.

Das BHKW schaltet ab, allerdings bleiben die Gasanalyse und eine Heizungspumpe unter Spannung.

Die Gasanalyse und die Pumpe wurden nachgerüstet und nicht entsprechend der Bestandsinstallation eingebunden. Damit wird das Explosionsschutzkonzept des Maschinenraumes aufgehoben.

Ein außerhalb installierter Not-Halt für zwei BHKW in einem Raum dient zur Abschaltung im Falle einer „gefährlichen“ Situation.

Der Not-Halt wirkt nur auf eine der beiden Maschinen.

Von außen kann im Falle einer „gefährlichen“ Situation nicht erkannt werden, welche der beiden Maschinen ursächlich abzuschalten ist, also muss der Not-Halt auf beide wirken.

Die Fackel soll überschüssiges Biogas verbrennen bzw. dafür sorgen, dass kein Biogas entweicht.

Vor dem Start der Fackel spricht die Überdrucksicherung an, die Fackel startet nicht.

Die Bemessung der Signale Gasdruck und Gasfüllstand korrelieren nicht zwingend miteinander und die Schaltschwellen sind nicht angepasst.

Der Unterdruckwächter schaltet die Gasverbrauchseinrichtungen vor dem Ansprechen der mechanischen Unterdrucksicherung ab.

Die Einstellung des Unterdruckwächters weist Schaltwerte unterhalb des Ansprech-druckes der Unterdrucksicherung auf.

Der Unterdruckwächter greift nie ein, da die Unterdrucksicherung den Unterdruck durch den Eintritt von Luft bricht und der Schaltwert nicht erreicht wird.

Autoren

Dipl.-Chemieingenieur (FH) Max Westphalen,

Dipl.-Ing. (FH) Andreas Eiklenborg, horst weyer

und partner gmbh, Büro Nord.