bodo dezember 2012
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Die Dezember-Ausgabe des Straßenmagazins.TRANSCRIPT
1
12 | Weihnachten draußen | Hilfe für Menschen auf der Straße
32 | In der Handwerksbäckerei | Keine kleinen Brötchen backen
16 | Museum für Naturkunde | Ein Mammut auf dem Wunschzettel
23 | 25 Verlosungen | z.B. FlicFlac – »Highlig Abend!« im Zelt an der Westfalenhalle
1.80 EuroDezember 2012 | 90 Cent für den Verkäufer bodo
Das Straßenmagazin
SIEBEN SEITEN LITERATUR EXTRA
PAULO COELHO IM INTERVIEW UND SEINE EXKLUSIVE WEIHNACHTSGESCHICHTEFÜR BODO
2
EDITORIAL
BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS
Herausgeber | Verleger | Redaktion
bodo e.V.
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Autoren dieser Ausgabe:
René Boyke (rb), Paulo Coelho, Sandro Giuri
(sg), Wolfgang Kienast (wk), Maike, Jens May-
er (jm), Bastian Pütter (bp), Benedikt von
Randow (bvr), Rosi, Dr. Birgit Rumpel (biru),
Nina Schulz, Sebastian Sellhorst (sese)
Fotos: Bianka Boyke (12), Christian Eggers,
AP, dapd (31), Jan Kath Archiv (3, 6), Murat
Kayi Archiv (30), Lars Langemeier (5), Andre
Noll (3, 4, 5, 6, 32), Daniel Sadrowski (3, 32,
33, 46), Oliver Schaper (10, 11), Michael Sch-
wettman (14), Sebastian Sellhorst (3, 8, 9, 13,
43, 47), Claudia Siekarski (2, 7, 16, 17, 18,
19), Martin Steffen (4), Mena Urbitsch (7, 30),
Philip Volsem (36, 37)
Titelbild: Paul Mcleod
Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann
Druck: Gebr. Lensing GmbH & Co. KG.
Auflage | Erscheinungsweise:
20.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung)
Redaktions- und Anzeigenschluss:
für die Januar-Ausgabe 08.12.2012
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Vertriebe:
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Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
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IMPRESSUM
02
Liebe Leserinnen und Leser,
wie viel ist passiert in diesem Jahr bei bodo! Nun
haben wir wieder eine Dezemberausgabe fertig-
gestellt und reiben uns die Augen: Vor einem Jahr
saßen wir dicht gedrängt in unseren ganz und gar
unzureichenden Räumen am Dortmunder Hafen,
hatten so viele Pläne und konnten es kaum erwar-
ten, die nächsten großen Schritte zu wagen.
Ihre Unterstützung im letzten Dezember ermöglichte
es, unseren Wunsch nach einem „Dach, unter dem
Platz für alle ist“ zu verwirklichen. Beinahe so etwas
wie ein Neuanfang. Nicht nur eine wachsende Zahl
Mitarbeiter und Auszubildender hat nun Platz, son-
dern wir können auch unseren Zeitungsverkäufern
wie in Bochum endlich ausreichend Platz bieten, für
das Aufwärmen und Ausruhen bei unseren Verkäufer-
cafés, für Beratung und Gespräche.
Stolz können wir sagen: Ihre Unterstützung hat
sich ausgezahlt – vielen Dank an alle Unterstützer!
Auch in diesem Dezember nehmen wir uns heraus,
etwas mehr über uns zu erzählen als sonst. Es geht
dabei um „Gute Geschichten“, so heißt unsere Spen-
denaktion in diesem Jahr. Einerseits führt uns die
steigende Nachfrage nach Hilfe und Beratung immer
wieder an unsere Grenzen, andererseits sehen wir,
was möglich ist, wenn Menschen in tiefen Krisen bei
uns neues Zutrauen in die eigenen Kräfte gewinnen.
Mit Ihrer Unterstützung schreiben Sie mit an diesen
guten Geschichten.
Auch für 2013 haben wir uns viel vorgenommen.
Inzwischen bieten wir in Bochum soziale Stadtfüh-
rungen durch Verkäufer des Straßenmagazins an
und unser Helferteam-Projekt wird gut organisiert
das Ehrenamt viel stärker als bisher in unserer
Arbeit verankern.
An neuen Konzepten für weitere Projekte wird
weiter gefeilt. Im Februar feiern wir aber erst
einmal unsere „Volljährigkeit“: Das Straßenmagazin
wird 18 – wir werden, na ja, „erwachsen“. Es wird
eine kleine Geburtstagsparty in Dortmund geben,
zusätzlich wird das ganze Jahr über unser Buchla-
den Veranstaltungsort für Lesungen, Konzerte und
Diskussionsveranstaltungen sein. Und nicht erst
dann: Unsere Veranstaltungen im Dezember finden
Sie auf Seite 7.
Für Ihre große Unterstützung möchten wir etwas zu-
rückgeben und haben diese Ausgabe deutlich erwei-
tert: Der brasilianische Bestsellerautor Paulo Coelho
ist seit diesem Jahr Botschafter des internationalen
Netzwerks der sozialen Straßenzeitungen. Uns hat er
ein Interview gegeben und exklusiv eine Weihnachts-
geschichte geschenkt. Eine kleine zusätzliche Lektüre
für die Feiertage und ein großherziges Geschenk eines
der meistgelesenen Autoren der Welt.
Um dieses „Literatur Extra“ herum haben wir
ein Heft gemacht mit Geschichten von hier mit
Menschen von hier: Ein Bochumer Teppich-Revo-
lutionär, eine Frau, die sich ein Mammut wünscht,
ein Dortmunder in Mölln, Bäcker, die keine kleinen
Brötchen backen wollen, Pfarrer, die feinen Pop vor
den Altar holen, ein Römer, der „minimal“ kocht,
Wohnungslose, die sich auf einen Gänsebraten
freuen und viele mehr.
Wir wünschen Ihnen gute Unterhaltung. Schreiben
Sie uns, was Sie gerne einmal bei uns lesen würden –
und empfehlen Sie uns weiter.
Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr!
Bastian Pütter, Redaktionsleitung
3
INHALT 03
02 Editorial | Impressum
04 Menschen Jan Kath von Jens Mayer
Jan Kath aus Bochum zeigt, dass Teppiche weder bieder noch langweilig
sind, sondern echte Design-Highlights sein können. Mit seinem Team hat
er für eine „Teppich-Revolution“ gesorgt, gehört seit einem Jahrzehnt zur
internationalen Speerspitze der Szene. Seine von der Industriekultur inspi-
rierten Kunstwerke sind begehrt – auch am Fürstenhof Monacos.
07 bodo Veranstaltungen | Neues von bodo | Maikes Verkäufertagebuch
10 Neues von bodo Gute Geschichten von Bastian Pütter Menschen auf den Weg zu bringen, ihnen die Gelegenheit zu geben, neues
Zutrauen in die eigenen Kräfte zu gewinnen – das ist unsere Arbeit, und
sie schreibt „gute Geschichten“.
12 Straßenleben Weihnachten auf der Straße von Bastian Pütter
In der Weihnachtszeit rücken die Menschen auf der Straße kurz in die
Scheinwerfer der medialen Aufmerksamkeit. Doch Obdachlosigkeit ist das
ganze Jahr über eine schwere Last und ein Skandal zugleich. Aber es gibt
Hilfen, die den Weg, der in der Obdachlosigkeit endet, nicht zu einer Ein-
bahnstraße werden lassen.
14 Recht Eltern haften für ihre Kinder … nicht? von René Boyke
Eltern haften nicht zwangsläufig für das Verhalten ihrer Kinder im Internet.
Was sich an der Gesetzeslage ändert, erklärt Rechtsanwalt Rene Boyke.
14 Kultur Urban Urtyp von Wolfgang Kienast
Kirchenkonzerte ganz anders. Wir haben Pfarrer Thomas Wessel in der
Bochumer Christuskirche besucht und uns die Veranstaltungsreihe „Urban
Urtyp“ erklären lassen.
15 Wilde Kräuter Schafgarbe.2 von Wolfgang Kienast
Wer keine Lust auf Ikea-Glögg hat, bekommt diesen Monat ein Rezept für
Schafgarben-Punch.
16 Reportage Ein Mammut auf dem Wunschzettel von Wolfgang Kienast Vor 100 Jahren wurde das Dortmunder Museum für Naturkunde gegründet.
Wir sprachen mit der jetzigen Direktorin, Frau Dr. Dr. Elke Möllmann über
die Zukunft einer Institution mit Geschichte.
20 Kommentar Halten wir es aus! von Bastian Pütter
Eine Großstadt ist kein Hochglanzprospekt. Ein Plädoyer für einen ent-
spannteren Umgang mit Berichterstattung über ihre Schattenseiten
20 News | Skotts Seitenhieb
22 Netzwelt wheelmap.org von Sebastian Sellhorst
Welche Hürden muss ich überwinden, wenn ich einen Kaffee trinken oder
ein Buch kaufen will? Die Webseite wheelmap.org hat das Ziel, den Alltag
von Menschen mit Behinderung ein wenig einfacher zu gestalten.
22 Kinotipp Tabu im endstation.kino
23 Veranstaltungskalender | Verlosungen | CD-Tipps von Benedikt von Randow
30 Interview 20 Jahre Mölln von Bastian Pütter und Nina Schulz
Ibrahim Arslan überlebte als Kind den rassistischen Mordanschlag auf sei-
ne Familie, bei dem drei Familienmitglieder starben. Im Internet las er die
Texte des Kabarettisten und Musikers Murat Kayi und wünschte sich den
Dortmunder als Gast beim Gedenkkonzert zum 20. Jahrestag des Anschlags.
bodo sprach mit beiden.
32 Reportage In der Handwerksbäckerei von Sandro Giuri
Als Helmut Klemme, Präsident des Verbandes der Deutschen Großbäckerei-
en verkündete, bis 2020 werde ein Drittel der Bäckereien in Deutschland
den Betrieb einstellen, war die Aufregung groß. 8.000 Klein- und Kleinst-
betrieben drohe das Aus, die Zahl der Auszubildenden sei seit Jahren
rückläufig, die Konkurrenz durch Selbstbedienungsbäckereien werde immer
härter. Ein Besuch beim Handwerk.
34 Neues von Rosi | von bodo-Verkäuferin Rosi
35 Sieben Seiten Literatur extra: Paulo CoelhoDer brasilianische Bestsellerautor im Interview und dazu exklusiv: „Die
Dinge sind nicht immer, wie sie scheinen“ – eine Weihnachtsgeschichte
von Paulo Coelho.
42 Literatur LeseempfehlungenZwei Neuerscheinungen, empfohlen von der bodo-Redaktion, und Lieblings-
bücher aus unserem Buchladen, vorgestellt von Mitarbeitern aus unseren
Arbeitsbereichen.
44 Rätsel | von Volker Dornemann
46 bodo geht aus 8 1/2 von Wolfgang Kienast
Salvatore Ciraldo hat sein Handwerk in Rom gelernt. „Wie dort gekocht wird,
entspricht genau meinen Vorstellungen. Ich nenne es ,minimal‘. Hochwerti-
ge Produkte aber keine Fonds und keine Geschmacksverstärker. Weniger ist
mehr, wenn man Geschmack auf Wesentliches konzentrieren möchte.”
47 Leserseite | Cartoon
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12 | Weihnachten draußen | Hilfe für Menschen auf der Straße
32 | In der Handwerksbäckerei | Keine kleinen Brötchen backen
16 | Museum für Naturkunde | Ein Mammut auf dem Wunschzettel
23 | 25 Verlosungen | z.B. FlicFlac – »Highlig Abend!« im Zelt an der Westfalenhalle
1.80 EuroDezember 2012 | 90 Cent für den Verkäufer bodo
Das Straßenmagazin
SIEBEN SEITEN LITERATUR EXTRA
PAULO COELHO IM INTERVIEW UND SEINE EXKLUSIVE WEIHNACHTSGESCHICHTEFÜR BODO
Unser Titelbild der Dezember-Ausgabe:
Paulo Coelho (S. 35)
Foto: Paul Macleod
32160435 10
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Teppiche à la KathJan Kath
MENSCHEN | von Jens Mayer | Fotos: Martin Steffen · Lars Langemeier · Jan Kath Fotoarchiv04
Jan Kath aus Bochum zeigt, dass Teppiche we-der bieder noch langweilig sind, sondern ech-te Design-Highlights sein können. Mit seinem Team hat er für eine „Teppich-Revolution“ ge-sorgt, gehört seit einem Jahrzehnt zur inter-nationalen Speerspitze der Szene. Seine von der Industriekultur inspirierten Kunstwerke sind begehrt – auch am Fürstenhof Monacos.
Es passiert immer öfter, dass sich Neugierige zu
dieser etwas abgelegenen Straße in Bochum-Eh-
renfeld aufmachen. Dann stehen sie vor der Tür
und bitten um Einlass. Manche wollen einfach
nur mal vorbeischauen, andere kommen mit ei-
ner festen Kaufabsicht. Jan Kath und sein Team
weisen niemanden ab. Dabei handelt es sich
beim Hauptsitz des Unternehmens eigentlich
gar nicht um einen offiziellen Verkaufsraum. Die
Händler, die Kaths Ware im Sortiment führen, se-
hen das auch nicht besonders gerne.
Die riesige Halle in der alten Fabrik ist ein
sogenannter „Showroom“, den vor allem Ge-
schäftskunden und Vertriebspartner aus aller
Welt aufsuchen. An den Wänden hängen Kaths
Teppich-Kreationen wie Gemälde in einer Ga-
lerie, auf dem Boden davor stapeln sich viele
mehr. Dies ist auch der Ort, an dem der „Tep-
pichrevoluzzer“ mit seinen Designern die neu-
esten Kollektionen entwirft, die bald schon auf
den Messen in aller Welt vorgestellt werden,
beispielsweise gerade auf der India Carpet Expo
in Varanasi. Freunde haben Kath Bilder von den
anderen Ausstellern dort zugeschickt, die sich
am Kath-Stil „orientieren“, meint der Unterneh-
mer. „Um nicht zu sagen, dass eine Menge Eins-
zu-Eins-Kopien dabei sind“, lacht er. Jan Kath
weiß, dass diese Plagiate den Stellenwert seiner
Designs auf dem Weltmarkt unterstreichen.
Man könnte vermuten, dass Kaths beruflicher
Werdegang von Anfang an vorgezeichnet war.
Großvater und Vater leiteten eines der führen-
den Bochumer Teppichhäuser am Platz. „Wir
hatten immer viele Gäste aus dem Ausland. Am
Frühstückstisch saßen Leute aus Afghanistan
oder aus Kenia“, erinnert sich der 40jährige heu-
te. „Ich habe das alles so latent mitbekommen,
viel Know-how erfahren, ohne dass ich das wirk-
5
05
lich wollte. Zwar habe ich dann sogar meine Aus-
bildung im Familienbetrieb gemacht, aber meine
Zukunft habe ich da nicht gesehen.“
Nach dem Zivildienst zieht es Jan stattdessen in
die große weite Welt. Er reist drei Jahre durch
Asien, besucht Goa, lebt das Leben, lernt neue
Menschen und Kulturen kennen. Bis er in der
Hauptstadt Nepals einen Job als Qualitätskon-
trolleur annimmt. Ausgerechnet in einer Tep-
pichmanufaktur. „Am Anfang war es tatsächlich
mehr Mittel zum Zweck, um dort zu bleiben“,
gibt er zu. „Ich fand das Land und die Kultur
cool, da waren viele Hippies unterwegs, und
ich habe halt in dieser Stadt gewohnt, das war
schon richtig cool. Aus damaliger Sicht war das
zunächst einmal die Hauptantriebsfeder, wobei
ich heute glaube, dass da immer etwas in mir
geschlummert hat, das zurück wollte.“
Zurück ins Geschäft mit den Teppichen. Auch,
wenn das hier nun ganz anders läuft als im el-
terlichen Einzelhandelsgeschäft. Plötzlich ist er
im weltweiten Großhandel tätig, übernimmt die
Manufaktur in Kathmandu nach einiger Zeit so-
gar: „Naiv wie ich war, hatte ich plötzlich einen
Betrieb mit 26 Leuten zu verantworten.“ Zu die-
sem Zeitpunkt ist Jan Kath 23 Jahre alt.
Siebzehn Jahre später ist er ein „Big Player“
im internationalen Teppich-Business. US-
Rockstars und Hollywood-Schauspieler statten
ihre Domizile begeistert mit seiner „contem-
porary rug art“ (dt. zeitgenössische Teppich-
kunst) aus. Ein bekanntes französisches Mo-
delabel beauftragt regelmäßig eine exklusive
Designlinie für seine luxuriösen Boutiquen. Als
Fürst Albert von Monaco 2011 Charlene Witt-
stock heiratet, schreiten die Adeligen ebenfalls
über einen roten Teppich von Jan Kath, der tra-
ditionelle Handwerkstechnik mit innovativen
Design-Ideen verbindet.
Neben der ersten Manufaktur in Nepal produziert
er mittlerweile in Indien und Marokko. Dabei
legt Kath Wert auf faire Arbeitsbedingungen,
verpflichtet sich durch die Zusammenarbeit mit
der Organisation STEP zur Einhaltung sozialer
und ökologischer Standards. Dass sich alleine
schon die hohen Qualitätskriterien und der Ar-
beitsaufwand – an ein einem Teppich knüpfen
durchschnittlich fünf Menschen drei bis vier Mo-
nate – auf die Verkaufspreise auswirken, erklärt
sich von selbst. Doch obwohl die Quadratmeter-
preise für die aufwändig hergestellten Einzelstü-
cke im vierstelligen Bereich liegen, ist der Erfolg
des Unternehmens in den vergangenen zehn Jah-
ren stetig gestiegen.
Kath kann von sich behaupten, „international
stilprägend“ für die Industrie zu sein. Er kann
es sich leisten, mit unkonventionellen Kollekti-
onen zu schockieren. Dass er hierfür selbst die
Ideen liefert, war anfangs keine rein künstleri-
sche Entscheidung: „Es stellte sich aber heraus,
dass ich gar kein Geld hatte, um Designer zu be-
zahlen.“
Also übernahm Kath den Job selbst und bat ei-
nen alten Kumpel, ihm bei der Umsetzung zu
helfen: „Ich habe ihn damals angehauen, weil
ich wusste, dass er Photoshop kann.“ Heute ist
Dino Feldmann der dienstälteste Mitarbeiter im
Team, das von Jahr zu Jahr wächst, wie man an-
hand der jährlichen Weihnachtskarte gut nach-
vollziehen kann, auf dem das Unternehmen alle
Angestellten abbildet.
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„Der erste große Durchbruch kam mit einer
Kollektion, die für sich betrachtet gar nicht
sonderlich spektakulär ist“, erklärt Kath. „Ich
würde sie als klassische deutsche Architekten-
Kollektion beschreiben, da ging es um Qualität,
Strukturen und Haptiken. Allerdings haben wir
uns damals schon einen sehr teuren Fotografen
geleistet und sind in die Waschkaue der Zeche
Zollverein gegangen. Bevor die Zeche Zollverein
in aller Munde war und die ganzen Ausstellungen
dort stattgefunden haben. Wir haben diese Ku-
lisse benutzt, um diese sehr schlichten Teppiche
mit sehr hoher Qualität in Kontrast zu der Szene-
rie zu setzen. Das hat gezündet.“
Die Industriekultur der Region nennt Kath dann
einen der wichtigsten Einflüsse für seine Design-
ideen: „Nicht nur die Szenerie, sondern die The-
matiken Zerfall und Morbidität. Eine Frage wie
‚Was passiert, wenn sich die Natur Areale zu-
rückerobert’ findet man heute in vielen unserer
Kollektionen wieder.“ Ob auf der Domotex, der
weltgrößten Teppichmesse in Hannover oder der
belgischen Designmesse Kortrijk – Teppiche von
Kath sorgen für Aufmerksamkeit. Die unorthodo-
xen und verspielten Herangehensweisen kommen
06
an, die radikaleren Schritte bei Designs und Qua-
lität befeuern den Ruf nur weiter.
Die Frage, warum Kath mit seinem Team immer
noch zurückgezogen im wenig glamourösen Bo-
chum ansässig ist, bekommt er immer wieder ge-
stellt. „Natürlich hatte ich die Angebote, nach
Berlin oder ganz nach New York zu gehen, wo wir
auch einen Showroom haben“, gibt er zu. „Aber ich
bin in Bochum geboren und fühle mich hier wohl.“
So führt er – wenn auch über einige Umwege
– dann doch die familiäre Tradition fort. Seine
Eltern sind heute als Teil der Geschäftsführung
ebenfalls wieder mit dabei. Was den Standort
angeht, sieht Jan Kath die beschauliche Ruhr-
gebietsstadt als vorteilhaft für die Arbeit: „Wir
sind hier schon ziemlich abgekapselt“, meint
er. „Ich glaube, dass wir hier weniger Ablen-
kung haben und uns viel mehr auf ’s Wesentliche
konzentrieren können. Außerdem ist der Flug-
hafen Düsseldorf nicht weit, und von da geht
es in die Welt. Ich fühle mich hier sehr zentral
gelegen.“ (jm)
INFO www.jan-kath.de
Ω Jan Kaths „Headquarter“ mit Ausstellung und
Firmensitz in Bochum-Ehrenfeld. Weitere Show-
rooms sind in Berlin, Stuttgart und New York.
≈ Wie Gemälde in einer Galerie hängen dort die
Teppich-Kreationen an den Wänden.
7
bodo-Weihnachtsmärkte | 04./05., 16. und 19./20.12.2012
Wir freuen uns, in dieser Weihnachtszeit ein-
mal „raus“ zu kommen. Zurzeit haben wir nur
einen einzigen (aber wirklich schönen) Laden
in Dortmund – das „bo“ in bodo kommt dabei
oft zu kurz. Umso mehr freuen wir uns, auf den
Weihnachtsmärkten in Bochum, Wanne und Her-
ne vertreten zu sein.
Auf den Märkten bieten wir Bücher, unsere neuen Umhängetaschen und Kunsthand-
werk von Schmuck bis Weihnachtsdekoration an. Unsere Stände werden auch Ausga-
bestellen des Straßenmagazins sein, Verkäuferinnen und Verkäufer unterstützen uns
und können sich bei uns mit heißen Getränken versorgen. Natürlich haben wir auch
Infomaterial dabei, freuen uns, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen und berichten
gern von unserer Arbeit.
Am 4. und 5. Dezember starten wir auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt, am 16. De-
zember sind wir auf dem Wanner Mondweihnachtsmarkt am Stadtteilzentrum Zeche
Pluto und am 19. und 20. Dezember haben Sie die Gelegenheit, späte Geschenke an
unserem Stand in Herne zu kaufen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Lesung: Durch den wilden Osten | 07.12.2012
18.000 Kilometer am Stück, in einem 20 Jahre
alten Ford Fiesta. Kai Schäder und Matthias Rau
fuhren von Dortmund nach Ulaanbataar. Sie ge-
hörten zu den Teams aus ganz Europa, die jedes
Jahr aufbrechen zur „Mongol-Rallye“, der Him-
melfahrtstour für den guten Zweck.
Mitfahren darf jeder, die einzigen Bedingungen:
Das Auto muss mindestens zehn Jahre alt sein, und es müssen mindestens 1.000 Pfund
(rund 1.200 Euro) an Spenden für soziale Projekte in der Mongolei gesammelt werden.
Die beiden kamen durch mit nur einer wirklichen Panne und zurück mit so vielen Ge-
schichten, dass Kai Schäder einfach aufschrieb, was die beiden in Turkmenistan, auf
der alten Seidenstraße, im Iran oder schließlich in der Mongolei erlebten.
„Durch den wilden Osten – Mit dem Fiesta Richtung Mongolei“ heißt sein Buch, aus
dem er am 7. Dezember in unserer Buchhandlung am Schwanenwall liest. Beginn ist
um 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei. Wir sorgen für kalte und heiße Getränke, aber auch
Kai Schäder hat angekündigt, etwas Weitgereistes zum Probieren mitzubringen...
bodo verlost zwei Exemplare des Buches. (siehe Seite 23)
Migrantenpop Kinderwerkstatt | 08./09. und 15./16.12.2012
Der Dortmunder Musiker und Kabarettist Murat Kayi
(siehe Interview S. 30) und die Bühnenkünstlerin
Fräulein Nina, Langzeit-bodo-Autorin, ehemaliges
Vorstandsmitglied und uns trotz Erstwohnsitz in
Hamburg weiterhin eng verbunden, stehen immer
wieder gemeinsam auf der Bühne – z.B. mit ihrem
gemeinsamen Programm Migrantenpop.
Präsentiert vom Kulturrucksack NRW und vom Dortmunder Kulturbüro, veranstalten
die beiden nun eine Migrantenpop-Kinder- und Jugendwerkstatt jeweils am zweiten
und am dritten Adventswochenende – in Kooperation mit bodo.
Am 8. und 9. Dezember und am 15. und 16. Dezember jeweils von 12 bis 17 Uhr können
Kinder von 10 bis 12 Jahren bei uns lernen, wie man eine Zeitung macht, im Kultur-
zentrum Langer August, wie man Theater spielt und beatboxt und eine Menge mehr.
Wer mitmachen kann? „Diese Werkstatt ist für alle Kinder da“, sagen Nina und Murat,
„für große, kleine, Jungs und Mädchen, dicke, dünne, dunkle, helle.“ Die Veranstal-
tungen sind kostenlos.
Informationen und Anmeldung – für Eltern und Kinder – gibt es bei Murat Kayi:
0231 – 86 436 722 | www.migrantenpop.de
Diskussion: Zuwanderung | 10.12.2012
Am 10. Dezember veranstaltet der Euromayday
Ruhr in unserem Buchladen am Dortmunder
Schwanenwall 36 – 38 eine Diskussionsveran-
staltung mit dem Titel: „In der Hoffnung auf
ein besseres Leben. Südosteuropäische Ar-
beitsmigration im Konflikt mit Bürokratie und
Stammtisch.“
Der Euromayday Ruhr setzt sich seit 2010 mit prekären Lebens- und Arbeitsbedin-
gungen im Ruhrgebiet auseinander. Die VeranstalterInnen fragen: „Mit dem EU-Bei-
tritt von Rumänien und Bulgarien immigrieren Menschen aus diesen Ländern nach
Deutschland – auch nach Dortmund. Doch wer sind eigentlich diese Menschen, die
sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf die Reise machen? Was sind ihre
Wünsche, ihre Träume, die Widerstände und Wirklichkeiten, auf die sie stoßen?“
Es wird eine Gesprächsrunde mit uns und der Beratungsorganisation für Sexarbeiter-
Innen Madonna e.V. aus Bochum geben und eine anschließende offene Diskussion.
Beginn ist 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei, heiße und kalte Getränke gibt es wie immer
gegen Spende. www.euromayday.noblogs.org
bodo beim Honigdieb | 26.12.2012
Auch in diesem Jahr lädt Sir Hannes Smith, Punk
der ersten Stunde, Dortmunder Original, Platten-
händler und wandlungsfähiger Bühnenkünstler
Verkäuferinnen und Verkäufer des Straßenmaga-
zins zu seinem Weihnachtskonzert ins Dortmunder
FZW ein: Hier präsentiert er die vierte Platte sei-
ner Chanson-Punk-Folkrock-Band Honigdieb.
Im Mai haben wir Hannes, den wir schon lange, lange kennen, in bodo porträtiert
und von seinen bisher drei Leben geschrieben, zu denen auch eins gehörte, in dem er
selbst auf der Straße lebte. Er sprach vom Zusammengehörigkeitsgefühl der frühen
Punk- und Skinszene, von der Hilfsbereitschaft, die er von Obdachlosen erfahren hat
und von den Ausgestoßenen, die er im Umfeld seiner Band „Phantoms of Future“
versammelte: „Jeder Mensch braucht das Gefühl, gebraucht zu werden.“
Dass er auch dieses Jahr ganz von sich aus an uns denkt, freut uns sehr.
Als Hannes- und Honigdieb-Fans empfehlen wir natürlich auch allen LeserInnen die-
sen eher lauten Ausklang der Weihnachtstage: 26.12.2012, FZW Dortmund, Einlass 19
Uhr, Beginn 20 Uhr. Karten bei Idiots Records und allen Vorverkaufsstellen.
Projekt Soziale Stadtführung | 19.01.2013
Wie verbringen eigentlich Menschen auf der
Straße ihren Tag? Wo halten sie sich auf, welche
Angebote und Hilfen gibt es? Wie sieht die Stadt
aus der Sicht der „Menschen am Rand“ aus?
Bei unserer sozialen Stadtführung zeigen Ver-
käufer des Straßenmagazins „ihr“ Bochum. An
jedem 3. Samstag im Monat ist um 11 Uhr Treff-
punkt an unserer Bochumer Anlaufstelle in der Stühmeyerstraße 33. Erster Termin
ist der 19. Januar.
Bei einem zweistündigen Rundgang gibt es neue An- und Einsichten zu gewinnen. Ent-
lang des Tagesablaufs eines Menschen ohne Wohnung besuchen die Stadtführer Orte und
Einrichtungen, beschreiben eigene Erfahrungen und liefern Informationen zu den Hilfe-
und Selbsthilfenetzen in der Stadt. Übernachtungsstellen, Suppenküchen, Tageseinrich-
tungen liegen auf dem Weg. Zum Abschluss gibt es ein Getränk bei bodo.
„Teilnahmegebühr“ ist der Kauf eines Straßenmagazins bei unserem Stadtführer.
Über eine kleine Spende an den Verein freuen wir uns. Stadtführungen können darü-
ber hinaus von Gruppen gebucht werden. Rufen Sie uns an!
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Mo. – Fr.: 9 Uhr – 18.30 Uhr
Sa.: 9 Uhr – 14 Uhr
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Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr
Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum
Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr
Di. u. Do. 10 – 13 Uhr
Endlich haben wir eine aktuelle Kurzdarstellung unserer Arbeit, schließlich hat sich viel geändert bei bodo in diesem Jahr – nicht nur die Adres-se des Vereinssitzes. In einem neuen handlichen Faltflyer erklären wir knapp, wer wir sind, was wir tun und was wir wollen und wünschen.
Unter den Überschriften „Das Straßenmagazin“,
„Bücher schaffen Stellen“ und „Arbeit und Beschäf-
tigung“ stellen wir unsere Arbeitsbereiche vor, mit
einer angehängten Postkarte kann man schnell auf
traditionelle Art mit uns in Kontakt treten.
Natürlich sind wir auch gerne persönlich in unserer
Geschäftsstelle, per Telefon und per Mail zu errei-
chen. Viele zusätzliche Inhalte finden Sie auf un-
serer Internetseite www.bodoev.de, noch aktueller
informieren wir bei Facebook.
Anfang des Jahres kommt die „Langfassung“, unser
Jahresbericht in Broschürenform. Ausführlich stel-
len wir dort unsere Arbeitsbereiche vor und fassen
zusammen, was sich im für uns turbulenten Jahr
2012 verändert hat.
Wenn Sie die Möglichkeit haben, unser Infomaterial
in Ihrer Einrichtung auszulegen – wir würden uns
freuen!
bodo ist faltbar Projekt Ehrenamt
Mithelfen, begleiten, beraten – bodo freut sich auf Ihre Mitarbeit! Dank vieler neuer Verkäufer-innen und Verkäufer des Straßenmagazins und neuer MitarbeiterInnen in unseren weiteren Ar-beitsbereichen haben sich unsere Aufgaben ver-vielfacht, und wir könnten gut Ihre Mithilfe ge-brauchen.
Was wir bieten: Ein junges, buntes und engagier-
tes Team, das (fast) jeden Tag gern zur Arbeit geht.
Kurze Wege, offene Türen und eine freundliche At-
mosphäre. Schöne Räume in der Dortmunder und in
der Bochumer Innenstadt. Eine Vielzahl spannender
und vielseitiger Aufgaben je nach Interessen und
Möglichkeiten. Und eine so nette wie professionel-
le Betreuung durch unsere erfahrenen Ehrenamts-
Koordinatoren.
Was wir suchen: Menschen, die uns unterstützen
möchten bei unserer Arbeit für Menschen in schwie-
rigen sozialen Lagen. Zum Beispiel bei der Betreuung
unserer Verkäufercafés, bei Infoständen und Veran-
staltungen wie unseren Stadtführungen, bei Beratun-
gen, Bewerbungshilfen, Ämterbegleitungen u.v.m.
Rufen Sie uns an, schreiben Sie uns oder kommen Sie
unverbindlich vorbei.
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In den letzten Jahren haben wir immer wieder experimentiert: Welche Lösung ist für unsere VerkäuferInnen und welche für unsere Mitarbei-terInnen in den anderen Arbeitsbereichen am schönsten?
Diesmal haben wir uns für ein gemeinsames Weih-
nachtsessen in unseren Räumen am Schwanenwall
entschieden – und voll wird es! Es werden nicht alle
kommen, aber eine vollständige Zählung ergibt über
130 Mitarbeiter... Wir sind ein bisschen aufgeregt.
Am 14. Dezember werden wir unseren Buchladen
leerräumen und alle „bodos“ an lange Tische setzen
und bekochen. (Wenn Sie uns unterstützen möchten:
Über Getränkespenden – Saft, Wasser, etc. – freuen
wir uns. Und vielleicht kennen Sie einen Lebensmit-
telhändler, der uns mit einem Einkaufsgutschein ge-
gen Spendenbescheinigung unterstützen möchte.)
Damit sich unsere Ur-Bochumer Verkäufer, die die
Anreise nach Dortmund scheuen, nicht zurückge-
setzt fühlen, gibt es zusätzlich am 13. Dezember in
Bochum einen Verkäuferbrunch in unserer Anlauf-
stelle. Sie haben es sich verdient. Und eine Über-
raschung für jeden einzelnen Verkäufer haben wir
schon...
Weihnachtsfeiern Weihnachtsverkauf
Zeit für Geschenke: In unserem Dortmunder Buchladen und an unseren Weihnachtsmarkt-ständen gibt es zur Weihnachtszeit eine Vielzahl schöner Geschenkideen.
Neuwertige oder gar ungelesene Koch-, Kinder- und
Sachbücher, Ausgefallenes, Lesestoff und spannen-
de Krimi-Kost für die Feiertage, thematisch Passen-
des zum Fest. Das tiefschwarze Krimi-Sortiment des
Dortmunder grafit-Verlages bieten wir neu zum La-
denpreis an.
Außerdem finden Sie bei uns selbst hergestell-
te Weihnachtsdekoration: Weihnachtsmänner und
Sterne aus Holz in allen Größen – von filigran bis
Schwergewicht. Unser Buchteam bietet darüber hin-
aus hochwertiges Bastel- und Geschenkpapier in
verschiedenen Sortierungen an.
Geöffnet haben wir montags bis freitags von 10 bis
18 Uhr, von Heiligabend bis Neujahr bleibt der Buch-
laden geschlossen, Büro und Zeitungsvertrieb sind
auch „zwischen den Jahren“ besetzt. Die Januaraus-
gabe des Straßenmagazins erscheint am 31.12.
Auch in der Weihnachtszeit freuen wir uns über Ihre
Buchspenden, die wir gerne während der Öffnungs-
zeiten in Dortmund und Bochum entgegennehmen.
09
Maikes Rückblick auf den Oktober
30. September Gestern wollte ich Futter
für Minka (mein Katzenmädchen) vom
Einkauf mitbringen. Und was passiert?
Ich vergesse es. Heute war verkaufsof-
fener Sonntag im Indupark. So konnte
ich dort im Supermarkt noch Futter be-
sorgen. Ich war nicht alleine dort. Mein
Bekannter war auch dabei. Wenn im Real
im Indupark nicht kräftig umgebaut wür-
de, dann wäre ich wohl länger geblieben.
5. Oktober Heute muss ich beim Arzt
den vierteljährlichen Check machen las-
sen, ob die Werte noch stimmen. Passt
mir gar nicht.
15. Oktober Heute war ein blöder Tag.
Vormittags war Heizkostenablesung.
Deswegen bin ich zu Hause geblieben.
Ab Mittag wollte ich zum Zeitungsver-
kauf. Und was war? Kopfschmerzen bzw.
Migräne mit Begleiterscheinungen. Ich
dachte am Abend, mein Kopf zerspringt.
19. Oktober Heute geht es mir schon
bedeutend besser, und ich war zum Zei-
tungsverkauf raus.
24. Oktober Ich darf es nicht vergessen:
Ein ganz lieber Mensch hat heute Geburts-
tag. An dieser Stelle meine herzlichsten
Glückwünsche zum 53. Geburtstag.
31. Oktober Dieser Vormittag ist schon
verplant. Erstens Verkäuferversammlung.
Da ist man immer unter Kollegen. Zwei-
tens Einkaufen. Dann nach Hause.
1. November Da heute Feiertag ist,
werde ich zu meinem Bekannten nach
Ickern pirschen. Einen gewissen Geldbe-
trag werde ich auch mitnehmen, da mein
Bekannter für die Grabpflege, die er für
mich erledigt, Geld ausgegeben hat.
Fortsetzung folgt in der nächsten Aus-
gabe. Nun möchte ich allen bodo-Lesern
und bodo-Leserinnen sowie dem Team
von bodo und allen Kollegen und Kol-
leginnen frohe Weihnachten und einen
guten Rutsch ins Jahr 2013 wünschen.
Eure Bodoline Maike
MAIKES VERKÄUFERTAGEBUCH
Dank einer wunderbaren Kooperation mit Jens Christoph Micheel und seiner Firma Ruhrgepäck haben wir nicht nur ab Anfang Dezember Taschen, in denen unsere Verkäufer ihre Zeitungen tro-cken und „knicksicher“ transportieren können – sondern auch tolle Umhängetaschen (oder neu-deutsch: Messenger-Bags) für Sie und uns.
Wir bieten die Taschen in unserem Dortmunder
Buchladen, in der Anlaufstelle in Bochum und auf unseren Veranstaltungen, zum Beispiel den Weihnachts-
märkten (Termine siehe Seite 7) an.
Es gibt zwei Größen und mehrere Straßen-Motive zur Auswahl. Das Design hat unser Grafiker Andre Noll ent-
wickelt. Unser Logo befindet sich dezent auf dem Taschendeckel, das Ruhrgepäck-Logo auf dem Tragegurt.
Die große Tasche (Modell Cargo) kostet bei uns nur 38,90 Euro, die kleine (Modell Leisure) kostet nur 28,90
Euro. Die Preise liegen deutlich unter denen gleichwertiger Ruhrgepäck-Taschen, die Auflage ist limitiert.
Taschen (und vieles mehr) mit Industriekultur- oder Fußball-Motiven finden Sie bei Ruhrgepäck in der Dort-
munder Berswordt-Halle, die „Straßen“-Taschen gibt’s nur bei uns.
bodo zum Umhängen
10
Gute GeschichtenChancen schaffen, Menschen auf den Weg zu bringen, ihnen die Gelegenheit zu geben, neu-es Zutrauen in die eigenen Kräfte zu gewinnen – das ist unsere Arbeit, und sie schreibt „gute Geschichten“.
Wir blicken zurück auf ein ereignisreiches und er-
folgreiches Jahr. Mit unseren Räumen in der Dort-
munder und Bochumer Innenstadt und mit Zeitungs-
ausgabestellen in Unna, Witten und Herne gelingt
es uns, immer mehr Menschen in Not zu erreichen.
Durch den wachsenden Zulauf von Menschen ohne
Wohnung und ohne Perspektive hat sich unser Be-
ratungsaufwand vervielfacht. „Erste Hilfe“, die Ver-
mittlung an Fachstellen, die Begleitung oder ein-
fach nur das offene Ohr für oft zuerst unentwirrbar
scheinende Probleme, das ist es, was immer mehr
Menschen auf der Straße bei uns suchen und finden.
„Gute Geschichten“ – das bedeutet nicht, die Schat-
tenseiten zu verschweigen. Wie in jedem Jahr haben
wir Menschen verloren, Verkäufer und gute Bekannte
sich viele Menschen davon überzeugen. Und sie
sagt: „Ohne meine lieben Kundinnen in Hombruch
wäre ich nicht da, wo ich bin.“
Oder Adolf, unser ältester Verkäufer, der vor vielen
Jahren mit dem Schlafsack unter dem Arm zu uns
kam: „Als ich anfing bei bodo, hab ich die Flasche
weggeworfen. Ich haben keinen Tropfen Alkohol
mehr getrunken seitdem.“ Beim Renovieren seiner
Wohnung halfen seiner Verkäuferkollegen. „Aber zu
Hause fällt mir die Decke auf den Kopf. Solange ich
draußen bei meinen Kunden bin, bin ich am Leben“,
lacht er. Adolf wird im Dezember 79.
Cornel hat Hass und Verfolgung in seiner rumäni-
schen Heimat erlebt. Er kam als Flüchtling, wurde
abgelehnt und musste zurück. Mit dem EU-Beitritt
Rumäniens ging er nach Spanien, arbeitete als LKW-
Fahrer, als Erntehelfer und auf dem Bau, bis die Krise
Spanien erreichte. Für Migranten gibt es dort prak-
tisch keine Arbeit mehr. Zwei seiner Kinder gehen
in Dortmund zur Schule, das dritte ist noch klein.
10 NEUES VON BODO | von Bastian Pütter | Fotos: bodo Archiv
sind gestorben, andere haben es dieses Mal nicht
geschafft, stark zu sein, der Sucht zu trotzen. Ver-
gessen werden wir sie deshalb nicht.
Nicht jede Geschichte geht gut aus. Zur Zeit denken
wir besonders an unserem Verkäufer Karl Wilhelm,
der einen Raubüberfall nur durch Zufall überlebt hat
und inzwischen wieder auf dem Weg der Besserung
ist und an unsere Tagebuchschreiberin Maike. Kurz
vor unserem Drucktermin haben wir erfahren, dass
sie im Krankenhaus ist. Wir werden sie besuchen und
an sie denken. Alles, alles Gute! Wir erleben Rück-
schläge, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit – aber
machen eben auch vielfache, großartige Erfahrun-
gen mit Menschen, denen wir aufhelfen können.
Wenn wir Birgitt sehen, die nach schwerer Krise und
Krankheit auf der Straße gelandet war, wie sie in-
zwischen selbstbewusst mit ihrer Lebensgeschichte
umgeht, sind wir stolz. In Lisa Lyskavas Dokumen-
tarfilm „Standort Sehnsucht“ und zuletzt auf dem
Podium unter dem Dach des Dortmunder U konnten
11
11
bodo ist längst mehr
bodo ist längst viel mehr als das Straßen-
magazin. Unseren Beschäftigungs- und
Qualifizierungsprojekten gelingt es immer
besser, Menschen eine Perspektive zu ge-
ben und sie bereit zu machen für Arbeits-
plätze in dem in unserer Region immer wei-
ter schrumpfenden ersten Arbeitsmarkt.
300 Tonnen Möbel und Hausrat hat unser
Transportteam in diesem Jahr im wahrsten
Sinne des Wortes gestemmt. Wer hier arbei-
tet, macht es sich nicht bequem in der so-
zialen Hängematte – ein schreckliches Kli-
schee, für das wir in keinem unserer Felder
irgendwelche Belege finden. Ob wohnungs-
los, ob jung und ohne Ausbildungsplatz,
oder ob gut ausgebildet und betroffen von
Firmenschließungen: Alle unsere Mitarbei-
ter zeigen täglich, dass von „Faulheit“ keine
Rede sein kann. Was fehlt, sind die Chancen
sich zu beweisen und die Begleitung und
Unterstützung bei den Sorgen und Nöten,
die vorerst verhindern, dass es weitergeht.
Hier sehen wir unsere Aufgabe.
Unser Buchprojekt bildet zurzeit gleich
vier junge Frauen aus. Mit Steffi haben wir
den ersten Ausbildungsabschluss vorzu-
weisen – der war so gut, dass Steffi gleich
ein drittes Jahr für einen noch qualifizier-
teren Abschluss anschließt. Stolz sind wir
auch auf unser – für die meisten Arbeitge-
ber wenig attraktives – Modell der Teilzeit-
ausbildung für junge alleinerziehende Müt-
ter. Julia und Vanessa sind ein großartiger
Gewinn für unser junges Buchteam.
Dabei schaffen Ihre Buchspenden wirkliche
Arbeitsplätze für qualifizierte Tätigkeiten
und nicht die leider häufig anzutreffende
„Simulation“ von Arbeit – alle Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter sehen, was sie leis-
ten und wie viel Freude sie ihren Kunden
machen.
Unser Praktikant Sandro hat ausgerechnet:
144m würde der Turm hoch sein, wenn wir
nur die in diesem Jahr verkauften Bücher
unseres Buchladens stapeln würden.
Dazu kommt der Onlineversand von Bü-
chern. Eine wirklich anspruchsvolle Tätig-
keit, denn wir versenden in die ganze Welt:
Unsere Bücher gingen auf alle Kontinente,
u.a. nach Neuseeland, Australien, Argen-
tinien, Chile, Libyen oder Japan. Wer bei
uns in diesem Bereich qualifiziert wird, hat
wirklich etwas vorzuweisen.
Auch hier: Gute Geschichten. (bp)
Seine Frau hat Arbeit gefunden, er versucht mit
Straßenzeitungen zum Lebensunterhalt beizutragen
und ist sicher: „Wenn ich eine Arbeit annehmen darf,
finde ich auch eine.“
Metins freundliches Gesicht strahlte zuletzt von
Plakaten des Dortmunder Schauspiels. Bei „Crash-
test Nordstadt“ schlüpfte er in die Rolle eines
Immobilienmaklers und versuchte, Theatergästen
seine Nordstadtwohnung zu verkaufen: „Die feh-
lenden Fensterdichtungen sind die Klimaanlage,
fließendes Wasser haben wir sogar an der Tape-
te.“ Metin lacht. „Nicht aufgeben ist mein Motto.
Eigentlich glaube ich, dass man das alles allein
schaffen muss. Das geht nicht immer. Dann ist
bodo für mich da.“
Marcus gehört zum Bermudadreieck fast wie Graf
Engelbert. Unser langjähriger Verkäufer kennt aber
nicht nur Bochums Ausgehmeile. Als bodos neuer
Stadtführer zeigt Marcus die unbekannte Seite Bo-
chums: Entlang des Tagesablaufs eines Wohnungs-
losen führt Marcus an Orte wie Suppenküchen oder
Übernachtungsstellen. Ein echter Experte.
Von Otto ist nicht nur unser Leserbriefschreiber
(s.S.47) begeistert. Als er vor einigen Monaten zu
uns kam, war er fast 14 Jahre auf der Straße – ge-
rade haben wir geholfen, seine Wohnung einzurich-
ten. Nicht nur eine gute, beinahe eine wunderbare
Geschichte.
Das sind natürlich nur wenige kurze Beispiele. Mehr
als 100 Frauen und Männer, die das Straßenmaga-
zin verkaufen, betreuen wir zurzeit. Alle haben
den Wunsch, ihr Leben wieder selbst in die Hand
zu nehmen.
Sie können dabei helfen: Ermöglichen Sie uns, un-
sere Beratungsangebote auszubauen und die Kon-
tinuität unserer Hilfen sicherzustellen. Denn Ob-
dachlosigkeit und Armut sind kein Schicksal. Der
Weg aus der Krise kann lang sein, aber wir helfen
dabei, ihn zu gehen.
Mit Ihrer Spende schreiben Sie mit an diesen guten
Geschichten. Herzlichen Dank! (bp)
bodo e.V. Spendenkonto
Bank für Sozialwirtschaft Essen
BLZ 370 205 00 | Konto Nr. 722 39 00
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Weihnachten auf der Straße
STRASSENLEBEN | von Bastian Pütter | Fotos: Oliver Schaper
Der einsetzende Winter, die Geschichte vom jungen Paar auf der Suche nach einer Herber-ge, die Zeit der Spenden und Spendenappelle – in der Weihnachtszeit rücken die Menschen auf der Straße kurz in die Scheinwerfer der medialen Aufmerksamkeit.Zwei Dinge sind uns dabei wichtig: Obdachlo-sigkeit ist das ganze Jahr über eine schwere Last und ein Skandal zugleich. Und: Es gibt Hilfen, die den Weg „abwärts“, der in der Obdachlosigkeit endet, nicht zu einer Ein-bahnstraße werden lassen. Seit vielen Jahren gibt es in unseren Städten professionelle, spezialisierte Angebote und aufopferungs-volles freiwilliges Engagement – das ganze Jahr hindurch. Auch zu Weihnachten werden Menschen auf der Straße nicht alleingelassen.
Zu keiner anderen Zeit im Jahr sind so viele
Menschen gleichzeitig zu Hause, und zu keiner
anderen Zeit wird dieses Zuhause so schmerzhaft
vermisst, wenn es fehlt. In den Übernachtungs-
stellen für Wohnungslose versuchen die Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter ihren Gästen in ihren
schwierigen Lebensumständen so viel Normalität
wie möglich zu bieten – und dazu gehört auch
Weihnachten, auch wenn keine Familie wartet
und die Mittel beschränkt sind. In den Stellen
für junge Wohnungslose SchlafAmZug in Bochum
und SleepIn in Dortmund warten kleine Ge-
schenke, Tee und Kekse auf die Übernachtenden.
Jörn-Peter Hülter von der Dortmunder Männerü-
bernachtungsstelle verspricht: „Unsere Bewoh-
ner kriegen eine Süßigkeitentüte und wir haben
einen geschmückten Baum.” Bei „Dach über dem
Kopf“, der Übernachtungsstelle in Lünen, ist ein
Heiligabendessen in der Übernachtungsstätte
und eine Weihnachtsfeier im Vereinssitz geplant,
sagt Pfarrer Ulrich Klink.
Eine Parkbank ist kein Bett
Doch Vorrang hat, wenigstens einen warmen Ort
für die Nacht anzubieten. Der übrigens zur Ver-
fügung steht. Wenn es richtig kalt wird, werden
zusätzliche Schlafplätze geschaffen, niemand
wird hinaus in die Kälte geschickt.
Dabei bilden die Übernachtungszahlen der das
ganze Jahr über gut ausgelasteten Stellen nur die
Spitze des Eisbergs. Nur ein Teil der Obdachlosen
findet den Weg in die Einrichtungen – sei es aus
Angst, Scham oder aufgrund von Vorurteilen. Dabei
hat zum Beispiel die freundlich wirkende Männer-
übernachtungsstelle in Dortmund eher Ähnlichkeit
mit einer Jugendherberge. Auch wenn man das
geräumige Vierbettzimmer nicht unbedingt mit
einfachen Zimmernachbarn teilt: Die Zimmer sind
sauber, die Spinde verschließbar und die Wertsa-
chen sicher im Safe – auch wenn auf der Straße
ganz andere Geschichten erzählt werden.
Durch gegenseitige Hilfe und Notlösungen gelingt
es vielen, dem Schlafen in eiskalten Grünanlagen
oder Abbruchhäusern zu entgegen. Einige unserer
Verkäufer, die inzwischen Wohnungen haben,
nehmen Kollegen auf. Andere finden Schlafplätze
auf Sofas und Teppichen, mal bei großzügigen
Gastgebern, mal gegen Bezahlung.
Es gibt weiterhin keine Bundesstatistik, und auch
in den Städten sind wir auf Schätzungen angewie-
sen. Durch die Neuzuwanderer aus Bulgarien und
Rumänien ist die Situation noch unüberschaubarer
geworden. Niemand weiß, wie viele Menschen
tatsächlich auch im Winter draußen schlafen. Käl-
tebusse wie in anderen Städten, die Obdachlose
an ihren Schlafplätzen versorgen, gibt es bei uns
nicht, und auch aufsuchende Angebote sind noch
rar. Dabei ist für schlecht ausgestattete Menschen
das Schlafen im Freien bei Frost lebensgefährlich.
Immer noch denken wir mit Schrecken an unseren
Verkäufer, der im eiskalten vorletzten Advent
unter der Gerüstkonstruktion des Dortmunder
Weihnachtsbaums schlief.
Von Keksen und Gänsen
Alfons Wiegel von der Dortmunder Tagesein-
richtung Gast-Haus freut sich, den Gästen wie
jedes Jahr etwas Besonderes bieten zu können:
„Am 1. Weihnachtstag gibt es die traditionelle
Gänsekeule mit Rotkohl und Klößen. Vorher eine
Suppe und nachher ein Dessert. Am Silvestertag
gibt es dann unseren kulinarischen Jahresaus-
klang: Hähnchenkeule mit Beilage. Außerdem
haben wir am Montag vor Heiligabend, dem 17.12.
ein Weihnachtssingen mit Straßensängern.”
Ähnlich traditionell geht es bei der Weihnachts-
feier für Wohnungslose der Diakonie Ruhr in
Bochum zu. Rotkohl und Klöße steht auf dem
Wunschzettel vieler Gäste, „kulinarisch Exoti-
sches kommt da eher nicht so gut an”, sagt Ger-
linde Fuisting, Leiterin der Wohnungslosenhilfe.
Bei traditionellen Weihnachtsessen der Diakonie
in Dortmund finden am Heiligabend bis zu 150
Menschen im Reinoldinum direkt neben unse-
12
rem Vereinssitz Platz. Weil die Nachfrage so
groß ist, werden in der Woche vor Weihnachten
Eintrittskarten an die Besucher und Klienten der
Diakonieeinrichtungen verteilt. „Dazu kommen
die Weihnachtsfeiern in den verschiedenen
Diakonie-Einrichtungen“, betont Barbara Köster
von der Diakonie. Der Brückentreff, unsere Aus-
gabestelle in der Nordstadt, feiert am 23.12. mit
allen Besuchern.
Bei bodo bekochen wir alle unsere Mitarbeiter-
innen und Mitarbeiter am 14. Dezember – und
Geschenke wird es auch geben.
13
Viele unserer Verkäufer nutzen gleich meh-
rere der bestehenden Angebote. Wie auch zu
den anderen Jahreszeiten gibt es aufeinander
abgestimmte Hilfen, oft verbunden mit dem
unkomplizierten Zugang zu Beratung und Krisen-
hilfe. Denn für die meisten ist Obdachlosigkeit
kein Lebensstil und viel eher Symptom als das
eigentliche Problem. Tiefe persönliche Krisen,
Schulden, Sucht- oder psychische Erkrankungen
führen dazu, dass „nichts mehr geht“, auch nicht
das Halten der eigenen Wohnung. Beratungs-
und Krisenangebote sind deshalb auch oft noch
am Heiligabend zugänglich.
Obdachlosigkeit kennt keine Feiertage
Für viele Hilfseinrichtungen gilt andererseits:
Das Besondere ist schon, dem unveränderten
täglichen Bedarf gerecht zu werden. Die Ver-
sorgungseinrichtungen, Anlauf- und Beratungs-
stellen müssen sich in erster Linie bemühen, die
Kontinuität ihrer Angebote sicherzustellen, denn
Obdachlosigkeit kennt keine Feiertage und keine
Urlaubszeiten.
Die Tageseinrichtungen, mit denen wir ko-
operieren, sind das ganze Jahr über auch
am Wochenende geöffnet, denn vor allen an
Sonntagen sind sie besonders wichtig. In den
sonst wie ausgestorben scheinenden Städten
öffnen sie Räume, in denen Wohnungslose sich
aufwärmen können und einen Teil der Zeit mit
anderen verbringen können.
Weihnachten und der Jahreswechsel sind wie
eine Reihe von Sonntagen. Die Feiertage werden
lang, nicht nur für diejenigen, die draußen
schlafen müssen. Einsamkeit und die nicht ver-
gehen wollende Zeit sind an diesen Tagen noch
schwerer auszuhalten, sagen uns auch unsere
Verkäufer.
Die Suppenküchen, die das ganze Jahr hindurch
der großen Nachfrage Herr werden müssen, öff-
nen auch an den Feiertagen, Tageseinrichtungen
wie unsere Ausgabestelle bei der Caritas in Unna
oder der Mittagstisch in Wattenscheid sind eben-
falls geöffnet. „Zwischen den Jahren“ machen
zwar unsere weiteren Beschäftigungsprojekte
Pause, für unsere Verkäufer bleibt die Tür jedoch
offen. Die Januarausgabe des Straßenmagazins,
heißen Tee und Kaffee erhalten unsere Verkäufer
an Silvester – für die meisten von ihnen ist auch
dieser ein ganz normaler Tag. (bp)
13
Weihnachtsfeier der Diakonie im Dortmunder Reinoldinum
14
KULTUR | von Wolfgang Kienast | Foto: Michael Schwettmann www.misc420.net
Eigentlich will ich mit ihm über die Konzertrei-he Urban Urtyp reden. Doch bevor das Interview beginnt, greift Pfarrer Thomas Wessel hinter sich und holt ein riesiges Buch aus dem Regal. Ars Sacra heißt das Werk im Altarbibelformat, Kirchenarchitektur von Byzanz über Mittelalter, Barock und Jugendstil bis in die Neuzeit. Von allen europäischen Sakralbauten der 40er und 50er Jahre werden darin nur drei „beispielhaft” genannt, darunter die Christuskirche. Weltweit gilt sie als epochale Konzeptkirche.
Das Kirchenschiff, in dem mehr als eintausend
Menschen Platz finden können, bietet ausge-
zeichnete akustische Eigenschaften. Von Anfang
an war geplant, hier Konzerte stattfinden zu
lassen. Zunächst im gewohnt klassischen Rah-
men; parallel zum Bau gründete sich die Bochu-
mer Stadtkantorei. Um das Jahr 2000 wurde das
Konzept ausgeweitet, aus der Kulturkirche sollte
eine Kirche der Kulturen werden. Der Begriff ist
nicht im ethnischen Sinn zu verstehen. Innerhalb
des weit gefassten Rahmens ist Urban Urtyp eine
noch relativ junge Veranstaltungsreihe.
Für Urban Urtyp gebuchte Musiker oder Bands
lassen sich nicht einem bestimmten Genre zuord-
nen. Die Internetseite zur Reihe listet Jazz und
Post, Elektro und Sprache, Klassik und Minimal,
Ambient, Pop und mehr. Als gemeinsamer Nenner
gilt die Formulierung „urban”, ein viel diskutier-
ter, gleichwohl vager Begriff. „Man hört es aber
sofort”, erklärt Thomas Wessel. „Es gibt tolle
Musik, die fraglos in der Kirche gespielt werden
könnte. Hörst du die aber im Kontext ,urban‘,
weißt du sofort, dass das nicht funktioniert. Um
das festzustellen, reichen oft die ersten vier Tak-
te. Und so unterschiedlich wir in unserem Team
auch sein mögen, in dieser Hinsicht sind immer
alle einer Meinung. Das ist schon verrückt.”
Das Team. Organisiert wird die Reihe von einer auf
den ersten Blick sehr heterogenen Gruppe. Verbin-
dende Elemente sind Liebe zu Livekonzerten und
ausreichend Leidenschaft, diese aus eigener Kraft
auf die Beine zu stellen. Zum harten Kern von et-
was mehr als zehn Mitgliedern gehört Olaf Rauch.
Anfangs Stammgast, wollte er bald mehr als nur
Besucher sein. „Bei uns regiert das Lustprinzip”,
sagt er. „Wir sind kein Verein. Niemand ist zu
irgend etwas verpflichtet. Wenn wir uns wegen des
Programms treffen, bringt jeder die Musik mit, die
ihm gefällt. Dann wird gemeinsam entschieden,
was wir hier später hören und sehen wollen.”
Zum Beispiel Stabil Elite, eine junge Band aus
Düsseldorf. Rauch hatte sie vorgeschlagen. Die
derzeitigen Kritikerlieblinge erinnern an Kraft-
werk, Neu! oder DAF. Düsseldorfer Schule. In der
Christuskirche tritt Stabil Elite am 30. Dezember
auf. Tausend Besucher werden nicht erwartet,
dazu ist die Band noch zu unbekannt und sehr
Urban UrtypKonzerterlebnisse in der Bochumer Christuskirche
14 RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke
Eltern haften für ihre Kinder – nicht?
Endlich! Viele betroffene Eltern werden auf-
atmen, denn der Bundesgerichtshof (BGH)
bringt etwas Realitätsnähe ins deutsche
Rechtsleben zurück: Er hat die überzogenen
Aufsichtspflichten für das Verhalten von
Kindern im Internet, die einige Oberlandes-
gerichte Eltern abverlangten, auf ein erträg-
liches Maß reduziert.
Wenn bisher Minderjährige über den elterli-
chen Internetanschluss illegal Tauschbörsen
nutzten, dann bekamen die Eltern eine Ab-
mahnung. Die Kosten beliefen sich mindes-
tens auf mehrere hundert Euro; selbst wenn
nur ein einziges Lied heruntergeladen wur-
de, das bereits für 99 Cent im Internet hätte
gekauft werden können. Die Eltern mussten
sich regelmäßig vorwerfen lassen, sie hätten
ihre Aufsichtspflichten verletzt – und die
hatten es in sich.
Praktisch war es nämlich so, dass Eltern, die
nicht ausgesprochen versierte PC-Nutzer wa-
ren, keine Chance hatten, den strengen Auf-
sichtspflichten über ihre Kinder zu genügen.
Realitätsfern wurde von den Gerichten gefor-
dert, dass Eltern, die sich nicht in der Tausch-
börsennutzung auskannten, einen Computer-
experten zu beauftragen hätten. Die Kosten
dafür blieben weitgehend unberücksichtigt.
Letztlich mussten diese Eltern ihren Kindern
also schlicht den Zugang zum Internet ver-
bieten. Die Folge: Kinder erlernen den Um-
gang mit dem PC und dem Internet nicht.
Dem hat der BGH jetzt endlich einen Riegel
vorgeschoben. Er stellte klar, dass die Eltern
nicht für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kin-
der im Internet haften, wenn sie diesen die
Nutzung von Tauschbörsen verbieten und sie
entsprechend belehren. Gibt es Anhaltspunkte
für Urheberrechtsverletzungen, dann müssen
die Eltern das Kind auch kontrollieren.
Da das Urteil allerdings noch nicht gedruckt
vorliegt, ist noch nicht ganz klar, wie Eltern
Kinder ganz konkret belehren und Verbote
aussprechen müssen und wann Kontrollpflich-
ten greifen. Fakt ist, die Aufsichtspflichten
liegen unter den bisher verlangten. Da werden
einige Eltern erstmal aufatmen. Allerdings
kommen die Rechteinhaber nun vielleicht auf
die Idee, die Kinder direkt zu verklagen. (rb)
www.kanzlei-boyke.de
15
Ich blätterte zum Glögg. IKEA tut ja so,
als sei das eine hauseigene Erfindung.
Dabei hatte schon meine Mutter, eine
waschechte Westfälin, an kalten Win-
tertagen immer Alpen-Glögg gemacht.
Inspirieren ließ sie sich durch eine mitt-
lerweile leider völlig zerfledderte Ge-
tränkerezeptesammlung aus den 70ern,
herausgegeben im Übrigen von einem
Kaffeediscounter.
Der IKEA-Prospekt sagte, „ein warmer
Glögg macht nicht nur das Herz glög-
glich, sondern auch den Bauch. Entweder
mit dem Rezept unter www.ikea.de/re-
zepte nachmachen oder” bei uns kaufen.
Das Wortspiel allein roch nach Glühge-
tränk. Sofort besuchte ich die empfoh-
lene Seite und fand – eine Weihnachts-
baumpizza. Wie tief haben die eigentlich
ins Glöggglas geschaut? Doch ich wusste
jetzt, der Tag wird kommen, an dem sich
jeder gewiefte Fakesument eine Weih-
nachtsbaumpizza vom Asia-Italiener an
der Ecke brutzeln lässt, plus Elchlamet-
tasalat, und sich daraufhin passend ein
paar bunte Flecken auf die Kochmütze
malt. Farbe dazu gibt‘s im Möbelhaus.
Zugegeben, dass ich später bei Peppar-
kakahus nicht an Lebkuchen, sondern an
Dixiklo dachte, lag daran, dass ist selbst
inzwischen viel Schafgarbe-Punsch intus
hatte. Eigentlich halte ich mich daran,
keine Witze über Eigennamen und Fremd-
sprachen zu machen. Erst recht keine, die
nicht mal richtig zünden.
Was dagegen funktioniert, jedenfalls,
um bei Minusgraden warm zu werden, ist
der erwähnte Punsch: 1/2 Liter trocke-
nen Weißwein, 1/4 Liter Apfelsaft und
1/8 Liter Rum erhitzen, ein wenig frisch
geriebene Muskatnuss zugeben und zwei
Teelöffel Schafgarbe-Kunsthonig (Septem-
ber-bodo) darin auflö-
sen. Frohes Fest.
(wk)
wildkraeuter.bodo/24_schafgarbe.2/Unlängst lag ein vorweihnachtlicher
IKEA-Prospekt im Briefkasten. Eigentlich
ein Fall für die Direktentsorgung. Dass
ich Informationen des schwedischen Mö-
belhauses gegenüber aufnahmewilliger
geworden bin, liegt an der DASA, bes-
ser, an der zur Zeit dort präsentierten,
ausgesprochen empfehlenswerten „Do It
Yourself”-Ausstellung.
Da habe ich nämlich erfahren, dass IKEA
ein am Markt bahnbrechender Vorden-
ker bei der Entwicklung vom Consumer
hin zum Prosumer gewesen ist. „Für den
US-amerikanischen Zukunftsforscher Al-
vin Toffler war dies positive Utopie ei-
ner künftigen Technokultur, in der eine
selbstbestimmte, aktive Beteiligung an
den Produktionsprozessen den passiven
Konsum ablöst”, heißt es dazu im Aus-
stellungskatalog. Interessant, wenn Sie
mich fragen. Ich bereitete mir einen
heißen Schafgarbe-Punsch, begab mich
aufs Sofa und stöberte in der Werbung.
So begann eine auf unterhaltsame Weise
irritierende halbe Stunde.
Zuerst die Sache mit der Marmelade. „Wer
sagt, dass selbst gemachte Marmelade
selbst gemacht sein muss? Einfach eine
von fünf leckeren Konfitüren aus dem
IKEA Schwedenshop in ein Einmachglas
füllen, handbeschriftetes Etikett drauf,
hübsches Bändchen drum, fertig”, lernte
ich. Sollte der Halbfertigmöbelverkäufer
auch hier erfolgreicher Avantgardist wer-
den, dürfte dem mündig mitmachenden
Prosumer bald ein verschlagen operie-
render Fakesument folgen. Was der alte
Toffler wohl dazu zu sagen hat? Kom-
petenz ist ihm nicht abzusprechen, der
1928 geborene Schriftsteller und Futu-
rologe beschäftigt sich seit Jahrzehnten
mit neuen Techniken und dem auf die
Einführung folgenden
Wandel der Gesell-
schaft.
15WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast
speziell. Das ist bei Urban Urtyp wiederum eher
Regel als Ausnahme. Um eine den Veranstaltungen
angemessene Clubatmosphäre zu schaffen, baut
das Team in der Kirche einen Raum im Raum auf:
abgehängt mit Plastiklamellen, ein durchlässiger
Kubus von zehn mal zehn Metern Kantenlänge.
Er beeinträchtigt die akustische Qualität nicht,
verdichtet aber die Situation zwischen Künstlern
und Publikum.
Wessel und Rauch schwärmen von intensiven
Konzerterlebnissen im Kubus während der ersten
zweieinhalb Jahre der Reihe. Rauch spricht von Ent-
wicklungshilfe in Sachen Livemusik. „Früher haben
sich die Leute Auftritte ihnen unbekannter Bands
angesehen. Heute macht das leider kaum noch je-
mand. Bei Konzerten wird vielmehr überprüft, ob die
Bands in der Lage sind, ihre Musik live auf der Bühne
eins zu eins wiederzugeben. Hier wollen wir andere
Akzente setzen.”
„Selbst die urbanste Band wäre für uns nicht inter-
essant, wenn sie nur lieblos ihre Platte nachspielen
würde”, ergänzt Wessel. „Ein Livekonzert bedeutet,
die ipod-Zone zu verlassen. Du kannst nicht wei-
terdrücken. Du kannst der Musik nicht ausweichen,
sondern musst ihrer Logik folgen. Und du machst die
Erfahrung, dass sich das am Ende lohnt. Nach einem
Konzert ist man immer reicher als vorher. Nicht
zuletzt profitieren wir selber davon, auf diese Art
Musik hören zu können.” (wk)
INFO
Christuskirche Bochum, Westring 26, links vom
Rathaus | Einmal im Monat an einem Sonntag um
19 Uhr und immer für 10 Euro.
www.urbanurtyp.de | www.christuskirche-bochum.de
16
Vor 100 Jahren wurde das Dortmunder Museum für Naturkunde gegründet. Noch 25 Jahre älter ist der ortsansässige Naturwissenschaftliche Verein, auf dessen Sammlung das 1912 eröffnete Museum zurückgreifen konnte. Wir sprachen mit der jetzigen Direktorin, Frau Dr. Dr. Elke Möllmann, wie das doppelte Jubiläum gefeiert wurde und wie sie sich die Zukunft ihres Hauses vorstellt. Das Inter-view fand in dem derzeit für das Publikum gesperrten Raum mit dem großen Aquarium statt. Nach dessen umfangreicher Sanierung hofft sie, noch vor Weih-nachten diesen Bereich für Besucher wieder zugänglich machen zu können.
„Ich mag diesen Ort”, sagt Frau Möllmann. „Er hat etwas unglaublich Beruhigen-
des, etwas sehr Faszinierendes.” Viele Dortmunder teilen diese Ansicht, auswärtige
Gäste schließen sich vorbehaltlos an. Wenn ein Streifzug durch die übrigen Aus-
stellungsräume hilft, dem Alltag für eine Weile zu entfliehen, ist es das kreisrunde,
rings umgehbare, vom Fußboden bis an die Decke reichende und 90.000 Liter fas-
sende Aquarium, welches die Gedanken schwerelos in andere Welten treiben lässt.
Bis zur Renovierung schwammen hier Fische aus dem Amazonas.
Frau Möllmann sagt, sie habe viel Lobbyarbeit betreiben müssen – schließlich
fahre auch niemand ein so altes Auto, und außerdem habe man Verantwortung für
die Fische – um den notwendigen Umbau finanziert zu bekommen. Nach dreißigjäh-
rigem ununterbrochenem Betrieb war die Technik marode und das Becken leckte an
mehreren Stellen. Zunächst Assistentin des ehemaligen Direktors Herrn Dr. Tanke
und seit 2008 selbst Leiterin des Hauses, war Frau Möllmann mit dem Ziel angetre-
ten, das Museum zu erneuern und dabei seine regionalen Bezüge zu stärken. Des-
wegen wurden nach der Instandsetzung statt der bisherigen Exoten einheimische
Fische wie Rotaugen, Stichlinge und Forellen ins Aquarium gesetzt. Sieben Arten
sind es insgesamt. „Heute weiß kaum noch ein Kind, wie eine lebendige Forelle
aussieht”, sagt sie. „Wir wollen den Menschen die Region, in der sie leben, wieder
näher bringen. Schrittweise werden wir in den kommenden Jahren das gesamte
Museum daraufhin ausrichten. Das Aquarium ist ein erster Akt.”
Die Wände im Raum konnten in dem Zusammenhang ebenfalls neu gestaltet wer-
den. Sie zeigen jetzt den Fluss, welchem das Revier seinen Namen verdankt: die
Ruhr. Eindrucksvolle Fotos dokumentieren ihren Weg von der Quelle im Sauerland
bis zur Mündung in den Rhein. Drei zusätzliche Wandaquarien zeigen beispielhaft
das Leben in Quellgebiet, Mittel- und Unterlauf. Ein Ruhr-Raum, auf den man sich
freuen darf. Es muss nur noch gewartet werden, bis sich im großen Aquarium die
Wasserwerte stabilisiert haben.
In Naturkundemuseen wird freilich nicht nur Gegenwärtiges thematisiert, wird
nicht nur erklärt, wie die momentanen Ökosysteme funktionieren und zusammen-
hängen, die Institute haben die Aufgabe, auch geowissenschaftliche Blicke auf die
weit zurückliegende Vergangenheit zu erlauben. „Würde man an dieser Stelle ein
tiefes Loch graben, würde man auf Schichten von drei großen Erdzeitaltern sto-
ßen”, erklärt Frau Möllmann. „Auf Karbon, Kreide und Quartär.” Die Flora im Karbon
war geprägt von baumförmigen Farnen und Schachtelhalmen. Vor 300 Mio. Jahren
wuchs, was später Kohle werden sollte. Vor etwa 100 Mio. Jahren, in der Kreide-
zeit, dominierten Saurier das Leben an Land. Erdgeschichtlich relativ jung ist das
Quartär, eine Phase großer Eiszeiten. Im Museum zeugen zahlreiche Fossilien von
den jeweiligen Epochen.
„Aus dem Quartär besitzen wir unter anderem das Geweih eines Riesenhirsches und
einen Höhlenbär. Mein großer Wunsch aber wäre, wenn wir nach komplett abge-
schlossenem Umbau unseren Besuchern ein ganz spezielles Highlight präsentieren
könnten. Ein Mammut. Ich selbst stamme aus Ahlen. Da hat man ein Mammut
ausgegraben. Das ist jetzt in Münster ausgestellt, im paläontologischen Museum.
Leider hat sich der dortige Museumsleiter selbst durch meine große Charmeoffen-
sive nicht erweichen lassen, es uns zu überlassen. Obwohl ich glaube, mit meiner
Ahlener Herkunft ein sehr gutes Argument zu besitzen. Jetzt versuchen wir, das
nötige Geld aufzutreiben, um ein anderes Exemplar zu erstehen”, verrät uns die
Museumsdirektorin ihre Herzensangelegenheit.
Ein Mammut auf dem
Wunschzettel
16 REPORTAGE | von Wolfgang Kienast | Fotos: Andre Noll
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Sich anhand der Dauerausstellung regionalen Themen zu widmen und im Zuge
von Sonderausstellungen die Welt ins Museum zu holen, lautet ihr übergreifendes
Konzept. Gleichwohl wird die damit einhergehende Neuausrichtung keinen drama-
tischen Schnitt zur Folge haben. Dem Revier nebst seinen angrenzenden Landstri-
chen wurde im Museum von Anfang an Beachtung geschenkt und manche, auf den
ersten Blick exotische Ausstellungsstücke sind zumindest indirekt mit der Region
verknüpft. In der Mineraliensammlung zum Beispiel die Funde aus Namibia. Den Weg
in die Dortmunder Sammlung hatten diese Steine über Bergleute gefunden, die aus
dem damaligen Deutsch-Südwestafrika zurückgekehrt waren. Ausgewandert, um in
der deutschen Kolonie Fuß zu fassen, waren sie vom Ruhrgebiet, dem Sauer- und
dem Siegerland. Und das bislang wohl bedeutendste Exponat mit festem Platz im
Naturkundemuseum, das berühmte Urpferd aus Messel, wurde Ende der 1970er Jahre
im Rahmen ausgedehnter Grabungskampagnen Dortmunder Paläontologen und deren
ehrenamtlichen Helfern in der hessischen Ölschiefergrube entdeckt.
Doch ganz unabhängig von der jeweiligen Museumsphilosophie werden Besucher
manche Objekte jederzeit sehen können, andere nie. Nur ein geringer Prozentsatz
des Bestandes gelangt überhaupt in die Schaukästen. Das Gros einer jeden wissen-
schaftlichen Sammlung ist weder bunt noch spektakulär noch erhellend genug, um
auch Laien in den Bann ziehen zu können. „Nehmen Sie zum Beispiel eine Mäuse-
reihe, die Entwicklung der Maus über die verschiedenen Jahrmillionen. Ein Stück,
das dem Publikum langweilig scheint, nimmt der Wissenschaftler in die Sammlung
auf, weil er genau diesen Beleg einer fossilen Mäuseart einer ganz bestimmten Zeit
haben möchte. Das können Sie mit einem Schallplattensammler vergleichen, der
zwar sämtliche Aufnahmen eines Musikers besitzt, für seine Gäste aber jedes Mal
nur die wenigen Hits aus dem Plattenregal holt.”
Hits benötigt man, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Frau Möllmann
gibt sich bescheiden. „Wir sind ein mittelständisches Haus”, sagt sie. „Die Großen
haben andere Strukturen und andere finanzielle Voraussetzungen. Mit dem Frankfurter
Senckenbergmuseum beispielsweise können und müssen wir gar nicht mithalten. Wir
sind nicht ganz klein und wir leisten eine solide Arbeit. Das passt hierher.”
Das Programm kommt an. Die jährlich mehr als 70.000 Besucher beweisen es und
die Direktorin freut sich. „Wir sind in Dortmund das besucherstärkste städtische
Museum”, sagt sie nicht ohne Stolz. In erster Linie orientiert sich das Naturkun-
demuseum dabei an Familien und deren Bedürfnissen. Über 270 Kindergeburtstage
wurden allein 2011 im Haus ausgerichtet. Insgesamt waren es im vergangenen Jahr
mehr als 470 Veranstaltungen, darunter Aktionen für Schulklassen und Events wie
die Museumsnacht, der Tag der offenen Tür oder der Internationale Museumstag.
2012 gab es darüber hinaus eine ganz besondere Feier, am 3. Juni, der hundertste
Geburtstag. „Zum Fest sind alle Mitarbeiter kostümiert gekommen. In Kleidung,
wie sie zur Zeit der Gründung üblich war. Unsere Herren, in Frack und Zylinder, hat-
ten gleich ein ganz anderes Auftreten als sonst. Die Resonanz war toll. Ich glaube,
die Freude, die wir an unserer Arbeit haben, hat sich übertragen.”
Ohne ein grundsätzlich bereits vorhandenes Interesse bliebe ihr Haus leer, das
weiß auch die Direktorin. Man kann niemanden zwingen, ein Museum zu besuchen.
Doch Sorgen um die Zukunft macht sie sich in dieser Hinsicht nicht. Das liegt an
der unerschütterlichen Liebe der Kinder zu Dinosauriern. Im Eingangsbereich des
Museums stehen zwei lebensgroße Sauriermodelle und warten auf ihre Fans, ein
drittes hängt seit einiger Zeit von der Decke ab. Gelegentlich werden spezielle
Dinoübernachtungen angeboten, bei denen die jungen Gäste zu Füßen der Riesen-
echsen schlafen dürfen. „Ich glaube, diese Saurierzeit wird nie wirklich ausster-
ben”, sagt Frau Möllmann. „Dinos sind groß, imposant und für Menschen nicht
bezwingbar. Das macht ihre Faszination aus. Und ich finde es spektakulär, wenn
die Kleinen die ganzen Sauriernamen besser drauf haben als ich.” (wk)
INFO
Museum für Naturkunde | Münsterstraße 271 | 44145 Dortmund
Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr, Montag geschlossen
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Sich anhand der Dauerausstellung regionalen Themen zu widmen und im Zuge
von Sonderausstellungen die Welt ins Museum zu holen, lautet ihr übergreifendes
Konzept. Gleichwohl wird die damit einhergehende Neuausrichtung keinen drama-
tischen Schnitt zur Folge haben. Dem Revier nebst seinen angrenzenden Landstri-
chen wurde im Museum von Anfang an Beachtung geschenkt und manche, auf den
ersten Blick exotische Ausstellungsstücke sind zumindest indirekt mit der Region
verknüpft. In der Mineraliensammlung zum Beispiel die Funde aus Namibia. Den Weg
in die Dortmunder Sammlung hatten diese Steine über Bergleute gefunden, die aus
dem damaligen Deutsch-Südwestafrika zurückgekehrt waren. Ausgewandert, um in
der deutschen Kolonie Fuß zu fassen, waren sie vom Ruhrgebiet, dem Sauer- und
dem Siegerland. Und das bislang wohl bedeutendste Exponat mit festem Platz im
Naturkundemuseum, das berühmte Urpferd aus Messel, wurde Ende der 1970er Jahre
im Rahmen ausgedehnter Grabungskampagnen Dortmunder Paläontologen und deren
ehrenamtlichen Helfern in der hessischen Ölschiefergrube entdeckt.
Doch ganz unabhängig von der jeweiligen Museumsphilosophie werden Besucher
manche Objekte jederzeit sehen können, andere nie. Nur ein geringer Prozentsatz
des Bestandes gelangt überhaupt in die Schaukästen. Das Gros einer jeden wissen-
schaftlichen Sammlung ist weder bunt noch spektakulär noch erhellend genug, um
auch Laien in den Bann ziehen zu können. „Nehmen Sie zum Beispiel eine Mäuse-
reihe, die Entwicklung der Maus über die verschiedenen Jahrmillionen. Ein Stück,
das dem Publikum langweilig scheint, nimmt der Wissenschaftler in die Sammlung
auf, weil er genau diesen Beleg einer fossilen Mäuseart einer ganz bestimmten Zeit
haben möchte. Das können Sie mit einem Schallplattensammler vergleichen, der
zwar sämtliche Aufnahmen eines Musikers besitzt, für seine Gäste aber jedes Mal
nur die wenigen Hits aus dem Plattenregal holt.”
Hits benötigt man, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Frau Möllmann
gibt sich bescheiden. „Wir sind ein mittelständisches Haus”, sagt sie. „Die Großen
haben andere Strukturen und andere finanzielle Voraussetzungen. Mit dem Frankfurter
Senckenbergmuseum beispielsweise können und müssen wir gar nicht mithalten. Wir
sind nicht ganz klein und wir leisten eine solide Arbeit. Das passt hierher.”
Das Programm kommt an. Die jährlich mehr als 70.000 Besucher beweisen es und
die Direktorin freut sich. „Wir sind in Dortmund das besucherstärkste städtische
Museum”, sagt sie nicht ohne Stolz. In erster Linie orientiert sich das Naturkun-
demuseum dabei an Familien und deren Bedürfnissen. Über 270 Kindergeburtstage
wurden allein 2011 im Haus ausgerichtet. Insgesamt waren es im vergangenen Jahr
mehr als 470 Veranstaltungen, darunter Aktionen für Schulklassen und Events wie
die Museumsnacht, der Tag der offenen Tür oder der Internationale Museumstag.
2012 gab es darüber hinaus eine ganz besondere Feier, am 3. Juni, der hundertste
Geburtstag. „Zum Fest sind alle Mitarbeiter kostümiert gekommen. In Kleidung,
wie sie zur Zeit der Gründung üblich war. Unsere Herren, in Frack und Zylinder, hat-
ten gleich ein ganz anderes Auftreten als sonst. Die Resonanz war toll. Ich glaube,
die Freude, die wir an unserer Arbeit haben, hat sich übertragen.”
Ohne ein grundsätzlich bereits vorhandenes Interesse bliebe ihr Haus leer, das
weiß auch die Direktorin. Man kann niemanden zwingen, ein Museum zu besuchen.
Doch Sorgen um die Zukunft macht sie sich in dieser Hinsicht nicht. Das liegt an
der unerschütterlichen Liebe der Kinder zu Dinosauriern. Im Eingangsbereich des
Museums stehen zwei lebensgroße Sauriermodelle und warten auf ihre Fans, ein
drittes hängt seit einiger Zeit von der Decke ab. Gelegentlich werden spezielle
Dinoübernachtungen angeboten, bei denen die jungen Gäste zu Füßen der Riesen-
echsen schlafen dürfen. „Ich glaube, diese Saurierzeit wird nie wirklich ausster-
ben”, sagt Frau Möllmann. „Dinos sind groß, imposant und für Menschen nicht
bezwingbar. Das macht ihre Faszination aus. Und ich finde es spektakulär, wenn
die Kleinen die ganzen Sauriernamen besser drauf haben als ich.” (wk)
INFO
Museum für Naturkunde | Münsterstraße 271 | 44145 Dortmund
Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr, Montag geschlossen
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Halten wir es aus!
Dortmund hat‘s nicht leicht. Erst zeigt der
Dortmunder ARD-Tatort, dass es tatsäch-
lich Kriminalität (!), Zuwanderung und so-
gar Armut gibt, die als Vorlage für einen
Krimi dienen kann. Dann beschreibt eine
Studie die Entwicklung des Armutspro-
blems in Dortmund wenig stadtmarketing-
tauglich und darüber wird dann auch noch
berichtet. Unter anderem macht das ARD-
Morgenmagazin eine kleine, augenzwin-
kernde Reportage. moma-Reporter Mar-
tin Kaysh guckt sich den Phoenixsee an,
hält ein Quätschchen in der Suppenküche,
macht einen kleinen Stadtrundgang mit
einem unserer Verkäufer. Als ironischen
Seitenhieb auf die Erfolglosigkeit der un-
zähligen EU-Förderprogramme versucht am
Ende ein Sitar-Spieler eine etwas skurrile
Nordstadt-Heilung. Nett.
In einem Fernsehkrimi, in einer Armuts-
statistik und in einem Magazinbeitrag
vorzukommen – das Los einer Großstadt,
könnte man meinen. In Hamburg würde
wahrscheinlich niemand eine Braue heben,
und in Berlin hätte es wieder keiner mitbe-
kommen, weil ja eh so viel los ist.
Hier ist die Polizei aus dem Häuschen, weil
Tatort-Kommissar Faber offensichtlich ei-
nen an der Mütze hat, und die Leserbrief-
schreiber sind in Aufruhr, weil Dortmund
doch auch schöne Ecken habe, die der Tat-
ort verschweige. Schließlich schreibt sogar
die eine Lokalzeitung so etwas wie eine
Gegendarstellung zum kurzen Morgenma-
gazin-Bericht. Vieles, was da zu sehen und
zu hören war, sei nur „die halbe Wahrheit“.
Ach, bitte! Ich bin ganz froh, nicht in ei-
ner „Stadt“ zu leben, in der man in knapp
fünf Minuten die ganze Wahrheit erzählen
kann. Wir haben ein megalomanes Fichten-
gesteck und ein knappes Drittel der Kinder
lebt vom Amt. Wir haben ein güldenes Ein-
kaufszentrum und Menschen, die ihr Essen
im Müll suchen. Wir haben die allerbeste
Fußballmannschaft und ein Naziproblem.
Hier wohnen furchtbare und ganz und gar
großartige Menschen, hier gibt es unend-
lich viele Geschichten zu erzählen und
nicht jede ist schön. Erst alle zusammen
sind die Stadt und wir werden Großstädter,
wenn wir das aushalten. (bp)
NEWS | von Sandro Giuri · Sebastian Sellhorst20 DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter
10.400 Menschen ohne Geld
Laut einer kleinen Anfrage der
Bundestagsfraktion „Die Linke“ an
die Bundesregierung wurden 2011
10.400 Menschen die Hartz IV Re-
geleistungen um 100% gekürzt.
Die Betroffenen einer Totalkürzung
haben für mindestens drei Monate
kein Geld erhalten. Zum Vorjahr hat
sich die Zahl dieser Totalkürzungen
verdoppelt. Obwohl das Bundesver-
fassungsgericht Sozialleistungen
unter dem Existenzminimum bereits
im Juli dieses Jahres im Rahmen
eines Urteils zum Asylbewerber-
leistungsgesetz untersagte, sieht
die schwarz-gelbe Bundesregierung
„keinen Handlungsbedarf“. Wolf-
gang Neškovic, ehemaliger Bundes-
richter und aktuell Chef-Justiziar
der Linksfraktion, bezeichnet dies
als einen „unhaltbaren Zustand“.
Die Bundesregierung bestreitet
nicht, dass den von einer Totalkür-
zung betroffenen Menschen auch
die Obdachlosigkeit droht. „Erschre-
ckend ist das Beharren der Bundes-
regierung auf ihrer fehlerhaften
Rechtsansicht trotz gegenteiliger
Urteile des Bundesverfassungsge-
richts“, so Neškovic.
SKOTTS SEITENHIEB
Wachsende Armut in Städten
Das Ruhrgebiet rutscht ab. Das ist
das Ergebnis einer Studie des Wirt-
schafts- und Sozialwissenschaftli-
chen Institut der Hans-Böckler Stif-
tung (WSI), die die Entwicklung in
den 15 größten Städten vergleicht.
Laut der Studie leben in mehreren
Großstädten rund 25 Prozent der
Bevölkerung unterhalb der Armuts-
grenze. Für Alleinstehende bedeutet
das ein Einkommen von weniger als
848 Euro im Monat. Besonders auf-
fällig: In Dortmund und Duisburg
schreitet diese Entwicklung rasant
voran, die Studie bezeichnet sie als
„dramatisch”: Die Quote ist in den
letzten sechs Jahren um ein Drittel
gestiegen, von 18,6 Prozent im Jahr
2005 auf 24,2 Prozent im Jahr 2011.
Als Gründe gelten Einkommensar-
mut durch den wachsenden Nied-
riglohnsektor und die steigenden
Lebenshaltungskosten sowie die zu-
nehmende Verschuldung von beson-
ders jungen und älteren Personen.
Gerade Letztere sind oft aufgrund
niedriger Rentenbezüge auf eine
Grundsicherung im Alter angewie-
sen und verschulden sich durch die
stetig steigenden Preise.
Sozialer Status entscheidet mit
Das Leben in Problemvierteln scha-
det der Gesundheit. Besonders Be-
lastungen durch Lärm, Feinstaub
und mangelnde Grünflächen grei-
fen intensiv die Lebensqualität der
Bewohner an. Zu diesem Ergebnis
kommt die Dortmunder Raumplane-
rin Dr. Heike Köchler. „Wir können
ablesen, dass Menschen in Prob-
lemvierteln teilweise bis zu sechs
Jahre früher sterben“, schildert sie
die Situation. Der gesetzliche Auf-
trag von Städteplanern sei mit der
Schaffung von gesunden Wohn- und
Lebensverhältnissen klar definiert.
Mit dem Ziel, den Lebensraum in
der Dortmunder Nordstadt zu ver-
bessern, arbeitet die Raumplanerin
jetzt mit der Bürgerinitiative Mach-
barschaft Borsig 11 e.V. zusammen.
Ziel ist es, sich gemeinsamen für
eine bessere Verkehrs- und Um-
weltsituation in dem Stadtviertel
zu engagieren. Die Bürgerinitiative
organisierte unterschiedliche Pro-
jekte, wie z.B. eine mehrsprachige
Bibliothek oder ein Straßenfußball-
turnier für Kinder, um das Stadtvier-
tel lebenswerter zu machen.
21
Was bleibt vom Jahr? Die Spieler der Nationalelf haben nicht gesungen, und deshalb sind wirnicht Europameister geworden. Unglaublich. Demnächst möchte ich schon beim Verlesen derAufstellung hören: Heute im Tenor - Neuer und Lahm, im Bariton - Hummels, Götze… Die gleichzeitig zur EM stattfindenden Menschenrechtsprobleme mit dieser Dings, dieser Frau da in der Ukraine (oder war das Weißrussland?) sind doch durch irgendwie.
Genauso wie die Herdprämie. Man ist froh, dass man sich das nicht mehr anhören muss. Da sind alle glücklich geworden, also CDU, CSU und sogar die FDP. Weil gleichzeitig die Praxisgebühr abgeschafft wird. Mütter können die Kleinenbald in der Krabbelecke des Wartezimmers abgeben, wenn sie mal Ruhehaben wollen, kostet ja nix mehr. Und Arztpraxen gibt es im Gegensatzzu Kitas an jeder Ecke.
Aufgeregt hat uns auch der Organspendeskandal. Da wird jetztaufgeräumt. Wahrscheinlich müssen sich Hartz IV-Empfänger dem-nächst verpflichten, ihr Innerstes posthum dem Staat zu vermachen,irgendwie muss das Geld wieder reinkommen.
Um Geld ging es auch bei den Bochumer Stadtwerken. Die gaben eineMenge aus, damit Peer Steinbrück dort redet. Zum Jahresende werdendie Strompreise erhöht. Wundersamerweise steigen sie in Dortmundauch, obwohl Steinbrück da gar nicht geredet hat.
Ums Geld geht es auch beim von Mayas vorausgesagtenWeltuntergang am 21. Dezember. Ich wette eine Million darauf, dasser nicht stattfindet, suche nur noch einen esoterischenGroßverdiener, der dagegen setzt. Der Wetteinsatz wäre einenTag später fällig. Das wäre mal ein todsicheres Geschäft.
Sollte ich die Millionen eingesackt haben, käme das Jahr zueinem guten Ende. Dann steht schon die Neujahrsanspracheder Bundeskanzlerin an. Die ist gratis, außer GEZ. WasMerkel sagt, ist traditionell egal. Nur singen muss sie diesesMal, will sie nicht ungültig sein. (s.o.) Aber dann ist ja auchschon 2013. Martin Kaysh (Geierabend)
schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.
Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt
Unterbezirk DortmundKlosterstraße 8-1044135 Dortmund0231- 99 340
Unterbezirk Ruhr-MitteBleichstr. 8 44787 Bochum0234- 96 47 70
Unterbezirk UnnaUnnaer Straße 29a59174 Kamen02307- 91 22 10
Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaftbewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
Werden auch Sie Mitglied in der AWO!
www.awo-ww.de
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22
Aurora, eine temperamentvolle alte Frau,
ihre kapverdische Haushälterin und eine so-
zial engagierte Nachbarin leben im gleichen
Wohnhaus in Lissabon. Als die alte Frau im
Sterben liegt, sucht ihre Nachbarin auf ihren
Wunsch hin einen gewissen Gian Luca Ventu-
ra. Sie findet ihn im Altersheim. Wie sich her-
ausstellt, verbindet ihn mit Aurora eine Ge-
schichte aus der Zeit kurz vor Ausbruch des
portugiesischen Kolonialkrieges. Er beginnt
eine Erzählung von Liebe und Leidenschaft.
Mit den Worten „Aurora hatte eine Farm in
Afrika, am Fuße des Monte Tabu…“ beginnt
eine der schönsten und abenteuerlichsten
Liebesgeschichten dieses Kinojahres. Miguel
Gomes entführt uns mit einer Ästhetik, die
an die Magie der goldenen Stummfilm-Ara
des Hollywood-Kinos erinnert, in eine fikti-
ve portugiesische Kolonie in Afrika, kurz vor
dem Ausbruch der Befreiungskriege.
Die Abenteuer liegen vor der Veranda, eine
Rock’n’Roll-Band spielt in weißen Anzügen
und die Drinks sind stark. Trotzdem – die ge-
sellschaftlichen Konventionen gebären sich
auch hier als Korsett für eine leidenschaft-
liche, aber heimliche Liebe, die mit einem
schlimmen Verbrechen enden muss.
Alfred-Bauer-Preis und FIPRESCI-Kritikerpreis
auf der Berlinale 2012
Deutsche Fassung:
Do. 20.12. bis Mi. 26.12. um 19.15 Uhr
Portug. Original mit dt. Untertiteln:
Do. 27.12. bis So. 30.12. um 17 Uhr
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum
Telefon 0234 – 68 71 620
www.endstation-kino.de
endstation.kino & bodo präsentieren:Tabu – Eine Geschichte von
Liebe und Schuld
22 KINOTIPP | von endstation.kinoNETZWELT | von Sebastian Sellhorst
Welche Hürden muss ich überwinden, wenn ich einen Kaffee trinken oder ein
Buch kaufen will? Diese oder ähnliche Fragen stellen sich viele der 1,6 Mil-
lionen Rollstuhlfahrer in Deutschland täglich. Mit dem Ziel, den Alltag von
Menschen mit Behinderung ein wenig einfacher zu gestalten, ist 2010 die
Webseite wheelmap.org gestartet. Eine große Landkarte, auf der öffentliche
Orte zusammen mit Informationen zu ihrer Barrierefreiheit gesammelt werden,
soll Menschen mit eingeschränkter Mobilität helfen, ihren Alltag einfacher und
aktiver zu erleben.
Wheelmap.org basiert auf dem Kartenmaterial von OpenStreetmap, einer freien
digitalen Weltkarte. Nach einer kurzen Registrierung kann jeder Nutzer selbst
Orte auf dieser Karte eintragen und sie nach einem einfachen Ampelsystem
bewerten. Ist ein Ort als grün gekennzeichnet, bietet er uneingeschränkten
Zugang. Orange weist auf eingeschränkte Barrierefreiheit hin, weil zum Beispiel
eine Stufe den Eingang erschwert oder weil keine passenden Toiletten vorhanden
sind. Orte, die rot auf der Karte angezeigt werden, sind für Rollstuhlfahrer nicht
nicht zugänglich.
Betrieben wird die Webseite vom Verein Sozialhelden e.V., einer Gruppe enga-
gierter Menschen, die seit 2004 gemeinsam Projekte entwickeln, um auf soziale
Probleme aufmerksam zu machen. Die ursprüngliche Idee für wheelmap.org hatte
Raul Krauthausen, selbst Rollstuhlfahrer und Mitgründer der Sozialhelden, als
er sich darüber ärgerte, immer das gleiche Café besuchen zu müssen, da ihm
Informationen über die Barrierefreiheit anderer Lokale fehlten. „Als Berliner
kann ich jetzt herausfinden, wo ich bei einem München-
Aufenthalt meine Weißwurst essen kann, ohne draußen
vor der Tür kehrt machen zu müssen“, freut er sich über
die mittlerweile 250.000 auf wheelmap.org einge-
tragenen Orte. Täglich werden es ca. 200 mehr. „Wir
wollen bundesweit – und auch international – immer
bekannter werden, um mehr und mehr Rollstuhlfahrern
einen aktiven und abwechslungsreichen Lebensstil zu
ermöglichen.“(sese)
www.wheelmap.org
Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein
Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:
Raul Krauthausen
23
23
Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen.Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:
[email protected] schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an:
bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund
Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner
werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin.
Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 20. 12. 2012
19.12. | Circus FlicFlac | Westfalenhalle, Dortmund | 5 x 2 Karten
20.12. | Silbermond | Westfalenhalle, Dortmund | 2 x 2 Karten
20.12. | Mike Litt | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten
21.12. | Cäthe | FZW, Dortmund | 2 x 2 Karten
26.12. | Weihnachts-Jazzmatinee | Opernhaus, Dortmund | 5 x 2 Karten
27.12. | A Christmas Carol | Theater im Depot, Dortmund | 3 x 2 Karten
Haben Sie’s heilig? – Satiren im Schatten der Krippe | Stefan Keim | 2 Exemplare
Durch den wilden Osten – Mit dem Fiesta Richtung Mongolei | Kai Schäder | 2 Exemplare
8 1/2 · Bar · Ristorante | Sonnenstraße 74 | 44139 Dortmund | Ein Essen für zwei Personen
Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!
FlicFlac»Highlig Abend!« – Circus Show
18. Dezember bis 6. Januartäglich um 16 Uhr und 20 Uhr
im Zelt an der Westfalenhalle Dortmund
bodo verlost 5 x 2 Karten für Mittwoch, den 19.12. um 16 Uhr
VERANSTALTUNGEN DEZEMBER 2012 | VERLOSUNGEN | CD-TIPPS zusammengestellt von Benedikt von Randow
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net in der Vorweihnachtszeit seine Türen. Jeden Montag
zwischen dem 3. und 17. Dezember sowie jeden Mittwoch
von 10 – 13 Uhr kann in den Künstlerateliers die gemüt-
liche Atmosphäre des Hauses genossen und nach Kunst-
geschenken gestöbert werden. Annette Göke, Franz Ott
und Rita-Maria Schwalgin freuen sich auf Sie. Mehr Infos
unter www.kunstdomäne.de.
Kunstdomäne, Dortmund, 10 – 13 Uhr (jeden Mo. & Mi.)
Musik | Shantel & Bucovina Club Orkestar
Der Frankfurter Freestyle-, Balkanbeat- und Electronica-
Meister Stefan Hantel alias Shantel macht mit seinem
Bucovina Club Orkestar aus Ex-Jugoslawien, Graz und
Frankfurt Bucovina – das bedeutet in der Zwischenzeit:
Polka und Kasachok die ganze Nacht. Und die „Anarchy
& Romance Tour 2012“ ist gespickt mit Balkan-Beats,
die auf 60ties Garage und Rock‘n‘ Folk treffen, Elektro
Funk, Vintage E-Gitarren und Drums lassen alles zu ei-
nem ekstatischen Partyexzess explodieren. Shantels Bu-
covina Club gehört zu den fettesten Live-Spektakeln der
Gegenwart (zuletzt bei Juicy Beats zu erleben). „Nicht
nach Minuten, nicht nach Sekunden – nein, innerhalb
von Zehntelsekunden steht das Publikum Kopf!“ (dpa).
FZW, Dortmund, 20 Uhr
DI 04 | 12 | 12
Kleinkunst | Fräulein Nina
Fräulein Nina wandelt weiter auf Solopfaden. Als Schla-
gersängerin mit 50er-Jahre-Repertoire in Dortmund und
Umgebung bekannt geworden, widmete sich die Wahl-
hamburgerin mit einem Faible für kleine, intime Büh-
nenszenerien mehr und mehr dem Schreiben. Mit ihrem
Programm „Angelköder und Kleintierpension“ wirft das
Fräulein die Rute aus und präsentiert ihre Beute. Alles,
was sie aufregt, alles, was sie irritiert, alles, was ihr
passiert, verpackt sie in Stories, die sie vorliest. Übers
Heiraten, über aberwitzige Supermarktbesuche und Er-
lebnisse von ihren Tourneen fernab der Bühne. Dazu singt
sie passende Lieder zu Karaoke-Musik. Manchmal kennt
sie die Songs gar nicht. Eine besondere Herausforderung
für das Publikum, das entscheidet, wann sie singt und
welches Lied, das sie vielleicht gar nicht kennt. Wenn sie
gut drauf ist, wird dazu rosafarbener Nudelsalat gereicht.
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
MI 05 | 12 | 12
Musik | Folkery: Dieselknecht
Bei ausgelassener Stimmung mit Pils und Korn liefern
Dieselknecht auf der Folkery-Bühne im KulturCafé der
Bochumer Ruhr-Uni eine akustische Mischung aus Volks-
lied, Hillbilly und Punk. Mit der zweiten Veröffentlichung
„Unrasiert und fern der Heimat“ widmen sie sich den
eigenen, nachdenklichen und zum Teil sogar zärtlichen
Tönen. Damit aber keine Missverständnisse aufkommen,
bestehen sie darauf: „Wir sind hart!“
KulturCafé, Bochum, 21 Uhr
Kleinkunst | Ganz Schön Feist
Die haarloseste Boygroup der Comedy-Szene hat die
Nase voll? Noch nicht ganz, aber die Traumtypen ha-
ben noch andere Träume. Damit die aber nicht ganz
so schnell in Erfüllung gehen, gibt es vorher noch
einen Abschiedsbesuch bei den feistesten aller Fans.
„Tschüss!!!“ heißt das letzte Programm, bevor dann
Ende 2012 nach 20 Bühnenjahren der letzte Vorhang
für das Trio fällt. Den Abschied kommentiert die Band
selbst: „Ja, natürlich, Abschied is‘ wie‘n Stein an‘ Kopp,
wie‘n Tritt in‘ Schritt, aber wenn wir uns langweilen,
können wir ja einfach ,hello again‘ sagen“.
Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr
01 – 29 | 12 | 12 Benefiz für Kinder – Kettenreaktion
24 VERANSTALTUNGEN DEZEMBER 2012
03 | 12 | 12 Shantel & Bucovina Club Orkestar
SA 01 | 12 – SA 29 | 12 | 12
Benefiz | Kettenreaktion mit glitzerndem Silberstaub
In der Vorweihnachtszeit entsteht in der „Galerie für
zeitgenössischen Schmuck“ in Dortmund eine ganz
besondere Halskette. Mit einem Spendenbeitrag von
12 Euro kann jeder aus Dortmund und dem Umland
individuelle Kettenglieder aus Silber gestalten und
fertigen. Menschen aus völlig unterschiedlichen Lebenszu-
sammenhängen schmieden auf diese Weise gemeinsam ein
Schmuckstück. Aus Einzelstücken wächst langsam ein Gan-
zes – so entsteht eine Kette, die so unterschiedlich ist wie
die Menschen dieser Region. Dieses besondere Unikat wird
Anfang 2013 während einer Benefiz-Auktion versteigert.
Der Erlös kommt dem Westfälischen Kinderzentrum Dort-
mund zu Gute. Das Werden und Wachsen kann unter www.
facebook.com/ketten.reaktion.dortmund verfolgt werden.
Galerie für zeitgenössischen Schmuck, Kleppingstr. 28
Mo bis Fr 11 – 18.30 Uhr, Do bis 21 Uhr, Sa 11 – 18 Uhr
SO 02 | 12 | 12
Kultur | Internationale Weihnachtsfeier
Auch in diesem Jahr lädt die Auslandsgesellschaft NRW
dazu ein, die vorweihnachtliche Stimmung mit kulturellen
Beiträgen und internationalen Köstlichkeiten zu genie-
ßen. Der koreanische Kinderchor Köln unter der Leitung
von Yun-Jeong Lee singt Weihnachtslieder und koreani-
sche Lieder; Marie-Christine Schwitzgöbel aus Marseille
stellt die provencalische Krippe mit ihren „Santons“ vor;
der Knabenchor der Chorakademie Dortmund singt unter
der Leitung von Jost Salm; Craig Herbertson interpretiert
schottische und irische Lieder; Maria Polonidou spielt klas-
sische und moderne griechische Musik auf der Violine, da-
nach treten Elena Hajfiz (Sopran) und Tatiana Prushinskaya
(Klavier) auf. Die Trommelmeister-Band Afrolight stellt die
afrikanischen Kulturen durch traditionelle Trommelmusik
und Tänze vor; Anne & Josue singen lateinamerikanische
Volkslieder, Huapango und Son aus Mexiko, Zamba aus Ar-
gentinien, Bolero aus Kuba und Bossa Nova aus Brasilien.
Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dortmund, 14 Uhr
MO 03 | 12 | 12
Kunst | Kunstdomäne öffnet die Türen
Das Atelierhaus Kunstdomäne (Schillerstraße 43a) öff-
PAUL KALKBRENNER | Guten Tag (PK Musik / RoughTrade)
Der Meister der beseelten, minimalen Elektro-Beats legt schon gut ein Jahr nach dem letzten Album das nächste
nach. War „icke wieder“ insgesamt eher etwas geschmeidiger, softer, aber auch teilweise experimenteller, so
kommt „Guten Tag“ nun wesentlich konsequenter und stringenter daher. Man merkt, dass Paul Kalkbrenner viel
live unterwegs war und er fette Tracks für die tanzende Meute brauchte. Gleich nach dem Intro geht der Berliner
DJ & Produzent mit „Der Stabsvörnern“ in die Vollen, woran sich „Spitz-Auge“, gleichfalls ordentlich nach vorne
gehend, prima anschließt. Das Konzept der Scheibe ist erkennbar: Erst immer kleine, einminütige Intros, Füllsel,
Frickel-Späße und dann ein fetter Track, der in Bauch und Beine geht. Ein bisschen so wie bei einem Live-Set.
Nachdem es beim letzen Album noch von Oldschool-„Paule“-Fans etwas Geunke gab, weil zu wenig dicke technoide
Beats und Tanzflächentauglichkeit, wird Herr Kalkbrenner mit „Hinrich zur See“, „Der Buhold“, „Trümmerung“, „Der
Ast-Spink“ & Co, die kritischen Gemüter beruhigen, „das Gezabel“ beginnen lassen und das feierfreudige Volk wie-
der schön Richtung Ekstase schieben. Auf „Guten Tag“ hat Paul K. sich wohl mehr vom Bauch als vom Hirn treiben
lassen. Mir gefallen beide Ansätze. (BvR)
CD-TIPP
25
DO 06 | 12 | 12
Musik-Comedy | Das GlasBlasSing Quintett
Dass es möglich ist, sein Geld mit Musik auf leergenu-
ckelten Pfandflaschen zu verdienen – wer hätt‘s gedacht?
Niemand. Wer hat‘s gemacht? Das GlasBlasSing Quintett!
Neun Jahre ist das inzwischen her. Seit fünf Jahren las-
sen sie es sich nicht nehmen, ihre hoffnungsvollen Kar-
rieren in Hochleistungssport, Wirtschaft, Politik, Astro-
logie und Binnenfischerei ruhen zu lassen, um sich der
Erkundung des Musikphänomens Flasche im Hauptberuf
zu widmen. Nun gibt es live erstmalig einen Best-Of-
Querschnitt durch ihre beiden bisherigen Abendprogram-
me „Liedgut auf Leergut“ und „Keine Macht den Dosen!“,
abgerundet durch erste Ausblicke auf das für 2013 anbe-
raumte dritte Flaschenmusikprogramm.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
FR 07 | 12 | 12
Musik | Dickes B!
Die satten Raps der beiden MCs Max und Macka unterlegt
mit frisch geschnibbelten Beats und Melodien von den
flinken Fingern von DJ Cem & Band haben den HipHop-
Funk-Soundclash der „Dicken“ schon längst über die Gren-
zen Kölns hinaus bekannt gemacht. Ihren klischeefreien
und durchdachten Raps verpassen die Herren an den In-
strumenten live einen satten, organischen Unterbau und
verwursten bestens gelaunt Hip Hop, Funk, Jazz und Reg-
gae. DJ Cem Yilmaz krönt das Resultat mit Kunsthandwerk
an den Plattentellern. Der Eintritt zur anschließenden
HipHop-Party La Schmoov ist für Konzertbesucher frei.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 21 Uhr
SA 08 | 12 | 12
Themen-Führung | Arbeitsplatz Nikolaus
Nachtarbeit, korrekte Ladungssicherung oder Rücken-
schmerzen durch den harten Fahrersitz im Schlitten: Ni-
kolaus sein ist alles andere als ein Zuckerschlecken. Was
also tun, wenn die Saisonarbeit richtig stressig ist, wenn
schweres Heben und Tragen auf den Schultern lastet und
die Kollegen von der Transportabteilung mal wieder nicht
zu bändigen sind? Eine DASA-Führung über den Nikolaus,
seinen Arbeitsalltag und freundliche Helfer am Wegesrand.
DASA, Dortmund, 14 Uhr
Design | YARD Designmarkt
An dem Dezemberwochenende 8. und 9.12. präsentiert
der YARD Designmarkt in der Zeit von 12 bis 19 Uhr einmal
mehr über 60 Künstler, Designer und Kreative und ihre
Werke. Bilder, Textilien, Accessoires, Möbel, Schmuck,
Gadgets – hier entdeckt und findet man auf über 650 qm
Ausstellungsfläche die besonderen Dinge. Ob wunder-
04 | 12 | 12 Fräulein Nina 05 | 12 | 12 Ganz Schön Feist 06 | 12 | 12 Das GlasBlasSing Quintett
schöne Weihnachtsgeschenke, wärmende und ausgefal-
lene Winteraccessoires oder Kunstdrucke und Leinwände
von Künstlern der Region – hier ist für jeden etwas Ein-
zigartiges dabei. Die Rotunde – der ehemalige Bochumer
Hauptbahnhof – wird mit einem außergewöhnlichen
Raumdesign von der Designerin Sandra Swienty dabei
wunderbar in Szene gesetzt. Auch das Rahmenprogramm
lädt zum Verweilen ein: DJ Gerald funkt aus dem Musik-
wohnzimmer Rare Grooves, Beat & Soul und Live-Musik
krönt die beiden Abende der Veranstaltungstage.
Rotunde, Bochum, 12 – 19 Uhr (auch 9.12.)
Flohmarkt | Schwarzmarkt
Abertausende von Raritäten, Seltsamkeiten und wie-
derverwertbare Schätze warten darauf, vom Publikum
erwühlt zu werden. Bei einem erfrischenden Getränk
und guter Musik dürfen die Besucher die Entdeckungen
der finstersten Abgründe der Keller und Dachböden der
Händler bestaunen und natürlich auch käuflich erwerben.
Dass man einen Flohmarkt nicht direkt mit einem kultu-
Alle Infos kostenfrei
unter 0800.544 00 44
oder www.dew21.de
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26
rellen Genuss verbindet, scheint klar zu sein. Gerade
da aber knüpft der Schwarzmarkt an und verbindet
Kultur und Kunst mit dem nächtlichen Treiben. Und
für den Trödel-Abend gibt‘s wieder jede Menge Pro-
gramm: das DJ Team Funktronix verbindet Neues mit
Altem und noch Älterem: Soul, Funk, Reggae.
Depot, Dortmund, ab 17 Uhr
Musik | César „Chino“ Pérez & Band
César „Chino“ Pérez, Posaunist und Sänger aus Venezuela,
begann seine musikalische Karriere als Mitglied der le-
gendären Formation „Dimension Latina“. Seit 2000 ist er
u.a. als festes Mitglied der „Heavytones“, der Showband
von Stefan Raabs „TV Total“, regelmäßiger Gast in TV-
Shows. Mit seiner eigenen Band präsentiert César „Chino“
Pérez überwiegend Eigenkompositionen, die bereits auf
zwei Alben dokumentiert sind, und sehr tanzbare, klassi-
sche Ballroom-Salsa versprechen mit eingängigen Melo-
dien und einer kraftvollen Bläsersektion. Mit Pérez wird
die lockere Reihe mit hochkarätigen Salsabands „made in
NRW“ im domicil fortgesetzt. Anschließend: Salsabomba
– die Salsanacht mit DJane S.Bomba.
domicil, Dortmund, 21 Uhr
MI 12 | 12 | 12
Comedy | Matze Knop
Was hätte eine bessere Einstimmung auf das neue Büh-
nenprogramm „Platzhirsche – Männer, Machos, Mutter-
söhnchen“ von Matze Knop sein können als die Fußball-
Europameisterschaft? Man kam einfach nicht an ihm
vorbei. Seine TV-Präsenz war hart an der Grenze der Über-
dosierung. An ihm oder besser gesagt an einer seiner zahl-
reichen Parodien von Kloppo über Niki Lauda, Jogi Löw,
Felix Magath, den Lodda und Kaiser Franz bis hin zu Dieter
Bohlen. Mit „Platzhirsche – Männer, Machos, Muttersöhn-
chen“ greift Parodist Matze Knop in Stand-Up-Manier ta-
gesaktuelle Themen auf und lässt auf der Bühne die Gren-
zen zwischen Parodie und Original verschwimmen.
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, 20 Uhr
Musik | MissinCat
Hinter dem Namen MissinCat steht die italienische Sin-
ger/Songwriterin und Wahlberlinerin Caterina Barbieri,
die bereits mit Amy Winehouse auf Deutschland-Tour
war und deren Song „Back On My Feet“ man aus einer
Nintendo-Werbekampagne kennt. 2009 veröffentlichte
MissinCat ihr Debütalbum, tourte durch Deutschland und
schrieb neue Songs für ihr zweites Album „Wow“, auf dem
die Mailänderin sich erstmals auch in ihrer Muttersprache
präsentiert. Neben unüberhörbaren Folk-, Indie- und
LowFi-Pop-Elementen greift MissinCat auch Kinderlied-,
Filmmusik-, Zirkus-, Twang-, kammermusikalische, Jazz-
combo- und Walzer-Motive auf. Thematisch geht es oft
um Herz-Schmerz und andere traurige Angelegenheiten.
Aber es gelingt ihr, bei allem Schmerz und aller Melan-
cholie immer positiv und optimistisch rüber zu kommen.
subrosa, Dortmund, 20 Uhr
Comedy | Moses W.
„Mach Platz, ich mach Plätzchen“ heißt das Weihnachts-
kabarett mit musikalischer Unterwanderung von Moses
W. Männer sind von Null auf Hundert in 3 Sekunden und
brauchen für den Einkauf sämtlicher Weihnachtsge-
schenke maximal 24 Stunden. Das bedeutet aber nicht,
dass ihnen Weihnachten egal ist. Immerhin sind nahe-
zu alle Rollen der Weihnachtsgeschichte männlich be-
setzt: 1 Zimmermann, 1 Jesuskind, 3 Könige, 1 Komet,
1 Palmbusch, 1 Ochse und 1 Esel. Alles Männer. Ledig-
lich die Rolle der Maria bleibt Frauensache. Und das ist
gut so. Moses W. backt im Stundentakt, lernt mit der
Weihnachts-CD Lieder auswendig, nutzt den Amazon-
Last-Minute-Service und vertraut auf die Zuverlässigkeit
von DHL. Wenn das kein Gottvertrauen ist.
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
FR 14 | 12 | 12
Lesung | Thomas Hoeveler: Der Querleser
Thomas Hoeveler vom kleinewelttheater präsentiert aus
dem Stehgreif seitenweise Auszüge aus einer Auswahl
von Büchern, die vom Zuhörer selbst mitgebracht wer-
26 VERANSTALTUNGEN DEZEMBER 2012
07 | 12 | 12 Dickes B! 08 | 12 | 12 YARD Designmarkt
den. Das Publikum hat die Qual der Wahl und entscheidet
selbst, welche Seite aufgeschlagen wird. Das Programm
entsteht an diesem Abend, mal lustig, mal nachdenk-
lich, mal deftig, ganz nach den Wünschen der Zuhörer.
Es erwartet Sie eine ultimativ interaktive, literarische
One-man-Show. Bücher nicht vergessen!
Bochumer Kulturrat e.V., Bochum, 20 Uhr
SA 15 | 12 | 12
Preisverleihung | 2. Bochumer Menschenrechtspreis
2003, als Shirin Ebadi mit dem Friedensnobelpreis ausge-
zeichnet wurde, hatte sie den Preis an alle Iranerinnen
und Iraner weitergereicht, die für Demokratie und Men-
schenrechte kämpfen, für politische, sexuelle, religiöse
Freiheit: „Die Grüne Bewegung“, so die international
hoch angesehene Menschenrechtsaktivistin, „ist eine
demokratische, also keine ideologische Bewegung. Sie
vereint Menschen mit unterschiedlichen Auffassungen
und Neigungen.“ In dieser Tradition steht der Bochu-
mer Menschenrechtspreis, dessen Schirmherrin Shirin
Ebadi ist. Die Exil-Iraner im Ruhrgebiet, die – aus sehr
unterschiedlichen Gründen – dem iranischen Regime ent-
kommen sind, unterstützen von Bochum aus die Protes-
te gegen Ahmadinedschad. Der Preis, den sie verleihen,
ist keine Charity-Veranstaltung, das Ganze kommt ohne
roten Teppich aus, hier geht es um Leben, um Tod, um
Freiheit und Demokratie. Der Eintritt ist frei.
Christuskirche, Bochum, 17 Uhr
SO 16 | 12 | 12
Kunst und Kulturgeschichte | Zur Geschichte der Heißgetränke
Tee, Kakao, Kaffee – im letzten Drittel des 17. Jahrhun-
derts halten drei in Europa bisher weitgehend unbekann-
te Heißgetränke aus Übersee Einzug in die europäischen
FLAMINGO STAR | Nothing Sweeta (peacelounge recordings)
Das Frankfurter Label „peacelounge recordings“ ist bekannt für seinen geschmeidigen Ambient-Elektro-Sound,
der sich nicht nur auf den hauseigenen Compilations „Early Morning Breaks“ und „DPI Collection“ wunderbar ein-
fügt, sondern auch auf vielen anderen Electric-Lounge-Zusammenstellungen. Da passt mit seinen entspannten
Hooks und Grooves wunderbar Matthias Becker aka Flamingo Star dazu. „Nothing Sweeta“ funktioniert ab dem
ersten Ton des gleichnamigen ersten Songs, der neben seiner Latino-Funkytüde vor allem von der hohen Stimme
der Soul-Diva Alison Degbe geprägt wird. Das ganze Album hätte so auch schon Ende der 90er erscheinen können.
Da gab es nämlich eine Hoch-Zeit von solch groovigem Elektro-Sound, der sich von Funk, Jazz, Latin, Soul, Disco,
Reggae, Bollywood inspirieren ließ. Bekannte Vertreter u.a.: Mo‘ Horizons, St. Germain, Thievery Corporation
und Koop, aber auch Daft Punk und Air. Vereinzelte Kritiker werden vielleicht anmerken, dass das alles zu seicht,
nonchalant, gefällig, happy-peppy ist, und das Risiko scheut, auch mal mit einem schrägen Ton das Gemüt he-
rauszufordern. Aber das ist nun mal der Ansatz dieser Musik, die eben in erster Linie für Entspannung und gute
Laune sorgen will. (BvR)
CD-TIPP
27
12 | 12 | 12 MissinCat 12 | 12 | 12 Matze Knop12 | 12 | 12 Moses W.
Fürstenhäuser des Barock. Von hier aus werden sie zu
heute noch populären Kultgetränken aller gesellschaftli-
chen Schichten. Über Teehandel und kuriose medizinische
Anwendungen, maßvollen oder maßlosen Schokoladenge-
nuss, über das Finden neuer Gefäßformen und die Suche
nach einer Formel fürs kostbare Porzellan – all diesen Din-
gen wird in der Führung nachgegangen. Und wer kennt
schon das Rezept für die „berühmte Jasminschokolade des
Großherzogs von Toskana“? Die Angebotsreihe „KulturGe-
nuss“ – eine Kooperation mit dem Museumscafé Baum –
findet an jedem dritten Sonntag im Monat statt.
Museum für Kunst und Kulturgeschichte, DO, 14 Uhr
DI 18 | 12 | 12 – SO 06 | 01 | 13
BODO VERLOSUNG | FlicFlac
„Hochleistung und jede Menge Höhenflüge sind bei
,Highlig Abend!‘ Programm – wir zeigen allein sieben
unterschiedlichste originelle
Luftnummern“, verspricht
FlicFlac Direktor Benno Ka-
stein. Außergewöhnliche
riskante Stunts wechseln
sich mit atemberaubender
Akrobatik und anarchischer Komik ab. Im Zirkushimmel
tobt der Tanz auf dem vertikalen Hochseil, das Todesrad
dreht sich, eine Rakete startet in den Lüfte, und in einem
wahren Feuerwerk fliegen die Moto Cross Jumper von „Air-
Fours“ über die Köpfe der Zuschauer hinweg. Ansonsten
ist alles anders als 2011 bei „Schrille Nacht, eilige Nacht“,
FlicFlac hat in aller Welt neue Artisten verpflichtet, die
ihre Premiere in Dortmund und oder gar in Deutschland
feiern. Nicht fehlen darf in der Show für die ganze Fa-
milie die spezielle Musikmischung à la FlicFlac mit wum-
mernden Beats, aber auch sanften Balladen. Der beliebte
Zirkus FlicFlac gastiert also auch Weihnachten wieder im
Revier, und zwar in Dortmund an der Westfalenhalle.
Zelt an der Westfalenhalle Dortmund, 16 & 20 Uhr
bodo verlost 5 x 2 Karten für den 19.12. um 16 Uhr.
Teilnahmebedingungen auf Seite 23.
DO 20 | 12 | 12
BODO VERLOSUNG | Silbermond
Das Album „Himmel auf“ zeigt eine Band, die erwachsen
geworden ist. Silbermond sind nicht mehr die jugendli-
chen Newcomer aus Bautzen.
Hier formulieren gestandene
Mittzwanziger Gedanken aus
ihrer Lebens- und Erfah-
rungswelt. Faszinierend da-
bei, wie die Band es erneut
schafft, die Gefühle ihrer Generation in Worte zu fassen.
Silbermond sind älter und reifer geworden – wie ihre Fans
mit ihnen. Live sind Silbermond ein wahres Highlight,
getragen durch die energiereiche, emotionale Perfor-
mance von Sängerin Stefanie und ihren sympathischen
Mitmusikern Thomas, Johannes und Andreas. Und wer
bei dem Albumtitel „Himmel auf“ eine zuckersüße Pär-
chenperformance mit Rosenduft und Romantik-Overkill
erwartet hat, irrt. Auch wenn sie auf ihrer neuen Platte
vieles ausprobieren und sich kreativ einmal richtig gehen
lassen wollten – Silbermond rockt. Und live mal sowieso.
Westfalenhalle 1, Dortmund, 20 Uhr
bodo verlost 2 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 23.
22. Nov – 23. Dezmo – do 10 – 21 Uhrfr u. sa 10 – 22 Uhr
so 12 – 21 UhrVerkaufsoffener Sonntagin der City: 2. Dezember
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28
BODO VERLOSUNG | Mike Litt – Der einsamste DJ der Welt
Sicherer als Schnee zu Weihnachten, gelungener
als manch gebratene Gans zum Fest: Die 1LIVE-
Radioshow „Der einsamste DJ der
Welt“ mit Mike Litt an Heiligabend
ist Tradition. Und das mittlerweile
schon seit 15 Jahren. Die Veröffentli-
chung seines erfrischenden, gleichna-
migen Debüt-Romans nimmt 1LIVE-Mo-
derator und DJ Mike Litt zum Anlass,
das „sichere“ Studio zu verlassen und
unter Menschen zu gehen. In seiner Liveshow erinnert
sich Mike Litt an die unzähligen einsamen Heiligabende,
an denen er Post aus dem Sektor und allen Teilen der
Welt bekam. Er spielt Musik für seine Gäste, tischt Weih-
nachtsgebäck auf und liest aus seinem neuen Buch Sto-
ries aus einem bewegten Leben zwischen Wahnsinn und
Weihnachten, Waisenknabentum und Weltenbummelei.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 23.
FR 21 | 12 | 12
BODO VERLOSUNG | Cäthe
„Cäthe muss nichts, kann aber alles“ titelte die Welt
Hamburg über ihr fulminantes Konzert, das die Trägerin
des Musikautorenpreises im
Rahmen ihrer letzten Tour-
nee in der Hansestadt spiel-
te. Die Kritiken überschlu-
gen sich vor Exzellenz und
„Wie Cäthe mit ihrer Band
auftritt ist der Wahnsinn. Die Lebendigkeit, die da von
der Bühne heruntergeschleudert wird, trägt man noch
den ganzen nächsten Tag mit sich“, sinniert der Kultur
Spiegel über die Hamburger Sängerin. Cäthe, die bereits
an ihrem zweiten Album arbeitet, steht in den Startlö-
chern für ihre Tour mit Stücken aus Cäthes Debütalbum
„Ich muss gar nichts“ und weiteren sinnlich bis frechen
Songs aus der Feder der stimmgewaltigen Künstlerin.
FZW, Dortmund, 20 Uhr
bodo verlost 2 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 23.
Kleinkunst | Akte X-Mas
Das wird bestimmt keine „Stille Nacht!“. Wortgewalti-
ge, aber einfühlsame Bühnenmenschen mit klassischer
Weihnachtsliteratur treffen auf Wortakrobaten, Poetry-
Slammer und Musiker, die sich der Wahrheit über den
Weihnachtswahnsinn verschrieben haben. „Gnadenlos
humorvoll“ schrieb die RN nach der bisher einmaligen
Aufführung im vergangenen Jahr. Zur großen Freude geht
das von Thomas Koch (WDR) konzipierte und moderierte
Programm in diesem Jahr auf NRW-Tour. Mit dabei: Kat-
inka Buddenkotte, Fritz Eckenga, Torsten Sträter, Andy
Strauß, Jenny Bischoff, Claus Dieter Clausnitzer, Ulrich
Schlitzer, Björn Jung, Charlotte Brandi & Paul Wallfisch.
Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr
Theater | Happy Apokalypse
Die Performance zum Abgang: Klaus ist am Ende! Burn-
out – sein Kopf hört nicht auf zu rattern. So beginnt er
zu laufen, einmal um die Welt – doch es hört nicht auf.
Erst als er dem Priester begegnet, der die Apokalypse
verkündet, bekommt er Hoffnung auf eine Lösung. Doch
als dann Herr Maya dazukommt und mit all seinen Rech-
nungen nicht mehr klar kommt, wird es auch für Klaus
langsam seltsam. Eine skurril-absurde Theater-Film-
Tanz-Performance, die in keine Schublade passt. Was
will ich eigentlich? Leben oder sterben? Und wie?
Theater Lebendich, Lindenhorster Straße 38,
44137 Dortmund (AWO-Gelände), 21.12 Uhr
SA 22 | 12 | 12
Lesung und Musik | Zwei Männer. Zwei Bärte. 2 Stimmen
Der Lyriker Patrick Salmen trifft auf den Singer-Song-
writer Jonas David. Patrick Salmen ist Lyrik- und Pro-
saautor, Bühnenliterat und humoristischer Geschich-
tenerzähler, „NRW-Vizemeister“ und Meister im Poetry
Slam. Nach seinem ersten Buch „Distanzen“ folgte in
diesem Jahr „Tabakblätter und Fallschirmspringer“.
Jonas David fabriziert Musik, die gerne ausufert und
Grenzen überschreitet. Seine Intensität ist ansteckend,
besonders, wenn die Songs mit starken Kontrasten ex-
perimentieren und im aufgeladenen Falsettgesang, Ge-
brüll oder oszillierenden Chören münden.
domicil, Dortmund, 20 Uhr
MO 24 | 12 | 12
Erlebnisgottesdienst | Janas Weihnachten
Das Schauspiel „Janas Weihnachten“ steht im Zentrum
eines stimmungsvollen Gottesdienstes für alle Generatio-
nen an Heiligabend. Jana ist 16 und erfährt ausgerechnet
wenige Wochen vor Weihnachten, dass sie einen Gehirntu-
mor hat und voraussichtlich nur noch wenige Monate lebt.
Eine Welt bricht für sie und ihre Freundinnen zusammen.
Doch ein Engel kommt zu ihr und führt sie zum Stall von
Bethlehem. Hier verändert sich Janas Sicht auf das Le-
ben und den Tod. Sie erfährt von einer Liebe, die stärker
ist als der Tod und das ganze Leben umfasst. Es wird das
bewegendste Weihnachtsfest ihres Lebens. Ein Schauspiel
mit Jugendlichen und Erwachsenen sowie dem Hagener
Show-Pony „Rocky“, das den Esel spielt.
Pauluskirche, Dortmund, 14.30 Uhr
MI 26 | 12 | 12
BODO VERLOSUNG | 41. Weihnachts-Jazzmatinee
Die traditionelle Weihnachts-Jazzmatinee des domic-
il öffnet am zweiten Weihnachtsfeiertag ein großes
Schaufenster in die lokale und regionale Jazz-Szene.
Zehn Bands auf fünf Bühnen präsentieren Musik von
28 VERANSTALTUNGEN DEZEMBER 2012
21 | 12 | 12 Akte X-Mas 26 | 12 | 12 Total Paranormal Weihnachtsshow
VINICIUS CANTUARIA | Indio de Apartamento (Naive / Indigo)
Moment mal, wird hier nach langer Zeit wieder das „Girl from Ipanema“ musikalisch angehimmelt? Ist das eine
Platte von Jobim, Gilberto oder Mendes? Nicht wirklich, aber der Sound des klassischen Bossa Nova der 70er
mit seiner sanften, unglaublich angenehmen Note schwingt hier ganz stark mit. Vinicius Cantuaria gehört zur
so genannten „zweiten Garde des Bossa Nova“ und zählt mit seinen 61 Jahren nun auch schon langsam zu den
Klassikern. Aber er ist in seiner musikalischen Laufbahn nie stehen geblieben, sondern hat sich immer wieder
neu inspirieren lassen. Dazu passt auch, dass er früh von Rio nach New York zog, einer Stadt, die sich gleichfalls
permanent versucht, neu zu erfinden. Mit „Indio de Apartamento“ kehrt er nun also back to the roots und kommt
dabei ein Stück weit nach Hause. Unterstützt von Jazzgrößen wie u.a. Norah Jones, Ryuichi Sakamoto und Bill
Frisell hat er ein Album produziert, das mittels Gehörgang die Seele streichelt. Mal mehr melancholisch, mal mehr
heiter, immer mit spürbar viel Gefühl und hörbarem handwerklichen Geschick ist ihm ein kleines musikalisches
Schmuckstück gelungen, dessen einziger Kritikpunkt die nur 30minütige Länge bzw. Kürze ist. Aber auch das war
ja in den 70ern nicht anders. (BvR)
CD-TIPP
29
27 | 12 | 12 Geierabend 201326 | 12 | 12 Honigdieb
Modern Jazz bis Funk, von
Weltmusik bis Big Band, von
Swing bis Electro. Der Erlös
der Veranstaltung kommt
direkt der gemeinnützigen
Kulturarbeit des domicil zu
Gute. Modern Jazz: Jonas Röser Quartett und Jerry Lu
Quintett feat. Florian Menzel. Big Band: J R Swingcon-
nection und Staight Ahead Bigband. Groove Club: Pho-
notoxics und Jamroulette. Weltmusik: Parhelia Quar-
tett und Tryol. Traditional: Dian Pratiwi & Band und
Pilspicker Jazzband feat. Babette Horschler.
Opernhaus, Dortmund, 11 – 14 Uhr
bodo verlost 5 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 23.
Magie | Total Paranormal Weihnachtsshow
Bei der Total Paranormal Weihnachtsshow werden Tan-
nenbäume schweben, Zimtsterne verschwinden und die
Zukunft wird aus Bratäpfeln gelesen. Oder so ähnlich.
Das total fabelhafte Trashmagie- und Zauberkunstquar-
tett Mario Schulte, Kotelett Schabowski aus Ost-Osteki-
stan, Pille der Kartenhai und Magic Mark Weide zeigt
eine Show, die mit ebenso erstaunlichen Tricks aufwar-
tet wie sie die Lachmuskeln strapaziert. Witzig, verblüf-
fend, unterhaltsam und spannend mit Possen von kal-
kulierter Albernheit und Kunststücken auf Weltniveau.
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
Musik | Honigdieb
Lange haben die Dortmunder Chanson–Folkrocker um
Sir Hannes an ihrem vierten Album „Mein Hut hat keine
Ecken“ gefeilt. Aufgenommen wurden 14 neue Songs, die
voller Leben und Energie den Hörer betören, ja vielleicht
beflügeln. Das macht Spaß und tut gut. Man pfeift oder
singt die Songs mit und wird Teil des positiven, vielleicht
auch spirituellen Liederausflugs. Selbstverständlich geht
es bei Honigdieb um seine altbekannten Themen: Freiheit
und Revolution, verlorene Werte, Kritik an der Zerstörung
der Natur und des Geistes. Honigdieb versteht es, mit ei-
nem Augenzwinkern Problematiken zu publizieren.
FZW, Dortmund, 20 Uhr
DO 27 | 12 | 12
Comedy-Karneval | Geierabend 2013
Zombies auf Zeche! So ein skurriles Szenario können nur
die Anarcho-Karnevalisten vom alternativen Ruhrpott-
Karneval Geierabend entwerfen. Unter dem Motto „Ein
Zombie hing am Förderseil“ versetzen die Geier vom 27.
Dezember bis zum 12. Februar an 36 Abenden die Zeche
Zollern in Ausnahmezustand. Das brandneue Programm
verspricht ein humorgeladenes Spektakel aus Comedy,
Kabarett, Musik und kohlenschwarzem Ruhrpott-Humor.
Die Kellnerinnen Lilli und Lotti lassen ebenso Dampf ab
wie die AWO-Oppas oder die Vorstadt-Philosophen Sieg-
fried & Roy. Nicht fehlen dürfen „Die Zwei vonne Südtri-
büne“, die „Nordstadt-FDP“ in Gestalt von Udo & Moni
oder Joachim Schlendersack. Auch gibt es ein Wiederse-
hen mit dem Schnöttentroper Männerchor. Neu im Team:
„Der Hauer“ (Benedikt Hahn). Der Vorverkauf läuft.
Zeche Zollern II/IV, DO, 19.30 Uhr (auch 28. – 30.12.)
BODO VERLOSUNG | A Christmas Carol
Scrooge, der verbissene alte Kaufmann, quält rücksichts-
los unglückliche Schuldner, demütigt seinen Sekretär und
begegnet Mitmenschen mit
Verachtung. Selbst das her-
anrückende Weihnachtsfest
ist für Scrooge überflüssig.
Doch dann, in der Weih-
nachtsnacht, wird er von
einigen Geistern heimgesucht. „A Christmas Carol“ ist in
vielen Varianten gespielt und verfilmt worden. In dieser
Version wird der Klassiker „gegenwärtig“ präsentiert, mit
unkonventionellen Einfällen und live gebackenen Weih-
nachtsplätzchen. Ein vergnüglicher Theaterabend, und
über aller „Modernität“ bleibt die zeitlose literarische
Qualität sowie die Frage nach sozialer Verantwortung und
den gesellschaftlichen Werten erhalten. „...Denn die In-
szenierung ist so einfach wie genial.“ (Ruhr Nachrichten)
Weitere Termine unter www.depotdortmund.de
Theater im Depot, Dortmund, 19 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Teilnahmebedingungen auf Seite 23.
SO 30 | 12 | 12
Musik | urban urtyp: Stabil Elite
Düsseldorf? „Wenn es je eine Utopie von Westdeutschland
gegeben hat,“ schrieb De:Bug, „dann hier.“ Wo Warenhäu-
ser groß sind wie ein Stadion und die Nachkriegsmoderne
„distinguiert und provinziell wie eine Märklin-Eisenbahn“.
Klar, das Geld dafür kam von daher, wo es „zusammenma-
locht“ wurde, nämlich von hier. Jetzt kommt alles zurück.
Stabil Elite, drei Jungs Mitte 20, sind Art-Wave, Krautrock
und NDW. Sind Kraftwerk, Fehlfarben und Der Plan. Finster
technoid und poppig-elegant, Retro und Avantgarde. Coo-
ler, witziger, besser gekleidet und urban – das vor allem.
Christuskirche, Bochum, 19 Uhr
30 | 12 | 12 urban urtyp: Stabil Elite
Adressen | Bochum (0234)Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10
Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62
Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20
Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45
Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0
HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6
Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00
Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25
Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012
Museum Bochum, Kortumstraße 147, 910 42 30
Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36
Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17
Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01
RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30
Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30
Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30
Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90
Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03
Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35
Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17
Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56
Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50
Adressen | Dortmund (0231)Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00
Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46
DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79
Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45
domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30
Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25
F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72
FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20
Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194
Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00
Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22
Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206
Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25
Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33
Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47
Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78
Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60
Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07
SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23
Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20
U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23
Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40
Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00
Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11
Adressen | Herne (02323)Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52
Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99
Adressen | Witten (02302)Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24
Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40
Der Druck dieser Seite wurde ermöglicht durch Spenden der Besucher des Geierabend 2012.
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30 INTERVIEW | von Bastian Pütter und Nina Schulz | Fotos: Christian Eggers / AP / dapd · E .M. Urbitsch · Murat Kayi Archiv
Ein Dortmunder in MöllnMurat Kayi ist Musiker und Kabarettist aus Dort-mund. Ibrahim Arslan (Interview rechts), der als Kind den Mordanschlag auf seine Familie über-lebte, las Kayis Texte im Internet und wünschte sich den Dortmunder als Gast beim Gedenkkon-zert zum 20. Jahrestag des Anschlags. Am 17. No-vember stand Murat Kayi mit Künstlern wie Jan Delay und Samy Deluxe auf der Bühne der Möllner Stadthalle. bodo sprach mit ihm über 1992.
bodo Was hast du mit Mölln zu tun?
MK Oberflächlich gar nichts. Auf einer tieferen Ebe-
ne habe ich so viel mit Mölln zu tun, wie jeder haben
sollte, der nicht mit versteinertem Herzen durch die
Welt läuft. Mich hat das damals traumatisiert, nicht
Mölln alleine, die Jahre 1992 / 1993. Mölln, das ist
das Überschreiten weiterer Grenzen. Morde an Kin-
dern, im Westen.
Für mich hat sich mit dem Kontakt zur Familie Ars-
lan ein Kreis geschlossen. 1992 habe ich nichts zum
Thema Mölln geschrieben. Als ich später auf die
Bühne ging, um Texte vorzutragen, war einer der
ersten ein Text zum Thema, weil mich das seit da-
mals nicht losgelassen hat.
bodo Allein im ersten Halbjahr 1992 gab es 1.443
rassistisch motivierte Straftaten, davon 128 Brand-
anschläge – und das nur nach offizieller Zählung.
Wie hast du diese Zeit erlebt?
MK Bis es losging, war ich deutscher als die Deut-
schen, in der Hinsicht, dass ich mit meinen türki-
schen Wurzeln nicht viel am Hut haben wollte. Ich
dachte, das hätte sich für mich erledigt. 1990 wurde
ich eingebürgert und dachte, ich wäre jetzt Deut-
scher.
In der Phase musste ich dann erleben, dass angefan-
gen von den Roma über die Vietnamesen in Lichten-
hagen bis besonders zu den Türken in Mölln und So-
lingen alles, was scheinbar fremd war, zum Abschuss
freigegeben war.
bodo Warum besonders die Türken?
MK Die waren auf einmal Mordopfer. Bei den Hetzjag-
den und Brandanschlägen, z.B. auf das Sonnenblu-
menhaus in Rostock und auf die Vietnamesen darin,
ging es auch darum, aber die Opfer hatten Glück.
Mit einem Freund besuchte ich damals einmal sei-
ne Großmutter, das waren Vietnamesen, Boat Peo-
ple, Flüchtlinge. Und er fragte seine Oma, warum
die Mülltonnen so seltsam vor dem Haus standen.
Sie sagte, damit sie durchs Fenster flüchten könn-
te, wenn die Nazis kämen. Das hat mich zutiefst
erschüttert.
bodo Im Prozess gegen die Mörder von Mölln sagte
der Opferanwalt Hans-Christian Ströbele: „Behör-
den, Politik und Politiker in der Bundesrepublik tra-
gen eine politische und moralische Mitschuld an den
Anschlägen.“
MK Es ging um die Abschaffung des Asylrechts und
um die passende Stimmung in der Bevölkerung dazu.
Um eine gesteuerte Medienkampagne, die täglichen
Wasserstandsmeldungen in den Nachrichten: Heute
soundsoviel Asylanträge, gestern soundsoviel, Men-
schenschlangen, Menschen auf Koffern – man hat
nicht lockergelassen.
Heute weiß man, dass in Rostock-Lichtenhagen im
Sommer 1992 Polizeikräfte bewusst abgezogen wur-
den. Der damalige Innenminister Seiters hat sich
mir ins Gedächtnis gebrannt, als er nach den Pog-
romen von Rostock sagte: „Die Vorfälle der vergan-
genen Tage machen deutlich, dass eine Ergänzung
des Asylrechts dringend erforderlich ist, weil die
Bevölkerung durch den ungebremsten Zustrom von
Asylanten überfordert wird“.
bodo Das war die Einladung an die Nazis, Politik mit
dem Molotow-Cocktail selbst zu gestalten...
MK …und dazu kam die Idee: „Wir können die rech-
ten Parteien nur erfolgreich bekämpfen, wenn wir
sie rechts überholen.“ Das haben die Leute ja offen
gesagt.
bodo Aus den Neonazistrukturen der frühen 90er
speiste sich der NSU, und auch jenseits davon ging
das Morden weiter, die Amadeu Antonio Stiftung
zählt 183 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990. Wie
hast du die Zeit nach Mölln und Solingen erlebt?
MK In diesen Jahren ist praktisch ein gewisser Teil
meines Selbstbildes abgebrannt. Vorfälle, Politiker-
äußerungen, private Erlebnisse danach sind in ei-
nen riesigen Behälter gefallen. Davor habe ich fein
säuberlich getrennt: Das ist ein Idiot, das ist ein
Nazi, das ist ein Populist, der das für sich nutzt. Seit
dieser Zeit war ich für Integrationsdebatten weitge-
hend verloren. Wenn bestimmte Signalwörter fallen,
spare ich bestimmte Gesprächsfelder komplett aus.
Plötzlich war die Erkenntnis da, dass diese Leute,
die mich rassistisch beleidigten, lediglich nicht
kontrolliert genug waren zu schweigen. Das war kei-
ne Minderheit, sondern nur die Minderheit, die es
offen aussprach. Es schockiert mich genauso, wenn
jemand mit der ganz üblichen Verachtung über seine
Roma-Nachbarn spricht, das sind für mich Zweige
am selben Baum mit der selben Wurzel.
bodo Glaubst Du, dass das eine Gruppenerfahrung ist?
MK Ich denke schon, aber wir haben wenig darü-
ber gesprochen. Die Desillusionierung war bei den
Türken am stärksten, die die größte Identifikation
mit ihrer deutschen Identität hatten. Die anderen
haben sich eh auf ihr Türkischsein zurückgezogen.
Sicher ist es so, dass auch die, die nichts von Mölln
wissen, bis heute unter den Auswirkungen leiden.
Das Misstrauen, die Abschottung – so viel ist darauf
zurückzuführen.
Auf der Bühne frage ich: Was habt ihr denn erwar-
tet? Ich finde schon, dass man sagen kann, dass
auch damals alles Menschenmögliche getan wurde,
damit Integration nicht funktioniert.
In meinem Programm erzähle ich von meinem Neffen,
der in Berlin Stadtführungen für deutsche Touristen
macht. Irgendwann stehen die Leute dann vor diesem
Kuppelbau und fangen an: „Die können sich einfach
nicht so integrieren wie die anderen.“ Oder: „Das passt
einfach nicht ins deutsche Stadtbild.“ Und weil das
jedes Mal passiert, lässt er es inzwischen dabei be-
wenden und sagt nicht, dass sie gerade nicht vor einer
Moschee, sondern vor der großen Synagoge stehen.
bodo Das klingt wenig hoffnungsfroh...
MK Wenn ich Geschichten wie diese auf der Büh-
ne erzähle und frage: „Was stimmt eigentlich mit
uns Deutschen nicht?“, dann ist der Stimmungs-
tiefpunkt erreicht. Es wird dann besser, wenn ich
Ibrahim Arslan überlebte den Brandanschlag 1992 nur knapp.Murat Kayi stand zum Gedenktag in Mölln auf der Bühne.
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Vor 20 Jahren zündeten Neonazis das Haus der Familie Arslan mit Molotow-Cocktails an. Bei dem rassistischen Anschlag von Mölln am 23. November 1992 wurden die zehnjährige Yeliz Arslan, die 14jährige Ayse Yilmaz und die 51jährige Bahide Ars-lan ermordet. Weitere Familienmitglieder wurden teilweise schwer verletzt. Ibrahim Arslan überlebte den Brandanschlag als Siebenjähriger nur knapp.
Was bedeutet der Gedenktag für Dich?Für mich als Opfer, als Überlebender des
Brandanschlags und der rassistischen Morde
der 1990er Jahre ist es wichtig, das Erinnern
zurückzuerkämpfen und das Gedenken selber
zu gestalten. Wir sind keine Statisten, wir
sind die Hauptakteure des Geschehens. Wir
müssen unsere Erinnerung und unsere Ge-
schichte erzählen und unser Gedenken ge-
stalten. Nicht andere.
Wie bewertest Du den Umgang mit Über-lebenden rassistischer und faschistischer Gewalt in der Bundesrepublik?Auf jeden Fall nicht solidarisch. Die Hilfen,
die einem Opfer zustehen, müssen unbürokra-
tisch sein. Die Opfer müssten sie eigentlich
ohne Wenn und Aber bekommen. Opfer dürfen
nicht in Vergessenheit geraten. Das ist leider
in Deutschland so. Da läuft was ganz, ganz
falsch. Warum ist ein Täter das ganze Jahr
über in den Medien und ein Opfer nur an den
Jahrestagen? Auf die Täter wird mehr Wert
gelegt als auf die Opfer. Das ist genau das
Gleiche, was der Verfassungsschutz macht,
mit dem Schreddern der Akten und dem In-
schutznehmen der Täter. Es ist genau das
Gleiche, was die Medien machen. Sie zeigen
die Täter mehr, die Opfer weniger. Die Opfer
in Deutschland werden erst einmal als Täter
abgestempelt. Und hinterher, wenn sich her-
ausstellt, dass sie es nicht waren, werden sie
zu Schandbildern. Das darf nicht sein.
Was wünscht Du Dir für die Zukunft?Solidarität und Menschen, die hinter uns ste-
hen. Ich wünsche mir, dass die Opfer nicht
mundtot gemacht werden und mehr reden.
Geht auf die Straße, erzählt eure Geschich-
ten. Denn wir als Opfer sind die Hauptzeu-
gen des Geschehenen. Keiner zeugt für den
Zeugen, das hat Paul Celan gesagt. Wir müs-
sen unsere Geschichten erzählen. Bitte lasst
euch eure Geschichten nicht von anderen
Leuten klauen. Denn die Geschichten der Op-
fer sind das Wichtigste. Sie erinnern an das
Geschehene und an das, was noch erinnert
werden muss.
Das Interview führte Nina Schulz
»Wir sind keine Statisten«sage: „Gar nichts stimmt nicht“, wenn ich schil-
dere, welche fremdenfeindlichen Anfälle meine
Mutter in der Türkei hatte, wenn sie über Araber
sprach. Heute erlebe ich das bei Türken in Bezug
auf Zuwanderer aus Bulgarien. Ich glaube, dass
die Angst vor den „Fremden“ etwas Menschliches
ist. Die Frage ist, ob es beim Ressentiment bleibt,
oder ob dann irgendwann das Denken einsetzt.
bodo Und wie waren Deine Erfahrungen in Mölln?
MK Wenn ich es in einem Satz zusammenfassen
müsste: Ich bin mit einem Gefühl von Heimweh
weggefahren. Die Atmosphäre zwischen den Künst-
lern und den Angehörigen war so herzlich. Beim
Konzert selbst waren viele auch ganz junge Leute.
Da konnte ich mit meinem Programm einen Kontext
geben. Ich selbst bin dann in der Nacht noch zum
Haus des Anschlags gefahren für meine kleine per-
sönliche Gedenkveranstaltung.
Das Besondere in Mölln ist, dass die Überleben-
den die Form des Gedenkens selbst in der Hand
behalten haben. Die Familie lief bei der Demon-
stration vorweg, Ibrahim Arslan hat das Konzert
mit diesen ganzen großartigen Künstlern selbst
moderiert. In einem Interview hat er gesagt: „Mit
ihrem Tod wurde alles anders, aber umgefallen
sind wir nicht.“ Das ist so. Die stehen alle noch.
Ebenfalls wunderbar ist, dass es den Freundeskreis
gibt, der nicht nur die Veranstaltung organisiert
hat, sondern die Familie auch seit vielen Jahren
begleitet. Das sehe ich mir an mit einem tief dank-
baren Gefühl.
In der Nacht zum 23. November 1992 hatten Neonazis auf zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser in der Möll-
ner Altstadt Brandanschläge verübt. Drei Menschen kamen dabei ums Leben. Es waren die ersten Todesopfer durch
neonazistische Gewalt im wiedervereinigten Deutschland.
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32 REPORTAGE | von Sandro Giuri | Fotos: Daniel Sadrowski
Es war ein kalkulierter Paukenschlag. Als Hel-mut Klemme, Präsident des Verbandes der Deut-schen Großbäckereien, auf einer Pressekonfe-renz verkündete, bis 2020 werde ein Drittel der Bäckereien in Deutschland den Betrieb einstel-len, war die Aufregung groß. 8.000 Klein- und Kleinstbetrieben drohe das Aus, die Zahl der Auszubildenden sei seit Jahren rückläufig, die Konkurrenz durch Selbstbedienungsbäckereien werde immer härter. Ein Besuch beim Handwerk.
„Holzofenbäckerei“ steht auf dem großen hölzer-
nen Schild an der Elberfelder Straße in Witten-
Bommern. Die Bäckerei wirkt rustikal und bäuer-
lich. Frau Potraca, eine der Geschäftsführerinnen,
empfängt uns. „Begonnen hat alles mit einem
Tisch, einem Ofen und einer Teigmaschine.“ Aller
Anfang ist schwer. Das Konzept der Holzofenbä-
ckerei wurde am Anfang kritisch beäugt durch den
Großhandel, man dachte, der Betrieb könne sich
Strom oder Gas zum Betrieb der Öfen nicht leisten.
Nach und nach stellte sich jedoch der Erfolg ein
und die Bäckerei wurde ausgebaut. Inzwischen ist
der Betrieb eine GmbH und weitere Veränderungen
sind geplant: Die Küche soll bald hinter einer glä-
sernen Wand zu sehen sein, damit der Kunde an
den Arbeitsprozessen teilhaben kann. Transparenz
schafft Vertrauen – sonst PR-Wortgeklingel, hier
einmal ganz praktisch umgesetzt.
„Man darf nicht stehen bleiben oder schlafen.“
„Der Anbau eines Cafés sowie die Erweiterung des
Angebotes um ein wechselndes Mittagsgericht,
die Ausrichtung von Hochzeiten und Geburtsta-
gen sowie der Lieferung von belegten Brötchen
erfolgte stets auf Kundenwunsch,“ erklärt Frau
Potraca. Der handwerkliche Bäcker, bei dem man
sein täglich Brot oder Brötchen kauft, ist hier ein
Event- und Gastronomieunternehmen geworden:
„Man darf nicht stehen bleiben oder schlafen. Die
Branche ist kundenabhängig. Der Kunde bestimmt
das Angebot und das Sortiment.“
Die romantische Idee der Bäckerei, in der einem
als Kind noch ein Milchhörnchen vom mehlbe-
stäubten Bäckermeister geschenkt wird, scheint
in der heutigen Wirtschaft einfach keinen Platz
mehr zu haben. Kundennähe schon. Frau Potraca
erzählt, dass es Kunden gibt, die seit der Eröff-
nung 2001 fast täglich kommen. Man sieht Kinder
aufwachsen: Zuerst kommen nur die schwangeren
Mütter. Später die ganze Familie. Also doch noch
ein bisschen Romantik.
Und die rückläufigen Auszubildendenzahlen? Frau
Potraca erklärt, wie schwierig es sei, Personal zu
finden. Dabei schaue der Betrieb nicht nur auf
Zeugnisse. Wichtiger sei eine Probearbeit, durch
die sich die Bewerber beweisen könnten. Rein-
hold Michael Pirker, der Bäckermeister, erklärt,
dass für viele Bewerber das Bäckerhandwerk eher
eine Notlösung sei. Oft gebe es falsche Vorstel-
lungen, auch von den Arbeitszeiten. „Wir fangen
zwar schon zwischen 12 und ein Uhr an, aber wir
arbeiten auch im Zweischichtsystem.“
Tradition als Marke
Es hat sich einiges geändert im traditionellen
Handwerk. Wo nicht, ist das Traditionelle Pro-
gramm: Fischer am Rathaus, Dortmunder Tra-
ditionsbetrieb seit 1848. Oft reicht hier die
Warteschlange bis auf die Straße. Vielen ist die
Bäckerei mitten im Stadtzentrum ein Begriff.
Auch das äußere Erscheinungsbild trägt dazu
bei. Man fühlt sich zurückversetzt in die sech-
ziger Jahre, Nostalgie liegt in der Luft. Die Ver-
käuferinnen in ihren typischen weißen Kitteln,
die Außenbeleuchtung sowie die „altbackene“ In-
neneinrichtung sind ein Markenzeichen. Hier wird
mit jedem Brot und mit jedem Dortmunder Salz-
kuchen auch ein Stück „gute, alte Zeit“ verkauft.
Für die vermeintliche Krise sieht Bäckermeister
Heiner Fischer einen einfachen Grund: „Das Pro-
blem liegt in der mangelnden Wertschätzung des
Bäckereihandwerkes und des Brotes an sich.“ So
sei auch der Lehrlingsmangel zu verstehen: „Das
Nachwuchsproblem hängt meiner Meinung nach
auch mit dem gesellschaftlichen Wert des Hand-
In der Handwerksbäckerei
Ω
„Wenn schlechte Zeiten kommen – das Letzte,
was verschwindet, ist das Brot.“
¬
Bäckermeister Heiner Fischer:
„Das Problem liegt in der mangelnden Wert-
schätzung des Bäckereihandwerkes
und des Brotes an sich.“
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Als Mitglied der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke streiten wir im Europaparlament für ein soziales Europa - friedlich, ökologisch, solidarisch. Jürgen Klute für GUE/NGL
2013!www.guengl.eu www.juergen-klute.eu www.dielinke-europa.eu
Dem BODO-Team und allen BODO-Lesern und Leserinnen
ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes und erfolgreiches Jahr
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werkes zusammen. Zudem ist es ein harter Be-
ruf und viele Jugendlichen wollen einfach nicht
mehr hart arbeiten.“ Klare Worte.
Wenn es um das Schwinden der Wertschätzung
geht, wie schafft es der Dortmunder Tradi-
tionsbetrieb, weiterhin zu bestehen? „Unser
Konzept heißt einfach Qualität“, erklärt Heiner
Fischer. Selbstbedienungsbäcker und Back-
stationen sieht er nicht als direkte Konkurren-
ten für sein Geschäft. „Die Qualität steht bei
uns im Vordergrund. Wir machen nicht nur auf
Masse. Wir wollen diese Wertschätzung auch an
den Kunden weitergeben.“ Und die Discounter?
„Die bieten ihre Sachen an, wir unsere.“
Und Angst vor der Zukunft macht man sich an der
Betenstraße nicht. Nicht mit der Zeit zu gehen,
mag für den Vorortbäcker bedeuten, die Zukunft
zu verspielen, hier ist es die Nische, das Allein-
stellungsmerkmal und die richtige Strategie.
„Geiz ist geil“ oder Grundsicherung?
Die andere Seite: Qualität hat ihren Preis. Und
der will bezahlt sein. Für Millionen Menschen mit
und ohne Arbeit orientiert sich die Einkaufsliste
jedoch eher an dem, was nach Abzug der festen
Kosten übrig bleibt oder an den „Warenkörben“
des Regelsatzes. Bei 4,40 Euro am Tag ist das
gute Brot ein ganz schön trockenes.
Während die 3.000 (!) Tafel-Ausgabestellen
und -läden in Deutschland inzwischen fest ein-
gebunden sind in die Produktionsabläufe der
Großbäckereien und Supermärkte, erfreut sich
in vielen kleinen Betrieben das Brot vom Vor-
tag großer Beliebtheit bei der weniger solven-
ten Kundschaft.
Zwar sind Lebensmittel in Deutschland im eu-
ropäischen Vergleich immer noch erstaunlich
günstig, doch dreht sich seit 2007 die Preis-
spirale. Eine zunehmende Urbanisierung in
Entwicklungs- und Schwellenländern lässt die
Nachfrage nach Lebensmitteln massiv steigen.
Nahrungsmittelspekulation und Missernten
vergrößern das Problem.
Eine Tonne Brotweizen kostete vor einem Jahr
rund 70, heute 270 Euro. Bei Brot und Brötchen
von kleinen Handwerksbetrieben liegt der An-
teil von Mehl und anderen Rohstoffen zwischen
18 und 25 Prozent. Preissteigerungen, die es
den Betrieben schwer machen und die Kunden
zum Discounter wechseln lassen.
„Das Letzte, was verschwindet, ist das Brot.“
Wir sprechen mit Christian, 25, gelernter Bä-
cker und heute bei einer großen SB-Bäckerei-
kette beschäftigt. Für ihn ist der Brotkauf im
wahrsten Sinne eine Preisfrage. Als wir ihn
fragen, wo er selbst sein Brot kauft, antwortet
er, dass er sein geliebtes Dinkelbrot in einer
handwerklichen Bäckerei kauft. Für ein paar
einfache Brötchen geht er zum SB-Bäcker. Ge-
mischtkalkulation sozusagen.
Sicher müssten viele seiner Kunden auch bei den
Grundnahrungsmitteln sparen, aber als einzigen
Grund für den Backdiscount will er das nicht
gelten lassen. Für Christian ist die Entwicklung
auch ein Zeichen der Zeit: „Heutzutage muss
alles schnell gehen, und die SB-Bäckerei ist da
einfach eine Antwort auf die Bedürfnisse der
Kunden. Viele kleine Bäckereibetriebe haben es
einfach verpasst, sich anzupassen.“
Zum Schluss trinken wir noch einen Kaffee und
kommen mit einer älteren Kundin ins Gespräch.
Ein Satz prägt sich uns dabei besonders ein:
„Wenn schlechte Zeiten kommen – das Letzte,
was verschwindet, ist das Brot.“ (sg)
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NEUES VON ROSI | von bodo-Verkäuferin Rosi
Liebe Leserinnen und Leser,
meine Knie-Operation ist gut verlaufen, wenn auch
mit Schwierigkeiten. Die Narbe ist schon fast ver-
heilt. Trotzdem habe ich immer noch Schmerzen,
die bis zu einem Jahr andauern können, wie mir der
Arzt sagte. Ich habe auch noch drei Blutergüsse,
die auf die Wunde drücken. Ich muss hin und wie-
der auch noch Schmerzmittel nehmen.
Nach der Operation bin ich zur Reha gefahren. Nach
der Reha erfuhr ich, dass der „Tigger“ eingeschla-
fen war. Es war ein Schock für mich. Bernd hat ihn
im Garten eingegraben. Ich wollte ihn nicht mehr
sehen, sondern so in Erinnerung behalten, wie ich
ihn das letzte Mal sah. Fast elf Jahre war er bei uns.
Nun zurück zu meiner Reha. Mir gefiel die Kur sehr
gut. Ich hatte einen wunderbaren Arzt. Das Knie
wurde angeschaut, und er meinte, dass die Wunde
sehr gut verheilt wäre. Dann bekam ich Anwendun-
gen. Moorpackungen für die Schultern, Bewegungs-
Bäder, Hocker-Gymnastik, Fahrradfahren und Arm-
Training. Nachmittags war Kaffee trinken angesagt
und es gab ein leckeres Stück Kuchen. Danach war
eine Stunde Laufen angesagt. Am 25. Oktober war
meine Reha zu Ende.
Meine Kollegen von bodo haben mich immer ange-
rufen und gefragt, wie es mir geht. Dafür möchte
ich mich bedanken. Vielen Dank auch an Tanja und
Bastian. Sie haben mir noch einen Brief geschrie-
ben, und am Tag der Verkäuferversammlung drück-
te mich Tanja ganz fest. Ein Zeichen, dass ich nicht
vergessen werde.
Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und
einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ihre Rosemarie
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Er ist der große Esoteriker der Gegenwartsliteratur, Ex-
Hippie und tiefgläubiger Katholik.
Er saß in der Psychiatrie und in den Foltergefängnissen der brasiliani-schen Militär-Junta ein und glaubt an das Einheitsstiftende von Kunst und an das Internet.
Allein sechs Millionen folgen ihm auf Twitter, eine halbe
Milliarde Menschen las seinen Bestseller
„Der Alchimist“, der in 73 Sprachen
und Dialekte übersetzt worden ist.
Die Werke des Starautors wurden mit unzähligen
Preisen ausgezeichnet. Außerdem ist Paulo Coelho Botschafter des Internationalen Netzwerks der Straßenzeitungen.
Steven MacKenzie hat mit ihm gesprochen.
PAULO COELHO
36
Durch die Leitung klingt Paulo Coelhos Stimme, als schwinge
in ihr eine Art mystische Weisheit, es könnte aber auch die minimalis-tische Ausstattung seines Genfer Büros sein, die da spirituell resoniert – schließlich beinhaltet es nur „mei-nen Computer, meinen Bogen, meine Pfeile...“ Pfeil und Bogen? „Ich me-ditiere beim Bogenschießen“, erklärt er. „Ich kann nicht herumsitzen. Ich muss aktiv sein!“ Und für Einbre-cher? „Auch.“
Einbrecher würden den brasiliani-schen Autor des Alchimisten, der lebensbejahenden Geschichte eines Schafhirten aus Andalusien, der sei-nen Traum durch die Sahara jagt, wohl eher knuddeln – das Buch wur-de von über einer halben Milliarde Menschen gelesen und hat aus Co-elho ein „leuchtendes Beispiel spi-rituellen Erwachens“ gemacht, mit einem ergebenen Gefolge von über sechs Millionen auf Twitter und fast zehn Millionen Facebook-Fans.
Kein lebender Autor außer Dan Brown hat mehr Bücher eines
einzigen Titels verkauft, und be-kannte Fans sind unter anderem Bill Clinton und ausgerechnet Vladimir Putin, der 2006 auf eine Privataudi-enz mit Coelho bestand, als dieser auf der Transsibirischen Eisenbahn durch Russland reiste. „Wir haben
Paulo Coelho im Gespräch
Der Idealist36
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uns über zwei Stunden lang unterhal-ten“, sagt Coelho. „Aber ich werde natürlich nicht weitergeben, was wir besprochen haben!“
Coelhos Russlandreise bildet die Grundlage für sein Buch
„Aleph“, das wie „Der Alchimist“ abermals von einer Reise handelt, die zu innerer Erleuchtung führt. Es ist sein bisher intimstes Werk und be-ginnt mit einer – auch biografischen – Glaubenskrise. Coelho hätte am Gipfel sein sollen, ein glücklich ver-heirateter Bestsellerautor. Stattdes-sen hatte er das Gefühl, so erzählt er, an Ruhm, Reichtum und Behaglich-keit zu ersticken.
„Es sah aus, als ob es für mich keine Herausforderungen im Leben mehr gab“, erklärt er. „Das ist schlimm, weil das Leben doch eine andauernde Herausforderung ist. Viele Leute blei-ben in ihrem Wohlfühlbereich, ihrer Sicherheitszone. Doch wer Herausfor-derungen nicht annimmt, ist schon im Leben tot!“
Kein schöner Gedanke beim Blick auf das Fernsehprogramm
und die tägliche Routine. Nach seiner Definition sind wir also nicht wirk-lich am Leben?
„Lass uns aber nicht alles generalisie-ren, Steven“, tadelt er mich mit ge-
spielter Strenge. „Viele Menschen ja, aber nicht alle – sonst würde mich ja niemand lesen!“ Lachen. „Ich meine eine Tendenz, die wir haben, und ge-gen die wir ankämpfen müssen.“
Während „Aleph“ die Bestsel-lerlisten so unterschiedlicher
Länder wie Brasilien, Serbien und den USA stürmte, stellt sich unaus-weichlich die Frage, die ihm wohl andauernd gestellt wird: Was ist das Geheimnis seines Erfolgs?
„Es gibt keins!“ wirft er zurück. „Und es gibt auch keinen Grund, den man benennen könnte. Es gibt tausend Gründe, mit denen ein Betrug ge-rechtfertigt wird. Erfolg kann man nicht erklären.“
„Frag mich auch nie, was ich mit meinem Geld mache“, schilt er wei-ter. „Alle fragen mich wie, aber nicht warum ich reich geworden bin. Oder wie ich zum Bestsellerautor wurde. Wie ich Journalist geworden bin. Anstatt nach dem ,Wie‘ nach dem ,Warum‘ zu fragen, ändert so vieles im Leben.“ Und weiter: „Ich kann garantieren, dass ich in jedes meiner Bücher gleich viel Enthusiasmus und Liebe investiere. Aber gleichzeitig kannst du dir denken, dass es kom-plett lähmend wäre, wenn ich mir die halbe Milliarde Leser vorstellen wür-de. Es ist normal, dass man es allen
recht machen will, also denkt man am besten gar nicht daran.“
Coelho wurde 1947 in einer Fa-milie der Mittelklasse geboren,
wurde aber ab dem Alter von 17 von seinen Eltern dreimal in Geistes-anstalten eingewiesen. Gegen den Wunsch seiner Eltern, die wollten, dass er Rechtsanwalt würde, lebte Co-elho als Hippie, bis seine politischen Umsturzideen 1974 die Aufmerksam-keit der brasilianischen Militärdikta-tur erregten und er eingesperrt und gefoltert wurde – was einen Bruch in seinem ansonsten festen katholischen Glauben herbeiführte.
„Ich habe meinen Glauben komplett verloren“, gibt er zu. „Ich dachte, mir kann das nicht passieren. Das ist nicht fair, nicht gerecht, Gott liebt mich nicht. Ich habe sieben Jahre gebraucht, um die-se Erfahrung hinter mir zu lassen.“
„Im Gefängnis, in der Folter, exis-tierst du nicht mehr“, erklärt er wei-ter. „Selbst nach der Freilassung lebt das Gefängnis in deiner Seele weiter.“ Aber nachdem der Mensch aus der Summe seiner Erfahrungen besteht, sieht Coelho sein Leiden als wich-tigen Teil seiner geistigen Entwick-lung zu dem Mann, der er heute ist?
„Ich bezweif le das, Steven“, seufzt er. „Meine Zeit in der Psychiatrie
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war mir bestimmt nützlich, aber ich denke nicht, dass man eingesperrt und gefoltert werden muss, um zu sich selbst zu kommen. Nur diese Zeit würde ich mit Freuden aus mei-ner Vergangenheit tilgen. Ich habe Freunde, die sich davon nie erholt haben. Von zehn Menschen schaff-ten das vielleicht drei, sieben wurden komplett gebrochen. Es gibt keinerlei Rechtfertigung, Menschen aufgrund ihrer Ideen einzusperren.“
Coelhos Ideen werden noch heute von manchen Regimes unterdrückt: Zum Beispiel im Iran, wo seine Wer-ke verboten sind. Aber was haben sei-ne Bücher an sich, das zu ihrem Ver-bot führt? „Wieso sie gefährlich sind? Frag sie, frag sie!“, ruft er aus. „Jede Idee kann gefährlich sein, es kommt auf die Kultur an, mit der sie aufge-nommen wird. Wer schreibt, revo-lutioniert sich selbst. Ich habe keine Ahnung, wieso manche Bücher hier und da verboten sind.“ Und lächelnd: „Ich frage nicht – aber, keine Sorge, ich habe Internet.“
Als stolzer Internetpirat ist Co-elho bei Herausgebern berüch-
tigt, weil er viele Texte einfach gratis ins Netz stellt. Ahnend, dass „Aleph“ im Iran verboten werden würde, lud er auf seiner Webseite demonstrativ zum Download der Farsi-Überset-zung ein. „Es war kaum zu glau-ben“, schmunzelt er, „aber das wurde 317.000mal heruntergeladen.“
Jeden Tag verbringt Coelho Stunden damit, sein Blog zu schreiben und auf Kommentare zu antworten, und hat
damit die Art, wie Schriftsteller on-line mit ihren Lesern kommunizieren, revolutioniert. 2010 wurde er in einer Umfrage des Forbes-Magazins zum zweiteinflussreichsten Twitter-Nutzer gewählt: „Einflussreicher als Lady Gaga und Barack Obama“, lacht er. Nur dem Teenager-Messias Justin Bie-ber musste er sich geschlagen geben.
„Ich hoffe wirklich, dass Justin Bie-ber seinen Ruhm gut nützt“, fügt Coelho hinzu. „Er ist sehr jung, aber ich hoffe, dass er seinen Einfluss für etwas Gutes einsetzt.“
So eine Aussage klingt beinahe spöttisch, aber Coelho meint es
ernst. Er glaubt fest, dass Kunst die Menschen zusammenbringt, und nützt sein Blog vor allem als Platt-form für Geschichten aus der ganzen Welt und um andere Menschen zu inspirieren, ihre verschiedenen kre-ativen Möglichkeiten ebenso für das Gute zu nutzen.
„Wir sehen gerade jetzt, wie alle Brü-cken brennen: ökonomisch, politisch, sozial. Es gibt nur noch eine starke Brücke: die kulturelle. Ich verste-he vielleicht euer politisches System nicht, oder eure Religion, aber ich ver-stehe deine Geschichte. Ich verstehe dein Bild. Ich verstehe deine Musik, deinen Tanz. Hier ist die Brücke. Als Schriftsteller trage ich die Verantwor-tung, mein Bestes zu tun, damit diese Brücke nicht auch einbricht.“
Steven MacKenzie übersetzt von Susanne KochFoto: Philip Volsem
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Psychiatriepatient, Hippie, Satanist, LSD- und Kokainjunkie, Fol-teropfer, Songtexter, Musikmanager, Mönch, Pilger, Bestsellerautor, fanatischer Fußballfan, UN-Botschafter – die Biografie von Paulo Co-elho ist so überbordend, verwunschen und naiv wie seine Romane.
Geboren wird er 1947 in Brasilien, als Sohn eines Ingenieurs. Sein fa-miliäres Umfeld ist streng religiös geprägt, er besucht eine Jesuitenschule – und eckt an. Mit 14 entschließt er sich, Schriftsteller zu werden, mit 16 muss er zum ersten Mal zum Psychiater, mit 19 lässt ihn sein Vater in einer Zwangsjacke abholen. Er wird mit Psychopharmaka und Elektro-schocks behandelt, seine Krankenakte vermerkt: „Patient mit schizoider Persönlichkeit, sozialen und affektiven Kontakten gegenüber abweisend. Ist unfähig, Gefühle auszudrücken und Freude zu empfinden.“
Nach seiner Entlassung beginnt er ein vom Vater verordnetes Jurastudium, bricht es jedoch ab, als ihn die Ausläufer der 68er-Bewegung erreichen. Zwei Jahre lang reist er als Hippie durch Amerika, Nordafrika und Europa. Eine bizarre Lebensphase. 1969 wird Coelho Okkultist, beschäftigt sich mit Hexerei und Satanismus, liest Bücher über Ufos, Vampire und Astro-logie. 1972 tritt er in den „Orden der Tempelritter des Orients“ ein, eine satanistische Sekte, der auch Charles Manson angehörte. Ein in dieser Zeit angefertigtes 600seitiges Manuskript vernichtet er.
Anfang der 1970er arbeitet er als Journalist, Drehbuch- und Theaterautor und ist politisch aktiv. Doch die Militärdiktatur duldet sein oppositionel-les Engagement nicht. Mit 27 werden er und seine Frau in ihrer Heimat-stadt Rio de Janeiro auf offener Straße von einem Kommando der Junta verschleppt und gefoltert. Wieder frei, schreibt Coelho für den Rockstar und Musikproduzenten Raül Seixas Songtexte und wird über Nacht reich und berühmt. Er be-kommt gutbezahlte Posten in der Musikindustrie und versucht sich als Schriftsteller zu etablieren.
1980 ein weiterer Bruch: Coelho geht ins Kloster. Nach eigenen Angaben lebt er fünf Jahre zurückgezogen bei einem spanischen Orden. Am Ende dieser Zeit geht er den Jakobsweg von den Pyrenäen bis nach Santiago de Compostela und verarbeitet die Erfahrung in seinem ersten Buch.
Bereits seine zweite Veröffentlichung ist der „Alchimist“, der sich zunächst schleppend verkauft und später in 29 Ländern gleichzeitig die Bestseller-listen anführt. Seitdem erreicht im Schnitt alle zwei Jahre ein neuer Ro-man vergleichbare Erfolgszahlen und seitdem arbeitet sich das Feuilleton an Coelho ab.
So treu seine Millionen zählende Fanschar ist, so einhellig bleibt die Ab-lehnung der Literaturkritik, die Coelho als trivialen Esoteriker, als „Li-teraturscharlatan“ oder gar als „brasilianische Schriftstellersimulation“ schmäht. Die Millionen jährlicher Leser lässt das allerdings immer schon gleichgültig. Und den „Magier“, so der Name seiner aktuellen Biografie, offensichtlich auch.
Bastian Pütter
Nicht auszudenkenDie vielen Leben des Paulo Coelho
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Es gibt eine altbekannte Legende, deren Herkunft ich nicht feststellen kann. Sie erzählt vom Erzengel Michael, der eine Woche vor Weihnachten seine Engel bat, auf die Erde hinabzusteigen und die Men-schen zu besuchen, weil er wissen wollte, ob alles für das Fest von Christi Geburt bereit sei. Paarweise wurden sie losgeschickt, immer ein älterer Engel mit einem jüngeren, damit der Erzengel sich einen umfassenden Eindruck dessen machen konnte, was in der Christenheit geschah.
Eines dieser Zweiergespanne wurde auch nach Brasilien geschickt und kam dort spät in der Nacht an. Da die beiden Engel nicht wussten, wo sie übernachten sollten, baten sie in einem der großen Herren-häuser, wie es sie vereinzelt noch heute in Rio de Janeiro gibt, um Herberge.
Der Herr des Hauses, ein Adliger, der wie viele in Rio kurz vor dem Bankrott stand, war ein tiefgläu-biger Katholik, der die Himmelsboten sogleich an ihrem goldschimmernden Heiligenschein erkannte. Doch da er gerade eine große Weihnachtsfeier vorbereitete und sich bei der Dekoration nicht aufhalten lassen wollte, wies er ihnen zum Schlafen einfach einen Raum im Keller zu.
Obwohl auf den Weihnachtskarten immer Schnee zu sehen ist, fällt das Christfest in Brasilien mitten in den Sommer. Im Keller, in dem die Engel übernachten sollten, herrschte eine fürchterliche Hitze, und die feuchte Luft war zum Ersticken. Die Engel legten sich auf die harte Erde. Als sie ihr Nachtgebet be-gannen, bemerkte der ältere Engel einen Riss in der Wand. Er erhob sich, reparierte ihn mit Hilfe seiner überirdischen Fähigkeiten und betete weiter. Die beiden schmorten die ganze Nacht wie in der Hölle und bekamen fast kein Auge zu.
Trotzdem mussten sie am nächsten Morgen ihre Mission erfüllen. Sie durchstreiften die große Stadt mit ihren zwölf Millionen Einwohnern, mit ihren Stränden und Hügeln, ihren Gegensätzen. Sie füll-ten ihre Fragebögen aus, und als es wieder Nacht wurde, machten sie sich auf ins Landesinnere. Doch sie hatten die Zeitverschiebung nicht bedacht und daher wieder keinen Ort zum Übernachten.
Diesmal klopften sie an die Tür einer bescheidenen Hütte. Das junge Paar, das ihnen öffnete, wusste nicht, wie Engel aussehen, und erkannte daher die beiden Pilger nicht. Sie bereiteten den Engeln ein Nachtmahl und zeigten ihnen ihr neugeborenes Kind. Als Schlafplatz boten sie ihnen ihr eigenes Bett an und entschuldigten sich immer wieder dafür, dass sie nicht genug Geld hätten, um sich gegen die mörderische Hitze eine Klimaanlage leisten zu können.
Als die Engel am nächsten Morgen aufwachten, fanden sie das Paar in Tränen aufgelöst vor. Ihr ein-ziger Besitz und Lebensunterhalt, eine Kuh, lag tot auf dem Feld. Sie schämten sich, den Pilgern zum Abschied kein rechtes Frühstück bereiten zu können, da die Kuh, die ihnen sonst Milch gab, nicht mehr lebte.
Als die Engel die ungepflasterte Straße entlanggingen, machte der jüngere Engel seiner Empörung Luft. „Ich kann nicht begreifen, wie du dich verhalten hast! Der erste Mann hatte alles, was er brauch-te, und dennoch hast du ihm geholfen. Und bei diesen armen Leuten, die uns so freundlich aufgenom-men haben, hast du nichts unternommen, um ihr Leid zu lindern!“
„Die Dinge sind nicht immer, wie sie scheinen“, sagte der ältere Engel. „Als wir in diesem schreckli-chen Keller waren, bemerkte ich, dass auf der anderen Seite der Wand viel Gold lag, die ein früherer Hauseigentümer dort versteckt hatte. Und ich beschloss, es wieder zu verbergen, weil der jetzige Herr des Hauses nicht bereit war, denen zu helfen, die es brauchten.
Gestern Nacht, während wir im Bett der jungen Eheleute schliefen, bemerkte ich plötzlich, dass noch ein dritter Gast dazugekommen war: der Todesengel. Er war auf die Erde geschickt worden, um das Kind zu holen. Aber da ich ihn seit vielen Jahren kenne, ist es mir gelungen, ihn davon zu überzeu-gen, statt dem Kind der Kuh das Leben zu nehmen. Erinnere dich an den Tag, der bald gefeiert wird: Außer den Hirten wollte niemand Maria eine Herberge geben. Dafür aber sahen diese als erste den Retter der Welt.“
Paulo Coelho, übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann, illustriert von Andrea Šafaříková
Die Dinge sind nicht immer, wie sie scheinenEine Weihnachtsgeschichte von Paulo CoelhoLiebe Straßenzeitungsleser,
meine erste Straßenzeitung kaufte ich im Jahr 2005 in Frankreich. Dieses Jahr wurde ich zum Botschafter für den INSP – das Internationale Netzwerk der Straßenzeitungen, denn ich un-terstütze den Beitrag, den Straßenzeitungen zur Bekämpfung von Armut und Obdachlosigkeit auf der ganzen Welt leisten.
Mit meinem Text „Die Dinge sind nicht immer, wie sie scheinen“ möchte ich Menschen dazu be-wegen, nachzudenken, bevor sie ein Urteil über andere fällen, denn die Dinge sind oft anders als es den Anschein hat.
Ich habe dem INSP diese Weihnachtsgeschich-te gestiftet, weil ich der Überzeugung bin, dass die Menschen einander unterstützen sollten, und dass wir insbesondere denen helfen sollten, die weniger begünstigt sind als wir selbst. Stra-ßenzeitungen machen genau das, und indem Sie regelmäßig Ausgaben einer Straßenzeitung von Ihrem lokalen Verkäufer kaufen, helfen auch Sie.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen meiner Geschichte, Paulo Coelho
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LITERATUR | gelesen von Dr. Birgit Rumpel und Bastian Pütter42
Auch in diesem Jahr ist das An-
gebot saisonaler Literatur wieder
überwältigend. Die Kombination
Weihnachten und Humor ist dabei
glücklicherweise auch vertreten,
beispielsweise mit dem kleinen
Band „Haben Sie’s heilig?“.
Der Kulturjournalist, Kritiker und
Autor Stefan Keim hat sich einen
Spaß daraus gemacht, nicht nur
hinlänglich bekannte Klischees
rund um das Weihnachtsfest poin-
tiert aufs Korn zu nehmen, wie die
beleidigte Mutter, deren Sohn das
traditionelle Weihnachtsessen mit der Freundin zelebriert. Aktuelle ge-
sellschaftliche Phänomene spinnt er in seine Geschichten ein, etwa beim
Reviergerangel zweier gewerkschaftlich organisierter Nikoläuse, die ge-
rade die Folgen der Privatisierung im Himmel zu spüren bekommen, oder
wenn der muslimische Ahmed seinem durchgeknallten Schrebergarten-
nachbarn Elmar aus der Außenseiterrolle heraus hilft.
Ungewöhnlich und besonders lesenswert wird es, wenn Stefan Keim aus
seinem reichen kulturellen Wissen schöpft und surreale Geschichten er-
findet. Etwa das himmlische Kolloquium der Komponistenengel, die einen
göttlichen Auftrag verweigern, oder der Weihnachtsabend, an dem der
alte Guiseppe Verdi überraschenden Besuch bekommt. Sämtliche von ihm
erschaffene Opernfiguren fallen in sein Genueser Palazzo ein, der Gefan-
genenchor marschiert direkt in den Weinkeller durch. Auch nutzt der Au-
tor seine Erfahrungen aus dem Kulturbetrieb für amüsante Geschichten.
Da wird ein Kommissar vom Weihnachtsessen zum Tatort gerufen, um
den real vollzogenen Tosca-Mord im Opernhaus aufzuklären. Dank seiner
Opernkenntnisse ist der Fall schnell geklärt. Ein griesgrämiger, unterbe-
schäftigter Schauspieler wird auf dem Weg zur Weihnachtsaufführung
von drei weihnachtlichen Geistern auf die richtige Spur gesetzt – Charles
Dickens lässt grüßen.
Vom Gedicht über Dialoge und umgetextete Schlager und bis zum Kurz-
krimi wendet Stefan Keim vielfältige Formate an, die gut geeignet sind
– bei entsprechendem Vortrag – so manche Weihnachtsfeier nicht allzu
besinnlich werden zu lassen. Bei einigen der 19 Beiträge sind allerdings
Kenntnisse aus Oper, klassischer Musik und Literatur durchaus von Vor-
teil, um jede Pointe genießen zu können. (biru)
Stefan Keim
Haben Sie’s heilig? – Satiren im Schatten der Krippe
edition exemplum | 119 Seiten | 14,90 Euro
ISBN 978-3-89896-508-8
bodo verlost zwei Exemplare (siehe Seite 23).
Im nächsten Heft: Stefan Keim im Porträt.
Weihnachtliche Satire für Kulturkenner
Zurück in die 80er: Wolfgang Welt
ist der Prototyp des Popautoren,
des schreibenden Nerds. Gefürch-
tet für seine Musik-, Literatur- und
Theaterkritiken etwa in Marabo
oder Sounds. Unser Mann bei Suhr-
kamp, gefördert und geschätzt von
Leuten wie Peter Handke, Rainald
Goetz oder Diedrich Diederichsen.
Geliebt für seinen unerreicht lässi-
gen Tagebuch-Stil. Sein erster Ro-
man „Peggy Sue“ erscheint 1982, in
mancher Hinsicht parallel zu Jörg
Fausers „Rohstoff“.
Und dann schreibt er sich verrückt. Auf das manische Schreiben folgt die
manische Depression, die Psychiatrie-Einweisung und der Rückzug. Seit
1991 arbeitet er als Nachtportier am Bochumer Schauspielhaus.
Nun ist bei Klartext diese schöne Werkschau erschienen, Texte von 1979
bis 2011, die meisten zum ersten Mal in Buchform. Herausgeber Martin
Willems, erst 1984 geboren, als Wolfgang Welt seine erste Karriere schon
hinter sich hatte, hat in den Archiven gestöbert und zeigt auf 350 Seiten
den ganzen Wolfgang Welt und ein Zeitdokument nach dem anderen.
Und das macht richtig Spaß: Der entschuldigende Verriss des Grönemey-
erschen Frühwerks („Es ist mir klar, dass der aus Bochum stammende
Künstler kein Wort mehr mit mir sprechen wird...“) oder der drastischere
eines später ähnlich erfolgreichen Kollegen: „Hoffentlich verliert Marius
Müller-Westernhagen bald seine Stimme.“ Minetti-Kritiken, Walser-Lek-
türen, eine Motörhead-Tour-Reportage und immer wieder geschmacks-
sichere Entdeckungen. Welts Kritiken sind Popgeschichte: gnadenlos
subjektiv, stets entschieden aus der (auch enttäuschten) Fan-Position
geschrieben, kenntnisreich – und stilbildend.
Seine bisher verstreuten Prosastücke lassen das Bochum der 80er wie-
der auferstehen. Zwischen Tresen, Tanzfläche und Fußballplatz leben die
Weltschen Helden äußerst ungesund und haben doch erstaunlich wenig
Patina angesetzt seit damals. Eine Zeitreise, die Lust macht, Welts Ro-
mane wieder zu lesen.
Am 31. Dezember wird Wolfgang Welt 60. Ein schönes Geschenk haben
ihm Martin Willems und der Klartext-Verlag da gemacht! (bp)
Martin Willems (Hrsg.)
„Ich schrieb mich verrückt“
Texte von Wolfgang Welt 1979 – 2011
Klartext-Verlag | 358 Seiten, Broschur | 19,95 Euro
ISBN 978-3-8375-0747-8
King of Pop – Sektion Bochum
Stefan Keim Wolfgang Welt
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bodo-Mitarbeiter stellen vor:
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Lesetipps aus unserem Buchladen
Klaus Schneider, Projekt Buch„Alte und Neue Welt“ aus dem Jahr 1915 ist nur eins der vielen antiquarischen Bücher, die wir in die
ganze Welt verschicken. 1.600 „Meter Buch“ gingen im letzten Jahr an Käufer auf allen fünf Kon-
tinenten. Auf dem Weg dahin wurden viele, viele tausend Bücher von uns gesichtet, bewertet und
katalogisiert. „Ich mag alte Bücher. Die haben für mich etwas Magisches und jedes hat seine eigene
Geschichte“, sagt Klaus, der für die Sortierung und Aufbereitung der Bücher für den Online-Verkauf
zuständig ist. Auf neun unterschiedlichen Online-Portalen warten zurzeit 4.000 antiquarische Bücher
auf Kunden aus aller Welt.
Oliver Philipp, Leitung Vertrieb„Planeten Sterne Welteninseln“ lädt ein, die Astronomie im Deutschen Museum zu entdecken. Sach-
bücher zu vielen Bereichen der Wissenschaft laden bei uns zum Stöbern ein. Ein großer Kinderbe-
reich bietet auch für die jungen Leser viel zu entdecken: Vom klassischen Bilderbuch, über span-
nende Wissenschaftsbücher für Jugendliche bis zum Elektronikbaukasten mit Bauanleitung für das
eigene Radio – da sollte für jeden jungen Leser etwas dabei sein. Und wer lieber spielt als liest,
findet bei uns viele gebrauchte Gesellschaftsspiele, die wir, bevor wir sie verkaufen, alle auf Voll-
ständigkeit überprüft haben.
Suzanne Präkelt, Leitung Projekt Buch„Yummy Mami“, das sind 150 tolle Rezepte für die ganze Familie. Und das Ganze ohne exotische Zutaten.
Fünf Exemplare dieses tollen Kochbuches, das auch ein bisschen Ernährungsratgeber ist, laden zum Aus-
probieren und Nachkochen ein. „Dank vieler toller Buchspenden – zuletzt von der Frankfurter Buchmesse
– können wir mittlerweile, zusätzlich zu unseren großen Sonderflächen mit gebrauchten Taschenbüchern,
auch ein breites Sortiment an Neuware, besonders im Bereich Kochbücher anbieten“, freut sich Suzanne.
Neben „Yummy Mami“ warten noch über 200 weitere Titel zum Thema Kochen und Ernährung auf moti-
vierte Hobbyköche.
Tanja Walter, Geschäftsleitung„Mord am Hellweg“, eine der bekannten Lokalkrimireihen des Grafit Verlags, verspricht Spannung in
ganz Westfalen. Wen einmal das Krimi-Fieber gepackt hat, der findet bei uns reichlich Nachschub.
„Dank einer Kooperation mit dem Grafit Verlag können wir in einem eigens dafür eingerichteten
Regal über vier Meter aktuelle Lokalkrimis anbieten“, freut sich Chefin Tanja, die selbst begeisterte
Krimi-Leserin ist. Und wer die Grenzen Westfalens verlassen möchte, wird bei uns auch fündig. Vom
historischen Roman in Venedig bis hin zum klassischen Sherlock Holmes findet der Krimi-Fan alles,
was er für lange Winterabende braucht.
Vanessa Grünke, AuszubildendePaulo Coelho hat uns nicht nur für diese Ausgabe eine exklusive Weihnachtsgeschichte geschenkt. Auch
viele seiner Bücher gibt es bei bodo. Und wer mit Paulo Coelho nichts anfangen kann, wird sicher auf
unserer elf Quadratmeter großen Sonderfläche fündig. Dort heißt es, schnell sein und bei einem Preis von
zwei Euro pro Buch Schnäppchen machen. Wer drei Bücher kauft, bezahlt nur fünf Euro. „Oft bekommen
wir Bücher, die unsere Spender nur einmal und sehr vorsichtig gelesen haben und die dann fast neuwertig
sind. Trotzdem gelten sie als gebraucht und werden günstig verkauft“, erklärt Vanessa.
LITERATUR | Fotos: Sebastian Sellhorst
Das war nur ein kleiner Einblick in die Vielfalt unseres Buchladens. Besuchen Sie uns am bes-ten selbst in Dortmunds Innenstadt am Schwanenwall 36 – 38 und stöbern in unserem mitt-lerweile mehr als 10.000 Bücher umfassenden Sortiment. Wir freuen uns Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr auf Ihren Besuch. An Samstagen sind wir von 10 bis 14 Uhr für Sie da.
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RÄTSEL | von Volker Dornemann
Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg!
Fehlersuchbild – Lösung:
1) Der Zöllner spricht „Weihrauch“
ohne „H“ aus, 2) an seinem Gürtel
fehlt die Schnalle 3) und an einem
seiner Füße ein Zeh, 4) eine seiner
Sandalen hat einen Riemen mehr,
5) der ältere König trägt einen
Ohrring 6) und einer seiner Schna-
belschuhe ist weniger schnabelig,
7) der mittlere König hat einen
anderen Kragen 8) und eine Zacke
zuviel an der Krone, 9) die Turban-
feder des dunkelhäutigen Königs
ist pink und 10) an einem Grasbü-
schel fehlt ein Grashalm.
44
Rätsel-Lösung: SCHLOSS
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ANZE
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schafft Chancenbodo
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bodos Buchladen
Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
Mo. bis Fr. 10 bis 18 Uhr | Sa. 10 bis 14 Uhr
Belletristik | Sach- und Fachbücher | Raritäten
Tel. 0231 – 950 978 0
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Ergänzend zum Lammfilet in Balsamico-Erdbeerreduktion und Zitronenkartoffeln, welches ich bestellt habe, bringt Salvatore Ciraldo eigens zwei Salz- und zwei Pfeffer-mühlen an den Tisch. Der Küchenchef be-merkt meinen fragenden Blick. „Das Fleisch ist auf Keramik gegart”, erklärt er. „Nicht zu heiß. Bei einer Temperatur, die eine Krustie-rung zur Folge hat, nicht aber eine Versiege-lung. Das ist allerdings noch immer viel zu heiß für frischen Pfeffer. Der würde sofort verbrennen, all seine wundervollen Aromen verlieren und nur beißend schmecken. Das wäre doch viel zu schade.”
will schlechte Qualität kaschieren. Außerdem ver-
wende ich nie viele verschiedene Gewürze. Weni-
ger ist immer mehr, wenn man den Geschmack auf
Wesentliches konzentrieren möchte.”
Im ersten eigenen Restaurant, die Eröffnung
wurde am 2. November gefeiert, gedenkt er seine
Philosophie auf den Punkt zu bringen. Die auf
das Lamm abgestimmten Sorten Salz und Pfeffer
am Tisch stehen beispielhaft für sein Konzept.
Zu einem anderen Gericht, sollte dieses seiner
Meinung nach danach verlangen, würde er ein
spezielles Öl reichen. Ciraldos Wunsch ist, seine
Gäste von dieser Idee zu überzeugen. In meinem
Fall gelingt das, als ich von dem Pfeffer mit der
feinen Vanillenote mal etwas weniger und mal
etwas mehr versuche.
Zur wechselnden Speisekarte, mit Kreide auf ei-
ner Wandtafel notiert, sagt Ciraldo, sie werde
stets acht Positionen umfassen. Und ein kleines
Gericht. Bei meinem Besuch handelt es sich bei
Letzterem um eine Kleine Käseplatte für 6,50
Euro. Mit dem Lamm (16,50 Euro) habe ich defini-
tiv nichts falsch gemacht, doch auch die Salbei-
Steinpilz-Linguine (9,50 Euro), die am Nachbar-
tisch serviert werden, sehen verlockend aus.
Beim Service jedoch gibt es leider noch Anlauf-
schwierigkeiten. Die Bedienung, zwar sehr char-
mant, wirkt im direkten Vergleich zum Niveau der
Küche ein wenig unbedarft. Möglichst bald er-
weitert werden soll die Weinkarte. Ginge es nach
Ciraldo, würde Wein ein gutes Essen begleiten,
eventuell Wasser, sonst aber nichts. Acht Weine
und eine Schorle auf der Karte? Er lacht. 8 1/2
bezieht sich auf den gleichnamigen Film seines
Lieblingsregisseurs Federico Fellini. Es ist durch-
aus möglich, dass Sie weitere dieser Zahlenspiele
entdecken.
Auf italienische Spezialitäten angesprochen,
verspricht der Küchenchef, gelegentlich entspre-
chende Gerichte auf die Karte zu setzen. Aber
nur tatsächlich Traditionelles und nur, wenn alle
Zutaten frisch zu bekommen wären. Mit dem Be-
griff „mediterrane Küche“ hingegen solle man
ihn aber lieber verschonen, das wäre eine auf-
geblasene Nullnummer. Es gäbe so viele Länder
rund um das Mittelmeer und ein jedes habe ganz
eigene Kochtraditionen.
Am liebsten ist es ihm, wenn man sich seine Phi-
losophie zu Herzen nimmt und wie er von einer
„minimalen Küche“ spricht. Dazu passt im Übri-
gen die Inneneinrichtung im 8 1/2. Die Kombina-
tion von Holzfußboden, diversen Spielarten von
Grau an den Wänden, beige bezogenen Sesseln
und schwarzen Tischplatten im vorderen Bereich
wirkt schlicht, stylisch, jedoch nicht zu kühl. Im
hinteren Bereich, über ein paar Stufen zu errei-
chen, dominiert weinrot. Rustikale Sprossenfens-
ter setzen unaufdringlich Akzente und bringen
historisches Bewusstsein zum Ausdruck. (wk)
8 1/2, Bar RistoranteSonnenstraße 74, Ecke Hohe Straße
44139 Dortmund
Mo. – So. 18 bis 23.30 Uhr
bodo verlost ein Essen für zwei Personen. (siehe Seite 23)
Minimal ist mehr
8 1/2 | Dortmund
46 BODO GEHT AUS | von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
Ciraldo hat sein Handwerk in Rom gelernt. Noch
heute schwärmt er für die Metropole und ihren,
wie er sagt, Spagat zwischen modernem Europa
und klassischem Italien. Es folgten zwanzig Jahre
als reisender Saisonkoch. In Mailand hat er eben-
so gearbeitet wie in New York oder Singapur und
oft in den wirklich guten Häusern. Nirgendwo ist
er länger geblieben, als ihn die jeweilige Stadt zu
begeistern vermochte. Dass es ihn ausgerechnet in
Dortmund gehalten hat – vermutlich kennt man ihn
hier eher unter dem Namen Toto – lag auch am Sis-
sikingkong, wo er über einen längeren Zeitraum tä-
tig gewesen ist. „Wie dort gekocht wird, entspricht
genau meinen Vorstellungen. Ich nenne es ,mini-
mal‘. Hochwertige Produkte, aber keine Fonds und
keine Geschmacksverstärker. Wer so etwas benutzt,
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bodo dankt: Sparkasse Bochum Monika Blum, Eduard Kock, Dr. Heinz Josef Gockel, Erika Maletz, Petra Seidemann, Jean-Baptiste Lucia-ni, Ursula Schotte, Ruth Lange, Gabriele Szegeny, Ar-min Rau, Anni und Heinz Schlüter, Peter Thanscheidt, Dagmar Reitberger, Rosemarie Adam, Birgit und Karl Jelich, Ursula und Hans Gollminski, Angelika Göbel, Elisabeth Vossebrecher, Maria Elisabeth Markard, Susanne Auer, Rembert Schüttler, Monika Rebbert, Cornelia und Detlev Eckhard, Marion Grob, Irmela Niebuhr, Gudrun Vogt-Staab, Sabine Raddatz, Petra Danielsen-Hardt, Silke Harborth, Hildegard Reinitz, Thomas Scholle, Dolf Mehring, Martin Botteck, Timo Zimmermann, Ute Soth-Dykgers, Annette Düe, Kath-rin Bohr, Oliver Stiller, Esther Hagemann, Elsemarie Bork, Peter LAsslop, Christina Kolivopoulos, Jutta und Wido Wagner, Klara Lehmann, Dr. Rinnert Siems-sen, Ralf Hoof, Volker Schaika, Hannelore Thimm-Rasch, Andreas König, Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Bar-bara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stan-ge, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stü-cker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schild-heuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich La-ker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christi-ne Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Ge-org, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Males-sa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jutta Haring, Lieselotte Koch, Ka-trin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Annabell Preusler, Birgitt Kuhl-mann, Dieter Zawodniak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebasti-an Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Elisabeth Heymann-Röder, Christian Bös-terling, Linda Wotzlaw, Dagmar Drabandt, Christian Müller, Gerd Schlitzer, Johannes Sock
Die Studie der Böckler-Stiftung zur dramatischen Armutsentwicklung in Dortmund (siehe S. 20) hat hohe Wellen ge-schlagen. Uns besuchte ein Team des ARD-Morgenmagazins und ließ sich von unserem Verkäufer Günter zeigen, wo die Veränderungen in der Innenstadt sichtbar werden. Als Reporter für‘s „moma“ übrigens dabei: Martin Kaysh (2.v.l.).
doch einmal das Lob an ihn weiter. Er hat es sich verdient!
Ich freue mich schon auf die Dezember-Ausgabe.
Schöne Grüße von Ihrem Stammkunden, Hans Billmann
PS: Auch mit Ihrem Umzugsteam war ich voll zufrieden.
Hallo bodo-Team, immer wenn wir zum Shoppen in Dortmund
waren, sind uns die Magazinverkäufer über den Weg gelaufen.
Aber „zugeschlagen“ haben wir nie. Wer weiß, wer da dran
verdient, man muss es die ganze Zeit mitschleppen, usw.
Heute stand aber ein bodo-Verkäufer quasi bei uns vor der
Tür. Und ich habe mich „breitschlagen“ lassen ein Straßen-
magazin zu kaufen.
Beim Durchlesen des Hefts und Durchstöbern eurer Inter-
netpräsens wurden mir dann aber die Augen geöffnet.
Fazit: Egal wie, egal wann – ab sofort werden wir bodo kau-
fen. Danke für dieses tolle Engagement und das Magazin!
Viele Grüße aus Werne a.d.Lippe, Sven
Viele Grüße von einer treuen bodo-Leserin aus Schwerte,
die immer bei dem freundlichen Verkäufer in der Hüsing-
straße kauft. Besonders gefiel mir diesmal der Bericht über
die Buchmesse! Ulrike Berkenhoff
Liebes bodo-Team, ich möchte mich für einen superschönen
Abend in der Jahrhunderthalle Bochum bedanken.
Ich war die glückliche Gewinnerin für die Urbanatix-Vorstel-
lung am letzten Montag und hatte keine Probleme, meinen
Sohn (20) dafür zu gewinnen, mit mir dorthin zu gehen.
Auch ihm hat es sehr gut gefallen. Viele Grüße, Petra Grobel
LESERBRIEFE
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom bodo,
vielen Dank für euren letzten bodo vom November. Eure Ar-
tikel habe ich sehr aufmerksam gelesen, besonders den über
euren Verkäufer Otto aus Bochum. Bei ihm selbst nämlich
hatte ich den bodo kurz zuvor nahe Bochum Hauptbahnhof
erstanden! Und Otto hat dabei einen sehr freundlichen Ein-
druck gemacht. Da hat mich seine Lebensgeschichte natür-
lich gleich doppelt interessiert. Und ich muss sagen: Res-
pekt! Dass Otto so gut „auf der Straße“ zurechtkommt, ist
echt bemerkenswert – sogar im Winter bei Temperaturen un-
ter minus 15 Grad. Davor können sich viele „Weicheier“ in un-
serer Gesellschaft nur verstecken. Und dann steht Otto jeden
Morgen schon um 6 Uhr auf – von wegen Faulpelz-Leben! Ein
echtes Vorbild für unsere Gesellschaft, finde ich. Wir sollten
alle mal überlegen, ob ein einfacheres Leben nicht das Bes-
sere und Glücklichere ist. Ich wünsche euch und besonders
Otto viele erfüllte Advents- und Vorweihnachtstage!
Herzliche Grüße, Markus Wehrstedt
Hallo liebe Redaktion, zuerst einmal Respekt vor der re-
daktionellen Klasse. Eine tolle Mischung von interessanten
Beiträgen. Macht weiter so!
Loben muss ich an dieser Stelle einmal Ihren Superverkäufer
Walter vor dem EDEKA bei uns im Kaiserstraßen-Viertel. Er
ist mittlerweile eine Kultfigur in unserem Viertel geworden,
weil er immer freundlich ist, immer für ein Schwätzchen zu
haben ist, für jeden ein offenes Ohr hat. Bitte leiten Sie
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
bodo e.V. | Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund
oder eMail an: [email protected]
Foto: Sebastian Sellhorst
CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann
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